MedR
Schriftenreihe Medizinrecht
Herausgegeben von Professor Dr. Andreas Spickhoff, Regensburg
Marcus Vogeler
Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards
2123
Dr. Marcus Vogeler Brehmstr. 1 30173 Hannover Deutschland
[email protected]
ISSN 1431-1151 ISBN 978-3-642-17949-5 e-ISBN 978-3-642-17950-1 DOI 10.1007/978-3-642-17950-1 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Meinen Eltern
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand von Dezember 2009. Neuere Literatur und Rechtsprechung wurden vereinzelt noch bis Oktober 2010 berücksichtigt. Meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Erwin Deutsch bin ich in vielerlei Hinsicht zutiefst zu Dank verpflichtet. Er regte die vorliegende Arbeit nicht nur an, sondern ihre Entstehung ist auch maßgeblich durch die mittlerweile fünfjährige Tätigkeit als Mitarbeiter, auch bei der Ethik-Kommission der Medizinischen Hochschule Hannover, schon während des Studiums frühzeitig gefördert worden. Der Blick in die praktische Tätigkeit einer Ethik-Kommission bildete neben den vielen informativen Gesprächen, Diskussionen und Anregungen den Grundstein für die vorliegende Arbeit. Es war Freude und Ehre zugleich, über eine Arbeit zu Ethik-Kommissionen bei meinem Doktorvater promovieren zu können, der an der Etablierung von Ethik-Kommissionen in Deutschland entscheidend beteiligt war. Nicht minder herzlich danke ich auch Herrn Prof. Dr. Andreas Spickhoff für die Erstellung des Zweitgutachtens und für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Medizinrecht“. Hannover, im Oktober 2010
Dr. Marcus Vogeler
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Inhaltsübersicht
Einleitung: Unschärferelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1 Standards der medizinischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht und selbstverwaltete Forschungskontrolle . . . . . . . . § 3 Gang und Inhalt der nachfolgenden Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 5 5 43 71
Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 § 4 Grundlagen der Arzneimittelprüfung und die Stellung der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 § 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern . 126 § 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung und gegenüber den Prüfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Medizinprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 § 7 Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten und die Stellung der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 § 8 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen in ihrer forschungsmedizinischen Beratungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 § 9 Berufsethische und berufsrechtliche Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 § 10 Tätigkeit von Ethik-Kommissionen nach der Strahlenschutz- und Röntgenverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Fünftes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Verkehrssicherungspflicht . . . 613
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Inhaltsübersicht
Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 11 Regressansprüche bei Versuchsteilnehmerschädigungen . . . . . . . . . . . . . . § 12 Regressansprüche bei Schädigungen von Sponsoren und/oder Prüfern/Forschern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . .
617 617 622 622 653
Siebtes Kapitel: Teilrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 § 15 Grundlagen der Teilrechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 § 16 Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683
Inhaltsgliederung
Einleitung: Unschärferelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 § 1 Standards der medizinischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Historische Entwicklung der medizinischen Forschung und frühe Regelungswerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Streifzug durch die Geschichte der medizinischen Forschung am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Frühe Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Versuche im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3. Selbstversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4. Die intravenöse Injektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 5. Versuche im 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 a. Anton Störck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 b. Die Pockenimpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 c. James Lind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 6. Versuche am Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . 12 II. Die Debatte über medizinische Menschenversuche im ausgehenden 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1. Die Berichte der Münchener Freien Presse . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Einwilligung und Aufklärung – Das Urteil des Reichsgerichts v. 31.05.1894 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 III. Frühe Regelungswerke und Versuche am Menschen mit juristischen Konsequenzen Ende des 19. und im 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 15 1. Anordnung des preußischen Ministers des Inneren im Jahre 1891 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Anweisung des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten v. 29.12.1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 a. Der „Fall Neisser“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 b. Die Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Reichsrichtlinie des Reichsgesundheitsrates v. 28.02.1931 . . . 17 xi
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Inhaltsgliederung
a. „Lübecker Totentanz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die Reichsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nürnberger Kodex von 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Menschenversuche im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . b. Der Nürnberger Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Medizinische Forschung und medizinische Forschungsstandards heutzutage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Deklaration von Helsinki . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überblick über den nationalen (zersplitterten) Rechtszustand . . . III. Begriffliche und tatsächliche Erfassung der (bio-)medizinischen Forschung am Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die (bio-)medizinische Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Medizinbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Forschungsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 5 Abs. 3 GG . bb. Medizinrechtliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Individuell-therapeutisches Erprobungshandeln . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung: Das Kriterium der Determination . . . . . . . . . . . . IV. Medizinische Forschungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundeinteilung: Unterscheidung von therapeutischer und rein wissenschaftlicher Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Patienten-/Probandenschutzbezogene Forschungsstandards . . 3. Wissenschaftsbezogene Forschungsstandards: Studiendesigns und Biostatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlagen und heutige Bedeutung kontrollierter Studien . b. Kontrollgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Placebokontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bedeutung und Risiken von Placebostudien . . . . . (2) Zulässigkeit von Placebogruppen . . . . . . . . . . . . . . c. Randomisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Verblindung: Einfachblinde und doppelblinde Prüfungen . e. Cross-over . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Biostatistische Fallzahlplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht und selbstverwaltete Forschungskontrolle . . . . . . . . . A. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Frühe Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entstehung von Ethik-Kommissionen in den USA – Die sog. Institutional Review Boards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Etablierung von Ethik-Kommissionen in Deutschland . . . . . . . . . B. Funktionen der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Heutiges Erscheinungsbild der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . I. Öffentlich-rechtliche Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ethik-Kommissionen bei der funktionalen Selbstverwaltung .
17 18 19 19 21 22 22 24 25 26 27 28 29 31 32 32 33 34 35 35 36 38 38 38 38 39 41 41 42 42 43 43 43 44 46 48 49 49 49
Inhaltsgliederung
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a. Ethik-Kommissionen bei den Landesärztekammern . . . . . . aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Stellung und Struktur der Ethik-Kommissionen . . . . . . b. Ethik-Kommissionen bei den Hochschulen . . . . . . . . . . . . . aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Stellung und Struktur der Ethik-Kommissionen . . . . . . 2. Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung 3. Strukturelle Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ethik-Kommissionen als professionell-pluralistische Kollegialorgane mit Einzelentscheidungsbefugnissen . . . . c. Eingeschränkte Staatsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Aufsicht über Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . cc. „Einflussknicke“ und materiell-rechtliche Verselbstständigung von Ethik-Kommissionen . . . . . . . d. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Absage an private Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Rechtsprechungsüberblick zu Ethik-Kommissionen mit haftungsrechtlichem Einschlag: International und hierzulande . . . . . . § 3 Gang und Inhalt der nachfolgenden Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50 50 51 52 52 54 56 58 58
Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Grundlagen der Arzneimittelprüfung und die Stellung der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kennzeichen und Risikolage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grundlagen der Arzneimittelprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG und Abgrenzungsfragen . 1. Reichweite des Arzneimittelgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Personaler Geltungsbereich des AMG und Normadressaten der §§ 40 ff. AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachbezogener Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG . . . . . a. Der Begriff der „Klinischen Prüfung“ nach § 4 Abs. 23 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fallgruppen klinischer Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Pilotstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Arzneimittelentwicklungsprüfungen bis zur Zulassung – Studien der Phase I-III . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Phase I – „Human Pharmacology“ . . . . . . . . . . . . . (2) Phase II – „Therapeutic Exploratory“ . . . . . . . . . . . (3) Phase III – „Therapeutic Confirmatory“ . . . . . . . . .
58 59 60 61 62 63 64 65 71
73 73 73 75 78 78 79 79 80 82 82 84 85 86 87 88 88
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Inhaltsgliederung
cc. Post-autorisation Studies und Post-autorisation Safety Studies – Unbedenklichkeitsprüfungen nach Zulassung (1) Phase IV – „Therapeutic Use“ . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Intervenierende Post-autorisation und Post-autorisation Safety Study . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Superiority trials und non-inferiority trials . . . . . . . . . . ee. Therapieoptimierungs- und Dosisfindungsstudien . . . . c. Nichtinterventionelle Prüfungen nach § 4 Abs. 23 S. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Anwendungsbeobachtungen (§§ 67 IV, 28 Abs. 3a AMG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Nichtintervenierende Post-autorisation Study und Post-autorisation Safety Study . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. § 4 Abs. 23 S. 3 AMG als Ausnahmevorschrift oder als negative Geltungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Protagonisten der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sponsor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Forschungseinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen und ihre Stellung bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die bereichsspezifische Entwicklung der Ethik-Kommissionen . . II. Bedeutung des präventiven Verbots mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt – Rückschlüsse auf die Stellung der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis der Ethik-Kommission zur Bundesoberbehörde . . . 2. Allgemeine verwaltungsrechtliche Grundlagen und die besondere Stellung von Risikorechtsverhältnissen . . . . . . . . . . 3. Konkrete Anwendung auf die Ethik-Kommissionen: Subjektiv-öffentliches Recht des Sponsors auf zustimmende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterlagenprüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Multizentrische und monozentrische Arzneimittelprüfungen: Unterscheidung von federführender und beteiligter Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Verwaltungsakt als Handlungsform der federführenden Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen, § 35 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adressat und dauerhafte Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . VI. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder (LVwVfG) . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit auf die Tätigkeit der federführenden Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbarkeit auf die Tätigkeit der beteiligten Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88 89 90 90 91 92 92 94 94 96 96 97 98 98 98
100 100 101
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105 106 107 109 109 110 111
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VII. Administrative Entscheidungsspielräume für Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. (Rechtsfolgen-)Ermessen für Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . 113 3. Beurteilungsspielräume der Ethik-Kommissionen auf Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a. Grundlagen administrativer Letztentscheidungsbefugnisse 115 b. Normative Ermächtigungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c. Typologie und Begründungsmechanismen für administrative Beurteilungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 d. Übertragbarkeit auf Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . 120 aa. Unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb. Gesetzgeberische Letztentscheidungsermächtigung für Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 e. Gerichtliche Kontrolldichte und (haftungsrechtliche) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern . . 126 A. Die (eingeschränkte) Bedeutung der Probandenversicherung im Haftungsgefüge, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Die Reichweite der Probandenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Versicherter Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Versichertes Risiko – Eintritt des Versicherungsfalls . . . . . . . . 129 3. Ausschlüsse und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a. Begrenzung auf den materiellen Schaden . . . . . . . . . . . . . . . 130 b. Genetische Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c. Zeitliche Geltung – Nichtanerkennung von Spätschäden . . 131 d. Haftungshöchstbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4. Obliegenheitsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 1. Befreiungswirkung, § 40 Abs. 3 S. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Die „Subsidiarität“ der Probandenversicherung und § 116 SGB X . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Auswirkungen für die Haftung Beteiligter und der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B. Ansprüche des Versuchsteilnehmers wegen fehlerhaft zustimmender Bewertung der federführenden Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Ansprüche aus vertraglichen und verwaltungsrechtlichen (Schuld-)Verhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Vertragliche Schadensersatzansprüche, § 280 Abs. 1 BGB . . . 136 2. Schadensersatzansprüche aus verwaltungsrechtlichen (Schuld-)Verhältnissen, § 280 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a. Ansprüche aus Verwaltungsrechtsverhältnissen? . . . . . . . . . 138
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b. Allgemeine Grundlagen zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa. Unzulänglichkeit des Staatshaftungsrechts . . . . . . . . . . 139 bb. Begriff des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses“ und Typologie der Rspr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc. Folge: Transformation zivilrechtlicher Haftungskonzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 c. Übertragbarkeit auf das Verhältnis von Ethik-Kommission und Sponsor: Kooperative Risikoverwaltung als neue Fallgruppe verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse? . . . 141 d. Organwalterverhältnis mit Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . 145 1. Allgemeine Grundlagen der Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Kollegialentscheidung und Einzelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b. Innerer Anknüpfungspunkt: Berufsgemäßes Einzelverhalten während der interdisziplinären Beratung . . . . . . . . . . . . . . . 147 c. Äußerer Anknüpfungspunkt: Rechtswidriges Kommissionsvotum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 d. Ergebnis und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 3. Abstrakte Darlegung des Amtshaftungstatbestands für Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes, Art. 34 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb. Anerkannte Fallgruppen – insbesondere die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln und zur fehlerfreien Ermessens- und Beurteilungsausübung . . . . . . . . . . . . . 153 c. Drittgerichtetheit: Verletzung einer patienten-/probandenbezogenen Amtspflicht . . . . . . . . . . . . 155 aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb. Generelle Drittbezogenheit der Amtspflichten von Ethik-Kommissionsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Drittschützende Wirkung der §§ 40 ff. AMG . . . . . 155 (2) Personeller Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (3) Unterscheidung von Test- und Kontrollgruppe? . . . 157 (4) Sachlicher Schutzbereich und Relativität des Drittbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Drittgerichtete Amtspflichtverletzungen im Einzelnen: Die Ablehnungsgründe des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG . . . . . . 158 a. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b. Unterlagenunvollständigkeit nach Fristsetzung, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
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c. Unterlagenmängel, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG . . . . . . . . . aa. Der Begriff „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Inhaltliche Konkretisierung des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . dd. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee. Ergebnis und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Risiko-Nutzen-Relationen und ärztliche Vertretbarkeit des Versuchshandelns, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, 2a AMG iVm §§ 40 Abs. 4, 41 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Das Verhältnis der §§ 40, 41 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die besonderen Personengruppen nach §§ 40 Abs. 4, 41 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Klinische Prüfung an einschlägig erkrankten volljährigen Personen, § 41 Abs. 1 AMG . . . . . . . . (2) Klinische Prüfung an Minderjährigen, §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Klinische Prüfung an einschlägig erkrankten einwilligungsunfähigen volljährigen Personen, § 41 Abs. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, 2a AMG iVm §§ 40 Abs. 4, 41 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Diskussionsstand und Konturen der Risiko-Nutzen-Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wissenschaftliche Zielsetzung und Geeignetheit der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der „Nutzen für die betroffene Person“ und seine konzeptionellen Unschärfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unzulässigkeit von rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Eigennutzen, §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 1–3 Nr. 1 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gruppennutzen, §§ 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a)-2d) AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Der Nutzen der Kontrollgruppe . . . . . . . . . . . . . (e) Nutzenerfordernis für Begleitmaßnahmen? . . . (4) Vorhersehbare Risiken und Nachteile . . . . . . . . . . . (a) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einschränkungen nach §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 3. HS AMG . . . . . . . . . . . . (c) Abwägungssperren nach § 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Voraussichtliche Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160 160 161 163 165 166
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(6) Konkretes Nutzen-Risiko-Verhältnis und ärztliche Vertretbarkeit („Angemessenheit“) . . . . . . . . . . . . . 179 (a) Allgemeine Erforderlichkeit der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (b) Unbedingte Erforderlichkeit zur Bestätigung von Daten, § 41 Abs. 2 Nr. 2b), Abs. 3 Nr. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (c) Subsidiarität klinischer Prüfungen nach §§ 40 Abs. 4 Nr. 2, 41 Abs. 2 u. Abs. 3 AMG . . . . . . . 180 (d) Ärztliche Vertretbarkeit (Angemessenheit) . . . 181 (e) Berücksichtigung von Begleituntersuchungen . 182 dd. Placebogruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (1) Zulässigkeit im Rahmen des „Gruppennutzen“ . . . 183 (2) Ärztliche Vertretbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 ee. Amtspflichtverletzung und Beurteilungsspielraum . . . . 185 ff. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 gg. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 e. Autonomieschutz: Einwilligung nach Aufklärung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2, 2a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Volljährigkeit und relative Einwilligungsfähigkeit, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3a) AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Aufklärung des potentiellen Versuchsteilnehmers, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b) 1. HS iVm Abs. 2 S. 1 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (a) Umfang der Risikoaufklärung . . . . . . . . . . . . . . 192 (b) Einfluss der neueren Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (c) Allgemein verständliche Aufklärungsunterlage, § 40 Abs. 2 S. 1 2. HS AMG . . . . . . . . . . . . . . . 195 (d) Aufklärung über Probandenrechte . . . . . . . . . . . 196 (e) Aufklärung bei kontrollierten Versuchen . . . . . 196 (3) Schriftliche Einwilligung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b 2. HS AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Modifikationen durch §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2 u. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (5) Sicherungsaufklärung und Sicherstellung forschungskonformen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . 198 (6) Einwilligung in die Weiterverwendung personenbezogener Daten, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3c), Abs. 2a AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 dd. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 ee. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
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ff. Schutzbereichsverlagerung durch Sittenwidrigkeit: Das Verhältnis der paternalistischen zur individualistischen Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Verbot klinischer Prüfungen an verwahrten Personen, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Geeignetheit der Einrichtung, angemessene Qualifikation der Prüfer, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Geeignete Einrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Angemessen qualifizierter Prüfer . . . . . . . . . . . . . . . bb. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Durchführung einer pharmakologisch-toxikologischen Prüfung und die Unterrichtung über deren Ergebnisse § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 u. 7 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Pharmakologisch-toxikologische Prüfung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rückwirkung auf § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2, Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 u. 3 AMG am Beispiel des TeGenero-Falles . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterrichtung der Prüfer, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i. Vorhandensein einer „angemessenen“ Probandenversicherung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 iVm Abs. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee. Die Probandenversicherung in der neueren Literatur und die Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j. Ärztliche oder zahnärztliche Versorgung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Amtspflichtverletzung durch Verfahrensfehler: Drittrichtung oder Rückbindung auf die materiellen Ablehnungsgründe . . . a. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b. (Haftungs-)Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Amtspflicht zu zuständigkeits- und verfahrenskonformen Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Folgen für den weiteren Gang der Darstellung . . . . . . . c. Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verletzung der sachlichen Zuständigkeit . . . . . . . . . (2) Verletzung der örtlichen Zuständigkeit . . . . . . . . . . dd. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . d. Ordnungsgemäße Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Ethik-Kommissionen als Ausschüsse, §§ 88 ff. VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Beschlussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mindestanzahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anforderungen an die Qualifikation der Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Beschlussfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Einfache Mehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Auswirkungen von Stimmenthaltungen . . . . . . . . . (3) Mündliche Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Aktenumlaufverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nichtausschluss befangener Personen §§ 20, 21 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ausgeschlossene Personen, § 20 VwVfG . . . . . (b) Besorgnis der Befangenheit, § 21 VwVfG . . . . ee. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . e. Untersuchungsgrundsatz und Sachverhaltsermittlung . . . . . aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Besonderheiten beim Verfahren vor den EthikKommissionen: Risikoentscheidung durch Unterlagenprüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Untersuchungsgrundsatz bei staatlichen Risikoentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachvollziehende Amtsermittlung: Verantwortungsteilung durch Kooperationsverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Sachverhaltsaufklärung und Beweismittel der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verfahrensermessen, § 40 VwVfG . . . . . . . . . . . . . .
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(2) Unterlagen- und Informationsnachforderungsrechte – Die Dichotomie der §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG, 8 GCP-V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (b) Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (aa) Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG vor Bewertungsbeginn . . . . . . . . . . . 241 (bb) Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 Nr. 1 AMG nach Bewertungsbeginn . . . . . . . . 243 (c) Konsequenzen für die (ermessensfehlerfreie) Sachverhaltsaufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (aa) Unterlagennachforderung, § 42 Abs. 1 S. 4 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (bb) Zusätzliche Informationsanforderung, § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (3) Verwertung eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse, Sachverständigenhinzuziehung, Gutachtenanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (a) Allgemeines Verfahrensermessen, § 40 Abs. 1 S. 5 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 (b) Fehlende Fachkenntnis auf dem Gebiet der Kinderheilkunde, § 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt. AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (c) Xenogene Arzneimittel oder Gentherapeutika, § 42 Abs. 1 S. 6 2. Alt. AMG . . . . . . . . . . . . . . . 248 (4) Anhörung und Äußerung Beteiligter, § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (5) Stellungnahmen der beteiligten Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 dd. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 ee. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . 250 f. Ordnungsgemäße Beteiligung der lokalen Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa. Benehmensentscheidung, § 8 Abs. 5 S. 1 GCP-V . . . . . 252 bb. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . 253 g. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 6. Verschulden und entindividualisiertes „Kommissionsverschulden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a. Organisationsverschulden des übergeordneten Funktionssubjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa. Die neuere Rechtsprechung des BGH und ihre Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb. Rekrutierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (1) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
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(2) Konkrete Anforderungen nach den Umständen . . . cc. Folgen für die Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Organisationsverschulden des Vorsitzenden der Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verschulden der amtspflichtwidrig handelnden Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Bezugspunkt des Verschuldens bei der Amtshaftung . . bb. Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab und pluralistische Vertretbarkeitsentscheidung . . . . . . . (2) Von der Entindividualisierung des Verschuldenserfordernisses zum „Kommissionsverschulden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berücksichtigung ethik-kommissionsspezifischen Sonderwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verschulden bei unrichtiger Gesetzesauslegung . . . (5) Der Gedanke des Übernahmeverschuldens für professionell-pluralistische Kollegialorgane . . . . . . (6) Verschulden durch Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . cc. Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bezugspunkt und Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtsfolgen bei vorsätzlichem Handeln . . . . . . . . d. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zurechnung des Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundlagen und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kommissionsinterner Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . aa. Überwindung der condicio sine qua non-Formel bei Mehrheitsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. NESS-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. § 830 BGB und Zurechnung qua Mittäterschaft . . . . . . (1) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB als Zurechnungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vorsätzliche und fahrlässige Mittäterschaft . . . . . . dd. Wertende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee. Konsequenzen: Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . ff. Unbeachtlichkeit der Außen-Kausalität für ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kommissionsexterner adäquater Kausalzusammenhang . . . aa. Condicio sine qua non . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Schadenszurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Adäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutzzweck der Norm bzw. der Amtspflicht . . . . . (3) Zurechnungsunterbrechung durch Dazwischentreten Dritter oder des Opfers . . . . . . .
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(a) Durch den Prüfarzt und/oder den Sponsor . . . . . (b) Durch den Versuchsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . d. Kausalität bei Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde . . . . aa. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Kausalität außerhalb von Entscheidungsspielräumen . cc. Kausalität bei Beurteilungsspielräumen . . . . . . . . . . . . e. Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . aa. Verfahrensfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Hypothetische Einwilligung des Versuchsteilnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Der zu ersetzende Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen, § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Vorwerfbare Rechtsmittelversäumung, § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Anderweitige Ersatzmöglichkeit – Die Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . (1) Heutige Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Fahrlässiges Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Anderweitige Ersatzmöglichkeit und Einschränkungen durch die Rspr. . . . . . . . . . . . (c) Durchsetzbarkeit des anderweitigen Ersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Beweislast und prozessuale Konsequenzen . . . (3) Rechtsfolgen: Keine gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Reichweite der Subsidiaritätsklausel für die Haftung für Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Keine Subsidiarität bei Lohnfortzahlungsansprüchen, sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen und sonstigen privatversicherungsrechtlichen Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Probandenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Ansprüche gegen die Bundesoberbehörde und die beteiligte Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd. Ansprüche gegen hinzugezogene Sachverständige . . . (1) Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . (3) Anspruch aus § 839a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Anspruch aus § 839a BGB analog . . . . . . . . . . . . . . (5) Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826 BGB . . (6) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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284 286 287 287 288 288 289 290 290 291 293 293 293 294 294 295 295 295 295 296 296 296 297
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ee. Ansprüche gegen den Sponsor der klinischen Prüfung 305 (1) Anspruch aus § 84 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (a) Anwendbarkeit des § 84 AMG auf die klinische Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (aa) Anwendung auf Studien der Phase I-III . . 307 (bb) Anwendung auf Studien der Phase IV . . . 307 (cc) Anwendung auf die Kontrollgruppe und auf Studien mit zugelassenen Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (b) Die weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 309 (2) Anspruch aus § 1 ProdHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 (a) Anwendbarkeit, § 15 ProdHG . . . . . . . . . . . . . . 311 (b) Inverkehrbringen, § 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHG . . . 312 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (4) Vertragliche Schadensersatzansprüche, §§ 280 Abs. 1, 311, 241 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (a) Vertragliches Schuldverhältnis mit dem Sponsor der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . 314 (aa) Abgrenzung zur Gefälligkeit . . . . . . . . . . . 314 (bb) Überblick über die Vertragspartner bei der Heilbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (cc) Hinzutreten des Sponsors bei klinischen Forschungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (dd) Verhältnis zur Heilbehandlung und Vertragstyp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 (b) Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 (c) Verschulden, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . 320 (d) Verantwortlichkeit des Sponsors für Prüfärzte nach § 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (e) Besonderheiten bei rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (f) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (5) Ansprüche aus unerlaubter Handlung, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (a) Allgemeine Verkehrssicherungspflichtverletzungen . . . . . . . 322 (b) Herstellerspezifische und initiierungsspezifische Verkehrssicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . 323 (c) Aufsichts- und Organisationspflichtverletzungen („Monitoring“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (d) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (6) Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 40 ff. AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 (7) Ansprüche aus § 31 iVm § 823 und § 831 BGB . . 326
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(8) Ergebnis und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 ff. Ansprüche gegen den klinischen Prüfer . . . . . . . . . . . . . 327 (1) Ansprüche aus unerlaubter Handlung, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 (a) Behandlungs- und Versuchsdurchführungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . 328 (b) Aufklärungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (2) Ansprüche aus Schutzgesetzverletzung, § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 40 ff. AMG . . . . . . . . . . 331 (3) Ansprüche aus § 839 BGB bei verbeamteten Prüfärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 (4) Vertragliche Schadensersatzansprüche, §§ 280, 241, 311 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 (5) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 gg. Ansprüche gegen die Forschungsstätte . . . . . . . . . . . . . 333 (1) Forschungseinrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 (2) Forschungseinrichtungen in privater Trägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 hh. Besonderheiten bei klinischer Prüfungen ohne Beteiligung pharmazeutischer Unternehmen . . . . . . . . 334 ii. Faktische Realisierbarkeit der anderweitigen Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 c. Einschränkungen der Subsidiaritätsklausel: Teleologische Reduktion des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei kooperativer Risikoverwaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 d. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 10. Die Auswirkungen des Ethik-Kommissionsvotums auf die zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 a. Problemstellung: Bestandskraft und Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b. Zivilrechtliche Rechtswidrigkeit und öffentlich-rechtliche Genehmigung – Legalisierungswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 bb. Verwaltungs(akts)akzessorietät des zivilrechtlichen Rechtswidrigkeitsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 cc. Autonomie des zivilrechtlichen Haftungsrechts . . . . . 344 dd. Vermittelnde Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 ee. Übertragung auf das Recht der klinischen Prüfung – Besonderheiten der kooperativen Risikoverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 c. Bindung der Zivilgerichte an bestandskräftige Verwaltungsakte – Tatbestandswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission . . . . . . 349
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aa. Überprüfung bestandskräftiger Verwaltungsakte im Amtshaftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Die Tatbestandswirkung im Übrigen – Vom verfahrensrechtlichen zum materiell-rechtlichen Kooperationsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Einfluss des Ethik-Kommissionsvotums auf das Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Grundlagen: Innere Sorgfalt als Voraussetzung zur Erbringung der äußeren Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Möglichkeiten und Reichweite einer verschuldensentlastenden Wirkung der zustimmenden Bewertung – Vertrauen als Merkmal der Sorgfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Passivlegitimation: Die haftende Körperschaft . . . . . . . . . . . . a. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ethik-Kommissionen bei den Universitäten . . . . . . . . . . . . c. Ethik-Kommissionen bei den Landesärztekammern . . . . . d. Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Prozessuale Durchsetzung und prozessuale Würdigung . . . . a. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Zulässigkeit einer vorherigen Fortsetzungsfeststellungsklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Prozessuale Einkleidung der „Auffanghaftung“ durch Streitverkündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Auskunftsanspruch nach § 84a AMG . . . . . . . . . . . . . bb. Auskunftsanspruch nach §§ 25, 29 VwVfG . . . . . . . . cc. Auskunftsanspruch nach § 1 IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung für fehlerhafte Auskünfte und Hinweise in den Voten der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch . . . . . . 1. Anwendbarkeit neben der Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersatzverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beeinträchtigung nicht vermögenswerter Rechte . . . . . . . . . . . 4. Hoheitlicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sonderfall: Psychisch vermittelter Studienteilnahmezwang . . 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Ansprüche bei multizentrischer Arzneimittelprüfung – Kompetenzverteilungen zwischen federführender und beteiligter Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis von beteiligter und federführender Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Bedeutung von „Benehmensentscheidungen“ . . . 2. Kompetenzverteilung: Das Verhältnis von § 8 Abs. 5 S. 1 und S. 2 GCP-V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Amtshaftung für die federführende Ethik-Kommission . . . . . . . . . 1. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zurechnungsgrundsätze beim Zusammenwirken mehrerer Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Lokalitätsbezogene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Nicht-lokalitätsbezogene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 2. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Lokalitätsbezogene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Nicht-lokalitätsbezogene Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . c. Entgegengesetzte Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Amtshaftung für die beteiligte Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . 1. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ansprüche wegen Nichtintervention der federführenden Ethik-Kommission in die laufende klinische Prüfung . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . 1. Verletzung einer patienten-/probandenbezogenen Amtspflicht a. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Die (damalige) Diskussion über die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Änderungen durch die 15. AMG-Novelle: § 42a Abs. 4a AMG n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Rücknahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Kooperative Ausgestaltung des Verfahrens zur Aufhebung der zustimmenden Bewertung („Kenntnis erlangt“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Überwachungspflichten: Pharmakovigilanz klinischer Studien als Aufgabe der Ethik-Kommissionen? . . . . . . . . . e. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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380 380 380 382 383 383 384 384 386 386 386 386 387 387 387 388 388 390 390 390 391 391 392 392 392 393 394 395 395
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g. Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 2. Verschulden und Organisationsverschulden . . . . . . . . . . . . . . . 398 3. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende (Unterlassungs-)Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 4. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . 400 a. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 b. Verschuldensentlastender Vertrauenstatbestand durch Nichtintervention der Ethik-Kommission und der Bundesoberbehörde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 E. Ansprüche wegen fehlerhaft ablehnender Bewertung oder fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung durch die federführende Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 2. Ansprüche aus Amtshaftung wegen fehlerhaft ablehnender Bewertung oder fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung bei therapeutischen Zulassungsstudien . . . . . . . . . . . . . 403 a. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 b. Schuldhafte Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht . . . . 404 c. Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden . . . . . 405 d. Proportionalhaftung bei randomisierten (Placebo-)Studien? . . . 406 e. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . 407 3. Ansprüche aus Amtshaftung wegen fehlerhaft ablehnender Bewertung oder fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung von Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung des Arzneimittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 § 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung und gegenüber den Prüfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 A. Ansprüche des Sponsors wegen fehlerhaft ablehnender oder verspäteter Bewertung der federführenden Ethik-Kommission . . . . . . 410 I. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . 411 1. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 a. Rechtswidrige Nichterteilung der zustimmenden Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 aa. Fehlerhafte Verneinung der Zustimmungspflichtigkeit, §§ 4 Abs. 23 S. 1, 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 AMG . . . 411 bb. Fehlerhafte Verneinung der Zustimmungsfähigkeit, §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4, § 41 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 b. Verzögerung der zustimmenden Bewertung durch nicht fristgerechte oder rechtswidrig hinausgezögerte Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 2. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 a. Personeller Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
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b. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 3. Verschulden und Organisationsverschulden . . . . . . . . . . . . . . . 419 4. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität . . 420 a. Adäquater Ursachenzusammenhang und sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 aa. Schäden durch endgültiges Ausbleiben der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 (1) Arzneimittelentwicklungskosten . . . . . . . . . . . . . . . 420 (2) Fehlgeschlagene Zulassung und Vermarktung als entgangener Gewinn? – Die Reichweite des sachlichen Schutzbereichs der Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 (a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (b) Stand der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (c) Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 (d) Abschließende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . 425 (e) Ergebnis und praktische Erwägungen . . . . . . . . 427 (3) Therapieoptimierungsstudien, Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung . . . . . . 427 (4) „Rückabwicklungs- und Studienänderungskosten“ 428 bb. Verzögerungsschäden im engeren Sinne – Verzögerungsschäden im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . . 428 (1) Entgangener Gewinn infolge fehlgeschlagener oder verzögerter Zulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 (2) Neukonzeption nach Änderung der Rechtslage oder tatsächlichen Gegebenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 (3) Sonstige Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 cc. Kausalität bei Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde: Rechtsfragen und Beurteilungsspielräume . . . . . . . . . . 429 b. Berücksichtigung des Verhaltens der Bundesoberbehörde . 430 aa. Rechtmäßige Genehmigungserteilung durch Bundesoberbehörde – Rechtswidrige Zustimmungsverweigerung durch Ethik-Kommission . 430 bb. Beiderseitige rechtswidrige Genehmigungs-/Zustimmungsverweigerung . . . . . . . . 431 cc. Rechtmäßige Genehmigungsverweigerung durch Bundesoberbehörde – Rechtswidrige Zustimmungsverweigerung durch Ethik-Kommission . 431 dd. Rechtswidrige Genehmigungserteilung durch Bundesoberbehörde – Rechtswidrige Zustimmungsverweigerung durch Ethik-Kommission . 431 c. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 5. Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 6. Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . 434 a. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . 435
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b. Eigenes Mitverschulden und Verschulden Dritter, § 254, 278 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 aa. Eigenes Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 bb. Unterlassenes „Ethik-Hoping“ als Mitverschuldenseinwand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 cc. Verschulden Dritter, §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278, 831 BGB 438 c. Schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln, § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 aa. Sinn und Zweck des § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . 439 bb. Nichteinlegung von Rechtsmitteln durch den Sponsor 440 (1) Rechtsbehelfe gegen ablehnende Ethik-Kommissionsvoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 (2) Rechtbehelfe gegen verzögerte Ethik-Kommissionsvoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 cc. Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 dd. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 ee. Rechtsfolgen und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 7. Präjudizielle Wirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile, § 121 VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 8. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 II. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 1. Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 2. Anwendbarkeit neben und Vorteile gegenüber der Amtshaftung 448 3. Eingriff in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition . 449 a. Nutzungsbefugnis über hergestellte (Prüf-)Arzneimittel . . 449 aa. (Prüf-)Arzneimittel als Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 bb. Versagte und verzögerte Nutzungsmöglichkeit – Umfang des Eigentumsschutzes für Nutzungsmöglichkeiten und Verhältnis zu Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 b. Recht auf zustimmende Bewertung als Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 c. Patent und Eigentumsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 aa. Patent und patenfähige Erfindung als Rechtspositionen iSv Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 bb. Das Versuchsprivileg des § 11 Nr. 2 PatG . . . . . . . . . . . 457 d. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb . 458 4. Eingriffshandlung: Versagung und Verzögerung der zustimmenden Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 5. Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 6. „Sonderopfer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 7. Vorrang des Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 8. Anspruchsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 9. Passivlegitimation und Folgen für den Amtshaftungsprozess . 463 a. Der „begünstigte Hoheitsträger“ in der Rspr. des BGH . . . 464
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b. Passivlegitimation der Aufgabenwahrnehmungskörperschaft, gesamtschuldnerische Haftung mit der „Vorteilszufließungskörperschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 c. Folgen für den Amtshaftungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 B. Ansprüche des Sponsors wegen fehlerhafter oder unterlassener Beifügung einer Nebenbestimmung durch die federführende Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 I. Haftungsrechtliche Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 II. Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlass von Nebenbestimmungen durch Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . 471 1. Ermächtigungsgrundlage, § 36 VwVfG iVm § 42 Abs. 1 S. 7 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 a. § 36 Abs. 1 VwVfG für gebundene Verwaltungsakte . . . . . 471 b. § 36 Abs. 2 VwVfG analog für Verwaltungsakte mit Beurteilungsspielraum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 2. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 a. Kein Vorrang speziellerer Regelungen und kein Ausschluss durch (bewusste) Nichtregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 b. Generelle oder partielle Nebenbestimmungsfeindlichkeit? 474 3. Herstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für die zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG 475 4. Keine Zweckwidrigkeit der Nebenbestimmung, § 36 Abs. 3 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 5. In Betracht kommende Arten von Nebenbestimmungen für Ethik-Kommissionsvoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 a. Befristung, § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 b. Bedingung, § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 c. Widerrufsvorbehalt, § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG . . . . . . . . . . 477 d. Auflage, § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 e. Auflagenvorbehalt, § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG . . . . . . . . . . . 478 6. Beurteilungsspielraum und „modifizierende Auflage“ . . . . . . . 479 7. Ausgewählte praxisrelevante Anwendungsbereiche . . . . . . . . . 480 a. Unterlagenunvollständigkeit, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG . 481 b. Nichteinhaltung des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ungeeignetheit der klinischen Prüfung für den Wirksamkeitsnachweis, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG . . 482 c. Risiko-Nutzen-Relationen, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 d. Einwilligung und Aufklärung, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 e. Geeignetheit von Prüfeinrichtung, angemessene Qualifikation der Prüfer, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
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f. Probandenversicherung, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 g. Publikationsklauseln in Forschungsverträgen und Forschungsprotokollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 8. Haftungsrechtliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 C. Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor 487 I. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 II. Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 2. Unmittelbarer Eingriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 3. Überwindung durch Begünstigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 D. Haftung für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor aufgrund fehlerhaft zustimmender Bewertung . . . . . . . . . . . . 490 I. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . 491 1. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 2. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 a. Personeller Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 b. Sachlicher Schutzbereich und dessen Erweiterung durch das Kriterium des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 aa. In Betracht kommende Schäden des Sponsors . . . . . . . 492 bb. Das Kriterium des Vertrauensschutzes und dessen Anwendbarkeit für Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . 492 (1) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 (2) Vertrauensschutzintention der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission . . . . . . . . . . . . . . 494 (3) Geeignetheit der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission für eine Verlässlichkeitsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 (a) Kein numerus clausus von Vertrauensgrundlagen und erforderlicher Erklärungsgehalt . . . . . . . . . 495 (b) Eignung als Vertrauenstatbestand trotz Risikoverwaltungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 (4) Schaffung eines Vertrauenstatbestands („Verlässlichkeitsgrundlage“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (5) Nach außen manifestierte Vertrauensbetätigung . . . 498 (6) Schutzwürdigkeit des Vertrauens und dessen Durchbrechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 (a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 (b) Konsequenzen für den Sponsor . . . . . . . . . . . . . 500 cc. Folgen für die Schadenspositionen des Sponsors: Kongruenz von Vertrauen und Schaden nach Schutzzweckerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 3. Verschulden und Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502
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4. Haftungsausschlüsse und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . a. Subsidiarität des Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . b. Vorrang des Primärrechtsschutzes, § 839 Abs. 3 BGB . . . . c. Mitverschulden, § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Haftung für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor aufgrund fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . II. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Ansprüche von klinischen Prüfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ansprüche aufgrund fehlerhafter Versagung der zustimmenden Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . a. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Personeller Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Prüfarzthonorar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Entgangene Publikationsmöglichkeit . . . . . . . . . . . c. Verschulden und Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Haftungsausschlüsse und –beschränkung . . . . . . . . . . . . . . aa. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln, § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Mitverschulden, § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff . . . . . . . . . . . . . . II. Ansprüche wegen unberechtigtem Ausschluss von der klinischen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung für die federführende Ethik-Kommission aus Amtshaftung, § 839 Abs. 1, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission aus Amtshaftung, § 839 Abs. 1, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . III. Ansprüche wegen fehlerhaft zustimmender Bewertung . . . . . . . . . 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . a. Amtspflichtwidrige Schaffung eines Vertrauenstatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Personeller Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Sachlicher Schutzbereich: Reichweite des Vertrauenstatbestands für den klinischen Prüfer . . . . . .
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502 502 503 503 504 505
505 505 506 507 507 507 507 507 508 510 510 511 513 513 513 513 514 514 514 515 515 517 517 518 518 518 518 518
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(1) Schadensersatzansprüche geschädigter Versuchsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 (2) Speziell: Schäden im Zusammenhang mit der eigenen fehlenden Qualifikation, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 (3) Ungeeignetheit der klinischen Prüfung für eine Publikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 cc. Planungs- und Investitionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 c. Verschulden und Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 d. Haftungsausschlüsse und –beschränkungen . . . . . . . . . . . . 521 aa. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB 521 bb. Vorrang des Primärrechtsschutzes, § 839 Abs. 3 BGB . 522 cc. Mitverschulden, § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 2. Ansprüche aus Amtshaftung bei multizentrischer klinischer Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 G. Besonderheiten bei klinischen Prüfungen ohne pharmazeutische Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 I. Prüfarzt als Sponsor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 II. Universität als Sponsor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 1. Zustimmungserteilung durch eine Ethik-Kommission in unmittelbarer Trägerschaft des Landes oder durch eine Ethik-Kommission der Kammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 a. Verwaltungsaktqualität: Maßnahmen zwischen Hoheitsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 b. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 aa. Juristische Personen des öffentlichen Rechts als „Dritte“ iSd § 839 BGB: Die sog. „Verzahnungstheorie“ des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 bb. Drittgerichtete Amtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 cc. Geltung des Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 c. Enteignungsgleicher Eingriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 aa. Aktivlegitimation der Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 bb. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 d. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 2. Zustimmungserteilung durch die „eigene“ Ethik-Kommission . 532 a. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 b. In-Sich-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 c. In-Sich-Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 d. In-Sich-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 e. Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder gegenüber ihrer „eigenen“ antragsstellenden Universität . . . . . . . . . . . 537 aa. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 bb. Amtshaftung oder Innenhaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 cc. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540
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xxxv
f. Haftung für beteiligte Ethik-Kommissionen im Verhältnis zur Universität als Sponsor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 g. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Medizinprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 7 Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten und die Stellung der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten . . . . . . . . . I. Klinische Prüfung als Bestandteil der klinischen Bewertung, § 19 MPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich der §§ 20–23b MPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen und ihre Stellung bei der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bereichsspezifische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtslage bis zum 20.3.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Änderungen durch die 4. MPG-Novelle: Angleichung an die Arzneimittelprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 8 Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Amtshaftung gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer . . . . . B. Haftung gegenüber dem Sponsor und dem klinischen Prüfer . . . . . . . . Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen in ihrer forschungsmedizinischen Beratungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 9 Berufsethische und berufsrechtliche Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ethik-Kommissionen außerhalb bereichsspezifischer Normierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die „beratende Stellungnahme“ mit faktischer Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zum AMG und zum MPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Medizinische Forschung außerhalb bereichsspezifischer Normierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Rosinenanalogie“ – Die Diskussion über die analoge Anwendung der bereichsspezifischen Normierungen . . . . . . . . 2. Bedeutung der Deklaration von Helsinki . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkannte Grundsätze und Prüfungsumfang der Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . a. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes . . . . . . . . .
543 543 544 545 546 547 548 548 549 550 551 551 554
555 556 556 556 556 557 559 560 561 561 565 566 569 569 569 569
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b. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Abgabe einer fehlerhaft positiven Stellungnahme . . . . (2) Fehlerhafte Beratung und Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . c. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Beurteilungsspielraum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . h. Auswirkung der Ethik-Kommissionsberatung auf das Verschulden des Forschers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Durchführung des Forschungsvorhabens ohne ordnungsgemäße Ethik-Kommissionsbeteiligung . . . . bb. Durchführung des Forschungsvorhabens gemäß dem Votum und den Hinweisen der Ethik-Kommission . . . . i. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung gegenüber dem Forscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . a. Amtspflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Fehlerhaft ablehnende Stellungnahme oder unberechtigte Zurückweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Verzögerte Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Fehlerhaft positive Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Drittgerichtetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln, § 839 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftung bei Abgrenzungsfragen zum AMG/MPG . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung gegenüber dem Forscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Fehlerhafter Hinweis auf die bereichsspezifische Genehmigungspflichtigkeit mit ablehnender Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Unterbliebener Hinweis auf die bereichsspezifische Genehmigungspflichtigkeit mit zustimmender Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verschulden der Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . 4. Amtshaftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer . . . . . . . . . .
570 571 571 572 573 574 575 575 576 576 576 577 580 580 580 580 581 581 581 581 582 583 583 583 585 588 588 588 590 590
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591 591 592
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a. Schuldhafte Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ursächlichkeit und Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Tätigkeit von Ethik-Kommissionen nach der Strahlenschutzund Röntgenverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendungsbereich: Medizinische Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überblick über die gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Genehmigungsvoraussetzungen, §§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Besondere Schutzvorschriften, §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Stellungnahme der Ethik-Kommission, §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 92 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2, 28g RöntgenV . . . . . . . . a. Bedeutung der Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Haftung bei Forschungsvorhaben ohne gleichzeitige Genehmigungspflichtigkeit nach AMG/MPG . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis der berufsrechtlichen Beratungspflicht (§ 15 MBO-Ä) zur Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Haftung für fehlerhafte Stellungnahmen nach der StrlSchV/RöntgenV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Amtspflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Drittgerichtete Amtspflichten trotz innerbehördlicher Beteiligung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc. Die weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Haftung für fehlerhafte Voten nach § 15 MBO-Ä . . . . . . . . II. Haftung bei klinischen Prüfungen mit gleichzeitiger Genehmigungspflichtigkeit nach AMG/MPG . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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592 593 594 594 595 595 596 596 596 597 598 599 599 600 601 602
602 603 603 603 603 606 607 608 609 610
Fünftes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Verkehrssicherungspflicht . . . 613 Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 § 11 Regressansprüche bei Versuchsteilnehmerschädigungen . . . . . . . . . . . . . . 617
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Inhaltsgliederung
A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ansprüche der Primärverpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regressansprüche innerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösung über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld? . . . II. Regressansprüche außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ansprüche von Sekundärverpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Regressansprüche bei Schädigungen von Sponsoren und/oder Prüfern/Forschern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ansprüche gegen Beamte im statusrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 48 BeamtStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dienstpflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Problemstellung: Kollegialentscheidung und Einzelhaftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ethik-Kommissionsspezifische Betrachtung . . . . . . . . . . . . aa. Berufsgemäßes Einzelverhalten (verhaltensbezogene Dienstpflichtverletzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Rechtswidriges Abstimmungsverhalten (erfolgsbezogene Dienstpflichtverletzung) . . . . . . . . . . 3. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Insbesondere: Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb. Bestimmung der schuldhaft Handelnden . . . . . . . . . . . cc. Differenzierung zwischen verhaltens- und erfolgsbezogener Dienstpflichtverletzung . . . . . . . . . . c. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. (Mittelbarer) Schaden des Dienstherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität . . 6. Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ersatz des Schadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzlicher Forderungsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mitverschulden des Dienstherrn, § 254 BGB analog . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisationsverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
617 618 619 619 619 620 621 621 622 622 622 623 624 624 624 624 625 626 626 627 627 627 627 627 629 632 634 634 635 636 637 637 637 637 638 638
Inhaltsgliederung
3. Mitverschulden anderer Personen: Abgrenzung zur gesamtschuldnerischen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ersatzberechtigter Dienstherr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Amtshaftungsregress“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regress beim enteignungsgleichen Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . a. Enteignungsgleicher Eingriff als leistungsbegründend im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Amtshaftungsregress mit „verkapptem“ enteignungsgleichem Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Sonderfälle: Innenhaftung verbeamteter Kommissionsmitglieder C. Ansprüche gegen die weiteren Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis (Hüttenbrink) . . . . . . . III. § 48 BeamtStG – Analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ersatzberechtigter Dienstherr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Gesamtschuldnerische Haftungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . § 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen . . . . . . . . . . . . . . . . A. Zulässigkeit sondergesetzlicher Haftungsbeschränkungen . . . . . . . . . B. Haftungsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ärztekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einschränkungen bei der persönlichen Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fürsorgepflicht des Dienstherrn und die arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs . . . . . . . . . II. Versicherung für Ethik-Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . Siebtes Kapitel: Teilrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Grundlagen der Teilrechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bachofs Lehre von den Teilrechtsfähigen Verbänden des Öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16 Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen de lege lata und de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. De lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. De lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683
Einleitung: Unschärferelationen
„Die Gegenwart ist schwanger von der Zukunft; das Schicksal der Nachwelt ist in unsrer Hand, wir haben den Faden geerbt, wir weben ihn, und spinnen ihn weiter.“ (Herder, Briefe zur Beförderung der Humanität, 1793, S. 93)
Der Physiker Werner Karl Heisenberg formulierte im Jahre 1927 die nach ihm benannte heisenbergsche Unschärferelation. Nach ihrer Grundaussage lassen sich Ort und Impuls niemals gleichzeitig genau bestimmen: „je genauer der Ort bestimmt ist, desto ungenauer ist der Impuls bekannt und umgekehrt“1 . In Anlehnung an Heisenberg wird auch die Medizin durch eine gewisse Unschärfe geprägt. Deutsch hat diese Unschärfe mit der heute gebräuchlichen Formel umschrieben: „Das Gegensatzpaar heißt nicht Versuch und Erfolg, sondern Versuchsbehandlung und Standardbehandlung“2 . Die Arzthaftung ist eine Verschuldenshaftung und keine Gefährdungshaftung: Die Gefahr wird vom Arzt nicht an den Patienten herangetragen, sondern der Arzt versucht, dem in Not geratenen Patienten zu helfen. Die lex lata beantwortet die Unschärfe der auf Behandlung gerichteten Medizin also mit dem Verschuldensprinzip. Das Verschuldensprinzip gewährleistet die Handlungsfreiheit, im arztrechtlichen Kontext die Therapiefreiheit als fremdnütziges Recht.3 Die unscharfe Erfolgsprognostizierung wird jedoch umso größer, je mehr sich die Medizin auf unerforschtes Gebiet begibt. Auch die „medizinische Forschungshaftung“ ist nur dem Verschuldensprinzip unterworfen, obwohl man von der Ausgangslage her eine andere Haltung des Gesetzgebers hätte erwarten können. Die forschende Medizin trägt nämlich ihre eigenen Unschärfen bewusst an den Menschen 1
Heisenberg, Zeitschrift für Physik, 43 (1927), 172 ff. (Zitat: S. 175). Deutsch, Medizin und Forschung, S. 42; ähnlich Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 921: „Eine Behandlung ist niemals deswegen ein Experiment, weil ihr Ausgang nicht sicher feststeht (. . .) Der Versuch steht also nicht im Gegensatz zum Erfolg oder zur Garantie, sondern im Gegensatz zum Standard“. 3 Zum Verschuldensprinzip bei derArzthaftung Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 185; Deutsch, JZ 2002, 588; eingehend ders., in: FS v. Caemmerer, S. 329 ff.; zur Fremdnützigkeit der Therapiefreiheit Laufs, in: FS Deutsch I, S. 625, 626; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 308 f. 2
M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Einleitung: Unschärferelationen
heran und „instrumentalisiert“ bzw. „objektiviert“ sie zur Erkenntnisgewinnung. Das Verschuldensprinzip gewährleistet hier aber ebenfalls die Handlungsfreiheit, im vorliegenden Kontext die Forschungsfreiheit.4 Die Antwort des Gesetzgebers auf die forschende Medizin fällt aber verzweigter und komplexer aus. Zwischen der Medizin und dem Recht ist die Relation einer Unschärfe erkennbar, die jedoch eine andere Dimension aufweist, als die von Heisenberg für die Quantenphysik formulierte Unschärferelation: Je komplexer die Fragestellungen der forschenden Medizin sind und je größer und undurchsichtiger ihr Vordringen in den Bereich ihrer eigenen Unschärfen wird, umso undurchsichtiger werden die gesetzlichen Strukturen im Hinblick auf Anwendbarkeit und Subsumtion. Außerrechtliche Unschärfen pflegt der Gesetzgeber mit der (generalklauselartigen) Verweisung auf außerrechtliche Standards zu beantworten.5 Fordert die Gesetzeskonkretisierung eine planende, programmierende und komplexe Bewertung, stellt die Gesetzesanwendung also keinen „Routinevorgang“ dar, so findet grundsätzlich eine Aufgabenübertragung auf eine besonders (fach-)qualifizierte Stelle statt.6 Für den Bereich der forschenden Medizin sind dies jene professionell-gruppenantagonistisch besetzte Kollegialorgane, die mit dem Begriff der „Ethik-Kommissionen“ selbst unscharf in Bezug genommen werden. Ihnen obliegt es als (adoptierter) Teil der staatlichen Forschungsaufsicht oder als Teil der selbstverwalteten Forschungskontrolle, den vom Gesetzgeber nur (teilweise) abstrakt vorgezeichneten Spagat zwischen Innovation und Rechtsgüterschutz im Einzelfall zu entscheiden oder zu bewerten. Diese Unschärferelation eigener Art wird auch mit dem Begriff der „Risikoverwaltung“ umschrieben, die sich durch die Abwendung von noch nicht absehbaren und nicht erfassbaren Risiken vor Erreichung einer (konkretisierten) Gefahrenschwelle auszeichnet.7 Versteht man unter dem Begriff der Sicherheit die Abwesenheit von Risiken8 , so lässt sich konstatieren, dass es eine absolute Sicherheit für Teilnehmer eines medizinischen Forschungsprojekts nicht geben kann. Der Übergang zwischen dem in Kauf zu nehmenden Restrisiko zugunsten der Innovationsförderung zum unvertretbaren Risikoübermaß mit der Konsequenz der Innovationsverhinderung ist fließend. Die Haftung für fehlerhafte Ethik-Kommissionsvoten ist entsprechend diesem zu schlagenden Spagat janusköpfig. Sie kommt in Betracht gegenüber geschädigten Studienteilnehmern und gegenüber den Studienprotagonisten, also Forschern, klinischen Prüfern und Sponsoren. Die Haftungsrisiken haben für Ethik-Kommissionen und ihre Mitglieder seit der 12. AMG-Novelle im Bereich der klinischen Prüfung mit
4 Vgl. Deutsch, JZ 2002, 588: „Haftung nur für Verschulden bedeutet, dass das Werdende vor dem Bestehenden bevorzugt wird“; weiterführend ders., Haftungsrecht, Rn. 21 ff.: „Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die menschliche Initiative beschränkt wird. Durch das Verschuldensprinzip soll die Präventionswirkung auf ein erträgliches Maß zurückgeführt werden“ (Zitat: Rn. 22). 5 Zur Verweisung auf außerrechtliche Standards vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 270 f.; s.a. Esser, Grundsatz und Norm, S. 150; Hilgendorf, JZ 2010, 913, 920. 6 Hierzu Gross, Kollegialprinzip, S. 108 f. 7 Ausf. Di Fabio, Risikoentscheidungen, passim; jüngst Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht, passim. 8 Vgl. Gusy, JZ 2009, 217, 219.
Einleitung: Unschärferelationen
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Arzneimitteln und nunmehr auch durch die 4. MPG-Novelle bei Medizinprodukteprüfungen eine neue Dimension erfahren. Als nunmehr zu Genehmigungsbehörden herangewachsene Institutionen erscheint die Haftung nicht mehr nur ein theoretisches Problem. Die vorliegende Arbeit widmet sich in erster Linie der Haftung für EthikKommissionen in der medizinischen Forschung am Menschen und behandelt damit auch einen Teil der (Amts-)Haftung bei Risikoverwaltungstätigkeiten. Gleichzeitig werden Grundlagen, sowohl der Haftung als auch der Ethik-Kommissionstätigkeit, aufgezeigt und Standards der medizinischen Forschung in den Blick genommen, ohne deren Darstellung eine sachgerechte Behandlung der Haftungsfragen nicht möglich ist.
Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
§ 1 Standards der medizinischen Forschung Die Sorgfalt als standardisiertes Verhalten geht zurück auf den „standard of care“ des englischen Rechts. Gebräuchlich war der Standard in der Form des „KönigsStandards“, wonach im Namen/Zeichen (Standarte) des Königs festgelegte Normen als maßgebend betrachtet wurden. In seiner ältesten und ursprünglichsten Bedeutung handelte es sich um ein deutlich sichtbares Zeichen, welches den Sammelpunkt für Soldaten angeben sollte. Von der „unbezweifelbaren Autorität“ des Standards ist man heute zugunsten eines beweglicheren abgerückt. Jeder Standard ist ein dynamischer Mindeststandard, dem auferlegt wird, sich an Umstände und Gefahren fortwährend anzupassen.1 Der medizinische Standard setzt sich zusammen aus der wissenschaftlichen Erkenntnis, der ärztlichen Erfahrung und der professionellen Akzeptanz. Ihm kommt daher zugleich eine qualitätssichernde Funktion zu.2 Die Einhaltung des Standards korrespondiert nach heutigem Verständnis mit der Einhaltung der „im Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ iSd § 276 Abs. 2 BGB.3 Ihm kommt daher auch die Funktion einer Objektivierung im Haftungsbereich zu.4 Der Standard wechselt freilich – ähnlich wie im Spiel der Gezeiten – ständig seine Verlaufsrichtung5 ; allerdings 1
Hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 381; ders., JZ 1997, 1030, 1031; ders., VersR 1998, 261, 262 f.; Buchborn, MedR 1993, 328; Velten, Der medizinische Standard, S. 36, jew. m.w. Nachw. 2 Vgl. im Einzelnen Carstensen, DÄBl. 1989, B-1736, B-1737 Hart, MedR 1998, 8, 9 f.; Velten, Der medizinische Standard, S. 16, 41 f.; Vogeler, MedR 2008, 697, 699 f.; ausf. Schneider, Neue Behandlungsmethoden, S. 10 ff. 3 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 141: „Sorgfältig ist nur das Verhalten, das dem erwarteten Standard der Erfolgsverhinderung entspricht“; ferner Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 381; ders., JZ 1997, 1030, 1033; Velten, Der medizinische Standard, S. 38; Larenz, SchuldR AT, § 20 III, S. 282 ff.; Medicus, in: FS Zeuner, S. 243, 248. 4 Vgl. Laufs, in: FS Gernhuber, S. 245, 252; Deutsch, JZ 1997, 1030, 1033. Zum objektivierten zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff vgl. BGHZ 113, 297, 303: „Gruppenfahrlässigkeit“; BGH NJW 2001, 1786; 2003, 2311, 2312; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 403 ff. 5 Treffend Kriele, NJW 1976, 355, 356: „Der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ist dadurch gekennzeichnet, dass er kontrovers ist“; s.a. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 307; Buchborn, in: Kleinsorge/Hirsch/Weißauer, Forschung am Menschen, S. 19, 23. M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
mit dem entscheidenden Unterschied, dass er vorwärts kommen und nur unwillig zurücktreten möchte. So ist auch im Begriff der Wissenschaft eingeschlossen, dass sie fortschreiten muss. Aufgabe der wissenschaftlichen Forschung ist es, den Stand hinter sich zu lassen, um einen neuen Standard zu finden.6 In der üblichen Heilbehandlung ist das Bestreben angelegt, das Arzt-PatientenVerhältnis zu einem „therapeutischen Arbeitsbündnis“7 hinzuführen. Bei der „Forschungsbehandlung“ wird dieses so verstandene Therapiebündnis Spannungen unterworfen. Die Spannungen werden umso größer, je mehr sich die „Forschungsbehandlung“ von einem therapeutischen Nutzen für den konkreten Patienten/Probanden entfernt. Der „Versuchsinitiator“, der den Stand der medizinischen Wissenschaft verlässt und sich auf empirisch-wissenschaftliches Neuland begibt, steht in einer gesteigerten Verantwortlichkeit.8 Jene gesteigerte Verantwortlichkeit materialisiert sich in dem Postulat, die „versuchseigentümliche Sorgfalt“9 zu setzen. Schuldet der Arzt dem Patienten eine fachgerechte und eine dem anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlung gemäß dem jeweiligen Facharztstandard10 , so schuldet der Forscher dem Patienten/Probanden zumindest eine Forschungsbehandlung, die den (jeweiligen Fach-)Forschungsstandards entspricht. Hierzu zählt die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, die für das Forschungsvorhaben anzuwenden sind, aber auch die Einhaltung allgemeiner Forschungsgrundsätze, die Ausdruck vertretbaren Versuchshandelns sind. Es handelt sich hier im Ergebnis um die Einhaltung der äußeren Sorgfalt: Forschungsstandards zeigen dem Forscher einen Weg auf, den er gehen soll. Es wird die Einhaltung eines (standardisierten) Verhaltensprogramms gefordert, gerichtet auf den sachgemäßen Umgang mit der Gefahr für die Rechtsgüter der Patienten/Probanden.11 Ethik-Kommissionen nehmen in diesem Spannungs- und Sorgfaltsgeflecht eine aus dem heutigen „Forschungsalltag“ nicht mehr hinwegzudenkende Funktion wahr. Sie sind nicht selbst unmittelbar Beteiligte des Forschungsvorhabens, sondern agieren – je nach Form ihrer Beteiligung – idR nur präventiv. Ihre Vorab-Kontrolle richtet sich aber vor allem auf die Überprüfung, ob die für das Forschungsvorhaben einschlägigen rechtlichen Vorgaben und Grundsätze eingehalten werden, im Ergebnis also darauf, ob der Forscher das von ihm geforderte Verhaltensprogramm einhält und die versuchseigentümliche (äußere) Sorgfalt setzt oder zu setzen beabsichtigt.
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Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 917. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 309. 8 Vgl. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 3; s.a. Larenz, SchuldR AT, § 20 III, S. 283; ferner Vogeler, MedR 2008, 697, 707. 9 So anschaulich Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 50. 10 Vgl. BGHZ 102, 17, 24; NJW 1987, 1476, 1480; 1996, 779, 780. 11 Allg. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 385, 379. 7
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A. Historische Entwicklung der medizinischen Forschung und frühe Regelungswerke Oskar Bülow hat 1885 ausgeführt, dass das Recht „ein Ergebnis der Erfahrung“ sei. Es habe herausexperimentiert werden müssen und sei ein Erzeugnis bitterer Rechtsnot.12 Ebenso wie das Recht „herausexperimentiert“ werden musste, so gründet sich der Stand der medizinischen Wissenschaft als auch die Versuchsmethodik selbst auf den Versuchen von gestern.13 Der Weg zum kontrollierten und aussagekräftigen Versuch am Menschen war nicht nur mühevoll und lang, auf diesem Weg ließen auch viele Forscher und Probanden ihr Leben, ohne dass oftmals für die Wissenschaft voranbringende Ergebnisse erzielt werden konnten. (Rechts-)Notstände seitens der Versuchspersonen waren es letztendlich, die zur Verrechtlichung und Kontrolle der medizinischen Forschung am Menschen führten. Das Postulat nach ethisch vertretbarer Forschung, etwa das Verbot des planlosen Experimentierens, die Qualitätssicherung und die Bestrebung nach einem möglichst umfassenden Patienten-/Probandenschutz, ist erst im letzten Jahrhundert nicht nur gefordert, sondern überhaupt erst in die Diskussion gelangt. Auch Ethik-Kommissionen sind ein „geschichtliches Produkt“ und als Antwort auf die vergangenen kriminellen Versuche zu verstehen. Die historische Bedingtheit heutiger medizinischer Forschung und Forschungsstandards, zu denen auch die Vorab-Kontrolle durch eine EthikKommission zählt, sei nachfolgend anhand eines Streifzugs durch die Geschichte der medizinischen Forschung exemplarisch aufgezeigt. I. Streifzug durch die Geschichte der medizinischen Forschung am Menschen 1. Frühe Anfänge Wann sich das Experiment als Forschungsmethode in der Medizin etablieren konnte, ist unter Medizinhistorikern unklar und umstritten.14 In den Staatsbriefen Assyriens aus dem 7. Jh. v. Chr. findet man eine der ersten Angaben über die Erprobung von Medikamenten an Sklaven. Der erkrankte Kronprinz des Königs Asarhaddon ließ durch einen seiner Ärzte zunächst das Medikament an Sklaven verabreichen, bevor er es dann selbst einnahm.15 Im Mittelpunkt damaliger Experimente standen zahlreiche Giftversuche an Sklaven oder an zu Tode Verurteilten, denen man nur unwesentlich schaden zu können meinte. Die durch die Gifte eingetretenen zufälligen Heilungen oder Vergiftungen führten zu einem regelrechten „Giftwahn“ und 12 Bülow, Gesetz und Richteramt, S. 17; zur Struktur der Geschichtlichkeit des Rechts Canaris, Systemdenken, S. 63 sowie Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 314 f. 13 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 917. 14 Hierzu etwa Gerken, Entwicklung des klinischen Arzneimittelversuchs, S. 1 ff.; Freerksen, DÄBl. 1968, 930 ff.; Pagel, Dtsche. Ärztezeitung 1905, 193 ff., 219 ff.; Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 84. 15 Vgl. Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 8.
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zu einem Wettrennen neuartiger Gifte und Gegenmittel. Bis heute bekannt ist das „Antidotum Mithridaticum“, das der König Mithridates Eupator (121–64 v. Chr.) zusammensetzten ließ. Es stellte ein Generalgegengift dar, hergestellt aus 50 anhand von Versuchen an Sklaven und Verbechern nachgewiesenen Gegengiften.16 In der Hochblüte der griechischen Kultur im 5. Jh. v. Chr. war es die hippokratische Medizin17 , die in Abkehr der magisch-religiösen Medizin die wissenschaftliche Grundlage einer neuen Medizin durch Einführung empirisch-rationaler Elemente schuf; nämlich der Blick auf das Ganze, die subtile Beobachtung und Beschreibung des Kranken, der Krankheit und des Verlaufs.18 Ob sich das wissenschaftliche Experiment bereits bei den Griechen finden lässt, ist immer noch unklar.19 Zumindest von Galen von Pergamon (129–201) ist bekannt, dass er als erster versucht hat, die Medizin in eine exakte Wissenschaft zu verwandeln und die ersten systematischen Selbstversuche durchführte.20 Zu den berühmtesten Menschenversuchen in der Antike gehören die Vivisektionen, also Sektionen von lebenden Menschen, welche von Herophilos (330–260 v. Chr.) und Erasistratos (325–255 v. Chr.) in Alexandria durchgeführt wurden. Der König stellte den beiden Experimentatoren zum Tode verurteilte Verbrecher zur Erforschung der menschlichen Anatomie und Physiologie zur Verfügung.21 2. Versuche im Mittelalter Im Mittelalter kam die Medizin kaum zu einem nennenswerten Fortschritt. Man beschäftigte sich mehr mit den alten Lehren von Galen, Aristoteles und Hippokrates, ohne selbst auf dem Gebiet der Medizin zu forschen. Dem experimentellen Denken standen die antiken Autoritäten und der mittelalterliche Dogmatismus entgegen. In den Universitäten wurde disputiert und nicht experimentiert.22 Erst das Zeitalter der medizinischen Renaissance brachte die Medizin wieder voran, indem die eigene Beobachtung Grundlage der Forschung werden sollte.23 Der französische Chirurg 16
Zu den Giftversuchen vgl. Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 20. 17 Hierzu Jouanna, in: Grmek, Geschichte des medizinischen Denkens, S. 34 ff.; Ackerknecht, Geschichte der Medizin, S. 52 ff.; Mayer-Steineg/Sudhoff, Geschichte der Medizin, S. 39 ff. 18 Vgl. Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 12 f. weiterführend Jouanna, in: Grmek, Geschichte des medizinischen Denkens, S. 49 ff. 19 Zur Disukssion Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83 f.; ausf. Freerksen, DÄBl. 1968, 930 ff. 20 Ausf. Gourevitch, in: Grmek, Geschichte des medizinischen Denkens, S. 135 ff., 142 ff.; Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 15 f. 21 Vgl. Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19 f. 22 Im Mittelpunkt standen eher die Gottesurteile, Exorzismen, Folter und Todesurteile, vgl. Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 17; Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83 f.; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 21. 23 Vgl. Winau, in Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 84 f., ders, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 17.
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Ambroise Paré (1510–1590) war der erste, der neben der Beobachtung das Experiment forderte und es über die Theorie stellte. Er soll bereits ein klinisches Experiment mit Kontrolle bei Verbrennungen durchgeführt haben.24
3. Selbstversuche Systematische Selbstversuche wurden in diesem Zeitalter zum ersten Mal im großen Stil durchgeführt, z. B. von Conrad Gessner (1516–1565), der vorwiegend pflanzliche Heilmittel an sich selbst ausprobierte. Selbstversuche waren aber auch später alles andere als unüblich: Der englische Chirurg John Hunter unternahm 1767 zum Beweise dafür, dass Syphilis und Gonorrhoe dieselbe Krankheit seien, einen Selbstversuch und impfte sich mit dem Eiter eines Tripperkranken. Der deutsche Arzt Lindemann impfte sich insgesamt 2200 mal selbst und Eusebio Valli (1755– 1816) impfte sich 1803 mit einer Mischung aus Pest und Pockeneiter und danach 24 Menschen, um zu belegen, dass Pockenkranke von der Pest verschont bleiben. Bereits 1802 wurde eine Inokulation im Rahmen eines Selbstversuchs von Pesteiter durchgeführt, der tödlich endete. Auch der Selbstversuch von Alois v. Rosenfeld endete tödlich, nachdem er sich 1816 im Pesthospital in Pera mit 20 Pestkranken einschloss.25 Die Erforschung des Gelbfiebers forderte auch ihre Opfer. Eusebio Valli rieb sich 1816 auf der Insel Cuba im Hospital John-á-Dieu mit einem Hemd eines verstorbenen Gelbfieberpatienten ein und legte sich neben die noch warme Leiche. Er verstarb schließlich an Gelbfieber. J.L. Guyon (1794–1870), ein französischer Militärarzt, zog sich 1822 das Hemd eines Erkrankten an, ließ sich mit Eiter spanischer Fliegen impfen, trank erbrochenes Blut eines Kranken und lag im Bett eines kürzlich Verstorbenen. Eine Infektion blieb aber aus. Der Augenarzt Carlos J. Finnlay (1833– 1915) brachte der amerikanischen Militärkommission, nachdem die Akademie der Wissenschaft seine These, die Mücke Stegomya sei die Überträgerin des Gelbfiebers, verwarf, und sowohl Selbstversuche als auch Versuche an „Freiwilligen“ fehlschlugen, Eier jener Mücke. Die Kommission begann mit Selbstversuchen ihrer Mitglieder und mit Versuchen an Freiwilligen, meist Soldaten, die 200 $ bekamen.26 Interessant sind auch die Versuche über die Infektionswege der Malaria. Der Engländer Ronald Ross (1857–1932) bewies zunächst im Tierversuch, dass die Anophelesmüke die Vogelmalaria überträgt, Versuche an seinen Assistenten schlugen jedoch fehl. G. B. Grassi (1854–1925) konnte aber schließlich in einem Selbstversuch eine Übertragung zustande bringen. Patrick Manson (1844–1922) erbrachte daraufhin den Beweis der Indizierbarkeit in einer malariafreien Gegend im Jahre 1900, indem er seinem Bruder eine infizierte Mücke nach London schickte und woraufhin dieser sich und einen weiteren Arzt von ihr stechen ließ. Beide erkrankten an 24
Vgl. Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 18. Zu diesen Selbstversuchen und weiteren vgl. Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 28 ff. 26 Zu den Gelbfieberversuchen Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 29. 25
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Malaria. Die Therapieversuche mit Chinin wurden noch im selben Jahr in Sizilien an Bahnarbeitern durchgeführt, ebenso wie der Schutz durch Moskitoschleicher.27 4. Die intravenöse Injektion Eine neue Epoche leitete der englische Arzt William Harvey (1578–1657) mit seiner 1628 erschienenen Veröffentlichung unter dem Titel „Exercitatio Anatomica de Motu Cordis et Sanguinis in Animalibus“ ein. Er erkannte den Blutkreislauf und die Funktion des Herzens als dessen Antriebspumpe.28 Intravenöse Injektionen wurden auf Grundlage der Hervey’schen Entdeckung nun möglich: Michael Ettmüller beschrieb in seiner Dissertation die Gabe von Wein in die Vene von Jagdhunden unter Verwendung eines Hühnerbeins, woraufhin diese Anzeichen von Trunkenheit aufwiesen. Robert Boyle beschrieb die Injektion von Opium beim Hund. Den ersten Injektionsversuch in rein experimenteller Absicht beim Menschen wurde, so berichten Robert Boyle und Timothy Clark, im Hause des französischen Gesandten de Bordeaux durchgeführt. Einem zum Tode verurteilten Diener wurde in Abwesenheit des Hofarztes ein vorher an Hunden erprobtes Brech- und Abführmittel gegeben.29 5. Versuche im 18. Jahrhundert Einigkeit zur Frage der Etablierung des Experiments als Forschungsmethode besteht unter Medizinhistoriker darin, dass dem 18. Jh. jedenfalls eindeutig die Gedanken der experimentellen Medizin zugeschrieben werden können.30 Aus jener Zeit bekannt ist auch ein Gerichtsurteil: Ein Arzt und ein Apotheker hatten ein im Heilungsprozess befindliches Bein des Klägers erneut mit einer Maschine ohne dessen Zustimmung gebrochen.31 a. Anton Störck Die Forschungstätigkeit von Anton Störck revolutionierte die medizinische Forschung. Das Forschungsgebiet von Störck, der 1731 in Sulgau in Württemberg geboren wurde, lag auf dem pharmakologisch-therapeutischen Gebiet. Er ging immer nach der gleichen Versuchsreihenfolge vor, die den Fortgang wesentlich beeinflusst hat: Am Anfang stand der Tierversuch, dann der Selbstversuch. Erst aus dem gelungenen Selbstversuch leitet er das Recht ab, mit bestem Recht und gutem 27 Zu den Malariaversuchen und den Folgeversuchen Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 30; Deutsch, VersR 2007, 425, 427. 28 Vgl. ausf. Mayer-Steineg/Sudhoff, Geschichte der Medizin, S. 225 ff.; ferner Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 19. 29 Weiterführend zu damaligen Injektionsversuchen Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 20 u. 30; hierzu auch Winau, in: Helmchen/Winau, S. 83, 86. 30 Vgl. Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 85 ff. 31 Slater v. Baker & Stapelton, 95 English Reports 860 (1767); dazu Deutsch, NJW 1978, 570, 571; s.a. ders., Medizin und Forschung, S. 37.
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Gewissen die Forschung auf gesunde und kranke Probanden auszudehnen.32 Die Versuchskontrolle erfolgte sowohl numerisch-statistisch als auch durch Kontrollbehandlungen und -untersuchungen anderer Ärzte.33 Der Pharmakologe Carl Damian Schroff (1802–1887) setzte die Versuchreihen von Störck zusammen mit seinen Studenten als „freiwillige Versuchspersonen“ mit genaueren Methoden fort. b. Die Pockenimpfung Neben dem Versuch von James Lind sind die Pockenimpfungen im 18. Jh. die wohl bekanntesten Experimente auf dem Gebiet der medizinischen Forschung, von denen auch Voltaire berichtete. Die Gattin des Botschafters in Konstantinopel, Lady Mary Wortley Montague, ließ 1717 an ihrem Sohn die Variolisation durchführen, eine nicht ungefährliche Implantation von Pockenlymphen, die damals gegen die Pocken empfohlen wurde. Es war der englische Gesandte an der Hohen Pforte, der über den Brauch der Tscherkessen, ein Stamm im Kaukasus, berichtete. Jene spritzten kleinen Kindern das Blut Pockenkranker in die Haut mit der Folge, dass sie niemals Pocken entwickelten. König Georg II. ließ auf Anraten der Lady Montague sechs zum Tode verurteilte Verbrecher im Londoner Newgate-Gefängnis die Möglichkeit zukommen, an einer Inokulation von Pockenviren teilzunehmen. Sie wurden geimpft und erlangten schließlich nach dem guten Ausgang der Impfung ihre Freiheit zurück. Danach impfte man sechs Waisenkinder und die beiden Kinder des Prinzen von Wales. Im Jahre 1754 empfahl das Royal College of Phisicians diese Impfmethode. Eduard Jenner (1749–1832), ein praktischer Landarzt, der sich im Kindesalter der Variolisation unterziehen musste, ging den Beobachtungen von Benjamin Jesty nach, nach denen sich Menschen, die sich mit Kuhpocken infizierten, keine Pocken bekamen, woraufhin Jesty mit einer Strumpfnadel seine Gattin und seine beiden Kinder mit Kuhpocken impfte. Jenner impfte einen achtjährigen Jungen mit Kuhpocken, der daraufhin gegen die Implantation von Blattern immun geworden war. Johann Peter Frank (1745–1821) ließ schließlich am 1. September 1801 den ersten öffentlichen Impfversuch durchführen.34 c. James Lind Der erste kontrollierte Versuch wird dem Marinearzt James Lind aus Edinburgh (1716–1794) zugeschrieben. Am 20. Mai 1747 auf dem Schiff Salesbury teilte er 12 Skorbutpatienten in sechs Gruppen ein. Alle Patienten erhielten dieselbe Ernährung. Zusätzlich erhielt jeweils eine Patientengruppe Apfelmost, 25 Tropfen Elixier, Essig, Schinken mit Seewasser, Orangen oder Zitronen. Dabei zeigte sich die Überlegenheit von Orangen und Zitronen, denn nur diese Patientengruppe wurde geheilt. Lind 32
Vgl. Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 88 ff. Zu den Versuchen von Störck vgl. Gerken, Entwicklung des klinischen Arzneimittelversuchs, S. 3 f.; Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 24; Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 88 ff.; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 24. 34 Zur „Pockenimpfung“ vgl. Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 26 f.; Ackerknecht, Geschichte der Medizin, S. 124 f.; Deutsch, VersR 2007, 425. 33
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formulierte schließlich: „So werde ich hier bloß bemerken, dass Pomeranzen und Limonen zur See die wirksamsten Mittel wider diese Krankheit wären“. Bahnbrechend war derVersuch von Lind deswegen, weil er die wesentlichenVoraussetzungen für ein beweiskräftiges Experiment einhielt: Er wandte die Methode des kontrollierten Vergleichs an, schaltete den Zufall aus und strebte eine Objektivierung an, indem er Patienten rekrutierte, die ähnliche Symptome aufwiesen, Gruppen bildete und Ernährung sowie Unterbringung identisch waren. Trotz dieser Beweiskraft des Versuches etablierte sich erst 1795 die Verabreichung von Zitronensaft in der britischen Marine.35 6. Versuche am Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts Der Leipziger Gynäkologe Johann Christian Gottfried Jörg gründete in der ersten Hälfte des 19. Jh. eine experimentierende Gesellschaft aus Ärzten und Medizinstudenten mit dem einzigen Ziel, an sich gegenseitig Arzneimittelversuche vorzunehmen.36 Vergleichend-statistische Beobachtungsreihen tauchen vermehrt erst in der Mitte bis Ende des 19. Jh. auf. Pierre Charles Alexandre Louis (1787– 1872) führte als einer der ersten nach Lind vergleichende Therapiestudien in den großen Hospitälern von Paris durch, schloss aber Tausende Patienten in die Studie ein und bediente sich der Statistik. Seine klinischen Experimente waren trotz zahlreicher Kritik epocheprägend für die nachfolgenden Experimente: Kennzeichnend für sie waren die Auswahl einer genügend großen Anzahl von Probanden, Aufstellung von Kontrollgruppen und die statistische Auswertung der Beobachtung.37 II. Die Debatte über medizinische Menschenversuche im ausgehenden 19. Jahrhundert Während die Methode des kontrollierten Vergleichs zunimmt, so spielte die Seite des Probanden bis dahin eine untergeordnete, wenn nicht gar überhaupt keine Rolle. 1. Die Berichte der Münchener Freien Presse Neben der Diskussion über die kriminellen Versuche der Nationalsozialisten gab es schon im ausgehenden 19 Jh. bis an das Ende der Weimarer Zeit eine nicht zu vernachlässigende und sehr intensiv geführte öffentliche Debatte über die ethische 35 Zu dem Versuch von James Lind im Einzelnen Spitzy, in: Ders./Hitzenberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 27 f.; Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 87 f.; Gerken, Entwicklung des klinischen Arzneimittelversuchs, S. 15 ff.; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 24 f.; Martini/Oberhoffer/Welte, Methodenlehre, S. 21 f. 36 Näheres bei Gerken, Entwicklung des klinischen Arzneimittelversuchs, S. 20 ff.; Winau, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 19 f. m.w. Nachw. 37 Vgl. Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 99 f. Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 26 ff.
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Vertretbarkeit von Menschenversuchen. Angestoßen wurde die Debatte zunächst von der Münchener Freien Presse, die Ende des Jahres 1898 fortlaufende Beiträge unter dem Titel „Arme Leute in Krankenhäusern“ veröffentlichte und 1900 die Artikel nochmals gesammelt als Broschüre herausgab. Auch der Psychiater Albert Moll berichtete in seiner 1902 erschienenen Abhandlung „Ärztliche Ethik“ über 600 Veröffentlichungen über Menschenversuche aus den Jahren 1890–1900.38 Die Münchener Freie Presse berichtete in erster Linie über Publikationen medizinischer Fachzeitschriften und über sozialschwache Patienten in Krankenhäusern39 , die ohne ihr Wissen als „Krankenmaterial“ bewusst, gewissermaßen als Entgelt für den Krankenhausaufenthalt, zu „Versuchsobjekten“ missbraucht wurden.40 Es wurden beliebige Experimente an Kranken vorgenommen, die mit ihrer Krankheit „nicht im entferntesten Zusammenhang“ standen.41 Die Beweiskraft der Berichte der Münchener Freien Presse war enorm hoch, denn sie beschränkte sich auf die reine Mitteilung der Publikationen. So berichtete sie etwa darüber, dass der Professor der medizinischen Poliklinik in Königsberg, Julius Schreiber, 40 Neugeborene das Koch’sche Tuberkulin trotz zahlreicher bekannter Todesfälle verabreichte42 , dass Carl Janson lieber Experimente im Findelhaus durchführte anstatt an Kälbern, die schwieriger zu beschaffen waren43 , ferner dass Neugeborene sofort nach der Entbindung im Laboratorium zu Versuchen verwendet wurden44 , dass in einer „Irrenanstalt“ unter Anwendung von Gewalt den Patienten schmerzhafte Mittel injiziert wurden45 , dass zur Beobachtung der Entwicklung von Parasiten Kindern wurmeierhaltige Aufschwemmungen aus menschlichem Kot verabreicht46 und Jugendlichen, die noch nie an Geschlechtskrankheiten litten, „das widerliche Gift der Gonorrhoe eingespritzt“ wurde.47 Die Münchener Freie Presse plädierte dafür, eine neue Behandlungsweise nur dort zu versuchen, „wo die Verhältnisse des besonderen Falles nach gewissenhafter Prüfung aller Chancen darauf hinführen, diesen Versuch zum Wohle des betreffenden Patienten selbst zu machen“ und zwar unter „ausdrücklicher und freier 38 Vgl. im Einzelnen Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 102; ders, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 22 f.; Reuland, WMW 2002, 45. 39 Vgl. Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 12. 40 Vgl. Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 7; Elkeles, Med hist J 1985, 135, 141 a.E. Zu berücksichtigen ist auch, dass das damalige Arzt-Patienten-Verhältnis im Krankenhaus hierarchisch verstanden wurde. Es herrschte in den Krankenhäusern ein „Kasernenton“, vgl. Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 28. 41 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 9. 42 Die Neugeborenen wurden als „ausreichendes Material“ bezeichnet. J. Schreiber beobachtete hochrote Wangen und einen gewaltigen Temperaturanstieg; vgl. DMW 1891, 306, 309. Hierzu Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 13 und Elkeles, Med hist J 1985, 135, 136 f. 43 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 17; hierzu auch Elkeles, Med hist J 1985, 135, 137. 44 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 15. 45 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 19. 46 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 17. 47 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 29 f.; zu den kritischen Äußerungen des Arztes Julius Moses und zu weiteren Versuchen in der Weimarer Zeit vgl. Reuland, WMW 2002, 45 ff.
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Zustimmung“ des Patienten.48 Seitens der Ärzte wurden die Versuche durch einen Zirkelschluss gerechtfertigt: Dem erhofften Nutzen für die Allgemeinheit wurde der mögliche Schaden der Versuchsperson gegenübergestellt. Der Schaden, der an einem einzelnen Individuum auftreten konnte, wurde als nicht so groß eingeschätzt wie derjenige der Allgemeinheit durch Nichtforschung.49 2. Einwilligung und Aufklärung – Das Urteil des Reichsgerichts v. 31.05.1894 Die Forscher in den oben genannten Fällen, die ohne die Zustimmung der Probanden gehandelt hatten, wurde strafrechtlich nicht belangt, obwohl das RG50 bereits mit einem Urteil vom 31.05.1894 einen Heileingriff ohne Zustimmung der Patienten als rechtswidrige Körperverletzung einstufte. In dem vom RG entschiedenen Fall nahm ein Oberarzt eine Amputation an einer siebenjährigen Patientin vor, die an einer tuberkulosen Vereiterung des Fußwurzelknochens litt. Der Vater der Patienten widersprach mehrmals der Amputation trotz der bestehenden Todesgefahr, denn er wolle nicht, „dass sein Kind zum Krüppel werde“. Die Operation wurde schließlich dennoch mit Erfolg durchgeführt und das Kind entwickelte sich normal weiter. Die Begründung des Urteils ist anschaulich, denn sie stellt eine Abkehr vom ärztlichen Paternalismus dar. Das RG legte den Wortlaut „körperlich misshandeln“ weit aus, fasste auch Heilbehandlungen unten den Straftatbestand der Körperverletzung51 und entwickelte die Rechtswidrigkeitskonzeption des ärztlichen Heileingriffs: Niemand habe das Recht, „nach eigenem Ermessen in die Rechtssphäre des anderen einzugreifen, diesem Gewalt anzuthun und dessen Körper willkürlich zum Gegenstande gutgemeinter Heilversuche zu benutzen“52 . Es sei in erster Reihe der Wille des Kranken, welcher dem Arzt die Legitimation gebe, Körperverletzungen straflos durchzuführen.53 Bekannt geworden und auch noch heute uneingeschränkt gültig ist folgender Passus des RG: So gewiß aber der verfügungsfähige Kranke durch Berufung des Arztes zwecks Heilung seines Leidens dem Arzte nicht eine unbeschränkte Gewaltherrschaft über seine Person eingeräumt hat, so gewiß der Auftrag zum Heilverfahren jederzeit von ihm widerrufen, der eine Arzt durch einen anderen ersetzt werden kann, so gewiß ist derselbe Kranke auch befugt, der Anwendung jedes einzelnen Heilmittels, seien es innerlich wirkende Medikamente, seien es äußere operative Eingriffe, rechtswirksam Weigerung entgegenzusetzen. Und mit dem Moment solcher Weigerung des zurechnungsfähigen Kranken oder seiner gesetzlichen Willensvertreter erlischt auch die Befugnis des Arztes zur Behandlung und Misshandlung einer bestimmten Person für Heilzwecke54 . 48
Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 8. Zu diesen und weiteren Rechtfertigungsversuchen vgl. Elkeles, Med hist J 1985, 135, 140 f. m.w. Nachw. 50 RGSt 25, 375 ff. 51 RGSt 25, 375, 377 f. 52 RGSt 25, 375, 378 a.E. 53 RGSt 25, 375, 380 und 381: „Willensübereinstimmung“. 54 RGSt 25, 375, 382. 49
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Trotz juristischer Diskussionen über die strafrechtliche Relevanz des ärztlichen Eingriffs seit den 1890er Jahren55 , scheint die Entscheidung des RG in der öffentlichen Meinungsbildung kaum Beachtung gefunden zu haben: Weder die Münchener Freie Presse zitiert diese Entscheidung, obwohl sie ausführlich die Anwendbarkeit des Strafrechts erörtert56 , noch waren die Forscher von der Entscheidung beeindruckt, was die zahlreichen nach dieser Zeit erfolgten Publikationen belegen.57
III. Frühe Regelungswerke und Versuche am Menschen mit juristischen Konsequenzen Ende des 19. und im 20. Jahrhundert Forschungsbezogene Regelungswerke gab es bereits um das Jahr 1900 herum. Einige dieser frühen Regelungswerke seien hier zusammen mit den jeweils die Regelung auslösenden vorangegangenen Versuchen dargestellt.
1. Anordnung des preußischen Ministers des Inneren im Jahre 1891 Wenig Beachtung findet eine Anordnung des preußischen Ministers des Inneren, obwohl es das erste Mal ist, dass in einem öffentlichen Schriftstück der Patientenwille genannt und dessen Einwilligung in das Forschungsvorhaben verlangt wird. Die Anweisung betraf das Koch’sche Heilmittel – später Tuberkulin genannt – gegen die Tuberkulose und sie sollte den Gebrauch des Tuberkulins in Gefängnissen regeln58 : Die Anwendung des Professor Dr. Koch’schen Mittels bei tuberkulösen Gefangenen kann nach einer Mitteilung des Herrn Ministers der Geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten nur dann empfohlen werden, wenn der Gefängnisarzt sich mit der Behandlung vertraut gemacht hat und wenn in der Gefangenen-Anstalt eine besondere Krankenbehandlung besteht. Auch müßte derArzt in derAnstalt selbst wohnen, um den betreffenden Kranken, die erforderlich sehr sorgsame Beobachtung zuteil werden lassen zu können. Voraussetzung sei dabei, daß die Behandlung mit dem Koch’schen Mittel nur in frisch und sonst geeigneten Fälle auch nicht gegen den Willen des Kranken angewendet werde.59 55 Das Kultusministerium holte zwei juristische Gutachten ein, die beide die Zustimmung des Probanden für erforderlich hielten; hierzu Elkeles Med hist J 1985, 135, 145 f. m. Fn. 48 und Winau, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 23 ff. 56 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 22-23 und 24-26. Sie verweist nur auf S. 26 a.E. auf „die Rechtsprechung“. Gleichzeitig äußert sie aber auch die Vermutung, dass der Patient als Sachunverständiger nicht das Wissen über die mit ihm angestellte Prozedur besitzt und deswegen eine Strafverfolgung bislang ausblieb (S. 9 f.). 57 Vgl. auch Reuland, WMW 2002, 45, 46. 58 Zu dieser Anweisung vgl. Winau, in: Wiesemann/Frewer, S. 13, 19 f.; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 18. 59 Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung in den Königlich Preußischen Staaten, 52 (1891), S. 27. Ebenfalls abgedruckt bei Winau, in: Wiesemann/Frewer, S. 13, 20. Über die Anweisung wurde sowohl im Journal of the American Medical Association als auch im British Medical Journal berichtet. Vgl. Winau, ebd., S. 19 f. m.w. Nachw.
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Bedeutung kommt der Regelung deswegen zu, weil sie nicht nur den Patientenwillen betont, sondern weil sie Gefängnisinsassen zu schützen suchte. Individualschutzbestrebungen zugunsten des Patienten lassen sich hier eindeutig belegen und auch für einen Therapieversuch mit Tuberkulin wäre eine Einwilligung nach dieser Anweisung erforderlich gewesen.60 2. Anweisung des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten v. 29.12.1900 a. Der „Fall Neisser“ Mit einer Veröffentlichung unter dem Titel „Was wissen wir von einer Serumtherapie der Syphilis?“ in dem „Archiv für Dermatologie und Syphilis“ im Jahre 1898 wurde derjenige Fall angestoßen, der unter dem Namen „Fall Neisser“61 bekannt wurde. Neisser, ein breslauer Dermatologe, berichtete über bereits im Jahre 1892 durchgeführte Versuche zu der Frage, ob sich durch Impfungen mit dem Serum von Syphiliskranken eine Schutzimpfung noch nie erkrankter Personen erreichen lässt. Dabei ging er von der Annahme aus, dass das zellfreie Serum frei von infizierendem Material sei. Er impfte acht junge Frauen, die sich wegen anderer Krankheiten in der Klinik aufhielten. Vier der acht Frauen entwickelten in den darauffolgenden Jahren eine Syphilis. Neisser war der Auffassung, dass sich jene Frauen auf „normalem Wege“ infiziert hätten und keinesfalls durch die Infusion selbst, denn schließlich handelte es sich bei drei dieser vier Frauen um junge Prostituierte. Der Fall wurde am 20. Januar 1899 von der Münchener Freien Presse publiziert, ausführlich besprochen und Neisser wurde vorgeworfen, acht Frauen der Gefahr einer Syphilisinfektion ausgesetzt zu haben. Die Folgen waren außerordentlich groß: Das preußische Abgeordnetenhaus und der Kultusminister beschäftigten sich mit dem Fall62 und die Staatsanwaltschaft nahm ihre Ermittlungen auf, stellte sie aber wegen Verjährung wieder ein.63 Der „Fall Neisser“ wurde schließlich in einem Disziplinarverfahren vor dem „Königlichen Disziplinarhof für Nicht-richterliche Beamte“ abgeschlossen. Neisser wurde mit 300 Mark Geldbuße und einem Verweis belangt.64 Er rechtfertigte sein Handeln ohne Zustimmung der Probanden damit, dass er sie sich sicherlich hätte beschaffen können, denn nichts sei leichter, als sachunverständige Personen durch freundliche Überredung zu jeder gewünschten Einwilligung zu bringen.65 60
Vgl. Winau, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 20 f. Zum „Fall Neisser“ vgl. ausf. Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 39 ff., 47 ff., 57 ff., 71 ff., 78 ff.; Elkeles, Med hist J 1985, 135, 137 ff.; Winau, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 21 f.; ders., in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 102 f.; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 28 ff.; Roelcke, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 135, 139 ff. 62 Vgl. Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 47 f., 57, 78 ff. 63 Da die Versuche bereits 1892 durchgeführt wurden und nur ein Vergehen vorlag, war die Tat verjährt; vgl. hierzu auch Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 71 ff. und 41 f. 64 Vgl. Winau, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 22. 65 Vgl. Elkeles, Med hist J 1985, 135, 140. 61
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b. Die Anweisung Motiviert durch der „Fall Neisser“ und der beweiskräftigen Artikelserie der Münchener Freien Presse erließ das Kultusministerium am 29.12.1900 eine Anweisung an die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten.66 Die Anweisung stellte die Versuche am Menschen unter die Kontrolle des Klinikdirektors (II 1), verlangte die Zustimmung des Probanden nach Aufklärung (I 2 u. 3: „sachgemäße Belehrung“), schloss gleichzeitig Minderjährige bzw. aus anderen Gründen nicht vollkommen Geschäftsfähige von experimentellen Behandlungen aus (I 1) und stellte eine Dokumentationspflicht (II 2) auf.67 Wegen mangelnder Gesetzeskraft, fehlender Strafvorschriften, unzureichender Differenzierung zwischen schweren und harmlosen Eingriffen und der Nichterfassung von Versuchen außerhalb von Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten sah sich die Anweisung zahlreicher Kritik ausgesetzt. Die Berliner Ärztekammer sah in der Anweisung nur eine „Verwaltungsverordnung“, deren Verletzung weder zivilrechtlich noch strafrechtlich geahndet werden kann.68
3. Reichsrichtlinie des Reichsgesundheitsrates v. 28.02.1931 a. „Lübecker Totentanz“ Einen weiteren Höhepunkt mit rechtlichen Folgen betraf die Lübecker Impfkatastrophe, bekannt geworden als „Lübecker Totentanz“. Involviert waren der Lübecker Stadtarzt Ernst Altstadt und der Direktor des Allgemeinen Krankenhauses Georg Deycke. Im Frühjahr 1930 verabreichten sie Neugeborenen entgegen den Warnungen des Reichsgesundheitsamtes den von Léon Charles Albert Calmette (1863–1933) und Camille Guérin (1872–1961) entwickelten Impfstoff gegen Tuberkulose. Dieser bestand aus einer Schluckimpfung mit lebenden, aber unschädlichen Stämmen des Tuberkulose-Erregers (BCG-Vakzine). Man impfte 256 Kinder, von denen 77 an Tuberkulose starben und 131 infiziert wurden. Es stellte sich später heraus, dass der Impfstoff mit pathogenen Tuberkulose-Erregern verunreinigt worden war. Beide Experimentatoren wurden wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Interessant ist, dass man die Verletzung der Sorgfaltspflicht auch damit 66 Centralblatt der gesamten Unterrichtverwaltung in Preußen, 1901 (2), S. 188 f. Abgedruckt bei Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 173; Elkeles, Med hist J 1985, 135, 146 f.; Frewer/Schmidt, Standards, S. 251. 67 Ein früherer Entwurf des Ministeriums sollte übrigens noch weiter gehen. Er sah noch den Passus vor, dass Versuche verboten sein sollten, wenn Zweifel an der Willensfreiheit bestanden und „der mögliche Nutzen für die Allgemeinheit zu dem möglichen Schaden für den Versuchsmenschen nicht in dem richtigen Verhältniß“ stand. Zum früheren Entwurf Elkeles, Med hist J 1985, 135, 147. 68 Zu dieser Anweisung Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 928; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 25; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 29; Winau, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 22 f.; ders., in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 103; Elkeles, Med hist J 1985, 135, 146 f.; Reuland, WMW 2002, 45 f.; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 20 ff.; Wölk, Risikovorsorge, S. 27 f.
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begründete, dass die Ärzte keine Nachuntersuchungen veranlasst und den Impfstoff nicht vorher in Tierversuchen getestet hatten.69 b. Die Reichsrichtlinie Der praktische Arzt und sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Julius Moses veröffentlichte zunächst am 08.03.1928 im „Vorwärts“ unter dem Titel „100 Ratten und 20 Kinder! Arbeiterkinder als Experimentierkarnickel“ einen Artikel, in dem er die Versuche des Assistenzarztes Heinrich Vollmer stark kritisierte. Der Reichstag beschäftigte sich mit diesem Thema, nachdem Moses als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD den Haushaltsausschuss des Deutschen Reichstages über Versuche von sterbenden Kindern und gesunden Säuglingen unterrichtete.70 Die Reichtagsdiskussion endete schließlich im Erlass der „Richtlinie für neuartige Heilbehandlungen und die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ des Reichsgesundheitsrates vom 28.02.1931, die anlässlich des „Lübecker Impfskandals“ vorher noch einmal geändert wurde.71 Sie verfolgte das Ziel der Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens in die Forschung am Menschen und sollte Ärzten als „Leitfaden“ dienen.72 Der Reichsgesundheitsrat verlangte, damit die Richtlinie zur Kenntnis der Ärzte gelangt, die Unterschrift von jedem in eine Klinik eintretenden Arzt. Die Richtlinie erkannte das grundsätzliche Anliegen medizinischen Fortschritts durch neue Heilbehandlungen und wissenschaftliche Versuche an, appellierte aber an das Bewusstsein und die Verantwortung der Ärzte. Ferner definierte sie den Begriff „neuartige Heilbehandlung“ („in einem bestimmten einzelnen Behandlungsfall zur Erkennung, Heilung oderVerhütung einer Krankheit oder eines Leidens. . . “) und den Begriff des wissenschaftlichen Versuchs („Behandlungsweisen am Menschen. . . zu Forschungszwecken. . . ohne der Heilbehandlung im einzelnen Falle zu dienen“). Jede neuartige Heilbehandlung müsse mit „den Grundsätzen der ärztlichen Ethik und den Regeln der ärztlichen Kunst und Wissenschaft im Einklang stehen“ und es sei stets „sorgfältig zu prüfen und abzuwägen, ob die Schäden, die etwa entstehen können, zu dem erwarteten Nutzen im richtigen Verhältnis stehen“. Sie verlangte die vorherige Erprobung – „soweit möglich“ – im Tierversuch und das Einverständnis nach „vorangegangener zweckentsprechender Belehrung“. Bei fehlender Einwilligung muss der Eingriff eine „unaufschiebbare Maßnahme zur Erhaltung des Lebens oder zur Verhütung schwerer Gesundheitsschädigungen“ darstellen; für Personen unter 18 Jahren stand der Eingriff unter „ganz besonderer Sorgfalt“. Ferner „ist eine Aufzeichnung zu fertigen, aus der Zweck der Maßnahme, ihre Begründung und die Art der Durchführung ersichtlich sind“. Wahrscheinlich vor dem Hintergrund 69 Vgl. Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 30; ausf. Hahn, Med hist J 1995, 61 ff. und aus ethischer Sicht Roelcke, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 135, 137 f. 70 Zu J. Moses ausf. Reuland, WMW 2002, 45 ff.; zu den Hintergründen der Reichstagsdebatte Winau, in Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 103 f. 71 Vgl. Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 30. 72 Reichsgesundheitsblatt 1931 (6), S. 174 f. Ebenfalls abgedruckt in der DMW 1931, 509 sowie bei Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 173 ff. und bei Frewer/Schmidt, Standards, S. 253 ff.
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der früheren Publikationen ist ferner bestimmt worden, dass eine Veröffentlichung der Ergebnisse in der Form zu erfolgen hat, „die der gebotenen Achtung vor dem Kranken und den Geboten der Menschlichkeit in der Weise Rechnung trägt“. Die Zulässigkeit eines wissenschaftlichen Versuchs stand unter zusätzlichen Einschränkungen. Er ist „bei fehlender Einwilligung unter allen Umständen unzulässig“ und zu verwerfen, soweit er „durch den Versuch am Tier ersetzt werden kann“. Versuche an unter 18jährigen sind unstatthaft, wenn „sie das Kind oder den Jugendlichen auch nur im geringsten gefährden“. Darüber hinaus waren Versuche an Sterbenden „mit den Grundsätzen der ärztlichen Ethik unvereinbar und daher unzulässig“.73 4. Nürnberger Kodex von 1947 Von 1946 bis 1947 fand in Nürnberg der erste Nachfolgeprozess des internationalen Kriegsverbrecherprozesses statt, der sog. „Nürnberger Ärzteprozess“. Angeklagte waren 23 Ärzte bzw. hohe Verwaltungsbeamte des Gesundheitsdienstes wegen Verschwörung, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Mitgliedschaft in verbrecherischen Organisationen. Hauptsächlich ging es um die Frage, ob es sich bei den Versuchen am Menschen in den Konzentrationslagern um erlaubte medizinische Versuche gehandelt hatte. a. Menschenversuche im Nationalsozialismus Die naturwissenschaftliche Anschauung der forschenden Medizin im Nationalsozialismus74 , zusammen mit einer nationalsozialistisch-ideologischen Auslegung des Rechts, Schaffung neuer Rechtsquellen durch „nationalsozialistische Rechtserneuerer“ und Proklamation einer neuen, „rassischen“, völkischen und „blutsbedingten“ Rechtsidee führte zu einer Medizin, die sich nur zwischen den beiden Polen Heilen und Vernichten bewegte. Die Konzentrationslager waren Mittelpunkt der kriminellen Menschenversuche. Es lassen sich hauptsächlich drei Zwecksetzungen der nationalsozialistisch-medizinischen Forschung erkennen; nämlich die militärische Zweckforschung, die Erforschung und Ausbauung des genetisch-eugenischenrassenhygienischen Grundkonzepts der nationalsozialistischen Ideologie und die Ermöglichung einer großangelegten neuen Bevölkerungspolitik, vor allem im Osten.75 Genannt und herausgegriffen seien die folgenden Versuche: Zur militärischen Zweckforschung gehörten die Unterdruck- und Unterkühlungsversuche. Die Unterdruckversuche dienten der Höhenflugforschung für deutsche Raketenjäger. Getestet wurde im Konzentrationslager Dachau. In sog. „terminalen 73
Zur Reichsrichtlinie auch Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 103 f.; ders., in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 27; Reuland, WMW 2002, 45, 47; Ruisinger, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 19, 30 f.; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 158 f.; Wölk, Risikovorsorge, S. 28 ff. 74 Vgl. Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41; ders., in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 79 f. 75 Ausf. Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41 f.
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Versuchen“, d. h. Dauerversuchen von 30 Minuten bei 10,5 km und bei 12 km starben 70–80 Versuchspersonen.76 Bei Unterkühlungsversuchen, die ohnehin auf die Beobachtung terminaler Zustande angelegt waren, starben in Dachau 80–90 Personen.77 Todesopfer forderten auch die Lostgas-Versuche78 , die Sulfonamidversuche79 und die Fleckfieberversuche in der klinischen Station der „Abteilung für Fleckfieberund Virusforschung“ im Konzentrationslager Buchenwald. Getestet wurden dort von dem Leiter der Abteilung für Tropenmedizin des Robert-Koch-Instituts Gerhardt Rose verschiedene Impfstoffe an KZ-Häftlingen, indem man sie in drei Gruppen einteilte und alle infizierte: Gruppe 1 blieb daraufhin unbehandelt, Gruppe 2 bekam verschiedene Impfstoffe und Gruppe 3 diente nur dazu, Fleckfieberfrischblut jederzeit erhalten zu können. Von 450 Versuchspersonen starben mindestens 158.80 Der nationalsozialistischen Rassenideologie dienten u. a. die vererbungsbiologische Forschung an Zwillingen und „Zwergen“, die nach ihrer Geburt getötet und zu vergleichsanalysischen Zwecken seziert wurden.81 Zu der dritten Gruppe nationalsozialistischer Forschung gehörten vor allem die Versuche zur „Röntgenkastration“ in Auschwitz. Sie wurde im Zusammenhang mit dem „Generalplan Ost“ diskutiert und es sollte ein Verfahren zur Massensterilisierung im Osten entwickelt werden.82 Im Übrigen sahen auch Pharmafirmen in den Konzentrationslagern einen geeigneten Versuchsstandort. Sie konnten fern von der Öffentlichkeit ohne Gefahr negativer Berichterstattung durch KZ-Ärzte ihre Arzneimittel testen lassen.83
76 Die Versuche wurden u.a. – mit Einwilligung und Förderung von Himmler – von dem damaligen Stabsarzt der Luftwaffe Sigmund Rascher ausgeführt; sie sollten Grundlage seiner Habilitation sein. Näheres bei Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 44 ff. und bei Koch, Menschenversuche, S. 122 ff. 77 Zahlreiche weitere Unterkühlungsversuche folgten, die ebenfalls von Rascher ausgeführt wurden; näheres, insb. zu den „Eiswasserversuchen“ oder den Versuchen zur „Wiedererwärmung unterkühlter Personen durch animalische Wärme“ bei Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 46 f. 78 Es sollte sich eigentlich um Versuche zur Insekten- und Rattenbekämpfung handeln, die aber offensichtlich Kampfstoffversuche waren; hierzu Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 55 f. 79 Hierzu Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 62 ff. 80 United States v. Rose, Trial of War Criminals before the Nuremberg Military Tribunal, Bd. 2, S. 264; Genaueres bei Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 56 ff.; s.a. Deutsch, VersR 2007, 425, 428. 81 Die Versuche wurden u.a. von Josef Mengele durchgeführt. Näheres bei Koch, Menschenversuche, S. 173 ff.; Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 67 ff; ders., in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 79, 81 f. Zur genetischen Forschung auch Roelcke, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 135, 141 ff. 82 Hierzu zählen auch die Sterilisierungsversuche an jüdischen Frauen. Vgl. Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 70 ff.; ausf. Koch, Menschenversuche, S. 141 ff. 83 Vgl. Baader, in: Helmchen/Winau, S. 41, 67; ausführlich Koch, Menschenversuche, S. 137
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b. Der Nürnberger Kodex Das aus drei Richtern amerikanischer Einzelstaaten besetzte Gericht des „Nürnberger Ärzteprozesses“ stellte schließlich einen internationalen Kodex mit zehn Geboten für Versuche am Menschen auf, die als „Nuremberg Code“ bzw. „Nürnberger Kodex“ bekannt geworden sind. Ziel des Ärzteprozesses war es nicht nur, die Verantwortlichen zu verurteilen, sondern auch für die Zukunft kriminellen Versuchen vorzubeugen.84 Getragen von der Befürchtung, durch den Nürnberger Ärzteprozess werde zu scharfe Kritik an den Versuchen am Menschen geübt, was sich für die Entwicklung des medizinisch-klinischen Versuchs nachteilig auswirken könnte, schlug der Physiologe Andrew Ivy, sachverständiger Berater der Anklage im Prozess gegen die deutschen Mediziner, vorab Richtlinien für zukünftige Menschenversuche vor. Auf diesen Richtlinien beruhte im Kern der „Nürnberger Kodex“, wobei die Regelungen von Ivy Menschenversuche leichter hätten zugelassen und nicht so eng formuliert waren.85 Der Hintergrund war u. a., dass Ivy selbst Versuche im Zusammenhang mit dem US-Militär durchführte und Menschenversuche gerade während des Krieges auch in Amerika durchgeführt wurden. Mit jenen Versuchen konfrontierte der angeklagte Bakteriologe Gerhardt Rose die Amerikaner, insbesondere mit Versuchen von US-Tropenmedizinern an Gefängnisinsassen, die auch der US-Anklagevertretung bekannt waren86 und weswegen man sich ausführlich bereits vor Beginn des Prozesses mit diesem tu quoque-Argument auseinandersetzte.87 Zulässigkeitsbedingungen für Versuche am Menschen waren nach dem „Nürnberger Kodex“ u. a. die nach umfangreicher Aufklärung über Wesen, Zweck und Gefahr des Versuchs erklärte freiwillige Zustimmung bei Einwilligungsfähigkeit (Ziff. 1). Der Versuch muss Ergebnisse liefern können, die nicht anderweitig, insbesondere durch Tierversuche zu erlangen sind und er darf nicht willkürlich und unnötig sein (Ziff. 2 u. 3.). Das Gefahrenmoment darf niemals die Grenze überschreiten, welche sich aus der humanitären Bedeutung des zu lösenden Problems ergeben (Ziff. 6) und der Versuchsperson muss freigestellt bleiben, den Versuch jederzeit beenden zu können (Ziff. 9).88 Der Nürnberger Kodex sah sich neben befürwortenden Stimmen auch 84
Zum „Nürnberger Ärzteprozess“ und den Hintergründen Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 24 f.; ausführlich ders., in: FS Wassermann, S. 69 ff., Weindling, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 31 ff.; Schmidt/Frewer, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 37 ff.; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 22 ff. Zu einem „Nürnberger Ärzteprozess“ in Fernost 1949 Deutsch, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 75 ff. 85 Zu dem „Grundriss der Prinzipien und Richtlinien für Experimente am Menschen“ von Ivy vgl. Weindling, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 31, 33 ff.; Schmidt/Frewer, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 37, 44 f. 86 Vgl. hierzu und zu weiteren Versuchen Baader, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 41, 76; Deutsch, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 75, 79 m.w. Nachw.; ders., in: FS Wassermann, S. 69, 73 f.; Schmidt/Frewer, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 37, 46 ff. 87 Hierzu ausf. Schmidt/Frewer, in: Frewer/Schmidt, Standards, S. 37, 46 ff. 88 Abgedruckt in: NJW 1949, 377; sowie bei Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 176 f.; ders., in FS Wassermann, S. 69 f. u. 75; Frewer/Schmidt, Standards, S. 257; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 24 ff.
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Kritik ausgesetzt. Bemängelt wurden insbesondere die Nichteinteilung von Heilversuchen und wissenschaftlichen Experimenten, die es schon in der Reichsrichtlinie von 1931 gegeben hatte, sowie die überhöhten Anforderungen an die Zulässigkeit von Versuchen am Menschen.89 Noch schärfer fiel die Kritik zu Ziffer 5 aus. Danach durften Versuche, die mit dem Risiko dauernder körperlicher Schäden und dem Risiko des Todes verbunden waren, ausnahmsweise durchgeführt werden, wenn „Versuchsleiter gleichzeitig als Versuchspersonen dienen“.90
B. Medizinische Forschung und medizinische Forschungsstandards heutzutage Während der Versuch am Menschen auf eine lange Tradition zurückblicken kann, so hat sich die medizinische Forschung, wie wir sie heute verstehen, erst in den letzten 100 Jahren entwickelt. Ihr Kennzeichen ist die Objektivierung und Systematisierung durch vergleichend-statistische Beobachtungsreihen, an deren Entwicklung u. a. Paul Martini mit seiner 1932 erschienen Abhandlung über die „Methodenlehre der therapeutischen Untersuchung“ maßgeblich beteilt war.91 Heutzutage wird strikt unterschieden zwischen dem patientenwohlfördernden individuell-therapeutischem Erprobungshandeln und der medizinischen Forschung, die auf generalisierende, den vorhandenen Standard weiterentwickelnde oder bestätigende Aussagen ausgerichtet ist.92 I. Die Deklaration von Helsinki Als wesentliches „Richtmaß“ für die medizinische Forschung wird heute die Deklaration von Helsinki angesehen, die den Ausspruch des Nürnberger Kodex abgelöst hat93 und die Bildung der Ethik-Kommissionen richtungsweisend beeinflusste. Die Deklaration von Helsinki ist 196494 vom Weltärztebund, der am 18. September 1947 89
Hierzu zählte vor allem die nach Ziffer 1 des Nürnberger Kodex unbedingt erforderliche Geschäftsfähigkeit der Versuchsperson, was gleichzeitig die Forschung auf den Gebieten der Kinderheilkunde und Psychiatrie ausschloss; vgl. Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 24; ders., in: FS Wassermann, S. 69, 71 f. 90 Vgl. Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 24; ders., in: FS Wassermann, S. 69, 71 f. 91 Martini verlangte für die therapeutische klinische Forschung den einfachen Blindversuch, d.h. das Prinzip der „Unwissentlichkeit“, vgl. Martini, Methodenlehre, passim, bes. S. 9; s.a. ders., DMW 1957, 597 ff.; dazu Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 100; Wölk, Risikovorsorge, S. 23 f. 92 Instruktiv zu Heilversuchen und klinischer Prüfung Deutsch, VersR 2005, 1009 ff. 93 Ausf. zum Verhältnis der Deklaration von Helsinki zum Nürnberger Kodex Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 55 ff. 94 DÄBl. 1964, 2533. Der Weltärztebund schenkte der humanmedizinischen Forschung erst im Jahre 1953 Beachtung. 1954 legte der Ethikausschuss auf der 8. Generalversammlung einen Bericht
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durch maßgebliche Initiative der Britischen Ärztevereinigung gegründet wurde95 , als überstaatliches Instrument beschlossen worden und erlangte in Tokio 197596 eine Neufassung (sog. Revidierte Deklaration von Helsinki).97 Die letzte Fassung stammt von Seoul vom Oktober 2008.98 Trotz ihrer fehlenden unmittelbaren rechtlichen Wirkung, für die eine rechtliche Umsetzung erforderlich wäre, genießen die Empfehlungen einen weltweit hohen Stellenwert, da sie die ärztliche Standesauffassung zur Humanforschung widerspiegeln.99 Sie gilt als „Leitlinie vertretbaren Versuchshandelns“100 und war Vorbild für zahlreiche Gesetze.101 Die Deklaration von Helsinki ist einmal durch die Richtlinie 2005/28/EG in das europäische Arzneimittelrecht inkorporiert worden; die Richtlinie bezieht sich aber nur auf die Fassung von 1996.102 Zum anderen ist die Deklaration von Helsinki nach dem Vorbild des § 15 Abs. 4 MBO-Ä103 über das ärztliche Berufsrecht
mit fünf Prinzipien vor, die in modifizierter Form verabschiedet wurden. Es handelte sich um die „Principles for Those in Research and Experimentation“, abgedruckt in: WMJ 1955, 14 f. Der Endfassung der Deklaration von Helsinki ging noch ein Kodexentwurf voraus mit dem Titel „A Draft Code of Ethics on Human Experimentation“; abgedruckt in: BMJ 1962, 1119; ausf. zum Ganzen Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 31 ff., 35 ff. 95 Ausf. zur Gründung des Weltärztebundes Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 27 ff. 96 DÄBl. 1975, 3163. 97 Vgl. im Einzelnen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 930; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 123 ff.; ders., NJW 1978, 570, 573 f.; ders., NJW 2001, 857 ff.; Taupitz, MedR 2001, 277; Wölk, Risikovorsorge, S. 174 f.; Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 67 Rn. 8 ff.; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 37 ff. 98 Vgl. hierzu Wiesing/Parsa-Parsi, DÄBl. 2009, A-503 ff.; Mayer, DÄBl. 2008, A-2362. 99 Vgl. Deutsch/Taupitz, MedR 1999, 402; Taupitz, MedR 2001, 277; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/ Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 3; Hägele, Arzneimittelprüfung, S. 194; Lippert, MedR 2003, 681, 682; ders., in: Ratzel/Lippert, § 15 MBO-Ä Rn. 26 „erstrangige ethische Regelungsquelle“; Wiesing/Parsa-Parsi, DÄBl. 2009, A-503; Straßburger, MedR 2006, 462. 100 Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 167. 101 Etwa für die §§ 40 f. AMG und §§ 20 f. MPG; vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 174; Straßburger, MedR 2006, 462. 102 Art. 3 der Richtlinie 2005/28/EG der Kommission vom 8. April 2005 zur Festlegung von Grundsätzen und ausführlichen Leitlinien der guten klinischen Praxis für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate sowie von Anforderungen für die Erteilung einer Genehmigung zur Herstellung oder Einfuhr solcher Produkte (ABlEG 2005 Nr. L 91, S. 13 ff.) bestimmt: „Klinische Prüfungen werden gemäß den ethischen Grundsätzen der „Deklaration von Helsinki“ über die Ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen des Weltärztebundes von 1996 durchgeführt“; dazu v. Dewitz, A&R 2007, 65, 68 f. 103 Nach § 15 Abs. 4 MBO-Ä haben alle Ärztinnen und Ärzte bei der Forschung am Menschen die in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes niedergelegten ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen zu beachten. Soweit ersichtlich haben alle Ärztekammern § 15 Abs. 4 MBO-Ä in die jeweilige Berufsordnung (wieder) übernommen, s.a. Straßburger, MedR 2006, 462, 463.
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
verbindlich. Die Wahrung ihrer Prinzipien stellt eine direkte Berufspflicht dar.104 Auch die Ethik-Kommissionen arbeiten auf der Grundlage der Deklaration von Helsinki.105 Wenngleich darauf hingewiesen wird, dass die Deklaration von Helsinki für Nichtärzte nur eine „Apellfunktion“ habe106 , so kann sie gleichwohl haftungsrechtliche Relevanz entfalten: Sie konkretisiert Verkehrssicherungspflichten in der medizinischen Forschung am Menschen107 und ihre Beachtung gehört zur fahrlässigkeitsvermeidenden Sorgfalt.
II. Überblick über den nationalen (zersplitterten) Rechtszustand Anders als etwa in Frankreich, wo durch das nach den beiden Senatoren benannte Gesetz („Loi Huriet-Sérulscat“) vom 20.12.1988 die biomedizinische Forschung am Menschen umfassend geregelt worden ist108 , bestehen in Deutschland nur bereichsspezifische Normierungen. In den §§ 40 ff. AMG wird die klinische Prüfung mit Arzneimitteln am Menschen geregelt. Die §§ 20 ff. MPG erfassen die klinische Prüfung mit Medizinprodukten und die Leistungsbewertungsprüfung von In-vitroDiagnostika. Für radioaktive Stoffe, ionisierende Strahlen und Röntgenstrahlungen enthalten die StrlSchV und die RöntgenV besondere Vorschriften (§§ 23 f., 87 ff. StrlSchV, 28a ff. RöngenV).109 Jene Regelungen stellen einen bedeutsamen Ausschnitt aus dem umfassend zu verstehenden Themenfeld der (bio-)medizinischen Forschung am Menschen dar.110 Außerhalb der sektoralen Regelungen ist weitestgehend unklar, nach welchen rechtlichen Regelungen sich medizinische Forschungsvorhaben orientieren. § 15 Abs. 1 MBO-Ä bestimmt dagegen, dass sich vor Durchführung eines biomedizinischen Forschungsvorhabens Ärztinnen und Ärzte 104 Vgl. Ratzel/Lippert, MedR 2004, 525, 533; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 7; zur damaligen Streichung des § 15 Abs. 2 MBO-Ä vgl. Richter/Bussar-Maatz, DÄBl. 2005, A-730 ff.; Lippert, MedR 2003, 681 ff.; ausf. zum Ganzen Straßburger, MedR 2006, 462 ff. 105 Nach der Mustersatzung des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen wird in § 2 Abs. 3 nur auf „nationale und internationale Empfehlungen“ verwiesen, wozu jedoch die Deklaration von Helsinki unstreitig zu zählen ist. Die Satzungen der einzelnen Ethik-Kommissionen sehen dagegen überwiegend einen direkten, statischen oder dynamischen Verweis auf die Deklaration von Helsinki vor. Exemplarisch: § 1 der Satzung der Medizinischen Hochschule Hannover: „Sie arbeitet auf der Grundlage der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes in der jeweils geltenden Fassung sowie der geltenden Gesetze“ (Stand: 13.07.2005). Hierzu auch Straßburger, MedR 2006, 462, 464. 106 Vgl. Taupitz, MedR 2001, 277, 279; Wölk, Risikovorsorge, S. 180; zur Diskussion auch Lilie, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 349 ff. 107 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 3 m. Fn. 8. 108 Ausf. hierzu Jung, Zulässigkeit biomedizinischer Versuche, passim; Osieka, Humanforschung, S. 110 ff.; Mémeteau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 39 ff. 109 Überblick bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 929; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 11; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139 f.; Wölk, Risikovorsorge, S. 97 ff. 110 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 929; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/ Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 144 a.E.
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von einer Ethik-Kommission über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen beraten lassen müssen. Dies führt dazu, dass Forschungsvorhaben vor die Ethik-Kommission gebracht werden, für die keine eindeutigen gesetzlichen Regelungen existieren.
III. Begriffliche und tatsächliche Erfassung der (bio-)medizinischen Forschung am Menschen Bereits im Jahre 1978 hat Eser darauf hingewiesen und prognostiziert, dass Teilregelungen über die medizinische Forschung, etwa für besonders schutzbedürftige Probanden/Patienten oder für besonders riskante Forschungsarten „ein mit vielleicht unvorhersehbaren Schlaglöchern durchsetzter Weg“ sei.111 Aufgrund eines nichtvorhandenen allgemeinen nationalen Forschungsgesetzes wird das homogene Sachgebiet der (bio-)medizinischen Forschung zersplittert in Spezialgesetzen geregelt. Nach Bydlinski bedarf allerdings „jeder große und komplexe Stoff (. . .) der gliedernden Ordnung: Ohne eine solche wäre er selbst für den, der sich intensiv mit ihm beschäftigt, geistig nicht einmal in den Grundzügen präsent zu halten, geschweige denn anderen adäquat zu vermitteln“112 . Einem System, welches nur spezifische Problemlagen aufgreift, ohne Sinnzusammenhänge der Regelungen und leitende Prinzipien aufzudecken, fehlt es an Leistungsfähigkeit für die praktisch angewandte Jurisprudenz.113 Es ist die Aufgabe des „äußeren“ bzw. „abstrakt-begrifflichen Systems“, durch Verallgemeinerungen bestimmter, meist aus Tatbeständen entnommenen Elementen, Begriffe verschiedener Abstraktionshöhen zu bilden, um Übersichtlichkeit, Rechtssicherheit und logische Widerspruchslosigkeit zu gewährleisten.114 Die mangelnde „äußere“ Systembildung, der durch die nur bereichsspezifisch erfasste medizinische Forschung Vorschub geleistet wurde, macht sich im „inneren System“ der medizinischen Forschung bemerkbar. Jenes System, angelegt auf inhaltliche Begründungszusammenhänge zwischen den einzelnen Teilelementen des Rechtstoffes115 , wird durch den Prozess einer „wechselseitigen Erhellung“116 gebildet; es versucht, Prinzipienwidersprüche aufzulösen bzw. zu konkretisieren, blickt aber auf die vom Rechtsleben durch methodische Rechtsgewinnung zu lösende Probleme.117 Kernaufgabe ist die möglichst umfassende Herausarbeitung inhaltlicher Begründungszusammenhänge, die im vorfindlichen 111
Eser, in: GS Schröder, S. 191, 206. Bydlinski, System und Prinzipien, S. 1. 113 Hierzu auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 264. 114 Grdl. zum „äußeren System“ Heck, Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, S. 139 ff.; ausf. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 263 ff.; Bydlinski, System und Prinzipien, S. 4 f. m.w. Nachw.; Canaris, Systemdenken, S. 19, der das äußere System als ein System von Ordnungsbegriffen auffasst. 115 Bydlinski, System und Prinzipien, S. 4 116 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 304. 117 Ausführlich zum „inneren System“ Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 302 ff.; Bydlinski, System und Prinzipien, S. 4 u. 31 ff. 112
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Rechtsstoff feststellbar sind, um die notwendige Begründung bei künftiger Rechtsgewinnung auf deduktive Schlüsse beschränken und vereinfachen zu können.118 Bydlinski hat insoweit überzeugend dargetan, dass das „äußere System“ der Stoffdarbietung, das „innere System“ der inhaltlichen Begründungszusammenhänge und die methodische Rechtsgewinnung zusammenhängen.119 Ein „inneres System“ setzt eine bereits vorliegende äußere Systematisierung notwendig voraus, denn das „innere System“ kann nur an die vorausliegende äußere Systematisierung anknüpfen.120 So verwundert es nicht, dass es der medizinischen Forschung an einem inhaltlich konsensfähigen bzw. allgemeiner Konkretisierung zugänglichen „inneren System“ fehlt, welches wertungseinheitliche und folgerichtige Entscheidungen für die Rechtsanwendung bereit hält.
1. Die (bio-)medizinische Forschung Versucht man, den Realitätsausschnitt der (bio-)medizinischen Forschung näher zu erfassen, so fällt auf, dass die Begriffswahl der nationalen und internationalen Regelungswerke voneinander abweichen. Es stellt sich die Frage, ob die jeweils unterschiedlichen Begriffe unterschiedliche Realitätsausschnitte meinen, oder ob derselbe Lebenssachverhalt nur unterschiedlich versucht wurde zu beschreiben. Das AMG und das MPG verwenden durchgehend den Begriff der „Klinischen Prüfung“. Von „medizinischer Forschung“ spricht dagegen die Deklaration von Helsinki („medical research“) sowie die StrlSchV und die RöntgenV. Die „biomedizinische Forschung“ taucht auf in dem „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“ (MRB) des Europarates vom 04.04.1997, sowie im Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin über biomedizinische Forschung vom 25.01.2005 („Draft protocol on biomedical research“), und fand sich auch noch früher in der Deklaration von Helsinki, bis der Zusatz „bio“ in der Neufassung vom Oktober 2000 gestrichen wurde.121 Es wird nunmehr durchgängig der Begriff der „medizinischen Forschung“ verwendet. Ebenfalls erwähnt wird die Biomedizin in § 15 MBO-Ä („biomedizinische Forschung“). Der Begriff der (bio-)medizinischen Forschung lässt sich jedenfalls als umfassender Oberbegriff verstehen.122 Ein Vorhaben ist dann unter (bio-)medizinischen Forschungsgesichtpunkten zu begutachten, wenn es einen Medizinbezug aufweist und zugleich Forschungscharakter hat. 118 Bydlinski, System und Prinzipien, S. 31 ff., insb. S. 34 ff. u. 37 ff.; ferner Canaris, Systemdenken, S. 40 ff., wonach das „innere“ System eine axiologische oder teleologische Ordnung allgemeiner Rechtsprinzipien sei, das die innere Einheit und Folgerichtigkeit der Rechtsordnung darstellen solle. 119 Bydlinski, System und Prinzipien, passim. 120 Bydlinski, System und Prinzipien, S. 42 ff., insb. S. 50 f. 121 Seit der Revision in Tokio und der Bioethik-Debatte ist nicht deutlich geworden, was man unter „biomedizinischer Forschung“ verstehen wollte; vgl. Taupitz, MedR 2001, 277, 278; ferner Zuck, MedR 2008, 57; ders., in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 66 Rn. 1 ff. 122 Ähnlich Fischer, Medizinische Versuche, S. 4.
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a. Medizinbezug Der Medizinbezug wird über den Begriff der Medizin bzw. die Heilkunde123 selbst vermittelt. Die Medizin lässt sich in Bezug nehmen mit der Wissenschaft vom gesunden und kranken Funktionszustand des menschlichen Organismus, insbesondere von den Ursachen (Ätiologie) und Erscheinungsformen von Krankheiten (Pathologie), deren Erkennung (Diagnostik) und Behandlung (Therapie) sowie deren Verhütung (Prophylaxe).124 Auch das AMG und das MPG weisen einen Medizinbezug auf. Zwar wird jeweils von „klinischer Prüfung“ gesprochen. Vermittelt wird der Medizinbezug aber über die Begriffsbestimmung des Arzneimittels (§ 2 Abs. 1 AMG) und des Medizinprodukts (§ 3 Nr. 1 MPG). Eine genauere Bestimmung der „Biomedizin“125 , deren Übersetzung126 eine Selbstverständlichkeit wiedergibt127 , ist bis heute nicht gefunden worden.128 Taupitz geht davon aus, dass die Biomedizin den Schnittbereich zwischen der Medizin im herkömmlichen Sinne und der Biologie erfassen möchte. Hierzu seien alle Forschungsmaßnahmen zu zählen, die auf der Grundlage biologischen und medizinischen Fachwissens darauf gerichtet sind, neue Erkenntnisse im Bereich der Biologie und Medizin zu gewinnen; insbesondere gehe es um die Forschung in interdisziplinär neuen Bereichen wie der Molekular- und Zellbiologie.129 Eine solche Sichtweise kann jedoch mit Blick auf § 15 Abs. 1 MBO-Ä eine unerfreuliche Verwirrung stiften, wenn man infolgedessen davon ausgeht, dass nur noch Forschungsvorhaben im Schnittbereich der Medizin und Biologie vorlagepflichtig sind.130 Man wird richtigerweise davon auszugehen haben, dass der Begriff der „Biomedizin“ nicht den Rang einer Definition haben kann, sondern auf einen offenen Katalog verweist131 ,
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Medizin, lat. zu ars medicina, ärztliche Kunst. Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Stichwort „Medizin“. 125 Ausf. zum Begriff der „Biomedizin” Zuck, MedR 2008, 57 ff.; ders., in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 66 Rn. 1 ff. 126 Bios, gr. für „Leben“; 127 Vgl. Zuck, MedR 2008, 57. 128 Vgl. Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 Rn. 2; Überblick über die lexikalischen Bestimmungsversuche bei Holderegger/Ackermann, in: FS Bondolfi, S. 33 ff.; Zuck, MedR 2008, 57, 59. 129 Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 39; ähnlich Müller-Terpitz, Recht der Biomedizin, S. 4: „Grenzfläche zwischen Medizin und Biologie“. 130 So z.B. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 180 f., die zu dem Ergebnis gelangen, dass bei wortlautgetreuer Auslegung Operationsmethoden nicht unter § 15 MBO-Ä fallen. 131 Vgl. Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 66 Rn. 2 f.; ausf. ders., MedR 2008, 57 ff.; s.a. Spickhoff, VersR 2006, 1569; Jung, Zulässigkeit biomedizinischer Versuche, S. 26 f.: „Gesamtheit medizinischer und biologischer Versuche, die am Menschen durchgeführt werden und Auswirkungen auf die Medizin haben können“. 124
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im Übrigen aber keine Unterschiede zum Begriff der „medizinischen Forschung“ zu verzeichnen sind.132 Die medizinische Forschung lässt sich zu anderen Forschungsgebieten erkennbar und abgrenzbar aufgrund ihrer Vielfalt nicht eindeutig hervorheben. Den Begriff der „(bio-)medizinischen Forschung“ wird man aus Sicht der Methodenlehre nicht als einen abstrakt-allgemeinen Rechtsbegriff anzusehen haben, sondern als Typusbegriff, bei dem das gesamte Erscheinungsbild und nicht das Vorliegen starrer Voraussetzungen zu einer Zuordnung führt.133 Die medizinische Forschung ist kein wertungsfreier Tatsachenbegriff, der einer logischen Subsumtion zugänglich ist, sondern vielmehr lässt sich im vorliegenden Kontext die Intention erkennen, den Begriff der „medizinische Forschung“ weit zu verstehen und zugunsten des Patienten-/Probandenschutzes nicht durch unverzichtbare Merkmale abschließend festzulegen. In Anbetracht der Typuseigenschaft kommt es demnach darauf an, „ob die als typisch angesehenen Merkmale in einer solchen Zahl und Stärke vorhanden sind, dass der Sachverhalt „im ganzen“ dem Erscheinungsbild des Typus entspricht“134 . Als leitenden Wertgesichtpunkt135 ist der Patienten-/Probandenschutz zu nennen und als Orientierungshilfen dienen die Arten der medizinischen Intervention bzw. des medizinischen Eingriffs136 sowie das Erkenntnisinteresse.137 Auch die Forschung auf benachbarten Gebieten, etwa die Umweltforschung oder die sozialwissenschaftliche Forschung mit Menschen können nach forschungsmedizinischen Grundsätzen zu beurteilen sein, etwa wenn sie mit klassischen medizinischen Eingriffen durchgeführt werden. b. Forschungsbezug Während der Medizinbezug thematisch zu verstehen ist, so lässt sich der Forschungsbezug zielorientiert begreifen. Auch der Forschungsbegriff stellt keinen 132 Vgl. Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 28: „Mit dem Ausdruck „biomedizinisch“ wird der ganze Bereich der Forschung in der Medizin umschrieben“. Krit. zum Begriff der „Biomedizin“ Sprecher, Medizinische Forschung, S. 25 ff., insb. S. 29. 133 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 36 ff.; 109 ff.; 298 ff.; Leenen, Typus und Rechtsfindung, insb. S. 34 ff., 42 ff.; 62 ff. 134 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 42; treffend auch Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 34: „elastisches Merkmalsgefüge“. 135 Dazu Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 62 ff., insb. S. 64, 97. 136 Ähnlich Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 27. Das Zusatzprotokoll zum MRB beschreibt seinen sachlichen Anwendungsbereich ebenfalls mit dem Begriff der Intervention, wobei dieser weit ausgelegt wird. NachArt. 2Abs. 3 ist er nicht nur auf körperliche Interventionen beschränkt, sondern jede andere Intervention kommt in Betracht, „soweit sie mit einer Gefahr für die psychische Gesundheit der betroffenen Person verbunden ist“. Hierunter fallen nach dem Erläuterungsbericht auch Fragenkataloge, Gespräche und Beobachtungen, vgl. hierzu Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 45 f. 137 S.a. Keller, MedR 1991, 11, 12, wonach medizinische Forschung alle systematischen Versuche und Erprobungen am Menschen seien, deren Ziel es ist oder zu deren Zielen es gehört, das medizinische Wissen zu mehren.
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abstrakt-allgemeinen Rechtsbegriff dar, sondern ist ebenfalls als Typusbegriff zu verstehen. Nur ein „elastisches Merkmalsgefüge“138 gewährleistet im Ergebnis die überaus schwierig zu ziehende Trennlinie zwischen der medizinischen Forschung und dem individuell-therapeutischem Erprobungshandeln. So weisen etwa die klinische Prüfung und der (individuelle) Heilversuch deutliche Gemeinsamkeiten auf.139 Die Rechtsfolgen, die sich aus einer Einordnung als klinische Prüfung iSd § 4 Abs. 23 AMG ergeben, etwa das Eingreifen des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) oder die Versicherungsabschlusspflicht (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG) sind nur für den (normativen Real-)Typus der „klinischen Prüfung“, nicht jedoch für den Typus des „Heilversuchs“ angeordnet worden. aa. Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 5 Abs. 3 GG In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird nach überwiegender Auffassung die Forschung und Lehre iSd Art. 5 Abs. 3 GG durch das Attribut wissenschaftlich näher eingegrenzt.140 Die Wissenschaft wird folglich als Oberbegriff angesehen, sodass Art. 5Abs. 3 GG damit die „wissenschaftliche Forschung“ und die „wissenschaftliche Lehre“ erfasst.141 Unter Rekrutierung auf ein offenes Verständnis von Wissenschaft142 wird die wissenschaftliche Tätigkeit umschreiben als „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist“.143 Trotz der Offenheit und Wandelbarkeit der Wissenschaft bedarf es zur näheren Bestimmung des Schutzbereichs objektiver Kriterien mit besonderer Berücksichtigung von Art und Ziel des Vorgehens.144 Dabei knüpft die herrschende Auffassung an die Kriterien des methodisch geordneten und planmäßigen Vorgehens an. Wissenschaftliche Forschung und mithin geschütztes Verhalten iSd Art. 5 Abs. 3 ist „die planmäßige methodengesteuerte eigenverantwortliche Suche, Bestätigung oder Falsifikation von Erkenntnissen“.145 Dabei ist anerkannt, dass Art. 5 Abs. 3 GG 138
Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 34. Instruktiv Deutsch, VersR 2005, 1009, 1010 f. 140 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 352. 141 BVerfGE 35, 79, 113; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 24; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 100; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 352; Kobor, JuS 2006, 695; krit. zu dieser Einteilung Blankenagel, AöR 105 (1980), 35, 70; ders., AöR 125 (2000), 70, 102; Trute, Forschung, S. 132 ff. 142 BVerfGE 35, 79, 113: „prinzipielle Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnisse“; s.a. BVerfGE 90, 1, 13; Häberle, AöR 110 (1985), 329, 356 f. 143 BVerfGE 35, 79, 113: „Bemühen um Wahrheit als etwas noch nicht ganz Gefundenes und nie ganz Aufzufindendes (Wilhelm von Humboldt)“; s. ferner BVerfGE 47, 327, 367; 90, 1, 11 ff; NVwZ 1987, 681, 682; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 17 u. 24; Küchenhoff, DÖV 1964, 601, 603; Losch/Radau, NVwZ 2003, 390, 393; krit. aufgrund der Unbestimmtheit der „Wahrheit“ Trute, Forschung, S. 82 ff., 113 ff.; Blankenagel, AöR 105 (1980), 35, 70 sowie Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 352. 144 So ausdrücklich Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 25. 145 So Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 361; sowie Rn. 353: „. . . planmäßiges Bemühen um rationale Erklärung und Einordnung“ als ein „durchgehendes Charakteristikum der 139
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nicht nur die Gewinnung neuer, sondern auch die Absicherung alter Erkenntnisse erfasst.146 Wegen der Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit jedweder wissenschaftlicher Erkenntnis hängt die Einstufung als Wissenschaft weder von der Richtigkeit der Methode und der Ergebnisse noch von der Stichhaltigkeit einer Argumentation und der Beweisführung ab (Wissenschaftspluralismus)147 ; jedoch bedarf es stets zumindest als Zielvorgabe des Bemühens um (Wahrheits-)Erkenntnis148 , sodass unsachliche Zielsetzungen aus dem Schutzbereich herausfallen.149 Dabei sieht Pernice das „Inbezugsetzen der Erkenntnis mit dem bisherigen Stand der Forschung und die Auseinandersetzung mit bestehenden Gegenpositionen“ als ein „wesentliches Charakteristikum der Wissenschaft“ an.150 Die ständige Offenheit der Wissenschaft muss folglich auch der Forscher selbst berücksichtigen, indem er Bereitschaft zur Korrektur bisheriger Annahmen zeigt (Unvoreingenommenheit).151 Die Ernsthaftigkeit des Versuchs zur Wahrheitsfindung ist gegeben, wenn Kenntnis von Sachgesetzlichkeiten und Methodik vorhanden sind, die notwendige Voraussetzung wissenschaftlichenArbeitens darstellen.152 Als Beurteilungskriterien für die Qualifizierung einer Tätigkeit als wissenschaftlich wird auf die Intention, das Selbstverständnis der betreffenden Person und vor allem auf das Urteil der scientific community abgestellt.153 Insoweit dient die nachvollziehbare Methode, d. h. das methodisch geordnete und planmäßige Vorgehen, insbesondere auch der Ermöglichung einer kritischen Prüfung der Forschungsergebnisse im anschließenden wissenschaftlichen Diskurs, in dem meist erst darüber entschieden wird, ob wissenschaftliche Tätigkeit überhaupt vorliegt.154 Wissenschaftliche Forschung wird vor diesem Hintergrund verstanden als Tätigkeit „mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen“155 . Geschützt sind im Ergebnis alle eigenverantwortlichen
Wissenschaft“; übereinstimmend Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 17 u. 26; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 122, jew. m.w. Nachw. 146 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 353 a.E. m.w. Nachw. 147 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 353; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 25. 148 BVerfGE 90, 1, 11 ff.; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 26. 149 Vgl. Fechner, JZ 1992, 777, 778. 150 Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 27 a.E.; ähnlich Schmitt Glaeser, WissR 1974, 107, 116: „Wechselschritt von Intuition und Reflexion“; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3, Rn. 353. 151 So im Ergebnis BVerfGE 90, 1, 13: Völlige Aussparung entgegenstehender Literatur; s.a. Fechner, JZ 1992, 777, 778. 152 Dickert, Naturwissenschaften und Forschungsfreiheit, S. 225; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 621 f.; Schmitt Glaeser, WissR 1974, 107, 117. 153 Vgl. Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 25 m.w. Nachw. sowie Häberle, AöR 110 (1985), 329, 356 f. 154 Ähnlich BVerfG NJW 2000, 3635 = JuS 2001, 502 (Hufen); hierzu auch Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 27 f. 155 BVerfGE 35, 79, 113; 90, 1, 11 ff.
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Tätigkeiten, die als wissenschaftlich zu qualifizieren sind156 ; nach dem BVerfG „insbesondere die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung“157 . Die in verfassungsrechtlicher Hinsicht postulierte Untrennbarkeit von „Forschung“ und „Wissenschaft“ lässt sich freilich im vorliegenden Kontext nur als einen „Soll-Zustand“ verstehen, denn es ist der vornehmliche Zweck der EthikKommissionen und der nationalen sowie internationalen Regelungen, unwissenschaftliche und planlose Forschung zu verhindern.158 Die Wissenschaftlichkeit des Forschungsvorhabens kann mithin nicht zur Voraussetzung der „medizinischen Forschung“ erhoben werden, weil ansonsten die jeweiligen Schutzrichtungen der Regelungswerke und das Ziel des Verfahrens vor den Ethik-Kommissionen leerlaufen würden.159
bb. Medizinrechtliche Kriterien In der Literatur ist der Begriff der klinischen Prüfung bzw. der medizinischen Forschung mit verschiedenen Merkmalen versucht worden zu erfassen; nämlich in Abgrenzung zu (individuellen) „Heilversuchen“ mit Systematik oder Methodik 160 , mit der Neuartigkeit der Maßnahme161 oder mit dem im Vordergrund stehenden Erkenntnisgewinn162 bzw. Erkenntnisinteresse163 . Auch der BGH hat das „(planmäßige) Vorgehen zur Gewinnung von Erkenntnissen“ in den Vordergrund gestellt.164 Interessant ist, dass mit gewollter Unschärfe zur Erfassung möglichst vieler Sachverhalte das französische „Loi Huriet-Séruslat“ seinen forschungsbezogenen Anwendungsbereich erstreckt „auf alle Versuche oder Erprobungen, die im Hinblick auf die Weiterentwicklung biologischer oder medizinischer Kenntnisse organisiert am Menschen durchgeführt werden“.165
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So Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 30. BVerfGE 35, 79, 113; ausf. Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 30 m.w. Nachw, 158 Ähnliche bereits Eser, in: GS Schröder, S. 191, 200 f. 159 Zur Forschungsverantwortung als Verfahrensaufgabe vgl. Losch/Radau, NVwZ 2003, 390 ff. 160 So beispielweise Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 143; ders., Biomedizinische Forschung, S. 40 f.; Sprecher, Medizinische Forschung, S. 25 a.E.; s.a. Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 68 Rn. 15. 161 Vgl. Taupitz/Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 412; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 143; ders., in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 13, 15; Hirsch, in: Kleinsorge/Hirsch/Weißnauer, Forschung am Menschen, S. 13 f.; Weißauer, MMW 1979, 551, 553; s.a. Fischer, Medizinischer Versuche, S. 42, der allerdings zutreffend berücksichtigt, dass auch erprobte und mithin nicht neuartige Methoden Gegenstand medizinischer Forschung sein können (S. 24). 162 So z.B. Hart, MedR 1998, 8, 9. 163 So Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 1b. 164 Vgl. BGHZ 130, 259, 265 zum patentrechtlichen Versuchsprivileg (§ 11 Nr. 2 PatG). 165 Art. L. 209-1 c. sant publ.; hierzu Jung, Zulässigkeit biomedizinischer Versuche, S. 25 f. 157
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
2. Individuell-therapeutisches Erprobungshandeln Das individuell-therapeutische Erprobungshandeln tritt nicht mit forschungswissenschaftlichem Anspruch auf. Anders als in der medizinischen Forschung liegt der Akzent auf der Behandlung und nicht auf der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse.166 Das individuell-therapeutische Erprobungshandeln findet seine Legitimation in der ärztlichen Therapiefreiheit und im Selbstbestimmungsrecht des Patienten.167 Die Therapiefreiheit erlaubt es dem Arzt grundsätzlich, frei über Art und Umfang seiner ärztlichen Leistung zu bestimmen. Neben der Gewährung der Methodenfreiheit und der prinzipiell fehlenden Bindung an die Schulmedizin ist die Therapiefreiheit in erster Linie ein fremdnütziges Recht, durch dessen Gewährleistung die Individualität des Behandlungsgeschehens ohne Anlegung fesselnder Normierungen berücksichtigt werden kann.168 So geht auch der BGH davon aus, dass die Therapiewahl „primär Sache des Arztes“ sei.169 In drei neueren Entscheidungen hat er diese Sichtweise jeweils für die Fallgruppen der Neulandmethode170 , für den individuellen Heilversuch171 und für eine Außenseitermethode172 bekräftigt, gleichzeitig aber strenge Anforderungen an die Durchführung der Behandlungsmethode und an die Aufklärungspflicht aufgestellt.173 3. Abgrenzung: Das Kriterium der Determination Für die Abgrenzung zwischen einer Mehrzahl von Heilversuchen und der klinischen Prüfung bzw. der medizinischen Forschung sind verschiedene Kriterien angelegt worden. Zum einen wird auf die „Forschungsintention“ und damit auf ein subjektives Kriterium abgestellt.174 Zum anderen wurden objektive Kriterien bemüht, etwa eine bestimmte Patientenanzahl175 oder die Beteiligung einer Pharmafirma.176 Die 166
Vgl. Deutsch, VersR 2005, 1009, 1011; Kirchhof, MedR 2007, 147, 149. Ähnlich Deutsch, VersR 2005, 1009, 1012; Biermann, Arzneimittelprüfung, S. 342; s.a. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 27 ff.; ders., in: FS Deutsch II, S. 343, 346 f. 168 Zum Ganzen Katzenmeier, Arzthaftung, S. 306 ff.; Laufs, in: FS Deutsch I, S. 625, 626; Vogeler, MedR 2008, 697, 699 m.w. Nachw. 169 Vgl. BGHZ 102, 17, 22; 106, 153, 157. 170 BGHZ 168, 103 = NJW 2006, 2477 m. Bspr. Katzenmeier (S. 2738) (Robodoc) 171 BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767 = JZ 2007, 1104 m. Anm. Katzenmeier. 172 BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774 = MedR 2008, 87 m. Anm. Spickhoff (Racz-Methode). 173 Zusammenfassend Vogeler, MedR 2008, 697 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 27 ff., jew. m.w. Nachw.; ausf. zum Ganzen jüngst Schneider, Neue Behandlungsmethoden, passim. 174 Vgl. dazu Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 42; Wölk, Risikovorsorge, S. 74 f. 175 So Bender, MedR 2005, 511, 515; dagegen Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 6 m. Fn. 5; Rehmann, Vor § 40 Rn. 3; s.a. Taupitz/Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 417 f., die bei der dritten Vornahme eines Heilversuchs diesen für besonders rechtfertigungsbedürftig einstufen. Zu den Grenzen der Wiederholbarkeit auch Meyer, Arzthaftungsrechtliche Verfassung, S. 96 ff. 176 Vgl. Kollhosser/Kreft, MedR 1993, 93, 94. 167
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Grenzziehung wird man richtigerweise anhand der Kriterien der Individualität und der Systematik zu vollziehen haben.177 Der Heilversuch ist dadurch gekennzeichnet, dass die Abweichung vom ärztlichen Standard in der individuellen Behandlungssituation angelegt ist178 , entweder weil ein Standard nicht besteht oder ein bestehender Standard nicht weiter hilft.179 In der medizinischen Forschung ist nicht die Individualität behandlungsleitend. Der Patient wird einer genormten und kollektivbezogenen Behandlung nach einem bestimmten Studiendesign unterworfen180 , damit über den Einzelfall hinausgehende Erkenntnisse aus der Forschungsbehandlung abgeleitet werden können. Das individuelle Behandlungsgeschehen wird also durch ein Erkenntnisinteresse determiniert. Soweit das individuelle Behandlungsgeschehen behandlungsleitend bleibt, können auch eine Vielzahl von Heilversuchen181 allein aus der ärztlichen Therapiefreiheit und des Selbstbestimmungsrecht des Patienten gerechtfertigt sein. Die Randomisierung und die Bildung von Kontrollgruppen determinieren stets die individuelle Behandlungssituation. Gleiches gilt für die Behandlung gemäß einem Prüfplan mit vordefinierten Ein- und Ausschlusskriterien. In Zweifelsfällen entscheidet der normative Realtypus. Zu prüfen ist, ob die als typisch angesehenen Merkmale der „klinischen Prüfung“ bzw. „medizinischen Forschung“ ist einer solchen Zahl und Stärke vorhanden sind, dass der Sachverhalt im Ganzen dem Erscheinungsbild des Typus entspricht. Insbesondere kommt es darauf an, ob die für den Realtypus vorgesehenen Rechtsfolgen, d. h. etwa für die Arzneimittelprüfung das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) und die Versicherungsabschlusspflicht (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG) auch auf den Sachverhalt passend sind, oder ob keine Übereinstimmung mit dem leitenden Wertgesichtpunkt besteht.182 Daran fehlt es nach hier vertretener Auffassung immer dann, wenn die Individualität behandlungsleitend bleibt und nicht durch einen Erkenntnisgewinn (systematisch) determiniert wird. Dies entspricht dem Leitbild der nichtinterventionellen Prüfung nach § 4 Abs. 23 S. 3 AMG.
IV. Medizinische Forschungsstandards Wer forscht und nicht individuell behandlungsleitend behandelt, unterliegt den allgemeinen und besonderen Forschungsstandards und Forschungsregularien. Es handelt sich im Wesentlichen um patienten-/probandenschutzbezogene Standards und um 177
Ähnlich Deutsch, VersR 2005, 1009. Treffend Lipp, in: FS Deutsch II, S. 343, 346: „Der Heilversuch folgt daher im Grundsatz denselben Regeln wie eine Standardbehandlung“. 179 Vgl. Meyer, Arzthaftungsrechtliche Verfassung, S. 11 ff., 27 ff.; Wölk, Risikovorsorge, S. 86 ff.; Vogeler, MedR 2008, 697, 701; Kirchhof, MedR 2007, 147, 149. 180 Ähnlich auch Wölk, Risikovorsorge, S. 91: „Der individuelle Patient wird bei der klinischen Prüfung nur insoweit berücksichtigt, wie er den Anforderungen des wissenschaftlich-methodischen Designs der klinischen Prüfung entspricht“. 181 Zu einzelnen Arten von Heilversuchen weiterführend Deutsch, VersR 2005, 1009, 1011 ff. 182 Nahestehend Deutsch, VersR 2005, 1009, 1013 („funktionale Rechtsbestimmung“); allg. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 42 ff. 178
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wissenschaftliche Standards. Beide stehen in einem Spannungsfeld zueinander, denn während die wissenschaftlichen Standards auf Objektivierung abzielen, so geht es bei den patienten-/probandenschutzbezogenen Standards um die Grenzen zulässiger und vertretbarer Forschungsobjektivierung. Bestimmenden Einfluss hat darüber hinaus die Einteilung in die therapeutische und in die rein wissenschaftliche Forschung. 1. Grundeinteilung: Unterscheidung von therapeutischer und rein wissenschaftlicher Forschung Einen die gesamte Forschung am Menschen durchziehenden Grundsatz betrifft die traditionelle Unterscheidung von therapeutischer und (rein) wissenschaftlicher Forschung. Sie hat eine lange Tradition, die nicht erst in den Reichrichtlinien von 1931 angelegt war.183 Die Einteilung wurde bereits von Claude Bernat (1813–1878) vollzogen184 und auch bei den Forschungstätigkeiten von Anton Störck fand die Differenzierung als ein ethisches Prinzip zum Schutze Kranker und Hilfsbedürftiger Berücksichtigung. Die Reichsrichtlinien differenzierten zwischen Heileingriffen, die der Heilbehandlung dienen (Nr. 2) und Eingriffen zu Forschungszwecken, ohne der Heilbehandlung im Einzelnen zu dienen (Nr. 3). Auch der BGH stellte in seinem viel beachteten Thorotrast-Urteil185 auf jene Differenzierung ab und sprach einem Soldaten einen Aufopferungsanspruch zu, da die Thorotrastinjektionen, die bei ihm zu einer Leberzirrhose führten, „nicht entscheidend im Blick auf die Heilung des Kranken, sondern entscheidend im Blick auf die damit verbundenen Forschungszwecke erfolgt ist“ und es war eben jener Forschungszweck, der der Behandlung „das entscheidende Gepräge gab“186 . Die Übergänge zwischen einem behandlungs- und rein wissenschaftsbezogenen medizinischen (systematischen) Erprobungshandeln sind freilich fließend.187 Der Grundkonzeption nach fördert die therapeutische Forschung das Wohl des einschlägig Kranken. Bei der wissenschaftlichen Forschung kann der therapeutische Eigennutzen entweder teilweise oder gänzlich in den Hintergrund geraten.188 Diese Einteilung wird allerdings von den gesetzlichen Regularien nicht strikt vollzogen.189 183
Dazu bereits oben, § 1 A.III.3.b. Dazu Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 16 f. 185 BGHZ 20, 61 = NJW 1956, 629 = JZ 1956, 412 m. Anm. Schack. 186 BGHZ 20, 61, 65 f. 187 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 78 ff.; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 71 f., wonach die Zuordnung den positiven Effekt der Sensibilisierung des Forschers habe. 188 Vgl. im Einzelnen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 922; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 40 f.; ders./Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 412 f.; Staak, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 273, 276; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 69 ff.; Stühlinger/Fortwengel/Thoeni/Staudinger, Eur J Health Law 16 (2009), 45, 47 ff. 189 Die §§ 40 f. AMG, 20 f. MPG differenzieren zwischen allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die klinische Prüfung und auch die Deklaration von Helsinki stellt nur „Principles for all medical research“ und „Additional Principles for medical research combined with medical care“ auf. 184
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Es haben sich im Wesentlichen vier Kategorien herauskristallisiert: An erster Stelle stehen Erprobungsarten mit aktuellem potenziellen individuellem Nutzen. Der zweiten Kategorie werden medizinische Eingriffe mit zukünftig potentiellem Nutzen zugeordnet, etwa diagnostische und prophylaktische Maßnahmen. Ihr Kennzeichen ist, dass der Patient/Proband zwar nicht zum Zeitpunkt der Vornahme, wohl aber in absehbarer Zukunft Profit für sich selbst aus der Behandlung schlagen kann. Der dritten Kategorie gehören Maßnahmen ohne direkten potentiellen individuellen Nutzen an, die jedoch einen potentiellen Nutzen für die Patienten derselben Krankheit haben (sog. „gruppenspezifischer Nutzen“). Und schließlich gibt es das nicht-therapeutische Erprobungshandeln, teilweise auch „Humanexperiment“ genannt, ohne individuellen und gruppenspezifischen Nutzen, wozu vor allem die Grundlagenforschung zählt.190 Therapeutische Forschung, die die Gesundheit des Patienten zu fördern vermag, und solche, die nicht der Heilbehandlung dienen, unterliegen denselben Regeln, jedoch besteht je nach Kategorienzuordnung ein höheres Legitimationsbedürfnis durch den paternalistischen („ärztliche Vertretbarkeit“) und den individualistischen (Einwilligung nach Aufklärung) Rechtfertigungsansatz.191 2. Patienten-/Probandenschutzbezogene Forschungsstandards Patienten-/Probandenschutzbezogene Forschungsstandards betreffen im Ergebnis die vom Forschungsinitiator einzuhaltende (äußere) „versuchseigentümliche“ Sorgfalt. Es sind die für das Forschungsvorhaben notwendigen und erforderlichen Maßnahmen zu treffen.192 Die jeweiligen sektoralen Regelungen enthalten diesbezüglich detaillierte, und im jeweiligen bereichsspezifischen Kontext konkretisierte Anforderungen, auf die im Zuge der Bearbeitung noch ausführlich zurückzukommen sein wird. Außerhalb der bereichsspezifischen Regularien kommt entweder ihre analoge Anwendung oder ein Rückgriff auf allgemeine Grundsätze in Betracht. 3. Wissenschaftsbezogene Forschungsstandards: Studiendesigns und Biostatistik Ein Forschungsvorhaben muss wissenschaftlichen Anforderungen genügen. Erforderlich ist, dass es in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG fällt; anderenfalls 190
Zu dieser Einteilung Vollmann, EthikMed 2000, 65, 69 f.; Wölk, Risikovorsorge, S. 78 ff. m.w. Nachw.; Fröhlich, Forschung, S. 19. 191 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 922; Deutsch, NJW 2001, 857, 858; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 69 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 40, 54; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 143 f.; ders./Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 412 ff. Vollmann, EthikMed 2000, 65, 70 ff. hat das Kategoriendenken der h.L. dagegen kritisiert. Die fließenden Übergänge der jeweiligen Kategorien rechtfertigen es nicht, unterschiedliche Voraussetzungen für zulässiges Erprobungshandeln aufzustellen, die umso strenger werden, je stärker sich die medizinische (Forschungsbe-)Handlung dem Humanexperiment annähert. Vielmehr seien in jeder Kategorie eine gleichgewichtige Aufklärung und Risikobewertung ohne „semantische Konstruktionen“ erforderlich; ebenfalls krit. Kirchhof, MedR 2007, 147, 149 f. 192 Vgl. Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 50.
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überwiegen stets die Rechte der Patienten/Probanden auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), was alle bereichspezifische Forschungsregelungen zum Ausdruck bringen.193 Ein unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG fallendes Forschungsvorhaben muss sich mit dem bisherigen Stand der Forschung und mit bestehenden Gegenpositionen auseinandersetzen. Es muss sich um einen ernsthaften Versuch zur Wahrheitsfindung handeln, was die Kenntnis von Sachgesetzlichkeiten und die Anwendung einer Methodik verlangt.194 Anders als damals setzt die heutige medizinische Forschung nicht mehr auf „Versuch und Irrtum“, sondern auf den kontrollierten Vergleich.195 a. Grundlagen und heutige Bedeutung kontrollierter Studien Die Objektivierung ist die heutige Grundlage der medizinischen Forschung. Voraussetzung für die externe Validität eines Studienergebnisses ist die interne Validität.196 Letztere verlangt, um die Studienergebnisse später auf die Routineversorgung übertragen zu können (Generalisierung des Studienergebnisses), die Bemühung, systematische Fehler durch ein methodisch adäquates Design zu minimieren.197 Sollen in einer Studie Fragen zur Wirksamkeit, Verträglichkeit oder der Über- und Unterlegenheit nachgewiesen oder bewiesen werden, so muss die Studie den kontrollierten Vergleich anstreben. Er zeichnet sich dadurch aus, dass wenigstens zwei Gruppen gebildet werden. In einer Gruppe erhalten die Patienten/Probanden die Intervention (sog. Verum-, Test-, Behandlungs- oder Interventionsgruppe). Die andere Gruppe erhält die zu testende Intervention nicht. Beide Gruppen dürfen sich nur im Hinblick auf die Intervention, ansonsten aber nicht systematisch Unterscheiden.198 Dies wird 193
So muss das Vorhaben dem „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ entsprechen und es muss für dessen Zielsetzung geeignet sein; vgl. §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG, § 20 Abs. 3 Nr. 2 MPG. Anderenfalls ist die zustimmende Bewertung/Genehmigung zu versagen. Noch strengere Voraussetzungen werden von der StrlSchV und der RöntgenV aufgestellt, vgl. §§ 24 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1 RöntgenV. 194 Vgl. BVerfGE 35, 79, 113; 90, 1 11 ff.; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III Rn. 27; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 353. s. a. bereits oben, § 1 B.III.1.b.aa. 195 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 917. 196 Unter externer Validität versteht man die Übertragbarkeit der Studienergebnisse auf die Patienten in der Routineversorgung. Die interneValidität bezeichnet dasAusmaß, mit dem die Ergebnisse einer Studie die „wahren“ Effekte einer Intervention/Exposition wiedergeben. Sie beruht auf der Integrität des Studiendesigns und ist Voraussetzung für die externe Validität. Instruktiv hierzu Mad/FelderPuig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 276 u. 277. 197 Sponsoren sind grundsätzlich an der internen Validität interessiert, die durch den Einschluss homogener Patientenkollektive gefördert wird. Dabei sinkt notwendigerweise die externe Validität der Studie, da sie sich dann nicht generalisieren lässt; hierzu Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 522. 198 Anderenfalls kann der beobachtete Effekt auch auf andere Ursachen als auf die Intervention zurückgeführt werden; instruktiv aus juristischer Sicht zum klinisch kontrollierten Versuch Deutsch, JZ 1980, 289 ff.; ferner Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 923; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 72 ff.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 30 f.; zur geschichtlichen
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durch die Randomisierung der Versuchsteilnehmer, d. h. durch die zufällige Zuordnung der Patienten in die Verum- oder in die Kontrollgruppe gewährleistet. Diese randomisiert kontrollierten Studien (engl.: Randomised Controlled Trial, kurz: RCT ) bilden aus heutiger Sicht den „Goldstandard“199 der medizinischen Forschung, denn sie sind geeignet, alle das Studienergebnis verändernden systematischen Fehler wie Bias und Confounder auszuschalten oder zu minimieren.200 Zwischen Intervention und erreichtem Behandlungsziel lässt sich so mit geringer Irrtumswahrscheinlichkeit auf die Kausalität und folglich auf die Wirksamkeit der Intervention schließen.201 Für jenen kontrollierten Versuch hat sich eine Vielzahl von Prüfmethoden entwickelt, die jeweils die Intention verfolgen, Mitursachen auszuschließen und die Validität der Studienergebnisse dadurch zu erhöhen.202 Vom Regelfall der kontrollierten Studien geht im Übrigen auch die Richtlinie 2003/63/EG aus: Klinische Prüfungen sind in der Regel als „kontrollierte klinische Prüfungen“ und soweit möglich randomisiert durchzuführen, wobei zum Vergleich je nach Einzelfall ein Placebo oder ein bereits bekanntes Arzneimittel mit nachgewiesenem therapeutischen Wert heranzuziehen ist. Jedes andere Prüfdesign ist zu begründen. Die Behandlung der Kontrollgruppen wird sich von Fall zu Fall unterscheiden und auch von ethischen Erwägungen und dem therapeutischen Bereich abhängen; so kann der Wirksamkeitsvergleich zwischen einem neuen Arzneimittel und einem bereits bekannten bisweilen einem Wirkungsvergleich mit einem Placebo vorzuziehen sein.203
Es ist jedoch hervorzuheben, dass vorwiegend für den Wirksamkeits-, Verträglichkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis eine klinisch kontrollierte Studie unausweichlich ist. Bei anderen Fragestellungen können unter Umständen unter Inkaufnahme geringerer Aussagekraft auch historische Kontrollen verwendet
Entwicklung Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 99 ff. und Neuhaus, ebd., S. 108 ff. 199 Sie besitzen nach der „Hierarchie der Evidenz“ unter allen Primärstudien den höchsten Grad an Aussagekraft zur Bestimmung der Effektivität von Interventionen. An oberster Stelle der Evidenzhierarchie stehen sog. systematische Übersichtsarbeiten und Meta-Analysen mehrerer randomisiert kontrollierter Studien (Sekundärstudien); vgl. hierzu Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 275 f.; Gartlehner/Wild/Mad, WMW 2008, 127 ff.; zu ethischen und empirischen Grenzen Porzsolt/Kliemt, Medizinische Klinik 2008, 836 ff. 200 „Bias“ bezeichnet die Tendenz, dass die Studienergebnisse von den wahren Ergebnissen abweichen, indem Design und Durchführung der Studie zu einer Über- oder Unterschätzung der wahren Wirkung einer Maßnahme führen. Ein „Confounding“ liegt vor, wenn ein Faktor, der nicht Gegenstand der Untersuchung ist, sowohl mit der Intervention als auch mit der Zielgröße assoziiert ist und dadurch bei Aussagen über die Beziehung zwischen Intervention und Zielgröße „Verwirrung“ stiftet; hierzu Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 275 f. 201 Zur „Schlusslogik“ klinisch kontrollierter Prüfungen Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 518 f.; krit. Weihe, DÄBl. 2004, A-834 ff. 202 Vgl. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 306. 203 Anhang 1 Nr. 5.2.5.1. der Richtlinie 2003/63/EG der Kommission vom 25. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel.
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werden.204 Die Wahl des zutreffenden Studiendesign ist jeweils abhängig von der wissenschaftlichen Fragestellung.205 b. Kontrollgruppen aa. Grundsatz Die tatsächliche Ausgestaltung der Kontrollgruppen hängt aus forschungsmedizinischer Sicht davon ab, ob die Intervention gegenüber einer ggf. vorhandenen Standardintervention einen Unterschied erwarten lässt oder nicht. Ist ersteres der Fall und soll ggf. auch eine Überlegenheit zur bisherigen Standardintervention nachgewiesen werden, so kann die Kontrollgruppe mit der Standardbehandlung behandelt werden (sog. aktive Kontrolle). Im letzten Fall kommt eine Placebogruppe oder eine unbehandelte Kontrollgruppe als Vergleichsgruppe in Betracht. Gibt es keine (zugelassene) Standardintervention, so bleibt auch hier nur der Vergleich mit einer Placebogruppe.206 bb. Placebokontrollen (1) Bedeutung und Risiken von Placebostudien Placebos207 sind Scheinpräparate ohne pharmakologisch wirksame Bestandteile, die jedoch in ihrer Erscheinungsform identisch aussehen (müssen) wie das zu testende Präparat. Der Einsatz von Placebos ist eine der wichtigsten Methoden, die Forschung zu objektivieren und die Validität der Ergebnisse zu erhöhen. Sie dienen dazu, psychologische und psychische Wirkungen auszuschließen, um so auf die Wirkung der Testintervention schließen zu können.208 Bei vorhandener Standardbehandlung werden Placebostudien oft dreiarmig durchgeführt, indem eine Gruppe die Testintervention, eine andere die Standardintervention und schließlich die dritte Gruppe ein Placebo erhält.209 Auch bei Dosisfindungsstudien werden entweder Placebos eingesetzt oder den Patienten wird eine unterhalb der therapeutischen Wirksamkeitsgrenze angesiedelte Dosierung gegeben. Möglich ist auch ein sog. On-Top-Design, bei dem das Placebo zusätzlich zur Standardbehandlung gegeben wird. Die Erkenntnisse aus placebokontrollierten Studien ermöglichen es, eine zutreffende Risiko-NutzenAbwägung für die Testintervention zu treffen und verhindern Fehlentscheidungen, 204 Zu historischen Kontrollen Schwarz, Klinische Prüfung, S. 308; Windeler, MedR 1997, 265, 266. 205 Vgl. Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 275. 206 Zu Kontrollgruppen aus forschungsmedizinischer Sicht Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 306 ff.; Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 518 f. 207 placebo, lat. von placere, „ich werden gefallen“. Der Begriff entstammt ursprünglich aus dem 114. Psalm (placebo domino, „ich werde dem Herrn gefallen“). Die Forderung nach Placebostudien taucht zum ersten Mal zusammen mit der Einführung der einfachen Blindversuchs auf; hierzu Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 101 f. 208 Zu (erwünschten und unerwünschten) Placeboeffekten Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 310. 209 Speziell zu den aussagekräftigen dreiarmigen Studien Röhmel/Hauschke/Koch/Pigeot, Bundesgesundheitsbl. 2005, 562, 566.
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etwa bei der Arzneimittelzulassung. Aktiv kontrollierte Studien bedürfen einer größeren Anzahl von Studienteilnehmern und sind minder aussagekräftig: Sie stellen sich als Nichtunterlegenheitsstudien gegenüber der Standardbehandlung dar, sodass das Ergebnis der Studie nur in der Feststellung der Äquivalenz liegen kann, Nichtunterlegenheit aber als Wirksamkeitsnachweis ungeeignet ist.210 Placebokontrollen können auf der anderen Seite Risiken für den Versuchsteilnehmer beinhalten. Für gesunde Versuchsteilnehmer sind dies in erster Linie Nebenwirkungen der Applikationsform und die Wirkungsweisen des Placebos selbst, welches z. T. trotz pharmakologischer Wirkungslosigkeit Nebenwirkungen auslösen kann.211 Für den behandlungsbedürftigen Erkrankten kann die Randomisierung in eine reine Placebogruppe zu einer Vorenthaltung einer wirksamen Behandlung gegen seine Erkrankung führen. Die mit Placebostudien oftmals verbundene Vorenthaltung einer Therapie zwingt dazu zu prüfen, ob der Placeboeinsatz einerseits wissenschaftlich erforderlich und andererseits ärztlich, ethisch und juristisch vertretbar ist. Aus dem Umstand, dass Placebostudien für den Wirksamkeits- und Verträglichkeitsnachweis aus heutiger Sicht unverzichtbar sind, stellt sich die Frage, insbesondere aus Sicht der Ethik-Kommissionen, wann bei wissenschaftlicher Erforderlichkeit die Grenze des Zulässigen überschritten wird. Es bedarf einer Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zwischen den Risiken für die Patienten, die durch eine Randomisierung in eine Placebogruppe eintreten können und den Risiken, die durch eine unzureichende Studie mit geringerem Wirksamkeitsnachweis entstehen können.212
(2) Zulässigkeit von Placebogruppen Die Zulässigkeit und Vertretbarkeit von Placebostudien wird ebenso wie alle anderen Formen kontrollierter Studien von den nationalen bereichsspezifischen Normierungen nicht ausdrücklich geregelt.213 Gleichwohl werden Placebogruppen nicht nur in der Literatur ausführlich behandelt214 , sondern auch zahlreiche europäische
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Zur heutigen Bedeutung von Placebostudien vgl. das „EMEA/CPMP Position Statement on the Use of Placebo in Clinical Trials with the Regard to the revised Declaration of Helsinki – EMEA/17424/01 v. 28.05.2001; umfassend Broich, Bundesgesundheitsbl. 2005, 541 ff.; ferner Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 308 ff. m.w. Nachw.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 952. 211 Einzelheiten bei Mehlitz, Zulässigkeit placebokontrollierter klinischer Prüfungen, S. 26 ff. m.w. Nachw. 212 Hierzu auch Schwarz, Klinische Prüfung, S. 308 f.; Mehlitz, Zulässigkeit placebokontrollierter klinischer Prüfungen, S. 60. 213 Krit. diesebzüglich zur Richtlinie 2001/20/EG Deutsch, NJW 2001, 3361, 3366. 214 Als Auszug aus der neueren Zeit seien genannt: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 952; Ehni/Wiesing, Ethik Med 2006, 223 ff.; Mehlitz, Zulässigkeit placebokontrollierter klinischer Prüfungen, passim; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 74; Broich, Bundesgesundheitsbl. 2005, 541 ff.;v. Dewitz, A&R 2007, 65 ff.; Sander, Erl. § 41 Anm. 3a; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 22; Krüger, MedR 2009, 33 ff.; Hróbjartsson, J Clin Ethics 2008, 66 ff.; Louhiala, J Med Ethics 2009, 407 ff.
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Vorschriften und internationale Organisationen haben sich des Problems angenommen215 und auch innerhalb der Ethik-Kommissionen besteht ein ausgeprägtes Problembewusstsein in Bezug auf die Vertretbarkeit von Placebostudien.216 Für vergleichende Therapiestudien muss stets eine vergleichbare Ungewissheit bestehen.217 Ein Grundkonsens für „echte“ bzw. „reine“ Placebokontrollen lässt sich insoweit ersehen, als jene selbst bei wissenschaftlicher Notwendigkeit nur eingeschränkt zulässig sind. Bei minimalen Risiken und bei Erkrankungen, für die es keine Standardtherapie gibt, dürfen Placebos zum Einsatz kommen. Ist ein medizinischer Standard für eine schwere Erkrankung vorhanden, so ist der Einsatz von Placebos unzulässig, und erst recht dann, wenn es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt, für die es eine lebensverlängernde etablierte Therapie gibt. In derartigen Konstellationen ist nur ein placebokontrolliertes On-top-Design ärztlich vertretbar.218 Die internationalen Regelungen gehen ebenfalls von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Placebogruppen aus.219 Die Zulässigkeit der reinen Placebogruppe hängt im Einzelnen letztendlich von den spezifischen (nationalen) Normierungen ab, die sich der Nutzen-Risiko-Relationen widmen. Im Übrigen erfordern Placebostudien in besonderem Maße Aufmerksamkeit und Planung. Es müssen engmaschige Kontrolluntersuchungen im Prüfplan vorgesehen sein und die Ein- und Ausschlusskriterien sind so zu fassen, dass „Risikopatienten“ erst gar nicht in die Studie eingeschlossen werden. Die Abbruchkriterien bei auftretender Behandlungsbedürftigkeit müssen nach Möglichkeit anhand objektiv messbarer Parameter gefasst werden, um eine Verschlimmerung bis zu irreparablen Schäden zu verhindern.220 Zudem muss sichergestellt sein, dass die Probanden eine Ausweichmedikationen erhalten (escape medication), etwa bei Asthma, damit sie sich bei Beschwerden unverzüglich selbst behandeln können und kein Placebo inhalieren.221
215 Im Einzelnen aufgelistet bei Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 308 f.; ausführliche Diskussion bei Ehni/Wiesing, Ethik Med 2006, 223 ff. 216 Vgl. den Bericht der Bundesregierung zu Erfahrungen mit dem Verfahren der Beteiligung von Ethik-Kommissionen, BT-Drs. 16/7703, S. 9 f. 217 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 937 sowie Rn. 953 zur Diskussion über die Strafbarkeit vergleichender Therapiestudien. 218 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 952; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 74; Wagner, Ethik Med 1990, 68, 74; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 311 f.; ausf. zur Thematik v. Dewitz, A&R 2007, 65 ff. 219 Exemplarisch: Art. 23 Abs. 3 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin über biomedizinische Forschung; C Nr. 32 der Deklaration von Helsinki; krit. zur sog. „Note of Clarification“ Taupitz, DÄBl. 2002, A-411 u. v. Dewitz, A&R 2007, 65, 69; vgl. ferner ICH Choice of Control Group and Related Issues in Clinical Trials (sub. 3. Ethical Issues (2.1.3)). Hierzu Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 22; zusammenfassender Überblick Ehni/Wiesing, Ethik Med 2006, 223, 226 ff., dort auch zu weiteren Regelwerken. 220 So auch v. Dewitz, A&R 2007, 65, 74. 221 Hierzu auch Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 312.
§ 1 Standards der medizinischen Forschung
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c. Randomisierung Der Vorgang der Randomisierung, d. h. die streng zufällige Zuordnung der Versuchsteilnehmer in die Studiengruppen, gewährleistet die Verhinderung bewusster und unbewusster Bias durch den Prüfer, den Patienten oder durch die Krankheit selbst. Der Sinn der Randomisierung liegt darin, bekannte und unbekannte Confounder in beiden Gruppen gleichgewichtig zu verteilen. Durch die gleichmäßige Verteilung der Confounder wird gewährleistet, dass Störfaktoren in beiden Gruppe gleichermaßen auftreten, wodurch gleichzeitig dieser Effekt ausgeschaltet werden kann. Voraussetzung für die Ausschaltung von Störfaktoren ist neben der Randomisierung auch eine genügend große Anzahl von Studienteilnehmern. Die Randomisierung sollte zudem nicht vorhersehbar sein („allocation concealment“) und soweit möglich sollte das Vorgehen einer unbalancierten Randomisierung verwendet werden (Bsp. 1:2; 1:3), um schnellere Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit zu erhalten und um die Placebogruppe zu verkleinern.222 Keine der Behandlungs- und Kontrollgruppen darf von vornherein überlegen sein. Dies folgt sowohl aus statistischer223 , als auch aus juristischer Sicht, denn für eine vergleichende Therapiestudie muss eine vergleichbare Ungewissheit bestehen.224 Zudem sind Zwischenanalysen insbesondere bei Langzeitprüfungen erforderlich, um bei Nichtüberlegenheit der Testgruppe die Prüfung vorzeitig abbrechen zu können.225 d. Verblindung: Einfachblinde und doppelblinde Prüfungen Um auszuschließen, dass Patienten nur deswegen über positive Ereignisse berichten, weil sie im Glauben einer wirksamen Behandlung sind, sind Studien nach Möglichkeit verblindet durchzuführen. Einfachblind ist eine Studie dann, wenn nur den Versuchteilnehmern die Art der Studienmedikation (Verum oder Placebo) unbekannt ist. Da auch die Haltung des Arztes auf die Psyche des Patienten einwirken kann, etwa indem er einen pessimistischen oder optimistischen Eindruck vermittelt, besteht die optimale Verblindung zum Ausschluss von Bias in einem doppelblinden Studiendesign.226 Hier wissen weder die behandelnden Ärzte noch die Patienten/Probanden über die Art der Studienmedikation. Die Verblindung erfolgt durch identisch aussehende Prüfpräparate, sodass der Hauptanwendungsfall des verblindeten Studiendesigns im Arzneimittelbereich liegt. Hier ist auch die sog. double-dummy-Technik möglich, indem für zwei verschiedene Arzneimittel auch 222
Vgl. zur Randomiserung Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 276; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 314 ff.; Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 519; Windeler, MedR 1997, 265 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1306; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 30 f. 223 Vgl. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 314. 224 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 937; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 73. 225 Vgl. Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 73; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 314. 226 Instruktiv Martini, DMW 1957, 597 ff., bes. S. 601.
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
zwei identisch aussehende Placebos hergestellt wurden und die Patienten sowohl mit dem Prüfpräparat und dem Placebo des anderen Arzneimittels und umgekehrt behandelt werden. Außerhalb des Arzneimittelbereichs steht die Verblindung vor praktischen Hürden, etwa wenn ein Medizinprodukt gegen ein Arzneimittel oder zwei Medizinprodukte gegeneinander getestet werden sollen. Hier kann man sich nur der Blind-observer-Technik bedienen.227 e. Cross-over Bei dem sog. Cross-over-Design werden die Patienten nach einer Placebo- oder Auswaschphase in verschiedene Behandlungsarme randomisiert. Anschließend wechseln sie wiederum nach einer Auswaschphase die Gruppen, sodass jeder Patient seine „eigene Kontrolle“ darstellt. Das Cross-over-Verfahren bietet zwar dahingehend einen Vorteil, dass eine geringere Zahl an Patienten benötigt wird. Aufgrund der Überhangeffekte zwischen den Behandlungsphasen, fehlender Rückkehr zur ursprünglichen Symptomatik und aufgrund der drohenden Verschlechterung des Krankheitszustandes durch die Auswaschphase wird dieses Verfahren selten angewandt.228 f. Biostatistische Fallzahlplanung Der Forscher muss nicht nur bemüht sein, Zufall und Mitursachen durch das Studiendesign weitestgehend auszuschließen. Aus der erkannten Prämisse, dass der Zufall sich nicht eliminieren lässt, ist er gleichsam dazu angeleitet, die Wahrscheinlichkeit von Zufallsvariablen einzugrenzen. Dies geschieht durch die biostatistische Fallzahlplanung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Effekt entdeckt werden kann, obwohl keiner vorhanden ist (sog. Fehler 1. Art.). Das biostatistische Signifikanzniveau liegt hier bei p = 0,05. Die Wahrscheinlichkeit, einen vorhandenen Effekt zu übersehen (Fehler 2. Art), wird durch die Power der Studie angegeben, die nicht unter 80 % liegen sollte. Dies kann der Fall sein, wenn etwa das Arzneimittel tatsächlich wirksam ist, die klinische Prüfung aber nicht in der Lage ist, die Wirksamkeit sichtbar zu machen. Aus beiden Aussagen lässt sich schließlich errechnen, wie groß die Studiengruppe sein muss, um eine ausreichende Studienpower zu erzielen. Die zutreffende Berechnung der Fallzahl ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die spätere Validität der Studie. So müssen beispielsweise für RCTs ein breites Spektrum an Patienten eingeschlossen werden.229 227
Weiterführend Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 316 f.; Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 522; ausführlich aus juristischer Sicht Deutsch, JZ 1980, 289, 292; ferner Osieka, Humanforschung, S. 135; Klosel/Cyran, § 40 Anm. 20; Sander, Erl. § 40 Anm. 6c; vgl. auch § 3 Abs. 10 GCP-V. 228 Zum „cross-over“ Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 319 f.; Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 518 f.; Sander, Erl. § 40 Anm. 6c; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 923. 229 Zur biometrischen Studienplanung Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 276, 278; weiterführend Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 329; Wegscheider, Bundesgesundheitsbl. 2005, 515, 520; Windeler, MedR 1997, 265, 266 f.; Röhmel/Hauschke/Koch/Pigeot, Bundesgesundheitsbl. 2005, 562 ff.
§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht
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§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht und selbstverwaltete Forschungskontrolle Ethik-Kommissionen, die sich wohl präziser mit dem Begriff „Forschungskommissionen“ umschreiben lassen230 , sind mit der medizinischen Forschung eine untrennbare Verbundenheit eingegangen. Die von ihr wahrgenommene fachübergreifende Vorauskontrolle (community review231 ) (bio-)medizinischer Forschungsvorhaben am Menschen fällt unterschiedlich aus: Sie reicht von der reinen Beratung über die Abgabe einer Stellungnahme innerhalb eines Verwaltungsverfahrens bis hin zur Genehmigung.
A. Historische Entwicklung I. Frühe Anfänge Die Forderung nach einer Kontrolle medizinischer Forschungsvorhaben durch Kommissionen lässt sich früh datieren. So forderte bereits Browne Langrish († 1759) die Royal Society und das College of Physicians auf, eine für toxikologische und pharmakologische Versuche am Menschen verantwortliche Kommission zu bilden, die „humane, charitable and good natured“ sein sollte und sich gleichzeitig darum zu kümmern habe, dass zum Tode verurteilte Verbrecher als Versuchspersonen zur Verfügung stehen.232 Ein „peer review for medical research“ schlug 1803 Thomas Percival vor.233 In Deutschland am deutlichsten vor dem Hintergrund der Menschenversuche am Ende des 19. Jh. forderte die Münchener Freie Presse eine Forschungskontrolle: Der Mann der Wissenschaft hat eben „Menschenmaterial“ unter den Händen, das ihm wehrlos überliefert ist, das vollständig abhängt von seinem persönlichen Belieben, und womit er, von den Behörden vollständig unkontrolliert, anstellen kann, was er will. (. . . ) Die Behörden machen sich dadurch, das sie die Pflicht der Kontrolle gegenüber dem so verantwortungsvollen ärztlichen Beruf vernachlässigen und in staatlichen Institutionen unter dem Titel „Wissenschaft“ Dinge geschehen lassen, die überall sonst dem Gesetz verfallen würden, zu Mitschuldigen von Verbrechen, die fast ohne Gleichen dastehen.234 (. . . ) Wir haben zu fordern, daß der Arzt, wie jeder andere, den allgemeinen Gesetzen unterworfen sei, daß die Behörden diese Gesetze gegen ihn zur Anwendung bringen und daß auf dem Wege der Verwaltung, soweit das irgend möglich, für eine Kontrolle gesorgt werde, daß die heimliche Umgehung der Gesetze unmöglich macht.235 230
Luf, in: FS Krejci II, S. 1969, 1973; ebenso Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 999; s.a. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 30 f.; Taupitz, JZ 2003, 815 ff. 231 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1021; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 115 f.; Wilkening, MedR 2001, 301, 302 f. 232 Vgl. Spitzy, in: Ders/Hitzensberger/Lau, Versuch am Menschen, S. 3, 23. 233 Vgl. Resnik, 25 J Legal Med (2005) 131, 135. 234 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 9 f. 235 Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 95. vgl. ferner S. 23 zur „Kontrolle der Verwaltung“.
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
Schon vorher plädierte Albert Moll 1899 für die Bildung einer Kommission, welche mittels einer Diskussion durch „Forscher, Ärzte, Juristen und andere gebildete Männer“ Forschungsvorhaben am Menschen begutachten sollte.236 Auch der sozialdemokratische Gesundheitspolitiker Benno Chajes forderte im Preußischen Landtag eine „Prüfung durch ein objektives wissenschaftliches Gremium“237 . Im Zuge der „Anweisung an die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und sonstigen Krankenanstalten“ von 1900 gab es sogar schon eine Kommission, die mit der Begutachtung medizinischer Publikationen über Menschenversuche betraut war, also ex post agierte. Ihr Erfolg war allerdings mäßig: Im Zeitraum vom 14.01.1901–1913 beschäftigte sie sich nur mit insgesamt sechs Fällen.238
II. Entstehung von Ethik-Kommissionen in den USA – Die sog. Institutional Review Boards Die Wurzeln der bis heute in Deutschland bis zu Genehmigungsbehörden herangewachsenen Ethik-Kommissionen liegen in den USA Anfang der 1960er Jahre, dort bezeichnet als Institutional Review Boards (kurz: IRB). Angestoßen wurden sie zum einen durch die nationalsozialistischen Menschenversuche, zum anderen aber auch durch Missstände, die in den USA selbst angelegt waren, wie eine Studie der Boston University zu Beginn der 60er Jahre ergab.239 Große Aufmerksamkeit erweckte der Fall Hyman v. Jewish Chronic Disease Hospital 240 : Es klagte ein Mitglied des Krankenhauskuratorium auf Zugang zu den Krankenblättern, als er erfuhr, dass im Jahre 1963 schwerkranke Patienten Karzinom-Zellen unter die Haut gespritzt wurden, ohne dass man sie über den rein wissenschaftlichen Charakter der Studie informierte. Ihnen wurde lediglich gesagt, sie bekämen „some cells“; dass es sich um Krebszellen handelte, wurde verschwiegen.241 Eine ähnliche Stellung wie der Psychiater Albert Moll, der in seiner 1902 erschienenen Abhandlung „Medizinische Ethik“ über 600
236
Moll, Die Zukunft 1899, 213, 217; hierzu auch Elkeles Med hist J 1985, 135, 144. Auch für die Begutachtung des „Fall Neissers“ forderte er, dass „Männer verschiedener Berufsarten zusammentreten und ihr Urteil abgegeben müßten“; vgl. Münchener Freie Presse, Arme Leute, S. 87. 237 Sitzungsberichte des Preußischen Landtags, 10, Sp. 14385. Vgl. ferner Reuland WMW 2002, 45, 47. 238 Vgl. Elkeles, Med hist J 1985, 135, 147 a.E. 239 Vgl. Curran, Daedalus 98 (1969), 542, 546; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 99. 240 248 N.Y.S. 2d 245 (Sup.Ct. 1964), 206 N.E. 2d 338 (Court of Appeals 1965); näheres hierzu bei Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 48; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 49; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 920; Bork, NJW 1983, 2056, 2057; ferner Meyers, The Human Body, S. 82 f. Fins, in: Jennings/Gray/Sharpe/Fleischman, The ethics of hospital trustees, S. 237, 238 f. 241 S.a. Beecher, N Engl J Med 1966, 1354, 1359, der ebenfalls über diesen Fall berichtete.
§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht
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Veröffentlichungen über Menschenversuche aus den Jahren 1890–1900242 berichtete, nahm in den USA Henry K. Beecher ein, der 1966 in seiner Abhandlung „Ethics and clinical research“ über 100 Forschungspublikationen in angesehenen amerikanischen Fachzeitschriften referierte und mehrere ethisch höchst bedenkliche Fälle herausstellte.243 Die vom Surgeon General of the United States Public Health Service erlassene Regel, Forschungsprojekte nur noch dann finanziell zu fördern, wenn das Forschungsvorhaben vorher einer Präventivkontrolle unterzogen worden war244 , erwies sich nach Bekanntwerden der „Tuskegee syphilis study“ als unzureichend. In ihr waren zwischen 1932 und 1972 ca. 40 an Syphilis erkrankte Afroamerikaner eingeschlossen. Obwohl 1947 Penicillin als Standardbehandlung gegen Syphilis anerkannt war, blieben sie unbehandelt, um den natürlichen Verlauf der Erkrankung zu beobachten.245 Nach Erlass einer Richtlinie durch das Departement of Health, Education, and Welfare (DHEW)246 , die die Gewährung von Bundesmitteln von der Errichtung und Zustimmung eines Institutional Review Boards abhängig machte, sind schließlich Institutional Review Boards am 12.06.1974 bundesgesetzlich durch den National Research Act of 1974, u. a. als Antwort auf die „Tuskegee syphilis study“, eingeführt worden.247,248 Die Zahl derzeit in den USA tätigen IRBs wird auf 3.000–5.000 geschätzt.249 Ihre Aufgaben sind umfassend:„An IRB shall review and have authority to approve, require modifications in (to secure approval), or disapprove all research activities covered by this policy“250 . In den letzten Jahren ist eine erhebliche Überbelastung der auch dort überwiegend ehrenamtlich tätigen Mitglieder der IRBs gemeldet worden;
242 Vgl. im Einzelnen Winau, in: Helmchen/Winau, Versuche mit Menschen, S. 83, 102; ders, in: Wiesemann/Frewer, Medizin und Ethik, S. 13, 22 f.; Reuland, WMW 2002, 45 243 Beecher, N Engl J Med 1966, 1354; dazu ausf. Harkness/Lederer/Wikler, Bulletin of the World Health Organization 2001, 365; ferner Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1001; Deutsch, MedR 2008, 650. 244 Dazu Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 136; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 99 f. 245 Dazu aus neuerer Zeit Katz et al., Journal of Health Care for the Poor and Underserved 17 (2006), 698 ff.; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 370 f.; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 47 f.; s.a. Bork, NJW 1983, 2056, 2057. 246 Heute: United States Department of Health and Human Services (HHS). 247 Vgl. hierzu und weiterführend Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 136 f; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 48 f.; Bork, NJW 1983, 2056, 2057; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 100 f.; Rupp, UTR 12 (1990), 23, 24 f.; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 371. 248 Die historische Entwicklung der Institutional Review Boards ist im Einzelnen dargestellt bei: Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 135 ff.; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 369 ff.; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 47 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1000 f.; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 99 ff.; ders., MedR 2008, 650 f.; ders., VersR 1999, 1, 4; ders., NJW 1981, 614; Bork, NJW 1983, 2056 ff.; s.a. Rössler, MedR 1998, 358 f. 249 Vgl. Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365. 250 Vgl. 45 C.F.R. § 46.109(a); zu ihrem derzeitigen Erscheinungsbild ausf. Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 49; Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 135 ff.; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 372 f.; Hyman, 101 Northwestern L. Rev. (2007), 749 ff.
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
so soll die Duke University im Jahre 2001 etwa 2200 Anträge bearbeitet haben und einige IRBs werden mit etwa 200 Berichten im Monat über „adverse events“ konfrontiert.251
III. Etablierung von Ethik-Kommissionen in Deutschland In Deutschland entstanden die ersten Ethik-Kommissionen Anfang der 1970er Jahre durch die DFG, und zwar 1971 in Ulm252 am Sonderforschungsbereich 112 und 1973 in Göttingen am Sonderforschungsbereich 89.253 Für die nachfolgende Entwicklung von richtungweisender Bedeutung war die kurz danach in Tokio 1975 revidierte Deklaration von Helsinki, die unter I 2 folgende Regel aufnahm: Die Planung und Durchführung eines jeden Versuchs am Menschen sollte eindeutig in einem Versuchsprotokoll niedergelegt werden; dieses sollte einem besonders berufenen unabhängigen Ausschuss zur Beratung, Stellungnahme und Orientierung zugeleitet werden.254
Die englische Originalfassung sprach von „Consideration“, „Comment“ und „Guidance“. Dem kanadischen Vorschlag, eine positive Bewertung einzuführen, ist nicht gefolgt worden. Gleichzeitig verlangte die Deklaration von Helsinki, dass Publikationen über Versuche, die nicht im Einklang mit den niedergeschriebenen Grundsätzen stehen, nicht zur Veröffentlichung angenommen werden sollten (I 8).255 Die Bundesärztekammer verabschiedete daraufhin am 12.01.1979 eine Empfehlung an die Landesärztekammern über die Errichtung von „Kommissionen zur Beratung und Beurteilung ethischer und rechtlicher Aspekte der Forschung am Menschen“. Auch der Medizinische Fakultätentag forderte 1979 die Einführung von Ethik-Kommissionen.256 Rechtlich verankert wurden Ethik-Kommissionen schließlich durch die Übernahme der von der Bundesärztekammer vorgeschlagenen Regelung in § 1 Abs. 4 MBO-Ä a.F. von 1985 in die Berufsordnungen der Länder. Die Beratung des Arztes durch eine Ethik-Kommission vor Beginn eines medizinischen Forschungsvorhabens war erst durch eine Soll-Vorschrift vorgesehen257 , und
251
Näheres bei Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 374 f.; s.a. Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131 f.; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45 f. 252 Vgl. zum unklaren Gründungsjahr der Ulmer Kommission Lippert, MedR 2008, 654, 655. In BT-Drs.10/6775, S. 298 wird 1971 als Gründungsjahr angegeben. 253 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1005; Deutsch, MedR 2008, 650, 651; Lippert, MedR 2008, 654, 655; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 35. 254 DÄBl. 1975, 3163. 255 Vgl. Deutsch, MedR 2008, 650, 651. 256 Vgl. Deutsch, NJW 1981, 614; ders., MedR 2008, 650, 651; Czwalinna, MedR 1986, 305, 306; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 17 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 36; Rupp, UTR 12 (1990), 23, 26 f. 257 DÄBl. 1985, A-3371.
§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht
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ist bis heute als zwingende Konsultationspflicht ausgestaltet.258 § 15 Abs. 1 MBO-Ä bestimmt: Ärztinnen undÄrzte müssen sich vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen – ausgenommen bei ausschließlich epidemiologischen Forschungsvorhaben – durch eine bei der Ärztekammer oder bei einer Medizinischen Fakultät gebildeten Ethik-Kommission über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen beraten lassen. Dasselbe gilt vor der Durchführung gesetzlich zugelassener Forschung mit vitalen menschlichen Gameten und lebendem embryonalen Gewebe.
In den Grundzügen sind die letztlich für den Arzt verbindlichen und auf der Grundlage der jeweiligen Heilberufe- und Kammergesetze der Länder erlassenen Berufsordnungen inhaltsgleich.259 Da sich die Berufsordnungen ausschließlich an Ärzte als Kammermitglieder richten, im Bereich der Hochschulen medizinische Forschungsvorhaben am Menschen aber auch durch Nicht-Ärzte durchgeführt werden, die den ärztlich durchgeführten Forschungsvorhaben in Intensität und Gefährlichkeit nicht nachstehen, besteht auch für (nichtärztliche) Hochschulmitglieder über universitätsinterne Regelungen eine Pflicht, das Forschungsvorhaben der „universitätseigenen“ Ethik-Kommission vorzulegen, wodurch zugleich Verkehrssicherungspflichten wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund wird die Konsultationspflicht nicht nur personell auf Nicht-Ärzte erweitert, sondern oftmals ist die positive Zustimmung der Ethik-Kommission zum Forschungsvorhaben erforderlich.260 Neben dieser selbstverwalteten Forschungskontrolle nehmen Ethik-Kommissionen zugleich umfassende Aufgaben der staatlichen Forschungsaufsicht wahr. Als Genehmigungsbehörde tritt sie seit der 12. AMG-Novelle für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln auf (§§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 AMG), und nunmehr seit der 4. MPG-Novelle auch bei der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten (§§ 20 Abs. 1 S. 1, 22 MPG). Die Stellungnahme einer Ethik-Kommission ist als Genehmigungsvoraussetzung erforderlich für die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung bzw. Röntgenstrahlung in der medizinischen Forschung am Menschen (§§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 92 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2, 28g RöntgenV).261
258
Zur Entwicklung im Einzelnen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1005; Deutsch, NJW 1981, 614, 615; ders., VersR 1995, 121; ders., MedR 2006, 411, 412; ders., MedR 2008, 650, 651; Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 Rn. 1; Schenke, NJW 1991, 2313 ff.; Pfeiffer, VersR 1991, 613 ff.; Schröder, VersR 1990, 243 ff. m. Replik Pfeiffer, VersR 1990, 685; Tiedemann, ZRP 1991, 54 ff.; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 217 f.; Görlich/Schedding, PharmR 1990, 42 ff.; Rupp, UTR 12 (1990), 23, 27. 259 Vgl. den Überblick bei Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 MBO-Ä. 260 Vgl. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1006, 1013; Deutsch, MedR 1995, 483, 485 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 89 f.; Gödicke, MedR 2008, 636, 640; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 123 f. 261 Näheres hierzu noch jeweils im bereichsspezifischen Kontext.
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B. Funktionen der Ethik-Kommissionen Die Hauptaufgabe der Ethik-Kommissionen besteht – ebenso wie in den USA262 – im Schutze der Probanden/Patienten vor gefährlicher und überraschender Forschung. Hierzu zählt die Überprüfung, ob die Rechte und die Sicherheit der Forschungsteilnehmer gewährleistet wird, also ob die Teilnehmer ordnungsgemäß über die mit den Forschungsvorhaben verbundenen Gefahren und Risiken aufgeklärt werden, und ob die Risiken und Belastungen im Verhältnis zum Nutzen für die Forschungsteilnehmer und für die medizinische Wissenschaft vertretbar, m. a. W verhältnismäßig sind.263 Auch den Forscher, der leicht bei seinem „Drang nach Wahrheit die Grenzen des ethisch Zulässigen“264 zu überschreiten droht, und die Forschungseinrichtung selbst sind durch die Ethik-Kommission vor negativer Publizität und vor den rechtlichen Folgen unethischer Forschungsvorhaben zu bewahren.265 Trute sieht in den Ethik-Kommissionen eine Art Selbstregulierung der Wissenschaft durch Erhöhung der Selbstreflexivität. Sie seien eine Form professioneller Selbstkontrolle der Folgen medizinischer Forschung am Menschen, fungieren als eine „institutionelle(n) Stützung individueller Verantwortlichkeit(en)“ und sind „zugleich autonomiesicherndes institutionelles Arrangement der Folgenkontrolle“.266 Die den Ethik-Kommissionen zugeschriebenen Funktionen der Selbstregulierung treten jedoch zunehmend durch ihre staatlichen Aufsichts- und Kontrollaufgaben in den Hintergrund. Der Wandel der Ethik-Kommissionen von einem beratenden Ausschuss zu einer genehmigenden Behörde führt zwangsläufig zur strikten Anwendung des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes. Zwar hat sie ihre patienten-/probandenschutzbezogenen Funktionen nicht eingebüßt; die Konstruktion des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG) determiniert aber das Leitbild des offenen interdisziplinären Wissenschaftsdiskurses.267 Als Pendant kommen lediglich Formen des Verwaltungsrechts 262 21 C.F.R. § 56.102(g): „The primary purpose of such review is to assure the protection of the rights and welfare of the human subjects”; weiterführend Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 372 263 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1026; Deutsch, MedR 2008, 650, 653; ders., NJW 1995, 3019, 3023; ders., VersR 1999, 1, 4; ders., NJW 1981, 614, 615; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 113; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 83 f.; ders., JZ 2003, 815, 816; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 135; Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 21. 264 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1027; Deutsch, MedR 2008, 650, 654. 265 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1027; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 32; Deutsch, MedR 2008, 650, 654; ders., VersR 1999, 1, 4; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 84; ausf. zum Schutz des Forschers Pramann, Publikationsklauseln, S. 133 ff. 266 Trute, Forschung, S. 166 f.; s.a. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 113. 267 Diese Diskrepanz ist auch vom VGH Mannheim herausgestellt worden, vgl. VGH Mannheim, NJW 2003, 983 m. Bspr. Deutsch (S. 949) = MedR 2003, 109 m. Anm. Taupitz (S. 117) u. Bspr. Dähne (S. 164) = NVwZ 2003, 1009.
§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht
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in Frage, die Ausdruck administrativer Flexibilität sind, etwa Nebenbestimmungen oder ein Beurteilungsspielraum.
C. Heutiges Erscheinungsbild der Ethik-Kommissionen I. Öffentlich-rechtliche Ethik-Kommissionen Die Rationalität verwaltungsorganisationsrechtlicher Ordnungsmuster findet oft ihre Grenzen an historisch gewachsenen und bisweilen sogar zufällig gebildeten Organisationsstrukturen, die nicht dem Postulat der „Einheit der Verwaltung“ nachkommen.268 Einen gemeinsamen Nenner zu finden, der sowohl die universitären sowie die kammerangehörigen als auch die bei der unmittelbaren Landesverwaltung angesiedelten Ethik-Kommissionen in ein einheitliches Licht rückt, bleibt stets mit den länderspezifischen Abweichungen und den verschiedenen forschungsspezifischen Rechtsgrundlagen belastet. Nachfolgend sei ihr Erscheinungsbild vom Ort ihrer Ansiedlung her betrachtet.
1. Ethik-Kommissionen bei der funktionalen Selbstverwaltung Unter die mittelbare Staatsverwaltung fallen Verwaltungseinheiten, die gegenüber der Ministerialverwaltung rechtlich und organisatorisch verselbstständigt sind.269 Die funktionale Selbstverwaltung kann, je nach Begriffsverständnis, entweder als Ausprägung oder als eine von der mittelbaren Staatsverwaltung zu unterscheidende Verwaltungsform aufgefasst werden.270 Nach letzterem Verständnis fallen damit die Träger kommunaler und funktionaler Selbstverwaltung sowie vergleichbare Verwaltungseinheiten mit eigenem Aufgabenbestand aus dem Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung heraus.271 Selbstverwaltung kennzeichnet sich aus durch das Vorliegen eigener Entscheidungsbefugnisse bezüglich eigener Angelegenheiten in weitgehend eigener Verantwortung.272 Nach Kluth lassen sich für die funktionale 268
Vgl hierzu instruktiv Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 16 m.w. Nachw. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 86 Rn. 1. 270 Der Begriff der „Funktionalen Selbstverwaltung“ ist gebildet worden, um die mit Autonomie ausgestatteten rechtlich verselbstständigten Verwaltungseinheiten erfassen zu können, die nicht der kommunalen Ebene zugehören und mithin nicht primär räumlich definiert werden können; vgl. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 69. 271 So u.a. Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 26 ff.; ders., in: Wolff/Bachoff/Stober, VerwR III, § 86 Rn. 1 f. u. 5; Kahl, Staatsaufsicht, S. 443 ff.; zur Begriffsdiskussion auch Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR, § 7 Rn. 11 a.E. 272 Vgl. BVerfGE 107, 59 ff. = NVwZ 2003, 974 ff.; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 1: „Betroffenen Selbstverwaltung“; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 17.; ähnlich Jestaed, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 41. 269
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Selbstverwaltung fünf Merkmale ausmachen; nämlich (1.) die Zuweisung von demokratischen Partizipationsrechten an (2.) ein kollektiv legitimiertes Verbandsvolk, welches (3.) zur eigenverantwortlichen Erledigung der sachlichen und personellen eigenen Angelegenheiten berufen ist und (4.) deshalb über letztverantwortliche Entscheidungsfreiräume verfügt, die (5.) durch eine Beschränkung der staatlichen Aufsicht auf eine Rechtsaufsicht gesichert ist.273 Die funktionale Selbstverwaltung knüpft an einen spezifischen Sachverstand an und macht die Nutzung des besonderen Sachverstands durch die betroffene Berufsgruppe selbst für die Verwaltung fruchtbar.274 Innerhalb einer thematisch begrenzten Verbandskompetenz275 , insbesondere unter Berücksichtigung der Gesetzgebungskompetenzen, des Rechtsstaatsprinzips und des Demokratieprinzips, können die autonomen Selbstverwaltungskörperschaften ihre eigenen Angelegenheiten durch Satzungen regeln.276 Die weitaus überwiegende Anzahl derzeit tätiger Ethik-Kommissionen sind der funktionalen Selbstverwaltung zuzuordnen. Angesiedelt sind sie bei den Landesärztekammern und den Hochschulen. a. Ethik-Kommissionen bei den Landesärztekammern aa. Grundlagen Die Landesärztekammern, errichtet auf Grundlage der jeweiligen Heilberufe- und Kammergesetze der Länder, stellen zwangsmitgliedschaftlich begründete Personalkörperschaften dar (Körperschaften des öffentlichen Rechts), denen alle Ärzte als Mitglieder angehören, die im jeweiligen Kammerbezirk ihren Beruf ausüben bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.277 Bei den Landesärztekammern handelt es sich vom Typ der Binnenstruktur nach um eine homogene bzw. monistische Struktur, da die Mitgliedschaft an gleichartige Interessen anknüpft.278 Zu den Organen der Ärztekammern zählen grundsätzlich die Kammerversammlung als lokales Ärzteparlament und Kontrollorgan der Ärztekammer selbst, der Kammervorstand, der die Geschäfte 273
Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 1. Vgl. BVerfGE 33, 125, 156 = NJW 1972, 1504, 1406: „Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren konnte“. Zur aufgabengerechten Organisationsstruktur und zu weiteren Funktionen der Selbstverwaltung Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 8 ff. 275 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 2. 276 Vgl. BVerfGE 33, 125, 156 = NJW 1972, 1504, 1506: „die Verleihung von Satzungsautonomie [hat] ihren guten Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen, und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern“. 277 Jeder approbierte Arzt ist Zwangsmitglied in der für ihn zuständigen Landesärztekammer. Als „Gegenleistung“ darf sie nur legitime öffentliche Aufgaben für ihre Mitglieder wahrnehmen. Vgl. zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Zwangsmitgliedschaften insb. im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 GG BVerfG NJW 2002, 335; BVerwG NVwZ 2005, 700 ff. 278 Hierzu und zur Typisierung Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 29 ff.; ferner Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 69. 274
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derÄrztekammer nach Maßgabe derÄrztekammersatzung und der Geschäftsordnung führt und von der Kammerversammlung nach Maßgabe der Hauptsatzung gewählt wird, und schließlich der Präsident als ausführendes Organ der Beschlüsse und der laufenden Geschäfte. Er vertritt die Kammer gerichtlich und außergerichtlich.279 bb. Stellung und Struktur der Ethik-Kommissionen Grundsätzlich ermächtigen die Heilberufe- und Kammergesetze die jeweilige Ärztekammer, eine Ethik-Kommission zu errichten.280 Einzelheiten zur Zusammensetzung und zur Berufung der Mitglieder werden idR dem Satzungsgeber vorbehalten.281 In Bayern sind die Ethik-Kommissionen der Ärztekammern und der Hochschulen mittlerweile282 vorbildlich im Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (Art. 29a–29g GDVG)283 geregelt worden. Ethik-Kommissionen werden idR als „unselbstständige Einrichtungen“ geführt.284 Die Kommissionen setzen sich überwiegend aus Ärzten des jeweiligen Kammerbezirks zusammen, sowie aus Rechtsanwälten und Hochschullehrern.285 Die Bestellung der Mitglieder erfolgt durch die Kammerversammlung auf Vorschlag des Vorstandes286 oder direkt durch den Vorstand287 , teilweise auch „im Benehmen mit der Aufsichtsbehörde“.288 Sie sind ferner ehrenamtlich tätig.289 Die Ethik-Kommission ist ferner dazu befugt, sich eine Geschäftsordnung zu geben.290
279 Vgl. nur § 8 HeilBerG Brandenburg; § 16 f. HeilBerG Nds; § 13 Abs. 1 HeilBerKG Hamburg; § 14 Abs. 1 HeilBerG MV; § 10 HeilBerG NRW; § 17 Abs. 1 HeilBerKG BW; zusf. Dettmeyer, Medizin & Recht, S. 426 f; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 73 ff. 280 Vgl. z.B. § 10 HeilBerKG Nds. 281 Ausf. Überblick bei v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 85 ff., 125 ff. 282 In Bayern ließen sich die Ethik-Kommissionen bis vor kurzem auf keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zurückführen, vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 126. 283 Gesetz über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz – GDVG) vom 24. Juli 2003 (GVBl S. 452, BayRS 2120–1-UG), zuletzt geändert durch § 22 des Gesetzes vom 27. Juli 2009 (GVBl S. 400). 284 Exemplarisch: § 5 Abs. 1 HeilBerKG BW; § 9 HeilBerKG Hamburg; § 6a HeilBerG Hessen. 285 Erstaunlicherweis fehlt es – soweit ersichtlich – nach den Untersuchungen von v. Dewitz/Luft/Pestalozza an Biometrikern. Zur Besetzung der Ethik-Kommissionen bei den Landesärztekammern v. Dewitz/Luft/Pestalozza, S. 68 u. 133. 286 Exemplarisch: § 3 Abs. 1 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen (Stand: 28.11.06). 287 Exemplarisch: § 3 Abs. 1 der Satzung der Ethikkommission der Ärztekammer Nordrhein (Stand: 17.11.07). 288 So beispielsweise § 17c Abs. 4 HeilBerG Thüringen. 289 Exemplarisch: § 4 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen (Stand: 28.11.06); zur ehrenamtlichen Tätigkeit auch Pestalozza, HFR 2007, 1, 7. 290 Exemplarisch § 5 Abs. 10 des Statuts der Ethikkommission der Landesärztekammer BadenWürttemberg (Stand: 16.8.2007).
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Da die Ethik-Kommissionen der Kammern mehrheitlich als „unselbstständige Einrichtungen“ geführt werden, wird hieraus überwiegend geschlossen, dass als Verwaltungsträger der Ethik-Kommissionen die Kammern selbst anzusehen sind.291 Für die Ethik-Kommission soll damit nur eine Organ- oder Unterorganstellung innerhalb der Ärztekammer in Frage kommen. Da eine Organsstellung jedoch organisatorische Selbstständigkeit voraussetzt, zieht Stamer hieraus den Schluss, dass Ethik-Kommissionen nur als unselbstständige Teilorgane angesehen werden können; und zwar als unselbstständiges Teilorgan der Vertreterversammlung. Gleichwohl sei aber die funktionale Behördeneigenschaft nach § 1 Abs. 2 VwVfG gegeben. EthikKommissionsmitglieder sind folglich Sachwalter jenes Teilorgans.292 Zutreffend ist, dass einer organisatorischen Eingliederung zumindest nicht automatisch die Weisungsfreiheit und Unabhängigkeit der Mitglieder bei ihrer Aufgabenwahrnehmung entgegenstehen.293 Bedenken bereitet aber, dass Ethik-Kommissionen losgelöst von ihrer bereichsspezifischen Kompetenz verwaltungsorganisationsrechtlich insgesamt einem organisationsrechtlichem Gebilde zugeordnet werden, ohne dass die relative Erscheinungsform verwaltungsorganisationsrechtlicher Gebilde mit Blick auf das materielle Recht erfolgt.294 Dass einem organisationsrechtlich unselbstständigem Teilorgan der Vertreterversammlung der Ärztekammer dieselbe Rechtsmacht gegenüber einem Sponsor zukommen soll, wie der Bundesoberbehörde zugestanden wird (§ 42 AMG), ist jedenfalls nicht nachzuvollziehen.295 b. Ethik-Kommissionen bei den Hochschulen aa. Grundlagen Im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung haben die Hochschulen schon immer, zumindest seit ihnen das Recht zu Selbstverwaltung zugesprochen wurde296 , eine Sonderstellung eingenommen, die durch ein grundrechtliches Gemengelange 291
Vgl. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 91 ff.; van der Sanden, Haftung, S. 28; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 130 f. 292 Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 91 ff. mit Blick auf die Regelungen in Baden-Würtemberg. Die Angliederung an die Vertreterversammlung folge daraus, dass die Ethik-Kommissionsmitglieder von der Vertreterversammlung gewählt werden; dem folgend etwa van der Sanden, Haftung, S. 28, sowie v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 130: „unselbstständige Teile“. 293 Nach Eggers, Rechtsstellung von Ausschüssen, S. 129 sind Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit charakteristische Merkmale des Ausschusswesens, sodass eine fehlende Einwirkungsmöglichkeit auf die Beschlussfassung nicht einer organisatorischen Eingliederung entgegensteht. S.a. BVerwG NJW 1985, 2774, 2775 (Transparenzkommission). Für Ethik-Kommissionen Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 91; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 185 f.; van der Sanden, Haftung, S. 27 in Fn. 51. 294 Zur Relativität verwaltungsorganisationsrechtlicher Strukturen vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 42 f.; sehr deutlich in dieser Hinsicht Jestaed, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 12, 14 f., 17 f., 20 ff. 295 Bedenken auch bei Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 151. Näheres hierzu noch unten, § 16 296 Erstmalig wurde den Universitäten das Recht zur Selbstverwaltung durch die „Grundsätze einer Neuordnung der preußischen Universitätsverfassung“ vom 20.03.1923, verabschiedet
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einerseits und durch die Frage nach ihrer Bindung an den Staat andererseits gekennzeichnet ist. Die Grundlage der Selbstverwaltung beruht auf dem Gedanken, dass sich die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und der Lehre frei von staatlicher Bevormundung entwickeln soll, jene Aufgaben aber auch zugleich staatliche sind.297 Nach § 58 Abs. 1 S. 1 HRG sind Hochschulen „in der Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen“. Soweit hieraus zu schließen ist, dass Hochschulen eine Art Mischform mit körperschaftlicher und anstaltlicher Prägung sind298 , so lässt § 58 Abs. 1 S. 2 HRG auch die Errichtung durch andere Rechtformen zu und S. 3 gibt den Hochschulen, unabhängig von der Wahl der Rechtsform, das Recht der Selbstverwaltung innerhalb der Gesetze. Ausgehend vom Leitbild der Gruppenuniversität handelt es sich vom Typ der Binnenstruktur nach bei der Mitgliedschaft um eine gruppenplurale Struktur, in der ein breites Spektrum verschiedener, grundsätzlich gleichartiger, vereinzelt aber auch divergierender Interessen vereint werden.299 Für die Untergliederung belässt das HRG den Ländern einen weiten Spielraum. In der Regel gliedert sie sich, soweit keine Spezialisierung auf einen bestimmten Fachbereich vorliegt, in einzelne Fachbereiche bzw. Fakultäten300 , die die Basiseinheiten der Hochschule darstellen und ein bzw. mehrere thematisch verwandte Fächer organisatorisch zusammenfassen.301 Als zentrale Organe der Hochschule fungieren grundsätzlich das Präsidium und der Senat, Organe der Fakultät sind grundsätzlich der Fakultätsrat als Hauptorgan und das Dekanat. Nach h.M. werden die Fakultäten als rechtlich selbstständige Organisationen des universitären Bereichs angesehen, die Teilrechtsfähigkeit besitzen.302 Die Teilrechtsfähigkeit der Fakultäten hat vor allem Maurer aus vier Gesichtspunkten heraus begründet: Die Fakultäten besitzen (1.) eine weitgehende organisatorische Selbstständigkeit zur eigenen Willensbildung, da die Universitätsorgane auf die Besetzung vom preußischen Staatsministerium, zugesprochen; zur geschichtlichen Entwicklung Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 34. 297 Hierzu und zu den Auswirkungen auf die staatliche Aufsicht über Hochschulen Hailbronner, JZ 1985, 864 ff. 298 Ausf. hierzu Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 46.; Maurer, WissR 10 (1977), 193, 199. 299 Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 31 u. 54; ferner Maurer, WissR 10 (1977), 193, 196 ff.; Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 69: „heterogene Mitgliedschaft“. 300 Die Terminologie von Fachbereich und Fakultät sind im juristischen Sprachgebrauch gleichbedeutend. Vgl. zum geschichtlichen Hintergrund Becker, Hochschulmedizin, S. 5; Maurer, WissR 10 (1977), 193, 195 f. 301 Weiterführend Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 55 ff.; Maurer, WissR 10 (1977), 193, 205 f. 302 Vgl. etwa BVerfGE 15, 256, 261; BVerwGE 45, 39, 42; Maurer, Allg VerwR., § 21 Rn. 10; ders., WissR 10 (1977), 193 ff.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 54 ff.; ders., WissR 18 (1985), 216, 220; Trute/Wahl, WissR 1999, 38, 66; Becker, Hochschulmedizin, S. 17; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 43 a.E; gegen Teilrechtsfähigkeit beispielsweise Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 44 f. m.w. Nachw., der lediglich von einer Innen- nicht jedoch von einer Außen(teil-)rechtsfähigkeit ausgeht.
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der Fachbereichsorgane keinen Einfluss haben303 , sie geben sich (2.), wie den Universitäten und sonst üblicherweise rechtsfähigen Körperschaften zugestanden, eine Satzung, die als Rechtsnormen auch Außenstehende treffen, sodass ihnen diesbezüglich das Recht zur Selbstorganisation eingeräumt wird.304 Ferner werden ihnen (3.) Aufgaben besonders zugewiesen, die sie als eigene erledigen und die nicht zugleich Universitätszuständigkeiten sind, sodass sie insoweit auch Außenrechtsbeziehungen unterhalten305 , und (4.) bestehen nur bestimmte und begrenzte Aufsichtsbefugnisse seitens der Universität.306 Jedem medizinischen Fachbereich ist ein Universitätsklinikum angeschlossen.307 Es wird gegenwärtig in der Rechtsform der unselbstständigen Anstalt, der rechtsfähigen Anstalt und der Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben. Träger ist entweder die Universität oder das Land.308 bb. Stellung und Struktur der Ethik-Kommissionen Die überwiegende Anzahl derzeit tätiger Ethik-Kommissionen bestehen bei den Hochschulen. Die Ermächtigung zur Errichtung von Ethik-Kommissionen findet sich in den jeweiligen Heilberufe- und Kammergesetzen und/oder den Hochschulgesetzen.309 Anders als bei den kammerzugehörigen Ethik-Kommissionen fehlt es grundsätzlich an der Qualifizierung als „unselbstständige Einrichtung“; geläufig ist der Passus der „unabhängigen Einrichtung“310 , teilweise auch der „eigenständigen Einrichtung“311 . Die Bestellung der Mitglieder erfolgt grundsätzlich aus derselben Hochschule. Dies gilt vor allem für medizinische Mitglieder, die fast ausschließlich aus den Abteilungen der Universität entstammen. Die Mitglieder werden unterschiedlich bestellt und gewählt: vom Fakultätsrat312 , vom Rektor im 303
Maurer, WissR 10 (1977), 193, 206 f. Maurer, WissR 10 (1977), 193, 207 u. 210. 305 Maurer, WissR 10 (1977), 193, 208 f. u. 211 f. 306 Maurer, WissR 10 (1977), 193, 211. 307 Vgl. Becker, Hochschulmedizin, S. 19. 308 Ausf. und zu länderspezifischen Abweichungen Becker, Hochschulmedizin, S. 19 ff. 309 Grundsätzlich werden die Ärztekammern in den Heilberufe- und Kammergesetze verpflichtet und die Hochschulen ermächtigt, eine Ethik-Kommission zu errichten; vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 130. Exemplarisch: § 10 HeilBerKG Nds.; § 5a Abs. 3 HeilBerKG Sachsen; § 60 HG Hessen. 310 Exemplarisch: § 1 Abs. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Stand: 07.03.06). 311 Exemplarisch: § 1 Abs. 1 der Satzung für die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln (Stand: 09.07.09). 312 Exemplarisch: § 3 Abs. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Stand: 11.05.04); § 3 Abs. 2 der Satzung für die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen (Stand: 04.02.08); § 2 Abs. 1 Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der RheinischWestfälischen Technischen Hochschule Aachen (Stand: 20.03.08). 304
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Einvernehmen mit dem zuständigen Ministerium bzw. der Aufsichtsbehörde313 , auf Vorschlag des Fachbereichsrates im Benehmen mit der Ethik-Kommission durch Beschluss des Dekanats314 , oder vom Senat auf Vorschlag des Fakultätsrates.315,316 Die Zuständigkeitsfrage zwischen den kammerangehörigen und den universitären Ethik-Kommissionen ist zugunsten der Ethik-Kommissionen bei den Universitäten gelöst worden: Vorrangig iSd Spezialitätsgrundsatzes sind die universitären Ethik-Kommissionen zuständig; die kammerzugehörigen also nur dann, wenn keine Zuständigkeit der universitären Ethik-Kommission besteht.317 Wer Verwaltungsträger der universitären Ethik-Kommissionen ist, wird unterschiedlich gesehen und grundsätzlich davon abhängig gemacht, ob es sich um eine bei den medizinischen Fakultäten oder zentral bei der Universität angesiedelten Kommission handelt. Weitestgehend einig ist man sich darin, dass die Begutachtung von Forschungsanträgen durch die Ethik-Kommission die Planungsphase und damit die Organisation der Forschung betreffe. Folglich sei die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen der akademischen Selbstverwaltung der Universität zuzurechnen.318 Ausgehend von der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Fakultäten wird überlegt, die medizinische Fakultät selbst als Verwaltungsträger der bei ihr errichteten Ethik-Kommission anzusehen, soweit die Ethik-Kommission gerade solche Aufgaben erfüllt, für welche der Fachbereich Träger eigener Rechte und Pflichten ist. Handelt es sich um Universitätsaufgaben, so handelt die Fakultät dagegen tranistorisch für die Universität, was für eine Verwaltungsträgerschaft der Universität sprechen würde.319 Da Organe des Fachbereichs idR nur das Dekanat und der Fachbereichsrat sind, wird eine Organstellung der Ethik-Kommission innerhalb des Fachbereichs überwiegend verneint.320 Was eine etwaige Stellung als Teilorgan des Fachbereichs anbelangt, so besteht Uneinigkeit. Teilweise wird eine Teilorganstellung innerhalb des Fachbereichs dann für möglich gehalten, wenn landeshochschulgesetzliche Regelungen den Fachbereich zur Errichtung von
313 Exemplarisch: § 4 Abs. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Stand: 20.07.99). 314 Exemplarisch: § 4 Abs. 1 der Satzung der Ethik-Kommission des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen (Stand: 20.01.05). 315 Exemplarisch: § 2 Abs. 2 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Heidelberg (Stand: 23.06.04); Art. 29c Abs. 2 S. 2 GDVG Bay. 316 Zur Mitgliederbestellung vgl. auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 133. 317 Vgl. § 10 Abs. 3 HeilBerKG Nds.: „Die an medizinischen Fachbereichen der Hochschulen errichteten Ethikkommissionen treten für den Hochschulbereich an die Stelle der Ethikkommission der Ärztekammer“; Gödicke, MedR 2008, 636, 637. 318 Vgl. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 55; dem folgend Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 97 f. und auch nach der 12. AMG-Novelle van der Sanden, Haftung, S. 28. 319 So der jeweilige Ausgangspunkt bei Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 96, 98 f. u. 102; van der Sanden, Haftung, S. 28 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 55. 320 Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 103; van der Sanden, Haftung, S. 29.
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Ausschüssen ermächtigen, anderenfalls sei die Universität Verwaltungsträger.321 Weitere Anhaltspunkte seien die Zuständigkeit zum Erlass der konstituierenden Satzung und die Zuständigkeit für die Bestellung der Ethik-Kommissionsmitglieder322 ; die Namensgebung „Ethik-Kommission bei der medizinischen Fakultät“ habe zumindest nur deklaratorische und mithin keine organisationsrechtliche Bedeutung.323
2. Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung Drei Ethik-Kommissionen sind derzeit bei der unmittelbaren Landesverwaltung angesiedelt. Es handelt sich um die Ethik-Kommission des Landes Bremen, die EthikKommission des Landes Berlin und die Ethik-Kommission des Landes SachsenAnhalt. Während das Modell in Bremen bereits seit 1995 besteht, sind die beiden anderen Landeskommissionen durch die 12. AMG-Novelle angestoßen worden. Die Ethik-Kommission des Landes Bremen gründet sich auf § 30 Abs. 1 des Bremischen Gesundheitsdienstgesetzes (ÖGDG).324 § 30c ermächtigt den Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales das Nähere zur Ethik-Kommission durch Rechtsverordnung zu regeln.325 Die Zuständigkeit erstreckt sich derzeit auf die klinische Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie auf die Abgabe eines Votums nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 TFG.326 Für die Ethik-Kommission der Ärztekammer verbleiben die übrigen Tätigkeiten.327,328 Die Ethik-Kommission des Landes Berlin ist das Resultat eines vor dem VG Berlin geschlossenen Vergleichs zwischen der Ärztekammer Berlin und dem Land Berlin vom 03.12.2004.329 Die Ethik-Kommission ist auf Grundlage des § 1 Abs. 1 321 So van der Sanden, Haftung, S. 29; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 59 („Unterorgan des Fachbereichsrates“); ausf. Diskussion bei Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 103 ff. 322 Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 106 ff., die für die universitären Ethik-Kommissionen in Baden-Württemberg von einer Teilorganstellung beim Senat ausgeht. 323 Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 107. 324 Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst im Lande Bremen (Gesundheitsdienstgesetz ÖGDG) vom 27. März 1995 (Brem.GBl. S. 175, 366-2120-f-1), zuletzt geändert am 30. April 2007 (Brem.GBl. S. 317). 325 Verordnung über die Ethikkommission des Landes Bremen v. 28. November 1996 (Brem.GBl. S. 347 - 2120-f-3). 326 Vgl. § 2 der Verordnung über die Ethikkommission des Landes Bremen. 327 Vgl. § 2 Abs. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Bremen (Stand: 24.11.03.) 328 Vgl. hierzu auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 88. 329 Az.: VG 14 A 102/04 (Klage); VG 14 A 114/04 (Eilverfahren). Nach In-Kraft-Treten der 12. AMG-Novelle erließ die zuständige Senatsverwaltung auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Nr. 8 BerlKG eine Anweisung an die Ärztekammer, dass die bei ihr errichtete Ethik-Kommission die neuen Aufgaben nach dem AMG wahrzunehmen habe. Die Ärztekammer klagte gegen diese Aufgabenübertragung vor dem VG Berlin u.a. mit der Begründung, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die kammerfremde Aufgabenzuweisung fehle. Ferner befürchtete sie für sich ein hohes Haftungsrisiko. Der daraufhin geschlossene Vergleich beinhaltete, dass die Kammer zunächst die Aufgaben nach dem novellierten AMG wahrnimmt und das Land Berlin im Gegenzug die Haftung übernimmt.
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des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin330 errichtet worden. § 3 des Gesetzes ermächtigt die zuständige Senatsverwaltung, durch Rechtsverordnung nähere Regelungen zu treffen.331 Die Ethik-Kommission des Landes Berlin ist ausschließlich für die klinische Prüfung von Arzneimitteln zuständig332 , sodass die anderen Ethik-Kommissionen in Berlin für die übrigen Bereiche zuständig bleiben.333 Ebenfalls nur für die klinische Prüfung von Arzneimitteln zuständig ist die EthikKommission des Landes Sachsen-Anhalt, jedoch beschränkt auf Prüfungen, die außerhalb der Universitäten und Universitätskliniken Sachsen-Anhalts stattfinden. Sie ist errichtet worden auf Grundlage einer Verordnung334 , die sich unmittelbar und ausschließlich auf § 42 Abs. 1 S. 3 AMG stützt.335 Die drei Ethik-Kommissionen der unmittelbaren Landesverwaltung weisen ebenso wie diejenigen der Selbstverwaltung ein unterschiedliches Bild auf: Die EthikKommission des Landes Sachsen-Anhalt ist ausdrücklich „beim Landesamt für Verbraucherschutz“ errichtet worden336 , für die beiden anderen Ethik-Kommissionen fehlt es an einer ausdrücklichen Bestimmung. Soweit in Berlin die Geschäftsführung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales liegt, welches selbst eine Einrichtung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist, besteht eine mittelbare oder unmittelbare Angliederung an die Senatsverwaltung.337 Entsprechendes dürfte auch für die Ethik-Kommission des Landes Bremen gelten.338 Die Ethik-Kommission des Landes Berlin wird ausdrücklich als „rechtlich unselbstständig“ geführt339 , für die beiden anderen Kommissionen fehlt eine derartige Anordnung. Parallelen bestehen in der Bestellung der Mitglieder, die vom jeweiligen Landesamt bzw. Senator
Mit der Errichtung der Ethik-Kommission bei der unmittelbaren Landesverwaltung sollte schließlich der Vergleichszustand enden. Ausf. hierzu Pestalozza, LKV 2006, 255 ff.; ferner Schlette, NVwZ 2006, 785, 786. 330 Gesetz zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin v. 07.09.05 (GVBl. Nr. 32, S. 466). 331 Verordnung über die Ethik-Kommission des Landes Berlin v. 10.01.2006 (GVBl. Nr. 2, S. 26). 332 Vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin. 333 Zu Einzelheiten Pestalozza, LKV 2006, 255 ff.; Schlette, NVwZ 2006, 785 ff. 334 Verordnung über Ethik-Kommissionen zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln des Landes Sachsen-Anhalt (Ethik-Kom-VO LSA) v. 19. 12.2005 (GVBl. LSA 2005, S. 755). 335 Vgl. hierzu die von Pestalozza, LKV 2006, 255 in Fn. 4 zu Recht vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken, denn § 42 Abs. 1 S. 3 AMG kann nicht als Verordnungsermächtigung verstanden werden. 336 § 1 der Verordnung über Ethik-Kommissionen des Landes Sachsen-Anhalt. 337 So Pestalozza, LKV 2006, 255, 256 f. 338 Nach § 9 Abs. 1 der Verordnung über die Ethikkommission des Landes Bremen wird die Geschäftsführung „im Institut für Klinische Pharmakologie des Zentralkrankenhauses St.-JürgenStraße (Geschäftsstelle) wahrgenommen“. 339 § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin.
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bestellt werden340 und in der Befugnis zur Aufstellung einer vom Landesamt/Senator zu genehmigenden Geschäftsordnung.341 3. Strukturelle Gemeinsamkeiten Trotz der aufgezeigten Unterschiede gibt es wesentliche strukturelle Gemeinsamkeiten, die die Ethik-Kommissionen in ein einheitliches Licht rücken. a. Aufgabenwahrnehmung Die kammerangehörigen und die universitären Ethik-Kommissionen nehmen grundsätzlich dieselben Aufgaben in derselben Art und Weise wahr. Dies betrifft sowohl die Beratung nach § 15 MBO-Ä342 als auch die bundesgesetzlich den EthikKommissionen zugewiesenen Aufgaben. Gleiches gilt für die ausschließlich die staatlichen Aufgaben wahrnehmenden Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung. Ethik-Kommissionen erhalten ihr Gepräge nicht von ihrem jeweiligen Verwaltungsträger. Der Ansiedlungsort hat also keinen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen.343 b. Ethik-Kommissionen als professionell-pluralistische Kollegialorgane mit Einzelentscheidungsbefugnissen Die innere Struktur einer Verwaltungseinheit gliedert sich entweder in eine monokratische oder in eine kollegiale Struktur.344 Bei letzterer Struktur liegt eine Übertragung einer Aufgabe auf mehrere Personen vor, für die die Form der horizontalen Entscheidungsfindung auf Grundlage einer gemeinsamen Beratung kennzeichnend ist. Der Wille der Organisation ist Ausdruck eines Mehrheitsbeschlusses. Unter einem Kollegialorgan versteht man allgemein ein mehrgliedriges, d. h. aus mindestens drei Mitgliedern bestehendes, durch Rechtsnorm mit Beschlusskompetenz ausgestattetes Gremium.345 So lassen sich auch Ethik-Kommissionen allgemein mit dem Begriff des Kollegialorgans umschreiben. Für Ethik-Kommissionen entscheidend im Vordergrund steht ferner die Bestrebung, das gesamte Themenfeld der medizinischen 340
§ 4 der Verordnung über die Ethik-Kommission des Landes Berlin; § 30a Abs. 4 Gesundheitsdienstgesetz Bremen; § 3 der Verordnung über Ethik-Kommissionen des Landes Sachsen-Anhalt. 341 § 14 Verordnung über die Ethik-Kommission des Landes Bremen; § 12 der Verordnung über die Ethik-Kommission des Landes Berlin; § 4 Abs. 3 der Verordnung über Ethik-Kommissionen des Landes Sachsen-Anhalt. 342 Dazu insb. Gödicke, MedR 2008, 636, 637. 343 Ähnlich auch Gödicke, MedR 2008, 636, 637. 344 Vgl. Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 49. 345 Ausf. Gross, Kollegialprinzip, S. 45 ff.; ferner ders., in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 52.
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Forschung durch eine gruppenantagonistische Besetzung widerzuspiegeln. Das Verfassungsgebot funktionsgerechter Organisation zur sachverständigen Wahrnehmung des übertragenden Aufgabenkomplexes346 fordert die Besetzung mit Fachmännern zur ordnungsgemäßen (übergreifenden) Kontrolle.347 In ihrer typologischen Erscheinungsform, für welche die Besetzung typusbildend wirkt348 , lassen sich Ethik-Kommissionen dem professionellen Typus eines Kollegialorgans zuordnen.349 Nach Gross lassen sich die Funktionen administrativer Kollegialgremien auf zwei grundlegende Aspekte zurückführen; nämlich auf eine Konkretisierungsfunktion und auf eine Bewertungsfunktion. Kollegialgremien können zum einen dafür zuständig sein, die einer Verwaltungseinheit nur allgemein zugewiesenen Aufgaben durch „programmierende und planende Entscheidungen zu konkretisieren“ (Konkretisierungsfunktion). Zur anderen Aufgabenkategorie gehört die von Kollegialgremien zu treffende Einzelentscheidung, „bei denen die Gesetzesanwendung keinen Routinevorgang darstellt, sondern komplexe Bewertungen notwendig macht, die durch eine nach Organisation und Verfahren besonders qualifizierten Stelle vorgenommen“ wird (Bewertungsfunktion).350 Alle forschungsbezogenen Rechtsgrundlagen beziehen sich auf die Stellungnahme, zustimmende Bewertung oder Beratung durch eine Ethik-Kommission. Sie treffen also keine Entscheidungen für eine andere übergeordnete Verwaltungseinheit, etwa iSe vorbereitenden (konkretisierenden) Entscheidung, sondern sie fällen vielmehr selbst nach einer interdisziplinär-professionellen Bewertung die von ihr verlangte Einzelentscheidung. Auch dies ist eine das gesamte Spektrum derzeit tätiger Ethik-Kommissionen durchziehende Konstante. c. Eingeschränkte Staatsaufsicht Unabhängig vom Ansiedlungsort und unabhängig von der jeweils wahrzunehmenden Aufgabe sind sämtliche Ethik-Kommissionsmitglieder unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.351 Hieraus lassen sich einerseits Konsequenzen für die Staatsaufsicht, andererseits aber auch verwaltungsorganisationsrechtliche Rückschlüsse ziehen.
346
Vgl. hierzu Jestaed, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 42 m.w. Nachw. 347 Hierzu auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1021 f. 348 Vgl. zur Typusbildung von Kollegialorganen Gross, Kollegialprinzip, S. 61; zum „professionellen Typus“ S. 62 f. 349 Ebenso Gross, Kollegialprinzip, S. 92 f. 350 Gross, Kollegialprinzip, S. 108 f. 351 Vgl. nur § 4 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen (Stand: 28.11.06); § 1 Abs. 2 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (Stand: 13.07.05); § 2 Abs. 5 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin. Zur Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen ausf. Lippert, GesR 2009, 335 ff.
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aa. Grundlagen Die Aufsicht über Verwaltungsträger und Behörden ist ein einseitiges und damit subordinationsrechtliches Mittel zur Einwirkung auf eine Organisation zum Zwecke der Zielerreichung. Sie dient als Steuerungsmittel und sichert je nach Umfang die Rechtsmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns.352 Unterschieden werden im Wesentlichen zwei Bereiche: Zum einen die Aufsicht gegenüber öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltungsträgern, insbesondere auch gegenüber dezentralisierten Selbstverwaltungsträgern, die sog. Staatsaufsicht ieS als Verbandsoder Körperschaftsaufsicht, und die Organ- oder Behördenaufsicht, die innerhalb der jeweiligen Verwaltungsträgern angesiedelt ist und sich auf den Aufbau, die innere Ordnung, die allgemeine Geschäftsführung und die Personalangelegenheiten bezieht. Mit letzterer Aufsicht häufig verflechtet ist die besondere Organ- und Behördenaufsicht über untergeordnete Verwaltungseinheiten, die sich neben der Rechtsauch auf die Fachaufsicht erstreckt.353,354 Die Kontrolldichte kann von der Rechts- bis zur uneingeschränkten Aufsicht reichen. Maßgeblich für die unterschiedlichen Aufsichtsmodalitäten ist grundsätzlich die Art der von dem beaufsichtigten Verwaltungsträger wahrzunehmenden Aufgabe als fremde oder eigene Angelegenheit. Grundsätzlich ist die Aufsicht bei der Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben nur eine auf die Rechtmäßigkeit beschränkte Rechtsaufsicht. Bei der Wahrnehmung staatlich übertragener Aufgaben können weitergehende Aufsichtsbefugnisse bis hin zur Überprüfung der Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandeln bestehen (Fachaufsicht).355 Instrumente der Aufsicht sind vor allem das Auskunftsverlangen (z. B. Vorlage von Akten oder Protokolleinsicht), als „Anstoßfunktion“ zur Selbstkorrektur die Beanstandung rechtswidriger Beschlüsse bzw. die Anordnung zum Tätigwerden bei rechtswidriger Untätigkeit, und schließlich die Ersatzvornahme in Form der Aufhebung der erfolglos beanstandeten Handlung bzw. bei einer unterlassenen Handlung trotz Anordnung. Existenz, Inhalt sowie Umfang dieser Aufsichtsinstrumente hängen jeweils von der
352
Vgl. Kahl, Staatsaufsicht, S. 356; Jestaed, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 59; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 47 f. u. 49; Triepel, Reichsaufsicht, S. 110 f., 120 f. 353 Die Dienstaufsicht iSe Personalaufsicht ist nicht der Staatsaufsicht zuzuordnen. Sie betrifft im eigentlich verstandenen Sinne die im Dienstrecht wurzelnden Befugnisse des Vorgesetzten gegenüber den einzelnen Amtswaltern; vgl. Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 877. 354 Ausführlich zur dieser Einteilung und zur nicht ganz einheitlichen Terminologie Kahl, Staatsaufsicht, S. 394 ff.; Schröder, JuS 1986, 371, 372; Becker, Öffentliche Verwaltung, S. 874 ff.; Jestaed, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 59; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 51; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 7 Rn. 39 u. 44; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 270 ff. jew. m.w. Nachw. 355 Zu den Aufsichtsmodalitäten im Einzelnen Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 7 Rn. 39 f.; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 47 f. u. 49; Jestaed, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 59 f.
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gesetzlichen Ausgestaltung, den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowie vom Verhältnismäßigkeitsprinzip ab.356 bb. Aufsicht über Ethik-Kommissionen Die Ärztekammern unterstehen grundsätzlich kraft ihres Rechts zur Selbstverwaltung nur der allgemeinen Körperschaftsaufsicht, die Rechtsaufsicht ist und beim jeweils zuständigen Fachminister liegt.357 Die Befugnisse der Rechtsaufsicht sind grundsätzlich in den Heilberufe- und Kammergesetzen selbst aufgeführt.358 Werden die Ethik-Kommissionen als „unselbstständige Einrichtungen“ der Ärztekammern geführt und sind sie damit vollumfänglich in die Organisation der Ärztekammer eingegliedert, so unterliegen auch sie der Aufsicht.359 Die Prüfung von Forschungsvorhaben nach den bereichsspezifischen Regelungen ist den Ethik-Kommissionen als eigene Aufgabe zugewiesen worden, sodass jedenfalls nur eine Rechtssaufsicht stattfindet.360 Folgerichtig wäre die Aufsichtsbehörde dann aber nach allgemeinen Grundsätzen beispielsweise befugt, anstelle der Ethik-Kommission zu handeln, wenn diese handlungsunfähig ist oder nicht handelt trotz bestehender Handlungspflicht; sie könnte auch Beschlüsse nach Beanstandung aufheben. Körperschaftsintern könnte man nach oben genannten Grundsätzen daran denken, dass die Ethik-Kommission der besonderen Organ- bzw. Behördenaufsicht unterliegt361 , soweit man sie als unselbstständiges Teilorgan und mithin als hierarchisch nachgeordnet ansieht.362 Entsprechendes würde auch für die universitären Ethik-Kommissionen und die Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung gelten. Die h. M. geht aber zutreffend in Anbetracht der europarechtlich, bereichsspezifisch und in den jeweiligen Satzungen vorgeschriebenen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Ethik-Kommissionen davon aus, dass nur eine Rechtsaufsicht – auch des Behördenleiters – in Frage kommt, diese jedoch auch nicht uneingeschränkt zuzulassen ist. Die Rechtsaufsicht soll nur dahingehend bestehen, dass der Aufsichtsausübende einen Beschluss (nach Beanstandung) aufheben oder die Kommission anweisen kann, über einen Antrag zu entscheiden. Ebenfalls werden Informationsrechte zugestanden, soweit das Auskunftsverlangen zur Überprüfung der Einhaltung der Regeln über die Zuständigkeit, des Verfahrens sowie des materiellen Rechts geeignet, mithin verhältnismäßig ist. Das zuständigeAufsichtsorgan soll 356
Vgl. Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 7 Rn. 45. Im Einzelnen hierzu Vogt, Selbstverwaltung, S. 160; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 97 Rn. 102; ders., Funktionale Selbstverwaltung, S. 91. 358 Ausf. Vogt, Selbstverwaltung, S. 160 ff. 359 Gleiches wird im Übrigen auch für die Versorgungswerke der Heilberufskammern angenommen, die als „unselbstständige Einrichtungen“ errichtet worden sind, vgl. Vogt, Selbtsverwaltung, S. 1016; Ehlers, in: FS Kollhosser, S. 93, 100 f. 360 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 140. 361 Nach Deutsch/Spickhoff, Rn. 1067 wird die Aufsicht von der Leitung der Institution ausgeübt, der die Ethik-Kommission angehört. Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 141. 362 Ähnliche Folgerungen bei v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 139. 357
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dagegen gerade nicht befugt sein, anstelle der Kommission zu entscheiden.363 Mit dieser eingeschränkten Rechtsaufsicht über die weisungsfreien und unabhängig arbeitenden Ethik-Kommissionen ist der bereits verwaltungsrechtlich viel diskutierte Themenkomplex der „weisungs- und ministerialfreien Räume“ innerhalb der Verwaltungsorganisation angesprochen, in denen Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse nicht zur Verfügung stehen und folglich ein Mangel an demokratischer Legitimation besteht. Die Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass im Interesse einer erfolgreichen Aufgabenwahrnehmung ein gewisses Maß an Selbstständigkeit gewährt wird und die Ausgliederung grundsätzlich verbunden ist mit dem Ziel des Entzugs politischer Einflüsse.364 cc. „Einflussknicke“ und materiell-rechtliche Verselbstständigung von Ethik-Kommissionen Während die organisationsrechtliche Verselbstständigung von Verwaltungsträgern im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung grundsätzlich am formellen Begriff der Rechtsfähigkeit festgemacht wird, so ist es möglich, die Verselbstständigung materiellrechtlich zu verstehen. Derartige Erscheinungsformen werden grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre Rechtsfähigkeit mit dem Begriff der verselbstständigten Verwaltungseinheit in Bezug genommen, die sich in der organisatorischen Verselbstständigung von Personal- und Sachmitteln, in der Verselbstständigung der Willensbildung, und vor allem bei pluralistischen Entscheidungsgremien durch eine Verselbstständigung der Entscheidungstätigkeit äußern kann.365 Das Merkmal der (materiellrechtlichen) Verselbstständigung kann als ein „Tendenzbegriff“ aufgefasst werden, „der eine Bergriffskala erfordert, auf der sich der Grad der Unabhängigkeit der Organisation ablesen lässt“.366 Sog. „Einflussknicke“367 , verstanden als 363
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Rn. 1067; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 57; Deutsch, VersR 1989, 429, 432; ders., MedR 2006, 411, 414 f.; ders., NJW 1981, 614, 616; ders., in: FS Bydlinski, S. 105, 116; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 139 f.; Lippert, GesR 2009, 355, 356; speziell für die universitären Ethik-Kommissionen Bork, Ethik-Kommissionen, S. 127 u. S. 59 f. m. Fn. 58; für die Landeskommissionen Pestalozza, LKV 2006, 255, 257; s.a. Vogeler, PaPfleReQ 2009, 90 ff. 364 Dies betrifft sowohl die kommunale als auch die funktionale Staatsverwaltung durch rechtsfähige oder teilrechtsfähige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, die jeweils nur der Rechtsaufsicht, nicht aber der Fachaufsicht unterworfen sind, aber auch Fachausschüsse und Kollegialorgane; ausf. hierzu Mayen, DöV 2004, 45 ff.; Gross, Kollegialprinzip, S. 142 f.: „Die Entkopplung durch die Gewährung sachlicher Unabhängigkeit wird durch die kollegiale Organisation der Entscheidungsfindung kompensiert“ u. zur Aufsicht S. 246 ff.; ders., in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 71 u. 76; ferner Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 7 Rn. 47 f.; Schröder, JuS 1986, 371, 372 f. 365 Vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 25 m.w. Nachw.; Jestaed, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 13; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg. VerwR, § 7 Rn. 9; eingehend Schuppert, Verselbstständigte Verwaltungseinheiten, insb. S. 165 ff. und Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien, insb. S. 100 ff. 366 Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 27. 367 Begriff nach Wagener, in: ders., Verselbstständigung, S. 31, 41.
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eine Art Bruchstelle von Entscheidungssträngen, können den Grad und die Intensität der Verselbstständigung der abgesonderten Verwaltungseinheit beschreiben.368 Die Rechtsfähigkeit einer verselbstständigten Verwaltungseinheit hat für das materiell verstandene Merkmal der „Verselbstständigung“ eher eine „schwache Indizfunktion“ und kann schon früher oder unabhängig von ihr erreicht sein; ferner besteht insoweit auch keine strikte Korrelation zwischen der Qualität als Verwaltungsträger und jener einer verselbstständigten Verwaltungseinheit.369 Auch wenn Ethik-Kommissionen idR (formell-)organisationsrechtlich als „unselbstständige Einrichtungen“ geführt werden, so manifestiert sich hingegen ihre materiell-rechtliche Verselbstständigung durch die „Einflussknicke“, die durch die eingeschränkte Staatsaufsicht und Organbzw. Behördenaufsicht entstehen.370 In ihrer Willensbildung und Entscheidungstätigkeit agieren sie losgelöst von ihrem Ansiedlungsort.371 Die Durchbrechung der vertikalen Entscheidungszüge durch ihre unabhängige und weisungsfreie Tätigkeit qualifiziert Ethik-Kommissionen als materiell-rechtlich verselbstständigte Verwaltungseinheiten, was ebenfalls als durchweg konstante Gemeinsamkeit derzeit tätiger Ethik-Kommissionen angesehen werden kann. d. Zusammenfassung Ethik-Kommissionen sind Kollegialorgane. Sie gehören dem professionellen Typus eines Kollegialorgans an, streben nach einer umfassenden interdisziplinären Besetzung und treten in einer unmittelbar entscheidungsbezogenen Bewertungsfunktion in Erscheinung. Aus ihrer unabhängigen und weisungsfreien Aufgabenerledigung folgt eine eingeschränkte Staatsaufsicht und Organ- bzw. Behördenaufsicht, die mit „Einflussknicken“ korreliert und sie als materiell-rechtlich verselbstständigte Verwaltungseinheiten qualifiziert. Ethik-Kommissionen lassen sich mithin abstrakt, d. h. losgelöst von der Art ihrer Aufgabenwahrnehmung und losgelöst von ihrem Ansiedlungsort, in Bezug nehmen mit materiell-rechtlich verselbstständigten professionell-interdisziplinär besetzten Kollegialorganen mit nach außen gerichteten Entscheidungsbefugnissen. 368
Hierzu ausf. Wagener, in: ders., Verselbstständigung, S. 31, 41; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 27 m.w. Nachw. 369 Vgl. Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 102 a.E; Jestaed, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 24 a.E.: Rechtsfähigkeit nur „schwache Indizfunktion“ für Umfang und Art materialer Selbstständigkeit bei der Aufgabenerledigung; ferner Groß, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 66 ff.; Vogeler, PaPfleReQ 2009, 90 ff. 370 Zu „Einflussknicken“ im staatsaufsichtsrechtlichen Kontext Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR, § 108 Rn. 51; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 7 Rn. 47. 371 In ähnlicher Weise sprechen v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 139 davon, dass die Anbindung der Ethik-Kommissionen zur Hochschule/Ärztekammer „rein administrativen Charakter“ habe. Auch Stamer, Ethik-Kommission, S. 95 a.E. gesteht den Ethik-Kommissionen eine gewisse Selbstständigkeit zu, die sie aus den ihnen zugewiesenen sachlichen und personellen Mitteln ableitet.
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II. Absage an private Ethik-Kommissionen Den Namen „Ethik-Kommission“ tragen auch firmeneigene und weitere auf privater Initiative gegründete Gremien. Sie sind entweder Teil eines Unternehmens (sog. betriebsinterne Ethik-Kommissionen) oder arbeiten völlig selbständig (sog. freie Ethik-Kommissionen). Letztere werden in der Rechtsform der GmbH, des eingetragene Vereins oder der Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts geführt und geben gegen ein Entgelt eine ethische Beratung.372 Den freien und betriebsinternen Ethik-Kommissionen kommt im Bereich der medizinischen Forschung am Menschen nur marginale Bedeutung zu: Nach § 15 MBO-Ä haben sich Ärzte von einer „bei der Ärztekammer oder bei einer Medizinischen Fakultät gebildeten EthikKommission“ beraten zu lassen.373 § 42 Abs. 1 S. 1 AMG bestimmt, dass der Sponsor die zustimmende Bewertung „bei der nach Landesrecht für den Prüfer zuständigen unabhängigen interdisziplinär besetzten Ethik-Kommission zu beantragen“ hat. Private Ethik-Kommissionen sind nicht nach Landesrecht für den Prüfer zuständig.374 Mit der 4. MPG-Novelle ist mittlerweile auch die „Zweigleisigkeit“ der Ethik-Kommissionen aufgegeben worden. Nach der bis zum 20.03.2010 geltenden Rechtslage musste eine Ethik-Kommission lediglich bei der Bundesoberbehörde registriert sein (§ 20 Abs. 8 MPG), sodass auch private Ethik-Kommissionen zur Abgabe einer Stellungnahme nach § 20 Abs. 7 MPG befugt waren, soweit sie registriert gewesen sind.375 Die viel kritisierte Diskrepanz zwischen dem MPG und § 15 MBO-Ä, die auch die Gerichte beschäftigte376 , und auch die nicht zu erklärende „Zweigleisigkeit“ zwischen dem AMG und dem MPG ist durch die 4. MPG-Novelle beseitigt worden. Erforderlich ist nunmehr wie nach § 42 Abs. 1 S. 1 AMG die zustimmende Bewertung der nach Landesrecht für den Prüfer zuständigen EthikKommission, § 22 Abs. 1 S. 1 MPG. Das Registrierungskonzept, das Raum für private Ethik-Kommission bietet, ist nur noch in der StrlSchV und der RöntgenV enthalten. Ärzte und Hochschulmitglieder haben sich aber auch bzw. zusätzlich nach § 15 MBO-Ä von einer öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommission beraten zu lassen. Dies führt zu einem faktischen Monopol öffentlich-rechtlicher Kommissionen, da diese ebenfalls bei der zuständigen Bundesoberbehörde registriert sind.377 372 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1008 ff., 1064 ff.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 131; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 187 ff.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 76 f.; Rupp, UTR 12 (1990), 23, 38. 373 Zum abstrakten Normenkontrollverfahren VGH Kassel, NJW 1994, 812 = MedR 1994, 67 = NVwZ 1994, 513; nachgehend BVerwG, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr 111. Hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1009. 374 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 32; Classen, MedR 1995, 148. 375 Hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1644 f. 376 Vgl. VG Stuttgart, NJW 2002, 529 m. Bspr. Deutsch (S. 491) u. Graf (S. 1774) = MedR 2002, 159 m. Bspr. Böse (S. 244) sowie das nachgehenden Urteils des VGH Mannheim NJW 2003, 983 m. Bspr. Deutsch (S. 949) = MedR 2003, 109 m. Anm. Taupitz (S. 117) u. Bspr. Dähne (S. 164) = NVwZ 2003, 1009. 377 S.a. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 255.
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Die Gesetzesbegründung zur 4. MPG-Novelle lässt es als naheliegend erscheinen, dass sich die StrlSchV und die RöntgenV in naher Zukunft ebenfalls für die nach Landesrecht zuständige Ethik-Kommission entscheiden werden.378 Für die privaten Ethik-Kommissionen bleibt im Ergebnis nur noch die Erteilung eines ethischen Rates, der die Beschlussfassung einer öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommission aber nicht ersetzt.379
D. Rechtsprechungsüberblick zu Ethik-Kommissionen mit haftungsrechtlichem Einschlag: International und hierzulande Auch was die Haftung für Ethik-Kommissionen bzw. Institutional Review Boards anbelangt, nehmen die USA eine Vorreiterrolle ein. Obwohl betont wird, dass „traditionally, IRBs have rarely been named in lawsuits“380 und dass „no IRB Member has been successfully sued“381 , so gibt es mittlerweile einige Fälle, in denen die Gerichte nicht nur zur Rolle von IRBs Stellung nahmen, sondern auch solche, in denen IRBs und ihre Mitglieder verklagt worden sind. Es wird davon gesprochen, dass „IRBs have entered the litigation spotlight in research-related lawsuits“382 und auch jüngere Publikationen zu dem Thema „Liability for Institutional Review Boards“ belegen eindrucksvoll die derzeit in den USA intensiv geführte Debatte.383 Frühe Fälle, in denen IRBs verklagt worden sind, betrafen den Fall Nielson v. Regents of the University of California384 aus dem Jahre 1973 und ein Jahr später Bailey v. Mandel385 . Beide Klagen stützen sich im Ergebnis auf „defective informed consent“.386 Im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion standen IRBs zunächst im Fall Jesse Gelsinger, die in einer Phase I-Studie an der University of Pennsylvania 1999 starb, und im Fall der ebenfalls verstorbenen Ellen Roche 2001, kurz nach Einschluss 378
Vgl. BT-Drs. 16/12258, S. 30: „Die Registrierung der diversen Ethik-Kommissionen beim BfArM wird abgeschafft, da die bloße Registrierung keinen Qualitätsnachweis und damit keinen Sicherheitsgewinn für die Patienten gebracht hat“. 379 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1008 a.E; s.a. Classen, MedR 1995, 148; Laufs/Reiling, MedR 1991, 1, 9. 380 Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 381. 381 Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 183. 382 Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 53. 383 Vgl. Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45; Icenogle, Clinical Medicine & Research 2003, 63; Powel, 69 U. Chi. L. Rev. (2002), 1399; Kaltman/Isidor, in: Bankert/Amdur, Institutional Review Boards, S. 308 ff.; s.a. Shaul, Birenbaum & Evans, BMC Medical Ethics, 6 (2005), 4. Kritisch zum Verfahren und den von IRBs angelegten, unterschiedlichen Standards Hyman, 101 Northwestern L. Rev. (2007), 749, 757 ff. 384 Civil No. 655–049 (S.F. Super. Ct., filed Sept. 11, 1973). 385 No. 74–110 (D. Md. 1974). 386 Hierzu Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 380 f.
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
in eine Asthma-Studie der John Hopkins University. Beide Fälle sind zwar außergerichtlich beigelegt worden, doch das Office for Human Research Protections (OHRP) übte scharfe Kritik an den IRBs, die die Studien jeweils zugelassen hatten.387 Einer der ersten beiden Fälle, die den Druck auf die IRBs erhöhten, war der Fall Grimes v. Kennedy Krieger Institute, Inc. aus dem Jahre 2001.388 Das renommierte Kennedy Krieger Institut, das mit der John Hopkins University verbunden war, forschte in einer zweijährigen Studie (1993–1995) über die Wirksamkeit von drei verschiedenen Methoden, Blei in älteren Häusern zu reduzieren. Es wurden mit Bleistaub belastete Häuser an Familien mit Kindern geringeren Einkommens verpachtet, die in fünf Gruppen eingeteilt wurden. Die Wirkungen der Bleientfernungsmethoden wurden anhand des Bleigehalts des Blutes der Kinder gemessen.389 Neben der Kernaussage des Maryland Court of Appeals, „that in Maryland a parent, appropriate relative, or other applicable surrogate, cannot consent to the participation of a child or other person under legal disability in nontherapeutic research or studies in which there is any risk of injury or damage to the health of the subject“390 , wurde auch deutliche Kritik am Vorgehen des IRB geübt, indem es „abdicated. . . responsibility, instead suggesting to the researchers a way to miscast the characteristics of the study in order to avoid the responsibility inherent in nontherapeutic research involving children“391 . „The pressure on IRBs rose to a new level in 2002“392 , als der Fall Robertson v. McGee393 bekannt wurde. Ihm lag eine Studie der Phase I zu einem Krebsimpfstoff zugrunde, in der 94 Patienten, die auf die Standardmethode nicht mehr ansprachen, mit einem neuen Impfstoff behandelt wurden.394 26 Patienten starben während der Studie. 18 Kläger behaupteten 122 „causes of action“ gegen 22 Beklagte, von denen 12 IRB-Members waren.395 Vorgebracht wurde u. a., dass die Studie durch das IRB nicht ordnungsgemäß überwacht wurde. Der district court in Oklahoma wies die Klage jedoch ab wegen „lack of subject matter jurisdiction“.396 Auch die Klage 387
Ausf. Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 50 ff.; Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 132 f. 782 A.2d 807 (Md. 2001). 389 Vgl. Mastroianni & Kahn, Am J Public Health 92 (2002), 1073; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 382 f.; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 52; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 981; Sprecher, Medizinische Forschung, S. 163 ff. 390 782 A.2d 858. 391 782 A.2d 813; dazu auch Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 383; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 52; Hyman, 101 Northwestern L. Rev. (2007), 749, 766 f. 392 Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 133. 393 No. 01CV60, 2002 WL 535045 (N.D. Okla. Jan. 28, 2002). 394 Vgl. Shaul, Birenbaum & Evans, BMC Medical Ethics, 6 (2005), 4. 395 Die Klage stütze sich auf intentional infliction of emotional distress, negligent infliction of emotional distress, breach of contract, misrepresentation, common-law fraud, assault and battery, lack of informed consent, products liability, breach of the right to be treated with dignity, breach of civil rights, und negligence; vgl. Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 134. 396 Dazu Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45 f. u. 51; Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 383 f.; Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 134; Shaul, Birenbaum & Evans, BMC Medical Ethics, 6 (2005), 4. 388
§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht
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im Falle Townsend v. University Hospital-University of Colorado397 , die ebenfalls gegen individualisierte IRB-Members gerichtet war, ist wegen„ lack of personal jurisdiction“ nicht entschieden worden.398 Neben den intensiv diskutierten Fällen hat es aber auch weitere Fälle in den USA gegeben, die Alan Milstein, der „lead attorney“ im Robertson-Fall von der Anwaltskanzlei Silverstein Kohl Rose and Podolsky (SKRP), auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Die insgesamt 13 Klagen richteten sich neben Universitäten und weiteren Personen/Institutionen auch gegen „John Does IRB members“ und gegen „IRBs as collective defendants“.399 Interessant sind aber auch weitere Fälle aus den USA, die als „not IRB negligence cases“400 angesehen werden. Im Fall Mason v. Institutional Review Boards for Human Research, Medical University of the South401 beantragten die Kläger eine einstweilige Verfügung, die das IRB davon abhalten sollte, die Studie vorzeitig zu beenden, da sie mit der experimentellen Methode weiterbehandelt werden wollten. Der Fall Halikas v. University of Minnesota402 betraf ebenfalls eine einstweilige Verfügung, mit der der Forscher das IRB davon abhalten wollte, Informationen zu verbreiten.403 In den USA wird die Haftung von IRBs und ihren Mitgliedern intensiv und kontrovers diskutiert. Während teilweise gefordert wird, dass „IRB members should be immune from liability for civil damages“404 , so wird anderseits in Anbetracht der signifikant gestiegenen Arbeitsüberlastung von einer „IRB crisis“ gesprochen.405 Klagen gegen IRB-Members werden als „desirable outcomes“ bezeichnet „to promote more careful reviews and more responsible decision-making“406 . 397
83 S.W.3d 913 (Tex. Ct. App. 2002) Vgl. Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 46. 399 Abrufbar unter http://www.sskrplaw.com/gene/index.html; hierzu auch Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 384; Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 46; Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 134 f. 400 Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 140. 401 953 F.2d 638 (4th Cir. 1992). 402 856 F. Supp. 1331 (D. Minn. 1994). 403 Zum Ganzen Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 139 f.; Hierzu und zu weiteren Fällen dieser Art vgl. Kaltman/Isidor, in: Bankert/Amdur, Institutional Review Boards, S. 308, 309. 404 Hoffman & Berg, 67 (2) U. Pitt. L. Rev (2005), 365, 368: „IRB members should be immune from liability for civil damages so long as they had a good faith belief that the challenged decision protected the welfare of human subjects and so long as they complied with all federal regulatory requirements concerning protocol review. The promise of qualified immunity should allow IRB membership to remain an appealing form of public service and should promote candid debate within the committee that is motivated solely by a desire to achieve responsible decision-making rather than by concerns about potential litigation”. 405 Vgl. Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 65: “As a result, we essentially have an“IRB crisis” in the United States”. 406 Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 65: “In this respect, lawsuits naming an IRB or its members as defendants are desirable outcomes because they will promote more careful reviews and more responsible decision-making by IRBs, will serve as a check against IRBs’ unrestrained power, and will generate public attention likely leading to positive changes in the regulatory oversight of 398
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
Aber auch anderenorts hat es zwei weitere Haftungsfälle im Zusammenhang mit Ethik-Kommissionen gegeben. Im kanadischen Fall Weis v. Solomon407 , in dem ein Patient bei einer Injektion von Florescin kollabierte und an Kammerflimmern starb, wurde der Klage gegen das Krankenhaus und gegen den Investigator stattgegeben. Die Haftung des Krankenhauses basierte u. a. darauf, dass das hospital’s research committee die Studie bewilligt hatte, obwohl der Prüfplan Mängel aufwies, die Aufklärung fehlerhaft war und der Prüfraum für Widerbelebungsmaßnahmen nicht ausgerüstet war.408 Der zweite Fall, in dem die fehlerhafte Begutachtung einer EthikKommission zu Schadensersatzansprüchen eines geschädigten Versuchsteilnehmers geführt hat, ist in Belgien entschieden worden.409 In der auf über 12 Monate angelegten klinischen Prüfung wurde ein Appetitzügler (Atracil) getestet. Die Patienten sind in drei Gruppen eingeteilt worden: Eine Gruppe erhielt das Testpräparat, eine andere Gruppe einen anderen Appetitzügler (Isomeride), und eine weitere bekam ein Placebo. Eine Teilnehmerin der zweiten Gruppe entwickelte eine primäre pulmonale Hypertonie (PPH). Das Gericht sah u. a. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Risiken und Nutzen als verletzt an, stellte Fehler in der Studienplanung fest, da Isomeride höchsten drei, nicht jedoch 12 Wochen verabreicht werden durfte, und sah letztlich auch Fehler in der Aufklärung, da kein Hinweis auf die Entwicklung einer primären pulmonalen Hypertonie erfolgt ist. Der Ethik-Kommission ist vorgeworfen worden, nicht die Risiken richtig abgeschätzt zu haben, obwohl in der Literatur Hinweise auf die Risiken von Isomeride vorhanden waren. In Deutschland sind Ethik-Kommissionen schon öfters Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen. Neben den bereits erwähnten Fällen, die die Konkurrenzsituation von öffentlich-rechtlichen und privaten Ethik-Kommissionen betrafen, handelte es sich aber überwiegend um Gebührenforderungen.410 Unmittelbare Haftungsfälle von Ethik-Kommissionen hat es bislang nicht gegeben, doch belegen zwei neuere gerichtliche Entscheidungen, dass Ethik-Kommissionen näher in das haftungsbezogene „spotlight“ medizinischer Forschungsvorhaben gelangen.
IRBs. In light of the examples of Jesse Gelsinger, Ellen Roche, and the Grimes case, we can no longer allow IRB members to escape the consequences of misconduct”; s.a. Resnik, 25 J Leg. Med (2005), 131, 180. 407 Cour Supérieure du Québec (1989), 48 C.C.L.T. 280. 408 Hierzu auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch/Lippert, EthikKommissionen, S. 68; Shaul, Birenbaum & Evans, BMC Medical Ethics, 6 (2005), 4. 409 Rb. Gent, 11 october 2004, T. Gez. 2004-2005, 210-224; s.a. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069. 410 Vgl. VG Berlin, MedR 2009, 163; VG Berlin, juris, Urt. v. 01.04.2009, Az: 14 A 25.07; VG Berlin, juris, Urt. v. 17.02.2010, Az: 14 A 95.07; s.a. VG Ansbach, juris, Bschl. v. 06.04.2009, Az: AN 16 S 08.01751.
§ 2 Ethik-Kommissionen: Probandenschutz durch staatliche Forschungsaufsicht
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Das LSG Schleswig-Holstein411 hatte einen Fall zu entscheiden, der die Impfopferentschädigung nach § 60 IfSG betraf: Die Kl. nahm an einer Impfstudie der Phase II teil, in der ein 7-facher Kombinationsimpfstoff getestet wurde. Es wurden bei ihr nach Teilnahme an der Studie u. a. Entwicklungsstörungen festgestellt. Seitdem ist sie schwerstbehindert und beantragte erfolglos Versorgung nach dem IfSG. Die Patienteninformation enthielt folgenden Passus: „Ihr Arzt hat Sie heute darauf aufmerksam gemacht, dass Sie ihr Kind in diesem Zusammenhang auch an einer wissenschaftlichen Impfstudie teilnehmen lassen können. . . Diese Ihnen angebotene Studie ist von der für Ihren Arzt zuständigen Ethik-Kommission geprüft und zustimmend bewertet worden“. Sie trug vor, dass ihr der Eindruck vermittelt worden sei, sie mache mit der Teilnahme an der klinischen Prüfung nichts anderes als die Durchführung der öffentlich empfohlenen Impfung und dann noch etwas Besseres. Die in Bezug genommene Ethik-Kommission habe den mit dieser Information erweckten Rechtsschein einer öffentlichen Empfehlung hingenommen und das bekl. Land müsse diesen Rechtsschein gegen sich gelten lassen. Das LSG wies die Klage ab: Die Ethik-Kommission sei keine für die Empfehlung von Schutzimpfungen zuständige Landesbehörde iSd § 60 Abs. 1 Nr. 1 IfSG. Es gehöre nicht zu ihrer Aufgabe, die Teilnahme an einer Impfung mit staatlicher Autorität nahezulegen. Der Rechtsschein einer öffentlichen Empfehlung folge hieraus ebenfalls nicht.
Das Urteil des LSG ist vom BSG412 aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen worden. Das BSG griff auf die für die öffentliche Empfehlung einer Impfung bereits entwickelte „Rechtsscheinhaftung“ entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen zur Duldungs- und Anscheinsvollmacht zurück.413 Selbst ein pharmazeutisches Unternehmen als Sponsor der klinischen Prüfung und Herausgeber einer irreführenden Patienteninformation könne den Rechtsschein einer Impfempfehlung verursachen. Im hier relevanten Kontext ist vor allem bedeutsam, dass nach Auffassung des BSG auch ein „Versagen der Ethik-Kommission“, deren Aufgabe es nach den arzneimittelrechtlichen Regelungen und der standesrechtlichen Beratung sei, einer zu Unrecht suggerierten öffentlichen Impfempfehlung entgegenzutreten, dem für Impfempfehlung zuständigen Gesundheitsministerium zugerechnet werden könne. Das BSG hielt es sogar für nicht „gänzlich ausgeschlossen“, Versäumnisse der bei der Bayrischen Landesärztekammer angesiedelten Ethik-Kommission dem Schleswig-Holsteinischen Gesundheitsministerium zuzurechnen, hielt aber Versäumnisse der bei der Schleswig-Holsteinischen Ärztekammer gebildeten Ethik-Kommission, Versäumnisse von aufsichtrechtlichen Möglichkeiten des Gesundheitsamtes gegenüber der Ethik-Kommission und Vernachlässigungen im unmittelbaren Verantwortungsbereich des Gesundheitsamtes für naheliegender.414
411
LSG Schleswig-Holstein, juris, Urt. v. 24.07.2007, Az: L 2 Vj 37/06; vorgehend SG Schleswig, Urt. v. 07.06.2006, Az: S 13 VJ 26/04. 412 BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399. 413 So bereits BSGE 50, 136, 139. 414 Vgl. BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, zu Ethik-Kommissionen bes. Rn. 39-55.
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Erstes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Standards der medizinischen Forschung
Der zweite Fall ist vom LG Göttingen415 entschieden worden. Es handelt sich – soweit bekannt – um das erste Urteil in Deutschland zu einer klinisch kontrollierten416 Studie: Der Kl. nahm als Dialysepatient an einer Studie der Phase III mit einem neuen, noch nicht zugelassenen Medikament teil, die von einem Sponsor aus England in Auftrag gegeben worden war und die durch den behandelnden Arzt und Prüfarzt durchgeführt wurde. Bei dem Prüfpräparat handelte es sich um Kautabletten, die jeweils vor dem Hinunterschlucken zerkaut werden mussten, die der Kl. aber über einen längeren Zeitraum unzerkaut hinunterschluckte. Nachdem der Kl. über starke Unterbauchbeschwerden klagte, zeigten sich auf der daraufhin vorgenommenen Röntgenaufnahme große Ansammlungen von Tabletten im Darmbereich. Dem Kl. mussten 30 cm seines Darms entfernt werden. Seine Klage auf Schadensersatz stützte der Kl. gegen den Prüfarzt und das Klinikum zum einen auf eine unzureichende Aufklärung. Nach seiner Auffassung hätte er nicht nur über die Notwendigkeit des Zerkauens aufgeklärt werden müssen, die unstreitig erfolgt war, sondern auch über die Risiken des unzerkauten Hinunterschluckens der Tabletten. Zum anderen sah er einen Behandlungsfehler darin begründet, dass die Bekl. es unterließen, im Verlauf der Studie regelmäßige Kontrolluntersuchungen des Magen- und Darmtrakts vorzunehmen.
Das LG Göttingen wies die Klage ab. Weder sei ersichtlich gewesen, dass sich bei dem Kläger das Risiko einer unzerkauten Einnahme der Tabletten abzeichnete, noch sei zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen, dass die Prüfpräparate überhaupt „röntgendicht“ waren. Auch eine Aufklärungspflichtverletzung ist verneint worden. Der Kläger sei über unbekannte und bekannte Risiken hinreichend aufgeklärt worden und selbst unter Berücksichtigung einer gesteigerten Pflicht zur Risikoaufklärung brauche ein „Auch-Proband“ nicht über die Gefahren der weisungswidrigen Einnahme aufgeklärt zu werden. Interessant ist im Übrigen das Vorbringen der Beklagten: Sie sahen in der positiven Entscheidung der Ethik-Kommission eine die Rechtswidrigkeit ausschließende Legalisierungswirkung und in der Nichtinanspruchnahme der Probandenversicherung eine unzulässige Rechtsausübung (§§ 242, 826 BGB), die der Zulässigkeit der Klage entgegenstünde. Nur zum letzteren Vorbringen äußerte sich das LG Göttingen dahingehend, dass eine Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme der Probandenversicherung nicht bestehe und im Übrigen auch nicht aus einer gesonderten Vereinbarung hergeleitet werden könne. Eine etwaige Vereinbarung zwischen den Parteien würde einen Vertrag zulasten Dritter darstellen und auch einer Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht standhalten. Die Berufung des Klägers ist vom OLG Braunschweig417 durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen worden. Damit ist (nicht nachvollziehbar) auch die grundsätzliche Bedeutung nach § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verneint worden.
415
LG Göttingen, Urt. v. 13.11.2008, Az: 2 O 1735/07, MedR 2010, 270 m. Anm. Deutsch. Das Thorotrast-Urteil des BGH (BGHZ 20, 61 = NJW 1956, 629 = JZ 1956, 412 m. Anm. Schack) ist nicht in die Kategorie der klinisch kontrollierten Studie einzuordnen. 417 OLG Braunschweig, juris, Bschl. v. 21.07.2009 u. Bschl. v. 27.08.2009, Az: 1 U 73/08. 416
§ 3 Gang und Inhalt der nachfolgenden Darstellung
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§ 3 Gang und Inhalt der nachfolgenden Darstellung Die nachfolgende Darstellung beschäftigt sich mit der Haftung für EthikKommissionen in der medizinischen Forschung am Menschen. Alle bislang bekannt gewordenen Haftungsfälle mit Ethik-Kommissionsbeteiligung betrafen solche, in denen ein Arzneimittel erprobt wurde. Aus diesem Grunde soll die Haftung bei der Arzneimittelprüfung im Mittelpunkt stehen. Auf eine eigenständige intensivere Darstellung der Haftung bei der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten ist verzichtet worden, da die 4. MPG-Novelle zu einer weitreichenden Harmonisierung mit dem AMG geführt hat. Es wäre zwar möglich gewesen, die Haftung bei der Arzneimittelprüfung und die Haftung bei der Prüfung mit Medizinprodukten einheitlich darzustellen. Zu groß wäre aber der Konturenverlust für die praxisrelevante Arzneimittelprüfung gewesen. Die 4. MPG-Novelle ist zudem erst gegen Ende des Bearbeitungszeitraums beschlossen worden und es war nicht abzusehen, ob sich die nähere Ausgestaltung des Verfahrens vor den Ethik-Kommissionen (§ 20 Abs. 1 S. 3 i. V. m § 37 Abs. 2a MPG) an das Verfahren nach der GCP-V anlehnen wird. Die Darstellung widmet sich ferner der Haftung für Ethik-Kommissionen bei der berufsrechtlichen Beratung (§ 15 MBO-Ä) und bei ihrer Tätigkeit nach der StrlSchV/RöntgenV. Die Regressansprüche werden in einem gesonderten Kapitel geprüft. Die Arbeit schließt mit einer Überlegung zur verwaltungsorganisationsrechtlichen Verortung der Ethik-Kommissionen und der Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse. Die Haftung privater Ethik-Kommissionen ist nicht näher untersucht worden418 , da ihnen seit der 4. MPG-Novelle bis auf eine rein ethische Beratung nur noch bei der StrlSchV/RöntgenV ein faktisches Tätigkeitsfeld verblieben ist. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Monopolisierung öffentlichrechtlicher Ethik-Kommissionen bei staatlicher Aufgabenwahrnehmung in naher Zukunft vollständig vollzogen wird.419
418
Zur Haftung privater Ethik-Kommissionen vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 187 ff., 215 ff.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 153 ff., 165 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1073; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 152 ff.; Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 51. 419 Vgl. BT-Drs. 16/12258, S. 30: „Die Registrierung der diversen Ethik-Kommissionen beim BfArM wird abgeschafft, da die bloße Registrierung keinen Qualitätsnachweis und damit keinen Sicherheitsgewinn für die Patienten gebracht hat“.
Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln
§ 4 Grundlagen der Arzneimittelprüfung und die Stellung der Ethik-Kommissionen A. Rechtsquellen Die klinische Prüfung von Arzneimitteln als eine besondere Form der medizinischen Forschung am Menschen ist geregelt in den §§ 40–42a AMG und in der auf der Grundlage des § 42 Abs. 3 AMG erlassenen GCP-V1 . Beide nationalen Regelungen dienen der Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG2 und sind gemeinschaftsrechtskonform auszulegen.3 Hinzutreten die Arzneimittelprüfrichtlinien, die auf der Grundlage des § 26 Abs. 1 AMG (nunmehr) als Rechtsverordnungen erlassen werden. § 40 Abs. 1 S. 1 AMG verpflichtet den Sponsor, den Prüfer und alle weiteren an der klinischen Prüfung beteiligten Personen, bei der Durchführung der klinischen Prüfung die Anforderungen der guten klinischen Praxis nach Maßgabe des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2001/20/EG einzuhalten. Art. 1 Abs. 2 S. 1 der Richtlinie 2001/20/EG definiert die „gute klinische Praxis“ als einen „Katalog international anerkannter ethischer und wissenschaftlicher Qualitätsanforderungen, die bei der Planung, Durchführung und Aufzeichnung klinischer Prüfungen am Menschen sowie der Berichtserstattung über diese Prüfungen eingehalten werden müssen“. Nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2001/20/EG werden die Grundsätze der guten klinischen 1 Verordnung über dieAnwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung - GCP-V) vom 09.08.2004, BGBl. I S. 2081, zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 3.11.2006 (BGBl. I S. 2523). 2 Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.04.2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln, ABlEG 2001, Nr. L 121, 34. Hierzu ausf. Deutsch, NJW 2001, 3361 ff.; fernerTaupitz, Biomedizinische Forschung, S. 79 f.; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3376 f.; Laufs, MedR 2004, 583 ff. 3 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 65; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 182 f.; v. Dewitz, A&R 2008, 156 f.
M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Praxis und die ausführlichen Leitlinien, die diesen Grundsätzen entsprechen, nach dem Verfahren des Art. 21 Abs. 2 angenommen und gegebenenfalls überarbeitet, um dem technischen und wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung zu tragen.4 Derartige Leitlinien gehen über reine Empfehlungen hinaus, da die Richtlinie der EG die Leitlinien für die Mitgliedstaaten verbindlich vorgibt. Verfassungsrechtlich bedenklich ist, dass § 40 Abs. 1 S. 1 AMG statisch auf die dynamische Verweisungsnorm des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2001/20/EG Bezug nimmt.5 Die Richtlinie 2005/28/EG6 , die in Art. 3 Abs. 2 auf die Deklaration von Helsinki in der Fassung von 1996 verweist, stützt sich auf die Richtlinie 2001/20/EG, „insbesondere auf Artikel 1 Absatz 3“ der Richtlinie 2001/20/EG, wodurch die Deklaration von Helsinki in der Fassung von 1996 Bestandteil der Arzneimittelprüfung ist.7 Eine Sonderstellung nimmt die „Guideline for Good Clinical Practice“ ein, die am 01. Mai 1996 von der Internationalen Konferenz zur Harmonisierung technischer Anforderungen im Zulassungsverfahren8 verabschiedet wurde (ICH-GCP). Es handelt sich um eine Vereinbarung, die von Vertretern der Zulassungsbehörden der USA, EU und Japans sowie der internationalen pharmazeutischen Industrie getroffen wurde, um eine einheitliche Handhabung für klinische Daten durch die jeweiligen nationalen Zulassungsbehörden zu schaffen. Neben der wissenschaftlichen Planung, Dokumentation, Durchführung und Überwachung klinischer Prüfungen finden sich auch detaillierte Regeln zu Ethik-Kommissionen. Am 17. Juli 1997 ist jene Empfehlung vom europäischen Arzneimittelausschuss (CPMP)9 angenommen und von der EMEA als „Note for Guidance on Good Clinical Pratice“ (CPMP/ICH/135/95 – nachfolgend: ICH/GCP-Leitlinie) veröffentlicht worden.10 Für die ICH-GCP fehlt es an einer Ermächtigung zur verbindlichen Normsetzung und auch die Leitlinien des CPMP sind nicht in der Form verbindlicher gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte erlassen worden.11 Sie stellen daher weder unmittelbar anwendbares Recht dar, noch begründeten sie eine Verpflichtung für die nationalen Gesetzgeber zur Umsetzung 4
Hierzu Osieka, Humanforschung, S. 89 f.; Hasskarl/Ziegler, PharmR 2005, 56, 58. Vgl. zur Diskussion Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 40; Sickor, Normenhierarchie, S. 263 f. („rechtnormgleiche Wirkung“); Osieka, Humanforschung, S. 141 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 66; Wölk, Risikovorsorge, S. 139 f.; v. Dewitz, A&R 2007, 65, 68. 6 Richtlinie 2005/28/EG der Kommission vom 08.04.2005 zur Festlegung von Grundsätzen und ausführlichen Leitlinien der guten klinischen Praxis für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate sowie von Anforderungen für die Erteilung einer Genehmigung zur Herstellung oder Einfuhr solcher Produkte, ABlEG 2005, Nr. L 91, 13 ff. 7 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 66. Die Nichteinhaltung des § 40 Abs. 1 S. 1AMG begründet aber, wie aus § 42Abs. 1 S. 7AMG hervorgeht, keinenAblehnungsgrund für die Ethik-Kommission; ebenso v. Dewitz, A&R 2007, 65, 68. 8 International Conference on Harmonisation of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH). 9 Committee for Proprietary Medical Products 10 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 136 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 91; Sander, Erl. § 40 EG-Vorb. v. Anm. 1. 11 Vgl. Sickor, Normenhierarchie, S. 262. 5
§ 4 Grundlagen der Arzneimittelprüfung und die Stellung der Ethik-Kommissionen
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in nationales Recht. Gemindert wird ihre Aussagekraft auch dadurch, dass sie selbst einen Geltungsanspruch nicht erheben.12 Die überwiegende Auffassung sieht in ihnen deswegen nur rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die das nationale Recht nicht verdrängen. Ihnen kommt aber erhebliche praktische Bedeutung bis hin zur faktischen Bindungswirkung zu, da sie einen international anerkannten wissenschaftlichen Standard für die Planung, Durchführung, Dokumentation undAuswertung von klinischen Prüfungen darstellen und auch die Richtlinie 2001/20/EG auf sie Bezug nimmt. Die ICH/GCP-Leitlinie ist für die §§ 40 ff. AMG auslegungsleitend und konkretisierend zu berücksichtigen.13
B. Kennzeichen und Risikolage Das Kennzeichen der klinischen Arzneimittelprüfung ist ihre ambivalente Risikolage. Arzneimittelrisiken äußern sich in Form von unvertretbaren Neben- und Wechselwirkungen. Fehlende oder im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln geringere therapeutische Wirksamkeit können als mittelbare Gefahren qualifiziert werden.14 Die klinische Prüfung von Arzneimitteln steht in untrennbarer Verbundenheit zur Arzneimittelzulassung, ist auf jene aber nicht beschränkt. Deutsch hat dies damit umschrieben, dass die klinische Prüfung „die materielle Seite der Zulassung“ darstellt.15 Eine ausreichende klinische Prüfung am Menschen ist Voraussetzung für die Arzneimittelzulassung.16 Aufgabe der klinischen Prüfung am Menschen ist es, die für das Zulassungsverfahren erforderlichen Daten für den Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit und Sicherheit zu erbringen. Ebenfalls müssen Informationen über Gegenanzeigen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen undAngaben über die Dosierung 12 Exemplarisch 3.2.1 der GCP/ICH-Leitlinie : „It is recommended that the IRB/IEC should include. . . ”. 13 Vgl. hierzu Wölk, Risikovorsorge, S. 136 ff. (S. 138: „Konkretisierungsbeitrag“); Sander, Erl. § 40 EG-Vorb. v. Anm. 1; Sickor, Normenhierarchie, S. 261 f.; v. Kielmansegg, MedR 2008, 423, 425; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 152 f.; Kandler, Rechtliche Rahmenbedingungen, S. 100; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 3 u. 36. Ausdrücklich als Empfehlung iSv Art. 249 Abs. 5 EGV bezeichnend: v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 81 f.; van der Sanden, Haftung, S. 22 f. Auch die Richtlinie 2005/28/EG nimmt in Erwägungsgrund (8) Bezug auf die ICH/GCP-Leitlinie: „Im Rahmen der Internationalen Harmonisierungskonferenz (ICH) wurde 1995 ein Konsens über einen harmonisierten Ansatz für die gute klinische Praxis erreicht. Das vom Ausschuss für Arzneimittelspezialitäten der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln. . . angenommene und von der Agentur veröffentlichte Konsenspapier sollte berücksichtigt werden“; ausf. zum Einfluss der ICH-Guidelines auf das deutsche Arzneimittelzulassungsrecht Engelke, MedR 2010, 619 ff. 14 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1297. 15 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1293. 16 Die zuständige Bundesoberbehörde darf nach § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG die Zulassung versagen, wenn „das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht“.
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vorliegen.17 Arzneimittelzulassung und Arzneimittelprüfung lassen sich der Risikovorsorge bzw. der Risikoverwaltung und damit dem Bereich der Gefahrenabwehr im weiteren Sinne zuordnen. Es werden nicht wahrscheinliche Schadensursachen abgewehrt, sondern bereits vor Erreichen einer Gefahrenschwelle sollen Risiken verhindert oder vermindert werden.18 Zwei Fälle aus neuerer Zeit belegen die Risikolage klinischer Arzneimittelprüfungen. Dem ersten Fall lag eine Studie zu dem monoklonalen Antikörper TGN 1412 zugrunde: Am 13.03.2006 fand am Londoner Northwick Park Krankenhaus eine klinische Prüfung der Phase I zu dem Antikörper TGN1412 statt, an der insgesamt acht gesunde Probanden teilnahmen. Sie erhielten für ihre Teilnahme einen Geldbetrag iHv 2.000 £. Die Studiendurchführung lag bei dem Auftragsforschungsinstitut Parexel. Entwickelt wurde der Antikörper von der Würzburger Firma Tegenero Immuno Therapeutics, hergestellt von der Firma Boehringer Ingelheim. Ziel des Antikörpers war es, bei Autoimmunerkrankungen und Blutkrebs das therapeutische Immunsystem auszubalancieren. Die sechs Probanden der Testgruppe bekamen eine erheblich unter der in Tierversuchen ermittelten Dosierung des Testpräparats. TGN1412 bewirkte eine superagonistische Wirkung auf die Immunzellen und löste einen Zytokinsturm aus. Bei den sechs Probanden stellte sich nach kurzer Zeit ein lebensgefährliches multiples Organversagen ein und sie mussten auf die Intensivstation verlegt werden. Vorangegangene Tierversuche an „Menschenaffen“ ließen auf eine solche Wirkung nicht schließen. Dass Verdachtsmomente bei den Tierversuchen nicht vorlagen, lag – so stellte sich später heraus – an geringfügigen Abweichungen der Aminosäuresequenzen. In Deutschland wurde die Studie von der ehemaligen Ethikkommission der Ärztekammer Berlin und vom Paul Ehrlich-Institut genehmigt. Die Genehmigung erfolgte ein wenig später als die der britischen Behörden. Die amerikanische Firma Parexel hatte zusammen mit TeGenero entschieden, den Versuch in London statt bei Parexel in Berlin beginnen zu lassen.19
Besonders prekär ist die Situation, wenn nach der Zulassung des Arzneimittels die Unbedenklichkeit nochmals durch eine klinische Prüfung am Menschen untersucht werden soll, etwa weil sich nach Inverkehrbringen unerwünschte Nebenoder Wechselwirkungen herausstellen. Dies war der Fall in einer Studie zu dem Antifibrinolytikums Aprotinin (Trasylol) von der Herstellerfirma Bayer: In einer groß angelegten randomisierten klinischen Studie, der sog. BART -Studie, in der 2331 kardiochirurgische Patienten eingeschlossen waren, ging man der Vermutung unerwünschter 17
§ 22 Abs. 2 Nr. 3 AMG verlangt die Vorlage „der Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen zahnärztlichen oder tierärztlichen Erprobung“. Gem. § 24 Abs. 1 Nr. 3 AMG bedarf es eines klinischen Gutachtens, aus dem u.a. hervorgeht, „ob das Arzneimittel bei den angegebenen Anwendungsgebieten angemessen wirksam ist, ob es verträglich ist, ob die vorgesehene Dosierung zweckmäßig ist und welche Gegenanzeigen und Nebenwirkungen bestehen“; vgl. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1294; Sander, Erl. § 40 Anm. 5. 18 Instruktiv zu Unterscheidung Gefahrenabwehr und Risikoverwaltung Di Fabio, Risikoentscheidungen, passim, zum Arzneimittelrecht auf S. 166 ff. 19 Zum sog. TeGenero-Fall und den daraus gezogenen Konsequenzen Kenter/Cohen, The Lancet 2006, 1387 ff.; Suntharalingam et al., N Engl J Med 2006, 1018 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1303; Deutsch, VersR 2007, 425, 427; Schneider/Kalinke, Bundesgesundheitsbl. 2007, 1213 ff.; ferner die Meldung im DÄBl. 2006, A-988; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.03.2006, Nr. 11, S. 69; Godt/Engelke, WissR 43 (2010), 2, 3 ff.; s.a. Wood/Darbyshire, KliFoRe 2006, 107 ff.
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Nebenwirkungen des zugelassenen Arzneimittels Aprotinin (Trasylol) nach, das bis dahin bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko eingesetzt wurde. Die Patienten wurde in drei Gruppen randomisiert: Eine Gruppe bekam eine prophylaktische Therapie mit Aprotinin, die andere Tranexamsäure und die dritte Gruppe Aminocapronsäure. Obwohl sich Aprotinin gegenüber den beiden anderen Antifibrinolytika als überlegen erwies, zeigte sich eine um 53 % signifikant höhere Mortalität der Patienten unter Aprotinin.20 Die Studie ist daraufhin vorzeitig abgebrochen worden. Aber nicht nur die BART-Studie beschäftigte sich mit der Unbedenklichkeit von Aprotinin.21 Das BfArM ordnete auf der Grundlage der publizierten Studien das Ruhen der Zulassung an.
Man wird in Anlehnung an Deutsch insoweit ergänzen dürfen, dass die klinische Prüfung auch die „materielle Seite des Rückzugs“ eines zugelassenen Arzneimittels darstellen kann. Die Konnexität von klinischer Prüfung und Zulassung hat auch Schattenseiten, denn die enge Anbindung der Arzneimittelzulassung an die vorangegangenen klinischen Prüfungen bedeutet gleichzeitig, dass die Zulässigkeit klinischer Prüfungen zugleich den Umfang der späteren Zulassung bestimmen kann, was gerade auf dem Gebiet der Kinderheilkunde deutlich wird. Je nach Altersgruppe und Krankheitsbild sind derzeit 40–90 % der Arzneimittel, die in der Pädiatrie zum Einsatz kommen, nicht für die Verwendung bei Kindern zugelassen.22 Die für das Arzneimittelwesen immanenten unmittelbaren und mittelbaren Arzneimittelrisiken lassen sich für die klinische Prüfung mit dem Spagat zwischen Patienten-/Probandengefährdung und Innovationsverhinderung23 sowie mit dem Spagat zwischen Patienten-/Probandengefährdung und der Aufdeckung einer nur scheinbaren Innovation in Bezug nehmen. Di Fabio hat anschaulich das Charakteristikum arzneimittelrechtlicher Risikoentscheidungen mit der Herstellung von Rechtsgüterkonkordanzen beschrieben und die (positive) Nutzen-RisikoBilanzierung als ein Typmerkmal von Risikoentscheidungen hervorgehoben. Es handelt sich durchweg um Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die unter besonderen Ungewissheitsbedingungen bzw. kognitiven Defiziten zu treffen sind und ein Zuwarten auf die Gefahrenrealisierung nicht erlauben. Bei der Arzneimittelzulassung besteht das Bedürfnis nach breiter empirischer Anwendung zur sicheren Beurteilung der Arzneimittelwirkung. Bei der Arzneimittelerprobung wird der Mensch bei niedrigerem Grad des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes vorwiegend oder ausschließlich zur Erkenntnisgewinnung systematisch-kontrolliert instrumentalisiert. Trotz der engen Verzahnung von Zulassung und klinischer Prüfung im allgemeinen Bereich der (Risiko-)Präventionsarbeit handelt es sich bei der klinischen Prüfung um 20 Vgl. Fergusson et al., N Engl J Med 2008, 2319 ff.; (BART = Blood Conservation using Antifibrinolytics in a Randomized Trial); hierzu auch die Meldung im DÄBl. 2008, A-1092. 21 Vgl. Schneeweiss et al., N Engl J Med 2008, 771 ff.; Shaw, N Engl J Med 2008, 784 ff.; zusammenfassend und zu weiteren Studien vgl. die Meldung im DÄBl. 2007, A-3138 m.w. Nachw. 22 Ausf. hierzu Sprecher, Medizinische Forschung, S. 4 ff. m.w. Nachw.; Lehmann/Mentzer/ Fischer/Mallinckrodt-Pape, Bundesgesundheitsbl. 2009, 410 ff. 23 Das Arzneimittelrecht dient gleichsam der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, insbesondere der medikamentösen Bekämpfung neuer Krankheiten, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1152 ff. u. 1295. Treffend Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 167: „Der präventive Staat soll Arzneimittelsicherheit gewährleisten, ohne Innovationen zu hindern“.
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ein eigenständiges Sicherheitsproblem iSe speziellen „Vorab-Prävention“: Es wird an einem überschaubaren Personenkreis getestet, um Schäden von einem breiteren Personenkreis fernzuhalten.24
C. Grundlagen der Arzneimittelprüfung I. Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG und Abgrenzungsfragen Die aus praktischer Sicht mit zahlreichen „juristischen Grauzonen“ belastete und medizinisch-wissenschaftlich bewertungsbedürftige Frage nach vorlagepflichtigen Vorhaben iSd §§ 40 ff. AMG stellt vor überaus schwierige Hürden, die auch auf die Haftung für Ethik-Kommissionen Auswirkungen hat.25 Nicht zuletzt liegt dies an dem Patienten-/Probandenschutzgefälle zwischen den §§ 40 ff. AMG und solchen Vorhaben, für die keine bereichsspezifischen Normierungen bestehen und nur nach § 15 MBO-Ä beratungs-, nicht jedoch genehmigungspflichtig sind. Soweit § 15 MBOÄ eine „berufsethische und berufsrechtliche Beratung“ vorschreibt, so schließt dies notwendigerweise auch die Pflicht der berufsberatenden Ethik-Kommission ein, zugunsten des Forschers und der zukünftigen Versuchsteilnehmer auf den Anwendungsbereich des AMG zu achten (berufsrechtliche Beratung). Die Schwierigkeit bei der Abgrenzung liegt in der Subsumtion unter den Begriff des „Arzneimittels“ und unter den Begriff der „klinischen Prüfung“. Denkbar sind insgesamt vier Konstellationen: 1. Das Vorhaben fällt sowohl unter das AMG als auch unter den Begriff der „klinischen Prüfung“. 2. Das Vorhaben fällt unter das AMG ohne den Begriff der klinischen Prüfung zu erfüllen. 3. Das Vorhaben fällt nicht unter das AMG, würde aber den Begriff der klinischen Prüfung erfüllen. 4. Das Vorhaben fällt weder unter das AMG noch unterfällt es dem Begriff der klinischen Prüfung.
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Hierzu und zum Charakteristikum (arzneimittelbezogener) Risikoentscheidungen Di Fabio, Risikoentscheidungen, bes. S. 126 ff., 169 ff., 181 ff., 211 ff. u. passim; ferner Wölk, Risikovorsorge, S. 188 ff. 25 Gemäß dem Bericht der Bundesregierung zu Erfahrungen mit dem Verfahren der Beteiligung von Ethik-Kommissionen bei klinischen Prüfungen ist die Abgrenzung zwischen AMG- und NichtAMG-Studien ein „grundsätzliches Problem“, welches in den Sitzungen der Ethik-Kommissionen zu „zeitaufwendigen Diskussionen“ führe. Es soll geprüft werden, ob der Bundesoberbehörde diese Entscheidung bei der Abgrenzungsfrage verbindlich übertragen werden soll; vgl. BT-Drs. 16/7703, S. 7. Näheres zur Haftung für Ethik-Kommissionen bei den Abgrenzungsfragen unten, § 9 B.III.
§ 4 Grundlagen der Arzneimittelprüfung und die Stellung der Ethik-Kommissionen
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Im erstgenannten Fall handelt es sich um den klassischen Fall der klinischen Prüfung nach dem AMG, etwa um Arzneimittelzulassungsstudien. Abgrenzungsschwierigkeiten können im zweiten Fall insbesondere unter dem Aspekt der nichtinterventionellen Prüfung auftreten, § 4 Abs. 23 S. 3 AMG. Die dritte Konstellation indiziert das Vorliegen eines (bio-)medizinischen Forschungsvorhabens nach § 15 MBO-Ä, da die Begriffsdefinition der klinischen Prüfung einen Auszug aus dem umfassend zu verstehenden Begriff der „(bio-)medizinischen Forschung“ darstellt. Bei dem letztgenannten Fall kann es sich entweder um ein Vorhaben handeln, dass zwar nicht unter den speziellen Begriff der klinischen Prüfung, wohl aber unter den Begriff der (bio-)medizinischen Forschung fällt; es kann aber auch ein Vorhaben vorliegen, das überhaupt nicht unter den Oberbegriff der (bio-)medizinischen Forschung fällt, z. B. individuelle Heilversuche. Direkte Anwendung finden die §§ 40 ff. AMG ausschließlich auf Prüfvorhaben, die die Kriterien der erstgenannten Konstellation erfüllen. Für sie besteht das präventive Verbot mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt, §§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG. Keine Anwendung finden die §§ 40 ff. AMG dagegen auf solche Vorhaben, die nichtinterventioneller Art iSd § 4 Abs. 23 S. 3 AMG sind. Hier kann aber eine Beratungspflicht des Forschers nach § 15 MBO-Ä bestehen.
1. Reichweite des Arzneimittelgesetzes a. Personaler Geltungsbereich des AMG und Normadressaten der §§ 40 ff. AMG In erster Linie richtet sich das AMG als „Arzneimittelverkehrsrecht“ an die zentrale Rechtsfigur des pharmazeutischen Unternehmers26 , ist jedoch auf diesen nicht beschränkt.27 Vielmehr will das Arzneimittelrecht als Risikovorsorgerecht gemeinhin und grundsätzlich unabhängig von einer bestimmten Person die Verkehrssicherheit von Arzneimitteln gewährleisten, wie dies § 1 AMG als „Programmsatz“ zum Ausdruck bringt.28 Insoweit richten sich auch die §§ 40 ff. AMG als Patienten/Probandenschutznormen nicht nur an den pharmazeutischen Unternehmer, sondern sowohl an den Arzt sowie an sonstige Personen, die einen Stoff am Menschen iSd § 4 Abs. 23 AMG anwenden.29 Soweit sie auch den Arzt binden, entfalten 26 Der „Pharmazeutische Unternehmer“ ist in § 4 Abs. 18 AMG näher bestimmt. Er ist danach „bei zulassungs- oder registrierungspflichtigen Arzneimitteln der Inhaber der Zulassung oder Registrierung. Pharmazeutischer Unternehmer ist auch, wer Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr bringt, außer in den Fällen des § 9 Abs. 1 Satz 2“. Zum Begriff ausf. Rehmann, Einf. Rn. 21 ff. u. § 4 Rn. 20. 27 Das AMG enthält sowohl allgemeine Verbote, die sich an „jedermann“ richten können, erfasst aber auch speziell mit Vorschriften zur Verschreibung und Anwendung von Arzneimitteln ärztliche Tätigkeiten sowie Tätigkeiten von Apothekern; vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 101. 28 Hierzu etwa Rehmann, § 1 Rn. 1; Di Fabio, Risikovorsorge, S. 4 f. u. 166 f.; ausf. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1151 ff. 29 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 1b u. 6. Es ist zum Teil vorgetragen worden, dass sich die §§ 40 ff. AMG nur an den pharmazeutischen Unternehmer richten, sodass von Forschern oder Forschungseinrichtungen initiierte Studien nicht den §§ 40 ff. AMG unterfallen. Die ganz h.M. ist dem
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die Vorschriften indirekte Wirkung, indem sie das Maß zulässiger Heilversuche beschränken.30 b. Sachlicher Geltungsbereich Das AMG und mithin auch die §§ 40 ff. AMG knüpfen an den Begriff des Arzneimittels an, der in § 2 AMG31 näher umschrieben ist.32 In Abs. 1 wird der Begriff des Arzneimittels gegeben, Abs. 2 erfasst sog. Fiktivarzneimittel und in Abs. 3 werden vor allem Lebensmittel und weitere Bereiche aus dem Arzneimittelbegriff ausgeschlossen. Für den Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG kommt es auf die Zweckbestimmung – genauer: auf die objektive Zweckbestimmung – an und grundsätzlich nicht auf diejenige des Herstellers. Die Richtlinie 2004/27/EG stellt für Funktionsarzneimittel33 auf pharmakologische, immunologische und metabolische Wirkungen, mithin auf objektive Merkmale des Produkts ab.34 Zu den wichtigsten Arzneimittelfunktionen sind das Heilen, Lindern und Verhüten von Krankheiten (Abs. 1 Nr. 1) zu zählen. Aus dem Bereich der sog. Fiktivarzneimittel (Abs. 2) erfasst Nr. 1 Gegenstände mit Arzneimittelzusatz. Sie stehen den Arzneimitteln des Abs. 1 gleich, weil sie die gleiche Wirkung entfalten können und unterliegen damit auch der Zulassungspflicht (§ 21 AMG).35 Erfüllt ein Gegenstand die Voraussetzungen eines Medizinprodukts, so ist die Arzneimitteleigenschaft im Einzelfall davon
zutreffend entgegengetreten: Die §§ 40 ff. AMG wollen unabhängig vom jeweiligen Initiator den Versuchsteilnehmerschutz gewährleisten, vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 100 f.; Hart, MedR 1997, 51, 55; ders., MedR 2007, 631 m.w. Nachw; Hägele, Arzneimittelprüfung, S. 253; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 6; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 69 a.E. 30 Hart, MedR 2007, 631 ff. vertritt zudem die Auffassung, dass sich aus der Bindung des Arztes an die Patientenschutznormen des AMG und aus § 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG entnehmen lässt, dass zulassungspflichtige aber noch nicht zugelassene „Prüfarzneimittel“ nicht im Wege eines Heilversuchs außerhalb der klinischen Prüfung angewandt werden dürfen; a.A. (wohl) BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2768; zum Ganzen auch Vogeler, MedR 2008, 697, 701 m.w. Nachw. 31 Im Zuge der 15. AMG-Novelle ist die Legaldefinition des Arneimittelbegriffs an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben angepasst worden. Wesentliche Änderungen zur vorherigen Rechtslage sind nicht zu verzeinen, da die Rspr. bereits die bisherigen Arzneimittelvorschriften gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt und angewandt hat, vgl. Rehmann/Paal, A&R 2009, 195. 32 Nachfolgend können nur die allgemeinen Grundsätze des Arzneimittelbegriffs aufgezeigt werden. Zu groß sind die europäischen Einflüsse und zu umfangreich ist die Praxis gerade in den Abgrenzungsfragen nach § 2 Abs. 3 AMG, vor allem zu Lebensmitteln (Nr. 1), als dass im Rahmen dieser Darstellung eine genauere Erörterung stattfinden könnte. 33 Anders als sog. Präsentationsarzneimittel, die an die äußere Gestaltung („Präsentation“) anknüpfen. Sie sind ebenfalls als Arzneimittel iSd Richtlinie 2004/27/EG anzusehen (Art. 1 Nr. 2a). 34 Einzelheiten zu Funktions- und Präsentationsarzneimitteln bei Kloesel/Cyran, § 2 Anm. 2 ff.; 20 ff.; Rehmann, § 2 Rn. 2 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1187 ff.; aus der Rechtsprechung insb. BGHZ 167, 91 = PharmR 2006, 329; PharmR 2002, 400 (Muskelaufbaupräparat). 35 Nr. 1: „Gegenstände, die ein Arzneimittel nach Absatz 1 enthalten oder auf die ein Arzneimittel nach Absatz 1 aufgebracht ist und die dazu bestimmt sind, dauernd oder vorübergehend mit dem
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abhängig, ob die Arzneimittelbeschichtung der Herbeiführung einer pharmakologischen oder immunologischen Hauptwirkung oder aber nur der Unterstützung der vom Medizinprodukt selbst ausgehenden Wirkung dient.36 § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG stellt insoweit klar, dass es kein Produkt mit doppelter Zuordnung gibt. Nur in Nuancen lässt sich auf § 2 Abs. 3 AMG eingehen, der vor allem Lebensmittel (Nr. 1) und kosmetische Mittel (Nr. 2) aus dem Anwendungsbereich des AMG ausschließt. Für die Abgrenzung ist auf die wesentliche Zweckbestimmung abzustellen, insb. auf die Abgrenzung pharmakologischer und ernährungsphysiologischer Wirkungen. Erfüllt ein Stoff die Kriterien einer pharmakologischen, immunologischen oder metabolische Wirkung, so ist die arzneiliche Zweckbestimmung eindeutig.37 Nahrungsergänzungsmittel kennzeichnen sich dadurch aus, dass sie die normale Ernährung in lebensmitteluntypischer Form ohne therapeutischen Zweck ergänzen. Hauptmaßstab ist hier, wie auch in den übrigen Bereichen, die pharmakologische Wirkung.38 § 2 Abs. 4 AMG schafft insofern Rechtssicherheit bei der Abgrenzung, als Arzneimittel, die als solche registriert oder zugelassen sind, auch als Arzneimittel gelten.39 Der sachlicheAnwendungsbereich der klinischen Prüfung nach den §§ 40 ff. AMG bezieht sich ebenfalls auf Arzneimittel, sodass jede Zuführung eines Stoffes am Menschen, der unter § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 AMG fällt, unter den Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG fallen kann, soweit die besondere Zweckrichtung nach § 4 Abs. 23 AMG vorliegt.40
menschlichen oder tierischen Körper in Berührung gebracht zu werden“; hierzu zählen insb. arzneimittelbeschichtete Pflaster; Einzelheiten sind dagegen überaus fraglich; vgl. Klosel/Cyran, § 2 Anm. 80 ff. u. 154 ff., bei Anm. 159 m. Einzelfällen; ferner Rehmann, § 2 Anm. 21 ff. 36 Vgl. § 3 Nr. 2 MPG. Zum Bereich der Medizinprodukte sind beispielsweise mit Antibiotika beschichtete Katheter zu zählen; weiterführend Rehmann, § 2 Rn. 22; Kloesel/Cyran, § 2 Anm. 83; Dettling, PharmR 2007, 104 ff. 37 So Kloesel/Cyran, § 2 Anm. 107 ff. in Anm. 110 m. Einzelfällen; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1212; jew. m.w. Nachw. aus der umfangreichen und teils abweichenden Rspr. 38 Ausf. Kloesel/Cyran, § 2 Anm. 112 ff., in Anm. 124 m. Einzelfällen; Rehmann, § 2 Rn. 29; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1213; aus der jüngeren Rspr. zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln bzw. Nahrungsergänzungsmitteln BVerwG NVwZ 2008, 439 ff. („OPC-85“); BVerwG NVwZ 2007, 591 ff. m. Anm. Müller (S. 543 – „Tibetische Kräutertabletten“); EuGH PharmR 2008, 59 ff. („Knoblauchkapseln“); OLG Hamm PharmR 2008, 162 ff. („Zimtextrakt“); BGH LMuR 2008, 89 ff. („L-Carnitin II“); BGH NJW-RR 2008, 1255 ff. („HMB-Kapseln“). 39 Dadurch wird ein nur möglich als Arzneimittel einzustufender Stoff als Arzneimittel behandelt, wenn dieser zugelassen oder registriert ist. Es handelt sich um eine „unwiderlegbare Vermutung“ oder um eine „gesetzliche Fiktion“ (str.); vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1220; Sander, Erl. § 2 Anm. 40. 40 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 1b u. 6.
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2. Sachbezogener Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG a. Der Begriff der „Klinischen Prüfung“ nach § 4 Abs. 23 AMG Die Legaldefinition der klinischen Prüfung in § 4 Abs. 23 AMG, die im Zuge der 12. AMG-Novelle und basierend auf der Richtlinie 2001/20/EG eingeführt worden ist41 , bestimmt den genaueren sachlichen Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG. Dabei geht sie ihrer Struktur nach von einer Kombination positiver und negativer Geltungsanordnungen42 aus, indem sie zunächst die klinische Prüfung positiv definiert (S. 1) und anschließend Fälle, für die die Regelungsanordnung nicht gelten soll, ausschließt (S. 2 u. 3). Aus der Antidefinition lassen sich schließlich auch Rückschlüsse auf Inhalt und Zweck der Positivbestimmung ziehen. § 4 Abs. 23 S. 1 AMG bestimmt die klinische Prüfung wie folgt: Klinische Prüfung bei Menschen ist jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen.
Der Begriff der klinischen43 Prüfung ist als ein besonderer anzneimittelbezogener Forschungsbegriff zu verstehen. Einigkeit besteht darüber, dass sich der Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG nicht auf Arzneimittelzulassungsstudien, also auf solche Studien, die den Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die Arzneimittelzulassung erbringen sollen (§ 22 Abs. 2 Nr. 3, 25 Abs. 2 Nr. 4, 8 AMG), beschränkt 44 , die § 40 ff. AMG auch bei bereits zugelassenen Arzneimitteln zur Anwendung kommen können45 und ferner, dass die klinische Prüfung ein so
41 Sie wurde dem Art. 2a) der Richtlinie 2001/20/EG entnommen. Zielsetzung war es, mit einem einheitlichen Begriffsverständnis harmonisierte Rahmenbedingungen für multinationale und multizentrische Arzneimittelprüfungen zu schaffen, vg. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 10; Osieka, Humanforschung, S. 131 ff. 42 Zum Verhältnis von § 4 Abs. 23 S. 1 zu S. 2 u. 3 AMG unten, C.I.2.d. 43 Nicht auf das Einzelmerkmal „klinisch“, sondern auf den Begriff der „klinischen Prüfung“ bezogen besteht Uneinigkeit darüber, wie der Zusatz „klinisch“ zu verstehen ist. Er wird teilweise verstanden „im Sinne der praktischen medizinischen Anwendung“ (Windeler, MedR 1997, 265; Velten, Der medizinische Standard, S. 49), als Synonym für „forschende Studie“ (Meyer, Arzthaftungsrechtliche Verfassung, S. 8 in Fn. 42 u. S. 11), als Gegenbebegriff zur „ärztlichen Praxis“ oder als „Anwendung am Menschen“ (vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 102), und teilweise wird der Hinweis für erforderlich gehalten, dass „klinisch“ nicht bedeute, dass die Prüfung nach AMG/MPG nur in medizinischen Einrichtungen vorgenommen werden dürfe (Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 34). 44 Dies folgt aus einer systematischen Auslegung, denn der Gesetzgeber hat die Vorschriften über die klinische Prüfung in einen von den Zulassungsvorschriften getrenntenAbschnitt aufgenommen; vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 1b u. 6; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 6; Wölk, Risikovorsorge, S. 100 m.w. Nachw. zur damaligen Gegenauffassung vor der 12. AMG-Novelle. 45 Dies gilt beispielsweise für Prüfungen außerhalb der zugelassenen Indikation.
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„vielgestaltiger und komplexer Vorgang [ist], der nur schwer umfassend und zutreffend zu definieren ist“46 . Die in der Definition gegebenen Einzelmerkmale lassen sich zunächst wie folgt beschreiben: klinische Wirkungen sind solche, die am Erscheinungsbild des Patienten/Probanden beobachtet werden können.47 Pharmakologische Wirkungen äußern sich vor allem dadurch, dass sie – in Anlehnung an die Abgrenzung Arzneimittel/Lebensmittel – auf den menschlichen Körper nennenswerte Auswirkungen auf den Stoffwechsel hervorrufen und somit dessen Funktionsbedingungen beeinflussen. ISd § 4 Abs. 23 S. 1 AMG kann man sie, da sie insoweit erst getestet werden sollen, allgemein als Wirkungen verstehen, die durch pharmakologische Parameter beschrieben werden können.48 Die Merkmale des „Erforschens“ und des „Nachweisen“ beschreiben unterschiedliche Vorgänge wissenschaftlicher Forschung. Der Begriff der Nebenwirkungen ist in § 4 Abs. 13 AMG näher umschrieben.49 Die „Resorption“ meint dieAufnahme von Wasser und gelösten Stoffen durch lebende Zellen, die „Verteilung“ bezieht sich auf aufgenommene Stoffe und deren Umsetzungsprodukte (Metaboliten), und unter dem Stoffwechsel ist die Gesamtheit biochemischer Vorgänge im Körper zu verstehen, die schließlich mit der „Ausscheidung“ enden.50 Nur als programmatisch und nicht als konstituierendes Element der Definition lässt sich die beschriebene Zielsetzung der klinischen Prüfung verstehen, denn es ist nicht einzusehen, warum die §§ 40 ff. AMG für solche Prüfungen nicht gelten sollten, deren Ziel nicht in dem Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit liegt.51 Entscheidend im Vordergrund steht vielmehr die Frage, ob Wirkungen eines Arzneimittels am Menschen erforscht werden sollen.52 Die begrifflich-abstrakte und trotz gegebener Legaldefinition notwendige53 Erfassung der klinischen Prüfung ist bislang vergeblich versucht worden. Der Begriff der „klinischen Prüfung“ ist ebenso schillernd wie derjenige der „(bio-)medizinischen Forschung“. Kaum ein anderer Begriff – mit Ausnahme des Arzneimittelbegriffs
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So Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 71; ferner Deutsch, VersR 2005, 1009, 1010. ISd gesamten Symptomenkonstellation und den Verlauf einer Krankheit („Klinisches Bild“); vgl. Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 71; s.a. Pschyrembel, Stichwort „Klinik“. 48 Vgl. Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 71; zur pharmakologischen Wirkung auch BGH NJW-RR 2008, 1255, 1258 f. 49 Sie sind danach „die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen“. 50 Zum Ganzen Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 72. 51 Ebenso Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 72. Aus praktischer Sicht tauchen solche Arzneimittelstudien häufig in Gestalt sog. Über- und Unterlegenheitsstudien auf, bei denen die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel bereits wissenschaftlich erwiesen sind, jene Parameter aber in Relation zweier oder mehrerer Arzneimittel in Beziehung gesetzt werden sollen. 52 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 69. 53 Vgl. Deutsch, VersR 2005, 1009, 1010: „Wie stets ist die Definition so umfassend und damit in Wirklichkeit auch so grenzenlos und ungenau, dass man darunter auch Heilversuche bringen könnte“; Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 71. 47
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selbst – ist jedoch von so großer praktischer Bedeutung, weil hiervon die Anwendbarkeit der Patienten-/Probandenschutznormen der §§ 40 ff. AMG abhängt. Zu begrüßen ist es, dass die Definition der klinischen Prüfung auf den Prüfplan verzichtet hat, der folglich nicht konstitutives Merkmal ist. Sein Fehlen hebt ein Forschungsprojekt daher nicht per se aus dem Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG, sondern kann nur nach § 4 Abs. 23 S. 3 eine nichtinterventionelle Prüfung begründen.54 Aus einer Gesamtschau der §§ 4 Abs. 23 S. 1 u. 3, 40 ff. AMG erscheint es zutreffend, die klinische Prüfung allgemein in Bezug zu nehmen mit einer Determination des individuellen Behandlungsgeschehens durch ein vordergründiges Erkenntnisinteresse in Bezug auf ein Arzneimittel.55 Das Erkenntnisinteresse stellt zum einen Beweggrund für die Vornahme der Determination dar und lässt sich aus der wissenschaftlichen Fragestellung ableiten, ist jedoch auch andererseits wesentlicher Anhaltspunkt dafür, ob überhaupt eine Arzneimittelstudie nach dem AMG vorliegt, denn nicht jeder Einsatz eines Arzneimittels indiziert zugleich das Vorliegen einer klinischen Prüfung.56 § 4 Abs. 23 S. 1 AMG führt nur arzneimitteltypische und arzneimittelbezogene Erkenntnisinteressen auf.57 Die Determination macht sich insoweit bemerkbar, als der Patient/Proband einer von vornherein genormten und kollektivbezogenen Behandlung nach einem bestimmten Studiendesign unterworfen wird.58 Verstehen lässt sich auf der Grundlage dieser Beschreibung, warum individuelle Heilversuche nach h. M. und Anwendungsbeobachtungen nach § 4 Abs. 23 S. 3 AMG nicht unter die §§ 40 ff. AMG fallen sollen, und weshalb für randomisierte, mithin das Behandlungsgeschehen determinierende klinische Prüfungen mit zugelassenen Medikamenten die §§ 40 ff. AMG Anwendung finden. b. Fallgruppen klinischer Prüfungen In der Praxis dominieren medizinische Fallgruppen klinischer Prüfungen. Zu betonen ist aber, dass die Anwendung der §§ 40 ff. AMG nicht von der Zuordnung zu einem bestimmten Studientyp oder der Einordnung in das Phasenmodell abhängig gemacht 54
Vgl. bereits Kollhosser/Krefft, MedR 1993, 93, 95, wonach das Vorliegen eines Prüfplans nicht Begriffsmerkmal sondern Zulässigkeitsvoraussetzung der klinischen Prüfung sein sollte. 55 Zum Kriterium der Determination bereits oben, § 1 B.III.3. 56 So können nicht nur Arzneimittel begleitend in einer Therapie eingesetzt werden, ohne dass das Arzneimittel selbst Gegenstand der wissenschaftlichen Fragestellung ist, sondern Arzneimittel können auch dazu dienen, beispielsweise Symptome hervorzurufen, die näher erforscht werden sollen, etwa ein zum Husten führendes Inhalationsmittel, um den Vorgang des Hustens näher zu erforschen. 57 Vgl. § 4 Abs. 23 1 AMG.„. . . klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen“; zum Erkenntnisinteresse auch Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 1b u. 6. 58 Ähnlich auch Wölk, Risikovorsorge, S. 91: „Der individuelle Patient wird bei der klinischen Prüfung nur insoweit berücksichtigt, wie er den Anforderungen des wissenschaftlich-methodischen Designs der klinischen Prüfung entspricht“.
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werden kann.59 Die Fallgruppen dienen nur dazu, die Reichweite der §§ 40 ff. AMG sichtbar zu machen und bedürfen selbst wiederum einer juristischen Wertung mit Blick auf die Zielsetzung der §§ 40 ff. AMG.
aa. Pilotstudien Die Pilotstudie ist kein arzneimittelbezogener Studientyp, sondern fällt allgemein unter das Themenfeld der medizinischen Forschung.60 Die Pilotstudie dient grundsätzlich der Vorbereitung einer klinischen Prüfung, kann sich an mehrere erfolgreich durchgeführte (individuelle) Heilversuche anschließen und wird ohne Kontrollgruppe an einer geringen Anzahl von Patienten/Probanden durchgeführt.61 Die Gründe für die Durchführung eines Pilotprojekts können unterschiedlich sein: Ihre Ergebnisse können Berechnungsgrundlage für die Bestimmung der Probandenanzahl für die sich anschließende Hauptstudie sein, es kann aber auch eine Überlegenheit oder Unterlegenheit der neuen Behandlungsmethode vorab ermittelt werden, was konsequenterweise eine anschließende Placebostudie entbehrlich machen kann. Ferner kann sie auch der Ausarbeitung eines Prüfplans62 für die Hauptstudien dienen.63 Mit Pilotprojekten im Arzneimittelbereich verhält es sich wie mit den sonstigen Studientypen und Fallgruppen: Eine pauschale Einordnung lässt sich nicht vollziehen. Maßgeblich ist zunächst, soweit ein Arzneimittel innerhalb der (Pilot-)Studie zum Einsatz kommt64 , ob auch ein Erkenntnisinteresse im Hinblick auf das Arzneimittel vorliegt, jenes mithin Gegenstand des Pilotprojekts ist. Eine Pilotstudie kann jedoch die in § 4 Abs. 23 S. 1 angesprochene Zielsetzung nicht erfüllen („. . . sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen“), dient sie doch in erster Linie dazu, erst die Voraussetzungen für die Überzeugungskraft der Hauptstudie herzustellen. Versteht man dagegen die Zielsetzung der klinischen Prüfung programmatisch und nicht als konstituierendes Element, so kann vom Grundsatz her davon ausgegangen werden, dass arzneimittelerkenntnisbezogene Pilotstudien auch grundsätzlich unter die Patientenschutzvorschriften der §§ 40 ff. AMG fallen65 ,
59 Die besonders hervorhebend Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 67 a.E., 68, 69 a.E.; ferner Hägele, Arzneimittelprüfung, S. 261 f. 60 Vgl. Kollhosser/Krefft, MedR 1993, 93, 96 f.; s.a. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 962. 61 Eine Reihe von individuellen Heilversuchen kann daher auch eine Pilotstudie darstellen; vgl. Deutsch, VersR 2005, 1009, 1012; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 962. 62 Z. B. indem Ein- und Ausschlusskriterien vorab näher bestimmt werden können. 63 Hierzu Kollhosser/Krefft, MedR 1993, 93 ff.; Kollhosser, in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 159, 161; Deutsch, VersR 2005, 1009, 1012; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 962; Osieka, Humanforschung, S. 136 f. Genannt wird auch die Erprobung und Optimierung der Zusammenarbeit mehrerer beteiligter Institute. 64 Außerhalb des AMG sind Pilotprojekte nach § 15 Abs. 1 MBO-Ä der Ethik-Kommission vorzulegen; hierzu Kollhosser/Krefft, MedR 1993, 93, 96 f. 65 Ebenso Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 35; ähnlich Osieka, Humanforschung, S. 136 f.
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denn eine Erforschung (im Gegensatz zum „Nachweis“66 ) klinischer oder pharmakologischer Wirkungen iSd § 4 Abs. 23 S. 1 AMG wird idR vorgesehen sein.67 Auch die vorherrschende Auffassung in der Literatur ordnet arzneimittelbezogene Pilotstudien als klinische Prüfungen iSd § 4 Abs. 23 S. 1 AMG ein, wenn die wissenschaftliche Erkenntnis oder die Vorbereitung der klinischen (Haupt-)Studie im Vordergrund steht.68 In Abgrenzung zu einer Mehrzahl von (individuellen) Heilversuchen kennzeichnet sich die Pilotstudie dadurch aus, dass sie die Individualität so determiniert, um Rückschlüsse für die Konzeption und/oder Erfolgssaussichten für eine Hauptstudie ziehen zu können. Bei individuellen Heilversuchen bleibt die individuelle Behandlungssituation behandlungsleitend.69
bb. Arzneimittelentwicklungsprüfungen bis zur Zulassung – Studien der Phase I-III Zulassungsstudien, d. h. solche Studien, mit denen später die Zulassung des Arzneimittels beantragt werden soll oder die Erweiterung des Anwendungsgebietes (vgl. § 29 Abs. 3 Nr. 3 AMG) bereits zugelassener Arzneimittel begehrt wird70 , stellen die praxisrelevantesten Formen der Arzneimittelprüfung dar. Klinische Prüfungen, die auf Zulassung eines neuen Medikaments oder auf die Erweiterung des Indikationsgebietes ausgerichtet sind, werden international in vier zeitlich aufeinander folgende Phasen unterteilt. Die Phasen I-III betreffen die Entwicklungsprüfung, auf deren Grundlage die Zulassung bzw. die Indikationserweiterung des Arzneimittels erfolgt. Die Phase IV betrifft die Überwachung nach Zulassung, was z. T. zu Überschneidungen mit Anwendungsbeobachtungen führen kann. Niedergelegt sind die Definitionen der einzelnen Prüfphasen im Dokument „Note for Guidance on General Considerations for Clinical Trials“ (CPMP/ICH/291/95), welches jedoch nur in typisierter Form Gegenstand und Ziele der einzelnen Phasen beschreibt, ohne Fragestellungen und Zielsetzungen vorzuschreiben. Die Phasen sind so ausgestaltet bzw. müssen seitens des Sponsors so konzipiert sein, dass auf der Grundlage der Ergebnisse einer abgeschlossenen Phase darüber entschieden werden kann, ob in die nächste Phase im Hinblick auf den Patienten-/Probandenschutz und die Bedeutung
66 Eine Pilotstudie ist ebenfalls nicht geeignet, einen „Nachweis“ zu erbringen, denn es entspricht dem Wesen einer Pilotstudie, den Nachweis der Hauptstudie vorzubehalten. 67 Freilich kommen auch die Übrigen in § 4 Abs. 23 S. 1 AMG genannten erkenntnisbezogenen Alternativen in Betracht. 68 Deutsch, VersR 2005, 1009, 1012; Osieka, Humanforschung, S. 136 f.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 35; strenger Kollhosser/Krefft, MedR 1993, 93, 94 ff; Hägele, Arzneimittelprüfung, S. 262 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 73. 69 Im Ergebnis auch Deutsch, VersR 2005, 1009, 1012: „Sofern jedoch nicht die wissenschaftliche Erkenntnis oder die Vorbereitung der klinischen Studie im Vordergrund steht, sondern die Heilung, sei es auch einer ganzen Zahl von Patienten. . . ist § 40 AMG n.F. nicht anwendbar“. 70 Zu Letzterem Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1293.
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des Arzneimittels für die Zukunft eingetreten werden darf.71 Die Phasen I-III werden wie folgt beschrieben72 : (1) Phase I – „Human Pharmacology“ Phase I betrifft die Humanpharmakologie.73 Sie wird nach Möglichkeit durchgeführt an einer geringen Anzahl gesunder freiwilliger und vorwiegend männlicher Probanden und dient der vorläufigen Bewertung der Unbedenklichkeit und Verträglichkeit nach Abschluss des tierexperimentellen Teils der Arzneimittelentwicklung. Zusätzlich werden Daten zur Pharmakokinetik und soweit möglich auch zur Pharmakodynamik gewonnen.74 Pharmakokinetische Untersuchungen erfolgen nach einmaliger und wiederholter Gabe, um den zeitlichen Verlauf der Pharmakokinetik des Prüfpräparates erfassen zu können. Für die nachfolgende therapeutische Erprobung im Rahmen der Phase II ist es notwendig, durch die pharmakokinetischen Ergebnisse (wie z. B. Linerarität einer Dosisabhängigkeit, Zeit bis zum Erreichen der Steady-state-Konzentration) Dosierungsschemata für die nachfolgende Patientenpopulation erstellen zu können. Hochtoxische Substanzen, etwa Chemotherapeutika, werden dagegen nur an Patienten durchgeführt, bei denen günstige Auswirkungen auf das Krankheitsbild zu erwarten sind.75 Da die Phase I die Erstverabreichung am Menschen darstellt, ist größte Aufmerksamkeit geboten. Als Erstdosis (MRSD)76 ist diejenige zu wählen, die aus der präklinischen Prüfung, insb. aus den tierexperimentellen Prüfungen, pharmakologisch und toxikologisch unbedenklich war. Sie sollte innerhalb der Grenzen der toxischen und der therapeutischen Wirkung liegen, wobei ein notwendiger „Sicherheitsabstand“ zwischen der toxischen Dosis beim Tier zum Menschen einzuberechnen ist.77 Phase I Studien werden manchmal zusätzlich noch untergliedert in Phase Ia (Einzeldosis) und Ib (Mehrfachdosierung).78
71
Vgl. Osieka, Humanforschung, S. 132. Überblick aus der umfangreichen Literatur zu den einzelnen Prüfphasen: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1304 ff.; Sander, Erl. § 40 Anm. 6b; Hägele, Arzneimittelprüfung, S. 97 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 132 ff.; Rehmann, Vorb § 40 ff. Rn. 4; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 37 ff. 73 CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.1: „Most typical kind of study: Human Pharmacology”. 74 Vgl. auch CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.1 b) u. c). 75 Vgl. auch CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.1: „Drugs with significant potential toxicity, e.g. cytotoxic drugs, are usually studied in patients”. 76 Sog. „Maximum recommended starting dose“. 77 Nicht selten werden vorher sog. „Pre-Phase I“ durchgeführt, in der eine einmalige Mikrodose verabreicht wird. 78 Speziell zu Phase I: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1305; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 48 u. 51 ff.; ausf. Miletzki/Gleiter, Bundesgesundheitsbl. 2005, 438 ff. 72
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(2) Phase II – „Therapeutic Exploratory“ Phase II betrifft die therapeutische Erprobung.79 Das Prüfmedikament wird an Patienten mit Symptomen und Erkrankungen verabreicht, zu deren Behandlung das Arzneimittel vorgesehen ist. Die Unbedenklichkeit und die Wirksamkeit wird in einem ersten Schritt an einer begrenzten Anzahl von bis zu 100 Patienten unter Kurzzeitanwendung getestet (sog. POC = Proof of Conzept, oder Phase IIa). Anschließend werden nähere Prüfungen zur Dosisfindung, Testung von Dosis-Wirkungsbeziehungen und zur Verträglichkeit an mehreren hundert Patienten vorgenommen (Phase IIb). Phase II Studien sind wesentliche Voraussetzung für die therapeutische Bestätigung (Phase III), indem sie die notwendigen Daten zur minimal wirksamen, mittleren und maximal wirksamen Dosis für die Zielpopulation liefern („Dosisfindungsstudie“).80 (3) Phase III – „Therapeutic Confirmatory“ Phase III dient der therapeutischen Bestätigung.81 Studien der Phase III werden kontrolliert, randomisiert und grundsätzlich doppelblind durchgeführt. Verglichen wird das Prüfmedikament entweder mit einer vorhandenen Standardtherapie oder mit einem Placebo. Ziel der Phase III ist es, den eindeutigen Nachweis der Wirksamkeit und der Verträglichkeit zu erbringen und möglichst auch Arzneimittelinteraktionen abzuklären, sowie das Nutzen-Risiko-Verhältnis im Hinblick auf das Indikationsgebiet zu ermitteln.82 Bei Langzeitanwendung sollten mindesten 1500 Patienten eingeschlossen sein. Als Phase IIIa werden Studien vor Stellung des Zulassungsantrags (zulassungsrelevante Studien) bezeichnet, nach Stellung des Zulassungsantrags aber vor Erhalt der Zulassung auch als Phase IIIb. Zur Phase III lassen sich ferner Studien zählen, in denen ein Arzneimittel in einer noch nicht zugelassenen Indikation oder in einer neuen Kombination getestet wird.83 cc. Post-autorisation Studies und Post-autorisation Safety Studies – Unbedenklichkeitsprüfungen nach Zulassung Klinische Prüfungen nach Zulassung dienen der Nutzenbewertung des Arzneimittels unter Alltagsbedingungen unter gleichzeitiger Einbeziehung wissenschaftlichmedizinischer Erkenntnisse. Sie sind für die Erfassung unerwünschter Neben- und 79
Vgl. CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.2: „Most typical kind of study: Therapeutic Exploratory” Vgl. CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.2: „An important goal for this phase is to determine the dose(s) and regimen for Phase III trials”; speziell zu Phase II: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1306; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 48 f. u. S. 63 ff. 81 Vgl. CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.3: „Most typical kind of study: Therapeutic Confirmatory” 82 Vgl. CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.3: „Studies in Phase III are designed to confirm the preliminary evidence accumulated in Phase II that a drug is safe and effective for use in the intended indication and recipient population”. 83 Speziell zu Phase III: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1307; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 49 u. 65 f. 80
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Wechselwirkungen weitaus vielversprechender als kontrollierte Zulassungsstudien, die auf den Wirksamkeitsnachweis abzielen.84 Die unter die Kategorie „Postautorisation-Studies“ (PAS) und „Post-autorisation Safety Studies“ (PASS) fallenden Prüfungen lassen sich nicht zusammenfassend entweder der „Klinischen Prüfung“ nach den §§ 4 Abs. 23 S. 1, 40 ff. AMG oder den nicht interventionellen Prüfungen nach § 4 Abs. 23 S. 2 u. 3 AMG zuordnen. Nicht von einer kategorischen, sondern vom jeweiligen Einzellfall abhängigen Zuordnung geht auch Art. 1 Nr. 15 der Richtlinie 2001/83/EG aus: Unbedenklichkeitsstudie nach der Zulassung: Eine pharmaepidemiologische Studie oder klinische Prüfung gemäß den Bestimmungen der Zulassung mit dem Ziel, eine Gesundheitsgefahr im Zusammenhang mit einem zugelassenen Arzneimittel festzustellen oder quantitativ zu beschreiben
Die Gemeinsamkeiten der in diese Kategorie fallenden Studien bestehen darin, dass die Arzneimittelverabreichung innerhalb der zugelassenen Indikation erfolgt. Im Wesentlichen lassen sich zwei Studienarten eindeutig der klinischen Prüfung und mithin den §§ 40 ff. AMG zuordnen.85 (1) Phase IV – „Therapeutic Use“ Phase IV-Studien dienen der therapeutischen Anwendung86 nach Erhalt der Zulassung im Rahmen der zugelassenen Indikation an mehreren tausend Patienten. Sie bezwecken die Vertiefung des vorhandenen Wissens über das Arzneimittel im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs, indem sie die Nutzen-Risiko-Bewertung überprüfen oder bestätigen, seltene unerwünschte Arzneimittelwirkungen identifizieren und die Dosierungsempfehlungen kontrollieren. Aus der Prämisse geringer Repräsentativität der untersuchten Probanden/Patienten ist es innerhalb der Phase I-III nicht möglich, Aussagen über bestimmte Patientengruppen zu treffen. Ferner fehlt es häufig an Daten zur eindeutigen Heilung oder zur Nutzen-Risiko-Bewertung bei Patienten mit bestimmten Begleiterkrankungen. Insofern sind Studien der Phase IV nicht darauf beschränkt, ausschließlich der Überprüfung des Sicherheitsprofils des Arzneimittels zu dienen.87 Der pharmazeutische Unternehmer erfüllt durch die umfassende Überprüfung seine ihm durch das Inverkehrbringen des Arzneimittels obliegende Verkehrssicherungspflicht. Phase IV Studien unterliegen den 84 Vgl. hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 517 ff., wonach schätzungsweise ein Prüfmedikament an 2.600 Patienten vor Zulassung getestet wird. Dies reicht nur aus, um etwa 0,1 % an unerwünschten Arzneimittelwirkungen festzustellen. 85 Weiterführend zu post-autorisation Studies und zu den einzelnen Erscheinungsformen Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 518 ff. 86 Vgl. CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.4: „Variety of Studies: - Therapeutic Use”. 87 Vgl. CPMP/ICH/291/95 unter Nr. 3.1.3.4: „Studies in Phase IV are all studies (other than routine surveillance) performed after drug approval and related to the approved indication. They are studies that were not considered necessary for approval but are often important for optimising the drug’s use. They may be of any type but should have valid scientific objectives”.
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§§ 40 ff. AMG.88 Zu berücksichtigen ist hingegen, dass der Übergang zu Anwendungsbeobachtungen fließend sein kann, da auch die Phase IV-Studien sich als nichtinterventionelle Prüfungen iSd § 4 Abs. 23 S. 3 AMG darstellen können. Phase IV-Studien erfolgen jedoch im Rahmen ihrer Optimierungs- und Überprüfungsfunktion grundsätzlich einem Prüfplan und sind nicht ausschließlich der ärztlichen Praxis zuzuordnen. Für Phase IV-Studien gelten dagegen Erleichterungen im Hinblick auf die Kennzeichnung der Prüfpräparate und bezüglich der der Bundesoberbehörde vorzulegenden Unterlagen (vgl. §§ 5 Abs. 8; 7 Abs. 5 GCP-V).89 (2) Intervenierende Post-autorisation und Post-autorisation Safety Study Aus einem Umkehrschluss zu § 4 Abs. 23 S. 3 AMG folgt, dass Studien, die über rein epidemiologische Analysemethoden hinausgehen, als klinische Prüfungen einzuordnen sind. Hauptfall derartiger intervenierender Studien nach Zulassung des Arzneimittels sind kontrollierte Studien, in denen unerwünschte Ereignisse (UEs) nach Zulassung erforscht werden, um dadurch die Unbedenklichkeit des Arzneimittels zu bestätigen, zu widerlegen, den Mechanismus der UEs zu ergründen bzw. zu beschreiben.90 Im Gegensatz zu Anwendungsbeobachtungen determinieren sie die individuelle Behandlungssituation und richten sie nach der Zielsetzung der Prüfung aus. Sie können nicht mehr der ärztlichen Praxis zugeordnet werden und vollziehen sich nach einem vorab festgelegten Prüfplan. dd. Superiority trials und non-inferiority trials Schwieriger zu beurteilen sind vergleichende Therapiestudien, in denen Arzneimittel jeweils nach Zulassung und in der jeweils zugelassenen Indikation an zwei oder mehreren Gruppen gegeneinander getestet werden, etwa vergleichende Kohortenstudien91 , oder sog. Überlegenheits- („superiority trials“) bzw. Nichtunterlegenheitsstudien („non-inferiority trials“), in denen beispielsweise nachgewiesen werden soll, dass ein Arzneimittel gegenüber einem anderen oder ggf. gegenüber einer neuen Formulierung des Arzneimittels nicht unterlegen bzw. wirksamer ist als das andere in der konkreten Therapie. Auch hier kommt es darauf an, ob intervenierend in den Behandlungsablauf eingegriffen wird. Bei derartigen Studien spricht 88
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1308. Speziell zu Phase IV-Studien: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1308; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 49, 66, 530 ff.; Sander, Erl. § 40 Anm. 6b; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 16 90 Vgl. Art. 1 Nr. 15 der Richtlinie 2001/83/EG; im Einzelnen Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 517 ff. 91 Im Rahmen von Kohortenstudien (Kohorte: repräsentative Stichprobe aus der zu einer untersuchenden Grundgesamtheit) werden Patienten (einarmig) oder mehrere Gruppen von Patienten (mehrarmig) prospektiv über einen definierten Zeitraum systematisch bezüglich des Auftretens vorher festgelegter und bestimmter Ereignisse untersucht. Vergleichend sind Kohortenstudien dann, wenn eine Gruppe von Patienten unter einer bestimmten verschriebenen Therapie mit einer anderen Patientengruppe verglichen wird, die die gleiche Therapie in anderer Dosierung oder keine Therapie erhält. Zu Kohortenstudien vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 936 a.E.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 521 f.; ausf. Mathis/Gartlehner, WMW 2008, 174 ff. 89
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eine gewisse Vermutung für den intervenierenden Charakter, denn ein Wirksamkeitsnachweis verlangt hier grundsätzlich ein dreiarmiges Parallelgruppendesign mit Randomisierung und Placebokontrolle oder einer Verumgabe unterhalb der therapeutischen Wirksamkeitsgrenze sowie eine genaue Studienplanung mit anschließender statistischer Auswertung. Jener Studientyp entspricht idR demjenigen einer Phase III-Studie.92 ee. Therapieoptimierungs- und Dosisfindungsstudien Therapieoptimierungsstudien werden sowohl mit nicht zugelassenen Arzneimitteln, mit zugelassenen Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation als auch mit zugelassenen Arzneimitteln innerhalb der zugelassenen Indikation durchgeführt. Entsprechend der Namensgebung dieses Studientyps geht es bei ihnen um die Optimierung eines Therapieschemas. Ihre Zielsetzung kann unterschiedlich sein: So kann beispielsweise ein bereits zugelassenes Arzneimittel zusammen mit anderen zugelassenen Arzneimitteln, insgesamt jedoch in einer nicht zugelassenen Kombination getestet werden (sog. „adjuvante Intervention“).93 Geht es vorwiegend darum, die wirksamste therapeutische Dosierung auszumachen, so spricht man auch von Dosisfindungsstudien. Auch hier wird sowohl innerhalb der zugelassenen Dosierung als auch vergleichend zwischen zugelassener und nicht zugelassener Dosierungen getestet. Beiden Studienfallgruppen ist gemeinsam, dass sie nicht ohne Vergleichsgruppe auskommen und sie wenn möglich randomisiert, doppelblind und placebo- und/oder verumkontrolliert durchgeführt werden. Bei Dosisfindungsstudien wird oftmals auch anstelle eines Placebos nur die unterste therapeutische Wirksamkeitsdosis gegeben.94 Therapieoptimierungs- und Dosisfindungsstudien, die auf den Wirksamkeitsnachweis ausgerichtet sind, werden intervenierend nach einem vorab festgelegten Prüfplan durchgeführt. Die h. L. geht insoweit auch davon aus, dass es sich bei Therapieoptimierungs- und Dosisfindungsstudien um klinische Prüfungen iSd § 4 Abs. 23 S. 1 AMG handelt, für die die §§ 40 ff. AMG anzuwenden sind.95 92
Allgemein hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 309, 320, 329. Adjuvante Studien sind vor allem in der Onkologie zu finden. Hier werden insbesondere verschiedene und in der jeweiligen Kombination nicht zugelassene Chemotherapeutika getestet. Dabei bekommt eine Gruppe die neuartige Kombination, die andere die Standardbehandlung. Bei neoadjuvanten Studien wird eine Gruppe mit dem neuen Arzneimittel vorbehandelt während die andere meistens ein Placebo erhält und beide Gruppen anschließend die Standardbehandlung. Derartige Therapieoptimierungsstudien sind im Ergebnis „Zulassungsstudien“ entweder der Phase II oder III, weil sie letztendlich auf die Zulassung der erweiterten Indikation ausgerichtet sind; vgl. auch Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 49 u. S. 65. 94 Sog. Dosis-Wirkungs-Design. Die untere Dosis kann insgesamt wirkungslos sein oder aber eine kaum nachweisbare Wirkung erzielen; vgl. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 309 u. S. 319. 95 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 24; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 16; Osieka, Humanforschung, S. 137; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 49; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 41; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 73; Hägele, Arzneimittelprüfung, S. 258 ff.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 202 f.; Wölk, Risikovorsorge, S. 102; a.A. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1308, wonach Dosismaximierungen unter § 4 Abs. 23 S. 3 AMG fallen sollen. 93
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c. Nichtinterventionelle Prüfungen nach § 4 Abs. 23 S. 3 AMG Nach § 4 Abs. 23 S. 2 AMG werden nichtinterventionelle Prüfungen aus dem Anwendungsbereich der klinischen Prüfungen nach S. 1 ausgenommen. S. 3 definiert die nichtinterventionelle Prüfung wie folgt: Nichtinterventionelle Prüfung ist eine Untersuchung, in deren Rahmen Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden; dabei folgt die Behandlung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis; soweit es sich um ein zulassungspflichtiges oder nach § 21 a Absatz 1 genehmigungspflichtiges Arzneimittel handelt, erfolgt dies ferner gemäß den in der Zulassung oder der Genehmigung festgelegten Angaben für seine Anwendung.96
Die Begriffsbestimmung ist angelehnt an Art. 2c) der Richtlinie 2001/20/EG, die jedoch viel präziser als das AMG den Begriff der „Nichtintervention“ bestimmt: „Nicht-interventionelle Prüfung“ eine Untersuchung, in deren Rahmen die betreffenden Arzneimittel auf übliche Weise unter den in der Genehmigung für das Inverkehrbringen genannten Bedingungen verordnet werden. Die Anwendung einer bestimmten Behandlungsstrategie auf den Patienten wird nicht im Voraus in einem Prüfplan festgelegt, sie fällt unter die übliche Praxis, und die Entscheidung zur Verordnung des Arzneimittels ist klar von der Entscheidung getrennt, einen Patienten in eine Untersuchung einzubeziehen. Auf die Patienten darf kein zusätzliches Diagnose- oder Überwachungsverfahren Anwendung finden, und zur Analyse der gesammelten Daten werden epidemiologische Methoden angewandt.
Die Nichtintervention bedeutet folglich nicht, dass überhaupt keine invasiven Maßnahmen zum Einsatz kommen dürfen, sondern dass dem Arzt bei der Behandlung des Patienten keine studienspezifische Vorgaben gemacht werden dürfen: Nur das Wohl und nicht die wissenschaftliche Fragestellung darf behandlungsleitend sein. Nichtintervention ist folglich gleichzusetzen mit der Nichtbeeinflussung des behandelnden Arztes in Bezug auf Indikationsstellung, Wahl und Durchführung der Therapie. Sobald zusätzliche Diagnose- oder Überwachungsverfahren angewandt werden, verliert die Prüfung den Charakter der Nichtintervention.97 aa. Anwendungsbeobachtungen (§§ 67 IV, 28 Abs. 3a AMG) Die h. L. setzt die nichtinterventionelle Prüfung zutreffend mit dem Begriff der Anwendungsbeobachtung (AWB) gleich. Hierunter werden Beobachtungen gefasst, die der Behandlung vollständig untergeordnet sind: Anwendungsbeobachtungen sammeln Beobachtungen ohne zusätzlich zu intervenieren.98 In den „Empfehlungen zur Planung und Durchführung von Anwendungsbeobachtungen (AWB)“ vom 96
Mit der 15. AMG-Novelle ist § 4 Abs. 23 S. 3 AMG modifiziert worden. Es wurde klargestellt, dass eine nichtinterventionelle Prüfung auch die Beobachtung von Wirkungen solcher Arzneimittel einschließen kann, für deren Inverkehrbringen keine Zulassung oder Genehmigung nach § 21a AMG vorgeschrieben ist; vgl. BT-Drs. 16/12256 S. 42. 97 Hierzu auch Sander, Erl. § 40 Anm. 4b; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 24. 98 Vgl. zu Anwendungsbeobachtungen Hart, in: Rieger, LdA, § 2880, Rn. 3: „Abfallprodukt der Behandlung“; Sander, Erl. § 40 Anm. 4b; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 24; Rehmann, Vor §§ 40 ff.
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12.11.1998 seitens des BfArM ist die entgegengesetzte Situation von intervenierenden (§§ 40 ff.) und nichtintervenierenden (§ 4 Abs. 23 S. 3 AMG) klinischen Prüfungen anschaulich beschrieben worden: „Die Entscheidung, einen Patienten in eine Anwendungsbeobachtung einzubeziehen, ist von der Entscheidung über die Verordnung des Arzneimittels getrennt“99 . Wie bereits erwähnt zeigt sich anhand dieser Abgrenzung das Wesensmerkmal der klinischen Prüfung, die in der Determination der individuellen Behandlungssituation liegt. Anwendungsbeobachtungen verfolgen das Ziel einer systematischen Beobachtung zur Gewinnung über die individuelle Behandlungssituation hinausgehende Erkenntnisse, ohne jedoch die individuelle Behandlungssituation zu beeinflussen. Notwendigerweise bedarf es hierfür eines Beobachtungs- oder Auswertungsplanes, in welchem u. a. die wissenschaftliche Fragestellung, die einzubeziehenden Patienten sowie die statistische Fallzahlberechnung dargelegt werden.100 Er unterscheidet sich vom Prüfplan durch das Fehlen studienbezogener Vorgaben für die ärztliche Behandlung. Als intervenierend und unter die §§ 40 ff. AMG fallend ist eine als Anwendungsbeobachtung deklarierte Prüfung bereits dann, wenn eine über die ärztliche Praxis hinausgehende Diagnose und Überwachung vorgesehen ist, sei es auch nur eine einzige Blutabnahme.101 Von vornherein unzulässig sind systematische Zuordnungen zu Behandlungsarmen im Sinne einer Randomisierung sowie die Verwendung von Arzneimitteln außerhalb der zugelassenen Indikation. Hier handelt es sich eindeutig um (intervenierende) klinische Prüfungen, da die individuelle Behandlung nicht mehr ausschließlich der ärztlichen Praxis zugeordnet werden kann.102 Als nichtinterventionelle Prüfungen
Rn. 3; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1364; Krüger, KliFoRe 2006, 15 f.; Osieka, Humanforschung, S. 138; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 74; s.a. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 519 ff.; Müller, DÄBl. 2009, A-2042; Diener/Klümper, PharmR 2010, 433 ff. 99 Hierzu Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 24; Sander, Erl. § 40 Anm. 4b. Dieser Passus ist auch jetzt noch in der Entwurfsfassung der „Gemeinsamen Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen“ vom 09.05.2007 enthalten (S. 2); vgl. ferner auf S. 2 der Empfehlung: „Ein Arzneimittel darf nicht zu dem Zweck verordnet werden, einen Patienten in eine AWB einzuschließen. Verordnung eines Arzneimittels und Einschluss des Patienten in eine AWB sind zwei Aspekte, die zu trennen sind. Diese Trennung ist z.B. dann realisiert, wenn der Patient erst für die AWB identifiziert wurde, nachdem die Entscheidung über die Therapie getroffen worden ist“; zu diesen Empfehlungen Diener/Klümper, PharmR 2010, 433 ff. 100 Vgl. hierzu die „Gemeinsamen Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen“, S. 3 f.; Sander, Erl. § 40 Anm. 4b; Diener/Klümper, PharmR 2010, 433, 435. 101 Vgl. Sander, Erl. § 40 Anm. 4b. 102 Vgl. die „Gemeinsamen Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen“, S. 2 u. 3.
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nach § 4 Abs. 23 S. 3 AMG fallen die Anwendungsbeobachtungen nicht unter die §§ 40 ff. AMG.103 bb. Nichtintervenierende Post-autorisation Study und Post-autorisation Safety Study Die bereits erörterten Post-autorisation und Post-autorisation safety Studies lassen sich in Anlehnung an Art. 1 Nr. 15 der Richtlinie 2001/83/EG auch nichtintervenierend als Anwendungsbeobachtungen durchführen. Hierzu zählen einarmige oder mehrarmige Kohortenstudien, in denen Patienten prospektiv systematisch bezüglich des Auftretens vorher festgelegter bestimmter Ereignisse untersucht werden, aber auch alle sonstigen pharmaepidemiologische Studien. Denkbar ist auch eine prospektive Fall-Kontroll-Studie (sog. „Case-surveillance Study“), wenn Patientengruppen mit einer bestimmten Erkrankung mit anderen Patienten/Probanden ohne diese Erkrankung verglichen werden.104 Maßgeblich für die Zuordnung zur Klinischen Prüfung oder zur nichtinterventionellen Prüfung bleibt stets der intervenierende Charakter.105 d. § 4 Abs. 23 S. 3 AMG als Ausnahmevorschrift oder als negative Geltungsanordnung Für die praktische Anwendung, die Rechtssicherheit im Umgang mit den §§ 40 ff. AMG verlangt, kommt der juristischen Einordnung des § 4 Abs. 23 S. 3 AMG entscheidende Bedeutung zu. Als klärungsbedürftig erweist sich das „Kräfteverhältnis“ zwischen § 4 Abs. 23 S. 1 und S. 3 AMG. § 4 Abs. 23 S. 3 AMG könnte als Ausnahmevorschrift zu S. 1 zu verstehen sein. Ausnahmevorschriften sind grundsätzlich eng auszulegen. Dies folgt daraus, dass bei extensiver Auslegung einer Ausnahmevorschrift die Regelungsabsicht des Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehrt würde.106 Es wäre aber auch möglich, § 4 Abs. 23 S. 1 zu S. 3 nicht als Regel-AusnahmeVerhältnis, sondern als negative Geltungsanordnung zu verstehen. S. 3 wäre damit 103
Für sie bestehen dagegen Anzeigepflichten nach den §§ 67 Abs. 6, 63 b, 29 Abs. 1 u. 1a AMG. Einzelheiten bei Sander, Erl. § 40 Anm. 4b. Anwendungsbeobachtungen fallen jedoch unter § 15 MBO-Ä, denn sie zählen zur Gesamtthematik der (bio-)medizinischen Forschung; wie hier Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 963; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 39; a.A. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 523 104 Hierzu und zu weiteren Einzelheiten Schwarz, Klinische Prüfung, S. 517 ff. 105 Vergleichende Kohortenstudien, in denen die Gruppenzuteilung randomisiert erfolgt, sind klinische Prüfungen. Einarmige oder mehrarmige Kohortenstudien, bei denen die Zuteilung in eine Gruppe indikationsorientiert erfolgt, lassen sich noch als Anwendungsbeobachtung darstellen, denn die Zuordnung erfolgt hier nachdem die Entscheidung über die Therapie getroffen wurde; s.a. die „Gemeinsamen Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts zur Planung, Durchführung und Auswertung von Anwendungsbeobachtungen“, S. 2 a.E. 106 „Singularia non sunt extendenda“, vgl. zu diesem viel diskutierten Problemkreis Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 174 ff.; Schneider, JA 2008, 174 ff.; Würdinger, AcP 2006, 946, 956; Kramer, Methodenlehre, S. 185 ff.
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ein einschränkender Rechtssatz, der nur dann verständlich ist, wenn er in Verbindung mit der positiven Geltungsanordnung zu verstehen ist: Die wahre Reichweite eines Rechtssatzes ergibt sich hier erst aus einer Gesamtschau der positiven und der negativen Geltungsanordnung.107 In diesem Fall ist aber für die Annahme einer einschränkenden Auslegung, wie sie bei Ausnahmetatbeständen gefordert wird, kein Platz, denn es liegt eine einheitliche Normvorstellung des Gesetzgebers vor.108 Auf eine einschränkende Auslegung von Ausnahmevorschriften kann nur dort zurückgegriffen werden, soweit es sich um eine Ausnahme der Sache nach handelt, mithin der Gesetzgeber eine weit zu verstehende Regel aufgestellt hat, die nur in eng umgrenzten Fällen durchbrochen werden soll, etwa weil die Regel in einem bestimmten Ausnahmefall unpraktikabel oder unangebracht ist.109 Es wäre aber auch möglich, § 4 Abs. 23 S. 3 als deklaratorische Vorschrift zu verstehen, sodass die ratio legis sich alleine in einer Klarstellung erschöpft und der eigentliche Rechtsgedanke bereits in § 4 Abs. 23 S. 1 AMG enthalten ist.110 Im Falle der Qualifizierung als Ausnahmevorschrift ist der Begriff der nichtinterventionellen Prüfung einschränkend auszulegen, um der gesetzlichen Intention, nämlich die Anwendbarkeit der §§ 40 ff. AMG, umfassend Geltung zu verschaffen. Beim Verständnis als negative Geltungsanordnung ist für eine einschränkende Auslegung kein Raum, denn § 4 Abs. 23 S. 3 AMG ist dann als Teil einer Gesamtregelung mit ausgeglichenem Kräfteverhältnis negativer und positiver Geltungsanordnung zu verstehen und bei deklaratorischem Verständnis kann allein auf die ratio legis von S. 1 zurückgegriffen werden. Gemäß der Gesetzesbegründung zur 12. AMG Novelle lassen sich Anhaltspunkte für ein rein deklaratorisches Verständnis finden, denn danach folge bereits aus der „Zweckbestimmung“ der Definition der klinischen Prüfung, dass diese nichtinterventionelle Prüfungen gar nicht erfassen könne.111 Indes ist bereits dargelegt worden, dass die in § 4 Abs. 23 S. 1 AMG mit der Überzeugung von der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels in Bezug genommene Zielsetzung nur programmatisch als Regelfall aufgefasst werden kann, denn randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindprüfungen zur Dosisfindung oder allein zum Verständnis (Mechanismen) unerwünschter Ereignisse sind ebenso für den Probanden/Patienten
107 Der Gesetzgeber wählt einen solchen Weg immer dann, wenn die Zusammenfassung der positiven mit der negativen Geltungsanordnung sprachlich „missglückt“ wäre; so Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 80 f. 108 So ist beispielsweise § 935 Abs. 1 BGB keine Ausnahme zu § 932 BGB. Der Gesetzgeber ging nicht davon aus, den gutgläubigen Erwerb als Regel zu formulieren. Vielmehr spiegeln erst beide Normen zusammen die Konzeption des Gesetzgebers wieder. Hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 80 f., 176. 109 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 176. 110 Zu deklaratorischen Vorschriften vgl. Würdinger, AcP 2006, 946, 968 ff. 111 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 26: „Die in Absatz 23 definierte klinische Prüfung erfasst nicht, wie sich aus der Zweckbestimmung ergibt, die nicht interventionellen Prüfungen. . . “.
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belastend, wie Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsstudien.112 § 4 Abs. 23 Abs. 3 AMG kann also nicht nur deklaratorischen Charakter haben. Als Ausnahmevorschrift wäre § 4 Abs. 23 S. 3 AMG dann anzusehen, wenn der Gesetzgeber der Anwendbarkeit der Vorschriften für die klinische Prüfung durch die in § 4 Abs. 23 S. 1 enthaltene Begriffsbestimmung in möglichst weitem Umfang Geltung verschaffen und mit dem Ausnahmetatbestand des S. 3 jene Regel durchbrechen wollte. Bei näherer Betrachtung scheint auch dies nicht zuzutreffen, denn eine Behandlung, die ohne Vorhandensein eines Prüfplans „ausschließlich der ärztlichen Praxis“ folgt, stellt das Gegenstück zur klinischen Prüfung dar, sodass es sich hier nicht um eine Durchbrechung einer Regel handeln kann, sondern nur um eine negative Geltungsanordnung mit teilweise erläuternder Funktion.113 Hierfür spricht nicht nur die Formulierung des S. 2 („gilt nicht“)114 , sondern auch, dass sich erst aus der Kombination beider Begriffsbestimmungen der vollständige Rechtssatz über die Anwendbarkeit der §§ 40 ff. AMG ergibt.115 Inzident wird von einem solchen Verständnis auch bei der „Fallgruppenbildung“ klinischer und nichtinterventioneller Prüfungen ausgegangen, die zur Erfassung von Studientypen die Antidefinition des S. 3 berücksichtigen muss.
II. Die Protagonisten der klinischen Prüfung Klinische Arzneimittelprüfungen werden durch eine Vielzahl von Personen/Institutionen durchgeführt und begleitet. Nachfolgend sei ein kurzer Überblick über die drei „Hauptakteure“ der klinischen Prüfung gegeben.
1. Sponsor § 4 Abs. 24 AMG definiert den Sponsor der klinischen Prüfung als „eine natürliche oder juristische Person, die die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung einer klinischen Prüfung bei Menschen übernimmt“.116 Der Begriff des Sponsors weicht insofern vom üblichen Sprachgebrauch ab und meint nicht nur die finanzielle Unterstützung des Projekts.117 Der Sponsor trägt die Gesamtverantwortung für die Durchführung der klinischen Prüfung, entscheidet über Beginn, Art der Durchführung, über den Abbruch und über den Zeitpunkt der Beendigung.118 In der Regel übt ein pharmazeutisches Unternehmen die Sponsorfunktion 112
Vgl. Kloesel/Cyran, 4 Anm. 71 a.E. Zu erläuternden Rechtssätzen Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 79 f. 114 Vgl. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 80. 115 Zu diesem Erfordernis in Abgrenzung zu Ausnahmevorschriften Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 80 f.; 175 f. 116 Zum europarechtswidrigen Ausschluss von Personengesellschaften in § 4 Abs. 24 AMG vgl. Koyuncu, PharmR 2009, 272 ff. 117 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 26. 118 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 41; ausf. Osieka, Humanforschung, S. 158 ff. 113
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aus. Sponsor iSd § 4 Abs. 24 AMG kann aber auch eine Universität, ein Universitätsklinikum119 oder ein Prüfarzt selbst sein (Investigator initiated Trials“120 ). Diese idR rein wissenschaftsgesteuerte Prüfungsvorhaben sind im Bereich der Arzneimittelprüfung seit der 12. AMG-Novelle aufgrund des angestiegenen Verwaltungs- und Kostenaufwands erheblich erschwert worden.121
2. Prüfer Der Prüfer – international als investigator 122 bezeichnet – ist neben dem Sponsor eine weitere Zentralfigur im Recht der klinischen Prüfung.123 Nach § 4 Abs. 25 S. 1 AMG ist ein Prüfer „in der Regel ein für die Durchführung der klinischen Prüfung bei Menschen in einer Prüfstelle verantwortlicher Arzt oder in begründeten Ausnahmefällen eine andere Person, deren Beruf auf Grund seiner wissenschaftlichen Anforderungen und der seine Ausübung voraussetzenden Erfahrungen in der Patientenbetreuung für die Durchführung von Forschungen am Menschen qualifiziert“. Der Prüfer trägt die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der klinischen Prüfung in einer Prüfstelle.124 Wird eine Prüfung in einer Prüfstelle von mehreren Prüfern vorgenommen, so ist der verantwortliche Leiter der Gruppe der Hauptprüfer, § 4 Abs. 25 S. 2 AMG. Dem Hauptprüfer – international als principal investigator 125 bezeichnet – obliegt es in erster Linie dafür zu sorgen, dass der Prüfplan eingehalten wird.126 Wird eine Prüfung in mehreren Prüfstellen durchgeführt, so wird vom Sponsor ein Prüfer als Leiter der klinischen Prüfung – international als coordination investigator 127 bezeichnet – benannt. Ihm obliegt die Koordination und Gesamtleitung der klinischen Prüfung und agiert, anders als der Hauptprüfer, prüfstellenübergreifend.128 119 Die Sponsorfunktion wird entweder durch das Universitätsklinikum selbst oder durch die Universität ausgeübt, vgl. Benninger-Döring/Boos, Bundesgesundheitsbl. 2006, 675, 679. 120 Vgl. 1.54 der ICH/GCP-Leitlinie: “Sponsor-Investigator: An individual who both initiates and conducts, alone or with others, a clinical trial, and under whose immediate direction the investigational product is administered to, dispensed to, or used by a subject. The term does not include any person other than an individual (e.g., it does not include a corporation or an agency). The obligations of a sponsor-investigator include both those of a sponsor and those of an investigator.”; hierzu auch BT-Drs. 15/2109, S. 26. 121 Hierzu Schwarz, Klinische Prüfung, S. 128 f.; Dreier/Marx/Schmoor/Maier-Lenz, Bundesgesundheitsbl. 2005, 445 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 164 ff. 122 Vgl. 1.34 der ICH/GCP-Leitlinie. 123 Vgl. v. Kielmansegg, MedR 2008, 423. 124 Vgl. Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 75; Rehmann, § 4 Rn. 27; weiterführend v. Kielmansegg, MedR 2008, 423 ff. 125 Vgl. 1.34 der ICH/GCP-Leitlinie. 126 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76. 127 Vgl. 1.19 der ICH/GCP-Leitlinie. 128 Kloesel/Cyran, § 4 Anm. 76; Rehmann, § 4 Rn. 27; v. Kielmansegg, MedR 2008, 423.
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3. Forschungseinrichtung Der tatsächliche Durchführungsort der klinischen Prüfung ist unterschiedlich. In der Regel werden klinische Prüfungen in Universitätskliniken, Medizinischen Hochschulen oder akademischen Lehrkrankenhäusern durchgeführt. Nicht unüblich ist es aber auch, niedergelassene Ärzte am Forschungsvorhaben zu beteiligen.129 Gesetzlich vorgeschrieben ist lediglich, dass die jeweilige Einrichtung für die Durchführung der klinischen Prüfung geeignet sein muss, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG. Wird eine klinische Prüfung nach einem einzigen Prüfplan an mehr als an einer Prüfstelle durchgeführt, so handelt es sich um eine multizentrische klinische Prüfung, § 3 Abs. 1 GCP-V.
D. Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen und ihre Stellung bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln I. Die bereichsspezifische Entwicklung der Ethik-Kommissionen Als die Bundesärztekammer 1979 die Errichtung von Ethik-Kommissionen anregte, schwieg das bis dahin noch junge AMG zu Ethik-Kommissionen. Es ist sogar später vorgetragen worden, dass die eingeführte standesrechtliche Konsultationspflicht gegen den abschließenden Charakter der §§ 40 f. AMG a. F. verstieße.130 In der vom Bundestag angeforderten Unterrichtung der Bundesregierung über Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz aus dem Jahre 1982 wurden gegen Ethik-Kommissionen „keine Bedenken“ erhoben, wenn sie „vor Beginn des Tests die vorhandenen Unterlagen über Voruntersuchungen und Versuchsplanung prüfen und sich gutachterlich äußern“. Bedingt durch die zum damaligen Zeitpunkt noch bestehenden Fragen zur „Unabhängigkeit, zur Zusammensetzung und zum Verfahren vor den EthikKommissionen“ wurde davon abgesehen, die Anhörung einer Ethik-Kommission vor Beginn der klinischen Prüfung gesetzlich vorzuschreiben.131 Im Zuge der 5. AMG-Novelle132 , angestoßen durch die zweite große Arzneimittelkatastrophe betreffend die HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte (Faktor VIII und Faktor IX)133 , wurde – neben weiteren umfassenden Änderungen134 – die Befassung einer Ethik-Kommission vorAufnahme der klinischen Prüfung vorgesehen. § 40 129
Vgl. Pramann, Publikationsklauseln, S. 23 f. So insb. Schenke, NJW 1991, 2313, 2316 f. 131 BT-Drs. 9/1355, S. 22; ausführlich hierzu Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 219 ff. 132 Fünftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 09.08.1994, BGBl. I S. 2071 ff.; zur Gesetzgebungsgeschichte Deutsch, NJW 1994, 2381 ff.; ders., VersR 1995, 121, 122; Pfeiffer, VersR 1994, 1377 ff. 133 Ausführlich hierzu Deutsch/Spickhoff, Rn. 1174; Deutsch, NJW 1996, 756 ff. 134 Zu den einzelnen Änderungen durch die 5. AMG-Novelle Hart, MedR 1995, 61 ff.; Pfeiffer, VersR 1994, 1377 ff. 130
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Abs. 1 S. 2 AMG a. F. statuierte, dass eine klinische Prüfung eines Arzneimittels nur begonnen werden darf, „wenn diese zuvor von einer nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommission zustimmend bewertet worden ist“. Für die Bildung der EthikKommissionen verwies dasAMG – wie heute (§ 42Abs. 1 S. 3AMG) – auf die Länder („nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommission“), wodurch „die bestehenden berufsrechtlichen Ethik-Kommissionen in das System rechtlicher Kontrolle nach dem AMG integriert“ wurden.135 Die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission war keine zwingende Voraussetzung für den Beginn der klinischen Prüfung, denn nach § 40 Abs. 1 S. 3 AMG a. F. durfte auch dann, soweit keine zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission vorlag, mit der klinischen Prüfung begonnen werden, wenn die zuständige Bundesoberbehörde innerhalb von 60 Tagen nach Eingang der Unterlagen nicht widersprach.136 Die überwiegende Auffassung sah in Anbetracht der nur zeitlichen Verzögerungsmöglichkeit die Ethik-Kommission nicht als eine Art „Genehmigungsbehörde“137 an, die einen Verwaltungsakt erlässt, sondern ordnete die zustimmende oder ablehnende Bewertung in die Kategorie des schlichten Verwaltungshandelns ein.138 Mit der 8. AMG Novelle139 ist schließlich dem Umstand bei mulizentrischen Studien Rechnung getragen worden, dass der Bundesoberbehörde sämtlicheVoten der jeweils zuständigen Ethik-Kommissionen vorgelegt werden mussten. Die Neufassung verlangte nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 AMG a. F. nur noch „das Votum der für den Leiter der klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission“.140 Die 12. AMG-Novelle141 und die sie begleitende GCP-V haben das Genehmigungsverfahren bei klinischen Prüfungen und die Stellung der Ethik-Kommissionen grundlegend neu gestaltet. Nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG ist nunmehr eine zustimmende
135
So Wölk, Ethik Med, 2002, 252, 256; s.a. Schlacke, MedR 1999, 551. Ausf. dazu Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 17 ff. 137 Gleichwohl wurde der Behördencharakter der Ethik-Kommissionen schon damals überwiegend bejaht, vgl. Sobota, AöR 121 (1996), 229, 239 f.; Classen, MedR 1995, 148, 149; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 91 ff.; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 85; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 175; a.A. Pfeiffer, VersR 1994, 1377, 1381. 138 Uneinigkeit bestand lediglich darin, ob die Verwaltungsaktsqualität mangels Außenwirkung oder schon mangels Regelungscharakters abzulehnen war; vgl. hierzu Classen, MedR 1995, 148, 149; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 18; Lippert, in: FS Laufs, S. 973, 982 m.w. Nachw.; Sobota, AcP 1996, 229, 238 ff., insb. S. 241: Bewertung als „Charakter einer Vorbereitung“; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 78; Hennies, ArztR 1996, 95, 98; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 115 ff. Teile der Literatur bejahten bereits damals schon die Verwaltungsaktsqualität, vgl. Deutsch, VersR 1995, 121, 124; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 124; Fröhlich, Forschung, S. 158 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 17 ff., bes. S. 20; Wilkening, Hamburger Sonderweg, S. 58 ff. 139 Achtes Gesetz zur Änderung der Arzneimittelgesetzes vom 07.09.1998, BGBl. 1998 I S. 2646. 140 Ausführlich hierzu Schlacke, MedR 1999, 551 ff. 141 Zwölftes Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 30.07.2004, BGBl. 2004 I S. 2031. Vgl. zur vieldiskutierten 12. AMG-Novelle Deutsch, MedR 2006, 411 ff.; Pestalozza, NJW 2004, 3374 ff.; Schlette, NVwZ 2006, 785 ff.; Lippert, VersR 2005, 48 ff. Osieka, Humanforschung, S. 102 ff. 136
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Bewertung einer Ethik-Kommission ohne vorgesehenes Ersatzverfahren zwingend erforderlich: Die klinische Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen darf vom Sponsor nur begonnen werden, wenn die zuständige Ethik-Kommission diese nach Maßgabe des § 42 Abs. 1 zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde diese nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 genehmigt hat
Damit steht die klinische Prüfung jetzt unter einem „Verbot mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt“142 und die Ethik-Kommission ist zu einer „eigenständigen arzneimittelrechtlichen Genehmigungsbehörde“ mit einem ausgedehnten Prüfungsprogramm, erhöhten Verfahrensanforderungen und knappen Entscheidungsfristen herangewachsen.143 Auch der Gesetzgeber hat diesen Wandel erkannt, indem er die Ethik-Kommission nunmehr als „Patientenschutzinstitution mit Behördencharakter“ ansieht.144 Die 15. AMG-Novelle145 hat schließlich in § 42a Abs. 4a AMG eine Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme und den Widerruf der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission eingeführt.
II. Bedeutung des präventiven Verbots mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt – Rückschlüsse auf die Stellung der Ethik-Kommissionen 1. Verhältnis der Ethik-Kommission zur Bundesoberbehörde Die Prüfungskompetenzen zwischen Ethik-Kommission und Bundesoberbehörde überschneiden sich nur teilweise, nämlich im Hinblick auf die Vollständigkeit der vorgelegten Unterlagen (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 1 AMG), die jedoch wiederum nach der GCP-V unterschiedlich sind (§ 7 Abs. 3 u. 4 GCP-V). Beiden Behörden obliegt ferner die Prüfung, ob der Prüfplan einschließlich der Prüferinformationen dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen und die klinische Prüfung geeignet ist, den Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels zu erbringen, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2, Abs. 2 S. 3 Nr. 2 AMG. Während die Bundesoberbehörde zusätzlich noch nach § 42 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 die Angaben zum Arzneimittel zu prüfen hat, prüft die Ethik-Kommission die Modalitäten für die Auswahl der Prüfungsteilnehmer, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG. Mit der 142
Hart, in: Rieger, LdA, § 2880 Rn. 9 a.E.; s.a. Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3378: „doppelter Billigungsvorbehalt“; Rehmann, § 42 Rn. 5: „Verbotstatbestand mit Erlaubnisvorbehalt“; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 1; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 16; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159; v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 402: „doppeltes Ja“. 143 Schlette, NVwZ 2006, 785. 144 BT-Drs. 15/2109, S. 32: „Die Änderung bringt es mit sich, dass sich die Rolle der EthikKommission vom berufsständischen Beratungsgremium zu einer Patientenschutzinstitution mit Behördencharakter wandelt“. 145 Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.2009, BGBl. 2009, I S. 1990; hierzu Broch/Diener/Klümper, PharmR 2009, 149 ff.; Rehmann/Paal, A&R 2009, 195 ff.
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15. AMG-Novelle ist für die Bundesoberbehörde ein zusätzlicher Versagungsgrund eingeführt worden, der sich auf die Geeignetheit der Prüfeinrichtung bezieht, deren Beurteilung eigentlich nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG in die Prüfungskompetenz der Ethik-Kommissionen fällt.146 Im Übrigen besteht eine strikte Trennung der Prüfungsaufgaben. Der Ethik-Kommission obliegt es vor allem, die patienten-/probandenschutzbezogenen Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4 AMG sowie die sämtlichen besonderen Voraussetzungen des § 41 AMG zu prüfen, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG. Die Ethik-Kommission und die Bundesoberbehörde entscheiden damit gleichberechtigt und mit grundsätzlich unterschiedlichen Prüfungskompetenzen nebeneinander iSe Kondominiums über den Beginn einer klinischen Prüfung am Menschen. Keines der beiden Verfahren hängt vom Ausgang des jeweils anderen Verfahrens ab.147 Hervorzuheben ist, dass nur die Genehmigung der Bundesoberbehörde als „erteilt gilt“, wenn diese dem Sponsor nicht innerhalb von höchstens 30 Tagen nach Eingang der Antragsunterlagen keine mit Gründen versehenen Einwände übermittelt, § 42 Abs. 2 S. 4 AMG. Die Zustimmung der Ethik-Kommission ist stets verfahrensmäßige Voraussetzung für den Beginn der klinischen Prüfung.148 2. Allgemeine verwaltungsrechtliche Grundlagen und die besondere Stellung von Risikorechtsverhältnissen Das sog. präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt („Kontrollerlaubnis“) dient dazu, eine Tätigkeit, die grundsätzlich erlaubt ist oder sogar geboten sein kann, vorweg einer gesonderten staatlichen Überprüfung zu unterziehen. Die Genehmigungspflicht wendet sich damit nicht gegen die Betätigung als solche, sondern soll nur Rechtsverstöße rechtszeitig verhindern.149 Folglich steht das Verbot von vornherein unter dem Vorbehalt der Erlaubniserteilung, soweit sich im Erlaubnisverfahren keine gesetzlichen Versagungsgründe ergeben. Das positive Prüfergebnis ergibt mithin grundsätzlich die Bestätigung, dass die begehrte Tätigkeit im Einklang mit dem materiellen Recht steht. Anders als beim repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt besteht bei einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in aller Regel, zumindest aus Art. 2 Abs. 1 GG folgend, ein grundrechtlich verbürgter Anspruch 146 Hintergrund dieser Regelung ist, dass es als unbefriedigend eingestuft wurde, wenn die Bundesoberbehörde etwa durch GCP-Inspektionen Kenntnisse über Missstände im Hinblick auf die Eignung des Prüfzentrums hatte, hierauf aber wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage nicht reagieren konnte; vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 50 f. 147 Zum Verhältnis von Ethik-Kommission und Bundesoberbehörde s.a. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 217 ff.; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3377; v. Dewitz, A&R 2008, 213, 216; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 46; Sander, Erl. § 42 Anm. 3; v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 402 u. 410. 148 S.a. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 75. 149 Prägnant Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 204: „Das präventive Verbot zielt nicht auf eine, ein Unwerturteil ausdrückende generelle Untersagung eines bestimmten Tuns, es will vielmehr nur „technische“ Voraussetzungen für eine effektive, vorbeugende staatliche Kontrolle schaffen“.
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auf Erteilung der Erlaubnis.150 Aus formeller Sicht stellt die Kontrollerlaubnis einen begünstigenden und rechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar, während nach materieller Betrachtungsweise die allgemeine Handlungsfreiheit wieder hergestellt wird, indem die Erlaubnis nur das gewährt, was aus verfassungsrechtlicher Sicht dem Erlaubnisbegehrenden ohnehin zusteht. Spiegelbildlich hierzu ist die Versagung formell die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsakts, materiell durch den Ausspruch eines endgültigen Verbots ein Eingriff in Grundrechte. Die ablehnende Erlaubnis unterliegt folglich auch der strikten gesetzlichen Bindung („Eingriffsverwaltung“), wonach die Ermächtigungsgrundlage exakte Versagungstatbestände anzugeben hat151 , denn aus ihnen leitet der Staat seine für ihn günstige Rechtsfolge her, nämlich seine Befugnis zum Eingriff.152 Insoweit muss auch grundsätzlich die objektive Beweislast für die Versagungsgründe bei der Verwaltung liegen, sodass bei fehlendem Nachweis des Vorliegens von Ablehnungsgründen die Erlaubnis zu erteilen ist.153 Hiervon ist das repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt („Ausnahmebewilligung“) zu unterscheiden154 : Danach kann einer Tätigkeit, die seitens des Gesetzgeber als sozial schädlich eingestuft und deswegen grundsätzlich verboten wird, in besonderen Ausnahmefällen eine Befreiung erteilt werden, was grundsätzlich im Ermessen der Behörde liegt. Die Ausnahmebewilligung erweitert den Rechtskreis des Bürgers, indem ihm die Durchführung unerlaubter Tätigkeiten ausnahmsweise gestattet wird. Sie stellt folglich sowohl formell als auch materiell einen begünstigenden Verwaltungsakt dar und bei Zuwiderhandlungen sind weiter reichende Konsequenzen unter geringeren Anforderungen möglich als beim rein präventiven Verbot.155 Die Übergänge vom präventiven zum repressiven Verbot lassen sich indes vielfach nicht hinreichend bestimmen.156 Weder die Intention von Verbotstatbeständen, 150 Vgl. BVerfGE 20, 150 ff. = NJW 1966, 1651 ff. Bei einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 9 Rn. 51; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 1 Rn. 36 f.; weiterführend Gromitsaris, DöV 1997, 401 ff. 151 Ausf. BVerfGE 20, 150 ff. = NJW 1966, 1651 ff.; ferner Maurer, Allg VerwR, § 9 Rn. 53. 152 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 204 f. 153 Allgemein hierzu Maurer, Allg. VerwR § 9 Rn. 53; Gusy, JA 1981, 80, 84; s.a. weiterführend Gromitsaris, DöV 1997, 401, 407. Ausf. zum Problem der Beweislast bei Risikoentscheidungen Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 204 ff. 154 Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 204 in Fn. 83 hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem präventiven und repressiven Verbot lediglich um gegensätzliche Regel-Ausnahme-Verhältnisse handelt: Während nämlich beim präventiven Verbot die Genehmigung nur ausnahmsweise verweigert werden darf, so ist beim repressiven Verbot das Verbot selbst der Normalfall und die Befreiung die Ausnahme. 155 Maurer, Allg VerwR, § 9 Rn. 55; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 1 Rn. 36 f. Hierunter fällt beispielsweise das Herstellen und Vertreiben bestimmter Waffen (§ 37 Abs. 1 u. 3 WaffG), die im Falle fehlender Verbotsbefreiung sichergestellt oder eingezogen werden können (§ 37 Abs. 5 WaffG). 156 Vgl. Schwabe, JuS 1973, 133, 134 ff., wonach die Unterscheidung lediglich quantitativer Natur sei und sich beide Verbote letztlich weitgehend decken; s.a. ders., in: FS Folz, S. 305 ff.; ferner Gusy, JA 1981, 80, 81 ff.; Gromitsaris, DöV 1997, 401, 402.
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die anknüpfend an die Tatbestandsformulierung Aufschluss über die Regelung eines sozial erwünschten oder sozial schädlichen Sachverhalt geben soll, noch die Worttechnik des Gesetzgebers sind keine die Unterscheidung prägende Merkmale.157 Die Qualifizierung und die Bestimmung sozialadäquater und sozialschädlicher Restrisiken bei vorsorgenden Entscheidungen, die auf Rechtsgüterkonkordanz ausgerichtet sind, verdeutlicht, dass gerade in diesem Bereich sowohl die Differenzierung zwischen sozialadäquaten und sozialschädlichen Verhaltensweisen nach der gesetzgeberischer Intention kaum nachvollziehbar begründet werden kann, als auch zugunsten höherrangiger Rechtsgüter in Abwägung zur Risiko-Nutzen-Analyse eine Verschachtelung repressiver und präventiver Verbote angezeigt sein kann. Für die Risikorechtsverhältnisse im Arzneimittelrecht – insbesondere für den „Risikoverwaltungsbereich“ derArzneimittelzulassung – hat Di Fabio treffend hervorgehoben, dass sich die strikte Einteilung von Befreiungstatbeständen und Versagungstatbeständen, respektive die Unterscheidung von präventiven und repressiven Verboten nicht durchführen lässt, denn die Absenkung der Eingriffs- und Verbotsschwelle von der Gefahr zum Gefahrenverdacht bis zum Risikoverdacht schwächt die grundrechtlichen Positionen des Arzneimittelherstellers. „Je mehr aber die verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Bestimmungen des AMG die Freiheitsrechte des pharmazeutischen Unternehmens einschränken, desto mehr nähert sich das Arzneimittelrecht der Figur des repressiven Verbots mit Befreiungsmöglichkeit an, ohne indes dieser Kategorie zu unterfallen. Risikorechtsverhältnisse nehmen in dieser Hinsicht eine Zwischenposition zwischen den Idealtypen des präventiven und des repressiven Verbots ein“158 . 3. Konkrete Anwendung auf die Ethik-Kommissionen: Subjektiv-öffentliches Recht des Sponsors auf zustimmende Bewertung Trotz der Qualifizierung des § 40 Abs. 1 S. 2 AMG als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, so lässt die genauere Betrachtung des Prüfungsumfangs der Ethik-Kommissionen in Bezug auf die Versagungsgründe ebenfalls eine Herabsenkung der Eingriffs- und Verbotsschwelle bis zum reinen Risikoverdacht erkennen, nämlich indem die Ethik-Kommission nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG zu prüfen hat, ob die vorhersehbaren Risiken und Nachteile gegenüber dem Nutzen für die Person und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die ärztliche Heilkunde ärztlich vertretbar sind. Eine Ablehnungskompetenz auf Grundlage vorausschauender ärztlicher Vertretbarkeit nicht sicher prognostizierbarer Risiken und Nachteile nähert das präventiv ausgestaltete Verbot dem repressiven 157
Vgl. Gromitsaris, DöV 1997, 401, 402 f. u. 405 ff. m.w. Nachw. Nach Gromitsaris soll der Charakter einer kontrollierenden oder dispensierenden Erlaubnis davon abhängen, ob im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung jene auf einer dem Gesetz vorausliegenden Rechtsposition beruht. Auf die „Schädlichkeit“ einer beantragten Tätigkeit könne es insoweit nicht ankommen. Im Übrigen sei auf den gesetzlichen Zweck, den konkreten Lebensbereich, die bereichsspezifischen Belange und die grundrechtlichen Mittel- und Zwecknormierungen abzustellen; vgl. ferner Burgi, JZ 1994, 654, 658; Brohm, JZ 1995, 369, 374. 158 Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 206 f.
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an.159 Gleiches ist auch anzunehmen für die Voraussetzungen der klinischen Prüfung an den besonderen Personengruppen, § 40 Abs. 4, 41 AMG. Hier kommt es jeweils zu einer Verschachtelung des präventiven Verbotsvorbehalts mit repressiven Tendenzen.160 Trotz dieser Verschachtelung behält § 40 Abs. 1 S. 2 AMG den Charakter des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt, wie es für das AMG insgesamt typisch ist.161 Der Sponsor der klinischen Prüfung hat gegenüber der Ethik-Kommission einen verfassungsrechtlich (Art. 12, 14, 5 Abs. 3 GG) verbürgten Anspruch auf die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission, soweit Versagungsgründe nicht vorliegen, § 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG.162 Als Genehmigungsbehörde unterliegt sie, ebenso wie andere Behörden der Eingriffsverwaltung, der strikten gesetzlichen Bindung.
III. Unterlagenprüfverfahren Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen bei der Arzneimittelprüfung weist – ebenso wie das Arzneimittelzulassungsverfahren – die Qualität eines Unterlagenprüfverfahrens auf. Kennzeichnend hierfür ist, dass die Grundlage der behördlichen Entscheidung die vom Antragssteller selbst beizubringenden Unterlagen sind. Doch nicht nur beim Zulassungsverfahren für Arzneimittel, sondern gemeinhin bei staatlichen Überwachungs- und präventiven Genehmigungsverfahren komplexer wissenschaftlicher und technischer Sachverhalte ist eine Entscheidung „praktisch nur auf der Grundlage von empirischem und theoretischem Material der Kontrollunterworfenen möglich“163 . Insoweit wird auch der übliche Untersuchungsgrundsatz durch den Beibringungsgrundsatz im Wege der Ermittlungsverlagerung auf den Antragsteller relativiert164 , sodass im Ergebnis Antragsteller und Behörde eine gemeinsam zu leistende Ermittlungsarbeit zukommt und speziell der Behörde die Rolle zugewiesen wird, „Standards des Risiko-Assessments (. . . ) festzulegen und eine systematisierte Bewertungsrationalität zu entwickeln“165 . Die eingeschränkte Geltung des Untersuchungsgrundsatzes resultiert in der Regel aus der Prämisse, dass es der Antragssteller ist, der im Hinblick auf seinen Antrag besondere Kenntnisse aufweist und jene der Behörde für ihre Bewertung zur Verfügung stellen soll. § 42 Abs. 1 S. 4 AMG verpflichtet so auch den Sponsor, „der Ethik-Kommission alle Angaben und Unterlagen 159
Mit Herabsetzung der Eingriffschwelle wird zugleich die Beweislast zulasten des Antragsstellers verschoben, vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 203 ff., insb. S. 208 ff. 160 Vgl. zur „Verschachtelung“ präventiver und repressiver Verbote Brohm, JZ 1995, 369, 374. 161 Vgl. Mayer, Produktverantwortung, S. 328 f. 162 Vgl. Deutsch, MedR 2006, 411, 414 f.; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 158 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 224. 163 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 186; 164 Vgl. Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), 235, 242: „Verlagerung der Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung“. 165 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 188 f. („Kooperativität“) u. S. 206; ders., NVwZ 1999, 1153 ff.; ders., VVDStRL 56 (1997), 235, 242 f. Plagemann, Wirksamkeitsnachweis, S. 166; s.a. Kloesel/Cyran, § 25 Anm. 11.
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vorzulegen, die diese zur Bewertung benötigt“. Damit wird keine konkrete Vorlagepflicht von Unterlagen statuiert und auch aus den einzelnen Versagungsgründen lassen sich keine Rückschlüsse auf einen etwaigen Minimalumfang ziehen.166 Man könnte nun annehmen, dass das AMG zwischen Ethik-Kommission und Sponsor ein an eine Kooperationsverbindung167 angenähertes Sachverhaltsaufklärungs- und Bewertungsverhältnis zugunsten des Probanden-/Patientenschutzes etablieren wollte, ohne die zu bewertenden Unterlagen auf Kosten des Versuchsteilnehmerschutzes antizipiert festzulegen. § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V konkretisiert dagegen die Verpflichtung des Sponsors nach § 42 Abs. 1 S. 4 AMG, die als abschließende Konkretisierung der Unterlagenbeibringungsverpflichtung anzusehen ist. Ein Unterlagenprüfverfahren ist nur dann hinlängliche Grundlage für die zu treffende Entscheidung, wenn auch die Qualität und die Verlässlichkeit der Unterlagen gesichert sind. Vorwiegend geschieht dies im Wege der Arzneimittelprüfrichtlinien, § 26 AMG. Sie konkretisieren den jeweils gesicherten Stand der Wissenschaft und beinhalten u. a. Regeln über klinische Unterlagen. In erster Linie fungieren sie als Beurteilungskriterien für die Zulassungsbehörden, wirken sich jedoch notgedrungen wegen der engen Verknüpfung von Arzneimittelzulassung und klinischer Arzneimittelprüfung auf letztere aus.168
IV. Multizentrische und monozentrische Arzneimittelprüfungen: Unterscheidung von federführender und beteiligter Ethik-Kommission Im Hinblick auf das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen ist zwischen multizentrisch und monozentrisch durchgeführten Arzneimittelprüfungen zu unterscheiden. Die Zuständigkeitsregelung des § 42 Abs. 1 S. 1 AMG bringt es mit sich, dass für eine klinische Prüfung nach Landesrecht für den Prüfer bei multizentrischer Versuchsdurchführung mehrere Ethik-Kommissionen zuständig sein können. Eine multizentrische klinische Prüfung ist eine nach einem einzigen Prüfplan durchgeführte klinische Prüfung, die in mehr als einer Prüfstelle erfolgt und daher von mehr als einem Prüfer vorgenommen wird (vgl. § 3 Abs. 1 GCP-V). In diesem Fall begründet § 42 Abs. 1 S. 2 AMG (europaweit einmalig169 ) die Zuständigkeit derjenigen Ethik-Kommission, die für den Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung zuständig ist. Dieser Regelung lässt sich das Prinzip der engsten Verbindung mit Blick auf den Durchführungsort und die Hierarchieverhältnisse unter den Prüfern zuschreiben. Die GCP-V bezeichnet diese Kommission als „federführend“ (§ 7 Abs. 166
Str., wie hier Klosel/Cyran, § 42 Anm. 31; a.A. Sander, Erl. § 42 Anm. 11, wonach der Sponsor diejenigen Unterlagen vorzulegen hat, die notwendig sind, um die Versagungsgründe auszuschließen. 167 Allgemein zum Kooperationsprinzip zwischen Staat und Bürger Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 ff. 168 Ausf. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 186 f.; 344 ff.; Kloesel/Cyran, § 26 insb. Anm. 6 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1309; eingehend Wölk, Risikovorsorge, S. 127 ff., m.w. Nachw. 169 Vgl. v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159.
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1 S. 5 GVP-V); in der Praxis wird sie auch Masterkommission genannt. Jede weitere nach Landesrecht für einen Prüfer zuständige Ethik-Kommission („beteiligte EthikKommission“, § 7 Abs. 1 S. 4 GCP-V; auch Non-Masterkommission genannt) erhält eine Kopie des Antrags und der Unterlagen (§ 7 Abs. 1 S. 4 GCP-V), bewertet die Qualifikation des Prüfers und die Geeignetheit der Prüfstelle in ihrem Zuständigkeitsbereich (§ 8 Abs. 5 S. 2 GCP-V) und übermittelt ihre diesbezügliche Bewertung der federführenden Ethik-Kommission (§ 8 Abs. 5 S. 3). Diese entscheidet schließlich über die zustimmende Bewertung (§ 42 Abs. 1 AMG) „im Benehmen“ mit den beteiligten Ethik-Kommissionen (§ 8 Abs. 1 S. 1 GCP-V). Hintergrund dieses erst im Wesentlichen170 durch die 12. AMG-Novelle und die GCP-V eingeführten Verfahrens ist die Verfahrenskonzentration, die Beschleunigung der Entscheidung und dieVerhinderung abweichender Entscheidungen. JeneVerfahrensmaximen bei multizentrischen Arzneimittelprüfungen sind hauptsächlich auf die Richtlinie 2001/20/EG zurückzuführen, die in Art. 7 Abs. 1 die für den Gesetzgeber bindende Vorgabe enthält, dass nur „eine einzige Stellungnahme“ einer Ethik-Kommission abgegeben werden darf.171 Die nationalen Regelungen stehen trotz der Beteiligung mehrerer Ethik-Kommissionen und der anschließenden „Benehmensentscheidung“ der federführenden Ethik-Kommission im Einklang mit dieser europäischen Vorgabe, denn solange den mitberatenden Ethik-Kommissionen keine unmittelbar nach außen gerichtete Rechtswirkung zukommt, bleiben alle verwaltungsrechtlichen Beteiligungsformen möglich.172 Bei monozentrischen Prüfungen, d. h. solchen, die nur an einer einzigen Prüfstelle vorgenommen werden, ist die nach § 42 Abs. 1 S. 2 AMG zuständige Ethik-Kommission auch stets federführend.173 V. Der Verwaltungsakt als Handlungsform der federführenden Ethik-Kommission Die nach § 42 Abs. 1 AMG „erforderliche zustimmende Bewertung“ der EthikKommission könnte als Verwaltungsakt anzusehen sein. Unabhängig von der noch zu beantwortenden Frage nach der Anwendbarkeit des VwVfG des Bundes oder 170
Damals mussten der Bundesoberbehörde sämtliche Voten der Ethik-Kommissionen vorgelegt werden, was teils zu deutlich voneinander abweichenden Bewertungen führte. Mit der 8. AMGNovelle wurde dann zumindest nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Nr. 6 AMG a.F. nur noch ein einziges Votum von der für den Leiter der Klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission verlangt, wobei fraglich war, ob der Gesetzgeber die damalige „Anhörungspraxis“ beteiligter EthikKommissionen verwerfen wollte. Vgl. zur damaligen Rechtslage Schlacke, MedR 1999, 551 ff.; Sträter, PharmR 1997, 337 ff.; s.a. Lippert, in: FS Laufs, S. 973, 976; v. Dewitz, A&R 2008, 156. 171 „Für multizentrische klinische Prüfungen im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats legen die Mitgliedstaaten ein Verfahren fest, wonach für den betreffenden Mitgliedstaat ungeachtet der Anzahl der Ethik-Kommissionen eine einzige Stellungnahme abgegeben wird“; hierzu auch Baldus, MedR 2006, 202 ff.; Lippert, in: FS Laufs, S. 973, 978; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 157 f. 172 Hierzu Baldus, MedR 2006, 202 f.; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 157, der auch eine Entscheidung im Einvernehmen für zulässig erachtet. 173 Vgl. Deutsch, MedR 2006, 411, 413; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 46.
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der Länder, bestimmt sich dies nach § 35 VwVfG des Bundes, dem verfahrensrechtliche, materiellrechtliche und prozessuale Bedeutung zukommt und insoweit den Verwaltungsaktsbegriff für alle Gesetze bundeseinheitlich festlegt.174 Die Frage nach einer Verwaltungsaktqualität stellt sich bei multizentrischer Versuchsdurchführung von vornherein nur für die zuständige federführende Ethik-Kommission, denn es entspricht unbestrittener Auffassung, dass es sich bei Erklärungen zuarbeitender Stellen mit dem Ziel einer Entscheidung „im Benehmen“ ausschließlich um ein Verwaltungsinternum ohne Außenwirkung und mithin nicht um einen Verwaltungsakt handelt.175 1. Voraussetzungen, § 35 VwVfG Die zustimmende oder ablehnende Bewertung der (federführenden) EthikKommission nach § 42 Abs. 1 AMG wäre dann als Verwaltungsakt anzusehen, wenn es sich um eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handelt und jene auf unmittelbare Rechtwirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 S. 1 VwVfG). Unabhängig von einer ausdrücklichen Bezeichnung als „Behörde“ ist nach § 1 Abs. 4 VwVfG „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt“, als Behörde im verfahrensrechtlichen Sinne anzusehen (sog. weiter Behördenbegriff). Voraussetzung ist eine hinreichende organisatorische Selbstständigkeit, die sich vor allem in der Befugnis zu eigenverantwortlichem Handeln mit Außenwirkung in eigener Zuständigkeit und im eigenen Namen gegenüber anderen Behörden und/oder gegenüber dem Bürger äußert.176 Sowohl die Behördeneigenschaft der (federführenden) EthikKommission beim Tätigwerden nach § 42 Abs. 1 AMG aufgrund ihrer gesetzlich bestehenden (Außen-)Zuständigkeit nach Bundes- und Landesrecht (§ 42 Abs. 1 AMG iVm den Heilberufe- und Kammergesetzen), als auch ihr damit korrespondierendes (hoheitliches) Tätigwerden auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nach herrschender Sonderrechtstheorie und der Erfüllung des Versuchsteilnehmerschutzes bei der Arzneimittelprüfung als eigene öffentliche Aufgabe qualifiziert die EthikKommission aus heutiger Sicht unstreitig als Behörde iSd § 1 Abs. 4 VwVfG.177 Für die Verwaltungsaktqualität ihrer zustimmenden oder ablehnenden Bewertung 174
Vgl. nur Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 1. Vgl. nur Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 20 Rn. 63 m.w. Nachw.; Stelkens/Bonk/ Sachs, § 35 Rn. 169 ff.; Weidemann, VR 2000, 95; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 62. 176 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 1 Rn. 51 ff.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 20 Rn. 18 ff.; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 114 ff.; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 96 f. 177 Vgl. nur v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 185 f.; van der Sanden, Haftung, S. 46 ff.; v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 402; v. Dewitz, A&R 2008 156, 160 ff.; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 1 u. 30; Taupitz/Rösch, in: FS Deutsch II, S. 647, 649. Dies war bereits vor der 12. AMGNovelle h.M., vgl. Sobota, AöR 121 (1996), 229, 239; Classen, MedR 1995, 148, 149; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 85; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 108 ff. 175
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der klinischen Prüfung ist damit lediglich fraglich, ob sie Regelungscharakter in Bezug auf einen Einzelfall aufweist und ihre Bewertung rechtliche Außenwirkung besitzt. Der Regelungscharakter einer hoheitlichen Maßnahme ist dann zu bejahen, wenn das behördliche Handeln darauf gerichtet ist, einseitig unmittelbar verbindliche Rechtsfolgen zu setzen.178 Mit ihrer zustimmenden Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG hebt die Ethik-Kommission das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG auf und entscheidet mithin unmittelbar über die Durchführung/Nichtdurchführung der klinischen Prüfung. Da es sich bei dem Verfahren vor den Ethik-Kommissionen und der Bundesoberbehörde nach § 42 Abs. 1 u. 2 AMG um ein voneinander unabhängiges parallelisiertes Genehmigungsverfahren handelt, mithin die Abgabe des Ethik-Kommissionsvotums kein verwaltungsinternes Verfahren darstellt, kommt dem Ethik-Kommissionsvotum Regelungscharakter zu, indem sie mit Bestandskraft und Letztentscheidungskompetenz eigenständig über die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Inhalte und damit zugleich über die Aufhebung oder Nichtaufhebung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt entscheidet (§§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG).179 Die Einzelfallregelung ergibt sich aus dem individuell-konkreten Charakter der Entscheidung.180 Eine Außenwirkung liegt vor, wenn die behördliche Maßnahme auf die Setzung einer Rechtsfolge für eine natürliche oder juristische Person in der Weise gerichtet ist, dass sie deren Rechtskreis erweiternd, verringernd oder feststellend gestaltet.181 Handelt es sich bei dem antragsstellenden Sponsor, wie im Regelfall, um einen pharmazeutischen Unternehmer, so liegt unabhängig von der Ansiedlung der (federführenden) Ethik-Kommission stets eine nach außen gerichtete Maßnahme vor. Für den Fall, dass der Sponsor gleichzeitig Prüfer ist (sog. Investigator Initiated Trials), kann auch hier der Ethik-Kommission, auch der universitären Ethik-Kommission, die Außenwirkung ihres Votums nicht abgesprochen werden, weil sie in der gleichen Weise gegenüber dem antragsstellenden Sponsor-Investigator hoheitlich öffentliches Recht vollzieht182 und über Rechtsnormen des „Außenrechts“ entscheidet. Kommt es dazu, dass die Universität selbst die Sponsorfunktion ausübt und bei ihrer „eigenen“ bzw. angesiedelten Ethik-Kommission den Antrag auf zustimmende Bewertung stellt, liegt ein sog. In-Sich-Verwaltungsakt vor.183 Die damals noch diskutierten Bedenken gegen die Verwaltungsaktqualität, die daraus resultierten, dass § 42 Abs. 1 AMG nur von der „zustimmenden Bewertung“ 178
Vgl. BVerwGE 55, 280, 285; Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 47; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 20 Rn. 24. 179 Ganz h.M., vgl. nur v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 188 ff.; van der Sanden, Haftung, S. 47 f.; Schlette, NVwZ 2006, 785; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 46; a.A. soweit ersichtlich nur Lippert, VersR 2005, 48, 52; ders., in: FS Laufs, S. 973, 983, der das Ethik-Kommissionsvotum nur als einen „Teilschritt der Entscheidung der Bundesoberbehörde“ versteht. 180 Vgl. hierzu allg. Kopp/Ramsauer, § 35 Rn. 71; Maurer, Allg VerwR, § 9 Rn. 26. 181 Vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 20 Rn. 44. 182 Wie hier v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159 f. m.w. Nachw.; s.a. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 187. 183 Hierzu noch unten, § 6 G.2.c.
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spricht, § 42 Abs. 2 AMG die Entscheidung der Bundesoberbehörde dagegen ausdrücklich als „Genehmigung“ bezeichnet184 , sind im Zuge der 15. AMG-Novelle dadurch beseitigt worden, dass mit Einführung des § 42a Abs. 4a AMG eine ausdrückliche Gleichstellung beider Verfahren erfolgt ist. In der Literatur entspricht es nunmehr – soweit ersichtlich – nahezu unbestrittener Auffassung, dass die zustimmende oder ablehnende Bewertung der federführenden Ethik-Kommission seit der 12. AMG-Novelle einen Verwaltungsakt darstellt.185
2. Adressat und dauerhafte Legitimationswirkung Adressat der zustimmenden Bewertung ist ausschließlich der antragsstellende Sponsor der klinischen Prüfung. Prüfer und Versuchspersonen sind demzufolge Drittbetroffene (Verwaltungsakt mit Drittwirkung).186 Während teilweise vertreten worden ist, dass das Ethik-Kommissionsvotum nur iSe „punktuellen Akts“ verstanden werden könne187 , so wird man jedoch seit der 15. AMG-Novelle, die eine Rücknahmeund Widerrufsbefugnis eingeführt hat (§ 42a Abs. 4a AMG), die zustimmende Bewertung als einen Verwaltungsakt mit dauerhafter Legitimationswirkung einordnen müssen.188
VI. Die grundsätzliche Anwendbarkeit der allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder (LVwVfG) In Anbetracht der lückenhaften Regelung des Verfahrens vor den EthikKommissionen im AMG und in der GCP-V ist klärungsbedürftig, ob das VwVfG – 184
Aus diesem Grunde die Verwaltungsaktsqualität des Ethik-Kommissionsvotums verneinend Laufs, MedR 2004, 583, 592; hierzu auch v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 417. 185 Als Auszug seien genannt: LG Berlin, MedR 2009, 163, 167; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1055; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 42 Rn. 7; ders., MedR 2006, 411, 415; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 187 ff.; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3379; ders., LKV 2006, 255 ff.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 46, § 42 Rn. 30; Rehmann, Vor § 40 ff. Rn. 7; Sträter/Wachenhausen, PharmR 2007, 95, 100; v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 402; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 396; Hägele, Arzneimittelprüfungen, S. 689 f.; Baldus, MedR 2006, 202, 203; Schlette, NVwZ 2006, 785; Hart, in: Rieger, § 2880 Rn. 9; Lebich, Haftung angestellter Ärzte, S. 72; van der Sanden, Haftung, S. 47 f.; Taupitz/Rösch, in: FS Deutsch II, S. 647, 648; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 62; a.A. Lippert, VersR 2005, 48, 52; ders., in: FS Laufs, S. 973, 983; nunmehr aber auch ders., in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 10; ders., in: Ratzel/Lippert, § 15 Rn. 37; ausdrücklich auch BT-Drs. 16/12256, S. 51: „Verwaltungsakt“; zweifelnd aber noch Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 20 („nicht unbedenkliche Rechtsmeinung“). 186 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 225: „. . . Sponsoren als Antragssteller alleinige Adressaten dieses Verwaltungsakts. . . “. 187 Vgl. LG Berlin, MedR 2009, 163, 167; v. Kielmansegg, Verrechtlichung, S. 5; ferner ders., VerwArch 2008, 401, 409. 188 Allg. zu Verwaltungsakten mit Dauerwirkung Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 223 ff.
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entweder des Bundes (BVwVfG) oder der Länder (LVwVfG) – bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln ergänzend Anwendung findet.
1. Anwendbarkeit auf die Tätigkeit der federführenden Ethik-Kommission Das VwVfG – sowohl des Bundes als auch der Länder – findet nach den §§ 1, 2 und 9 VwVfG Anwendung für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit von Bundes- bzw. Landesbehörden, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder den Abschluss eines Verwaltungsvertrages zielt, soweit nicht die Ausschlussklausel des § 2 VwVfG oder speziellere, entweder gleichlautende oder entgegenstehende, Vorschriften eingreifen.189 Sowohl die öffentlich-rechtliche Tätigkeit als auch die Behördeneigenschaft von Ethik-Kommissionen liegen vor und Ausnahmen vom Anwendungsbereich nach § 2 VwVfG sind nicht ersichtlich. Da es sich bei den Ethik-Kommissionen durchweg um Landesbehörden handelt, die mangels entgegenstehender Zuweisungsanordnungen das AMG und die GCP-V als eigene Angelegenheiten ausführen, finden jeweils die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder Anwendung (§ 1 Abs. 3 BVwVfG).190 Fraglich ist jedoch, ob ein Rückgriff auf die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder nicht mit Blick auf abweichendes Bundesrecht ausgeschlossen ist. Nach dem bundesstaatlichen Kompetenzgefüge richtet sich nach Art. 84 Abs. 1 GG das Verwaltungsverfahren von Landesbehörden im Falle der Ausführung von Bundesrecht als eigene Angelegenheit nach Landesrecht, „soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen“.191 Bundesrecht kann folglich gegenüber Landesrecht Sperrwirkung entfalten, und zwar auch durch absichtsvolle Nicht-Regelung, was durch Auslegung des Normenkomplexes zu klären ist.192 Auch im Rahmen der klinischen Arzneimittelprüfung kann damit Bundesrecht, respektive das AMG und die GCP-V, durch eine absichtvolle Nicht-Regelung für das Verfahren von Landesbehörden abweichende Bestimmungen vorsehen und mithin das Landesrecht verdrängen.193 Abgesehen von der Reichweite ist in der Literatur unbestritten, dass § 42 AMG und die GCP-V nur partiellen Regelungscharakter in Anbetracht der 189
Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 5 Rn. 10. H.M., vgl. van der Sanden, Haftung, S. 40 ff.; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 183 f. und S. 110 ff. mit der Überlegung, dass aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 42 Abs. 3 Nr. 2 AMG der Wille zur vollständigen Bundesregelung erkennbar sei und mithin das BVwVfG Anwendung finden könnte; ferner v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 404; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 396; Stamer, EthikKommissionen, S. 87. Allgemein zum Geltungsvorrang des LVwVfG nach § 1 Abs. 3 BVwVfG Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 12 Rn. 9. 191 Vorliegend ist Art. 84 GG in der Fassung vor Inkrafttreten der 12. AMG-Novelle anzuwenden, vgl. hierzu v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 404. 192 Vgl. hierzu BVerfGE 18, 407, 417; 85, 134, 142; Jarass, NVwZ 1996, 1041, 1044. 193 Die nach Art. 84 Abs. 1 GG a.F. erforderliche Zustimmung des Bundesrates liegt bzgl. der 12. AMG-Novelle vor. Hierzu v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 404 f. 190
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vielen wesentlichen Lücken im verfahrensrechtlichen Bereich zukommen kann, deren Ergänzungsbedürftigkeit schon aus allgemeinen Rechtsstaatserwägungen folgt. Insoweit lässt sich das Schweigen als implizierter Verweis auf die landesrechtlichen Regelungen verstehen. Die fragmentarischen bundesrechtlichen Regelungen können insoweit nur einen abschließenden Regelungsanspruch in Bezug auf die bereichsspezifischen Besonderheiten des Verfahrens erheben, deren Reglementierung durch die Richtlinie 2001/20/EG vorgegeben waren, ohne gleichzeitig die allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder auszuschließen.194 In Anbetracht der Subsidiarität und des Auffangcharakter ist hingegen stets zu prüfen, inwieweit ein Rückgriff auf einzelne Normen des allgemeinen Verfahrensrechts konkret möglich ist und ob nicht bundesrechtlich das jeweilige Sachproblem bereits abschließend bereichsspezifisch geregelt worden ist.195 2. Anwendbarkeit auf die Tätigkeit der beteiligten Ethik-Kommissionen Fraglich ist, ob das VwVfG auch auf die Tätigkeit der beteiligten EthikKommissionen bei multizentrischen Prüfungen Anwendung findet. Ist für die direkte Anwendung nach § 1 VwVfG erforderlich, dass eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit einer Behörde vorliegt, so stellt sich jedoch die Frage, ob in der Prüfung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen nach § 8 Abs. 5 S. 2 GCP-V ein für die Bejahung der Behördeneigenschaft notwendiges eigenverantwortliches Handeln mit Außenwirkung gesehen werden kann, denn es handelt sich schließlich bei jener Bewertung um ein Verwaltungsinternum. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Merkmal der „Außenwirkung“ keine Unmittelbarkeit wie in § 35 VwVfG verlangt. § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG belegt vielmehr, dass eine Behörde auch dann nach außen tätig werden kann, wenn sie bei einer von einer anderen Behörde zu treffenden Entscheidung mitwirkt, mithin ihre Tätigkeit also nicht unmittelbar nach außen wirkt. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Maßnahme ihr zugerechnet wird und nicht zu einer rein innerbehördlichen Tätigkeit zu zählen ist.196 Die der federführenden Ethik-Kommission übermittelten Bewertung ist kein innerbehördlicher Vorgang innerhalb derselben Behörde. Die beteiligte Ethik-Kommission tritt vielmehr im eigenen Namen nach außen, nämlich gegenüber einer anderen Behörde – der federführenden Ethik-Kommission – auf, was zwar die Außenwirkung nach § 35 VwVfG, nicht jedoch diejenige iSd Behördenbegriffs entfallen lässt. Während in der Prüfung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen nach § 8 Abs. 5 S. 2 GCP-V ferner eine 194
Ausf. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 110 ff., 183 f.; van der Sanden, Haftung, S. 40 ff; v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 406 u. 411; ferner Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 42 Rn. 5; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 24; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 396; Taupitz/Rösch, in: FS Deutsch II, S. 647, 648 ff. 195 Vgl. hierzu allgemein BVerwG NVwZ 1987, 488; Kopp/Ramsauer, § 1 Rn. 35 ff.; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 208; in Bezug auf Ethik-Kommissionen ausführlich v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401 ff. 196 So auch Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 243 ff.; ähnlich Kopp/Ramsauer, § 1 Rn. 52 f.
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öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit erblickt werden kann, ist jedoch weiterhin fraglich, ob die beteiligten Ethik-Kommissionen auch innerhalb eines Verwaltungsverfahrens tätig werden, ihre Bewertung also eine nach außen wirkende Tätigkeit darstellt, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist, § 9 VwVfG. Auch für die Außenwirkung nach § 9 VwVfG ist keine Unmittelbarkeit erforderlich. Nach überwiegender Auffassung reicht es aus, wenn die Tätigkeit der Behörde die Sachentscheidung beeinflussen kann.197 Während dies teilweise bei Mitwirkungsakten von Behörden ohne Bindungswirkung verneint werden kann198 , so ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission aufgrund ihrer örtlichen Fachkompetenz einen sowohl in rechtlicher als auch in praktischer Hinsicht maßgeblichen Einfluss auf die Gesamtbewertung hat199 , sodass sie als „Teil des Verwaltungsverfahrens“ vor der federführenden Ethik-Kommission anzusehen ist. Die beteiligten Ethik-Kommissionen wirken ferner auf den Erlass eines Verwaltungsaktes hin, den die federführende Ethik-Kommission erlässt. Das VwVfG ist folglich auch auf das Verfahren der beteiligten Ethik-Kommissionen anzuwenden.200 VII. Administrative Entscheidungsspielräume für Ethik-Kommissionen Haftungsrechtliche Bedeutung kommt der Frage zu, ob Ethik-Kommissionen einen Ermessens- und/oder Beurteilungsspielraum für sich in Anspruch nehmen. Die bei der Amtshaftung im Vordergrund stehende Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verlagert sich bei Zuerkennung eines administrativen Entscheidungsspielraums auf dessen ordnungsgemäße Ausfüllung mit einhergehenden gesteigerten Verfahrenspflichten. 1. Problemstellung Wem die letztverantwortliche Konkretisierung offener Normierungen zuzuschreiben ist, gehört zum „ewigen“ Problem der gerichtlichen Kontrolldichte administrativer Entscheidungen. An besonderer Dynamik gewinnt diese Thematik im Bereich der Risikoverwaltung und damit auch im Arzneimittelrecht. Wertungsoffene und die Wissenschaft in Bezug nehmende Risikoentscheidungen werfen dabei stets die Frage auf, wem das Gesetz die verbindliche Feststellung einer vertretbaren oder unvertretbaren Risikolage übertragen wollte.201 Vornehmlich zwei 197
So vor allem Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 118; ebenso Kopp/Ramsauer, § 9 Rn. 10 u. 11a: „Es kommt darauf an, ob sie sich auf die Verfahrensposition der Beteiligten auswirken können“. 198 Im Ergebnis offen lassend Kopp/Ramsauer, § 9 Rn. 10; weitreichender Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 Rn. 120: beratende Mitwirkung einer anderen Behörde für Außenwirkung iSd § 9 VwVfG ausreichend. 199 Eingehend hierzu noch unten, § 5 C.I. 200 Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 49. 201 Instruktiv hierzu Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 265 ff.
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Erscheinungsformen administrativen Eigenrechts werden voneinander unterschieden („traditionelle Doppel-Thematik“202 ): Zum einen das „Ermessen“ auf Rechtsfolgenseite („Rechtsfolgenermessen“), und zum anderen der „unbestimmte Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum“ auf Tatbestandsseite.203 Trotz überwiegend vorhandener Gemeinsamkeiten204 postuliert die h. M.205 eine strikte Trennung beider Erscheinungsformen.
2. (Rechtsfolgen-)Ermessen für Ethik-Kommissionen Nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG darf die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission nur versagt werden, wenn ein oder mehrere der abschließend aufgezählten Versagungsgründe vorliegen. Über jene Formulierung („darf nur versagt werden, wenn“) scheiden sich in der allgemeinen Verwaltungslehre die Geister. Aus der Wortwahl des „Dürfens“ wird grundsätzlich auf eine Ermessensermächtigung geschlossen.206 Tritt das Wort „nur“ hinzu, so ergibt sich hieraus, dass die anschließend aufgezählten Versagungsgründe abschließend sind. Fraglich ist dann, ob bei Vorliegen eines gesetzlichen Versagungsgrundes die Behörde die Genehmigung versagen muss, oder aber, ob ihr ein Ermessen zuzugestehen ist, aus sachlichen Gründen die Genehmigung gleichwohl zu erteilen, ob ihr also ein sog. Dispensermessen zuzugestehen ist.207 Die überwiegende Auffassung tendiert bei der Formulierung „darf nur“ zu der Form der gebundenen Verwaltung208 , es handelt sich aber stets um eine Auslegungsfrage.209 202
So Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 10; s.a. Ludwigs, JZ 2009, 290, 291. Grundlegend hierzu Bachof, JZ 1955, 97, 98: „Dagegen muß grundlegend unterschieden werden, ob das Gesetz einer Behörde für den Fall der Vorliegens gesetzlich bestimmter Voraussetzungen Freiheit des Handelns einräumt, oder ob der Behörde ein Spielraum hinsichtlich der Beurteilung der Voraussetzungen eben dieses Handelns eingeräumt ist“ (Hervorhebungen im Original) und Ule, in: GS Jellinek, S. 309 ff. Hierzu Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 52 ff.; ferner Voßkuhle, JuS 2008, 117; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 12; Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 31. 204 Zur Strukturgleichheit und krit. zur rechtsdogmatischen Trennung u.a. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 13 ff.; Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 126 ff.; Herdegen, JZ 1991, 747, 751; Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 71; Schenke, VerwProzR, Rn. 752 ff.; Ludwigs, JZ 2009, 290, 291 u. 292 f. 205 Stellvertretend Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 26 ff.; Peine, Allg VerwR, Rn. 203. 206 Vgl. nur Jastaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 56; Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 9. 207 Hierzu insb. Brohm, JZ 1995, 369, 374. 208 Vgl. BVerwGE 105, 67, 73: „Soll bei Vorliegen eines Versagungsgrundes die Erteilung einer Genehmigung strikt ausgeschlossen sein (gebundene Entscheidung), so bringt das Gesetz das regelmäßig dadurch zum Ausdruck, daß die Genehmigung „zu versagen ist“ (vgl. z.B. § 20 I BauGB). Auch bei der Formulierung „darf nur versagt werden, wenn“ kann sich aus dem Regelungszusammenhang ergeben, daß bei Vorliegen von Versagungsgründen kein Ermessensspielraum mehr für die Erteilung der Genehmigung bestehen soll. . . “; ebenso Sachs, in: Stekens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 23; Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 10; a.A. Brohm, JZ 1995, 369, 374. 209 Dies hervorhebend Jastaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 56; s.a. BVerwGE 105, 67, 73. 203
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Während die Gesetzesbegründung zur 12. AMG-Novelle hierzu schweigt, so lassen sich jedoch Rückschlüsse aus der durch die 15. AMG-Novelle neu eingeführten Rücknahme- und Widerrufsvorschrift des § 42a Abs. 4a AMG ziehen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut steht der Ethik-Kommission hier kein Ermessen zu („ist zurückzunehmen“; „ist zu widerrufen“).210 Im Umkehrschluss muss hieraus aber folgen, dass ein Dispensermessen bei der Erteilung der zustimmenden Bewertung ebenso zu versagen ist. Anderenfalls käme es zu nicht ausräumbaren Wertungswidersprüchen: Erteilt die Ethik-Kommission trotz Erfüllung eines Ablehnungsgrundes ihre zustimmende Bewertung nach pflichtgemäß ausgeübtem (Dispens-)Ermessen, so wäre sie nach § 42a Abs. 4a AMG sofort wieder zur Aufhebung ihrer Entscheidung verpflichtet, weil ihr bei Rücknahme und Widerruf kein (Dispens-)Ermessen zusteht. So entspricht es auch – soweit ersichtlich – unbestrittener Auffassung in der Literatur, dass Ethik-Kommissionen ein Rechtsfolgenermessen nicht eingeräumt worden ist.211 Unberührt hiervon bleibt aber ein der Ethik-Kommission möglicherweise zuzuerkennender Beurteilungsspielraum. 3. Beurteilungsspielräume der Ethik-Kommissionen auf Tatbestandsebene Prägendes Kennzeichen des ethik-kommissionsbezogenen Normenprogramms bei der Subsumtion der konkreten klinischen Prüfung unter die arzneimittelgesetzlichen Voraussetzungen ist die kooperative kollegiale Prognose- und Risikobewertung. Dabei verlangt das AMG von der Ethik-Kommission teilweise eine nicht rationalisierbare Konkretisierungsarbeit offener, respektive unbestimmter Rechtsbegriffe. Hiervon betroffen, d. h. (einzelfall-)konkretisierungsbedürftig sind die „geeignete Einrichtung“ und der „angemessen qualifizierte Prüfer“ (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG), der „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ sowie die „Ungeeignetheit“ der klinischen Prüfung zum Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG), als auch die jeweiligen und vielfältigen Nutzen-Risiko-Relationen, damit eingeschlossen die „ärztliche Vertretbarkeit“, und schließlich das „angemessene Verhältnis“ der Versicherungssumme (§ 40 Abs. 3 AMG).212 Damit stellt sich die Frage nach der Intensität der Bindung der Ethik-Kommissionen an das vorgegebene gesetzliche Normenprogramm und damit zusammenhängend nach dem Umfang der gerichtlichen Kontrolldichte der 210
Ausdrücklich BT-Drs. 16/12256, S. 51. Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 230: „Die Erteilung oder Ablehnung der beantragten Zustimmung zur Durchführung einer Klinischen Prüfung liegt allerdings nicht im Ermessen der Ethik-Kommission. Denn § 42 Abs. 1 AMG n.F. („die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn. . . “) räumt dem Antragsteller ein an das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gebundenen Rechtsanspruch gegenüber der Ethik-Kommission auf Erteilung der Zustimmung ein. Diese hat daher keinen Ermessensspielraum, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen durch den Antragsinhalt erfüllt werden“; im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 186 f.; indirekt Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 36; Seckelmann, WissR 41 (2008), 188, 201 f. 212 Ebenso, aber das „angemessene Verhältnis“ der Versicherungssumme unberücksichtigt lassend van der Sanden, Haftung, S. 187 ff.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 231. 211
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vorgenommenen Rechtskonkretisierung und -individualisierung im Einzelfall. Klärungsbedürftig ist, inwieweit den Ethik-Kommissionen prinzipiell bei ihrer Tätigkeit ein (administrativer) Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite zuzuerkennen ist, der mit einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit korrelieren kann.213 a. Grundlagen administrativer Letztentscheidungsbefugnisse Unter einem behördlichen Beurteilungsspielraum ist die Befugnis der vollziehenden Gewalt zur letztverbindlichen Konkretisierung und/oder Individualisierung eines oder mehrerer Tatbestandsmerkmale der administrativen Entscheidungsgrundlage zu verstehen.214 Dabei geht die generelle Zuerkennung administrativer Entscheidungsspielräume von der Prämisse aus, dass nicht das Gesetz einzige Quelle des Rechts ist und sich das Verhältnis von Gesetzgebung und Verwaltung nicht auf eine Gesetzesvollziehungsrelation reduzieren lässt. Jeder Gesetzesanwendungsakt bekräftigt nicht nur die Gesetzesbindung der Verwaltung, sondern erfordert zugleich einen Akt administrativen Eigenrechts.215 Mit Blick auf Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG ist einerseits die Konkretisierungsebene und andererseits die Kontrollebene zu unterscheiden. Erstere bestimmt den Umfang der Rechtserzeugungsbefugnis des Rechtsanwenders. Auf der Kontrollebene stellt sich die Frage nach der gerichtlichen Überprüfbarkeit der vorgenommenen Rechtsindividualisierung und -konkretisierung.216 Bindet Art. 20 Abs. 3 GG die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht und garantiert Art. 19 Abs. 4 GG eine vollständige und wirksame gerichtliche Überprüfbarkeit von subjektiv-rechtsverletzendenAkten der öffentlichen Gewalt217 , so besteht im Grundsatz eine uneingeschränkte gerichtliche Rechtsanwendungskontrolle. Für eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle bleibt jedoch dort Raum, wo der Gesetzgeber der Verwaltung eine Letztentscheidungsbefugnis zubilligt. Bei fehlender Fremdprogrammierung des Verwaltungshandelns sind administrative Letztentscheidungsbefugnisse mit reduzierter Kontrolldichte ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 213 Die Frage nach einem Beurteilungsspielraum für Ethik-Kommissionen ist weitestgehend unklar und umstritten. Beurteilungsspielraum bejahend: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1068; Deutsch, in: FS Bydlinski, S. 105, 117; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 163; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 34, § 42 Anm. 48; Pestalozza, in: Dautert/Jorzig/Winter, Arzneimittelsicherheit, S. 19, 25; van der Sanden, Haftung, S. 187 ff.; v. Dewitz, A&R 2008, 213, 214; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 230 f. u. 267; Wölk, Risikovorsorge, S. 317 f., 342 f.; Seckelmann, WissR 41 (2008), 188, 201 f.; Wilkening, Hamburger Sonderweg, S. 63 f.; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 400. Verneinend dagegen: Sobota, AöR 121 (1996), 229, 249 f.; Scholz/Stoll, MedR 1990, 58, 60; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 204; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 151 ff. 214 Vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, AllgVerwR, § 10 Rn. 44: „tatbestandsbezogene Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung“; Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 14 u. 71; ausf. Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 11 ff. 215 Genauer: Der Rechtsindividualisierungs- und -konkretisierungsprozess durch die Verwaltung ist kein „Nachsprechen“ dessen, was der Gesetzgeber abstrakt-generell vorgegeben hat (kein „Subsumtionsautomatismus“); vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 7 ff. m.w. Nachw.; Schmieder, Risikoentscheidungen, S. 140; ausf. Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 13 ff. 216 Vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 7 ff.u. 21. 217 Vgl. BVerfGE 65, 1, 70.
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4 GG möglich.218 Trotz unterschiedlicher Herleitungen und Kritik, insbesondere mit Blick auf Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG219 , entspricht die Zuerkennung eines beschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraums der h. L.220 und der ständigen Rspr. Bedeutsamer als die Frage nach der Zulässigkeit sind daher die Voraussetzungen, die an die Zuerkennung von Beurteilungsspielräumen zu stellen sind.
b. Normative Ermächtigungslehre Nach der herrschenden normativen Ermächtigungslehre ist das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Begründung einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis. Damit wird zugleich der Grundsatz aufgestellt, dass unbestimmte Rechtsbegriffe idR und unbeschadet ihrer Unbestimmtheit nicht per se zu einer Kontrollfreistellung führen.221 Die Zuweisung eines Beurteilungsspielraums ist davon abhängig, ob aus dem Inhalt der betreffenden (Ermächtigungs-)Norm eine Handlungsbindung für die Behörde bestimmt oder ob ihr ein Handlungsspielraum eingeräumt wird. Ob das Gesetz eine solche Beurteilungsermächtigung enthält, ist durch Auslegung des jeweiligen Gesetzes nach Sinn und Zweck der Norm unter Berücksichtigung auch der Natur der Sache sowie der maßgeblichen Verfahrensvorschriften zu ermitteln.222 Eine Letztentscheidungskompetenz mit eingeschränkter gerichtlicher Überprüfbarkeit ist damit eine normative, vom Gesetzgeber selbst zu treffende Entscheidung – mag sie auch nur
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Vgl. BVerfGE 61, 82, 111; 103, 142, 156 f. Einerseits lassen sich Beurteilungsspielräume als gelockerte Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) mit einhergehender reduzierten Kontrolldichte (Art. 19 Abs. 4 GG) verstehen. Andererseits kann bei fehlender Fremdprogrammierung der Verwaltung Art. 19 Abs. 4 GG bereits tatbestandlich nicht für einschlägig erachtet werden. Vgl. zur Diskussion insb. BVerwG NJW 2007, 2790, 2793 m.w. Nachw.; Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 55 ff.; Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 617, 619 ff.; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 38; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 13 ff. und bereits Bachof, JZ 1955, 97, 99. 220 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 158 f.; Überblick zum Streitstand bei Schmieder, Risikoentscheidungen, S. 140 ff.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 56 ff.; s.a. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 7 ff.; 221 Vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 25; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 35 ff. 222 Vgl. nur BVerwGE 62, 86, 98; 72, 195, 199; 72, 300, 316 f.; 81, 12, 17; 94, 307, 309; 100, 221, 225; jüngst auch BVerwG NJW 2007, 2790, 2792; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 IV Rn. 185 ff.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 410 ff.; Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 33 f.; Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 72; Beaucamp, JA 2002, 314, 315; Furhmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 55 f.; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 25 f., 33 ff.; Ludwigs, JZ 2009, 290, 295; Schmieder, Risikoentscheidungen, S. 140 ff. m.w. Nachw. zur Gegenansicht. 219
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durch Auslegung sichtbar werden223 – die ferner auf verfassungsrechtlich haltbaren Gründen beruhen muss.224 c. Typologie und Begründungsmechanismen für administrative Beurteilungsspielräume Obwohl das BVerfG sich zu Beurteilungsermächtigungen mehrmals geäußert hat225 , sind abschließende Kriterien nicht aufgestellt oder entwickelt worden bzw. abschließend ersichtlich, sodass die bisherige Rspr. des BVerwG und die übergekommene Systematisierung maßgeblich bleibt.226 Dem Ausnahmecharakter behördlicher Beurteilungsspielräume Rechnung tragend sind in der Rspr. Fallgruppen anerkannt227 , die ein Abweichen vom Grundsatz der umfassenden gerichtlichen Kontrolle erlauben. Neben Prüfungsentscheidungen228 und beamtenrechtlichen Beurteilungen229 sind für Ethik-Kommissionen nur zwei typologische Erscheinungsformen bedeutsam; nämlich Entscheidungen wertender Art durch weisungsunabhängig gestellte Sachverständigen- oder pluralistisch zusammengesetzte Interessensvertretergremien, sowie Prognose- und Risikoentscheidungen. Das BVerwG hat Gesetzen vor allem dann eine Beurteilungsermächtigung für die Verwaltung entnommen, wenn der zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende Elemente anhaften und das Gesetz deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Legitimation und in einem besonderen Verfahren entscheidet. Insbesondere gilt dies bei Kollegialorganen, die mögliche Auffassungsunterschiede bereits in sich zum Ausgleich bringen.230 In einer neueren Entscheidung betreffend den Beurteilungsspielraum einer Weinprüfungskommission hat das BVerwG 223 Kritisiert wird hieran, dass das Auslegungsergebnis oftmals nur Resultat von Praktikabilitätsund Systemstimmigkeitserwägungen ist. Vgl. insb. Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 75; Wahl, NVwZ 1991, 409, 411 f. 224 Vgl. zu den Grundlagen der normativen Ermächtigungslehre Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 IV Rn. 185 ff.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 69 ff.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 410 ff.; s.a. Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 7 u. 73. 225 Vgl. etwa BVerfGE 83, 130, 148; 84, 34, 49 ff.; 84, 59, 77 ff.; 88, 40, 56 ff.; s.a. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 282 ff. 226 In diesem Sinne auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 160, 165 ff., 175. 227 Ausführlicher Überblick bei Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 120 ff. und bei Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 35 ff. 228 Vgl. BVerfGE 84, 34; 84, 59; BVerwGE 99, 74; 104, 203 (jew. zur juristischen und medizinischen Staatsprüfung). 229 Vgl. BVerwGE 106, 263 (Entlassung eines Beamten auf Probe wegen mangelnder Bewährung); BVerwGE 111, 22 (Eignung eines Soldaten). 230 Vgl. jüngst BVerwG NJW 2007, 2790, 2792 zum Beurteilungsspielraum einer Weinprüfungskommission. Danach soll die Beurteilung, ob ein Wein in Aussehen, Geruch und Geschmack frei von Fehlern ist, nur eingeschränkt durch das Gericht überprüfbar sein. Anders noch BVerwGE 94, 307 ff. Ferner zu Kollegialorganen BVerwGE 39, 197, 203 (Bundesprüfstelle); BVerwGE 59, 213 217 (Beurteilungsermächtigung eines Ausschusses über die Berufsbefähigung sonstiger Bewerber als Architekt); BVerwGE 72, 195, 201 (Beurteilungsermächtigung des Börsenvorstandes); BVerwGE 91, 211, 215 (Bundesprüfstelle).
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verstärkt das Wesen von Kollegialentscheidungen in den Vordergrund gestellt. Danach verhilft ein pluralistisch zusammengesetztes Sachverständigenkollegium auch dazu, dass im Gegensatz zu einzelnen Sachverständigen „Subjektivismen weitestgehend neutralisiert werden und die Entscheidung insgesamt versachlicht wird“.231 Entscheidungen von Sachverständigengremien, die mit hoher Sachkunde, fachlicher Schulung und längjähriger Erfahrung ausgestattetet sind, seien gerichtlich trotz der Möglichkeit, einen oder mehrere Sachverständige hinzuzuziehen, in ihrem „sachlichfachlichen Kern ohnehin nicht überprüfbar“, denn „der Grundsatz des Prozessrechts, dass die Beweisaufnahme dem Gericht selbst obliegt und dass ein Sachverständigengutachten dem Gericht lediglich die Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen vermittelt, ließe sich hier nicht einmal ansatzweise verwirklichen“.232 Die Zuerkennung einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis lässt sich auf zwei wesentliche Überlegungen zurückführen: Zum einen würde eine vollständige gerichtliche Kontrolle den maßgeblichen Zweck der Staatsferne, der Weisungsunabhängigkeit und den pluralistischen Mehrwert der Kollegialentscheidung konterkarieren. Zum anderen können Entscheidungen unabhängiger und aus unterschiedlichen Fachrichtungen zusammengesetzte Gremien der Optimierung sensibler (Kommunikations-)Grundrechte dienen.233 Für Prognose- und Risikoentscheidungen hat das BVerwG administrative Letztentscheidungsbefugnisse im Wesentlichen auf die zukunftsgerichteten komplexen Wertungen und Diagnosen unter verstärktem Rückgriff auf die Normstruktur der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage gestützt.234 Als ausschlaggebend erwies sich dabei insbesondere, dass die Verwaltung für die erforderliche Risikoermittlung und
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BVerwG NJW 2007, 2790, 2792. BVerwG NJW 2007, 2790, 2793 f. Freilich sind hier die Besonderheiten des betroffenen Sachgebiets zu berücksichtigen, denn es ging in dem Urteil um eine Sinnenprüfung eines Weines auf Aussehen, Geruch, Geschmack und Harmonie, sodass eine Übertragbarkeit auf EthikKommissionen nicht ohne weiteres angenommen werden kann. So aber wohl v. Dewitz, A&R 2008, 213, 214 mit Fn. 11. 233 Hierzu insbesondere BVerwGE 91, 211, 215 (Bundesprüfstelle): „Dadurch, daß das Gremium sich zu zwei Dritteln aus den in § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 GjS genannten Gruppen rekrutiert - wobei die Beschlußfähigkeit voraussetzt, daß wenigstens zwei Mitglieder aus den Bereichen Kunst, Literatur, Buchhandel oder Verlegerschaft beteiligt sind (§ 9 Abs. 3 Satz 2 GjS) -, wird eine Element der „Selbstverwaltung“ geschaffen, das die Kunstfreiheit in einem rechtlich nur schwer faßbaren und daher besonders sensiblen Bereich optimiert. Könnte ein Gericht seine Auffassung, welches der widerstreitenden Verfassungsgüter im Einzelfall Vorrang genießen soll, unbeschränkt an die Stelle der Einschätzung dieses Gremiums setzen, liefe diese institutionelle Grundrechtsabsicherung leer“. Hierzu auch BVerfGE 84, 34, 50 f.; 83, 130, 148 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 192 ff. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass weisungsunabhängige Gremien oftmals demokratischlegitimatorische Defizite aufweisen. Die vollständige gerichtliche Kontrolle kann als notwendiges Korrelat hierzu aufgefasst werden. So etwa Maurer, Allg VerwR, § 7 Rn. 45; Schoch, Jura 2004, 612, 618; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 49; Beaucamp, JA 2002, 314, 318. 234 BVerwGE 72, 300, 315 f. zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG (Kernkraftwerk Whyl) und BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1233 zu § 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 Nr. 3 u. 4 GenTG (Prüfung der Sicherheit gentechnischer Anlagen); s.a. BVerwG NJW 2008, 2135, 2139; NVwZ 2008, 575, 577. 232
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-bewertung und der daraus folgenden Risikoabschätzung ein Entscheidungsvorrecht genieße, weil sie für die Verwirklichung des Grundsatzes der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge besser ausgerüstet sei als Gesetzgebung und Rechtsprechung. Insbesondere spreche das vom Gesetz vorgegebene einzuhaltende Verfahren für einen Beurteilungsspielraum, wenn sich hieraus ergibt, dass dieses im Gegensatz zur gerichtlichen Überprüfung besser zur letztverantwortlichen Entscheidung über den mit dem Genehmigungsantrag verbundenen Risiken geeignet sei.235 Verlange das Gesetz ferner bereits vom Antragssteller eine umfassende Bewertung und habe auch die Genehmigungsbehörde eine ebensolche Bewertung vorzunehmen, so dürfe die Bewertung nicht vom Gericht durch eine eigene ersetzt werden, sondern „nur auf die Einhaltung ihrer rechtlichen Grenzen hin kontrolliert werden“.236 Es könne „nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen“.237 Beurteilungsermächtigungen werden hiermit auch in einem funktionalen Kontext betrachtet, den auch das BVerfG zum Ausdruck gebracht hat. Zu fragen ist, wer personell und organisatorisch besser zur letztverantwortlichen Entscheidung ausgerüstet ist, wissenschaftsabhängige Risikoabschätzungen und -bewertungen abzugeben. Hohe Komplexität und/oder die besondere Dynamik der geregelten Materie sowie zahlreiche Unwägbarkeiten, die sich in einem Verwaltungsprozess teilweise gar nicht erfassen lassen, können die Rechtsprechung an ihre Funktionsgrenzen führen.238 Für die prinzipielle Zuerkennung von Beurteilungsermächtigungen bei Risikoentscheidungen hat Di Fabio ihren „tastenden, vorläufigen und immer vergleichsabhängigen und dabei exemplarisch gestaltenden Charakter“ herausgestellt, die einer „elastischen Konkretisierung des Gesetzes“ bedürfen und einem
235 Dies betraf im zu entscheidenden Fall die Einholung einer Stellungnahme der überwiegend aus Sachverständigen zusammengesetzten „Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit“ (§ 4 GenTG) vor der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den Genehmigungsantrag, die die Genehmigungsbehörde mit dem notwendigen Sachverstand ausstatte, den sie benötigt, um (letzt-)verantwortlich über die mit dem Genehmigungsantrag verbundenen Risiken zu entscheiden. Vgl. BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1233. 236 BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1234. 237 Vgl. BVerwGE 72, 300, 316 f.; NVwZ 1999, 1232, 1233 f.; s.a. BVerwGE 79, 208 ff. (Funktionsfähigkeit des Taxengewerbes bei Neuzulassungen); hierzu auch Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 18 ff., 77 ff. m.w. Nachw. 238 Vgl. BVerfGE 84, 24, 50: „Unbestimmte Rechtsbegriffe können allerdings wegen hoher Komplexität oder besonderer Dynamik der geregelten Materie so vage und ihre Konkretisierung im Nachvollzug der Verwaltungsentscheidung so schwierig sein, daß die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Der rechtsanwendenden Behörde mag in solchen Fällen ohne Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze ein begrenzter Entscheidungsfreiraum zuzubilligen sein“; ferner BVerfGE 49, 89, 138 ff.; zum funktionellrechtlichen Ansatz auch Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 281, 283-286, 297; Wahl, NVwZ 1991, 409, 410 ff.
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rational begründbarem Rechtsmäßigkeits- und Rechtswidrigkeitsurteil nicht zugänglich sind.239 d. Übertragbarkeit auf Ethik-Kommissionen aa. Unbestimmte Rechtsbegriffe Das Prüfungsprogramm des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG muss als Grundvoraussetzung für die Annahme eines Beurteilungsspielraums unbestimmte Rechtsbegriffe aufweisen, verstanden als solche mit einem „höheren Maß an Vagheit“240 . Unter Berücksichtigung der anerkannten Fallgruppen durch die Rspr. und der Begründungsmechanismen lassen sich jedoch Rechtsbegriffe trotz ihrer Unbestimmtheit aus dem Kreis der Beurteilungsermächtigung von vornherein herausnehmen, für die weder eine wertende Prognose noch die Kollegialität der Ethik-Kommissionsentscheidung ausschlaggebend ist, namentlich die „geeignete Einrichtung“ und der „angemessen qualifizierte Prüfer“ (§ 40 Abs. 1 Nr. 5 AMG), denn in Bezug auf diese Tatbestandsmerkmale ist ein ethik-kommissionsspezifischer Kompetenzvorsprung gegenüber den Gerichten, der sich in der interdisziplinären Zusammensetzung und im Verfahren widerspiegelt, nicht anzunehmen.241 Ethik-Kommissionsspezifische Prognosen und Risikoeinschätzungen bedürfen nur die übrigen eingangs erwähnten Rechtsbegriffe, für die die Frage nach einer Letztentscheidungskompetenz gegenüber den Gerichten relevant wird, also der „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ iSv § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 1. HS AMG242 sowie die „Ungeeignetheit“ der klinischen Prüfung zum Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels (2. HS), die jeweiligen und vielfältigen Nutzen-Risiko-Relationen, die „ärztliche Vertretbarkeit“, und schließlich das „angemessene Verhältnis“ der Versicherungssumme (§ 40 Abs. 3 AMG)243 , denn die Subsumtion steht hier in direktem Zusammenhang zur kollektiven Risikoprognose und mithin zur Abwägungsnotwendigkeit.244 239 Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 280 f., 283; jüngst hierzu auch Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht, bes. S. 185 ff. In ähnlicher Weise hat auch das BVerwG „die Situation der Ungewissheit“ als ein prägendes Merkmal von Risikoentscheidungen hervorgehoben, wozu auch „das dazugehörige Entscheidungsvorrecht der Behörden geradezu kennzeichnend“ sei; BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1234. 240 Vgl. zur Diskussion Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 24; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 35.; Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 50 ff. 241 Allein der prognostische Charakter dieser Tatbestandsmerkmale ist für eine Beurteilungsermächtigung nicht ausreichend; vgl. BVerwGE 103, 142, 157; BVerfG NJW 2003, 2303, 2304 („Gefahr im Verzug“). 242 Trotz Unbestimmtheit ist jedoch der jeweilige Verweis in den §§ 40, 41 AMG auf die „Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“ von vornherein einer Beurteilungsermächtigung zu entziehen, denn dort wird er im Kontext der medizinischen Indikation des Arzneimittels verwandt. 243 Ebenso, aber das „angemessene Verhältnis“ der Versicherungssumme unberücksichtigt lassend van der Sanden, Haftung, S. 187 ff.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 231. 244 Vgl. auch Sander, Erl. § 40 Anm. 39; zur „Abwägungsnotwendigkeit“ als Kriterium für eine Beurteilungsermächtigung Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 291.
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bb. Gesetzgeberische Letztentscheidungsermächtigung für Ethik-Kommissionen Die beschriebene und auf den ersten Blick übertragbare Typologie entbehrt nicht die erforderliche Rückführung auf eine durch Auslegung des Gesetzes zu gewinnende Beurteilungsbefugnis, die nur durch eine konkrete Einzelanalyse festgestellt werden kann.245 Für die Zuerkennung eines beschränkt gerichtlich überprüfbaren Beurteilungsspielraums für Ethik-Kommissionen lässt sich nach den angeführten Grundlagen der normativen Ermächtigungsgrundlage die entscheidungserhebliche Frage dahingehend konkretisieren, ob § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG sowohl eine Konkretisierungs- und Individualisierungsbefugnis als auch eine Letztentscheidungsermächtigung für Ethik-Kommissionen zu entnehmen ist. Als für Ethik-Kommissionen maßgeblich und die Auslegung für eine normative Delegation bestimmend, kann zunächst die Normstruktur des § 42 Abs. 1 AMG und das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen angesehen werden. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung obliegt die Risikoermittlung und -bewertung den interdisziplinär besetzten Ethik-Kommissionen, was die vorstrukturierte Unterlagenbeibringungspflicht des Sponsors deutlich zum Ausdruck bringt. EthikKommissionen agieren nicht nur im Bereich der außerrechtlichen Wissenschaften, sondern ihre Tätigkeit ist auch kognitiv und mithin in einen Unsicherheitsbereich so weit nach vorne verlagert worden, sodass es an Richtigkeits-, Rechtsmäßigkeitsund gar an Vertretbarkeitsmaßstäben fehlen kann.246 Im Einklang mit dem BVerwG lässt sich hierin ein administratives – genauer: ethik-kommissionsspezifisches – Entscheidungsvorrecht gegenüber den Gerichten erblicken, denn die interdisziplinäre Risikoermittlung, -bewertung und -abschätzung gewährleistet in einem höheren Maße die Verwirklichung des Grundsatzes der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge.247 Auch dient das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen nach den §§ 40 ff. AMG, 7 f. GCP-V im Wesentlichen der Kompensation von Rationalisierungsdefiziten, sodass jenes besser zur letztverantwortlichen Entscheidung über die mit dem Antrag verbundenen Risiken geeignet ist und folglich auf eine Letztentscheidungsbefugnis der Ethik-Kommissionen hindeutet und nicht auf eine dem in
245 Es wäre verfehlt, für Ethik-Kommissionen allein aus der Prämisse des Vorhandenseins unbestimmter Rechtsbegriffe und aus der Kumulation von Prognose- und Risikoentscheidung, aus ihrer professionell-pluralistischen Besetzung sowie ihrer weisungsunabhängigen Tätigkeit einen Beurteilungsspielraum „herzuleiten“, denn weder stünde dies im Einklang mit der normativen Ermächtigungslehre, die eine gesetzgeberische Entscheidung verlangt, noch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die für Entscheidungen aufgrund wertender Prognosen und Risiken zusätzliche Bedingungen fordert. Auch allein die Zusammensetzung des Entscheidungsträgers genügt für sich betrachtet nicht. Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 195, 198, 204 f. m.w. Nachw. Deutlich zur beschränkten Geltungskraft der aufgezeigten typologischen Erscheinungsformen Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 46; Wahl, NVwZ 1991, 409. 246 Zu diesem Gesichtspunkt auch Wölk, Risikovorsorge, S. 245. 247 Vgl. BVerwGE 72, 300, 315 f.; NVwZ 1999, 1232, 1233; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 275.
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Qualität nachstehende gerichtliche.248 Aus dem ordnungsgemäß durchgeführten Entscheidungsfindungsverfahren lässt sich eine „Vermutung der Richtigkeit“ bzw. eine „Vermutung juristischer Vertretbarkeit“ entnehmen.249 Weiterhin sind die §§ 40 ff. AMG auf eine Kooperation von Sponsor und Ethik-Kommission ausgerichtet, denn das Gesetz verlangt bereits vom Antragssteller eine umfassende Bewertung und Risikoeinschätzung. Dieses für Risikoentscheidungen kennzeichnende gesetzlich angeordnete Kooperationsprinzip würde bei Annahme einer gerichtlichen Letztentscheidungsbefugnis gänzlich in den Hintergrund geraten. Es lässt sich nur dann vollumfänglich verwirklichen, wenn das Gericht die Entscheidung nur auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen hin kontrolliert.250 Ferner darf nicht übersehen werden, dass seit der 12. AMG-Novelle zwei voneinander unabhängige Genehmigungsverfahren bestehen. Obwohl alleine die hierin zum Ausdruck kommende Komplexität für die Zuerkennung administrativer Beurteilungsspielräume unzureichend ist251 , so lässt sich jedenfalls aus der Parallelisierung beider Verfahren der gesetzgeberische Wille erkennen, dass sich erst durch das Zusammenspiel von Ethik-Kommissionen und Bundesoberbehörde eine zutreffende Risikoermittlung und -bewertung vollziehen lässt. Neben der normstrukturellen Betrachtungsweise verdient die Eigenart der Prognose- und Risikoentscheidung besonderer Hervorhebung. Nicht nur arzneimittelbezogene Risikoentscheidungen sind gekennzeichnet durch die Untrennbarkeit von Kognition und Wertung bereits im Erkenntnisvorgang. Die Wertungs-, Abwägungs- und Vergleichsabhängigkeit von Risikoentscheidungen sind mit einer Erkenntnisunsicherheit untrennbar verbunden. Kann bereits die (Natur-) Wissenschaft keine eindeutige Aussage über Auslegung und Subsumtion des unbestimmten Rechtsbegriffs treffen, so gilt dies erst recht für die normative Wertung.252 Entscheidungen komplexer Ursache-Wirkungs-Gefügen, fehlender Kausalitätserkenntnis und Nutzen-Risiko-Bilanzierungen mehrerer widerstreitender Rechtsgüter und Interessen haben stets vorläufigen und vergleichsabhängigen Charakter. Sie bedürfen einer „elastischen Konkretisierung des Gesetzes“, die ein solches Maß an Kontingenz erreichen kann, dass keine Begründung mehr eindeutiger und überzeugender als die andere ist. Die Einzelfallsubsumtion, insbesondere von professionell-pluralistischen Gremien, korreliert bei Risikoentscheidungen grundsätzlich mit einem administrativen Konkretisierungsauftrag der in der Sachlage selbst begründeten gesetzlichen Zurückhaltung und mithin mit einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis, deren Entscheidungsfindung und -begründung 248
Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 192: „Kompensation für Rationalisierungsdefizite“. Wölk, Risikovorsorge, S. 311. Dieser Gesichtspunkt wird auch aufgegriffen in BVerwG NJW 2007, 2790, 2793 f. (Weinprüfungskommission); s.a. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 180 f., 273 f. 249 Ähnlich, jedoch die Vermutung für die Richtigkeit letztlich nicht für ausschlaggebend erachtend BVerwGE 91, 211, 215 f. Wie hier van der Sanden, Haftung, S. 190. 250 Vgl. hierzu BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1234.; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 279 f. 251 Vgl. BVerfGE 88, 40, 58. 252 Der Gesetzgeber kann nur einen allgemeinen Rahmen vorgeben und ist im Übrigen auf Generalisierungen angewiesen, vgl. Wahl, NVwZ 1991, 409, 410.
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sich aus Rechtsgüterschutzgründen nicht in das herkömmliche Syllogismusmodell einfügen.253 So lassen auch die §§ 40 ff. AMG zahlreiche, im Übrigen der Verrechtlichung nicht zugängliche Problemlagen völlig ungelöst, die dem Themenbereich der medizinischen Forschung immanent sind: Es fehlt etwa an Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Placebogruppen oder an Anforderungen, die an Systematik, Methodik und Durchführung klinischer Prüfungen in concreto zu stellen sind.254 Obwohl dem Gesetzgeber die besondere Problemlage bekannt gewesen ist, hat er sie generalklauselartig mit den oben genannten unbestimmten Rechtsbegriffen der Ethik-Kommission zur Ausfüllung zugewiesen bzw. zuweisen müssen; präziser: Die Ethik-Kommission hat bei ihrer Subsumtion die nur generell und abstrakt vorgezeichneten Voraussetzungen „im Hinblick auf den zu entscheidenden Fall zu Ende zu denken“.255 Dies verlangt notwendigerweise eine elastische und einzelfallbezogene Konkretisierung des Gesetzes durch ein offenes und diskursives Verfahren.256 Der Annahme eines fremdprogrammierenden Handelns der Ethik-Kommission steht folglich die nichtbestehende Juridifizierungsmöglichkeit forschungsimmanenter Problemlagen entgegen, sodass erst ein Akt ethik-kommissionsbezogenen Eigenrechts bei funktionaler Betrachtungsweise die rechtlich bessere Handlungsform für den Rechtsgüterschutz darstellt bzw. ihn gar erst verwirklichen kann.257 Dass Gerichte, notwendigerweise anhand rationaler Maßstäbe, über Zulässigkeit und Grenzen von Placebogruppen, Randomisierungen oder Doppelblindstudien letztverbindlich entscheiden sollen, lässt sich den §§ 40 ff. AMG folglich nicht entnehmen und würde die dem interdisziplinären Diskurs anhaftenden Elemente und das gedankliche Operieren mit hypothetischen Fällen unberücksichtigt lassen. Vielmehr lässt sich an der Eigenart der Prognose- und Risikoentscheidung sowie an der Zurückhaltung des Gesetzgebers eine normative Delegation für Ethik-Kommissionen als besonders geeignete Institution zur letztverbindlichen Entscheidung erkennen. Es lässt sich
253
Vgl. zur Beurteilungsermächtigung bei Risikoentscheidungen und zur notwendigen Elastizität des Handelns Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 265 ff., insb. S. 268, 275, 277 f., 280 f., 283, 286, 289; Wölk, Risikovorsorge, S. 225, 238 f. 242 ff., 262, 283 f.; s.a. Schenke, VerwProzR, Rn. 748 ff. 254 Randomisiert kontrollierte Studien können zwar als „Goldstandard“ aufgefasst und als Postulat an die Konzeption klinischer Prüfungen angesehen werden. Jedoch ist die Konzeption verstärkt kontextabhängig zur zugrundeliegenden Erkrankung und Zielsetzung, die verallgemeinerungsfähigen Aussagen nicht zugänglich ist. Vgl. zur fehlenden Kodifikation auch Deutsch, in: Deutsch/Lippert, Vor § 40. 255 Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 15; s.a. BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1234: „Wenn die Genehmigungsbehörde bei der Prüfung des einzelnen Vorhabens zu dem Ergebnis gelangt, daß dieses Vorhaben mit Risiken behaftet ist, die das nach dem Willen des Gesetzgebers von allen Bürgern zu tragende sogenannte Restrisiko übersteigen, muß sie die beantragte Genehmigung versagen.“ 256 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 310 f., 322 f. 257 Zu diesem Gesichtspunkt auch BVerfGE 49, 89, 139 f.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 410. Die Gesetzesbegründung zur 12. AMG-Novelle deutet ebenfalls in diese Richtung, vgl. BT-Drs. 15/2109: „Zur Sicherung dieser Grenze des Risikos und der Belastung haben die zuständige Behörde und die Ethik-Kommission die Aufgabe, die für eine klinische Prüfung eingereichten Unterlagen auf das erwartete Nutzen-/Risikoprofil hin sorgfältig zu prüfen und zu bewerten“.
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also der gesetzgeberische Wille entnehmen, gerade die Ethik-Kommissionen zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe aufzurufen.258 Neben der bereits aufgezeigten Beurteilungsermächtigung, die aus der Staatsferne, Weisungsunabhängigkeit und pluralistischen Besetzung hergeleitet wird und auch auf Ethik-Kommissionen übertragbar erscheint259 , zeigt sich zudem die Grenze der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Voten interdisziplinär besetzter EthikKommissionen am Charakter ihrer Kollegialentscheidung, die das Gericht auch bei Hinzuziehung externen Sachverstands nur bedingt nachvollziehen kann. Während das BVerwG in seiner Entscheidung zur Weinprüfungskommission diesbezüglich auf die gerichtliche Nichtnachvollziehbarkeit subjektivierter Prüfentscheidungen abgestellt hat260 , so ist die gerichtliche Funktionsgrenze in der hohen Komplexität, besonderen Dynamik und eigentümlichen Zusammenspiels der §§ 40 ff. AMG selbst begründet, die im Ergebnis auf vertretbares, allein juristisch nur in Nuancen nachvollziehbares Versuchshandeln ausgerichtet sind.261 Bei ordnungsgemäßer – gruppenantagonistischer – Besetzung der Ethik-Kommission ist die Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe und die anschließende Entscheidung ein Vorgang bzw. ein Ergebnis des interdisziplinären Diskurses – genauer: eines Konsensualprozesses mit abschließender Mehrheitsentscheidung – verschiedenster Fachrichtungen mit stets unterschiedlichen Problemschwerpunkten.262 Das Gericht stößt hier an seine Funktionsgrenzen, was es auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG rechtfertigt, den interdisziplinär besetzten Ethik-Kommissionen ein Entscheidungsvorrecht aufgrund besserer Verwirklichung des Grundsatzes der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zuzugestehen.263 Der gesetzgeberische Wille zur Delegation lässt sich daran erkennen, dass die Interdisziplinarität der EthikKommissionen als Strukturvorgabe eigens aufgeführt wird (§ 40 Abs. 1 S. 1 AMG), der Gesetzgeber folglich von der Notwendigkeit einer wertenden, abwägenden und Sachverstand erfordernden Gesetzesanwendung ausgeht, die mit einer gerichtlichen Letztentscheidungsbefugnis konterkariert werden würde.264 Verlangt man für eine Letztentscheidungsbefugnis der Ethik-Kommissionen verfassungsrechtlich nachvollziehbare Gründe, so sind diese einerseits in der gesteigerten Gewähr des Patienten- und Probandenschutzes (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) 258
Allgemein hierzu Schenke, VerwProzR, Rn. 758. Zweifelnd diesbezüglich für Ethik-Kommissionen Sobota, AöR 121 (1996), 229, 249 ff.; auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 204 a.E. 260 BVerwG NJW 2007, 2790, 2792, 2794. 261 Treffend auch v. Dewitz, A&R 2008, 213, 214: Beurteilungsspielraum aufgrund „Vereinbarungscharakter“ der Ethik-Kommissionsentscheidung. 262 Dies verkennt Sobota, AöR 121 (1996), 229, 250, indem sie Ethik-Kommissionen ausschließlich medizinischen Sachverstand zuschreibt und das Votum lediglich als eine Kumulation von Fachkompetenzen begreift; zu Kollegialentscheidungen auch Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 273 f. 263 Vgl. hierzu auch BVerfGE 84, 24, 50; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 284 f., 291; für Ethik-Kommissionen auch van der Sanden, Haftung, S. 190. 264 S.a. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 273 f. 259
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zu erblicken. Die Risiko-Nutzen-Relationen verlangen andererseits auch eine Bewertung des wissenschaftlichen Wertes der Studie, sodass Art. 5 Abs. 3 GG einen gewichtigen Stellenwert bei der Abwägungsentscheidung der Ethik-Kommissionen darstellt. Die Letztentscheidungsbefugnis von Ethik-Kommissionen lässt sich – im Anschluss an das BVerwG – als ein Element der „Selbstverwaltung“ und institutionelle Grundrechtsabsicherung verstehen, welches die Wissenschaftsfreiheit „in einem rechtlich nur schwer faßbaren und daher besonders sensiblen Bereich optimiert“.265 Ethik-Kommissionsmitglieder fungieren neben ihrer Eigenschaft als „Versuchsteilnehmerschützer“ auch zugleich als Repräsentanten der scientific community, der es eher obliegt, wissenschaftliche Streitfragen bzw. die wissenschaftliche Wertigkeit einer Studie einzuschätzen und in die verschiedensten Beziehungen zu setzen, als den Gerichten.266 Zudem ist in die Auslegung zur normativen Ermächtigung einzubeziehen, dass Ethik-Kommissionen auch ein Produkt unzureichender gerichtlicher Kontrolle darstellen, die – wie aufgezeigt – um 1900 und während der NS-Diktatur ihren Höhepunkt erreichte. Die Entwicklungsgeschichte der Ethik-Kommissionen bestärkt die Annahme einer Beurteilungsermächtigung. cc. Ergebnis Aufgrund der Normstruktur des § 42 AMG, der Eigenart der von EthikKommissionen zu bewältigenden Prognose- und Risikoentscheidung, der Funktionsgrenzen der Gerichte, des Charakters der Kollegialentscheidung, aus grundrechtlicher Perspektive mit Blick aufArt. 2Abs. 2 S. 1 undArt. 5Abs. 3 GG und schließlich der historischen und entstehungsgesetzlichen Gründe ergibt die Auslegung eine Letztentscheidungsbefugnis für Ethik-Kommissionen. Es handelt sich bei ihnen um die Kernbestandteile der interdisziplinär gefundenen prognostischen Wertungen, für welche ein ethik-kommissionsspezifischer Kompetenzvorsprung gegenüber den Gerichten besteht.267 e. Gerichtliche Kontrolldichte und (haftungsrechtliche) Konsequenzen Liegt eine administrative Letztentscheidungsbefugnis vor, beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung auf Beurteilungsfehler. Das Gericht hat das administrative Handeln und mithin auch das Handeln von Ethik-Kommissionen dahingehen zu überprüfen, ob die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind, ob die Behörde von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, ob sie ferner den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat, ob sie sich des weiteren bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten und schließlich das Willkürverbot nicht verletzt 265
So BVerwGE 91, 211, 215 (Bundesprüfstelle) für die Kunstfreiheit. Allgemein hierzu BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1234; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 291; Wahl, NVwZ 1991, 409, 414. 267 Einzelheiten zum Beurteilungsspielraum werden noch im haftungsrechtlichen Kontext aufgegriffen. 266
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hat.268 Besonderheiten gelten allerdings dort, wo es um die Herstellung praktischer Konkordanz grundrechtlicher Positionen geht. Kein Beurteilungsspielraum besteht daher im Hinblick auf die Frage, ob der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen ist und hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen betroffenen Belange (Abwägungsmaterial).269 Der Abwägungsvorgang dagegen unterliegt nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle, da die Abwägungsentscheidung vom Gesetzgeber der Verwaltung und nicht den Gerichten zugewiesen ist.270 Bedeutsam wird diese Ausnahme für Ethik-Kommissionen bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Qualität der klinischen Prüfung (Art. 5 Abs. 3 GG). Beurteilungsspielräume bewirken keine Haftungsausschlüsse aufgrund zurückhaltender gerichtlicher Kontrolle des Ethik-Kommissionshandelns.271 Vielmehr steht ein positiver, den Rechtsgüterschutz dynamisierender Effekt durch die Zuerkennung von Beurteilungsspielräumen im Vordergrund, der sich in der gesteigerten Pflicht zur Beachtung solcher Anforderungen materialisiert, die gerichtlich vollständig überprüfbar sind. Dies führt zur einer strengeren Kontrolle und Anhebung administrativer Sorgfaltspflichten, insbesondere der nachvollziehendenAmtsermittlung, der Beteiligung qualifizierten und wenn nötig externen Sachverstands und der Dokumentation.272 Reduzierte Kontrolldichte von den Ethik-Kommissionen vorbehaltenen Tatbestandsmerkmalen und dazu im Verhältnis einer Antiproportionalität stehenden dichteren Kontrolle des besonderen Erkenntnis- und Bewertungsverfahrens sowie des richtigen Normenverständnisses weisen eine harmonische und zugleich ökonomische sowie rationale Verknüpfung zugunsten der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge auf, indem die Ethik-Kommission über die Präventionsfunktion der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle zur gesteigerten Sorgalt und damit zur Nutzbarmachung ihres Kompetenzvorsprungs angeleitet wird.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern Der Inhaber eines Rechtsguts hat den daran entstanden Schaden selbst zu tragen (casum senit dominus). Eine Schadensabnahme kann er von einem anderen dann verlangen, wenn hierfür ein besonderer Grund besteht. Anknüpfungspunkt 268
Vgl. nur BVerwG NJW 2007, 2790, 2794; BVerwGE 77, 75, 85; 103, 200, 204; 117, 81, 82; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 54; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 220 ff.; Schenke, VerwProzR, Rn. 772 ff.; Bamberger, VerwArch 93 (2002), 217, 227 ff.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 415 ff.; für Ethik-Kommissionen s. a. van der Sanden, Haftung, S. 193 f. 269 Vgl. BVerfGE 83, 130, 147 f.; anschaulich BVerwGE 91, 211, 215 f.: „Was zur Herstellung praktischer Konkordanz in die jeweilige Waagschale zu werfen ist, unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle“. 270 BVerwGE 91, 211, 215 f. Zu Ermessen und Beurteilungsspielräumen im Grundrechtsbereich auch Brohm, JZ 1995, 369, 370 ff. 271 Vgl. van der Sanden, Haftung, S. 193. 272 Hierzu bereits Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 289 f., 462 f.; jüngst Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht, S. 219 f.; s.a. Wahl, NVwZ 1991, 409, 416 f.
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hierfür ist die Zurechnung. Sie wirkt haftungsbegründend und führt in ihrer Rechtsfolge zur Befugnis des Geschädigten, den erlittenen Schaden auf einen anderen abwälzen zu dürfen („Veränderung der Risikozuständigkeit“).273 Für geschädigte Versuchsteilnehmer einer klinischen Prüfung mit Arzneimitteln gilt dieser Grundsatz gleichermaßen. Soweit die Haftung für Ethik-Kommissionen dem Verschuldensprinzip folgt, so führt eine Verletzung des Versuchsteilnehmers, die weder vorsätzlich noch fahrlässig zugefügt wurde, nicht zu einer Schadensabnahme.274 Eine gegenüber der Verschuldenshaftung erleichterte Schadenskompensationsmöglichkeit steht geschädigten Versuchsteilnehmern gegenüber der Probandenversicherung zu. Klärungsbedürftig ist zunächst, inwieweit die Probandenversicherung die Haftung für Ethik-Kommissionen, aber auch die Haftung von weiteren Beteiligten an der klinischen Prüfung zu begrenzen bzw. auszuschließen vermag.
A. Die (eingeschränkte) Bedeutung der Probandenversicherung im Haftungsgefüge, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG I. Grundlagen § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG belegt den Sponsor einer klinischen Prüfung mit einer gesetzlichen Abschlussverpflichtung für eine Versicherung, die für den Fall, dass bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird, auch dann Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet. Sie muss nach § 40 Abs. 3 AMG in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken stehen und auf der Grundlage einer Risikoabschätzung so bemessen sein, dass für jeden Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit mindestens 500.000 € zur Verfügung stehen. Seit der 12. AMG-Novelle ist nunmehr geklärt, dass die erforderliche Gesamtversicherungssumme keinen rein formalen Additionsvorgang darstellt, sondern das Ergebnis einer Risikoabschätzung ist.275 Diese sog. Probandenversicherung folgt dem Gedanken der Aufopferungshaftung276 und lässt sich nicht in einen Versicherungszweig eindeutig zuordnen: Unfallversicherungscharakter hat sie insoweit, als sie auch dann Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet, wobei bezweifelt wird, dass der „Forschungsunfall“ unter den Unfallbegriff fällt.277 Haftpflichtversicherungsrechtliche Elemente lassen sich darin erblicken, dass sie auch solche Schäden abdeckt, für die eigentlich die Beteiligten an 273
Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 84 ff.; ders., JZ 1971, 244, 245; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 1 ff.; Medicus, in: FS Zeuner, S. 243: „Das zivile Haftungsrecht muß dann darüber entscheiden, ob der Schaden an seinem ursprünglichen Sitz bleiben oder von dort weitergewälzt werden soll“. 274 Allg. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 419. 275 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 30; Sander, Erl. § 40 Anm. 39. 276 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1340, 1343; Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 150; Pisani, PharmR 2009, 55, 59 u. 60; Godt/Engelke, WissR 43 (2010), 2, 10. 277 Hierzu insb. Klingmüller, in: FS Hauß, S. 169, 171.
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der klinischen Prüfung haften. Die ganz h. M. sieht in ihr daher eine Versicherung sui generis.278 Der Anspruch des geschädigten Versuchsteilnehmers resultiert aus dem Versicherungsvertrag zwischen dem Sponsor und dem Versicherer. Es handelt sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter iSd § 328 BGB, aus dem der Versuchsteilnehmer einen verschuldensunabhängigen Direktanspruch gegen den Versicherer herleitet.279 Der Umfang der Leistung aus der Probandenversicherung ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag, der durch die „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für versicherungspflichtige klinische Prüfungen von Arzneimittel (AVB/Prob)“ konkretisiert wird. Sie legen den Inhalt der Leistung des Versicherers fest.280
II. Die Reichweite der Probandenversicherung 1. Versicherter Personenkreis Zum versicherten Personenkreis zählen alle Teilnehmer einer klinischen Prüfung, die das Gesetz mit „betroffenen Personen“ umschreibt (§ 40 Abs. 3 S. 1 AMG). Nach § 3 Abs. 2a GCP-V zählen zu den betroffenen Personen die Teilnehmer in der Testgruppe und in der Kontrollgruppe. Beide Gruppen zählen zum versicherten Personenkreis.281 Körper- und Gesundheitsschäden von nicht an der klinischen Prüfung teilnehmenden Personen werden nicht erfasst.282 Aufgenommen worden ist nunmehr auch die Leibesfrucht, die jedoch bereits gezeugt sein muss. Trotz gegenteiliger Stimmen in der Literatur unterliegen auch Studien der Phase IV oder andere Studientypen mit zugelassenen Arzneimitteln – etwa Therapieoptimierungsstudien – der Versicherungspflicht nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG, sodass auch Teilnehmer an dieser Art von Studien zum versicherten Personenkreis zählen. Der Verweis darauf, dass Studien mit zugelassenen Arzneimitteln der Deckungsvorsorgepflicht des § 94 AMG unterlägen und die Gefährdungshaftung des § 84 AMG hier eingreife, 278 Zur Rechtsnatur im Einzelnen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1340 f. Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 150 („Unfallversicherung zugunsten eines Dritten“); Koyuncu, PHi 2005, 86, 89 f. m.w. Nachw.; Swik, PharmR 2006, 76 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 245 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 183 ff.; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 80; ders., in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 159, 161 f.; ders., MedR 1983, 201; Klingmüller, in: FS Hauß, S. 169 ff.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 181 f.; Pisani, PharmR 2009, 55, 56; Godt/Engelke, WissR 43 (2010), 2, 10. 279 Hierzu Sander, Erl. § 40 Anm. 39; Klingmüller, in: Toellner, Ethik-Kommissionen, S. 79, 80; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 164; Deutsch, VersR 1979, 685, 689 f. 280 Allgemein hierzu Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 41 ff. 281 S.a. Swik, PharmR 2006, 76, 77; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76; Stock, Probandenschutz, S. 76 ff.; Deutsch, VersR 1979, 685, 690. 282 Vgl. Swik, PharmR 2006, 76, 77; a.A. Voit, PharmR 2005, 345, 346, der sich auf die Formulierung in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG („ein Mensch“) stützt; ebenso Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 206; dagegen aber bereits Deutsch, VersR 1979, 685, 690; ebenso Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 239.
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mithin die Schutzbedürftigkeit der Prüfteilnehmer fehle283 , überzeugt nicht, denn die Probandenversicherung soll gerade auch dann leisten, wenn niemand anderes für den Schaden haftet.284
2. Versichertes Risiko – Eintritt des Versicherungsfalls Der Versicherungsfall tritt dann ein, wenn sich das im Versicherungsverhältnis angesprochene Risiko realisiert.285 Der Versicherungsumfang wird in den AVB/Prob auf Gesundheitsschäden erstreckt, die Folgen von den bei der klinischen Prüfung angewandten Arzneimitteln und/oder Stoffen sind (1.3.1). Erfasst werden auch Gesundheitsschäden durch Maßnahmen, die an dem Körper der versicherten Person im Zusammenhang mit der klinischen Prüfung durchgeführt werden (1.3.2.). Soweit bestehende Krankheiten oder andere Ursachen mitgewirkt haben, besteht der Versicherungsschutz nur für den entsprechenden ursächlichen Anteil der klinischen Prüfung (1.3.3). In der Gesundheitsbeschädigung muss sich ein typisches Risiko der klinischen Prüfung verwirklicht haben. Voraussetzung ist folglich der Nachweis der adäquaten Kausalität zwischen Arzneimittelprüfung und der Gesundheitsbeschädigung, die der geschädigte Versuchsteilnehmer zu erbringen hat.286 Dies stellt jedoch bei kontrollierten Versuchen, in denen eine Testgruppe und eine Kontrollgruppe vorhanden sind, keinen einfach zu führenden Nachweis dar. Vorgeschlagen worden ist deshalb, die „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ ausreichen zu lassen.287 Die Probandenversicherung leistet Ersatz für den materiellen Schaden. Nach 3.1.1 (2) AVB/Prob ist dies der Unterschiedbetrag zwischen der tatsächlichen Vermögenslage der versicherten Person und der Vermögenslage, die bestehen würde, wenn die Gesundheitsschädigung nicht eingetreten wäre. Die Schadensberechnung folgt damit der klassischen Methode der Differenzhypothese.288 Innerhalb der Haftungshöchstsummen werden im Rahmen des „Angemessenen“ Heilbehandlungskosten, eine Geldrente bei aufgehobener oder geminderter Erwerbstätigkeit und sonstige vermehrte Aufwendungen getragen.289
283
So Heubeck, PHI 2007, 210, 213; anscheinend auch van der Sanden, Haftung, S. 131. H.M., vgl. nur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1346; Lippert, VersR 1997, 545, 549; Wendehorst, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 192, 225; Stock, Probandenschutz, S. 76 ff.; ausdrücklich auch BT-Drs. 15/2109, S. 30 a.E. 285 Weiterführend hierzu Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 144 f. 286 Hierzu auch Heubeck, PHI 2007, 210, 215; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 184; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 78. 287 So Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1343; Rehmann, § 40 Rn. 14; a.A. Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 142 f. 288 Vgl. auch Klingmüller, in: FS Hauß, S. 169, 170 f. Ferner wird in 3.1.1 (2) AVB/Prob bestimmt, dass Leistungen Dritter vermögensmindernd einzubeziehen sind; hierzu sogleich. 289 Vgl. 3.1.1 AVB/Prob; hierzu Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 183 f. 284
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3. Ausschlüsse und Beschränkungen Die zahlreichen Ausschlüsse und Beschränkungen, die die AVB/Prob enthalten, sind in der Literatur auf überwiegend scharfe Kritik gestoßen. In der Tat ist das Wesen der Probandenversicherung, nämlich der Gedanke der Aufopferungshaftung, kaum noch zu erkennen.290 a. Begrenzung auf den materiellen Schaden Die Probandenversicherung ersetzt nur denVermögensschaden. Ausgeschlossen vom Versicherungsumfang sind immaterielle Schäden291 , sodass der Versuchsteilnehmer für die Erlangung von Schmerzensgeld auf die allgemeine Verschuldenshaftung oder das ProdHG zurückgreifen muss.292 Die Nichtgewährung eines Schmerzensgeldes ist in der Literatur mit Blick auf das 2. SchadÄndG auf teils erhebliche Kritik gestoßen, denn der Gesetzgeber habe seine veränderte Grundwertung (§ 253 Abs. 2 BGB) bezüglich der Gewährung des immateriellen Schadens auch explizit auf die Gefährdungshaftung übertragen (§ 87 S. 2 AMG, § 8 S. 2 ProdHG). Insbesondere mit Blick auf §§ 84, 87 S. 2 AMG sei es unverständlich, dass der Endverbraucher eines Arzneimittels einen Schmerzensgeldanspruch aus Gefährdungshaftung habe293 , der Teilnehmer einer klinischen Prüfung dagegen für seinen immateriellen Schaden nicht versichert und grundsätzlich auf die Verschuldenshaftung angewiesen sei.294 Teilweise wird auch in der Nichtgewährung des Schmerzensgeldes eine „Unangemessenheit“ der Versicherung iSd § 40 Abs. 3 AMG gesehen.295 Befürworter der Begrenzung auf den Vermögensschaden weisen darauf hin, dass die Probandenversicherung gerade ein haftungsunabhängiges Kompensationsmittel darstellt und auch keine Gefährdungshaftung ersetzen soll.296 290 Weiterführend zum Einfluss von Versicherungsbedingungen auf den Umfang der Haftung Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 150. 291 Vgl. 3.1.1 (1) S. 2 AVB/Prob: „Immaterielle Schäden (z.B. Schmerzensgeld) bleiben vom Versicherungsschutz ausgeschlossen“. 292 Hierzu auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1342 f.; Kollhosser, in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 159, 164; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273. Ob das ProdHG im Falle klinischer Prüfungen in den Phase I-III eingreift, ist umstritten. Findet § 84 AMG auf die klinische Prüfung der Phase IVAnwendung, so scheidet jedenfalls das ProdHG aus, da § 84AMG lex specialis ist, vgl. § 15 ProdHG. Genaueres hierzu noch unten, § 5 B.II.9.b.ee. 293 Hierzu Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 87 Rn. 2; ders., JZ 2002, 588, 592 f. 294 Krit. insb. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1342 a.E.; Deutsch, PharmR 2001, 346; ders., JZ 2002, 588, 592 f.; Voit, PharmR 2005, 345, 346 f.; ders., PatR 2004, 69, 70 ff.; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 206 f.; Stock, Probandenschutz, S. 206; Koyuncu, PHi 2005, 86, 89; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 184; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 141 ff.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76e; Godt/Engelke, WissR 43 (2010), 2, 15 f.; s.a. vor dem 2. SchadÄndG Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 262 u. 291 f.: „Erst wenn die §§ 84 ff. AMG um einen Schmerzensgeldanspruch ergänzt werden (. . . ) ist der versicherungsrechtliche Anspruch auch auf den Ersatz immaterieller Schäden auszudehnen“ (Zitat: S. 292). 295 So insb. Voit, PharmR 2005, 345, 347; a.A. Wille/Kleinke, PharmR 2004, 300, 306. 296 So Rittner/Taupitz/Walter-Sack/Wessler, VersR 2008, 158, 159; Swik, PharmR 2006, 76, 79 f.; Rehmann, § 40 Rn. 15; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 241.
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b. Genetische Schäden Genetische Schäden sind von den AVB/Prob nur dann erfasst, soweit die Veränderung bei der versicherten Person organische Gesundheitsschädigungen mit Auswirkungen auf das klinische Erscheinungsbild (Phänotyp) zur Folge haben (1.4.3). Nicht erfasst sind „unbemerkte“ genetische Veränderungen und Erbschäden der Nachkommen des Geschädigten.297 c. Zeitliche Geltung – Nichtanerkennung von Spätschäden Nach 1.5.3 AVB/Prob besteht Versicherungsschutz nur für „Gesundheitsschäden, die spätestens fünf Jahre nach Abschluss der bei der versicherten Person durchgeführten klinischen Prüfung eingetreten sind und nicht später als zehn Jahre nach Beendigung der klinischen Prüfung vom Versicherer gemeldet werden“. Spätschäden, wie im Thorotrast-Fall und der Contergan-Katastrophe, wären folglich nicht erfasst. Dies ist freilich schwer verständlich, fußt doch gerade das AMG im Wesentlichen auf dem Thalidomid-Unglück.298 d. Haftungshöchstbeträge Die AVB/Prob sehen vor, dass die Versicherungssumme im Versicherungsschein festgelegt wird (3.1.2). Durch die 12. AMG-Novelle ist klargestellt worden, dass die Festsetzung der Gesamtversicherungssumme das Ergebnis einer Risikoabschätzung ist. Folglich kann auch eine Höchstsumme der Gesamtversicherungsleistung als angemessen anzusehen sein, die nicht für jeden Teilnehmer eine Entschädigung von 500.000 € bereit hält, weil es einer solchen Bereitstellung inAnbetracht der Schadenswahrscheinlichkeit nicht bedarf. Der Mindestbetrag von 500.000 € muss jedoch nach einer Prognose für jeden Geschädigten vorhanden sein.299 Es ist aber zu berücksichtigen, dass die 500.000 € eine Mindestsumme darstellen, die bei besonders intensiven Beeinträchtigungen auch „unangemessen“ sein kann.300 Ferner sind auch Höchstsummen für jede betroffene Person vorgesehen. Eine Versicherung, die unterhalb der Grenze der 500.000 € angesiedelt ist, erfüllt jedenfalls nicht die Anforderungen des § 40 Abs. 3 S. 2 AMG. Oftmals wird die Mindestversicherungssumme je Proband (500.000 €) als Höchstersatzleistung festgesetzt. Ob dies stets angemessen ist, mag bezweifelt werden.301 Kritisch wird ferner die Begrenzung der Versicherungssumme in den Jahresverträgen gesehen. Danach werden für alle Versicherungsfälle aus den im Versicherungsjahr begonnenen klinischen Prüfungen maximale Obergrenzen gebildet. Aus praktischer Sicht ist für Ethik-Kommissionen infolgedessen nicht erkennbar, inwieweit die Oberkapazität durch vorherige Leistungen bereits verbraucht 297
Hierzu auch Swik, PharmR 2006, 76, 80; Taupitz, in: FS Lorenz, S. 829, 841; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76d; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 206 298 Ebenfalls krit. Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 207. 299 Vgl. hierzu Voit, PharmR 2005, 345, 348; Rittner/Taupitz/Walter-Sack/Wessler, VersR 2008, 158, 159. 300 So explizit Sander, Erl. § 40 Anm. 39. 301 Krit Voit, PharmR 2005, 345, 348; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 207 f.
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ist.302 Überschreitet entweder der individuelle Schaden oder die Summe der einzelnen Schäden die festgesetzten Höchstleistungssummen, vermindert sich dadurch automatisch die Versicherungsleistung gegenüber den Geschädigten.303
4. Obliegenheitsverletzungen Die versicherte Person und der Versicherungsnehmer haben neben den gesetzlichen auch die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten zu beachten, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden.304 Nach 4.2.1 AVB/Prob obliegt es dem Versicherungsnehmer, die Vorschriften der §§ 40–42a AMG einzuhalten und die Arzneimittelprüfrichtlinien (§ 26 AMG) in der jeweils gültigen Fassung zu beachten. Nach Eintritt des Versicherungsfalls haben der Versicherungsnehmer und die versicherte Person eine Gesundheitsschädigung unverzüglich anzuzeigen (4.3.1 AVB/Prob) und jeweils für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen (4.3.2 AVB/Prob). Neben der allgemeinen Aufklärungsbedürftigkeit über das Bestehen und die Reichweite der Versicherung, ist der Versuchsteilnehmer insbesondere über seine Obliegenheiten aufzuklären.305 Verletzt der Versicherungsnehmer seine Obliegenheiten, so entfällt für den Versuchsteilnehmer der Versicherungsschutz nicht. In diesem Falle ist vorgesehen, dass der Versicherer beim Versicherungsnehmer Regress nehmen kann (4.4.1 (2) AVB/Prob). Hierdurch ist zugunsten des Versuchsteilnehmers die Regelung des § 334 BGB berücksichtigt worden.
III. Konsequenzen 1. Befreiungswirkung, § 40 Abs. 3 S. 3 AMG Soweit aus der Versicherung geleistet wird, erlischt nach § 40 Abs. 3 S. 3 AMG ein Anspruch auf Schadensersatz. Die Haftpflichtelemente der Versicherung bewirken insoweit den Untergang etwaiger Schadensersatzansprüche, auch gegen die Mitglieder der Ethik-Kommissionen. Folglich kann der geschädigte Versuchsteilnehmer für denselben Schaden, den er von der Probandenversicherung ersetzt bekommen hat, andere Beteiligte nicht mehr in Anspruch nehmen, und auch auf die Probandenversicherung gehen im Falle ihrer Leistung keine Schadensersatzansprüche gegenüber 302
Krit. Voit, PharmR 2005, 345, 348 f.; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 207 f.; dagegen Swik, PharmR 2006, 76, 79. 303 Vgl. 3.1.2 (2) AVB/Prob; hierzu auch Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 182 f. 304 Ausführlich zu Obliegenheitsverletzungen im Versicherungsrecht Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 205 ff. 305 Zu den Aufklärungspflichten vgl. Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 81 f.; ders., MedR 1983, 201, 203 ff.
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Dritten über, bei denen sie Regress nehmen könnte; sie trägt endgültig das Risiko einer Gesundheitsschädigung.306 Die Formulierung „soweit“ hat jedoch doppelte Bedeutung: Die Probandenversicherung muss einerseits geleistet haben und andererseits entfallen Schadensersatzansprüche nur insoweit, als die Versicherungsleistung den erlittenen Schaden auch abdeckt. Für weitergehende Ansprüche, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, ist der Geschädigte folglich auf das allgemeine Haftungsrecht angewiesen.307 Eine Verpflichtung des geschädigten Versuchsteilnehmers, die Probandenversicherung vorrangig in Anspruch zu nehmen, sodass sich die weitergehenden Haftungsansprüche nur auf den Differenzbetrag beschränken, besteht nicht.308 2. Die „Subsidiarität“ der Probandenversicherung und § 116 SGB X Die Reichweite der befreienden Wirkung, die durch die Versicherungsleistung eintritt, wird nicht nur durch die zahlreichen Ausschlüsse und Beschränkungen verringert, sondern auch durch die vielfach kritisierte Ausrichtung der Probandenversicherung auf Subsidiarität. In 3.1.1 (2) AVB/Prob werden von Dritten zu gewährende Leistungen bei Anwendung der Differenzhypothese vermögensmindernd berücksichtigt. Genannt werden Ansprüche der versicherten Person oder ihrer Hinterbliebenen auf „Leistungen aus der Sozialversicherung, gegen einen Krankenversicherer oder ein gesetzlicher Anspruch auf Lohn- und Gehaltsfortzahlung, auf Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen oder auf Gewährung von Versorgungsbezügen“. Die Probandenversicherung leistet folglich von vornherein nur subsidiär gegenüber anderen zur Leistung verpflichteter Stellen309 , etwa gegenüber Sozialbzw. Krankenversicherern auf Ersatz von Heilbehandlungs- und Heilbehandlungsfolgekosten oder Ansprüchen auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Sie werden von vornherein von der Versicherungsleistung der Probandenversicherung abgezogen.310 Konsequenterweise findet in diesem Rahmen auch die Befreiungswirkung des § 40 Abs. 3 S. 3 AMG („soweit“) keine Anwendung. Die Subsidiarität strahlt demzufolge auch aus auf die Regressmöglichkeiten gegen die Probandenversicherung. So leistet etwa die gesetzliche Krankenversicherung zunächst grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wie die Körper- und Gesundheitsverletzung entstanden ist, 306
Vgl. Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 80; ders., in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 159, 161 ff.; Voit, PharmR 2005, 345, 349; Klingmüller, in: FS Hauß, S. 169, 173. 307 Vgl. Sander, Erl. § 40 Anm. 39. 308 Vgl. LG Göttingen, Urt. v. 13.11.2008, Az: 2 O 1735/07; MedR 2008, 270, 271 m. Anm. Deutsch. 309 Krit. Rittner/Taupitz/Walter-Sack/Wessler, VersR 2008, 158, 163, die auf die fehlende gesetzliche Grundlage einer solchen subsidiären Einstandspflicht hinweisen; ebenso Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 264 ff.; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 207. 310 Nur in dem Fall, in dem Streit über die Entstehung solcher Ansprüche besteht, gewährt die Probandenversicherung Leistungen vorab, aber nur unter Abtretung der strittigen Ansprüche, vgl. 3.1.1. (2) AVB/Prob.
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also auch im Falle studienbedingter Schädigungen. Nach § 116 Abs. 1 SGB X geht „ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens“ auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe über. Sie kann folglich bei den Beteiligten der klinischen Prüfung bzw. bei deren Versicherungen Regress nehmen, soweit der Geschädigte einen begründeten Anspruch auf Ersatz seines Schadens hat. Unklar ist, ob von § 116 Abs. 1 SGB X nur gesetzliche Schadensersatzansprüche erfasst werden, oder ob hierzu auch vertragliche Schadensersatzansprüche zu zählen sind.311 Nur bei letzterer Auslegungsvariante ergäbe sich prinzipiell die Übergangsfähigkeit des auf vertraglicher Basis beruhenden Anspruchs des geschädigten Versuchsteilnehmers gegen die Probandenversicherung.312 Doch selbst unter dieser Prämisse würde ein etwaiger Regress ins Leere gehen, weil der Umfang der Probandenversicherung sich von vornherein um den Anteil Dritter der zur Leistung Verpflichteten kürzt. Gehen auf die Leistenden die gesetzlichen Ansprüche des Probanden über (§ 116 SGB X, § 6 EntgFG, § 86 VVG), so können diese in dem Fall, in dem sich die Schadensersatzansprüche als durchsetzbar erweisen, grundsätzlich nur Regress bei den an der klinischen Prüfung Beteiligten nehmen, die Haftungskörperschaften der Ethik-Kommissionen mit eingeschlossen. Im Falle fehlender Durchsetzbarkeit, insbesondere bei fehlendem Verschulden, fehlt es folglich an einer Kompensationsmöglichkeit der zur Leistung Verpflichteten, sodass sie letztendlich das verwirklichte Unsicherheitsrisiko der klinischen Forschung zu tragen haben. Mit der (Arzneimittel-)Forschung am Menschen werden damit die Sozialversicherer, Krankenversicherer, Arbeitgeber und/oder Dienstherrn belastet; die Probandenversicherung verliert aufgrund dieser Subsidiarität fast an jeglicher Bedeutung.313
3. Auswirkungen für die Haftung Beteiligter und der Ethik-Kommissionen Die Probandenversicherung besitzt für die Haftung des Sponsors, der Prüfer und der Haftung für Ethik-Kommissionen eine zweifache Brisanz. Zum einen richtet sich 311
Str., auch für vertragliche Schadensersatzansprüche: OLG Celle, NJW-RR 2002, 1637; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 474; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 116; Pohl, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, § 116 SGB X Rn. 6; jew. m.w. Nachw. zur Gegenansicht 312 Für die vorliegende Fragestellung differenzierend Kollhosser, in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 159, 162 f. der die Haftpflichtelemente der Probandenversicherung in den Vordergrund stellt. Er möchte bei schuldhaftem Handeln, etwa des Prüfarztes, die Probandenversicherung für die von der Krankenversicherung verauslagten Heilungskosten einstehen lassen. Fehlt ein Verschulden und mithin die Regressmöglichkeit der Krankenversicherung, so sei der Anspruch der Probanden gegen die Probandenversicherung gleichwohl nach § 116 SGB X übergangsfähig, da er zumindest „mittelbar“ auf Gesetz beruhe. 313 Zu dieser „Subsidiarität“ der Probandenversicherung Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 264 ff.; Klingmüller, in: FS Hauß, S. 169, 173 ff.; Kollhosser, in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 159, 162 f.; Osieka, Humanforschung, S. 223 mit Fn. 681; Koyuncu, PHi 2005, 86, 90; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 190; Rittner/Taupitz/Walter-Sack/Wessler, VersR 2008, 158, 163; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 207.
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die gesetzliche Abschlussverpflichtung einer angemessenen Probandenversicherung nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG an den Sponsor der klinischen Prüfung. Besteht keine oder eine nur „unangemessene“ Probandenversicherung, so haftet der Sponsor gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer in dem Umfang, wie eine Versicherung im Falle des ordnungsgemäßen (d. h. angemessenen) Abschlusses geleistet hätte. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG ist sowohl Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB314 als auch eine Konkretisierung vertraglicher Nebenleistungsund Schutzpflichten aus dem Probanden-/Studienvertrag.315 Da die Probandenversicherung verschuldensunabhängig leistet, reicht für den Schadensersatzanspruch des geschädigten Versuchsteilnehmers allein der fahrlässige Nichtabschluss einer angemessenen Versicherung aus; auf ein anderweitiges Verschulden, etwa bei der Planung des Versuchs, kommt es nicht an.316 Zugleich ist das Bestehen einer angemessenen Versicherung Zulässigkeitsvoraussetzung für die klinische Prüfung. Sowohl ihr Vorhandensein als auch ihre Angemessenheit im Vergleich zum Risikopotential gehört in die ausschließliche317 Prüfungskompetenz der Ethik-Kommissionen (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG).318 Die zweite Brisanz liegt darin, dass der Versicherungsschutz durch die Probandenversicherung überaus lückenhaft ist. Neben den zahlreichen Ausschlüssen und Beschränkungen bleiben insbesondere die bedeutsamen Schadensposten wie der immaterielle Schaden und all diejenigen Schäden, für die die Subsidiarität der Probandenversicherung gilt, gegenüber den an der klinischen Prüfung Beteiligten bestehen; sei es, dass sie vom Geschädigten oder im Wege des Regresses von dritter Seite geltend gemacht werden. Besonders deutlich manifestiert sich der unzureichende Versicherungsschutz bei der Amtshaftung der Ethik-Kommissionsmitglieder: Während die Leistungen aus der Probandenversicherung als anderweitige Ersatzleistungen iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB angesehen werden können, so besteht nach der Rspr. des BGH für Kranken-, Unfall- und Rentenversicherungen dieses Verweisungsprivileg nicht.319 314
Vgl. nur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1339; Deutsch, in: FS Schreiber, S. 43, 47; Voit, PharmR 2005, 345, 350; Sander, Erl. § 40 Anm. 39; Rehmann, § 40 Rn. 9 a.E.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 73; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 27 f.; Fischer, Medizinische Versuche, S. 82; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137. 315 Zu letzterem Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 277; Kollhosser, MedR 1983, 201, 206. 316 Wie hier Deutsch, in: FS Schreiber, S. 43, 47; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 73. 317 Die Bundesoberbehörde prüft gem. § 42 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 AMG das Bestehen einer angemessenen Versicherung nur bei xenogenen Zelltherepeutika und diesbezüglich auch nur mit Blick auf die Absicherung von Drittrisiken. Der Nachweis einer Probandenversicherung ist nach § 7 Abs. 3 Nr. 13 GCP-V ausschließlich gegenüber den Ethik-Kommissionen vorgesehen. 318 Rittner/Taupitz/Walter-Sack/Wessler, VersR 2008, 158, 160 weisen darauf hin, dass den Versicherungsgesellschaften besonderes daran gelegen ist, dass die Ethik-Kommissionen in eigener Verantwortung eine Risikoprüfung vornehmen, die in die Risikobewertung der Erst- und Rückversicherer eingeht. Ähnlich auch Swik PharmR 2006, 76, 79, wonach die Ethik-Kommission bei mangelnder Transparenz, insbesondere bei den Jahresversicherungsverträgen, die klinische Prüfung nicht einfach zustimmend bewerten dürfe. 319 Hierzu noch unten, § 5 B.II.9.b.aa.
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B. Ansprüche des Versuchsteilnehmers wegen fehlerhaft zustimmender Bewertung der federführenden Ethik-Kommission Ausgangspunkt der nachfolgenden Darstellung ist die Frage nach der Einstandspflicht für Schäden von Versuchsteilnehmern, die diese bei der Teilnahme an einer klinischen Prüfung erlitten haben und die von der Ethik-Kommission nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG fehlerhaft zustimmend bewertet worden ist. Da die klinische Prüfung (nur) unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG), die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission also den Regelfall darstellt, besitzt jene Haftungskonstellation große Praxisrelevanz. I. Ansprüche aus vertraglichen und verwaltungsrechtlichen (Schuld-)Verhältnissen Vor den deliktischen Ansprüchen zu erörtern sind Ansprüche des geschädigten Versuchsteilnehmers aus vertraglichen und/oder verwaltungsrechtlichen Rechts- und Schuldverhältnissen. Sie könnten im Verhältnis zur Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG erhebliche Vorteile mit sich bringen: Bei Ansprüchen aus §§ 280, 276 BGB besteht kein Verweisungsprivileg wie nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, kein Haftungsausschluss wegen Nichteinlegung eines Rechtsmittels (§ 839 Abs. 3 BGB), das Verschulden wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet und es gelten die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte.320 Für den Versuchsteilnehmer in Betracht zu ziehen sind vertragliche Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB und Schadensersatzansprüche aus öffentlichen-rechtlichen Rechtsverhältnissen, für die § 280 analog Anwendung finden kann. 1. Vertragliche Schadensersatzansprüche, § 280 Abs. 1 BGB § 280 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat. Die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG müsste sich als eine Verletzung einer aus einem Schuldverhältnis zum Versuchsteilnehmer resultierenden Leistung-, Nebenleistungs- und/oder Schutzpflicht iSd § 241 BGB darstellen.321 Ein auf Vertrag beruhendes Schuldverhältnis besteht jedoch gegenüber dem Versuchsteilnehmer zum Zeitpunkt einer möglichen Pflichtverletzung schon grundsätzlich deswegen nicht, weil die Patientenrekrutierung seitens des Sponsors vor der zustimmenden Bewertung nicht beginnen 320
Zu den Vorteilen gegenüber der Amsthaftung Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 10. § 280 Abs. 1 bezieht sich sowohl auf die Hauptpflichten als auch auf die Nebenpflichten iSd § 241 Abs. 1 BGB. Die Verletzung nichtleistungsbezogener Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) werden von § 280 Abs. 1 BGB gleichermaßen erfasst und betreffen grundsätzlich das Integritätsinteresse. Vgl. zur schwierigen Abgrenzung Olzen, in: Staudinger, § 241 Rn. 147 ff.; Kramer, in: Müko/BGB, § 241 Rn. 16; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 5 ff.; Müller/Hempel AcP 205 (2005), 246 ff. 321
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darf. Danach käme nur ein Anspruch aus culpa in contrahendo (c.i.c.) nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB in Betracht.322 Voraussetzung für dieses rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnis wäre allerdings die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrages (Nr. 2) oder sonstige ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). Verlangt sogar letzterer (Auffang-)Tatbestand ausdrücklich „geschäftliche Kontakte“, muss für den Versuchsteilnehmer ein Anspruch aus c.i.c. verneint werden, denn Kontakte, die man als geschäftlich bezeichnen könnte, bestehen nicht.323,324 Für den Versuchsteilnehmer könnten jedoch die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte eingreifen, wenn zwischen der Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger und Sponsor ein rechtsgeschäftliches (§ 311 Abs. 1 BGB) oder rechtsgeschäftsähnliches (§ 311 Abs. 2 BGB)325 Schuldverhältnis bestehen würde. Die Rechtsgrundlage des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird unterschiedlich gesehen. Die Rechtsprechung sieht die Grundlage in einer (objektiv) ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB).326 Weite Teile der Literatur stützen die Haftungserweiterung auf eine rechtsfortbildende gesetzliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).327 Fraglich ist jedoch, ob überhaupt ein Schuldverhältnis zwischen Sponsor und Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger vorliegt, welches einer solchen Vertragsauslegung zugänglich ist. Ethik-Kommissionen werden in ihrer Tätigkeit nach § 42 Abs. 1 AMG, indem sie gegenüber dem Sponsor das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) aufheben, hoheitlich durch Verwaltungsakt tätig. Der gesetzliche Einschaltungszwang der Ethik-Kommission steht damit einer privatautonomen Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen ihr und dem Sponsor entgegen, sodass für einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten des Versuchsteilnehmers kein Raum ist.328 322
Zur normativen Grundlage der c.i.c. seit der Schuldrechtsreform vgl. HK-BGB/Schulze, § 311 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 11. 323 Allg. hierzu Kramer, in: Müko/BGB, § 311 Rn. 67 ff.; wie hier für Ethik-Kommissionen Fischer, FS Deutsch II, S. 151, 153; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 131 ff.; van der Sanden, Haftung, S. 54; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 162; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 171. 324 Ethik-Kommissionen bei den Universitäten nehmen freilich insofern eine Sonderstellung ein, als ein Probanden-/Studienvertrag auch grundsätzlich mit dem Träger geschlossen wird. Eine fehlerhafte zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission in Gestalt einesVerwaltungsakts lässt sich jedoch nicht als (privatvertragliche) Pflichtverletzung aus dem Probanden-/Studienvertrag qualifizieren. 325 Die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte finden nach ganz h.M. auch auf die c.i.c. Anwendung, vgl. klassisch BGHZ 66, 51 = NJW 1976, 712; NJW-RR 2003, 1035, 1036; Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 15; HK-BGB/Schulze, § 328 Rn. 13. 326 Vgl. nur BGHZ 159, 1 = NJW 2004, 3035, 3036; BGHZ 133, 168, 170 = NJW 1996, 2927, 2928. 327 Zum Meinungsstand mit m.w. Nachw. Gottwald, in: Müko/BGB, § 328 Rn. 110 ff. Dort auch zu der Frage, ob die Rechtsgrundlage nunmehr in § 311 Abs. 3 BGB zu erblicken ist; dafür etwa Looschelders, SchuldR AT, Rn. 202. 328 Wie hier Fischer, FS Deutsch II, S. 151, 153; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 131 ff.; van der Sanden, Haftung, S. 54; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 171.
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2. Schadensersatzansprüche aus verwaltungsrechtlichen (Schuld-)Verhältnissen, § 280 BGB analog Ansprüche aus verwaltungsrechtlichen (Schuld-)Verhältnissen können ebenfalls eine im beschriebenen Umfang erheblich erleichterte Kompensationsmöglichkeit für erlittene Schäden gegenüber dem Amtshaftungsanspruch darstellen.329 Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Verwaltungsrechtsverhältnis und dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis. a. Ansprüche aus Verwaltungsrechtsverhältnissen? Gerade in neuerer Zeit wird die „Denkfigur“ des Verwaltungsrechtsverhältnisses, die Pflichten, die „aus“ jenem Verhältnis resultieren können und auch die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen teils kritisch, teils gewinnbringend beäugt.330 Für die hiesige Problemstellung relevant ist nur die Frage, obVerletzungen aus einemVerwaltungsrechtsverhältnis zu (Schadensersatz-)Ansprüchen führen können. Sowohl die Antragsstellung (§ 22 VwVfG) des Sponsors als auch der Verwaltungsakt begründen ein Verwaltungsrechtsverhältnis331 zwischen Sponsor und Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger. Aus diesem erwachsen besondere Auskunfts- und Beratungspflichten der Behörde sowie Mitwirkungspflichten und Obliegenheiten. Ein irgendwie geartetes Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Ethik-Kommission und Versuchsteilnehmer besteht nicht. In der Literatur wird nun die Auffassung vertreten, dass auch eine quasi-obligatorische Haftung nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung möglich ist; das Verwaltungsrechtsverhältnis wird also als materielles Rechtsverhältnis aufgefasst, aus dem (Neben-)Pflichten resultieren können.332 Verfolgt man diesen Ansatz weiter, so spräche nichts gegen eine Anwendung des Vertrages mit Schutzwirkungen für Dritte auf das zum Sponsor bestehende Verwaltungsrechtsverhältnis. Eine weitere Auffassung geht sogar dahin, dass es auch ungeschriebene Behördenpflichten gegenüber Dritten gebe, was dann anzunehmen sei, wenn die Verwaltung gegenüber einem bestimmten Kreis von Bürgern tätig werde.333 Dagegen ist jedoch mit Recht vorgetragen worden, dass diese allgemeinen Pflichten schon anerkanntermaßen über die Amtshaftung sanktioniert werden und 329 Speziell zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis“ im Vergleich zur Amtshaftung Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 20 Rn. 10 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 214 ff. 330 Nach Ipsen, Allg VerwR, Rn. 163 hat das „Verwaltungsrechtsverhältnis“ zu einem „Richtungsstreit“ in der Verwaltungslehre geführt, der hier freilich nicht ausgetragen werden kann. Zusammenfassend hierzu Peters, Verw 35 (2002), 177 ff. m.w. Nachw.; ferner Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 17 Rn. 1 ff.; Bauer, Verw 25 (1992), 301 ff.; Pietzcker, Verw 30 (1997), 281 ff. 331 Vgl. hierzu Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 17 Rn. 9; Kopp/Ramsauer, § 9 Rn. 24, § 22 Rn. 26; Gusy, BayVBl. 1985, 484, 486 f.; ausf. Peters, Verw 35 (2002), 177, 184 ff.; für Ethik-Kommissionen auch Sobota, AöR 121 (1996) 229, 239 f. 332 Zum Themenkreis Peters, Verw 35 (2002), 177, 219 f. m.w. Nachw. 333 So etwa Beyerlin, NJW 1987, 2713, 2718 ff.
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im völligen Gegensatz zur gefestigten Rspr. stehen. Peters hat die quasi-vertragliche Haftung außerhalb eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses daher auch als „unvertretbar“ bezeichnet.334 b. Allgemeine Grundlagen zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis“ Mit der h. L. und der Rspr. ist daher davon auszugehen, dass eine „schuldrechtsähnliche“ Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn zwischen Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger und Sponsor ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vorliegt, welches Schutzwirkungen für die Versuchsteilnehmer entfaltet. Die Anwendung der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter im Rahmen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse ist in Rspr. und Literatur anerkannt.335 Zu prüfen ist, ob ein solches verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis vorliegt. Bejahendenfalls ergäben sich hieraus auch Ansprüche des Sponsors gegen die Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger und umgekehrt.336 Mit dem „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis“ ist freilich eine Thematik angesprochen, die trotz überaus zahlreicher monographischer Durchdringungen alles andere als geklärt anzusehen ist.337 Die Materie lebt vielmehr von einer Rechtsprechungskasuistik, die sich auf die vergleichende Analyse beschränkt, da abstrakt hinreichende Kriterien für das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis (noch) nicht gefunden worden sind. Für das Verhältnis von Sponsor und Ethik-Kommission ist daher ebenfalls eine solche Vergleichbarkeit zu prüfen, was eine vorherige – freilich kurz gehaltene – Darlegung der allgemeinen Grundsätze notwendig macht. aa. Unzulänglichkeit des Staatshaftungsrechts Im Zivilrecht besteht grundsätzlich freie Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Schadensersatzansprüchen.338 Dieses Haftungsmodell wird mit der Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses“ in das Staatshaftungsrecht versucht einzuebnen. Hintergrund ist das zwingende Bedürfnis, den 334
Vgl. Peters, Verw 35 (2002), 177, 220 sowie S. 206 ff. Vgl. BGH NJW 2007, 1061 = VersR 2007, 549 = DÖV 2007, 702; NJW 1974, 1816 = VersR 1974, 1102; OLG Hamm VersR 1987, 789; Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 10, § 328 Rn. 15; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 62 Rn. 36; Bamberger, Jura 2002, 35, 36; Schlick, NJW 2008, 31, 33 f. 336 Die Kehrseite des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses, nämlich die eröffnete Möglichkeit der Haftung des Bürgers gegenüber der Verwaltung, wird unter dem Gesichtspunkt des Legitimierungsbedarfs, insb. des Vorbehalts des Gesetzes, kontrovers diskutiert; vgl. hierzu Peters, Verw 35 (2002), 177, 214 ff. m.w. Nachw. 337 Vgl. hierzu aus neuerer Zeit Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, passim; Saule, Schadensersatzansprüche, passim; Papier, Forderungsverletzung, passim; s.a. Peters, Verw 35 (2002), 177, 182 f., 188 ff. 338 Vgl. nur BGHZ 55, 392 = NJW 1971, 1131; BGHZ 61, 203 = NJW 1973, 1752; BGHZ 66, 315 = NJW 1976, 1505; 1975, 1315; 2004, 1032, 1033; NJW-RR 2005, 172; Palandt/Sprau, Einf v § 823 Rn. 5. 335
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
lückenhaften Schutz des deliktischen Amtshaftungsanspruchs zumindest für diejenigen Fälle auszugleichen, in denen zwischen dem Staat und dem Bürger ein besonders intensiver Kontakt und deswegen ein Bedürfnis für eine Haftung nicht nur aus allgemein statuierten Pflichten, sondern auch für Verletzungen relativer Rechtspflichten aus der eingegangenen Sonderverbindung besteht. Die Anreicherung des öffentlich-rechtlichen Verwaltungsrechtsverhältnisses beruht demzufolge auf der Unzulänglichkeit des Staatshaftungsrechts. Diese „planwidrige Lücke“ des öffentlichen Rechts für besonders enge Beziehungen wird durch einen Rückgriff auf die Vorschriften für vertragliche Schuldverhältnisse des BGB ausgefüllt.339 Der BGH spricht insoweit von einem Bedürfnis nach schuldrechtsähnlicher Haftung und benutzt hierzu das Kriterium der „Vertragsähnlichkeit“.340
bb. Begriff des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses“ und Typologie der Rspr. Mit der inhaltlichen Konkretisierung des Begriffs des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses“ wird zugleich darüber entschieden, für welche Fälle eine vertragsähnliche Haftung des Staates in Frage kommt. Zwischen der Verwaltung und dem Bürger muss nach der Rspr. des BGH ein besonders enges Verhältnis begründet worden sein und außerdem muss aufgrund fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortlichkeiten innerhalb des öffentlichen Rechts bestehen. Voraussetzung ist eine Interessenlage, die Anlass zu einer gesteigerten Rechts- und Pflichtenstellung gibt, die über die allgemeinen deliktischen Beziehungen hinausgeht.341 Diese ergebnisorientierte Leerformel, die von einer Vermengung von Tatbestand („enges Verhältnis) und Haftungsfolge („Bedürfnis“) geprägt ist, wurde in der Literatur vielfach kritisiert, da im Ergebnis vollkommen offen bleibt, wann ein Verwaltungsrechtsverhältnis als ein besonderes Verwaltungsschuldrechtsverhältnis zu qualifizieren ist. Die „besondere Enge“ oder auch die jeweilige Normdichte, die Rechte und Pflichten begründen können, variieren stets, sodass die postulierten Abgrenzungskriterien oftmals unzureichend sind.342 Eine „über die allgemeine Normwirkung hinausgehende schutzwerte Rechtsposition“, „bestehende Leistungspflichten“ sowie „Begründung besonderer Nebenpflichten“ und ein „korrelierender Erfüllungsanspruch“ sind nur einige wenige definitorische
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Zur Unzulänglichkeit des Amtshaftungstatbestandes insb. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 214 ff.; s.a. Bamberger, Jura 2002, 35. 340 Allg. hierzu BGHZ 21, 214, 218; 63, 167, 172; NJW 1998, 298, 299; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 336 f.; Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 20 Rn. 1 ff.; zur positiven Forderungsverletzung insb. Bamberger, Jura 2002, 35 ff.; ausf. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 171 ff., m.w. Nachw. aus der Rspr. 341 Vgl. BGHZ 61, 7, 11; 59, 303, 305; 54, 299, 302; NJW 1974, 1816; hierzu auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 353 ff.; ausf. m.w. Nachw. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 144 ff. 342 Krit. hierzu etwa Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 354; Gröschner, Verw 30 (1997), 301, 325 f.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 146 ff.; Windthorst, JuS 1996, 606 f.
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Eingrenzungsversuche in der Literatur.343 Sowohl die Rspr. als auch die Literatur greifen konkretisierend auf anerkannte Fallgruppen zurück und stellen bei außerhalb dieser Fallgruppen stehender Sachverhalte entweder dieVergleichbarkeit oder Unvergleichbarkeit der Interessenlage fest. Im Einzelnen anerkannt und im Wesentlichen unumstritten sind die öffentliche Verwahrung, öffentlich-rechtliche Benutzungs- und Leistungsverhältnisse, öffentlich-rechtliche GoA und personenbezogene Sonderverbindungen. Für letztere Fälle bildet das Beamtenverhältnis den Hauptfall, daneben stehen das Zivildienst-, Wehrdienst-, Schul- und Strafgefangenenverhältnis.344 cc. Folge: Transformation zivilrechtlicher Haftungskonzeptionen Soweit eine „Vertragsähnlichkeit“ der Rechtsbeziehung zwischen Verwaltung und Bürger vorliegt, stellt sich sodann die Frage, welche zivilrechtlichen Vertragshaftungsgrundsätze überhaupt auf das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis übertragbar sind. Im hiesigen Kontext für Ethik-Kommissionen und Sponsor relevant ist die Haftung wegen schuldhafter Pflichtverletzung (280 Abs. 1 BGB), die Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte und die c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB). Die Übertragbarkeit dieser Haftungsgrundsätze ist weitestgehend unbestritten.345 c. Übertragbarkeit auf das Verhältnis von Ethik-Kommission und Sponsor: Kooperative Risikoverwaltung als neue Fallgruppe verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse? Unabhängig von der Frage, zwischen wem das konkrete Schuldverhältnis zustande kommt346 , ist fraglich, ob das von der Rspr. geforderte besonders enge Verhältnis 343 Vgl. Simons, Leistungsstörungen, S. 43 ff.; Windthorst, JuS 1996, 606 ff.; Koenig, DöV 1994, 286 ff. Überblick hierzu bei Papier, Forderungsverletzung, S. 58 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 149 ff. 344 Überblick über die anerkannten Fallgruppe bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339 ff.; Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 21, Rn. 2 ff.; Maurer, Allg VerwR, § 29 Rn. 3; ausf. Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 19 ff.; 55 ff.; 73 ff.; m. umf. Nachw. aus Rspr. u Lit.; Überblick bei Rinne/Schlick, NJW 2005, 3330, 3334 f.; Schlick, NJW 2008, 31, 33 f.; 345 Überblick bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 354 ff.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 20 Rn. 4 ff.; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 299 ff.; ausf. De Wall, Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften, bes. S. 214 ff. u. passim. Vgl. für § 280, 278 BGB etwa BGH NJW 2007, 1061 = VersR 2007, 549 m.w. Nachw. und BGHZ 59, 303 ff.; Bamberger, Jura 2002, 35 ff. Durner, JuS 2005, 900, 904; zur c.i.c. vgl. nur BGHZ 71, 386, 392; 76, 343, 348; Meysen, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 26 f. m.w. Nachw.; zum Vertrag mit Schutzwirkungen bereits oben. 346 Nach Sobota, AöR 121 (1996), 229, 239 f. unterhält die Ethik-Kommission selbst „nicht nur faktische, sondern auch rechtliche Beziehungen zum Bürger: zwischen ihr und dem Antragssteller besteht ein Rechtsverhältnis in Gestalt der durch § 40 Abs. 1 S. 2-3 AMG [a.F.] angeordneten Beratungspflicht. . . “; allg. zur Diskussion Remmer, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 17 Rn. 1 ff. Es geht im Ergebnis um die Frage, ob Ethik-Kommissionen transitorisch als Zurechnungsdurchgangspunkt für ihren jeweiligen Träger tätig werden (dazu noch unten, § 16.). Sieht man in der
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
(„Näheverhältnis“) vorliegt, welches in entsprechender Anwendung der BGBVorschriften einer angemessenen Verteilung der Verantwortlichkeiten bedarf. Auf den ersten Blick scheint dies zu verneinen zu sein: Die Ethik-Kommission entscheidet durch Verwaltungsakt. Sowohl die Antragsstellung (§ 22 VwVfG) als auch der Verwaltungsakt begründen zwar ein Verwaltungsrechtsverhältnis347 , doch liegen hierin gerade keine „vertragsähnlichen“ Elemente, die eine Vergleichbarkeit mit den erwähnten Fällen erlauben würde.348 Die Verantwortungszuweisung scheint ebenfalls dahingehend geregelt worden zu sein, dass der Sponsor sie zu tragen hat (§ 4 Abs. 24 AMG). Eine andere Sichtweise könnte jedoch daraus resultieren, dass das Rechtsverhältnis zwischen Sponsor und Ethik-Kommission zur Vorbereitung der behördlichen Entscheidung besonders eng ausgestaltet ist. Hintergrund dieses gesetzlich angeordneten „Näheverhältnisses“ ist derjenige, dass dem Recht der Risikoverwaltung das besondere Maß an kognitiver Unsicherheit bei der Beurteilung der Schadenswahrscheinlichkeit immanent ist. Die gleichwohl unter Informationsdefiziten zu treffende Entscheidung über die Eingehung des Risikos bedarf daher einer organisierten Informationsgewinnung und der Abwägung von Nutzen, Risiko und Aufwendungen zur Schadensvermeidbarkeit. Das in Risikorechtsverhältnissen bestehende Kooperationsprinzip zwischen Behörde und Antragssteller stellt eines der wesentlichen Handlungsinstrumentarien dar, um den kognitiven Unsicherheiten und Informationsdefiziten Rechnung zu tragen.349 So steht auch bei den Ethik-Kommissionen nicht der Erlass des Verwaltungsaktes als solcher, sondern das Verfahren zur Findung einer Entscheidung im Vordergrund. Das Verhältnis von Ethik-Kommission und Sponsor ist – wie im Recht der Risikoverwaltung kennzeichnend – kooperativ ausgestaltet.350 Insoweit lässt sich konstatieren, dass sich das Recht der Risikoverwaltung und damit auch das Verhältnis von Sponsor und Ethik-Kommission einer Ethik-Kommission lediglich ein Organ, so kann ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis nur mit dem jeweiligen Träger der Ethik-Kommission in Betracht kommen, weil in diesem Fall die Ethik-Kommission nur transitorisch für ihren Veraltungsträger handelt. Rechtsverhältnisse, auch solche mit schuldrechtlichen Elementen, bestehen nur zwischen Rechtssubjekten, d.h. solchen, die (teil-)rechtsfähig sind, vgl. hierzu Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 17 Rn. 5 ff. Pflichtverletzungen der Ethik-Kommission bzw. ihrer Mitglieder könnten dem Verwaltungsträger dann nach §§ 280, 278 BGB analog zugerechnet werden. Die §§ 89, 31 BGB gelten nur für ein Handeln im privaten Rechtsverkehr. Für schuldrechtsähnliche Sonderverbindungen bleiben die §§ 280, 278 BGB maßgeblich, str., für § 278 BGB u.a. BGHZ 54, 299, 301 ff.; 135, 341, 349; NVwZ 2001, 1074, 1075; Palandt/Ellenberger, § 89 Rn. 1; HK-BGB/Dörner, § 89 Rn. 2; ausf. Reuter, in: MüKo/BGB, § 89 Rn. 13 ff. m.w. Nachw. zu Gegenansichten. 347 Vgl. hierzu Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 17 Rn. 9; Kopp/Ramsauer, § 9 Rn. 24, § 22 Rn. 26; Gusy, BayVBl. 1985, 484, 486 f.; ausf. Peters, Verw 35 (2002), 177 ff.; für Ethik-Kommissionen auch Sobota, AöR 121 (1996) 229, 239 f. 348 Vgl. BGH NVwZ 2001, 1074, 1074: „Ein durch einen entsprechenden Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vermag für sich allein genommen noch keinen über die „normalen“ Amtspflichten hinausgehenden, gesteigerten Pflichtenstatus der Behörde gegenüber dem betroffenen Bürger zu begründen“; ebenso Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 19 Rn. 26. 349 Instruktiv hierzu Di Fabio, Risikoentscheidungen, passim, insb. S. 115 ff.; 206 ff. 350 Vgl. hierzu bereits oben, § 4 D.III.
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dem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Leistungs- oder Obhutsbeziehung annähert und auf die beiderseitige (Sachverstands-)Ergänzung ausgerichtet sein muss, um einen effektiven Patienten- und Probandenschutz gewährleisten zu können. Dennoch dürfte diese Sachlage für die Annahme eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses nicht ausreichen. Gegen die Annahme des engen, besonderen Näheverhältnisses spricht zum einen die durch die Richtlinie 2001/20/EG angeordnete Verfahrenskonzentration und Beschleunigung, die sich in den eng bemessenen Entscheidungsfristen widerspiegelt und die es im Ergebnis nicht erlaubt, ein Näheverhältnis entstehen zu lassen. Die Ethik-Kommission kann ferner zusätzliche Informationen nach § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V nur ein einziges Mal nachfordern, sodass sich der Sachverstandsaustausch erheblich reduziert. So gesehen unterscheidet sich die Ethik-Kommission nicht von sonstigen Behörden der Eingriffs- und Leistungsverwaltung, was das erforderliche eng ausgestaltete Näheverhältnis im Ergebnis zum Erliegen bringt. Weiterhin ist auch die Erfüllung der zweiten Voraussetzung, nämlich das Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten entsprechend den BGB-Vorschriften fraglich, denn die Normdichte der §§ 40 ff. AMG, 7 f. GCP-V erlaubt eine umfangreiche Berücksichtigung im Rahmen der Amtshaftung, sodass aus dem Kooperationsverhältnis folgende Pflichten letztlich nicht über die allgemeinen Amtspflichten iSd § 839 BGB hinausgehen. Ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis, auf welches die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte hätten Anwendung finden können, liegt zwischen Sponsor und Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger nicht vor. d. Organwalterverhältnis mit Drittwirkung Ein anderer Anknüpfungspunkt könnte jedoch in dem Verhältnis zwischen dem einzelnen Ethik-Kommissionsmitglied und derjenigen staatlichen Stelle bestehen, die das Ethik-Kommissionsmitglied in das Amt beruft. Ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis hat vor allem Hüttenbrink für Schadensersatzansprüche der Selbstverwaltungskörperschaften gegen ihre (nicht verbeamteten) Organwalter zur Anwendung gebracht, das durch den Akt der Berufung in das Amt entstehen soll. Dieses Organwalterverhältnis qualifiziert er als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis und gelangt so zu einer Anwendung der Regelungen des allgemeinen Schuldrechts, aus dem sich insbesondere Schadensersatzansprüche aus pFV (§ 280 BGB analog) ergeben können.351 Folgt man dieser Auffassung, so müsste man auch die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte auf jenes Organwalterverhältnis übertragen. Unabhängig von der Frage, ob einer solchen Sichtweise zuzustimmen ist, so ergeben sich jedenfalls Bedenken dahingehend, ob auch die Voraussetzungen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte vorliegen. Die Leistungsnähe lässt sich bejahen, da die Versuchsteilnehmer einer fehlerhaften Beurteilung der klinischen 351 Hüttenbrink, Schadensersatzansprüche, S. 23 ff., 69 ff., 87 ff.; ders., DVBl. 1981, 989 ff.; Diese Auffassung ist auch auf Ethik-Kommissionen für den Innenregress übertragen worden, vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 182 f.; van der Sanden, Haftung, S. 247 f.
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Prüfung ebenso ausgesetzt sind wie die die Kommissionsmitglieder berufende Stelle. Auch das Einbeziehungsinteresse liegt vor, da es nicht nur im Interesse jener Stelle liegt, dass Versuchsteilnehmer aufgrund von Schlechtleistungen der EthikKommissionsmitglieder während der klinischen Prüfung nicht zu Schaden kommen, sondern es ist gerade Aufgabe der Ethik-Kommissionsmitglieder, Schäden von Versuchsteilnehmern fern bzw. gering zu halten. Fraglich erscheint aber die Erkennbarkeit bei Vertragsschluss bzw. bei Bestellung des Ethik-Kommissionsmitglieds. Obgleich Zahl und Namen der geschützten Personen nicht bekannt zu sein brauchen352 , so ist jedoch wenigstens eine überschaubare, klar abgrenzbare, insbesondere aber eine vorhersehbare Personengruppe zu fordern.353 Dies wird man jedoch zu verneinen haben. Durchaus diskutieren ließe sich zwar, ob die Erkennbarkeit bei unterstellter Schuldrechtsähnlichkeit der Beziehung zwischen Sponsor und EthikKommission aus dem Grunde gegeben sein könnte, weil die Teilnehmer an der klinischen Prüfung durch den Prüfplan mit seinen Ein- und Ausschlusskriterien schon so weit individualisiert sind, dass sich die Ethik-Kommission ein genaues Bild über die potentiellen Teilnehmer machen kann.354 Stellt man dagegen wie hier erforderlich auf den Akt der Berufung in das Ethik-Kommissionsamt ab, so lässt sich weder eine überschaubare noch vorhersehbare Personengruppe ausmachen. Es ermangelt hier daran, dass weder das Ausmaß der Verpflichtung konkret überschaubar ist, noch ein konkreter Zusammenhang zu den später zu begutachtenden Studien besteht.355 Vorliegend ermangelt es daher zumindest an der Voraussetzung der Erkennbarkeit.356,357 352
Vgl. BGHZ 159, 1 = NJW 2004, 3035, 3038; 1995, 51, 53; Gottwald, in: MüKo/BGB, § 328 Rn. 126 m.w. Nachw.; Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 18. 353 Vgl. nur HK-BGB/Schulze, § 328 Rn. 17; Janoschek, in: Bamberger/Roth, § 328 Rn. 53; s.a. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 526 und BGHZ 159, 1 = NJW 2004, 3035, 3038. 354 Zur ähnlichen Interessenlage bei den privaten Ethik-Kommissionen Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 153 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 193 ff. 355 Die vorliegende Situation gleicht derjenigen bei der allgemeinen Produkthaftung, für die seit jeher eine Anwendung des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte abgelehnt wird; vgl. Gottwald, in: MüKo/BGB, § 328 Rn. 126. 356 Wie hier im Ergebnis auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 193 ff. für das Vertragsverhältnis zwischen Forschungseinrichtung und den Mitgliedern betriebsinterner Ethik-Kommissionen. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 153 f. bejaht aus dem Vertrag zwischen Sponsor/Forscher und privater Ethik-Kommission eine Schutzwirkung für die Prüfungsteilnehmer. Instruktiv hierzu auch Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 524 ff., bes. S. 526 f. zur – dort ebenfalls mangels Erkennbarkeit verneinten – Frage, ob das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitern/Angestellten und Hoheitsträgern Schutzwirkung zugunsten „zweiten“ Hoheitsträgern entfaltet. 357 Inwieweit auch inhaltsgleiche privat-vertragliche Ansprüche gegen den Sponsor der klinischen Prüfung die Schutzbedürftigkeit des Versuchsteilnehmers ausschließen, ist überaus fraglich. Der BGH scheint diese Möglichkeit im Rahmen öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse restriktiv zu handhaben. So hat er einem Mieter einen Anspruch gegen die Gemeinde zugestanden, obwohl dieser Gewährleistungsansprüche gegen den Vermieter gehabt hätte, denn abgesehen von einem (wohl) fehlenden Verschulden würde der Verweis auf die anderweitigen Ansprüche lediglich dazu führen, dass der Vermieter die von ihm zu liquidierenden Schäden des Mieters dann als eigenen Schaden gegenüber dem Betreiber der Kanalisation geltend machen könnte; BGH NJW 2007, 1061, 1062.
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3. Ergebnis Ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis zwischen der Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger und dem Sponsor besteht nicht. Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB analog iVm den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte scheiden damit aus. Für Ansprüche aus einem schuldrechtsähnlichem Organwalterverhältnis iVm den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte fehlt es zumindest an der Voraussetzung der Erkennbarkeit. II. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Im Mittelpunkt der Diskussion über die Haftung für Ethik-Kommissionen bzw. der Ethik-Kommissionsmitglieder steht die Amtshaftung.358 Zentrifugalkraft besitzt die Amtshaftung im hiesigen Kontext deshalb, weil sie hoheitliches Unrecht kompensiert, rechtssystematisch also in den Bereich der unerlaubten Handlung fällt, und zugleich für den Bereich hoheitlicher Tätigkeiten alle verschuldensabhängigen Deliktstatbestände ausschließt.359 1. Allgemeine Grundlagen der Amtshaftung Die Amtshaftung knüpft nach § 839 Abs. 1 BGB an die Eigenhaftung des Beamten für schuldhafte und drittgerichtete Amtspflichtverletzungen an. Modifiziert wird diese Eigenhaftung durch die Zurechnungsnorm360 des Art. 34 S. 1 GG. Sie verlagert die den Beamten persönlich treffende Schadensersatzverpflichtung bei hoheitlichem Handeln auf den Staat oder die Körperschaft, in deren Diensten er steht. Es findet im Außenverhältnis eine (verfassungsrechtlich verbürgte) Schuldübernahme statt, bei der der Rückgriff bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit vorbehalten 358 Die Amtshaftung für Ethik-Kommissionen ist bereits schon oft thematisiert worden. Vgl. etwa aus jüngerer Zeit van der Sanden, Haftung, S. 55 ff., 200 ff.; Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 49 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 159 ff.; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 153 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch, MedR 2006, 411, 415 f.; Krüger, VersR 2009, 1048 ff.; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 16 f., 26 f.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 174 f.; Gödicke, MedR 2004, 481 ff.; Koyuncu, PHi 2005, 86, 91; Voit, PharmR 2005, 345, 351; aus älterer Zeit und noch vor der 12. AMG-Novelle etwa Deutsch/Lippert, EthikKommission, S. 67 ff.; Deutsch, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 67, 75 ff.; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734 ff.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, passim; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 77 ff.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 133 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 135 ff.; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 85 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 170 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 168 ff.; Weißauer, MMW 1979, 551 ff. m. Replik Barnikel, MMW 1979, 767. 359 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 10 f.; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 45; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 9 ff.; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 372. 360 H.M., vgl. zur Diskussion Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 2 ff.; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 367; Petersen, Jura 2006, 411, 412; ausf. zur historischen Entwicklung Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 6 ff.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 1 ff.
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bleibt, Art. 34 S. 2 GG. Diese Ausgestaltung, die im Ergebnis nur eine „mittelbare Staatshaftung“ darstellt, da nicht der Staat, sondern der Beamte Zurechnungssubjekt ist, bringt es unweigerlich mit sich, dass der Staat nur unter den Voraussetzungen haftet, wie auch der Beamte persönlich haften würde.361 Hieraus folgt, dass dem geschädigten Versuchsteilnehmer von vornherein nur die Körperschaft bzw. der Staat als Anspruchsgegner gegenübersteht und diese nur dann und soweit haften, wie das jeweilige Ethik-Kommissionsmitglied ihm gegenüber ohne die befreiende Schuldübernahme gehaftet hätte. Die Haftung für Ethik-Kommissionen ist entsprechend ihrem Bezugspunkt (§ 839 BGB, Art. 34 GG) eine ausschließliche, subsidiäre, mittelbare und verschuldensabhängige Unrechtshaftung des Staates.362
2. Kollegialentscheidung und Einzelhaftung Für die nachfolgende Darstellung von entscheidender Bedeutung ist die Frage, was den Gegenstand der Amtshaftung für Ethik-Kommissionsmitglieder darstellt. Die Diskrepanz zwischen Kollegentscheidung und Einzelhaftung sei bereits hier erörtert. Überschneidungen mit dem noch zu erörternden Verschulden lassen sich dabei nicht vermeiden. a. Problemstellung Zustimmende sowie ablehnende Bewertungen nach § 42 Abs. 1 AMG seitens der Ethik-Kommissionen sind Mehrheitsbeschlüsse. Da eine Kollegialhaftung „alle für einen und einer für alle“ dem BGB wesensfremd ist363 , haften Mitglieder eines Kollegialorgans nur für individuelles Fehlverhalten und nicht für das Versagen ihres Organs an sich, dem sie angehören.364 Dies gilt folglich auch für die haftende Körperschaft, da die Amtshaftung – wie ausgeführt – an die Eigenhaftung des Mitglieds und nicht an diejenige des gesamten Kollegiums anknüpft. Entscheidender Anknüpfungspunkt für das amtspflichtwidrige Verhalten kann demzufolge nicht die Kommissionsentscheidung selbst sein365 , sondern ausschließlich das individuelle 361
Allg. zu diesen Grundlagen Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 1 ff.; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 10 ff.; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 1 ff.; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 3 ff. 362 So für § 839 BGB, Art. 34 GG treffend Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 6. 363 Anders noch das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten, §§ 26 ff. I. 6; §§ 127 ff. II. 10. 364 Hierzu auch Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 232 ff.; Kollhosser, in: Toellner, EthikKommission, S. 79, 87; Fleischer, BB 2004, 2645. 365 Dies hätte die Folge, dass das Kommissionsvotum insgesamt das Tatbestandsmerkmal der „Amtspflichtverletzung“ erfüllen und damit auch insgesamt schuldhaft zustande gekommen sein müsste. In diesem Falle bestünde die Möglichkeit eines gesamtschuldnerischen Regresses der haftenden Körperschaft bei sämtlichen Kommissionsmitgliedern; zur Diskussion Gödicke, MedR 2004, 481, 483; van der Sanden, Haftung, S. 97 ff.
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Einzelverhalten des Mitglieds. Die Haftung für Ethik-Kommissionen reiht sich demzufolge in die schwierige Thematik der individuellen Eigenhaftung bei kollegialem Handeln ein. Ihr Kennzeichen ist es, dass der eingetretene Schaden an Rechtsgütern Dritter auf die Umsetzung des gefassten (Mehrheits-)Beschlusses zurückzuführen ist, jener Beschluss aber zugleich eine Art „Barriere“ zwischen Rechtsgutsverletzung bzw. Schaden und individueller (Einzel-)Zurechnung darstellt.366 b. Innerer Anknüpfungspunkt: Berufsgemäßes Einzelverhalten während der interdisziplinären Beratung Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegt die (Amts-)Pflicht, die ihnen anvertraute Amtstätigkeit gesetzesgetreu auszuüben.367 Für Ethik-Kommissionen wird dies dahingehend zusammengefasst, dass den Mitgliedern die Amtspflicht obliegt, das jeweilige Forschungsvorhaben in medizinischer, ethischer und rechtlicher Hinsicht gemäß den Prüfungsvoraussetzungen (§§ 40 ff. AMG) zu prüfen.368 Damit unterscheiden sich Ethik-Kommissionsmitglieder zunächst nicht von anderen kollegial tätig werdenden Personen.369 Während im Rahmen der Amtshaftung strittig ist, ob die Verletzung von (Innen-)Amtspflichten oder (Außen-)Rechtspflichten schadensersatzbegründend ist, so lässt sich jedenfalls für Kollegialorgane statuieren, dass die einzelnen Amtspflichten der Ethik-Kommissionsmitglieder nebeneinander bestehen und parallel erfüllt werden müssen.370 Bestätigt wird diese Parallelisierung durch die Rechtsnatur der Ethik-Kommissionstätigkeit, denn vor der Abstimmung über das Forschungsvorhaben und des Erlasses der zustimmenden oder ablehnenden Bewertung findet eine professionell-interdisziplinäre Beratung statt, die die Grundlage für die abschließende Entscheidung und mithin den absoluten Kern der EthikKommissionstätigkeit darstellt. Aus der Rechtsnatur der Ethik-Kommissionstätigkeit 366
Vgl. hierzu treffend Franke, in: FS Blau, 227, 240. Die individuelle Haftung bei kollegialem Handeln ist bereits vielfach mit unterschiedlichen Lösungsvorschlägen verfolgt worden, vgl. nur Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 232 ff.; zur Verantwortlichkeit einzelner Vorstandsmitglieder bei Kollegialentscheidungen im Aktienrecht Fleischer, BB 2004, 2645 ff.; zur Haftung von Normungsverbänden Marburger, Regeln der Technik, S. 537 ff.; allgemein zur Thematik auch Röckrath, Kausalität, passim. 367 Dem jeweiligen Amtswalter obliegt die Pflicht, ihm übertragene Aufgaben und Befugnisse im Einklang mit Gesetz und Recht auszuüben (Art. 20 Abs. 3 GG). Hierzu gehört auch die (Amt-) Pflicht, keine rechtswidrigen Rechtsakte zu erlassen. Vgl. hierzu Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 65 u. 69; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 117 ff. u. 198. 368 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 176; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 86; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 143 ff.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 174; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 47. 369 Vgl. etwa § 93 Abs. 1 S. 1 AktG: „Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden“. 370 Der BGH benutzt dieses Kriterium zur Überwindung der Kausalitätsprobleme bei Gremienentscheidungen, indem er das pflichtgemäße Handeln der anderen Beteiligten bei der Anwendung der condicio-sine-qua-non-Formel hinzudenkt; vgl. BGHSt 48, 77, 95 = NJW 2003, 522, 526 (Politbüro); zu parallelisierten Pflichten auch Röckrath, Kausalität, S. 40 ff., insb. S. 44; ders., NStZ 2003, 641, 646; Schaal, Gremienentscheidungen, S. 96 ff.
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folgt zugleich, dass die Stimmen der Ethik-Kommissionsmitglieder sich nicht als fachspezifisch abgrenzbarer Anteil am Entscheidungsinhalt darstellen lassen, sondern die Unbedenklichkeit des gesamten Forschungsvorhabens reflektierend mit der Stimmabgabe bescheinigt wird, die auf der Grundlage der interdisziplinären Beratung ergeht.371 Das Kommissionsvotum ist kein Spiegelbild verschiedener fachspezifischer „Verkehrskreise“, sondern eine Vertretbarkeitsentscheidung iSe Kompromisses unterschiedlichster Standards. Das Auseinanderfallen von Sorgfaltsmaßstäben mit dem Ziel der Vereinheitlichung ist gerade kennzeichnend für die pluralistische Besetzung. Für Ethik-Kommissionen wird nun vertreten, dass nur das „Abstimmungsverhalten des einzelnen Kommissionsmitglieds die für die Amtshaftung erforderliche Amtspflichtverletzung“ darstelle, mithin also das positive Votieren als Verstoß gegen die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten zu werten sei.372 Eine solche Sichtweise vermag bei Gremien gleicher oder zumindest ähnlicher Fachrichtungen zutreffen373 , ist jedoch für professionell-pluralistisch bzw. gruppenantagonistisch besetzte Ethik-Kommissionen, die auf den fächerübergreifenden Gedankenaustausch ausgerichtet sind, nicht überzeugend.374 Rein äußerlich tragen die positiv Votierenden das rechtswidrige Kommissionsvotum. Ihr Abstimmungsverhalten zum gesamten Forschungsvorhaben ergeht jedoch auf Grundlage der vorherigen interdisziplinären Beratung. In professionell-pluralistisch besetzten Kollegialorganen rückt anders als in einseitig ausgerichteten (Fach-)Gremien der Vertrauensgrundsatz375 in den Mittelpunkt der kommissionsinternen Verhaltenspflichten, denn das Kennzeichen des interdisziplinären Diskurses ist die fachspezifisch reflektierende Abwägung ohne gleichartig korrespondierender Fachkompetenz der anderen Mitglieder und fehlender ad hoc Kontrolle der Richtigkeit der jeweils getätigten Äußerungen. Dem Vertrauensgrundsatz innerhalb der Kommission wird dadurch genüge getan, dass jedes Ethik-Kommissionsmitglied bei der interdisziplinären Beratung diejenige Sorgfalt bei der Begutachtung der Forschungsanträge an den Tag legt, die von ihm nach dem jeweiligen Verkehrskreis erwartet werden kann.376 Verhält sich ein Mitglied
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Zutreffend insoweit van der Sanden, Haftung, S. 109 ff.; hierzu auch Gödicke, MedR 2004, 481, 483. 372 van der Sanden, Haftung, S. 97 ff.; zur Thematik auch Gödicke, MedR 2004, 481, 483. 373 Hierzu etwa BGHZ 106, 323, 330 (Gemeinderatsbeschluss). 374 Problematisch erweist sich das Abstellen auf das Stimmverhalten schon mit Blick auf das noch näher zu erörternde Verschulden, denn der gesamte Haftungstatbestand einschließlich des Verschuldensvorwurfs muss in der Person (mindestens) eines Amtswalters verwirklicht sein. Vgl. nur Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 179. 375 Zum Vertrauensgrundsatz im Rahmen horizontaler Verantwortung auch Mayer, Produktverantwortung, S. 470 ff., 488 f.; Deutsch, in: Duttge, Perspektiven des Medizinrechts, S. 69 ff. 376 In diese Richtung auch Mayer, Produktverantwortung, S. 619; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 127 f., wobei Letzterer die Stimmangabe des Kommissionsmitglieds als abgrenzbaren Anteil an der Gesamtentscheidung qualifiziert.
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eines entscheidungsrelevanten Fachgebiets während dieser Beratung fehlerhaft, etwa indem es seine Bedenken nicht kundtut oder sich gar fehlerhaft äußert, so wird damit das Stimmverhalten der anderen unweigerlich wegen fehlender korrespondierender Fachkompetenz beeinflusst. Als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Amtspflichtverletzung im Rahmen interdisziplinär tätiger Kommissionen ist daher das berufsgemäße Einzelverhalten während des interdisziplinären Diskurses und damit während des Vertretbarkeitsfindungsprozesses anzusehen und ist folglich unabhängig von der Stimmabgabe zu beurteilen. Diese Sichtweise korrespondiert mit dem allgemein anerkannten Verständnis der Amtspflicht, unter der die persönliche Verhaltenspflicht des Beamten im haftungsrechtlichen Sinne in Bezug auf seine Amtsführung verstanden wird377 , mit der für Mitglieder von Kollegialorganen angenommenen Pflicht, dass eine bloße Stimmenthaltung nicht der Verantwortung genügend Rechnung getragen wird, sondern die jeweiligen Bedenken mit Nachdruck darzulegen sind378 , wenigstens auf einen rechtmäßigen Beschluss hingewirkt werden muss379 , und mit der ethik-kommissionsspezifischen Sichtweise, dass EthikKommissionsmitglieder nicht zur Stimmabgabe, sondern in erster Linie kraft ihrer der Kommission zur Verfügung zu stellenden Fachkompetenz in die Kommission berufen werden. Drittschutz entfaltet dieses amtspflichtwidrige Verhalten der einzelnen Fachvertreter in der Kommission über die drittschützenden Normen der §§ 40 ff. AMG, soweit ein Tatbestandsmerkmal wegen fehlerhaften Verhaltens unzutreffend bejaht wurde.380 c. Äußerer Anknüpfungspunkt: Rechtswidriges Kommissionsvotum Das Abstellen auf das Einzelverhalten während der interdisziplinären Beratung ohne stimmorientierter Betrachtungsweise ist für die Konkretisierung des Verschuldens und des Regresses von maßgeblicher Bedeutung. Dem Versuchsteilnehmer bleibt die kommissionsinterne Beratung freilich verschlossen. Als äußerer Anknüpfungspunkt für den Versuchsteilnehmer dient das Kommissionsvotum in Gestalt des rechtswidrigen Verwaltungsaktes. In ihm sind die amtspflichtwidrigen positiven Einzelstimmen verkörpert, denn die positiv Votierenden verletzen ihre (drittgerichtete) Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, wenn sie eine nicht zustimmungsfähige klinische Prüfung gleichwohl zustimmend bewerten. Für das Verschulden reicht es nach dem Grundsatz der Entindividualisierung unter der vorgenannten Prämisse aus, dass die Einzelstimmen schuldhaft innerhalb und auf Grundlage des interdisziplinären Diskurses zustande gekommen sind. Letzteres ergibt sich aber erst daraus, 377
Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 56; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 117; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 108. 378 Vgl. Fleischer, BB 2004, 2645, 2651 m.w. Nachw. 379 Vgl. BGHSt 37, 106, 125 f.; Mayer, Produktverantwortung, S. 491 f.; ähnlich auch Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 25 Rn. 237 sowie Fleischer, BB 2004, 2645, 2651 für Stimmenhaltungen. 380 In diese Richtung wohl auch Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 176, 183 f., 190; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 86 f.
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dass das Einzelverhalten ebenso amtspflichtwidrig sein kann wie die unzutreffende Positivvotierung. Anderenfalls kann es zu einem unzulässigen Auseinanderfallen von Amtspflichtverletzung und Verschulden kommen.381 Wer gegen eine nicht zustimmungsfähige klinische Prüfung stimmt, handelt, zumindest was die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten anbelangt, nicht amtspflichtwidrig.382 Gleichwohl können aber die soeben besprochenen Pflichten während der interdisziplinären Beratung verletzt werden, die jedoch dann nur für den Regress oder die Innenhaftung an Bedeutung gewinnen. Weitergehende Pflichten, etwa die Pflicht zur Herbeiführung der Beschlussunfähigkeit durch Verlassen des Sitzungssaals, sind im Rahmen anderer Kollegialgremien bereits ausführlich erörtert und zutreffend abgelehnt worden.383 d. Ergebnis und Konsequenzen Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegt eine gespaltene Amtspflicht: Die persönliche Verhaltenspflicht verlangt einerseits das berufsgemäße Einzelverhalten während des kommissionsinternen Entscheidungsfindungsprozesses. Dieses ist unabhängig vom späteren Stimmverhalten zu beurteilen. Amtspflichtwidrig handelt demzufolge sowohl der „lautlos Zustimmende“ sowie der „schweigend Ablehnende“ oder der sich fehlerhaft Äußernde. Die Vorverlagerung des amtspflichtwidrigen Verhaltens in den Bereich der interdisziplinären Beratung rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Kompetenz der anderen Beteiligten, aus dem Vertrauensgrundsatz, und vornehmlich aus der Natur professionell-pluralistisch zusammengesetzter Kollegialorgane, bei denen die Entscheidungsfindung und nicht die Einzelvotierung dominieren. Hierdurch wird zugleich gewährleistet, dass der fehlerhafte Hinweg zur Entscheidung auch schadensersatzrechtlich dem Rückweg entspricht. Andererseits verletzen Ethik-Kommissionsmitglieder ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, wenn sie eine nicht zustimmungsfähige klinische Prüfung zustimmend bewerten. Nur letztere Amtspflicht kann nach den praktischen Gegebenheiten äußerer Anknüpfungspunkt für außenstehende Dritte sein. Das rechtswidrige Kommissionsvotum in Gestalt des Verwaltungsaktes wird demzufolge im Außenverhältnis von der amtspflichtwidrig votierenden Mehrheit der Ethik-Kommissionsmitglieder getragen.
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In diesem Punkt unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung von derjenigen von van der Sanden, Haftung, S. 97 ff., 105 ff., 122 ff., der nur auf die amtpflichtwidrige Einzelvotierung abstellt. Stellt man allein auf die einzelnen Stimmen ab, so müsste man konsequenterweise danach fragen, ob sich unter den positiv Votierenden wenigstens ein Mitglied finden lässt, welches auch schuldhaft gehandelt hat. Das ist aber nicht bei jeder Amtspflichtverletzung gewährleistet und es stellt sich auch die Frage, welcher Verschuldensmaßstab überhaupt bei der fachspezifischen Einzelvotierung einerseits, die jedoch auf die Zustimmung zum gesamten Forschungsvorhaben andererseits abzielt, Anwendung finden soll, zumal Ethik-Kommissionsvoten Vertretbarkeitsentscheidungen verschiedener Berufsstandards sind. 382 Allg. hierzu auch Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 25 Rn. 236 ff.; Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; a.A. OLG Stuttgart, NStZ 1981, 27, 28; ausf. Diskussion bei Mayer, Produktverantwortung, S. 489 ff. 383 Ausf. hierzu Fleischer, BB 2004, 2645, 2648 ff. m.w. Nachw.
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3. Abstrakte Darlegung des Amtshaftungstatbestands für Ethik-Kommissionen Nachfolgend sollen zunächst die grundlegenden Voraussetzungen des Amtshaftungstatbestands abstrakt dargelegt werden. Die nähere Präzisierung drittgerichteter Amtspflichten gegenüber dem Versuchsteilnehmer ist daran anschließend im Wege einer konkreten Betrachtungsweise vorzunehmen.
a. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes, Art. 34 S. 1 GG Die Amtshaftung setzt voraus, dass der Pflichtverstoß in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgt ist. Grundvoraussetzung hierfür ist zunächst, dass EthikKommissionsmitglieder taugliche „haftungsauslösende Personen“ sind. Während § 839 Abs. 1 BGB an den „Beamten“ im statusrechtlichen Sinne anknüpft, spricht Art. 34 S. 1 GG von „jedermann“. Diese Diskrepanz hat zur Bildung des „haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs“ geführt, die nicht auf die Stellung des Handelnden, sondern auf die Rechtsnatur der von ihm wahrgenommenen Aufgabe abhebt. Entscheidend ist folglich die öffentlich-rechtliche Funktionsausübung. Beamter im haftungsrechtlichen Sinne ist jede natürliche Person, deren Tätigkeit dem hoheitlichen Funktionskreis zuzuordnen ist.384 Ethik-Kommissionsmitglieder sind nicht alle Beamte im statusrechtlichen Sinne. Jedoch üben sie allesamt eine hoheitliche Tätigkeit aus, da sie in ihrer Eigenschaft als Mitglied einer öffentlich-rechtlich gebildeten Kommission öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Ethik-Kommissionsmitglieder sind folglich zumindest Beamte im haftungsrechtlichen Sinne385 , unabhängig davon, ob die Mitwirkung in der Kommission Dienstaufgabe ist oder ausschließlich ehrenamtlich wahrgenommen wird.386 Dass es sich hierbei auch um ein öffentliches Amt handelt folgt daraus, dass der Ethik-Kommission öffentliche Aufgaben durch Gesetz zugewiesen sind, es sich mithin um staatliche Aufgaben handelt, die die Mitglieder als Amtswalter wahrnehmen.387 Weiterhin muss die Amtspflichtverletzung „in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ geschehen sein. Dieses Kriterium zielt auf die Verbindung zwischen der hoheitlichen und der schädigenden Handlung ab. Entsprechend § 831 BGB darf die Pflichtverletzung nicht „bei Gelegenheit“ begangen worden sein, sondern es ist ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang und eine innere Beziehung zwischen hoheitlicher Zielsetzung und der pflichtwidrigen Handlung nach der Natur derAmtsgeschäfts
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Vgl. BGHZ 118, 304, 305; 161, 6; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 37 ff.; Ossenbühl, Staatshaftung, S. 12 ff.; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 15; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 35. 385 Unstreitig; vgl. nur van der Sanden, Haftung, S. 56 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 163; Fischer, in: FS Deutsch, S. 151, 154; ausführliche Diskussion bei Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 135 ff. 386 Für ehrenamtlich Tätige greift die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG gleichermaßen ein; vgl. nur BGHZ 99, 326, 330; Kopp/Ramsauer, § 84 Rn. 11. 387 Instruktiv zum Begriff des „Öffentlichen Amts“ Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 23 ff.
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zu fordern.388 Die unzutreffende Bewertung von Forschungsanträgen geschieht zweifellos „inAusübung“ der Ethik-Kommissionstätigkeit. Dem Kriterium kommt jedoch im Übrigen wegen der großzügigen Rspr. kaum noch eine eingrenzende Funktion zu, denn eine Pflichtverletzung „bei Gelegenheit“ ist erst dann anzunehmen, wenn der Beamte mit seinem Verhalten seinen Zuständigkeitsbereich so weit verlässt, dass das Verhalten dem Aufgabengebiet des Beamten völlig wesensfremd ist.389 b. Amtspflichtverletzung Weitere Voraussetzung des Amtshaftungstatbestands ist die Verletzung einer Amtspflicht. aa. Grundlagen Amtspflichten werden weder in § 839 BGB noch in Art. 34 GG normiert. Allgemein wird unter einer Amtspflicht die persönliche Verhaltenspflicht des Beamten im haftungsrechtlichen Sinne in Bezug auf seine Amtsführung verstanden.390 Die h. M. geht davon aus, dass Amtspflichten im Innenverhältnis zwischen dem Amtswalter und dem Dienstherrn entstehen. Es besteht insoweit keine Kongruenz zwischen (Innen-)Amtspflichten und (Außen-)Rechtspflichten, die zwischen dem Staat und dem Bürger bestehen.391 Die Gegenansicht stellt dagegen auf die Verletzung von Außenrecht ab und setzt damit Amts- und Rechtspflichten gleich. Begründet wird dies damit, dass sowohl § 839 BGB als auch Art. 34 S. 1 GG die Verletzung von Amtspflichten voraussetzen, die „einem Dritten gegenüber“ bestehen muss, womit nur externe Amtspflichten gemeint sein können.392 Die Auswirkungen dieses Streits sind allerdings sehr gering, weil auch die h. M. zu einer Angleichung von Amtsund Rechtspflichten schon aufgrund der unstreitigen Fallgruppe der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten kommt und sie im Übrigen die im Außenverhältnis bestehenden Rechtspflichten konkretisierend für die Bestimmung der Amtspflichten im Innenverhältnis heranzieht. Es handelt sich eher um eine „konstruktive Begründung der Haftung“ ohne prinzipielle Auswirkungen auf das Ergebnis.393 Als Rechtsquellen 388 Vgl. BGHZ 69, 128, 132 f.; NJW 1992, 1227, 1228; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 110 ff.; Wurm, in: Staudinger, 839 Rn. 93 ff. 389 Vgl. hierzu Wurm, in: Staudinger, 839 Rn. 93 ff. m.w. Nachw. aus der Rspr.; ferner Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 47 ff.; Grzeszick, in: Erischen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 8 a.E. 390 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 56; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 117; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 108. 391 Vgl. BGHZ 113, 17, 20 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 41 f.; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 16 f.; Schoch, Jura 1988, 588, 589; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 60 ff.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 108; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 10; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 16. 392 So Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 192 f.; dem folgend etwa Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 369 f. 393 Vgl. BGHZ 113, 17, 21; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 62 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 108. Den zwar denkbaren Fall eines Auseinanderfallens von
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kommt für die Amtshaftung – insbesondere unter Berücksichtigung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten – das gesamte Recht in Betracht, das für den Amtswalter maßgeblich ist. Amtspflichten können sich folglich ergeben aus der Verfassung, dem förmlichen Gesetz, dem Gemeinschaftsrecht, der Rechtsverordnung, der Satzung, dem Gewohnheitsrechtssatz. Auch die Nichtbefolgung von Normen des Privatrechts begründet eine Amtspflichtverletzung, wenn sie vom Amtswalter beachtet werden müssen.394 Die Rspr. ist dazu übergegangen, (Amts-)Pflichttatbestände auszuformen und zu präzisieren, ist aber nicht an den Rechtsquellen verhaftet geblieben, sondern hat Amtspflichten auch direkt aus allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen, Obersätzen und Maximen hergeleitet.395 bb. Anerkannte Fallgruppen – insbesondere die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln und zur fehlerfreien Ermessens- und Beurteilungsausübung Die bedeutsamste Fallgruppe stellt die bereits erwähnte Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln dar. Mit ihr wird konstruktiv das Innenverhältnis mit Vorgaben des Außenverhältnisses „geflutet“.396 Das Postulat, rechtmäßig zu Handeln, entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) und beinhaltet das Gebot, bei der Erfüllung der Staatsaufgaben Gesetz und Recht zu beachten und zu wahren.397 Diese überaus weite und generalklauselartige Fassung, die im Ergebnis bei jedem Verstoß gegen Rechtsnormen und/oder Rechtsgrundsätzen eine Amtspflichtverletzung begründet, ist wiederum anhand verschiedener Ausprägungen konkretisiert worden, die jedoch jegliche Systematik vermissen lässt.398 Als spezielle Ausprägung des Grundsatzes zu rechtmäßigem Handeln obliegt es dem Amtswalter, keine rechtswidrigen Rechtsakte, insbesondere Verwaltungsakte, zu erlassen. Vor allem die Erteilung rechtswidriger Genehmigungen im Rahmen präventiver Erlaubnisse gehört hierher399 und betrifft daher die Ethik-Kommissionsmitglieder gleichermaßen, die mit ihrer zustimmenden Bewertung das den Sponsor treffende präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) durch Verwaltungsakt aufheben. Festzuhalten bleibt für rechtswidrigem aber amtspflichtgemäßen Handelns besitzt für die weisungsunabhängig tätigen Ethik-Kommissionsmitglieder keine Relevanz. 394 Vgl. Papier, in: Müko/BGB, § 839 Rn. 193 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 110; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 41 f.; treffend Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 482: „öffentlich-rechtliche Verhaltensprogramm“. 395 Hierzu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 119; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 43; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 110. 396 Treffend Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 59 a.E.: „Sie bildet die Schleuse, durch die rechtliche Vorgaben, die das Außenverhältnis betreffen, in das Innenverhältnis fluten“. 397 Hierzu Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 65; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 4.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 120 ff. 398 Im Ergebnis lässt sich fast jede weitere aufzuführende Fallgruppe als Ausprägung der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln darstellen. 399 Vgl. BGHZ 113, 17, 18; NVwZ 2008, 926 ff.; ausf. Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 146 ff., 154.
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Ethik-Kommissionsmitglieder, dass ihre jeweilige (Einzel-)Zustimmung zur klinischen Prüfung dann eine Amtspflichtverletzung darstellt, wenn das anschließende Kommissionsvotum wegen Verstoßes gegen die §§ 40 ff. AMG rechtswidrig ist. Sieht die Ermächtigungsgrundlage vor, dass dem Hoheitsträger bei Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben ein Ermessen zusteht, so wird diese Pflicht dann nicht verletzt, wenn sich die Entscheidung innerhalb der „Bandbreite“ pflichtgemäßen Ermessens bewegt.400 Den Ethik-Kommissionen steht zwar – abgesehen von einem Verfahrensermessen – kein Ermessenspielraum zu, wohl aber ein Beurteilungsspielraum, für den die Grundsätze zur fehlerfreien Ermessensausübung ebenfalls gelten. Hält sich der Beamte im Rahmen des ihm gewährten Spielraums, so fehlt es an einer Pflichtwidrigkeit.401 Eine (schuldhafte) Amtspflichtverletzung ist aber stets dann gegeben, wenn die tatsächlichen Grundlagen für die Handhabung des unbestimmten Rechtsbegriffs nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ermittelt wurden.402 § 839 BGB verdrängt zwar einerseits alle Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Amtswalter persönlich, umfasst sie aber gleichfalls in Gestalt der Amtspflichtverletzung. Aus der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten folgt daher auch die Pflicht des Amtswalters, in Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit die für jedermann geltenden Eingriffsverbote des allgemeinen Deliktsrechts zu beachten, die mit der allgemeinen Pflicht zur Unterlassung unerlaubter und strafbarer Handlungen in Bezug genommen wird. Es gehört daher zu den Amtspflichten des Beamten, nach §§ 823 ff. BGB tatbestandliche und rechtswidrige Eingriffe in die Rechte, Rechtsgüter oder rechtlich geschützten Interessen des Bürgers zu unterlassen.403 Auch die Verletzung eines Schutzgesetztes iSd § 823 Abs. 2 BGB wird vom Begriff der Amtspflichtverletzung erfasst, die auch in der Begehung einer strafbaren Handlung bestehen kann.404 Die auf gesetzmäßiges Verhalten bezogenen Amtspflichten betreffen nicht allein die materiell-rechtlichen Verhaltensnormen. Es werden auch grundsätzlich die Vorschriften über die Form des Verwaltungshandelns, die Zuständigkeit und das Verfahren erfasst, was mit der Amtspflicht zu zuständigkeits- und verfahrensgemäßem Handeln beschrieben wird.405 Jene Fallgruppe tritt neben dieAmtspflicht zu rechtmäßigem Handeln. Zu erwähnen ist ferner die Amtspflicht, den Sachverhalt im Rahmen
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Allg. hierzu Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 71; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 142 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 198. 401 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 71; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 147. 402 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 147 e.E. 403 Vgl. BGHZ 69, 128, 138; NJW 1992, 1227, 1229; 1994, 1950, 1951; Papier in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 199 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 46; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 21. 404 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 123; Coester-Waltjen, Jura 1995, 370. 405 Vgl. hierzu BGHZ 134, 268, 275 f.; 146, 122, 125; NVwZ 2001, 1193 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 204; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 74; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 33.
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des Zumutbaren so umfangreich zu erforschen, dass die Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt.406 c. Drittgerichtetheit: Verletzung einer patienten-/probandenbezogenen Amtspflicht aa. Grundlagen Sowohl § 839 BGB als auch Art. 34 GG verlangen, dass die Amtspflicht einem Dritten gegenüber obliegen muss. Damit kann nicht jeder Kompensation seiner erlittenen Schäden verlangen, die auf amtpflichtwidriges Verhalten zurückzuführen sind. Der von der Amtspflichtverletzung nachteilig Betroffene muss in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen, was im hiesigen Kontext nur dann gegeben ist, wenn Ethik-Kommissionsmitglieder eine zumindest auch gegenüber dem (geschädigten) Versuchsteilnehmer obliegende Amtspflicht verletzt haben. Die Drittrichtung der Amtspflicht hat trotz ihrer Stellung im Tatbestand als haftungsbegründendes Merkmal eine Begrenzungsfunktion.407 bb. Generelle Drittbezogenheit der Amtspflichten von Ethik-Kommissionsmitgliedern Ein geschädigter Versuchsteilnehmer kann sich mithin nicht schlicht darauf berufen, dass die positiv votierenden Ethik-Kommissionsmitglieder ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verletzt haben. Während gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung grundsätzlich die Verletzung seines subjektiv-öffentlichen Rechts auf zustimmende Bewertung ausreichend ist, so ist für denVersuchsteilnehmer erforderlich, dass eine Norm verletzt wurde, die drittschützend ist und er in den personellen und sachlichen Schutzbereich der verletzten Norm fällt. Wird der Schutzzweck der Amtspflicht maßgeblich durch die hinter ihr stehende Rechtspflicht konturiert, so folgt aus der Verletzung einer Norm, die nach der Schutznormtheorie individualschützend ist, zugleich der Drittschutz der korrespondierenden Amtspflicht.408 (1) Drittschützende Wirkung der §§ 40 ff. AMG Ob eine Norm drittschützende Wirkung hat bestimmt sich nach der herrschenden Schutznormlehre danach, ob sie nicht nur Interessen der Allgemeinheit schützen soll, sondern – zumindest auch – Individualinteressen dient.409 Dass den §§ 40 ff. 406 Vgl. BGH NJW 1989, 99; 1994, 3162, 3164; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 129; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 33. 407 Vgl. hierzu BGHZ 129, 17, 19; Maurer, Allg. VerwR, § 26 Rn. 19; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 58 f. 408 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 103 („Vom Schutzweck der Amtspflicht zur Schutznorm“) u. Rn. 118; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 19; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 103 ff. 409 Zur Schutznormlehre BVerwGE 107, 215, 220; Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 11 Rn. 9 ff.; zur Rekurrierung auf die Schutznormlehre bei der Amtshaftung vgl. Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 133.
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AMG prinzipiell drittschützender Charakter zuzuschreiben ist, folgt bereits aus ihrer Stellung im „Sechsten Abschnitts“ des AMG („Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung“). Darüber hinaus ist anerkannt, dass den §§ 40 ff. AMG grundsätzlich Schutzgesetzqualität iSd § 823 Abs. 2 BGB zukommt.410 (2) Personeller Schutzbereich Ob der Geschädigte auch zum Kreise der geschützten Personen gehört, bestimmt sich nach st. Rspr. danach, ob die verletzte Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch zumindest auch – den Schutz des Betroffenen vor den infrage stehenden Rechts(gut)verletzungen bezweckt; bzw. – nach einer neueren Formel – bei der betreffenden Amtshandlung in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Nur dann, wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur der Amtsgeschäfte ergibt, dass der Geschädigte zum geschützten Personenkreis zählt, kann ihm gegenüber eine Schadensersatzpflicht bestehen.411 Stellt man allgemein auf die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten ab, so ergibt sich sowohl aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen der §§ 40 ff. AMG, als auch aus der besonderen Natur der Ethik-Kommissionen, denen es gerade gesetzlich und von ihrer primären Funktion nach obliegt, den Schutz und die Rechte der Prüfungsteilnehmer sicherzustellen, dass die personelle Drittwirkung gegenüber Versuchsteilnehmern grundsätzlich – soweit es um den Gesetzesvollzug der §§ 40 ff. AMG geht – vorliegt. Dies entspricht einhelliger Auffassung in der Literatur.412 Unerheblich ist, dass die potentiellen Versuchsteilnehmer zum Zeitpunkt des Erlasses der zustimmenden Bewertung weder am Amtsgeschäft beteiligt noch zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung als zum geschützten Personenkreis zugehörig erkennbar waren, denn nach der Rspr. ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft nicht maßgeblich, solange sich aus der Natur des Amtsgeschäfts die Rücksichtnahmepflicht 410 Zur Schutzgesetzqualität der §§ 40 ff. AMG insb. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 71 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 349 f.; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137 ff.; Fischer, Medizinische Versuche, S. 81 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 149 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 23 ff.; Deutsch in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 26; ders., VersR 1979, 685, 691; zum Rückschluss von der Schutzgesetzqualität auf die Drittrichtung Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 123; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 229: „Ähnlich der Interpretation der „Rechtsverletzung“ in der anfechtungsrechtlichen Legitimationsvorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO werden aber mit dem Erfordernis der Drittbezogenheit der Amtspflicht über die Verletzung subjektiver (absoluter oder relativer) Rechte hinaus auch die Verletzung von Rechtsgütern iS des § 823 Abs. 1 sowie vor allem die Schutznormverletzung entsprechend der zivilrechtlichen Vorschrift des § 823 Abs. 2 erfasst“. 411 Vgl. BGHZ 100, 313, 317; 106, 323, 331; 110, 1, 8 f.; 134, 268, 276; 146, 365, 368; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 127; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 58 f. m.w. Nachw. 412 Vgl. van der Sanden, Haftung, S. 100 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 146 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 177 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 146 ff.; Czwalinna, EthikKommissionen, S. 138; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 85 f.; Bork, EthikKommissionen, S. 82 f.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 47; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 158; Krüger, VersR 2009, 1048 a.E.
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auf einen erkennbar abgegrenzten Kreis Dritter ergibt.413 Aus der vorliegenden Natur des Amtsgeschäfts folgt die Rücksichtnahme auf die im Prüfplan anhand von Ein- und Ausschlusskriterien näher spezifizierten potentiellen Versuchsteilnehmer. Es ist gerade der Zweck der Ethik-Kommissionen, die klinische Prüfung einer VorabKontrolle zu unterziehen, um Schäden der Versuchsteilnehmer durch risikoreiche oder rechtswidrige Forschung im Vorfeld zu verhindern.414
(3) Unterscheidung von Test- und Kontrollgruppe? Fraglich ist jedoch, ob Studienteilnehmer, die der Placebogruppe oder der Kontrollgruppe mit der Standardbehandlung zugeordnet wurden, ebenfalls zum geschützten Personenkreis zählen. Dies ist zu bejahen, denn das positive EthikKommissionsvotum bezieht sich einerseits auf die gesamte klinische Prüfung415 und ist nicht auf das Testpräparat bezogen. Zum anderen erfasst § 3 Abs. 2a GCP-V als „betroffene Person“ sowohl die Teilnehmer der Test- als auch der Kontrollgruppe. Im Übrigen liegen die Gefahren der klinischen Prüfung nicht nur bei der Testgruppe, sondern auch die Teilnehmer der Kontrollgruppe sind den Gefahren ausgesetzt, die sich aus der Determination ihrer individuellen Behandlungssituation durch Unterwerfung einer vorab festgelegten ärztlichen Leistung ergeben, sodass sie in gleicher Weise schutzwürdig und schutzbedürftig sind. Oftmals besteht für sie sogar eine höhere Schutzbedürftigkeit, die sich aus der Vorenthaltung einer Standardtherapie oder aus nicht indizierten Kontrolluntersuchungen ergeben kann.416
(4) Sachlicher Schutzbereich und Relativität des Drittbezugs Zählt der geschädigte Versuchsteilnehmer zum Kreise der geschützten Personen, so folgt hieraus nicht, dass dieser in all seinen Belangen geschützt wird. Nach st. Rspr. des BGH ist vielmehr und stets zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es muss der konkret geltend gemachte Schaden in den sachlichen
413 Vgl. hierzu auch BGHZ 20, 53, 56; 69, 128, 140; 137, 11, 15; NJW 2005, 1865; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 131 m.w. Nachw.; s.a. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 147 f. 414 Wie hier im Ergebnis auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 148; dem folgend van der Sanden, Haftung, S. 102. 415 Weitestgehend anerkannt ist aus juristischer Sicht, dass die klinisch kontrollierte Prüfung insgesamt den §§ 40 ff. AMG unterfällt, auch wenn in der Kontrollgruppe eine Standardbehandlung oder ein Placebo eingesetzt wird. Kontrollgruppen sind integrierter Bestandteil der klinischen Prüfung und eine gesonderte Beurteilung der Kontrollgruppe, wie sie teils postuliert wurde, würde nicht dem tatsächlichen Erscheinungsbild in der Praxis Rechnung tragen. Ausführliche Diskussion bei Wölk, Risikovorsorge, S. 91 ff. Mehlitz, Zulässigkeit placebokontrollierter klinischer Prüfungen, S. 10 ff.; jew. m.w. Nachw. zu Gegenansichten; ferner Eser, Der Internist, 1982, 218, 222; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 1. 416 Wie hier im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 103 ff.
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Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen.417 Unweigerlich kommt es diesbezüglich zu Berührungspunkten mit Fragen des Schadensersatzes und des Kausalund Rechtswidrigkeitszusammenhangs.418 Dies kann dazu führen, dass trotz der personalen Drittrichtung nur partieller Schutz gewährt wird (sog. gespaltene Drittbezogenheit419 ). Konstatieren lässt sich an dieser Stelle nur, dass die §§ 40 ff. AMG in erster Linie auf die Vorbeugung von Gesundheitsschäden von Versuchsteilnehmern ausgerichtet sind, mithin grundsätzlich auch der Gesundheitsschaden in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fällt. Näheres muss der gesonderten Betrachtungsweise vorbehalten bleiben, wobei offensichtlich ist, dass der Drittschutz unterschiedlich ausfallen kann: So wird sich etwa ein geschädigter Placeboteilnehmer nicht auf die fehlende pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG) berufen können. 4. Drittgerichtete Amtspflichtverletzungen im Einzelnen: Die Ablehnungsgründe des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG a. Überblick Inhalt und Umfang der Ethik-Kommissionstätigkeit folgen aus den enumerativ aufgelisteten und im Übrigen abschließenden420 Versagungsgründen des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG.421 Dabei unterstellt § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG, anders als für die zuständige Bundesoberbehörde, beinahe das komplette Normenprogramm der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für klinische Prüfungen der Bewertungstätigkeit der Ethik-Kommissionen. Sie hat zu prüfen, ob die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 bis 9, Abs. 4 und § 41 AMG geregelten Anforderungen erfüllt sind. Ausgelassen von der Normenkette des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG und damit von der Ethik-Kommission zumindest nicht unmittelbar zu prüfen ist die Einhaltung von Grundsätzen und Leitlinien, die aufgrund vonArt. 1Abs. 3 der Richtlinie 2001/20/EG erlassen werden (§ 40 Abs. 1 S. 1 AMG).422 Mittelbar über das allgemeine VwVfG entfaltet jedoch die ebenfalls ausgelassene Bestimmung des § 40 Abs. 1 Nr. 1 AMG 417 Vgl. nur BGHZ 39, 358, 363; 65, 196, 198; 69, 128, 136; 125, 258, 268; NJW 2009, 1207, 1208; NVwZ-RR 2005, 149; 152; NVwZ-RR 1989, 600 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 170; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 117; Schlick, NJW 2008, 127, 130; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3544; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 147 ff.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 128; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 45; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 16; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 19; ausf. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 16 ff. 418 Vgl. Schlick, NJW 2008, 127, 130; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 128 a.E; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 19 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 117. 419 Dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 68 f. 420 Zum abschließenden Charakter Deutsch, MedR 2006, 411, 415; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 34; Sander, Erl. § 42 Anm. 14. 421 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 34: „Der Prüfauftrag entspricht den Versagungsgründen“; s.a. van der Sanden, Haftung, S. 50 u. 60. 422 Die Ethik-Kommission kann ihre Bewertung nicht von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2001/20/EG abhängig machen; a.A. van der Sanden, Haftung, S. 61, wonach sich aus § 40 Abs. 4 und § 41 AMG,
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Wirkung, wonach ein Sponsor oder ein Vertreter des Sponsors vorhanden sein muss. Fehlt es hieran, so ist zugleich kein tauglicher Antragssteller vorhanden und der Antrag auf zustimmende Bewertung mithin als unzulässig zurückzuweisen.423 (Materiell) Rechtmäßig ist das Ethik-Kommissionsvotum nur dann, wenn im Falle einer ablehnenden Bewertung auch tatsächlich ein oder mehrere Ablehnungsgründe vorliegen oder aber im Falle der zustimmenden Bewertung tatsächlich kein Ablehnungsgrund bei Antragsstellung vorhanden war. Die einzelnen Versagungsgründe folgen einer logischen Abfolge; nämlich von der Unterlagenunvollständigkeit (Nr. 1) über die Unterlagenmangelhaftigkeit (Nr. 2) zu der Einhaltung der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der klinischen Prüfung (Nr. 3). EthikKommissionsmitglieder verletzen ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln, wenn sie einer klinischen Prüfung zustimmen, die nicht den gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen entspricht, für die also eine oder mehrere Ablehnungsgründe des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG vorliegen. Nachfolgend ist diese „Hauptfallgruppe“ zunächst mit Blick auf den Prüfauftrag der Ethik-Kommissionen anhand der Ablehnungsgründe, später im Hinblick auf die verfahrensrechtlichen Anforderungen zu untersuchen. b. Unterlagenunvollständigkeit nach Fristsetzung, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG Die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission ist zu versagen, wenn die vorgelegten Unterlagen nach Ablauf einer dem Sponsor gesetzten Frist zu Ergänzung unvollständig sind, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG. Dieser schwer verständliche und nicht mit der GCP-V harmonisierende Ablehnungsgrund bedarf einer differenzierten Betrachtungsweise, muss jedoch bei seiner Verletzung vorliegend von vornherein aus dem Kreise einer gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer obliegenden Amtspflicht ausscheiden. § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG korrespondiert mit der Ausgestaltung des Verfahrens vor den Ethik-Kommissionen als Unterlagenprüfverfahren, bei dem die Vollständigkeit der einzureichenden Unterlagen große Bedeutung hat. In umgekehrter Weise hat die Befugnis der Ethik-Kommission, Unterlagen des Sponsors nachfordern zu dürfen, eine nicht zu unterschätzende dienende Funktion, indem mit der Nachforderung von Unterlagen die Entscheidungsgrundlage für die zustimmende Bewertung sicher- oder hergestellt werden kann. Die Vollständigkeit der einzureichenden Unterlagen bezweckt nicht aus sich heraus den Schutz die jeweils auf § 40 Abs. 1 AMG in seiner Gesamtheit und nicht nur auf S. 3 verweisen, ergeben soll, dass die Ethik-Kommission auch die Einhaltung des § 40 Abs. 1 S. 1 AMG zu überprüfen habe. Dem ist nicht zu folgen, denn dies liefe bei konsequenter Anwendung darauf hinaus, dass die Ethik-Kommission nur bei Minderjährigen iSd § 40 Abs. 4 und einschlägig Kranken nach § 41 AMG die Anforderungen des § 40 Abs. 1 S. 1 AMG zu prüfen hätte und folglich bei rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben, bei denen § 40 AMG unmodofiziert Anwendung findet, § 40 Abs. 1 S. 1 AMG nicht zu berücksichtigen wäre. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage für zustimmende und ablehnende Voten ausdrücklich auf § 40 Abs. 1 S. 1 AMG verzichtet hat. Wie hier v. Dewitz, A&R 2007, 65, 68. 423 Eine diesbezügliche Haftung wegen fehlender Zurückweisung des Antrags ist nicht praxisrelevant, da seit der 12. AMG-Novelle stets ein Sponsor vorhanden sein wird.
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des Versuchsteilnehmers, sondern hat nur die (formale) Funktion, dass die EthikKommission auf die Nichterfüllung der Vorlagepflichten des Sponsors angemessen reagieren kann.424 Näherer Präzisierung bedarf der Ablehnungsgrund dagegen bei der verfahrensrechtlichen Rückkopplung, insbesondere bei der ordnungsgemäßen Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen.
c. Unterlagenmängel, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG Die Ethik-Kommission hat nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn die vorgelegten Unterlagen einschließlich des Prüfplans, der Prüferinformation und der Modalitäten für die Auswahl der Prüfungsteilnehmer nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, insbesondere die klinische Prüfung ungeeignet ist, den Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit eines Arzneimittels einschließlich einer unterschiedlichen Wirkungsweise bei Frauen und Männern zu erbringen.
Damit wird das Postulat aufgestellt, dass nur dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende klinische Prüfungen und nur zum Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit geeignete klinische Prüfungen erlaubt sein sollen.
aa. Der Begriff „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ Der „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ stellt einen zentralen Begriff im Arzneimittelrecht dar, insbesondere im Arzneimittelzulassungsrecht, dessen nähere Konkretisierung auch außerhalb des AMG bereits vielfach versucht worden ist.425 Es handelt sich jedenfalls hierbei – soviel kann nach dem Stand der rechtswissenschaftlichen Erkenntnis als gesichert angesehen werden – um die Verrechtlichung außerrechtlicher Maßstäbe, deren Einhaltung das materielle Recht zur Bedingung der Rechtmäßigkeit des (Verwaltungs-)Handelns erhebt. Einigkeit besteht ebenfalls darin, dass derartige „Wissenschaftsverweise“ in Intensität, Technik und Wirkung stark variieren, sodass eine einheitliche Handhabung nicht angezeigt ist, sondern kontextabhängig zu geschehen hat.426 Bei Auslegung und Subsumtion dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist Art. 5 Abs. 3 GG interpretatorisch zu berücksichtigen.427 Da der Stand der Wissenschaft dadurch gekennzeichnet ist, dass er kontrovers
424
Vergleichbar für die Arzneimittelzulassung Knothe, Zulassung, S. 115 ff. Vg. jüngst zum Begriff des jeweils gesicherten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Arzneimittelrecht Dettling, PharmR 2008, 273 ff., 323 ff., 418 ff. m.w. Nachw. 426 Vgl. hierzu Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 270 f.; Dettling, PharmR 2008, 273, 280; Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 192 ff.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 410; Lohse, Stand der Wissenschaft, passim; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 3. 427 Lohse, Stand der Wissenschaft, S. 102 ff., s.a. Dettling, PharmR 2008, 273, 274 ff.; jew. m.w. Nachw. 425
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ist428 , kann er freilich nur eine Momentaufnahme des (jeweiligen) Erkenntnisprozesses im entscheidungserheblichen Zeitraum widerspiegeln, dessen wesentliches Charakteristikum die Falsifizierbarkeit darstellt.429
bb. Inhaltliche Konkretisierung des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG Während § 41 AMG430 die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in die rechtlichen Voraussetzungen inkorporiert, bezieht sich § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG allgemein auf den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dessen Nichteinhaltung unabhängig vom Ergebnis der Risiko-Nutzen-Abwägung zur Unzulässigkeit der klinischen Prüfung führt.431 Erfasst werden sämtliche Wissenschaften, deren Einhaltung und Berücksichtigung sowohl für einen wirksamen Schutz der Versuchsteilnehmer sowie für Durchführung und Methodik der klinischen Prüfung maßgeblich sind, namentlich die Erkenntnisse der Medizin, Pharmakologie, Biologie, Biochemie, Biophysik, Statistik, Sozialwissenschaften.432 Der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse wird konkretisiert durch die Prüfrichtlinien (§ 26 AMG) und die überaus zahlreichen europäischen und international erarbeiteten Richtlinien, Grundsätze und Leitlinien.433 Die vorgelegten Unterlagen müssen diesem Stand entsprechen. Insbesondere gilt dies für die ICH/GCP-Empfehlungen, die einen international anerkannten wissenschaftlichen Standard für die Planung, Durchführung, Dokumentation und Auswertung von klinischen Prüfungen darstellen.434 Zwar nur exemplarisch („insbesondere“), gleichwohl aber im Zentrum der EthikKommissionsbewertung stehend, nennt § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG den Prüfplan, die Prüferinformation und die Modalitäten für die Auswahl der Prüfungsteilnehmer. Der Prüfplan wird in § 3 Abs. 2 GCP-V näher definiert: Prüfplan ist die Beschreibung der Zielsetzung, Planung, Methodik, statistischen Erwägungen und Organisation einer klinischen Prüfung. Der Begriff schließt nachfolgende Fassungen und Änderungen des Prüfplans ein.
Für den Prüfplan ist die Einhaltung international gültiger Leitlinien essentiell, um der weltweiten und parallelisierten Arzneimittelentwicklung Rechnung zu tragen. Die ICH/GCP-Leitlinie enthält unter Nr. 6 detailliert aufgelistete Themen, die der
428
Treffend Kriele, NJW 1976, 355, 356. Lohse, Stand der Wissenschaft, S. 79 ff.; Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 195 f.; ausführlich Popper, Logik der Forschung, S. 36 ff., 54 ff. 430 Vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 AMG. 431 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 280. 432 Vgl. hierzu auch Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 196 m.w. Nachw.; Dettling, PharmR 2008, 323: Kein Numerus clausus von Überzeugungsbildungen und kein „Begründungsmonismus“ im Arzneimittelrecht. 433 Vgl. Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 36, § 40 Anm. 8 f.; Dettling, PharmR 2008, 323, 324. 434 Ebenso Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 36; Wölk, Risikovorsorge, S. 138. 429
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Prüfplan enthalten sollte.435 Im Übrigen werden Prüfpläne unter Berücksichtigung zahlreicher weiterer allgemeiner, indikations- und arzneimittelgruppenspezifischer Guidelines nach dem jeweiligen Stand der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnis erarbeitet.436 Die ICH/GCP-Leitlinie ist auch bei der Prüferinformation – auch Investigator’s Brochure genannt – konkretisierend zu berücksichtigen. Sie gibt unter Nr. 7 über Aufbau, Reihenfolge und Inhalte Aufschluss. Danach sind die Prüfer durch die Prüfarztinformation vollständig über das zu untersuchende Arzneimittel aufzuklären, insbesondere über Chemie, pharmazeutische Qualität, Pharmakologie, Toxikologie sowie über bisher vorliegende klinische Prüfergebnisse. Ferner bedarf es einer Darstellung des erwarteten Sicherheitsprofils.437 Mit den Modalitäten für die Auswahl der Prüfungsteilnehmer sind im Wesentlichen zwei Kriterien angesprochen: Es bedarf einer ausreichend großen Anzahl von Prüfungsteilnehmern und die Versuchsteilnehmerpopulation muss repräsentativ sein für die Patientenpopulation, die später mit dem Arzneimittel behandelt werden soll.438 Eng hiermit verbunden ist die Ungeeignetheit der klinischen Prüfung zum Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 2. HS. AMG. Gemeint ist die fehlende interne und/oder externe Validität der zu erwartenden Studienergebnisse. Voraussetzung für die Geeignetheit ist eine sorgfältige Versuchsplanung, in der die relevanten Prüfparameter zu bestimmen sind, eine zutreffende Wahl des Studiendesigns, wobei randomisiert kontrollierte Studien den „Goldstandard“ darstellen, und die Planung sowie die Auswertung muss biometrischen Anforderungen genügen.439 Das Kriterium der „Ungeeignetheit“ ist jedoch verschärft kontextabhängig zur Zielsetzung der klinischen Prüfung. So ist bei Zulassungsstudien die jeweilige Phase der Prüfung zu berücksichtigen und hypothetisch zu fragen, ob die Prüfergebnisse Grundlage für das spätere Zulassungsverfahren sein können. Bei Nicht-Zulassungsstudien, etwa Therapieoptimierungsstudien oder Überlegenheitsbzw. Nicht-Unterlegenheitsstudien ist die Geeignetheit zur späteren Routineversorgung von Nicht-Studienteilnehmern maßgebliches Kriterium. Kontextabhängig ist die Ungeeignetheit jedoch auch bezüglich juristischer, medizinischer und ethischer Grenzen der klinischen Prüfung. Defizite in der Prüfmethodik, die eine geringere Aussagekraft der Studie erwarten lassen, müssen als unschädlich angesehen werden, wenn die Wahl eines aussagekräftigeren Studiendesigns unvertretbar ist. Besondere Bedeutung kommt dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zu, wenn gegen ein Placebo getestet wird. Hier entfalten zahlreiche Leitlinien und Empfehlungen 435
Vgl. etwa: Allgemeine Informationen (6.1), Hintergrundinformationen (6.2), Zielsetzungen und Zweck der klinischen Prüfung (6.3), Prüfdesign (6.4), Auswahl und Ausschluss von Prüfungsteilnehmern (6.5), Behandlung von Prüfungsteilnehmern (6.6), Bewertung der Wirksamkeit (6.7), Bewertung der Sicherheit (6.8), Statistik (6.9). Hierzu auch Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 36; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 392 ff. 436 Ausführlich hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 391 ff. 437 Zusammenfassend Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 203 f. 438 Vgl. Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 276; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 278 f.; Windeler, MedR 1997, 265, 266; s.a. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 36. 439 Vgl. auch Wölk, Risikovorsorge, S. 280 ff.
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über die Zulässigkeit und Vertretbarkeit ihre Wirkung, die den Stand der Wissenschaft konkretisieren.440 Im Übrigen muss auch die Grundversorgung des Patienten dem medizinischen Standard entsprechen. Nach medizinischem Stand indizierte Begleit- und Kontrolluntersuchungen dürfen dem Studienteilnehmer nicht vorenthalten werden. Darüber hinaus muss die klinische Prüfung auch dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis im Hinblick auf das Testpräparat entsprechen, sodass Ergebnisse aus vorherigen Prüfungen berücksichtigt werden müssen.441 cc. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung Eine Ablehnungsbefugnis der Ethik-Kommission ergibt sich zusammenfassend bei fehlendem und/oder unwissenschaftlichem Prüfziel, bei einer unplausiblen und/oder unzureichenden Prüfmethode, fehlender und/oder mangelhafter Fallzahlberechnungen bzw. biostatistischer Planung, bei unrepräsentativer Wahl der Studienpopulation und nicht dem medizinischen Standard entsprechende Versorgung.442 Ethik-Kommissionsmitglieder verletzen ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, wenn sie gleichwohl einer Studie zustimmen, die nicht den beschriebenen Anforderungen genügt. Bedenken bereitet die Frage, ob auch die notwendige Drittgerichtetheit der Amtspflichtverletzung vorliegt, die über die verletzte Norm vermittelt wird. Das wäre der Fall, wenn § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG Schutznormqualität hätte, was zu verneinen wäre, wenn die Norm ausschließlich formal iSd Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und gewinnbringenden Prüfung zu verstehen ist. Herauszustellen ist zunächst, dass die zuständige Bundesoberbehörde neben den ihr ebenfalls (§ 7 Abs. 2 GCP-V) und zusätzlich (§ 7 Abs. 4 GCP-V) vorzulegenden Unterlagen wie die Ethik-Kommission zu prüfen hat, ob der Prüfplan und die Prüferinformationen dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht, § 42 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 AMG. Hieraus lässt sich nach systematischer und teleologischer Auslegung wohl nicht der Schluss ziehen, dass die Ethik-Kommission entsprechend ihrer Funktion eine Prüfung besonders unter Berücksichtigung der einzuschließenden Patienten/Probanden vorzunehmen hat, wohl aber, dass der Gesetzgeber durch die angeordnete und nicht näher mit Blick auf einzelne Kriterien differenzierte „Doppelprüfung“ zu erkennen gibt, dass dem Prüfplan und der Prüferinformation herausgehobene Stellung zukommt. Die Frage nach der Schutznormqualität von § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG lässt sich nicht einheitlich beantworten. Als nicht individualbezogen hat man rein formale Mängel und Ungenauigkeiten der vorzulegenden Unterlagen anzusehen, wie 440
Überblick bei Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 308 ff. Lassen sich bereits aus Vorprüfungen unerwünschte Nebenwirkungen des Testpräparates erkennen, müssen nach der neueren Rspr. des BGH zum individuellen Erprobungshandeln auch ohne Auftreten von Komplikationen ständig Kontrolluntersuchungen vorgenommen werden. Vgl. BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2768 ff.; BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775; hierzu Vogeler, MedR 2008, 697, 702 f.; Katzenmeier, JZ 2007, 1108, 1109; ausf. Schneider, Neue Behandlungsmethoden, S. 139 ff. 442 Ähnlich Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 36, dort auch zur unterschiedlichen Wirkungsweise bei Frauen und Männern nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 a.E. AMG. 441
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z. B. eine unklare Formulierung der Zielsetzung der klinischen Prüfung. Als nicht individualschützend dürfte ferner die Ungeeignetheit der klinischen Prüfung zum Nachweis der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des Arzneimittels zu werten sein, da nicht ersichtlich ist, dass sich eine fehlende interne und/oder externe Validität der Studienergebnisse nachteilig auf die Probanden/Patienten auswirken kann. § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG beschränkt sich jedoch nicht auf eine rein formelle Prüfung. Die Norm nimmt Bezug auf die „vorgelegten Unterlagen“, die in § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V (iVm § 42 Abs. 3 Nr. 2 AMG) konkretisiert werden. Hierzu gehört u. a. die Beschreibung der vorgesehenen Untersuchungsmethoden sowie die Kriterien für das Aussetzen oder die vorzeitige Beendigung der klinischen Prüfung (§ 7 Abs. 3 Nr. 10, 17 GCP-V)443 , die üblicherweise im Prüfplan enthalten sind. Hierdurch wird zugleich der Patienten-/Probandenbezug deutlich. In Rechnung zu stellen hat man ferner, dass der Prüfplan detaillierte Handlungsanweisungen an den Prüfarzt enthält. Er qualifiziert etwa die näher einzuschließenden Patienten/Probanden in Form der Ein- und Ausschlusskriterien und nimmt Bezug auf die Wahl der Dosierung. Entspricht eines der beiden Kriterien nicht oder nicht mehr dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, so kann sich dies nachteilig auf die Versuchspersonen auswirken. Der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ist gleichzeitig „Einfallstor“ für den medizinischen Standard. Sowohl die Durchführung der klinischen Prüfung als auch die ärztliche Versorgung muss lege artis erfolgen.444 Zu verlangen ist, dass die übliche Grundversorgung gewährleistet wird und im Übrigen eine den Zielsetzungen des Versuchs medizinisch und ärztlich vertretbare Behandlung gewählt wurde. Hieraus lässt sich mithin das Postulat ableiten, dass die durch den Prüfplan vorgenommene Determination des individuellen Behanglungsgeschehens dem jeweiligen wissenschaftlichen Stand entsprechen muss. Legt man § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG in diesem Sinne aus, so lässt sich die Ablehnungsbefugnis nicht nur in einem formalen Sinne interpretieren. Ein dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechender Prüfplan dient dazu, solche Gesundheitsschäden zu vermeiden oder zu reduzieren, die sich bereits nach dem gegenwärtigen Stand vermeiden und reduzieren lassen. Da sich die Behandlung der Patienten/Probanden gemäß dem Prüfplan vollzieht, ist § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG partieller Schutznormcharakter zuzuschreiben.445 Es ist in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise bei der Prüfung, ob der Prüfplan sowie die übrigen Unterlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V dem (vertretbaren) Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechen,
443 Hierzu zählt auch die Aufklärungsunterlage (§ 7 Abs. 3 Nr. 9 AMG), die folglich ebenfalls einer entsprechenden Prüfung zu unterziehen wäre. In diese Richtung wohl Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 211: „Die Patienteninformation muss auf dem Stand der Entwicklung des Wissens und Bewertens in der klinischen Prüfung sein“. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Prüfung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG anders ausfällt als diejenige nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG. 444 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 44, 51, 82. 445 Wir hier im Ergebnis auch Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 76 für die Schutzgesetzqualität nach § 823 Abs. 2 BGB.
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auf schutzwürdige Interessen der potenziellen Versuchsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Sowohl Patienten/Probanden der Testgruppe als auch der Kontrollgruppe sind vom personellen Schutzbereich der Norm und mithin auch von der Schutzrichtung der Amtspflicht umfasst. Bei der Frage, ob der jeweils geltend gemachte (Gesundheits)Schaden in den sachlichen Schutzbereich fällt, ist vom Einzelfall abhängig, wobei Überschneidungen, wie bereits erwähnt, mit Fragen des Schadensersatzes und des Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhangs unvermeidbar sind: Sowohl Schäden, die dem Versuchsteilnehmer durch die Vorenthaltung indizierter, also dem Stand der (medizinisch-)wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende Begleit- und Kontrolluntersuchungen entstehen, als auch solche, die ihm durch die Vornahme nicht (mehr) nach dem Stand der Erkenntnisse entsprechende Maßnahmen entstehen, sind vom sachlichen Schutzbereich erfasst. Patienten der Testgruppe können sich aber etwa nicht auf eine dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse widersprechende Bildung einer Placebogruppe berufen. dd. Beurteilungsspielraum Umstritten ist, ob „Wissenschaftsverweise“ wie der „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ iSv § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG als Indikator für eine Beurteilungsermächtigung anzusehen sind. Das BVerwG bejaht dies zu Recht.446 Unabhängig von der Indikationswirkung ist jedoch bereits hinreichend dargelegt worden, dass gerade die zwingende Notwendigkeit einer elastischen Konkretisierung des Gesetzes prägendes Kennzeichen der klinischen Prüfung ist. Auch erfasst der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse mehrere, in harmonischen Einklang zu bringende Wissenschaften, deren Eruierung und Abwägung nach funktioneller Betrachtungsweise nicht den Gerichten zugewiesen sein kann, sondern eben jener besonderen Institution, die zumindest einen Großteil der relevanten Wissenschaften repräsentiert und wissenschaftsbezogene Auffassungsunterschiede bereits in sich im Wege des interdisziplinären Diskurses zum Ausgleich bringen kann.447 Die Beharrung auf einem Stand einer Wissenschaft steht dem Vereinbarungscharakter klinischer Prüfungen entgegen. Vorliegend wird dies dadurch bekräftigt, dass der „Wissenschaftsverweis“ nicht in die allgemeinen Voraussetzungen des § 40 AMG aufgenommen worden ist, sondern speziell in das Prüfungsprogramm der Ethik-Kommission. Wie § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG zeigt, wäre auch eine andere Systematik möglich gewesen. In beschränktem Umfang wird man auch eine Beurteilungsermächtigung bei der Subsumtion unter die „Ungeeignetheit“ der klinischen Prüfung zum Nachweis der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit des Arzneimittels nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 2. HS AMG anzunehmen haben. Wenngleich hiermit im Wesentlichen nur biostatistische Gesichtspunkte angesprochen sind, so muss jedoch dort eine Beurteilungsermächtigung für Ethik-Kommissionen zugestanden werden, wo es um 446 BVerwG NVwZ 1999, 1232, 1233; ähnlich bereits BVerwGE 72, 300, 316; s.a. Schenke, VerwProzR, Rn. 762; krit. Beaucamp, DöV 2002, 24 ff.; zur Diskussion Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 271; Fuhrmann, Sicherheitsentscheidungen, S. 197 ff. 447 Vgl. auch BVerwG NJW 2007, 2790, 2792
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die Vertretbarkeit geringerer Aussagekraft geht, denn die anzustrebende Prüfergebnismaximalisierung steht gleichzeitig unter der Prämisse der Zulässigkeit der gewählten bzw. zur Erreichung einer höheren Studienpower wählbaren Methodik und Durchführung. Dies verlangt eine einzelfallbezogene Betrachtungsweise und Vertretbarkeitsgrenzziehung, die sich eben nicht nur auf eine Frage der Biostatistik reduzieren lässt. Interne und/oder externe Studienvaliditäten müssen folglich im Randbereich der Vertretbarkeitsschwelle der vollständigen gerichtlichen Kontrolle entzogen sein. Gleiches gilt aber auch in denjenigen Bereichen, in denen § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG Schutznormqualität zuzuschreiben ist, weil hier im gleichen Maße verschiedene widerstreitende Wissenschaften in vertretbaren Einklang zu bringen sind448 , insbesondere die (Bio-)Statistik und die medizinische Wissenschaft.449 ee. Ergebnis und Konsequenzen Der Begriff „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ iSd § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG ist umfassend zu verstehen. Erfasst werden sämtliche Wissenschaften, deren Einhaltung und Berücksichtigung für einen wirksamen Schutz der Versuchsteilnehmer sowie für Durchführung und Methodik der klinischen Prüfung maßgeblich sind. Entsprechen die nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V (iVm § 42 Abs. 3 Nr. 2 AMG) vorzulegenden Unterlagen nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, so verletzen die der klinischen Prüfung gleichwohl zustimmenden Ethik-Kommissionsmitglieder ihreAmtspflicht zu rechtmäßigemVerhalten. § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG dient nicht ausschließlich der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen und gewinnbringenden Prüfung, sondern hat aufgrund des Patienten-/Probandenbezugs partiellen Schutznormcharakter. Sowohl Teilnehmer der Testgruppe als auch der Kontrollgruppe fallen in den personellen Schutzbereich. Der Ethik-Kommission steht ein Beurteilungsspielraum zu. Demzufolge unterliegt dieVerletzung des § 42Abs. 1 S. 7 Nr. 2AMG keiner vollständigen gerichtlichen Kontrolle. Sie beschränkt sich auf Beurteilungsfehler. Das Gericht prüft, ob die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind, ob die Behörde von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, ob sie ferner den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat, ob sie sich des weiteren bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten und schließlich das Willkürverbot nicht verletzt hat. Die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verschiebt sich auf die Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Ausfüllung des Beurteilungsspielraums, einhergehend mit einer strengeren Kontrolle und Anhebung administrativer Sorgfaltspflichten. Die Ethik-Kommission bewegt sich stets außerhalb des ihr gewährten Beurteilungsspielraums, wenn ihre Entscheidung nicht mehr vertretbar ist450 , wenn sie sich also über gesicherte Erkenntnisse der Wissenschaft hinwegsetzt. 448
Zur „Abwägungsnotwendigkeit“ als Kriterium für eine Beurteilungsermächtigung Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 291. 449 Einen Beurteilungsspielraum im Rahmen von § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG bejahend Seckelmann, WissR 41 (2008), S. 188, 201 f.; wohl auch van der Sanden, Haftung, S. 96 iVm S. 187 ff. 450 Allg. hierzu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 147.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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d. Risiko-Nutzen-Relationen und ärztliche Vertretbarkeit des Versuchshandelns, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, 2a AMG iVm §§ 40 Abs. 4, 41 AMG Die Ethik-Kommission hat nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 bis 9, Abs. 4 und § 41 AMG geregelten Anforderungen nicht erfüllt sind. Hiermit wird zunächst die allgemein statuierte Risiko-Nutzen-Relation des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG angesprochen, die in § 41 AMG für besondere Personengruppen modifiziert Anwendung findet. Die schwierige Abwägungsfrage nach einer Rechtfertigung drohender Risiken und Nachteile für den Probanden/Patienten durch einen überwiegenden Nutzen spiegelt ein wesentliches Charakteristikum arzneimittelrechtlicher Risikoentscheidungen wider und gewinnt im Bereich der Arzneimittelerprobung am Menschen an besonderer Dynamik: Es ist gerade das Ziel der klinischen Prüfung, sich von der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des Arzneimittels „zu überzeugen“ (§ 4 Abs. 23 S. 1 AMG), was die Erfahrungssammlung unerwünschter Neben- und Wechselwirkungen notwendigerweise mit einschließt.451 Die typische Risikoabwägungsvorschrift des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG, gekennzeichnet durch ihren offenen Charakter und ihres Einzelfallkonkretisierungsbedürfnisses zur Bestimmung einer (ärztlichen) Vertretbarkeitsrelation, geht folgerichtig auch nicht von einer unbedingten Gefahrenabwendung aus, sondern erlaubt gerade riskantes Verhalten, wobei das Maß des hinzunehmenden Risikos durch den zu gewinnenden Nutzen aus dem riskanten Verhalten bestimmt und begrenzt wird.452 Dieses Erfordernis einer positiv ausfallenden Risiko-Nutzen-Abwägung ist neben der Einwilligung nach Aufklärung eine zentrale Legitimationsvoraussetzung medizinischer Forschung.453 Sie ist im Vorfeld der klinischen Prüfung und damit notwendigerweise unter besonderen Ungewissheitsbedingungen zu treffen.454 aa. Das Verhältnis der §§ 40, 41 AMG § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG verweist pauschal auf § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG und § 41 AMG. Klärungsbedürftig ist das Verhältnis von §§ 40, 41 AMG, da die Ethik-Kommission je nach Sachlage unterschiedliche Voraussetzungen bei der Risiko-Nutzen-Abwägung anzulegen hat. Die herkömmliche Differenzierung 451
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1297. Ausführlich zur Spezifik arzneimittelrechtlicher Risikoentscheidungen und Risiko-NutzenAbwägungen Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 168 ff., 178 ff., 211 f., 214, 216 f.; speziell zum medizinischen Erprobungshandeln Wölk, Risikovorsorge, S. 193 ff., 226 ff. 453 Vgl. Schreiber, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 303, 311; Wölk, Risikovorsorge, S. 226. Außerhalb forschungsbereichsspezifischer Normierungen ist das Postulat einer positiv ausfallenden Nutzen-Risiko-Abwägung ein allgemein anerkanntes Prinzip, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 939; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 147; s. a. bereits Eser, in: GS Schröder, 191, 201 f.; Bork, NJW 1985, 654, 655. Die Risiko-Nutzen-Abwägung hat auch Eingang in das individuell-therapeutische Erprobungshandeln gefunden. Hierzu Vogeler, MedR 2008, 697, 702 f. m.w. Nachw. aus der jüngeren Rspr.; Meyer, Arzthaftungsrechtliche Verfassung, S. 90 ff.; Fritz, PharmR 1999, 129, 130 f. 454 Hierzu auch Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 203, 207 f. 452
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zwischen rein wissenschaftlichen und therapeutischen Forschungsvorhaben ist in den §§ 40, 41 AMG nicht stringent verfolgt worden: § 40 AMG stellt allgemeine Voraussetzungen der klinischen Prüfung auf, § 41 AMG dagegen besondere Voraussetzungen bei einschlägig kranken Versuchsteilnehmern, zu deren Behandlung das zu testende Arzneimittel eingesetzt wird. Es handelt sich bei der Verbindung von § 41 AMG zu § 40 AMG, wie Deutsch herausgestellt hat, um ein Verhältnis einer „unvollständigen Spezialität“455 . Lässt sich entnehmen, dass § 41 AMG den therapeutischen Versuch erfasst, so ist damit jedoch noch nicht gesagt, dass § 40 AMG sich ausschließlich dem rein wissenschaftlichen Versuch widmet, denn beschreiben „Erkrankung“, „Behandlung“ und „Indikation“ kumulativ die therapeutische Forschung iSd § 41 AMG, so wird der Anwendungsbereich immer unschärfer, soweit ein Merkmal nur zum Teil oder überhaupt nicht erfüllt ist, etwa bei klinischen Prüfungen von Diagnostika oder Impfstoffen an gesunden oder erkrankten Patienten/Probanden.456 Der Zweck der Unterteilung ist dessen ungeachtet unverkennbar: Die §§ 40 Abs. 4, 41 AMG knüpfen an die geschwächte Konstitution und besondere Schutzwürdigkeit bestimmter Patientengruppen an. Die Modifikationen in § 41 AMG betreffen im Wesentlichen nur zwei Aspekte: Zum einen die ärztliche Vertretbarkeit des Risiko-Nutzen-Verhältnisses und zum anderen den Autonomieschutz.
bb. Die besonderen Personengruppen nach §§ 40 Abs. 4, 41 AMG (1) Klinische Prüfung an einschlägig erkrankten volljährigen Personen, § 41 Abs. 1 AMG Eine klinische Prüfung bei einer volljährigen Person, die an einer Krankheit leidet, zu deren Behandlung das zu prüfende Arzneimittel angewendet werden soll, ist dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1–3 AMG in der modifizierten Form des § 41 Abs. 1 AMG vorliegen. Dabei ist zwischen zwei Alternativen zu unterscheiden: Nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 AMG muss die Anwendung des zu prüfenden Arzneimittels nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein, um das Leben dieser Person zu retten, ihre Gesundheit wiederherzustellen oder ihr Leiden zu erleichtern. Erforderlich ist damit ein behandlungsbezogener Individualnutzen für die betroffene Person.457 Alternativ hierzu ist jedoch auch das Vorliegen eines Gruppennutzens nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 AMG ausreichend.
455 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 1; s.a. BT-Drs. 15/2109: „Danach enthält § 40 allgemeine Voraussetzungen der klinischen Prüfung; die in § 41 geregelten besonderen Voraussetzungen der klinischen Prüfung bei kranken Menschen modifizieren teilweise die allgemeinen Voraussetzungen“; ferner Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 200. 456 Zum Verhältnis von § 40 zu § 41 vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 1; Sander, Erl. § 41 Anm. 2 u. 3d; Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 2. Zu klinischen Prüfungen neuer Impfstoffe instruktiv Deutsch, KliFoRe 2007, 1 ff. 457 Vgl. Sander, Erl. § 41 Anm. 5; Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 7; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 19.
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(2) Klinische Prüfung an Minderjährigen, §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2 AMG Klinische Prüfungen an rechtsfähigen, gesunden, nicht volljährigen Personen ab der Beendigung der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind nach § 40 Abs. 4 AMG zu beurteilen. § 40 Abs. 1 bis 3 AMG findet zwar prinzipiell Anwendung. Jedoch modifiziert § 40 Abs. 4 AMG die „ärztliche Vertretbarkeit“ der Risiko-Nutzen-Relation (§ 40 Abs. 4 Nr. 1, 2 u. 4 AMG). Die Zulässigkeit klinischer Studien an gesunden Minderjährigen ist beschränkt auf Arzneimittel, die diagnostischen und prophylaktischen Zwecken dienen.458 Es muss ferner „angezeigt“, d. h. indiziert sein.459 Dabei hat man zu berücksichtigen, dass nicht der Maßstab der Indikation innerhalb der Routinebehandlung herangezogen werden kann, weil die Überprüfung der Indikation gerade Gegenstand der klinischen Prüfung ist. Als ausreichend anzusehen ist vielmehr, dass nach bisherigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis in Bezug auf das Testpräparat die begründete Erwartung besteht, den Minderjährigen vor einer Krankheit besonders zu schützen oder sie früher diagnostizieren zu können.460 Da § 40 Abs. 4 AMG auf § 40 Abs. 1 bis 3 AMG verweist, ist ausschließlich das Vorhandensein eines Eigennutzens geeignet, eine positive Risiko-Nutzen-Abwägung zu begründen.461 Wird die klinische Prüfung an erkrankten Minderjährigen durchgeführt, zu deren Behandlung das zu testende Arzneimittel angewendet werden soll, so stellt § 41 Abs. 2 AMG Voraussetzungen auf, die wiederum die allgemeinen Voraussetzungen (§ 40 Abs. 1–4 AMG) ergänzen. Dabei unterscheidet § 41 Abs. 2 AMG – entsprechend § 41 Abs. 1 AMG – zwischen einem Eigennutzen und einem Gruppennutzen.
(3) Klinische Prüfung an einschlägig erkrankten einwilligungsunfähigen volljährigen Personen, § 41 Abs. 3 AMG Therapeutische Studien462 an einwilligungsunfähigen volljährigen Personen sind zusätzlich nach § 41 Abs. 3 AMG zu beurteilen. Neben der Forderung nach der Indikation des zu prüfenden Arzneimittels und des individualtherapeutischen Nutzens463 , bedarf es eines akuten Handlungsbedarfs: Die Forschung muss sich nach § 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 2. HS AMG unmittelbar auf einen lebensbedrohlichen oder sehr geschwächten klinischen Zustand beziehen.464 Anders als bei § 41 Abs. 1 u. 2 AMG ist der gruppenspezifische Nutzen nicht aufgenommen worden. Der nochmals
458
§ 40 Abs. 4 Nr. 1 AMG: . . . zum Erkennen oder zum Verhüten von Krankheiten. . . “. Zu dieser „missglückten“ Formulierung in § 40 Abs. 4 Nr. 1 u. 2 Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 105. 460 Wie hier Sander, Erl. § 40 Anm. 20; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 105; Rehmann, § 40 Rn. 16. 461 Anders bei § 41 Abs. 2 Nr. 2 AMG. S.a. v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 518; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 20; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3378. 462 Rein wissenschaftliche Studien und selbst solche, die einen Gruppennutzen hervorbringen könnten, sind an Einwilligungsunfähigen nach dem AMG unzulässig. 463 Insoweit ist kein Unterschied zu § 41 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AMG vorhanden. 464 Hierzu auch Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 25. 459
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eigens aufgeführten Risikoabwägung (§ 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 2 AMG) kommt neben § 40 Abs. 1 Nr. 2 AMG keine eigenständige Bedeutung zu.465 cc. Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, 2a AMG iVm §§ 40 Abs. 4, 41 AMG Eine klinische Prüfung eines Arzneimittels darf beim Menschen nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG nur durchgeführt werden, wenn und solange die vorhersehbaren Risiken und Nachteile gegenüber dem Nutzen für die Person, bei der sie durchgeführt werden soll (betroffene Person), und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich vertretbar sind.466
§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG stellt die Grundformel zur Risiko-Nutzen-Abwägung dar, auf die die §§ 40 Abs. 4, 41 AMG jeweils verwiesen und teilweise durch strengere Voraussetzungen wiederum modifizieren. (1) Diskussionsstand und Konturen der Risiko-Nutzen-Abwägung Das AMG delegiert die Risiko-Nutzen-Abwägung mit seinem Passus der „ärztlichen Vertretbarkeit“ an die Medizin.467 Damit wird jedoch nicht ein dem AMG fremder „Begründungsmonismus“ eingeführt. Vielmehr finden andere Wissenschaften entweder als integraler Bestandteil der medizinischen Wissenschaft oder aber außerhalb der Medizin stehende Wissenschaften Berücksichtigung, wobei im letzten Fall die Bewertung anhand eines medizinischen Maßstabs durchzuführen ist.468 Aufgrund der Unmöglichkeit, keine streng konditional programmierte Normierungen von Zulässigkeitsvoraussetzungen aufstellen zu können und der immanenten Komplexität und flexiblen Einzelfallhandhabung von Risikoentscheidungen, ist die Risiko-Nutzen-Abwägung ein administrativer, kollegialer und kooperativer Prozess zwischen Behörde bzw. Ethik-Kommission und Antragssteller. Kennzeichnend ist dabei, dass die Abwägung jegliche Einzelfallkonturen vermissen lässt. Auch die Deklaration von Helsinki, auf die teilweise zur näheren Konturierung verwiesen wird469 , enthält lediglich abstrakte und selbst konkretisierungsbedürftige Vorgaben.470 Abgesehen von denjenigen, die unzutreffend die eigenständige Bedeutung der Risiko-Nutzen-Abwägung neben dem Erfordernis der aufgeklärten Einwilligung 465
So auch Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 27; a.A. v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 522 f., der in der Risiko-Nutzen-Klausel des § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG die Möglichkeit sieht, dem Studienteilnehmer auch ein risikoloses Vergleichspräparat, sprich ein Placebo, verabreichen zu dürfen. Darüber hinaus wendet er § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG analog auf die §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 1 u. 2 AMG an. 466 Vgl. auch Art. 3 Abs. 2a) der Richtlinie 2001/20/EG. 467 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 228: „medizinischer Professionsvorbehalt“. 468 Wie hier Wölk, Risikovorsorge, S. 231 f.; zum fehlenden „Begründungsmonismus“ Dettling, PharmR 2008, 323; s.a. Hart, Bundesgesundheitsbl. 2005, 204. 469 So etwa Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 49 a.E.; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 66 f.; Rehmann, § 40 Rn. 4; Bork, NJW 1985, 654, 655. 470 Wie hier Gramm, WissR 32 (1999), 209, 211; Wölk, Risikovorsorge, S. 228.
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des Probanden aus Gründen der Konturenunschärfe und fehlender Aussagekraft bezweifeln471 , ist teilweise versucht worden, absolute und relative Grenzen der Nutzen-Risiko-Abwägung anhand der aufgeklärten Einwilligung des Versuchsteilnehmers zu bestimmen.472 Trotz vorhandener Abhängigkeit des ärztlich vertretbaren Risikopotentials und wirksamer Einwilligung des Versuchsteilnehmers473 , müssen beide Prinzipien schon nach der gesetzgeberischen Intention voneinander getrennt und gleichberechtigt behandelt werden.474 Wölk hat aufgrund der Komplexität der Entscheidungssituation und des Bedürfnisses für den konkreten Einzelfall, die vielfältigen kollidierenden Belange durch nicht vollständig vorbestimmte gesetzliche Vorgaben in einen interessengerechten Ausgleich zu bringen, vorgeschlagen, für die Nutzen-Risiko-Abwägung das ausdifferenzierte Modell der planungsrechtlichen Abwägung heranzuziehen. Soweit die Verwaltung mit der Aufgabe der Risikovorsorge betraut sei, komme ihr eine politische Gestaltungsaufgabe zu, für die das bewertende Vorziehen und Zurückstellen der betroffenen Belange mit dem Ziel, diese in einem Gesamtkonzept zum Wohle der Allgemeinheit zu integrieren, kennzeichnend sei.475 Dieser Ansatz mag einen förderlichen Konkretisierungsbeitrag leisten, ist jedoch für das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen nur bedingt geeignet, denn die §§ 40 ff. AMG verlangen zur Konflikt- und Problembewältigung keinen sich in einer Vielfalt von Entscheidungsalternativen darstellenden „schöpferischen Rechtsakt“476 : Die Entscheidungsalternativen für Ethik-Kommissionen sind von vornherein auf die zustimmende oder ablehnende Bewertung begrenzt, die sich an die vom Antragssteller bereits gewählte Gestaltung der klinischen Prüfung orientiert. Ethik-Kommissionen besitzen keine (planerische) Gestaltungsfreiheit, sondern fungieren als kollegiale Kontrollinstitutionen bereits ausgeübter Planungsgestaltung.477 Dass dem Ethik-Kommissionsverfahren planerische Elemente innewohnen, lässt sich freilich nicht in Abrede stellen. So verlangt die Frage danach, ob sich die Studienkonzeption des Sponsors im Rahmen der „ärztlichen Vertretbarkeit“ bewegt oder ob vorhandene Studienkonzeptionsmängel noch ärztlich vertretbar sind, eine 471
Vgl. Gramm, WissR 32 (1999), 209, 222 f.; Eberbach, Humanforschung, S. 94 f., 117 f.; Samson, NJW 1978, 1182, 1185 f. Hierzu Wölk, Risikovorsorge, S. 235 f. m.w. Nachw.; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 68 f. 472 Dabei sollen die §§ 216, 228 StGB absolute, der Maßstab der „guten Sitten“ relative Grenzen darstellen; zu diesen und weiteren Interpretationsversuchen krit. Wölk, Risikovorsorge, S. 226 ff., 452 ff. m.w. Nachw.; s.a. Eser, in: GS Schröder, S. 191, 209 f. 473 Ausführliche Diskussion hierzu bei Wölk, Risikovorsorge, S. 449 ff. 474 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1317; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 68 f.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 78; ausf. Wölk, Risikovorsorge, S. 345 ff., 449 ff.; Eser, in: GS Schröder, S. 191, 207 ff.; ders., Der Chirurg, 1979, 215, 219 ff.; ders., in: Kruse, Psychologische Grundlagenforschung, S. 173, 188 ff.; a.A. Freund/Georgy, JZ 2009, 504, 505 f. 475 Wölk, Risikovorsorge, S. 263 ff., 275 ff. 476 Die §§ 40 ff. AMG enthalten keine Planungsermächtigung für Ethik-Kommissionen; vgl. nur Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 34. 477 Teilweise einschränkend, jedoch an der Gestaltungsfreiheit festhaltend Wölk, Risikovorsorge, S. 265 f.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
von den Ethik-Kommissionen selbst vorzunehmende planerische Abwägung, an deren Ende jedoch nur zwei Entscheidungsalternativen stehen. Deutlich wird hieran, dass sich das Recht der Risikoverwaltung mit der im Zentrum stehenden RisikoNutzen-Abwägung und mithin auch das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen als eine eigentypische Form administrativen Eigenrechts darstellt, bei der planerische Elemente bei der Einzelfallkonkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe Eingang finden und für die die Unterteilung von Ermessen, Beurteilungsermächtigung und Planungsermessen fließend sein können.478 Vorzugswürdig erscheint es, in der Nutzen-Risiko-Abwägung den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erblicken479 , der als allgemein anerkannter Grundsatz nicht nur im öffentlichen Recht, sondern auch im Zivilrecht Geltung beansprucht und mithin das Kooperationsverhältnis zwischen Sponsor und Ethik-Kommissionen zutreffend beschreiben kann. Um der Komplexität der vorzunehmenden Risiko-Nutzen-Abwägung Rechnung zu tragen, hat man eine Informationsphase und eine Bewertungs- bzw. Gewichtungsphase zu unterscheiden: Erstere dient der Sammlung des notwendigen Abwägungsmaterials, Letztere widmet sich schließlich der vergleichenden Gewichtung. Es handelt sich hierbei um das typische Modell planerischer Abwägung, das zur näherenAusfüllung und Konturierung desVerhältnismäßigkeitsprinzips anzuwenden ist.480 Stellt die ärztliche Vertretbarkeitsprüfung nach hier vertretener Auffassung im Ergebnis eine Angemessenheitsprüfung iSd Verhältnismäßigkeitsprinzips dar, so ist bereits vom AMG selbst vorgegeben worden, welche Belange in die „Waagschale“ zu werfen sind: Es sind die Risiken und Nachteile der klinischen Prüfung, der Nutzen für die betroffene Person und die voraussichtliche Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde. Zudem hat man in Anbetracht der Zwecksetzung der §§ 40 f. AMG den Begriff der Risikos weit, denjenigen des Nutzens dagegen eng auszulegen. Insoweit ergibt sich nachfolgendes, am Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Verfahren der planerischen Abwägung angenähertes Prüfungsschema. (2) Wissenschaftliche Zielsetzung und Geeignetheit der klinischen Prüfung Die Risiko-Nutzen-Abwägung hat entsprechend der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die eine legitime Zwecksetzung verlangt, mit der Prüfung der wissenschaftlichen 478
Ähnlich bereits Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 463: „Von den Konsequenzen für den Umfang und die Ausgestaltung gerichtlicher Kontrolle her, sind zwischen Ermessen, planerischer Gestaltungsfreiheit und Beurteilungsspielräume kaum Unterschiede sichtbar“. Ausf. zur Vereinheitlichung administrativer Gestaltungsfreiheiten Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 12 ff. 479 Ebenso Biermann, Arzneimittelprüfung, S. 256 ff.; Grahlmann, Heilbehandlung, S. 41 ff.; v. Dewitz, A&R 2007, 65, 72; ders./Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 265 ff.; Bork, NJW 1985, 654, 655; Fischer, Medizinische Versuche, S. 14 ff.; nahestehend Wölk, Risikovorsorge, S. 233; s.a. Schreiber, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 303, 305 f. 480 Hierzu und zur Methodik planerischer Abwägung Wölk, Risikovorsorge, S. 266 ff., 302 ff. m.w. Nachw.; Hart, Bundesgesundheitsbl. 2005, 204.
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Zielsetzung und der Erkenntnisgewinnung der klinischen Prüfung zu beginnen.481 Dabei nimmt Art. 5 Abs. 3 GG eine zentrale Rolle bei der Vorrangbeziehung der widerstreitenden Rechtsgüter und Interessen ein. Ein Forschungsvorhaben, welches sich außerhalb des Schutzbereichs der Forschungsfreiheit bewegt, ist von vornherein ungeeignet, eine Risikoeingehung für den Versuchsteilnehmer zu rechtfertigen, denn notwendigerweise fehlt es bei außerhalb des Art. 5 Abs. 3 GG liegenden Forschungsvorhabens an der Bedeutung der klinischen Prüfung für die Heilkunde. Das Recht des Versuchsteilnehmers auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) hat in diesem Fall stets Vorrang. Gleiches ist anzunehmen bei wiederholenden Versuchen. Sie stellen aus Sicht der Wissenschaft eine unnötige Belastung des Versuchsteilnehmers dar und sind daher ebenfalls von vornherein unzulässig.482 Nicht generell unzulässig ist es dagegen, eine bereits durchgeführte klinische Prüfung in höherer Evidenzstufe durchzuführen, soweit eine Auseinandersetzung mit den bereits vorliegenden Ergebnissen erfolgt.483 Aber auch die generelle Geeignetheit der klinischen Prüfung zur Erreichung der wissenschaftlichen Zwecksetzung muss Berücksichtigung finden. Nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechende Prüfungen und Studienkonzeptionsmängel, die so schwerwiegend sind, dass sie zur Erreichung der wissenschaftlichen Zwecksetzung ungeeignet sind, sind ebenso wenig im Verhältnis zum Patienten- und Probandenschutz förderungswürdig wie unwissenschaftliche Zielsetzungen.484 Insoweit korreliert der Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG mit einer absoluten Abwägungssperre bei der Risiko-Nutzen-Abwägung485 , der systematisch zutreffend bereits vom AMG nach vorne verlagert worden ist. Kann die Ethik-Kommission eine klinische Prüfung bereits nach 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG ablehnen, so ist auch stets eine fehlende positiv ausfallende Risiko-Nutzen-Abwägung vorhanden, sodass zusätzlich eine Ablehnungsbefugnis aus § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG gegeben ist. Bewegt sich das Forschungsvorhaben im Bereich des Vertretbaren und ist es prinzipiell geeignetes Mittel zur Erreichung der wissenschaftlichen Zielsetzung, können 481
Allg. zum Erfordernis eines legitimen Zwecks im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Michael, JuS 2001, 654, 655. Wie hier auch Wölk, Risikovorsorge, S. 233, 304 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1297. 482 Wie hier Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1303; Deutsch, VersR 1999, 1, 4; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 267; Wölk, Risikovorsorge, S. 305 f.; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 67: „keine unnötigen Versuche“. S.a. Erwägungsgrund (6) der Richtlinie 2001/20/EG, wonach weder in der Gemeinschaft noch in Drittländern überholte und wiederholte Versuche durchgeführt werden dürfen. 483 So kann eine nicht-randomisierte Studie in einem randomisiert durchgeführten Studiendesign erfolgen. Die Zulässigkeit hängt freilich davon ab, ob sie Neuerungen gegenüber der bereits durchgeführten Studie hervorbringen kann, was eine Frage der konkreten Nutzen-Risiko-Relation ist. Zur Hierarchie der Evidenz Mad/Felder-Puig/Gartlehner, WMW 2008, 274, 276. Wie hier Wölk, Risikovorsorge, S. 306. 484 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 233 u. 281 f. 485 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 280: „Ist der für den konkreten Versuch ermittelte Standard des Erprobungshandeln nicht eingehalten, ist der Versuch unabhängig vom Ergebnis der NutzenRisiko-Abwägung unzulässig“.
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gleichwohl vorhandene Unzulänglichkeiten, etwa im Design, im Wege der konkreten Risiko-Nutzen-Abwägung verfeinert Berücksichtung finden. (3) Der „Nutzen für die betroffene Person“ und seine konzeptionellen Unschärfen (a) Unzulässigkeit von rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben? Verlangt die Grundnorm des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG das kumulative Vorliegen („und“) von „Nutzen für die Person“ und „die Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde“, so wären jegliche Studien an gesunden Probanden ohne Therapiebezug und mithin auch Studien der Phase I unzulässig.486 Die h. M. legt daher § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG berichtigend oder teleologisch reduzierend dahingehend aus, dass das Interesse gesunder Probanden am Gesundheitsschutz nur mit dem Fortschritt bzw. der Bedeutung der klinischen Prüfung für die Heilkunde in Beziehung zueinander gesetzt werden können.487 (b) Eigennutzen, §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 1–3 Nr. 1 AMG Die betroffene Person muss grundsätzlich einen unmittelbaren gesundheitsbezogenen Nutzen aus der klinischen Prüfung ziehen488 , was nur bei einer behandlungsbezogenen klinischen Prüfung möglich ist, in der Aussicht auf Heilung, Verhütung oder Linderung von Krankheiten besteht. Als Kernelement für die Bestimmung des Eigennutzens hat man die Indikation des zu testenden Arzneimittels bei der vorliegenden Erkrankung anzusehen.489 Das (behandlungsbezogene) Eigennutzenerfordernis des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG korreliert damit notwendigerweise mit den Voraussetzungen zur therapeutischen Forschung nach §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 1–3 Nr. 1 AMG, wonach jeweils das zu prüfende Arzneimittel nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft angezeigt sein muss, um das Leben der Person zu retten, ihre Gesundheit wiederherzustellen oder ihr Leiden zu erleichtern. Als Maßstab können die Standard- bzw. Alternativtherapien oder die Nichtbehandlung bei fehlender Standardtherapie hergezogen werden. Es ist zu fragen, ob der Studienteilnehmer mit der Studienteilnahme einen größeren therapeutischen Nutzen erhält als ohne die Teilnahme.490 Festgestellt werden kann notwendigerweise nur ein zu erwartender Nutzen, sodass Beurteilungsbasis nur eine Prognose sein kann, die 486 Eigennützige Studien sind auch bei erkrankten Personen grundsätzlich erst ab der Phase II denkbar; vgl. auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 271; v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 519. 487 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 8; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1317; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 18; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 204. 488 Vgl. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG: „. . . Nutzen für die Person, bei der sie durchgeführt werden soll. . . “. Zum „Gruppennutzen“ sogleich. 489 Vgl. zum Themenkreis v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 519; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 268 f.; Höfling/Dehmel, MedR 1999, 540, 541. 490 Ebenso Sander, Erl. § 41 Anm. 5; v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 519 f.; Helle/Frölich/Haindl, NJW 2002, 857, 861.
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Ausmaß, Art und den Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit erkennen lässt.491 Die verbesserte Grundversorgung und Verlaufskontrolle innerhalb klinischer Prüfungen sowie jeglicher wirtschaftlicher Nutzen sind trotz gegenteiliger Stimmen in der Literatur492 von der prognostischen Nutzenbewertung auszuschließen. Die verbesserte Versorgung des Versuchsteilnehmers ist lediglich ein Resultat gesteigerter Sorgfaltspflichten, die die Eingehung einer höheren Risikolage nicht rechtfertigen können. Die Gewährung einer Aufwandsentschädigung soll nicht die Teilnahme am Versuch honorieren, sondern ausschließlich die Mehraufwendungen und -belastungen entschädigen. Insoweit steht eine Geldleistung von vornherein in keiner Verbindung zum einzugehenden Risiko, welches im Übrigen einer Aufwiegung in Geld gar nicht zugänglich sein kann.493 (c) Gruppennutzen, §§ 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a)-2d) AMG Alternativ zum Eigennutzen ist die therapeutische Forschung bei einschlägig erkrankten einwilligungsfähigen Volljährigen und einschlägig erkrankten Minderjährigen unter den Voraussetzungen des Gruppennutzens möglich, §§ 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a AMG. Ausreichend ist demzufolge, dass die klinische Prüfung für die Gruppe der Patienten, die an der gleichen Krankheit leiden wie diese Person, mit einem direkten Nutzen verbunden ist. Dadurch wird zwar auf den individuellen Vorteil verzichtet, einschränkend jedoch wiederum verlangt, dass der Nutzen für die Patientengruppe, für die der Studienteilnehmer repräsentativ teilnimmt, spürbar und ohne wesentliche Zwischenschritte eintreten muss.494 Anders als bei § 41 Abs. 1 Nr. 2 AMG ist die gruppennützige Forschung an Minderjährigen nur unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 41 Abs. 2b)-d) AMG zulässig, die kumulativ vorliegen müssen.495 (d) Der Nutzen der Kontrollgruppe Betroffene Personen iSd § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG sind auch die Teilnehmer in der Kontrollgruppe, § 3 Abs. 2a GCP-V. Fraglich und umstritten ist der Eigennutzen der Teilnehmer in der Kontrollgruppe, die die Standardbehandlung erhalten oder nur ein Placebo. Einerseits wird bei randomisierter Studiendurchführung die reelle Chance, in die Verumgruppe eingeteilt zu werden, für ausreichend erachtet.496 Bekomme die Kontrollgruppe die Standardbehandlung, so sei dies für einen 491
Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 284; Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 7. Brückner et. al., MedR 2010, 69, 70 bewerten die engmaschige Kontrolle als Vorteil für den Probanden/Patienten. 493 Wie hier Wölk, Risikovorsorge, S. 285 f. m.w. Nachw.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 269. Zur Aufwandsentschädigung auch Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 280. 494 Ähnlich Krüger, KliFoRe 2006, 15, 19 f.; s.a. v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 518 u. 520 f. 495 § 41 Abs. 2 Nr. 2a-2d AMG bezieht sich ausschließlich auf den Gruppennutzen, vgl. Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 16; Sander, Erl. § 41 Anm. 10. 496 Vgl. Brückner et. al., MedR 2010, 69, 71. 492
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therapeutischen Eigennutzen ausreichend. Die Nichtzuteilung in die Verumgruppe bedeute nur eine Vorenthaltung einer „Zukunftschance“.497 Da § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG auf die gesamte klinische Prüfung abstellt, also auf jeden Behandlungsarm, und die ärztliche Vertretbarkeit – damit eingeschlossen der Eigennutzen – während der gesamten Dauer der klinischen Prüfung vorzuliegen muss, ist dieser Auffassung teilweise entgegengetreten worden. Mit Zuteilung in die Kontrollgruppe entfalle dann nämlich der Eigennutzen.498 Der im Ergebnis fehlende Eigennutzen in der Kontrollgruppe wird man jedenfalls durch den „Gruppennutzen“ überwinden können, der in den Hauptforschungsbereichen therapeutischer Studien an erkrankten einwilligungsfähigen volljährigen und minderjährigen Studienteilnehmern vorgesehen ist.499 (e) Nutzenerfordernis für Begleitmaßnahmen? Teilweise wird der Individualnutzen, der in den §§ 40 Abs. 4, 41 AMG niedergelegt ist, auch auf jede einzelne Begleitmaßnahme ausgedehnt.500 Dies würde konsequenterweise dazu führen, dass z. B. Blutabnahmen zur Pharmakokinetik unzulässig sein müssten.501 Dem ist jedoch zu widersprechen. Der Individualnutzen bezieht sich in den §§ 40 Abs. 4, 41 AMG zum einen ausdrücklich nur auf das zu prüfende Arzneimittel. Zum anderen liegt dieser Auffassung eine Fehlinterpretation der Risiko-Nutzen-Abwägung zugrunde. Die Begleituntersuchungen müssen nicht eigennützig sein, sondern ihre Risiken und Belastungen dürfen in ihrer Summe nicht den behandlungsbezogenen Eigennutzen als Ausdruck des Übermaßverbotes schmälern, was mit dem Begriff der „ärztlichen Vertretbarkeit“ der gesamten klinischen Prüfung in Bezug genommen wird. (4) Vorhersehbare Risiken und Nachteile (a) Reichweite Bei der Risikoermittlung und -bewertung sind nach dem eindeutigen Wortlaut nur vorhersehbare Risiken und Nachteile bedeutsam. Es bedarf einer prognostischen Einschätzung von Art, Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit der abzuschätzenden Risiken, jeweils konkretisiert durch Intensität, Schwere und Dauer sowie Vermeidbarkeit. Dabei unterschiedet die GCP-V anknüpfend an die Richtlinie 2001/20/EG 497
So u. a. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1332; Sander, Erl. § 41 Anm. 3c u. 5; Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 7, 16, 34; Habermann/Lasch/Gödicke, NJW 2000, 3389, 3392. 498 Vgl. v. Dewitz, A&R 2007, 65, 71; v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 522. 499 So im Ergebnis wohl auch v. Dewitz, A&R 2007, 65, 71. Weitergehend v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 522 f., der die Risiko-Nutzen-Klausel des § 41 Abs. 3 Nr. 1 AMG analog auf die §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 1 u. 2 AMG anwenden möchte und damit Eigennutzen mit Risikolosigkeit gleichsetzt. 500 So z.B. v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 521 u. 524 501 Nach v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 524 sollen Begleitmaßnahmen nur durch einen korrespondierenden Begleitnutzen gerechtfertigt werden können. Das sei der Fall, wenn „ihre Kenntnis für die weitere medizinische Behandlung des Betroffenen von praktischer Bedeutung ist“.
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zwischen „unerwünschten Ereignissen“ (§ 3 Abs. 6 GCP-V), Nebenwirkungen (§ 3 Abs. 7 GCP-V), „schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis“ (§ 3Abs. 8 GCP-V) und „unerwartete Nebenwirkungen“ (§ 3 Abs. 9 GCP-V).502 Einzubeziehen sind jegliche gesundheitsbezogene Risiken und Nachteile, die nicht unmittelbar mit der immanenten Risikolage der klinischen Prüfung zusammenfallen müssen. Erfasst sind folglich auch zu erwartende Risiken und Nachteile von (Begleit-)Untersuchungen nach medizinischem Standard503 und alle sonstigen Belastungen wie Schmerzen und Ängste.504 Zur Darlegung des Risikopotentials gehören auch die Vermeidbarkeitsstrategien der vorhersehbaren Risiken und Nachteile.505 Fehlende Begleituntersuchungen oder eine unzureichende Verlaufskontrolle zur Diagnostik und/oder Vorbeugung schwerwiegender Ereignisse können die Risikopotentialität erheblich steigern. Gleichwohl wird man zu differenzieren haben: Die Vorenthaltung einer standardgemäßen (indizierten) Begleituntersuchung und Verlaufskontrolle bei dem vorliegenden Krankheitsbild ist bereits als Nichteinhaltung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse iSd § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG zu werten und stellt bei § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG eine absolute Abwägungssperre dar. Aufgrund fehlerhafter Planung der klinischen Prüfung zu erwartende, gleichwohl aber nach medizinischem Standard vermeidbare Risiken, sind daher von vornherein als nicht mehr ärztlich vertretbar anzusehen.506 Das Fehlen, aber auch die Durchführung von Begleituntersuchungen, die nur aufgrund der bislang noch unsicheren forschungsimmanenten Gefahrenlage angezeigt sein können, aber im Übrigen bei der vorliegenden Erkrankung nicht zum Einsatz kommen, sind im Wege der konkreten Nutzen-Risiko-Abwägung zu berücksichtigen. Bei Arzneimitteln, die aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen bestehen, dürfen ferner unvertretbare schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit Dritter und die Umwelt nicht zu erwarten sein, § 40 Abs. 2 Nr. 2a) AMG. Hierdurch werden ausnahmsweise Belange der Allgemeinheit eingeführt. (b) Einschränkungen nach §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 3. HS AMG Die ärztlich vertretbare Risikoschwelle wird in den §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 3 Nr. 1 S. 1 3 HS AMG für Minderjährige und erwachsene Einwilligungsunfähige herabgesenkt auf „möglichst wenig Belastungen und anderen vorhersehbaren Risiken“. Aus einem Vergleich zu § 41 Abs. 2 Nr. 2d) AMG ergibt sich, dass diese Voraussetzung keine strikt einzuhaltende Risikoschwelle darstellt.507 502
Ausf. hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 542 ff. Wie hier Wölk, Risikovorsorge, S. 287 f. 504 So auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 280 f.; Freund, in: MüKo/StGB, §§ 40-42a AMG Rn. 15. 505 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 307. 506 Ebenso v. Dewitz, A&R 2007, 65, 68. 507 Die Beschränkung des § 41 Abs. 2 Nr. 2d) AMG auf das „minimale Risiko“ und die „minimale Belastung“ dient dagegen gerade dazu, eine absolute Risikogrenze zu ziehen, die auch nicht mit einem überwiegenden Nutzen gerechtfertigt werden kann; vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 31 f. 503
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(c) Abwägungssperren nach § 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG Für klinische Prüfungen an einschlägig erkrankten Minderjährigen, die gruppennützig an der klinischen Studie teilnehmen, darf die Prüfung nur mit einem minimalen Risiko und einer minimalen Belastung verbunden sein (§ 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG). Die Minimalität des Risikos und der Belastung wird vom Gesetz zwar näher bestimmt508 ; gleichwohl ist überaus unklar, wann im Einzelfall eine Erreichung der Belastungsgrenze anzunehmen ist.509 Ausweislich der Gesetzesbegründung soll es sich um eine individuelle Beurteilung handeln.510 Zu betonen ist, dass der Gesetzgeber das „minimale Risiko“ und die „minimale Belastung“ als absolute Abwägungssperren versteht, d. h. Erwägungen im Hinblick auf einen möglicherweise weiteren Nutzen der klinischen Prüfung sollen die jeweilige Minimalität nicht relativieren dürfen.511 (5) Voraussichtliche Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde Schließlich ist nach der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde zu fragen, womit das Kriterium der klinischen Relevanz angesprochen ist.512 Dies setzt notwendigerweise eine wissenschaftliche Zwecksetzung und die Geeignetheit der klinischen Prüfung voraus. Je nach Sachlage ist zu prognostizieren, welche Auswirkungen bzw. welchen Stellenwert das Arzneimittel auf die Routineversorgung haben wird. Entgegen dem Wortlaut wird man jedoch die Bedeutungsprognose nicht auf das Arzneimittel selbst, sondern generell auf die Ergebnisse der klinischen Prüfung zu beziehen haben, denn die §§ 40 ff. AMG beziehen sich nicht nur auf Zulassungs- bzw. Indikationserweiterungsstudien, sondern auch auf bereits zugelassene Arzneimittel mit dem Ziel der Therapieoptimierung. Fraglich ist, inwieweit der medizinische Standard als Vergleichsmaßstab herangezogen werden kann und wie groß die Bedeutung für die Heilkunde sein muss. Arzneimittel, die bessere Behandlungserfolge versprechen lassen als der derzeitige Standard, oder solche, denen kein Standard als Pendant gegenübersteht, haben jedenfalls große Bedeutung für die Heilkunde und können – freilich in Relation zum Nutzen für die betroffene Person – die Eingehung einer größeren Risikolage rechtfertigen. Anders stellt es sich dar bei Arzneimitteln, die eine verbesserte 508 „. . . die Forschung weist nur ein minimales Risiko auf, wenn nach Art und Umfang der Intervention zu erwarten ist, dass sie allenfalls zu einer sehr geringfügigen und vorübergehenden Beeinträchtigung der Gesundheit der betroffenen Person führen wird; sie weist eine minimale Belastung auf, wenn zu erwarten ist, dass die Unannehmlichkeiten für die betroffene Person allenfalls vorübergehend auftreten und sehr geringfügig sein werden“, § 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG. 509 Krit. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 3 a.E.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 213 f. 510 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 31; s.a. Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 22: „subjektiv definierte Toleranzgrenze“; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 289 f.; Rehmann, § 41 Rn. 3. 511 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 31 f.: „Die Begrenzung auf ein minimales Risiko und eine minimale Belastung bedeutet, dass Erwägungen im Hinblick auf einen möglichen weiteren Nutzen der klinischen Prüfung nicht herangezogen werden dürfen, um ein höheres Maß an Risiken oder Belastungen zu rechtfertigen“; treffend Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 213: „Stoppregelung“. 512 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 305 f.
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medikamentöse Behandlung im Vergleich zu den Standardarzneimitteln nicht erwarten lassen.513 Während teilweise versucht worden ist, derartige Konstellationen über das Arzneimittelzulassungsrecht zu lösen514 , wird man eine vergleichende Bedarfskontrolle nur in sehr eingeschränktem Maße für zulässig halten dürfen: Eine fehlende Verbesserungsprognose zieht nicht gleichzeitig die (voraussichtliche) Bedeutungslosigkeit für die Heilkunde nach sich. Vielmehr hat man sich in Anlehnung an das präventiv ausgestaltete Verbot die umgekehrte Frage zu stellen; nämlich welche Auswirkung die Nichtdurchführung der klinischen Prüfung auf die Heilkunde haben wird. Zu berücksichtigen ist dabei zum einen, dass die wissenschaftliche Bedeutungseinschätzung durch die scientific community erst nach Veröffentlichung der Studienergebnisse bzw. Zulassung des Arzneimittels möglich ist und ihr vorbehalten bleiben muss. Zum anderen bedarf es für eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung der Rücksichtnahme auf die körperliche und seelische Individualität des Menschen. Erst durch eine Arzneimittelvielfalt können individuelle Unverträglichkeiten und/oder Sensibilitäten berücksichtigt werden.515 Das prognostische Element („voraussichtliche Bedeutung“) muss im Abwägungsvorgang folglich einen hohen Stellenwert einnehmen. (6) Konkretes Nutzen-Risiko-Verhältnis und ärztliche Vertretbarkeit („Angemessenheit“) Sind keine absolutenAbwägungssperren vorhanden, liegt also eine wissenschaftliche Zielsetzung bei prinzipieller Geeignetheit der klinischen Prüfung und Einhaltung des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, so hat die bislang nur isoliert und rein informativ stattgefundene prognostische Einschätzung von Art, Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit der abzuschätzenden Risiken, Nachteile sowie Nutzen für die betroffene Person und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels in eine Bewertungsphase zu münden. Das Abwägungsmaterial muss in Beziehung zueinander gesetzt werden. Ziel dieser „relationierenden Gewichtung der betroffenen Belange“ ist die Feststellung der ärztlichen Vertretbarkeit oder Unvertretbarkeit der klinischen Prüfung.516 (a) Allgemeine Erforderlichkeit der klinischen Prüfung Zunächst ist entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vergleichend und bewertend zu prüfen, ob die klinische Prüfung zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich, also das mildeste Mittel unter gleichermaßen 513
Vgl. Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 204 f. Vgl. Scholz/Stoll, MedR 1990, 58, 60, wonach die klinische Prüfung dann zulässig sein soll, wenn die Zulassung des Arzneimittels nicht versagt werden darf. Ausführlich zur Diskussion Wölk, Risikovorsorge, S. 308 ff. 515 Hierzu auch Dettling, PharmR 2008, 418, 420 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1152 ff. 516 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 307; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 8; v. Dewitz, A&R 2007, 65, 66; ähnlich Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 201, 204 f. 514
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geeigneten, darstellt (Prinzip des geringst möglichen Eingriffs). Ist das Versuchsziel mit weniger risiko- und belastungsreichen Methoden erreichbar, so kann dies zur einer negativ ausfallenden Nutzen-Risiko-Bewertung führen.517 Allein aus dem Vorhandensein eines den Versuchteilnehmer weniger belastenden Studiendesigns oder risikoärmerer Methoden, kann die Ethik-Kommission jedoch keine Ablehnungsbefugnis per se herleiten. Maßgeblich ist eine einzelfallbezogene Vertretbarkeitsschwelle, die überschritten sein muss. Erkennbare und bereits mit medizinischen Standardmethoden vermeidbare Risiken sind dagegen stets zu minimieren518 , da ihre Eingehung grundsätzlich nicht erforderlich, zumindest mit Blick auf den Probanden-/Patientenschutz nicht vertretbar sein wird. (b) Unbedingte Erforderlichkeit zur Bestätigung von Daten, § 41 Abs. 2 Nr. 2b), Abs. 3 Nr. 3 AMG Der Erforderlichkeitsgrundsatz ist für erkrankte Minderjährige und erkrankte einwilligungsunfähige Volljährige eigens aufgenommen worden, indem Zulässigkeitsvoraussetzung die unbedingte Erforderlichkeit der Bestätigung von Daten ist, die bei klinischen Prüfungen an anderen Personen oder mittels anderer Forschungsmethoden gewonnen wurden, § 41 Abs. 2 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 3 AMG. Hiermit wird jedoch auch zugleich ein Schutz für die betroffenen Personen statuiert, da es sich folglich nicht um den ersten Versuch handeln darf, sondern es muss ein vorheriger Erkenntnisgewinn vorausgegangen sein.519 (c) Subsidiarität klinischer Prüfungen nach §§ 40 Abs. 4 Nr. 2, 41 Abs. 2 u. Abs. 3 AMG Ebenfalls zur Erforderlichkeit der klinischen Prüfung zu zählen ist die Subsidiarität klinischer Prüfungen an Minderjährigen, §§ 40 Abs. 4 Nr. 2, 41 Abs. 2 AMG. Danach dürfen klinische Prüfungen an Erwachsenen oder andere Forschungsmethoden nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft keine ausreichenden Prüfergebnisse erwarten lassen. Kann die klinische Prüfung mit Erfolg bei Erwachsenen durchgeführt werden, so stellt sie nicht das mildeste Mittel unter gleichermaßen geeigneten zur Erreichung der wissenschaftlichen Zwecksetzung dar und ist folglich nicht erforderlich.520 Diese „Subsidiaritätsklausel“ beschränkt klinische Prüfungen zur Wirksamkeit an Minderjährigen im Wesentlichen auf die Prävention, Prophylaxe und – im Falle kranker Minderjähriger – auf Therapie überwiegend oder gehäuft bei Kindern anzutreffenden Erkrankungen.521 Im Übrigen hat man bei der Anwendung des § 40 Abs. 4 Nr. 2 AMG zu berücksichtigen, dass die Übertragbarkeit von Ergebnissen klinischer Studien an Erwachsenen grundsätzlich nur erschwert möglich ist, 517
Ähnlich v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 272. Zur Erforderlichkeit auch Wölk, Risikovorsorge, S. 233. 518 Vgl. v. Dewitz, A&R 2007, 65, 67. 519 Vgl. Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 20; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 21. 520 Ähnlich Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 106. 521 Hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 295 f.
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da es bisher keine allgemeingültigen und für einzelne Wirkstoffgruppen entwickelte Regeln für eine Extrapolation gibt.522 Hat die klinische Studie eine Kindererkrankung zum Gegenstand, oder eine Erkrankung, die gleichermaßen Erwachsene und Kinder betrifft und ist aufgrund biologischer Unterschiede die klinische Prüfung erforderlich, ist schließlich bei der Frage nach der Angemessenheit zu prüfen, ob alle Risikominimierungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden; insbesondere kann es sein, dass statt einer Wirksamkeitsstudie eine Prüfung zur Verträglichkeit und Pharmakokinetik „angemessener“ ist. Über § 41 Abs. 3 Nr. 3 S. 2 AMG findet § 40 Abs. 4 Nr. 2 AMG entsprechende Anwendung für einwilligungsunfähige volljährige Personen.
(d) Ärztliche Vertretbarkeit (Angemessenheit) Auf der letzten Ebene des Abwägungsvorgangs ist schließlich nach der Angemessenheit der klinischen Prüfung zu fragen. Das Risiko und das mit der klinischen Prüfung verfolgte Ziel dürfen nicht außer Verhältnis zur Intensität des Eingriffs und des Nutzens für die betroffene Person stehen. Nach hier vertretener Auffassung entspricht die Angemessenheit der klinischen Prüfung dem (unbestimmten Rechts-)Begriff der „ärztlichen Vertretbarkeit“ nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a. E. AMG. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in der ärztlichen Vertretbarkeit auch medizinethische Aspekte zu erblicken sind523 , die sich mit dem Gebot der Nutzenmaximierung unter gleichzeitiger Risikominimierung in Bezug nehmen lassen.524 Beide Teilprinzipien stehen unter dem Gebot der gegenseitigen Optimierung525 , wobei eine eindeutige Vorrangbeziehung gegenüber dem Wohl desVersuchsteilnehmers und dessen Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit besteht; präziser: Interessen des Versuchsteilnehmers haben stets Vorrang vor denjenigen der (medizinischen) Wissenschaft und der Allgemeinheit.526 Die Bejahung der ärztlichen Vertretbarkeit setzt damit voraus, dass die zu erwartenden behandlungsbezogenen Nutzen für die betroffene Person gegenüber sämtlich zu erwartenden Risiken der klinischen Prüfung überwiegen. Es ist das Grundleiden des Patienten, Schwere, hypothetischer Verlauf sowie die Heilungsaussichten der Erkrankung mit der Vorteilsgewährung und Risikoeingehung durch die klinische Prüfung und – soweit vorhanden – mit dem medizinischen Standard zu
522
Ausführlich hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 289 ff.; s.a. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 106. Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 49 a.E.: „Ärztlich vertretbar ist eine klinische Prüfung, die den ethischen Grundsätzen ärztlichen Handelns entspricht“. 524 Ausf. hierzu Wölk, Risikovorsorge, S. 258 ff., 295 f. 525 Vgl. Hart, Bundesgesundheitsbl. 2005, 204, 209; Wölk, Risikovorsorge, S. 295 ff. 526 Unstreitig, vgl. nur v. Dewitz, A&R 2007, 65, 67 mit Berufung auf Art. 3 Abs. 2c) der Richtlinie 2001/20/EG; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 268; Wölk, Risikovorsorge, S. 227, 295 f.; Schreiber, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 303, 305; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 66; Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 7; v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 520. 523
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vergleichen.527 Abwägungsleitend sind die bereits erörterten einschränkenden Voraussetzungen für klinische Studien an Minderjährigen und einwilligungsunfähigen erwachsenen Personen zu berücksichtigen. Das Kriterium der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde hat janusköpfigen Charakter: Für die Fälle „eigennütziger“ Studienteilnahme kann sie im Rahmen der Angemessenheitsprüfung lediglich noch der „Feinjustierung“ hinzunehmender Risiken dienen, denn bei fehlender Nutzenüberwiegung kann die klinische Prüfung unter Hinweis auf die Bedeutung für die Heilkunde gleichwohl nicht durchgeführt werden, weil es an der ärztlichen Vertretbarkeit der klinischen Prüfung für den Versuchsteilnehmer fehlt. Anders liegt es bei der gruppennützigen Studienteilnahme. Sie stellt im Ergebnis eine besondere Form des durch Erkenntnisgewinn vermittelten Fremdnutzens dar528 und muss folglich in Beziehung zum Bedeutungszuwachs für die Heilkunde gesehen werden. (e) Berücksichtigung von Begleituntersuchungen Ein bislang wenig beachtetes Problem stellt die Einbeziehung der Risiken von Begleituntersuchungen dar, etwa von Leber-, Nieren- oder Knochenmarksbiopsien sowie Röntgenaufnahmen. Gerade solche (Begleit-)Risiken können jedoch eine negative Risiko-Nutzen-Abwägung nach sich ziehen, wenn sie mit rein wissenschaftlichen Zwecken ohne behandlungsbezogenen Nutzen für die betroffene Person verbunden sind und kumulierend mit den ohnehin schon bestehenden forschungsimmanenten Risiken ein ärztlich unangemessenes, d. h. unvertretbares Risikopotential darstellen. Eine andere Dimension erfährt diese Problematik, wenn Begleituntersuchungen nur unzureichend vorhanden sind. Die Nichtvornahme indizierter Begleituntersuchungen nach medizinischem Standard begründet stets die ärztliche Unvertretbarkeit nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG und eine Nichteinhaltung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG. Lassen sich bereits aus Vorprüfungen unerwünschte Nebenwirkungen des Testpräparates erkennen, müssen nach der neueren Rspr. des BGH zum individuellen Erprobungshandeln auch ohne Auftreten von Komplikationen ständig Kontrolluntersuchungen vorgenommen werden.529 Verdichtet sich die Sachlage, so kann dies bereits 527 Wie hier im Ergebnis auch Deutsch, VersR 1999, 1, 7; ders., in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 8; Sander, Erl. § 41 Anm. 5. Teilweise ist vorgetragen worden, dass das Risiko bleibender Schäden oder des Todes eine nicht überschreitbare Risikoschwelle darstellt. In diese Richtung wohl v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 282 f. Dem ist in dieser pauschalen Formulierung zu widersprechen, denn wohnt dem Grundleiden des Patienten nach medizinischem Standard bereits ein irreversibler oder irreversibler tödlicher Verlauf inne, sind klinische Studien mit dem Ziel, die Irreversibilität des Grundleidens zu lindern oder zu verhindern, ohne weiteres zulässig, wenn sich der Eintritt (grundleidenbedingter) irreversibler Schäden nach derzeitigem Standard nicht verhindern lassen. Erst dann, wenn die klinische Prüfung selbst möglicherweise ursächlich für irreversible Schäden werden kann, kann die ärztlich vertretbare Risikoschwelle überschritten sein. 528 Treffend v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 518. 529 Vgl. BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2768 ff.; BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775; hierzu Vogeler, MedR 2008, 697, 702 f.; Katzenmeier, JZ 2007, 1108, 1109.
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ebenfalls eine Nichteinhaltung des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse iSv § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG im Hinblick auf das Testpräparat begründen. Die konsequente Anwendung der strengen Rspr. des BGH führt jedoch zu einer erheblichen Mehrbelastung der Kontrollgruppe: Sie hat sich bei jeglicher Art von (Doppel-)Blindversuchen zum alleinigen Zweck der Aufrechterhaltung der Verblindung der für die Verumgruppe bestimmten Verlaufskontrolle ohne therapeutischen oder diagnostischen Nutzen zu unterziehen. Dies verlangt auch seitens der EthikKommission eine genauste Bestimmung der noch ärztlich vertretbaren Risiko- und Belastungsgrenze im Verhältnis zum Zweck der Aufrechterhaltung der Verblindung.
dd. Placebogruppen (1) Zulässigkeit im Rahmen des „Gruppennutzen“ Seit der Einführung des Gruppennutzens in § 41 Abs. 1 Nr. 2 AMG werden überwiegend Placebogruppen unter diesen Voraussetzungen bei einschlägig erkrankten Volljährigen für zulässig angesehen.530 Für gesunde Minderjährige nach § 40 Abs. 4 AMG ist dies weitestgehend ungeklärt. In Anbetracht der strengen Voraussetzungen wird man sie wohl zu verneinen haben: Einerseits fehlt es, anders als bei § 41 Abs. 2 AMG, für gesunde Minderjährige an einer „gruppennützigen“ Teilnahmemöglichkeit. Zum anderen ist ein Placebopräparat weder zum Erkennen noch zum Verhüten von Krankheiten bestimmt und daher auch erst recht nicht angezeigt. Damit bleibt hier nur die Möglichkeit einer Aktivkontrolle.531 Placebokontrollierte Studien an erkrankten Minderjährigen sind nach überwiegender Auffassung unter den Voraussetzungen des Gruppennutzens nach § 41 Abs. 2 Nr. 2a AMG zulässig. Insoweit soll sich zum erforderlichen Gruppennutzen kein Unterschied zu erkrankten (einwilligungsfähigen) Volljährigen ergeben.532 Dabei ist die Placebogruppe einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen, in der die einschränkenden Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 Nr. 2a-d AMG die Erforderlichkeit und die Angemessenheit konkretisieren.533 Bei einwilligungsunfähigen volljährigen Personen ist
530 Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3378: „Der Einsatz von placebos wird nach wie vor nicht ausdrücklich geregelt. Soweit (und nur soweit) die Gruppennützigkeit hinreichende Voraussetzung der Einbeziehung in die klinische Prüfung ist, dürfte er nunmehr gestattet sein“; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1332; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 2; v. Dewitz, A&R 2007, 65, 70 ff.; Krüger, KliFoRe 2006, 15, 19 f.; a. A. wohl Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 7 („Individualnutzen“); zur Diskussion auch Krüger, MedR 2009, 33 ff. 531 Vgl. Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3378; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 291; im Ergebnis ähnlich Mehrlitz, Zulässigkeit placebokontrollierter Studien, S. 107; wohl auch Krüger, MedR 2008, 33, 34. 532 Vgl. Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 16; v. Dewitz, A&R 2007, 65, 72; ders./Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 288 ff.; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3378; Sander, Erl. § 41 Anm. 10 a.E.; differenzierend Krüger, KliFoRe 2006, 15, 21; a.A. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 292. 533 Ähnlich v. Dewitz, A&R 2007, 65, 72 f.
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anders als bei § 41 Abs. 1 u. 2 AMG der gruppenspezifische Nutzen nicht aufgenommen worden. Die überwiegende Auffassung verneint damit auch richtigerweise die Zulässigkeit echter Placebogruppen.534 (2) Ärztliche Vertretbarkeit Nach (wohl) bislang h. M. sind echte Placebogruppen bei vorhandener und indizierter Standardbehandlung auch in soeben aufgeführten Fällen unzulässig, wenn durch ihre Vorenthaltung ein Gesundheitsschaden eintreten kann oder aufrechterhalten wird; anders gewendet: Zulässig ist ein placebokontrolliertes Design, wenn der Prüfteilnehmer (noch) keine Standardbehandlung für seine Erkrankung bedarf, um ihn vor Gesundheitsschäden zu bewahren. Anderenfalls ist die Durchführung wegen überwiegender Risiken und Nachteile nicht mehr „ärztlich vertretbar“.535 Im Prüfplan ist diesbezüglich sicherzustellen, dass die Ein- und Ausschlusskriterien nur solche Studienteilnehmer erfassen, bei denen Gesundheitsschäden durch die Vorenthaltung der Standardtherapie nicht zu erwarten sind. Die Abbruchkriterien müssen so gefasst sein, dass die Studienteilnehmer bei auftretender Behandlungsbedürftigkeit aus der Studie herausgenommen werden.536 Da (echte) Placebogruppen stets durch ihre schematische Vorenthaltung von Therapien eine risikoreiche Forschungsvariante darstellen, bedarf es einer genauen Prüfung der Verhältnismäßigkeit: Die Placebogruppe muss sowohl für die Feststellung der Unbedenklichkeit und/oder Wirksamkeit des Arzneimittels geeignet als auch erforderlich sein, d. h. das mildeste Mittel unter gleichermaßen geeigneten zur Erreichung des erwünschten Forschungsergebnisses.537 Dabei hat man nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse zu berücksichtigen, dass Placebostudien trotz ihrer ethischen Bedenklichkeit die einzige Möglichkeit darstellen, die Effektstärke, d. h. die Differenz zwischen Response auf Verum und Response auf Placebo, direkt zu beurteilen. Sie erlauben ferner eine gute Einschätzung der klinischen Relevanz der Ergebnisse, kommen mit kleinen Fallzahlen aus und können unerwünschte Arzneimittelwirkungen besser erfassen. Ein ungleiches, gleichwohl aber in dieAbwägung mit einzubeziehendes Nichtunterlegenheitsdesign, welches die neue Prüfsubstanz auf die Nichtunterlegenheit gegenüber der derzeitigen Standardtherapie hin überprüft, ist zum Wirksamkeitsnachweis grundsätzlich ungeeigneter und bedarf eines größeren Stichprobenumfangs.538 Wegen fehlender Äquivalenz 534
Vgl. Deutsch, in. Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 4; v. Dewitz, A&R 2007, 65, 73; Krüger, MedR 2008, 33, 34; a.A. Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 34; v. Kielmansegg, PharmR 2008, 517, 522 f.; Brückner et. al., MedR 2010, 69, 71; ausführliche Diskussion auch bei v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 273 ff; zum fehlenden Gruppennutzen auch Spickhoff, MedR 2006, 707, 710. 535 Vgl. v. Dewitz, A&R 2007, 65, 70 ff.; Sander, Erl. § 41 Anm. 3a; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 952; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 2; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 306 f. 536 Ebenso v. Dewitz, A&R 2007, 65, 73 f. 537 Deutlich in dieser Hinsicht v. Dewitz, A&R 2007, 65, 71 f; Krüger, MedR 2008, 33, 36. 538 Ausf. zum Verhältnis von Placebokontrollen zu Nichtunterlegenheitsstudien Broich, Bundesgesundheitsbl. 2005, 541, 542 ff.
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anderer Studiendesigns im Verhältnis zur Placebokontrolle verlagert sich die Verhältnismäßigkeitsprüfung damit idR auf die Angemessenheitsebene, die sich an den bereits beschriebenen Kategorien der Nutzenmaximierung und Risikominimierung zu orientieren hat. ee. Amtspflichtverletzung und Beurteilungsspielraum Die bewertende Überprüfung der Risiko-Nutzen-Abwägung ist die zentrale Aufgabe der Ethik-Kommission.539 Sie hat nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG die klinische Prüfung ablehnend zu bewerten, wenn sie nicht ärztlich vertretbar ist. Eingeschlossen ist hierin die Prüfung, ob der Prüfplan für die konkreten Studienteilnehmer sicherstellt, dass ein Überwiegen des Nutzens durch entsprechende Vorkehrungen für den gesamten Verlauf der klinischen Prüfung sichergestellt ist, was sich nur über eindeutige Ein- und Ausschlusskriterien sowie Kontroll- und Verlaufsbeobachtungen erreichen lässt. Dies gilt vor allem für Placebostudien und ist gesetzlich auch teilweise angeordnet worden, § 40 Abs. 4 Nr. 4.540 Hieraus ergibt sich auch eine Rückwirkung auf die Ablehnungsbefugnis aus § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG. Die Mehrheit der gleichwohl für die Studie votierenden Mitglieder verletzen ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten. Die Risiko-Nutzen-Abwägung und die ärztliche Vertretbarkeit verlangt von der Ethik-Kommission eine Risiko- und Prognoseeinschätzung. Es handelt sich um die Kernaufgabe des interdisziplinären, professionellen, kollegialen und ethischen Diskurses innerhalb der Kommission. Diese bewertende und für das Recht der Risikoverwaltung typische Abwägungsentscheidung ist, wie bereits an anderer Stelle ausführlich erörtert541 , auf die Verwaltungsebene delegiert worden. Der EthikKommission kommt eine administrative Letztentscheidungsbefugnis in Form eines Beurteilungsspielraums zu, sodass die zustimmende Bewertung in diesem Punkt nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfbarkeit unterliegt.542 Verlangt ein Beurteilungsspielraum als Grundvoraussetzung einen unbestimmten Rechtsbegriff, so lässt sich eine administrative Letztentscheidungsbefugnis im Rahmen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG ausschließlich auf die ärztliche Vertretbarkeit beziehen, denn weder den Begriffen „Risiken und Nachteile“ noch derjenige des „Heilkundenutzens“ weisen das erforderliche Maß an „Vagheit“ auf. Diese Begrenzung entspricht den Einschränkungen der Rspr., die dort, wo es um die Herstellung praktischer Konkordanz grundrechtlicher Positionen geht, keinen Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Frage, ob der Schutzbereich eines Grundrechts betroffen ist und hinsichtlich der 539
Vgl. nur Deutsch, VersR 1999, 1, 6; Gramm, WissR 32 (1999), 209, 211; Wölk, Risikovorsorge, S. 234, 311; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 214 ff.: Ethik-Kommissionen als „Steuerungszentrum“ zwischen Nutzen/Risiko-Bilanzierung und Aufklärung. 540 Hierzu auch Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 208 f. 215. 541 Oben, § 4 D.VII.3. 542 Ausdrücklich für einen Beurteilungsspielraum bei der Risiko-Nutzen-Abwägung v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 230 f. 267; Wölk, Risikovorsorge, S. 225, 308; van der Sanden, Haftung, S. 193; Seckelmann, WissR 41 (2008), S. 188, 201 f.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Gewichtung der einzelnen betroffenen Belange (Abwägungsmaterial) zuerkennt.543 Nur der Abwägungsvorgang unterliegt eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle und folgt aus der Prämisse, dass die Abwägungsentscheidung vom Gesetzgeber der Verwaltung und nicht den Gerichten zugewiesen ist.544 Dieses Bild korreliert mit der hier vorgenommenen Zuordnung der ärztlichen Vertretbarkeit auf die Ebene der Angemessenheit, sodass nur die relationierende Gewichtung der Belange eingeschränkter gerichtlicher Überprüfbarkeit unterliegt. Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob der Ethik-Kommission auch ein Beurteilungsspielraum im Rahmen der „möglichst wenig“ und „minimalen Risiken und Belastungen“ (§§ 40 Abs. 4 Nr. 4, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG) zuzuerkennen ist545 , wobei die Minimalität iSd § 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG als absolute Abwägungssperre zu verstehen ist.546 Dass die Begrifflichkeiten trotz gegebener Legaldefinition (§ 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG) in erhöhtem Maße unbestimmt und einzelfallkonkretisierungsbedürftig sind, ist unstreitig.547 Entscheidungserheblich ist jedoch die Frage, ob der Ethik-Kommission die Letztentscheidungsbefugnis hierüber einzuräumen ist, was dann der Fall wäre, wenn Auslegung und Inhalt der Norm ein Handlungsspielraum für Ethik-Kommissionen begründen.548 Nicht nur die Gesetzesbegründung und die Richtlinie 2001/20/EG scheinen hierfür zu sprechen549 , sondern auch der bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf (§ 42 Abs. 1 S. 6 AMG) resultierende Kompetenzvorsprung gegenüber den Gerichten. Befürwortet man einen Beurteilungsspielraum, so kann dieser jedoch nur in Randbereichen angenommen werden, da zum einen die zurückhaltende Anwendung administrativer Letztentscheidungsbefugnisse bei grundrechtsrelevanten Entscheidungen zu berücksichtigen ist, zum anderen steht bei beiden Vorschriften (§§ 40 Abs. 4 Nr. 4 AMG, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG) die Gesetzesbindung zum Schutze Minderjähriger im Vordergrund.
543
Vgl. BVerfGE 83, 130, 147 f.; BVerwGE 91, 211, 215 f.: „Was zur Herstellung praktischer Konkordanz in die jeweilige Waagschale zu werfen ist, unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle“. 544 Vgl. BVerwGE 91, 211, 215 f. 545 Dafür: v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 231, 290; wohl auch Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 22 a.E. 546 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 31 f.; treffend Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 213 „Stoppregel“. 547 Vgl. nur Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 41 Rn. 3 a.E.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 231, 290; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 212 f.; Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 22. 548 Zur herrschenden normativen Ermächtigungslehre oben, § 4 D.VII.3.b. 549 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 31 f.: „Die Begrenzung auf eine minimales Risiko und eine minimale Belastung bedeutet, dass Erwägungen im Hinblick auf einen möglichen weiteren Nutzen der klinischen Prüfung nicht herangezogen werden dürfen, um ein höheres Maß an Risiken oder Belastungen zu rechtfertigen. Zur Sicherung dieser Grenze des Risikos und der Belastung haben die zuständige Behörde und die Ethik-Kommission die Aufgabe, die für eine klinische Prüfung eingereichten Unterlagen auf das erwartete Nutzen-/Risikoprofil hin sorgfältig zu prüfen und zu bewerten“; Art. 4 g) u. h) der Richtlinie 2001/20/EG; hierzu auch Kloesel/Cyran, § 41 Anm. 22 a.E.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Die Verlagerung der Amtspflicht auf die ordnungsgemäße Ausfüllung des Beurteilungsspielraums verlangt indes eine genauere Präzisierung, denn Beurteilungsspielräume führen nicht zu Haftungsausschlüssen. Vielmehr steigen die behördlichen Sorgfaltspflichten antiproportional mit der Größe und Bedeutung des unbestimmten Rechtsbegriffs. So rücken zunächst die Einhaltung der gültigen Verfahrensbestimmungen und die vollständige und zutreffende Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in den Vordergrund. Dies betrifft in erster Linie die Sachverhaltsermittlungspflichten (§§ 24, 26 VwVfG). Zwar kann sich aus den seitens des Sponsors vorzulegenden Unterlagen bereits eine positiv ausfallende Risiko-Nutzen-Abwägung und die ärztliche Vertretbarkeit der klinischen Prüfung ergeben550 ; hierauf ist die Ethik-Kommission aber nicht festgelegt. Bei fehlenden Eigenkenntnissen zur Beurteilung des Nutzen-Risiko-Profils oder im Falle des § 42 Abs. 1 S. 6 AMG verdichtet sich die Inanspruchnahme externen Sachverstands zur Pflicht (Verfahrensermessensreduzierung auf Null). Dabei wird man jedoch nicht die Intensität der Ermittlungstätigkeit anhand des bereits grundleidenabhängigen Bedrohungszustandes für die wichtigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit pauschal abhängig machen können551 , sondern vom Risikopotential und Gruppenzugehörigkeit des Probanden/Patienten im Vergleich zum medizinischen Standard und/oder voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde. Außer Acht zu lassen ist folglich der bereits krankheitsbedingte lebensbedrohliche Zustand und in erster Linie zu berücksichtigen ist das in der klinischen Prüfung selbst angelegte Risikopotential. Gesteigerte Sachverhaltsermittlungspflichten sind jedoch generell bei jeglicher Art von (echten) Placebostudien anzunehmen. Bei fehlenden Eigenkenntnissen ist es von vornherein ausgeschlossen, die ärztliche Vertretbarkeit respektive die Risiken für die Placeboteilnehmer sowie die Erforderlichkeit der klinischen Prüfung zutreffend zu bewerten. Für klinische Prüfungen mit Minderjährigen folgt dies bereits aus § 42 Abs. 1 S. 6 AMG. Zusätzlich hat die Ethik-Kommission pflichtgemäß von ihren Unterlagen- und Informationsnachforderungsbefugnissen Gebrauch zu machen (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG, § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V). Sind die tatsächlichen Grundlagen für die Handhabung des unbestimmten Rechtsbegriffs nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ermittelt worden, so liegt hierin eine (schuldhafte) Amtspflichtverletzung.552 Die Ethik-Kommission muss auch von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen sein. Vorgeschaltet ist dem notwendigerweise, dass die Ethik-Kommission auf die für die klinische Prüfung richtigerweise anzuwenden Vorschriften abgestellt hat. Hieran kann es fehlen, wenn sie die Abgrenzung zwischen §§ 40, 41 AMG fehlerhaft vorgenommen hat, also etwa auf die „möglichst wenig Belastungen“ (§ 40Abs. 4 Nr. 4AMG) abstellte anstatt richtigerweise auf die „minimalen Belastungen“ (§ 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG) oder sie Placebostudien außerhalb des „Gruppennutzens“ zustimmend bewertet, sie also z. B. anstatt richtigerweise auf
550
Vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 3, 7-11, Abs. 3 Nr. 2, 3, 10 GCP-V. So aber Wölk, Risikovorsorge, S. 303. 552 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 147 a.E. 551
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
§ 41 Abs. 3 AMG auf § 41 Abs. 1 Nr. 2 AMG abstellte.553 Bei Studie mit Minderjährigen, Beurteilungsspielraum nach den §§ 40 Abs. 4 Nr. 4 AMG, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG vorausgesetzt, muss erkennbar sein, dass die Kommission § 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG als absolute Abwägungssperre aufgefasst und dies bei ihrer (positiven) Entscheidung berücksichtigt hat. Ist weiterhin gerichtlich zu prüfen, ob die Ethik-Kommission sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten und das Willkürverbot nicht verletzt hat, so lassen sich hiermit die für die Risiko-Nutzen-Bewertung aus dem AMG und die allgemein herausgearbeiteten Vorrangrelationen und Abwägungssperren in Bezug nehmen, die die Ethik-Kommission mit Hinweis auf ihren Beurteilungsspielraum nicht unterlaufen kann. ff. Drittgerichtetheit Die vorliegende Verletzung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten bzw. zur ordnungsgemäßen Ausfüllung des Beurteilungsspielraums ist dann iSd Amtshaftungstatbestands drittgerichtet, wenn der verletzten Norm des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG iVm den entsprechenden Modifizierungen nach § 40 Abs. 4, 41 AMG Schutznormqualität zuzuschreiben ist und der geschädigte Versuchsteilnehmer in den personellen und sachlichen Schutzbereich fällt. Für § 823 Abs. 2 BGB ist die Auffassung vertreten worden, dass die jeweiligen Vorschriften über die Risiko-Nutzen-Abwägung keine Schutzgesetzqualität haben, da sie lediglich konkrete Gefährdungsverbote enthalten, nicht jedoch als bestimmte Verhaltensnormen zu qualifizieren seien.554 Für das Vorliegen eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die Norm den Schutz des Verletzten bezweckt (Individualschutz).555 Die Auffassung, die den Vorschriften über die Risiko-Nutzen-Abwägung keine Schutzgesetzqualität zuspricht, stützt sich auf die von Deutsch postulierte Subsidiarität der Haftung für die Überschreitung konkreter Gefährdungsnormen gegenüber der Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB, um § 823 Abs. 2 BGB die Funktion der Haftungserweiterung zuzuschreiben.556 Diese differenzierte
553 Sieht man mit der hL Placebostudien an Einwilligungsunfähigen wegen fehlender Normierung eines Gruppennutzens für unzulässig an, kommt der Abgrenzung in der Praxis zu § 41 Abs. 1 S. 2 AMG erhebliche Bedeutung zu, denn nicht selten werden sowohl Einwilligungsfähige als auch Einwilligungsunfähige in eine klinische Prüfung eingeschlossen. Sieht die Studie eine (echte) Placebokontrolle vor, so ist diese jedenfalls für die Einwilligungsunfähigen rechtswidrig. Die klinische Prüfung ist demzufolge entweder ablehnend zu bewerten oder mit einer Bedingung zu versehen, dass im Prüfplan die Einwilligungsunfähigkeit als Ausschlusskriterium aufgenommen wird, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG iVm §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3, 41 Abs. 3 AMG. 554 So insb. Fischer, Medizinische Versuche, S. 81 f.; dem folgend Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 24; wohl auch Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 87. 555 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 276; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 147; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 155 ff. 556 Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 63; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 283; Fischer, Medizinische Versuche, S. 81; hierzu auch Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 76 f.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Sichtweise hat für die Annahme drittgerichteter Amtspflichten keine Auswirkungen.557 Die überwiegende Auffassung schreibt den allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die klinische Prüfung nach § 40 f. AMG generell Schutzgesetzqualität nach § 823 Abs. 2 BGB zu.558 Folgt man letzterer Auffassung, so lässt sich auch auf die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht schließen.559 Auch losgelöst von dieser Betrachtungsweise lässt sich die Drittrichtung der verletztenAmtspflicht begründen. Für die Bestimmung der Drittrichtung derAmtspflicht ist deren Zweck maßgeblich, dem die Amtspflicht dient. Dieser ergibt sich aus den Bestimmungen, die die Amtspflicht begründen und inhaltlich gestalten, sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts. Es genügt, dass die Amtspflicht neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und der Verfolgung öffentlicher Belange auch den Zweck hat, die Interessen des Einzelnen wahrzunehmen.560 § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG iVm mit den entsprechenden Modifizierungen dient dem Schutze des Menschen bei der klinischen Prüfung vor ärztlich unvertretbarer Forschung. Es ist das Ziel jener Schutzvorschriften, die Probanden/Patienten vor unverhältnismäßig großen Risiken zu bewahren. Als „Indikator“ für die Drittrichtung kann schließlich auch darauf abgestellt werden, dass (nur) der Ethik-Kommission als „Patientenschutzinstitution“ die Überprüfung jener Voraussetzungen zugewiesen ist.561 Versuchsteilnehmer sind zum geschützten Personenkreis zu zählen, da bei der Beurteilung, ob die klinische Prüfung ärztlich vertretbar ist, in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen der nach dem Prüfplan einzuschließenden Probanden/Patienten Rücksicht zu nehmen ist. In den sachlichen Schutzbereich fallen allgemein Gesundheitsschäden, die Folgen des ärztlich unvertretbaren Versuchshandelns sind. Der Schutzbereich ist demzufolge weit zu ziehen, kann aber je nach Sachlage variieren. Da die ärztliche Vertretbarkeit sich nicht nur auf die forschungsimmenenten Risiken und Nachteile bezieht, sondern auch das Grundleiden einzubeziehen ist, fallen bei einer therapiebezogenen klinischen Prüfung auch grundleidenbedingte Schädigungen in den sachlichen Schutzbereich, die bei standardgemäßer Behandlung ausgeblieben wären. Sind Risiken und Nachteile im Verhältnis zum Nutzen ärztlich vertretbar, ermangelt es aber an einer wissenschaftlichen Zielsetzung, an der Geeignetheit der klinischen Prüfung oder an der voraussichtlichen Bedeutung der klinischen Prüfung für die Heilkunde, war die 557
S.a. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 480: „Die Amtspflicht kann sowohl einer konkreten als auch einer abstrakten Gefahr für private Rechtsgüter entgegenwirken“. 558 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 74 ff (zu §§ 40, 41 a.F.); Osieka, Humanforschung, S. 350; Stock, Probandenschutz, S. 121 f. (für § 40 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.); s.a. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 26: „Die Bestimmungen des § 40 sind Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 BGB“. 559 Allg. dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 123; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 229. 560 Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 229 m.w. Nachw. 561 Für Ethik-Kommissionen wird generell, d.h. ohne nähere Differenzierung nach der verletzten Norm, die Drittgerichtetheit der Amtspflicht gegenüber dem Versuchsteilnehmer bejaht, vgl. etwa van der Sanden, Haftung, S. 102; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 163; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 158.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Durchführung der klinischen Prüfung also „sinnlos“, so fallen in der Schutzbereich diejenigen Schäden, die der Versuchsteilnehmer durch die (sinnlose) Determination seiner individuellen Behandlungssituation erlitten hat, etwa solche, die außerhalb einer prüfplankonformen Behandlung vermieden worden wären. Anders liegt es bei rein wissenschaftlichen Vorhaben. Bei fehlendem Heilkundenutzen fallen sämtliche forschungsbedingte Gesundheitsschäden in den sachlichen Schutzbereich. Enthält die klinische Prüfung eine unvertretbare oder rechtswidrige, d. h. außerhalb des „Gruppennutzens“ stehende Placebogruppe, so wird sich der Teilnehmer der Testgruppe aber hierauf nicht berufen können, obgleich die klinische Prüfung hätte ablehnend bewertet werden müssen, mithin sein Gesundheitsschaden ausgeblieben wäre.
gg. Ergebnis Die Feststellung einer positiven Risiko-Nutzen-Relation und die ärztliche Vertretbarkeit der klinischen Prüfung ist Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips und eine Kernaufgabe der Ethik-Kommission. Die Bewertung ist entsprechend dem Modell der planerischen Abwägung in eine Informationsphase und in eine Bewertungs- bzw. Gewichtungsphase aufzuteilen; sie mündet entweder in eine zustimmende oder ablehnende Bewertung. Grundvoraussetzung ist das Vorliegen einer wissenschaftlichen Zielsetzung und die diesbezügliche Geeignetheit der klinischen Prüfung. Die Risiko-Nutzen-Abwägung muss positiv ausfallen. Dabei ist der Begriff des Nutzens eng, derjenige der Risiken und Nachteile weit zu verstehen. Die ärztliche Vertretbarkeit verlangt eine Risikominimierung unter gleichzeitiger Nutzenmaximierung. Die Mehrheit der Ethik-Kommissionsmitglieder, die für eine gegen § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG iVm den entsprechenden Modifizierungen in §§ 40 Abs. 4, 41 AMG verstoßende Studie stimmen, verletzen ihre gegenüber dem Versuchsteilnehmer bestehende Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten. Der Ethik-Kommission ist im Hinblick auf die „ärztliche Vertretbarkeit“ und den §§ 40 Abs. 4 Nr. 4 AMG, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG ein gerichtlich eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum eingeräumt worden. Dies führt zu gesteigerten Sorgfalts- und Verfahrenspflichten bei der Ausfüllung des Beurteilungsspielraums.
e. Autonomieschutz: Einwilligung nach Aufklärung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2, 2a AMG Während die „ärztliche Vertretbarkeit“ als paternalistischer Rechtfertigungsansatz verstanden werden kann, betrifft das Erfordernis der Einwilligung nach Aufklärung den individualistischen.562 Es handelt sich um das zweite zentrale Prinzip
562
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1321.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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medizinischer Forschung am Menschen, welches nicht in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zur Risiko-Nutzen-Abwägung steht, sondern gleichberechtigt daneben.563
aa. Grundsätze Nach gefestigter Rspr. ist in jedem ärztlichen Heileingriff – hierzu gehört auch die Verabreichung von Arzneimitteln564 – eine tatbestandliche Körperverletzung zu erblicken. Diese ist nur bei wirksamer Einwilligung des Patienten gerechtfertigt, was wiederum voraussetzt, dass der Patient über Art, Wesen, Bedeutung und Folgen des Eingriffs hinreichend aufgeklärt worden ist.565 Seine Grundlage findet die ausdifferenzierte Aufklärungspflicht des Arztes im verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrecht des Patienten aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG566 : Es schützt ihn vor eigenmächtigen Eingriffen in seine körperliche und seelische Integrität. Eine unzureichende Aufklärung führt zu einem Informationsdefizit, sodass die gegebene Einwilligung wegen (rechtsgutsbezogener) Willenmängel unwirksam ist. Zugleich stellt sie aber auch eine Pflichtverletzung aus dem Behandlungsvertrag dar.567 Soweit diese Grundsätze auf die Einwilligung nach Aufklärung iSd § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 AMG prinzipiell übertragbar sind568 , so müssen sie jedoch in einem anderen Lichte betrachtet werden. Die geforderte Aufklärung des Patienten/Probanden wird „überschattet“ durch die wissenschaftliche Zielsetzung des Versuchs, die sich in der Instrumentalisierung des Versuchsteilnehmers für Drittinteressen und des objektivierten Umgangs mit ihm äußert. Die Pflichten zur Risiko- bzw. Eingriffsaufklärung sind schon allein aus diesem Grunde zur Sicherung des Selbstbestimmungsrechts bei „Forschungsbehandlungen“ gesteigert.
563
Vgl. Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 68 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1321; Wölk, Risikovorsorge, S. 345 ff., 449 ff.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 78; Schreiber, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 303, 310; ausf. Eser, in: GS Schröder, S. 191, 207 ff.; ders., Der Chirurg, 1979, 215, 219 ff.; ders., in: Kruse, Psychologische Grundlagenforschung, S. 173, 188 ff.; a.A. Freund/Georgy, JZ 2009, 504, 505 f. 564 Vgl. BGH NJW 2005, 1716, 1717 m.w. Nachw. aus der Rspr. 565 Grdl. RGSt 25, 375 ff.; bestätigt durch RGSt 38, 64 ff.; 61, 256 ff. und entspricht heute gefestigter Rspr., vgl. nur BGHZ 29, 176, 179 ff.; 90, 103, 105 f.; 106, 391, 394; BGHSt 11, 111, 112; aus der Literatur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 243 ff.; Deutsch, AcP 192 (1992), 161, 166 ff.; Hager, in: Staudiger, § 823 Rn. I 119; Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 769.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 700; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 114 ff.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V Rn. 5 ff., 8 ff.; Hardtung, JuS 2008, 864, 868; dort auch jeweils zu den Gegenauffassungen. 566 Vgl. Deutsch, AcP 192 (1992), 161, 166 f. 567 Vgl. Tamm, Jura 2008, 881, 887. 568 Vgl. Sander, Erl. § 40 Anm. 23; Osieka, Humanforschung, S. 171 ff.; Wölk, Risikovorsorge, S. 345.
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bb. Voraussetzungen (1) Volljährigkeit und relative Einwilligungsfähigkeit, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3a) AMG Die rechtswirksame Einwilligung mit starkem höchstpersönlichem Einschlag verlangt keine Geschäftsfähigkeit nach § 104 BGB569 , sondern die Einwilligungsfähigkeit. Sie stellt sicher, dass die erklärte Einwilligung tatsächlich Ausdruck des selbstbestimmten Wohls ist und liegt vor, wenn der Handelnde ein solches Maß an Verstandsreife besitzt, dass er die Tragweite seiner Entscheidung zu übersehen vermag. Eine starre Altersgrenze lässt sich nicht aufstellen.570 Das AMG lässt daran anknüpfend ebenfalls keine Geschäftsfähigkeit ausreichen. Nach der Grundnorm des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3a AMG muss die betroffene Person nicht nur volljährig (§ 2 BGB)571 , sondern auch in der Lage sein, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen und ihren Willen hiernach auszurichten. Die damit angesprochenen kognitiven und voluntativen Aspekte betreffen stets die konkrete klinische Prüfung mit all ihrem Procedere und ihrem Risikopotential. Maßgeblich ist also eine Einzelfallbeurteilung durch den Prüfarzt.572 (2) Aufklärung des potentiellen Versuchsteilnehmers, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b) 1. HS iVm Abs. 2 S. 1 AMG (a) Umfang der Risikoaufklärung Die betroffene Person ist durch einen Prüfer, der Arzt oder bei zahnmedizinischer Prüfung Zahnarzt ist, über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung aufzuklären, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b 1. HS iVm Abs. 2 S. 1 AMG. Hiermit werden die Anforderungen festgelegt, die an eine wirksame Einwilligung zu stellen sind. Nur ein Arzt bzw. bei zahnmedizinischer Prüfung ein Zahnarzt, der zugleich Prüfer ist, kann den Probanden/Patienten aufklären. Eine Delegation der Aufklärung an sonstiges Prüfpersonal ist damit ausgeschlossen.573 Ziel der Aufklärung des Versuchsteilnehmers ist es, diesem so viele Informationen über die klinische Prüfung zu vermitteln, sodass er selbstbestimmt in die klinische Prüfung einwilligt. Hierin wird der individualistische Rechtfertigungsgrund im 569
Die Einwilligung stellt nach ganz h.M. keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung dar, vgl. BGHZ 38, 49, 54; 105, 45, 47; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 105; Osieka, Humanforschung, S. 185 f. 570 Vgl. BGHZ 29, 33, 36 f.; Palandt/Ellenberger, Überbl. v. § 104 Rn. 8. 571 Mit der Volljährigkeit wird im Ergebnis nur die Abgrenzung zu §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2 AMG vollzogen; vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27; s.a. Lippert, VersR 2001, 432. Das Auseinanderfallen von Einwilligungsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit führt folglich auch zu einer differenzierten Betrachtung von rechtswidrigem Eingriff und rechtswirksamen Vertragsschluss; vgl. hierzu BGHZ 29, 33, 37; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 51; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1319. 572 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 51; Wölk, Risikovorsorge, S. 364 ff., 372 ff.; Fröhlich, Forschung, S. 51. 573 Ebenso Osieka, Humanforschung, S. 173 f.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 84; a.A. Holstein/Felder, GesR 2009, 291 ff.
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Vergleich zur paternalistischen Risiko-Nutzen-Abwägung erkennbar: Der Versuchsteilnehmer muss für sich unter Berücksichtigung seiner individuellen Lage seine persönlichen Nutzen und Risiken der klinischen Prüfung miteinander abwägen und in Anbetracht der unsicheren Ausgangslage der klinischen Prüfung seine individuelle Risikoakzeptanz mit seiner Einwilligung zum Ausdruck bringen können (subjektive Nutzen-Risiko-Abwägung mit persönlich definierter Vertretbarkeitsschwelle).574 Dem Patienten/Probanden muss daher mitgeteilt werden, dass er Teilnehmer einer klinischen Prüfung ist, wie diese abläuft (randomisiert, doppelblind, etc) und welches Ziel mit ihr verfolgt wird, dass er einer neuen Behandlungsmethode unterzogen wird, und dass er möglicherweise keine Standardbehandlung oder sogar nur ein Placebo erhalten könnte. Besondere Bedeutung kommt der Aufklärung über bestehende, möglicherweise aufgrund von vorherigen Prüfungen zu erwartende und bisher unbekannte Risiken zu. Der Versuchsteilnehmer muss wissen, dass gerade die Behandlungsunsicherheit sowohl in Bezug auf den therapeutischen Nutzen als auch bezüglich unerwünschter Neben- und Wechselwirkungen den Ausgangspunkt der Studie darstellen.575 Nach gefestigter arzthaftungsrechtlicher Rspr. besteht eine Pflicht des Arztes, den Patienten über Behandlungsalternativen aufzuklären, sobald verschiedene medizinisch gleichermaßen indizierte Therapiemöglichkeiten bestehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.576 Der Gedanke ist auf die klinische Prüfung übertragbar: Der potentielle Versuchsteilnehmer ist über alternative Behandlungsmethoden aufzuklären, die nicht Gegenstand der Studie sind und die er bei Nichtteilnahme an der klinischen Prüfung bekommen könnte bzw. ihm wegen der Unterwerfung unter eine schematische Behandlung vorenthalten werden. Erst durch die Aufklärung über alternative Behandlungsmöglichkeiten, die nicht Gegenstand der klinischen Prüfung sind, kann eine selbstbestimmte Entscheidung des Patienten herbeigeführt werden.577 Aber auch allgemein bezüglich des Umfangs der (Risiko-)Aufklärung kann man sich an der Rspr. des BGH orientieren, wonach ein Patient umso ausführlicher und eindrücklicher über Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen eines ärztlichen Eingriffs zu informieren ist, je weniger dieser
574
Hierzu Wölk, Risikovorsorge, S. 348, 376, 386 f.; Deutsch, VersR 1983, 1, 2 f.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210 f.; Freund, in: MüKo/StGB, §§ 40-42a AMG Rn. 23. 575 Zur Aufklärung Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1318; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 107 f.; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 67 ff.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210 f.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 85; Sander, Erl. § 40 Anm. 30; Osieka, Humanforschung, S. 175 ff.; Wölk, Risikovorsorge, S. 386 ff.; Lippert, VersR 2001, 432 ff.; Freund, in: MüKo/StGB, §§ 40-42a AMG Rn. 22 ff.; ausführlicher Überblick über die allgemein anerkannten Inhalte der Patienteninformation nach ICH/GCP, AMG, GCP-V und Guidance ENTR/CT2 bei Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 138 ff.; ders. Bundesgesundheitsbl. 2005, 429 ff. 576 Vgl. nur BGHZ 102, 17, 22; 106, 153, 157; VersR 2005, 227; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 331 f.; Wagner, in: Müko, § 823 Rn. 707 f.; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 92; Vogeler, MedR 2008, 697, 704. 577 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 388. Vgl. hierzu auch BGH NStZ 1996, 34.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
medizinisch geboten ist oder sogar weder gesundheitliche noch sonstige Vorteile körperlicher Art mit sich bringen kann.578
(b) Einfluss der neueren Rechtsprechung des BGH In mehreren Entscheidungen jüngeren Datums hat der BGH strenge Aufklärungspflichten aufgestellt, die auf das Recht der klinischen Forschung übertragbar sind.579 Für der Fall altruistisch motivierter Blutspenden muss der Patient dann, wenn der Eingriff ihm weder gesundheitliche noch sonstige Vorteile körperlicher Art bringen kann, sondern dieser allein zu Gunsten der Allgemeinheit erfolgt, das Für und Wider mit allen Konsequenzen vor Augen geführt werden, damit dieser voll informiert sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Er muss in die Lage versetzt werden, ob er zum Wohle der Allgemeinheit bereit ist, auch ein – wenn auch seltenes – Risiko bleibender Schäden für seine Gesundheit auf sich zu nehmen. Dies gelte auch für „Routineeingriffe“ wie die Blutspende. Aufzuklären ist aber nach Auffassung des BGH nicht nur über das Risiko, sondern auch über die Folgen bei Risikoverwirklichung.580 Für wissenschaftlich-medizinische Experimente, also insbesondere Studien der Phase I, ist im Einklang mit dem BGH eine schonungslose Aufklärung auch über seltene Komplikationsrisiken und ihre Folgen zu verlangen, da die Probanden ohne jeglichen therapeutischen Eigennutzen altruistisch motiviert zustimmen.581 Auf gleicher Ebene liegen klinische Prüfungen mit echter Placebokontrolle: Zwar entscheidet der Zufall über die gruppennützige Teilnahme; dies ändert aber nichts an der altruistischen Motivation der Placeboteilnehmer582 , auch wenn sie im Vorfeld der klinischen Prüfung und während ihrer Durchführung nur das Möglichkeitsbewusstsein einer nicht-therapeutischen Teilnahme besitzen. Gleichermaßen aufzuklären ist bei Begleituntersuchungen, die zu rein wissenschaftlichen Zwecken vorgenommen werden. Höchstrichterlich geklärt ist zudem, dass der Patient bei außerhalb des medizinischen Standards stehenden Behandlungsmethoden darüber aufzuklären ist, dass es sich um keine allseits anerkannte oder noch nicht zum medizinischen Standard gehörende (Heil-)Methode handelt und folglich unbekannte Risiken nicht
578
Vgl. BGH NJW 2006, 2108 ff.; Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210. So auch OLG München, juris, Urt. v. 26.11.2009, Az. 1 U 2283/09, Rn. 47. 580 Im dem zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob der Hinweis auf Schädigung von Nerven bei der Blutspende ausreichend war. Der BGH verlangte für eine ausreichende Risikoaufklärung nicht nur den Hinweis auf Nervschädigungen, sondern auch auf die möglichen Folgen einer „Lähmung“. Vgl. BGH NJW 2006, 2108 ff. m. Bspr. Spickhoff (S. 2075 ff.). 581 Hierzu auch Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210; Deutsch/Bender/Eckstein/Zimmermann, Transfusionsrecht, Rn. 421; s.a. Spickhoff, NJW 2006, 2075. Die oft sehr hoch ausfallende Aufwandsentschädigung ist weder hinreichender Grund, die altruistische Motivation zu verneinen, noch kann sie wegen fehlender Konnexität zu einer Verringerung der Aufklärungspflicht führen. 582 Bei isolierter Betrachtung steht die echte Placebokontrolle auf einer Stufe mit dem „Humanexperiment“; vgl. Deutsch, VersR 1999, 1, 6; Hart, MedR 1994, 94, 98. 579
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auszuschließen sind.583 Dies schließt auch die Aufklärung über eine fehlende Zulassung des Medikaments ein.584 Auch über in der Ursache noch unbekannte Risiken kann aufzuklären sein, wenn sie in die Entscheidungsfindung der Patienten einbezogen werden sollten.585 Dem Patienten ist damit zusammenfassend ein umfassendes Gefahrbewusstsein zu vermitteln, sodass dieser letztlich selbstbestimmt einwilligen kann.586 Die neuere Rspr. bestätigt die Tendenz zur „Voll- bzw. Totalaufklärung“, wie sich im Bereich der medizinischen Forschung bereits teilweise postuliert wurde.587 Eine Beschränkung der Aufklärung auf nur typische Risiken führt nach derzeitigem Stand zur Unwirksamkeit der Einwilligung.
(c) Allgemein verständliche Aufklärungsunterlage, § 40 Abs. 2 S. 1 2. HS AMG Formularmäßige Aufklärungen588 stehen im Widerspruch zum vertrauensvollen Gespräch zwischen Arzt und Patient. Die Aufklärung folgt dem Prinzip der Mündlichkeit589 , wovon auch § 40 Abs. 2 S. 1 2. HS AMG keine Ausnahme macht. Lediglich zusätzlich soll der betroffenen Person eine allgemein verständliche Aufklärungsunterlage ausgehändigt werden, die nur als Unterstützung des persönlichen Gesprächs anzusehen ist.590 Ihre Bedeutung darf aber gleichwohl nicht unterschätzt werden. Mit der allein mündlichen Schilderung des Studiendesigns, der umfangreichen Risiken- und Nebenwirkungen sowie über die meist umfassend vorgesehenen Studienvisiten mit unterschiedlichen Begleituntersuchungen dürften die Versuchsteilnehmer ohne schriftliche Fixierung überfordert sein.591 Trotz fehlenden
583
BGHZ 168, 103 = NJW 2006, 2477, 2478; BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2770; BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775. ausf. hierzu Vogeler, MedR 2008, 697, 704 f. m.w. Nachw.; übertragend auf die klinische Prüfung Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210. 584 BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2770. 585 Vgl. BGHZ 168, 103 = NJW 2006, 2477, 2478. 586 Hierzu auch Katzenmeier, NJW 2006, 2738, 2740; ders., JZ 2007, 1008, 1111; krit. Buchner, VersR 2006, 1460 ff.; für die klinische Prüfung Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210 f. 587 Vgl. Rehmann, § 40 Rn. 5 „vollständige Aufklärung“; Wölk, Risikovorsorge, S. 394 ff. m.w. Nachw. 588 Instruktiv zu den Gefahren des medizinischen Formularverkehrs Gödicke, Formularerklärungen, passim. 589 Vgl. BGH NJW 1985, 1399; OLG Zweibrücken, NJW 2005, 74; Gödicke, Formularerklärungen, S. 143 ff.; Spickhoff, NJW 2006, 2075, 2076; s.a. BGH NJW 2005, 1716, 1717, wonach ein Arzt den Patienten vor Einnahme eines Medikaments über Nebenwirkungen aufklären muss und Warnhinweise in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers nicht ausreichend sind. 590 Vgl. Osieka, Humanforschung, S. 184; basierend auf der neueren Rspr. auch Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 210. 591 Der Gesetzgeber fordert in § 40 Abs. 2 S. 2 AMG zusätzlich, dass der betroffenen Person Gelegenheit zu einem Beratungsgespräch mit einem Prüfer über die sonstigen Bedingungen der Durchführung der klinischen Prüfung gegeben werden muss.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Ersetzungscharakters kommt der schriftlichen Patienteninformation daher eine gewichtige Bedeutung zu, indem sich der potentielle Versuchsteilnehmer auch noch nach der Gesprächsführung mit der Studie eingehender auseinandersetzen kann.592 (d) Aufklärung über Probandenrechte Ausdrücklich angeordnet ist die Aufklärung des Patienten/Probanden über die Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs, § 40 Abs. 2 S. 1 AMG. Ferner steht nach § 40 Abs. 2 S. 3 AMG der betroffenen Person das Recht zu, die erklärte Einwilligung in die Teilnahme an einer klinischen Prüfung jederzeit gegenüber dem Prüfer schriftlich oder mündlich zu widerrufen, ohne dass dieser dadurch Nachteile entstehen dürfen. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ist jedoch auch konkludentes Verhalten des Probanden/Patienten ausreichend, das sich etwa im Nichterscheinen zu Studienvisiten äußern kann.593 Eine Aufklärung über die Nachteilsfreiheit des Widerrufs und dass dieser jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich ist, stellt zwar eine Selbstverständlichkeit dar. Zur Sicherung der Freiwilligkeit auch während der klinischen Prüfung ist eine Aufklärung hierüber verpflichtend.594 Dem Patienten/Probanden sind auch Hinweise auf Vorkehrungen im Schadensfalle zu geben. Insbesondere ist er über die Probandenversicherung, deren Leistungsumfang und auf seine Obliegenheiten aufzuklären, damit er nicht den Versicherungsschutz gefährdet.595 (e) Aufklärung bei kontrollierten Versuchen Aus § 3 Abs. 2a GCP-V folgt, dass auch Teilnehmer der Kontrollgruppe „betroffene Personen“ iSd §§ 40 f. AMG sind. Für sie gilt das Erfordernis der Einwilligung nach Aufklärung gleichermaßen. Jegliche Formen von (Doppel-)Blindversuchen schließen es aber aus, dem Patienten/Probanden mitzuteilen, in welcher Gruppe er sich befindet und mit welchen Risiken er zu rechnen hat. Aus wissenschaftlichen Gründen ist daher eine Reduzierung derAufklärung notwendig, die über Informationen imVorfeld zu kompensieren ist. Dem Versuchsteilnehmer ist die Methodik der klinischen Prüfung darzulegen, also was unter einer Testgruppe, einer Kontrollgruppe, einer Verblindung und einem Placebo zu verstehen ist und dass der Arzt keinen Einfluss auf die Zuordnung hat.596 Die Aufklärung muss daher so umfangreich sein, dass 592
Ähnlich Wölk, Risikovorsorge, S. 397 f. Vgl. Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 277; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27 a.E. Zum Themenkreis auch Lippert, VersR 2001, 432 ff. 594 Obwohl § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b nicht auf § 40 Abs. 2 S. 3 AMG verweist, ist die Aufklärung hierüber aber nach Sinn und Zweck der Regelung zu fordern; vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 86; Wölk, Risikovorsorge, S. 394. 595 Vgl. Kollhosser, MedR 1983, 201, 206; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1321; Rehmann, § 40 Rn. 15; Wölk, Risikovorsorge, S. 392; Osieka, Humanforschung, S. 176; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 85; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 188; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 50; Schwarz, Bundesgesundheitsbl. 2005, 429, 431. 596 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1318, 1326; Osieka, Humanforschung, S. 176 u. 180. 593
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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sich die Einwilligung alternativ auf alle möglichen Gruppenzuteilungen beziehen kann. Bei (Doppel-)Blindprüfungen muss die Aufklärung auch einen (wirksamen) Verzicht auf die Aufklärung über die spätere Gruppenzugehörigkeit rechtfertigen können.597 Dies ist nur dann möglich, wenn der potentielle Versuchsteilnehmer über alle Eventualität im Vorfeld vollständig aufgeklärt wurde. (3) Schriftliche Einwilligung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b 2. HS AMG Für die Einwilligung in die klinische Prüfung verlangt § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b 2. HS AMG die Schriftlichkeit nach § 126 Abs. 1 BGB. Strittig ist, ob es sich bei der angeordneten Schriftlichkeit um eine zwingend einzuhaltende „öffentlichrechtliche Voraussetzung“598 handelt, oder aber nur um eine „Beweisförmlichkeit“, deren Fehlen die Einwilligung nicht per se unwirksam macht.599 Dass allein die fehlende Schriftlichkeit nach dem Gedanken des Selbstbestimmungsrechts die Unwirksamkeit der Einwilligung des Versuchsteilnehmers nachsichziehen soll, mithin eine eigenmächtige Forschungsbehandlung vorliegt, ist nicht einzusehen.600 (4) Modifikationen durch §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2 u. 3 AMG Bei der statuierten Volljährigkeit und der umschriebenen Einwilligungsfähigkeit iSd § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 AMG handelt es sich jeweils um die maßgebenden Gesichtspunkte für die bereits erörterten anzuwenden Sonderregeln der §§ 40 Abs. 4, 41 AMG, die auch bei der Einwilligung nach Aufklärung Sondervorschriften vorsehen. Bei klinischen Prüfungen an Minderjährigen muss nach § 40 Abs. 4 Nr. 3 AMG der gesetzliche Vertreter die Einwilligung abgeben, nachdem dieser entsprechend nach § 40 Abs. 2 AMG aufgeklärt worden ist. Dabei muss die Einwilligung dem mutmaßlichen Willen des Minderjährigen entsprechen. Auch er ist über die Risiken und den Nutzen, freilich altersabhängig und kindgerecht, aufzuklären. Soweit er schon selbst in der Lage ist, Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erfassen, ist neben der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter auch seine Einwilligung erforderlich.601 Für klinische Prüfungen an volljährigen erkrankten einwilligungsunfähigen Personen sind nach § 41 Abs. 3 Nr. 2 AMG die Vorschriften
597
Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 400. So Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 52, die in der Schriftform einen unbedingt einzuhaltenden Schutz für den Patienten sehen; Wölk, Risikovorsorge, S. 408. Nahestehend wohl auch BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2770. 599 So Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27; ders., Haftungsrecht, Rn. 193; Rehmann, § 40 Rn. 5 a.E.; Osieka, Humanforschung, S. 193 f. 600 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27; ähnlich auch Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 52, die Schadensersatzansprüche nur dann in Betracht ziehen, wenn der Patient darlegt, dass er bei Beachtung des Schriftformerfordernisses nicht eingewilligt hätte. 601 Ausf. zur Einwilligung Minderjähriger Magnus, Medizinische Forschung, S. 38 ff.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 107 ff. 598
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
für Minderjährige entsprechend anzuwenden. Einwilligungsbefugt ist der gesetzliche Vertreter oder ein Bevollmächtigter. Dieser ist entsprechend § 40 Abs. 2 AMG aufzuklären.602 (5) Sicherungsaufklärung und Sicherstellung forschungskonformen Verhaltens Zu den Pflichten des Arztes gehört neben der soeben beschriebenen Eingriff- und Risikoaufklärung auch die Sicherungsaufklärung. Sie beinhaltet die Aufklärung über therapierichtiges Verhalten und dient der Sicherung des Behandlungserfolges. Die Aufklärung beinhaltet die Unterrichtung über seitens des Patienten einzuhaltende Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen, etwa die Notwendigkeit der Nachsorge oder der vorsichtigeren Lebensführung. Ihre Unterlassung stellt jedoch keinen Aufklärungsfehler dar, sondern begründet einen Behandlungsfehler.603 Im Rahmen klinischer Prüfungen kommt der Sicherheitsaufklärung bei der Minimierung des Unsicherheitsrisikos besondere Bedeutung zu, was vor allem die noch unbekannten Neben- und Wechselwirkungen betrifft. Die Sicherungsaufklärung dient aber auch der Sicherstellung eines forschungskonformen Verhaltens des Probanden/Patienten. Beim systematischen Erprobungshandeln ist das prüfplankonforme Verhalten essentiell für die Qualitätssicherung der Forschungsergebnisse.604 (6) Einwilligung in die Weiterverwendung personenbezogener Daten, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3c), Abs. 2a AMG Da die Ergebnisse der klinischen Prüfung fast ausnahmslos auf Gesundheitsdaten beruhen, ist mit der Teilnahme an einer klinischen Prüfung das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Prüfungsteilnehmers unweigerlich betroffen. DasAMG sieht in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3c vor, dass der potentielle Versuchsteilnehmer über Zweck und Umfang der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu informieren ist und schriftlich einwilligen muss. § 40 Abs. 2a AMG listet diesbezüglich die einzelnen Informationsinhalte auf, die von der datenschutzrechtlichen Einwilligung erfasst sein müssen.605 Trotz der kumulativen Nennung in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 AMG erscheint es überaus fraglich, ob die fehlerhafte oder unzureichende datenschutzrechtliche Information die vollständige Unwirksamkeit der
602
Einzelheiten hierzu bei Osieka, Humanforschung, S. 202 ff.; Peter, Forschung, S. 27 ff.; Taupitz/Fröhlich, VersR 1997, 911 ff. 603 Allg. zur Sicherungsaufklärung BGH NJW 2005, 1716; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, Kap. B Rn. 95; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 28 ff.; Wagner, in: Müko/BGB, § 823 Rn. 694 ff.; Tamm, Jura 2008, 881, 887. 604 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 346, 393; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 378 ff. 605 Hierzu und weiterführend Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 91 ff.; Sander, Erl. § 40 Anm. 33 ff.; Weisser/Bauer, MedR 2005, 339 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 81; Osieka, Humanforschung, S. 205 ff.
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gegebenen Einwilligung nach sich zieht, sodass die klinische Prüfung letztendlich als Körperverletzung zu werten ist.606 cc. Amtspflichtverletzung Nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG hat die EthikKommission ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn die soeben erörterten autonomiesichernden Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Sie prüft demzufolge, ob die Vorgaben eingehalten werden, die das AMG an eine wirksame Einwilligung des Versuchsteilnehmers stellt. Der autonomiesichernde Aufklärungsvorgang folgt jedoch dem Mündlichkeitsprinzip. Im Zentrum der Bewertungstätigkeit steht deswegen die schriftliche Patienteninformation, die dem Versuchsteilnehmer nach § 40 Abs. 2 S. 1 AMG auszuhändigen und nach § 7 Abs. 3 Nr. 9 GCP-V, zusammen mit anderen Informationen und Unterlagen, die die betroffenen Personen erhalten, auch der Ethik-Kommission vorzulegen ist. Dass die Patienteninformation die entscheidungserhebliche Grundlage für die Überprüfung der Einhaltung der autonomiesichernden Voraussetzungen darstellt, muss vom Gesetz stillschweigend vorausgesetzt worden sein, denn anders als die Überprüfung einer formularmäßigen Erklärung ist es nicht möglich, ein dem Mündlichkeitsprinzip folgenden Aufklärungsvorgang im Vorfeld einer Prüfung zu unterziehen. Die vorgefasste Patienteninformation bildet zudem die Grundlage des persönlichen Gesprächs zwischen Prüfer und Versuchsteilnehmer, denn selbst der Prüfer wird nicht in der Lage sein, ohne schriftliche Fixierung den potentiellen Versuchsteilnehmern alle aufklärungsrelevanten Informationen mitzuteilen. Es besteht mithin eine praxis- und gesetzesbedingte Verbindung zwischen auszuhändigender Patienteninformation und dem Aufklärungsgespräch, was es rechtfertigt, die Einhaltung der autonomiesicherndenVoraussetzungen anhand des Inhalts der Patienteninformation festzustellen. Hieraus folgt zugleich die Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten, wenn die Ethik-Kommissionsmitglieder eine klinische Prüfung zustimmend bewerten, bei der auf der Grundlage der vorgelegten Patienteninformation eine wirksame Einwilligung der Versuchsteilnehmer nicht zu erwarten war.607 Grundvoraussetzung hierfür ist zunächst die Einhaltung der besonderen Voraussetzungen für Minderjährige und Einwilligungsunfähige, also dass der gesetzliche 606
Zweifelnd auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1320 a.E. Wie hier BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, Rn. 37: „Zum einen wird die Patienteninformation schriftlich vorab formuliert und ist daher schon vor Beginn der Studie greifbar und überprüfbar. Zum anderen kann gerade wegen der vorgesehenen Verteilung an alle Studienteilnehmer bereits durch eine einzige Unklarheit in einer Patienteninformation eine Vielzahl von fehlerhaften Belehrungen hervorgerufen werden. Vor diesem Hintergrund haben die Kontrollpflichten bei Impfstudien nicht einen bloß reaktiven Charakter; vielmehr ist hier von der zuständigen Behörde - im Rahmen ihrer tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten - grundsätzlich eine präventive Kontrolle des Informationsblattes zu verlangen“, sowie Rn. 43: „Entscheidend ist, dass die Ethik-Kommissionen im Zusammenhang mit der Durchführung von Impfstudien auch die Aufgabe haben, die herausgegebenen Patienteninformationen auf inhaltliche Richtigkeit und Klarheit zu überprüfen“. 607
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Vertreter bzw. ein Bevollmächtigter die Einwilligung nach entsprechender Aufklärung erteilt und der Wille der einzuschließenden Versuchsperson Berücksichtigung findet, §§ 40 Abs. 4 Nr. 3, 41 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 AMG. Einzelheiten hierfür ergeben sich aus den nach § 7 Abs. 3 Nr. 9 GCP-V vorzulegenden Unterlagen.608 Ob der Versuchsteilnehmer bzw. der gesetzliche Vertreter/Bevollmächtigter durch die Patienteninformation hinreichend über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite aufgeklärt wird, ergibt sich aus einer Gegenüberstellung mit dem Prüfplan: Die Patienteninformation muss sich als prüfplankonforme Umsetzung der konkreten klinischen Prüfung aus Laienperspektive darstellen. Dies beinhaltet daher die Beschreibung der konkreten Methodik aus Laienperspektive und die zutreffende Vermittlung eines konkreten Gefährdungsbewusstseins entsprechend den Kriterien und des gesteigerten Umfangs der soeben erörterten Risikoaufklärung. Missverständliche oder die klinische Prüfung verharmlosende Formulierungen muss die Ethik-Kommission entgegentreten609 , wenn durch sie die freiwillige und selbstbestimmte Teilnahme des Versuchsteilnehmers gefährdet wird.610 Nur so lässt sich die erforderliche subjektive Nutzen-Risiko-Abwägung mit persönlich definierter Vertretbarkeitsschwelle ermöglichen. Fraglich ist, ob auch die soeben erörterte Überprüfung der Sicherheitsaufklärung zur Tätigkeit der Ethik-Kommissionen zu zählen ist. Soweit eine angezeigte Sicherheitsaufklärung nicht oder nur unzureichend vorgesehen ist, entspricht die Patienteninformation nicht dem einzuhaltenden (medizinischen) Standard, sodass eine Ablehnungsbefugnis auch bereits nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG gegeben sein könnte. Thematisch vorzugswürdig erscheint jedoch eine Einordnung in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG, weil sich gerade im Forschungsbereich Risiko- und Sicherheitsaufklärung überschneiden können.611 Es ist nicht davon auszugehen, dass das AMG nur die Risikoaufklärung der Bewertungstätigkeit der Ethik-Kommissionen unterstellen wollte, weil die Sicherheitsaufklärung dem Gesundheitsschutz des Probanden/Patienten gerade beim Umgang mit der Unsicherheitslage und des prüfplankonformen Verhaltens gleichermaßen dient. Durch die Sicherheitsaufklärung wird dem Patienten/Probanden zugleich ein Gefahrbewusstsein vermittelt, indem er ungefähr abschätzen kann, was von ihm erwartet wird und dass die strikte Orientierung am Prüfplan, die strikt einzuhaltenden Studienvisiten sowie eine ggf. angezeigte „vorsichtigere“ Lebensführung auch seinem eigenen Schutze dient.612 608
§ 7 Abs. 3 Nr. 9 GCP-V: „. . . Darstellung des Verfahrens der Einwilligung nach Aufklärung“. Streichungen von irreführenden Formulierungen oder die generelle Überarbeitung der Patienteninformation lassen sich über eine Nebenbestimmung zur zustimmenden Bewertung erreichen, wenn ohne eine Neuformulierung die klinische Prüfung ablehnend bewertet werden müsste, dazu unten, § 6 B.II.7.d. 610 Vgl. BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, Rn. 48, 51; sehr weitgehend neuerdings Freund/Georgy, JZ 2009, 504 ff., bes. S. 506 ff., die in dem Hinweis in der Patienteninformation über die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission eine zur Unwirksamkeit der Einwilligung führende Informationsmitteilung sehen, da dem Laien dadurch eine „spezifische Ethik-Prüfung“ vorgespiegelt werde. 611 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 377 f. 612 Wie hier im Ergebnis auch Wölk, Risikovorsorge, S. 377, Hart, in: FS Deutsch II, S. 197, 211. 609
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dd. Drittgerichtetheit Den autonomiesichernden Voraussetzungen der §§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 3, 41 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AMG ist Schutznormqualität zuzuschreiben613 , denn einen anderen Zweck als den Individualschutz teilnehmender Versuchspersonen dienen die Vorschriften nicht. Verletzt das Kommissionsvotum jene (Schutz-)Normen, so ergibt sich hieraus auch die Drittgerichtetheit der Amtspflichtverletzung. Während die Pflicht zur Überprüfung, ob die an eine wirksame Einwilligung zu stellenden Voraussetzungen erfüllt werden, auf den Versuchsteilnehmer gerichtet sind, jene mithin in den personellen Schutzbereich fallen, verlangt der sachliche Schutzbereich hier wiederum eine verfeinerte Betrachtungsweise, bei der Überschneidungen mit Fragen des Schadensersatzes und des Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhangs unvermeidbar sind. Zu differenzieren ist nach den einzelnen Unzulänglichkeiten der gegebenen Einwilligung nach Aufklärung. Wie erörtert führt die fehlende Schriftlichkeit der Einwilligung nicht zu dessen Unwirksamkeit; die fehlende Schriftlichkeit nach §§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b AMG, 126 BGB stellt mithin keinen Haftungsgrund dar.614 War die datenschutzrechtliche Einwilligung unwirksam, so führt dies nicht zu einer „eigenmächtigen (Forschungs-)Behandlung“; betroffen ist vielmehr das informationelle Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf die Datenerhebung, -verarbeitung und -weitergabe. Den Haftungsgrund wird man daher nur in der Überwindung des unwirksam geäußerten datenschutzrechtlichen Willens sehen können.615 Ist das Selbstbestimmungsrecht infolge mangelhafter Grund- und Risikoaufklärung betroffen, so haftet nach st. Rspr. des BGH der Arzt grundsätzlich für sämtliche nachteilige Schadensfolgen der (eigenmächtigen) Heilbehandlung. Die Haftung entfällt nur, wenn sich trotz unzureichender Aufklärung ein Risiko verwirklicht hat, über das tatsächlich aufgeklärt worden ist oder wenn sich ein untypisches Risiko verwirklicht hat (Schutzzweckzusammenhang)616 oder bei hypothetischer Einwilligung.617 Jene Gründsätze gelten für den Sponsor und den Prüfer über § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG sowie über § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG für amtspflichtwidrig handelnde Ethik-Kommissionsmitglieder gleichermaßen. Ebenfalls weit zu ziehen ist der personelle Schutzbereich bei unzureichender Aufklärung über die Probandenrechte mit
613 Für Schutzgesetzqualität iSd § 823 Abs. 2 BGB Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 74 f.; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137; Stock, Probandenschutz, S. 121. 614 Wie hier Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27; ders., Haftungsrecht, Rn. 193; Rehmann, § 40 Rn. 5 a.E.; Osieka, Humanforschung, S. 193 f.; nahestehend Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 52. 615 Zurückhaltender Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1320 a.E.; zur differenzierten Betrachtungsweise zwischen Persönlichkeitsschutz und Einwilligung nach Aufklärung Deutsch, AcP 192 (1992), 161 ff., bes. S. 178. 616 Vgl. BGHZ 90, 96, 100; 106, 391, 398; 144, 1, 7; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V Rn. 54 ff.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 725; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 119 f.; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 649; Vogeler, MedR 2008, 697, 705. 617 Vgl. BGHZ 90, 103, 112; 172, 1 = NJW 2007, 2767; VersR 1991, 547, 548; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V Rn. 58 ff.; Vogeler, MedR 2008, 697, 705 f. m.w. Nachw.; zur hypothetischen Einwilligung auch noch unten, § 5 B.II.7.e.bb.
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Freiwilligkeitsbezug (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b Abs. 2 AMG), wenn es infolge der fehlerhaften Unterrichtung an einer freiwilligen bzw. fortwährend freiwilligen Teilnahme fehlt. Ist nach h. M. nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 AMG auch über die Probandenversicherung und über das Verhalten bei Eintritt eines Versicherungsfalles aufzuklären, was konsequenterweise auch die Ethik-Kommission nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG zu überprüfen hat, so dürfte eine unzureichende Aufklärung zwar nicht die Unwirksamkeit der Einwilligung in die Forschungsmaßnahmen nachsichziehen. Vom sachlichen Schutzbereich ist aber derjenige Schaden erfasst, den der Geschädigte dadurch erleidet, dass er in Unkenntnis infolge eines fehlerhaften Verhaltens keine Leistung aus der Probandenversicherung erhält. ee. Beurteilungsspielraum Als Grundvoraussetzung für die Annahme eines Beurteilungsspielraums auch bei der Überprüfung der autonomiesichernden Voraussetzungen ist das Vorhandensein unbestimmter Rechtsbegriffe erforderlich. Hieran fehlt es aber: Der Passus des § 40 Abs. 2 AMG, über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite aufzuklären, entstammt dem üblichen Sprachgebrauch der Gerichte.618 Anders als bei der Feststellung der ärztlichen Vertretbarkeit der klinischen Prüfung handelt es sich bei der Autonomiegewährleistung nicht um einen Bewertungsvorgang, bei dem der interdisziplinäre Diskurs im Vordergrund steht. Die Feststellung hinreichender Aufklärung der Versuchspersonen ist in erster Linie eine medizinische und eine juristische. Insoweit besteht auch kein Kompetenzvorsprung gegenüber den Gerichten, sodass eine Beurteilungsermächtigung nicht in Betracht kommt.619 ff. Schutzbereichsverlagerung durch Sittenwidrigkeit: Das Verhältnis der paternalistischen zur individualistischen Rechtfertigung Zwischen den verschiedenen Zulassungsvoraussetzungen für klinische Prüfungen besteht ein Wechsel- und Bedingungsverhältnis. Dies ist bereits für die Merkmale der „ärztlichen Vertretbarkeit“ nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG und dem „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ sowie der Geeignetheit der klinischen Prüfung für den Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG insoweit herausgestellt worden, als ungeeignete und/oder dem Stand der Erkenntnisse widersprechende klinische Prüfungen Abwägungssperren für die Nutzen-Risiko-Abwägung und mithin für die ärztliche Vertretbarkeit darstellen. Bestünde auch ein Wechsel- und Bedingungsverhältnis zur Wirksamkeit der gegebenen Einwilligung, so würde sich der erörterte Schutzbereich der Norm auf den Schutzbereich der Eigenmächtigkeit der Forschungsbehandlung verlagern, der von der Rspr. 618
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1318; s.a. Palandt/Sprau, § 823 Rn. 151. A.A. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 231: „Auch wird man bei der Bewertung der Angemessenheit einer Aufklärung der Studienteilnehmer einen (durch gesetzlich vorgegebene Mindestinhalte eng begrenzten) Beurteilungsspielraum der Ethik-Kommission zumessen können“.
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weit gefasst wird. Kann sich der Placeboteilnehmer etwa nicht auf die „ärztlich unvertretbaren“ Risiken des Testpräparats berufen, wenn sein Schaden in der ärztlich vertretbaren Vorenthaltung einer Therapie besteht, oder kann sich der Teilnehmer der Testgruppe unter demAspekt des Schutzbereichs der Norm nicht auf die ärztliche Unvertretbarkeit der Placebogruppe berufen, so wären jene Fälle anders zu beurteilen, wenn die ärztliche Unvertretbarkeit zugleich die Unwirksamkeit der gegebenen Einwilligung nach sich ziehen würde. Für doppelblinde Studien würde dies schon daraus folgen, dass sich die Einwilligung alternativ auf alle möglichen Gruppenzuteilungen bezieht. Wird wegen unwirksamer Einwilligung grundsätzlich für alle nachteiligen Folgen des medizinischen Eingriffs gehaftet, so würde die Hineinverlagerung der nicht autonomiesichernden Voraussetzungen in den Einwilligungstatbestand zu einer erheblichen Haftungserweiterung führen, bei der sich der Sponsor und der Prüfer unter dem Aspekt des Schutzbereichs der Norm und die Ethik-Kommissionsmitglieder unter dem Aspekt des sachlichen Schutzbereichs der Amtspflichtverletzung nicht auf den sachlich limitierten Normzweck berufen könnten. Eine solche Schutzbereichsverlagerung wäre etwa möglich für klinische Prüfungen, die den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG iVm den entsprechenden Modifizierungen in § 40 Abs. 4, 41 AMG nicht standhalten, und auch für den Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG, soweit er iSe absoluten Abwägungssperre für § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG in Erscheinung tritt. Angesprochen ist hiermit die bislang ungelöste und teils kontrovers diskutierte Frage nach dem Verhältnis einer positiven Risiko-Nutzen-Abwägung respektive der ärztlichen Vertretbarkeit als paternalistischer Rechtfertigungsgrund zur individualistischen Rechtfertigung, die dem Prinzip der Einwilligung nach Aufklärung folgt. Diesbezüglich geht es um die Frage, ob ein ärztlich unvertretbares Versuchshandeln gleichwohl über die Einwilligung des Versuchsteilnehmers „gerechtfertigt“ werden kann, oder ob das Kriterium der ärztlichen Vertretbarkeit gleichzeitig die Grenze der Dispositionsbefugnis des Rechtsgutträgers markiert und die gegebene Einwilligung möglicherweise als sittenwidrig zu bewerten ist, § 228 StGB.620 Die Klärung jener Vorrangrelation wäre im hiesigen Kontext Übermaß. Doch lassen sich einige Tendenzen in der Literatur erkennen: So hat Eser auf die kumulativen Verbindungen von Einwilligungs- und Nutzen-Risiko-Faktoren hingewiesen. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit sei spätestens dort erreicht, „wo die Selbstfreigabe einer Verletzung der nach Art. 1 GG unantastbaren Menschenwürde gleichkäme oder Art und Grad der hingenommenen Verletzung völlig außer Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen würde“. Der Proband dürfe keinem Risiko ausgesetzt werden, „dessen Ausmaß und Gewicht nicht einmal annähernd durch den erhoffbaren Erkenntnisgewinn
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Vgl. Hardtung, in: MüKo/StGB, § 228 Rn. 44 a.E.: „Humanexperimente, insb. die Erforschung neuer Heilmittel, bergen abzuwägende Gefahren (für den Betroffenen) und Chancen (fast immer für andere als den Betroffenen) in von Fall zu Fall höchst wechselhaften Größen. Rechtliche Vorgaben finden sich in §§ 40 bis 42 AMG; sie sind für § 228 beachtlich, weil sie dem Schutz des Betroffenen dienen“.
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aufgewogen würde“621 . Fischer hat für wissenschaftliche Versuche eine ähnliche Grenze postuliert. Die Dispositionsbefugnis ende dort, wo „sich das Risiko derart zur konkreten Gefahr verdichtet, dass ein tödlicher oder schwerer gesundheitsschädigender Versuchsausgang keineswegs fernliegt, sondern bei dem einzelnen Probanden ernsthaft in Betracht kommt“622 . Rosenau hat die Risiko-Nutzen-Bilanzierung und die Einwilligung des Versuchsteilnehmers mit „zwei kommunizierenden Röhren“ verglichen: Sinkt die eine Röhre wegen höheren Risiken oder geringeren Nutzen, so steige die andere Röhre mit der Folge, dass strengere Anforderungen an die geschuldeteAufklärung zu stellen sind623 , wobei sich nach dieser Konzeption die Frage stellt, wann die Absenkung der einen Röhre nicht mehr durch die Anhebung der anderen ausgeglichen werden kann. Mayer sieht generell in der Zustimmung des Patienten/Probanden eine nach § 228 StGB unwirksame Einwilligung, wenn die klinische Prüfung nicht den Anforderungen der §§ 40 ff. AMG genügt.624 Wölk hat in seiner umfangreichen Abhandlung dargelegt, dass eine negative Nutzen-Risiko-Abwägung nicht durch die aufgeklärte Einwilligung überwunden werden könne. Beide Voraussetzungen seien jeweils notwendige, für sich allein jedoch nicht hinreichende Bedingungen, womit gleichzeitig der individuellen Dispositionsbefugnis Grenzen gezogen werden. Dass dem Probanden die Dispositionsbefugnis genommen werde, liege aber nicht daran, dass jener vor sich selbst geschützt werden müsse, sondern in höherrangigen Allgemeinwohl- und Drittinteressen.625 Schließlich ließe sich auch auf die Diskussion zum Unrechtsgehalt des kontraindizierten ärztlichen Heileingriffs zurückgreifen626 , was etwa für die §§ 40 Abs. 4 Nr. 1, 41 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 AMG relevant wäre, wenn das jeweilige Arzneimittel nicht „angezeigt“ ist, mithin die Versuchsteilnehmer keinen Eigennutzen aus der klinischen Prüfung ziehen. Festhalten lässt sich, dass sich nach derzeitigem Stand die „ärztliche Unvertretbarkeit“ respektive eine negativ ausfallende Risiko-Nutzen-Abwägung auf die Sittenwidrigkeit bzw. die Dispositionsbefugnis des Versuchsteilnehmers auswirken und trotz ordnungsgemäßer Aufklärung die Unwirksamkeit der gegebenen Einwilligung nach sich ziehen kann. Dies wäre mit einer Schutzbereichsverlagerung und -erweiterung vom Normzweck auf die Eigenmächtigkeit der Forschungsbehandlung verbunden. gg. Ergebnis Bei dem spezialgesetzlich in den §§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 3, 41 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AMG niedergelegten Prinzip der Einwilligung 621
Eser, in: GS Schröder, S. 191, 209 f.; ders., Der Chirurg, 1979, 215, 219 f.; ders., in: Kruse, Psychologische Grundlagenforschung, S. 173, 190 f. 622 Fischer, Medizinischen Versuche, S. 14 ff. (Zitat: S. 17). 623 Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 69. 624 Mayer, Produktverantwortung, S. 630. 625 Wölk, Risikovorsorge, S. 449 ff., bes. S. 450 f., 455 ff., 463 ff. 626 Eingehend Duttge, MedR 2005, 706 ff. m.w. Nachw.
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nach Aufklärung handelt es sich um den individualistischen Rechtfertigungsgrund klinischer Prüfungen am Menschen. Die Überprüfung, ob eine selbstbestimmte Entscheidung des Versuchsteilnehmers sichergestellt ist, liegt in der ausschließlichen Beurteilungskompetenz der Ethik-Kommission, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG. Beurteilungsgrundlage, ob die gesetzlichen Vorgaben für eine wirksame Einwilligung erfüllt werden, ist in erster Linie die der Ethik-Kommission vorzulegenden Patienteninformation, § 7 Abs. 3 Nr. 9 GCP-V. Daneben sind die Voraussetzungen zu prüfen, die das Gesetz für die besonderen Personengruppen aufgestellt hat. Die Patienteninformation muss sich als prüfplankonforme Umsetzung der konkreten klinischen Prüfung aus Laienperspektive darstellen und eine subjektive NutzenRisiko-Abwägung mit persönlich definierter Vertretbarkeitsschwelle ermöglichen. Hierzu zählt in erster Linie die Risikoaufklärung. Bei kontrollierten Versuchen muss der Versuchsteilnehmer so aufgeklärt werden, dass seine Einwilligung die randomisierte Gruppenzuteilung rechtfertigt. Ferner sind über die Probandenrechte und -pflichten aufzuklären. Auch die Sicherungsaufklärung muss in der Patienteninformation enthalten sein. Ethik-Kommissionsmitglieder, die einer klinischen Prüfung zustimmen, ohne dass die Patienteninformation eine wirksame Einwilligung erwarten lässt, verletzen ihre gegenüber den Versuchteilnehmern obliegenden Amtspflichten. Der sachliche Schutzbereich der Amtspflicht divergiert je nach den Unzulänglichkeiten der Aufklärung und der Einwilligung. Ist die klinische Prüfung nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG ärztlich nicht vertretbar, so kann dies nach derzeitigem Stand die Unwirksamkeit der gegebenen Einwilligung nach sich ziehen, mit der Folge, dass sich der Schadensersatzanspruch (zusätzlich) nach den Grundsätzen der eigenmächtigen (Forschungs-)Behandlung richtet. f. Verbot klinischer Prüfungen an verwahrten Personen, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG aa. Inhalt Klinische Prüfungen an Personen, die auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht sind, erklärt das AMG schlicht für unzulässig, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG. Da die Vorschrift in den allgemeinen Voraussetzungen aufgenommen worden ist und § 41 AMG jeweils auf § 40 Abs. 1–3 AMG verweist, gilt dieses Verbot ausnahmslos.627 Hintergrund dieses Verbots sind nicht zuletzt die verbrecherischen Menschenversuche der Vergangenheit. Das Gesetz stellt im Ergebnis eine Vermutung auf, dass Personen in einem besonderen Gewaltverhältnis ihren Willen nicht frei bestimmen können.628 In der Literatur werden dagegen Ausnahmen für therapeutische Versuche diskutiert. Sie stützen sich entweder auf den Notstand 627
S.a. Duttge, in: FS Deutsch II, S. 119, 128. Unstreitig, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1322; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 12; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 58; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 81; Osieka, Humanforschung, S. 213; Sander, Erl. § 40 Anm. 24; Rehmann, § 40 Rn. 6; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 68; ausf. u. krit. Almer, Zwangsweise Unterbringung, bes. S. 87 ff., 164 ff. u. passim. 628
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(§ 34 StGB) oder auf die von Fischer 629 vorgeschlagene teleologische Reduktion, wenn die klinische Prüfung an die besondere Situation der Verwahrten anknüpft.630 Ob Ausnahmen von diesem Verbot tatsächlich zuzulassen sind, erscheint fraglich, denn ausweislich der Gesetzesmaterialien wird schlicht „unterstellt, dass wegen des besonderen Gewaltverhältnisses eine freie Willenentscheidung nicht möglich ist“.631 Die für eine Einschränkung des Verbots eintretende Auffassung berücksichtigt nicht, dass die „Rücknahme“ einer Schutzvorschrift sich bei deren Verletzung auch nachteilig auf die Rechtverfolgungsansprüche des Verletzten auswirkt, denn lässt man Versuche an Verwahrten zu, so ist jenen im Falle eines Schadensfalles die Berufung auf ihre unfreiwillige Teilnahme verwehrt.632 bb. Amtspflichtverletzung Klinische Prüfungen, die an Personen durchgeführt werden sollen, die auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht sind, hat die Ethik-Kommission ablehnend zu bewerten, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG. Eine gleichwohl ergehende zustimmende Bewertung stellt eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten dar. Unerheblich ist, ob dem Verbot Schutznormcharakter zuzuschreiben ist633 , da jedenfalls die gegebene Einwilligung mangels (unterstellter) Fähigkeit zur freien Willensbildung unwirksam ist.634 Die Haftung richtet sich mithin nach den erörterten Grundsätzen zur eigenmächtigen (Forschungs-)Behandlung. g. Geeignetheit der Einrichtung, angemessene Qualifikation der Prüfer, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG Eine klinische Prüfung eines Arzneimittels darf nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG nur dann durchgeführt werden, wenn sie in einer geeigneten Einrichtung von einem angemessen qualifizierten Prüfer verantwortlich durchgeführt wird. Hiermit sind lokalitätsbezogene Voraussetzungen der klinischen Prüfung angesprochen. Sie folgen den Gedanken der Verkehrssicherungspflicht und des Übernahmeverschuldens. 629
Fischer, Medizinische Versuche, S. 68. Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1322; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 12; Osieka, Humanforschung, S. 213; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 58; krit. zu § 34 StGB Bork, NJW 1985, 654, 656; zu beiden Ansätzen krit. Duttge, in: FS Deutsch II, S. 119 ff. Eingehender Überblick über die internationalen und europäischen Regelungen zur Forschung an Strafgefangenen bei Elger, Bioethics 2008, 224 ff. 631 Vgl. BT-Drs. 7/3060; ebenso Rehmann, § 40 Rn. 6; Duttge, in: FS Deutsch II, S. 119, 123, 125 f. 632 Krit. auch Duttge, in: FS Deutsch II, S. 119 ff., bes. S. 127 ff., 132 f., 135 f. m.w. Nachw, 633 Für Schutzgesetzqualität iSd § 823 BGB Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 75; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137; Stock, Probandenschutz, S. 121 f.; a.A. Fischer, Medizinische Versuche, S. 82; Deutsch, VersR 1979, 678, 691 634 Ebenso Fischer, Medizinische Versuche, S. 82; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 68. 630
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aa. Voraussetzungen (1) Geeignete Einrichtung Wann im Einzelfall eine Geeignetheit der Prüfstätte vorliegt, lassen weder das AMG noch andere Regelungswerke erkennen.635 Allgemein hat man zumindest zu fordern, dass eine Geeignetheit hinsichtlich der Zwecke der klinischen Prüfung vorhanden sein muss. Zur näheren Konkretisierung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs lässt sich auf § 7 Abs. 3 Nr. 8 GCP-V zurückgreifen. Danach sind der Ethik-Kommission Angaben zur Eignung der Prüfstelle vorzulegen. Dies umfasst „insbesondere Angaben zur Angemessenheit der dort vorhandenen Mittel und Einrichtungen sowie des zur Durchführung der klinischen Prüfung zur Verfügung stehenden Personals und zu Erfahrungen in der Durchführung ähnlicher klinischer Prüfungen“. Art, Anzahl und Ausstattung der Prüfräume müssen sich mit Blick auf den Zweck der klinischen Prüfung als geeignet erweisen. Eingeschlossen ist hierin, dass für zu erwartende Zwischenfälle spezielle Ausrüstungen zur Verfügung stehen müssen636 , etwa für Wiederbelebungsmaßnahmen.637 (2) Angemessen qualifizierter Prüfer Alle Prüfer müssen eine „angemessene Qualifikation“ aufweisen. Unklar ist jedoch, welche Kriterien für eine angemessene Qualifikation anzulegen sind, zumal seit der 12. AMG-Novelle der Arztvorbehalt weggefallen ist. Die GCP-V verlangt lediglich die Vorlage von Lebensläufen oder „andere geeignete Qualifikationsnachweise“ und erweist sich damit für die nähere Konkretisierung als nicht ergiebig.638 Ob sich pauschale Kriterien wie die Approbation als Arzt639 oder die abgeschlossene Facharztweiterbildung640 eignen, erscheint fraglich. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll es auch nicht ausgeschlossen sein, dass Berufsanfänger als Mitglieder eines Prüfungsteams in Frage kommen.641 Zu fordern hat man jedenfalls, dass der Prüfer wissenschaftlich und klinisch in dem betroffenen Indikationsgebiet hinreichend erfahren ist. Mit der 15. AMG-Novelle ist klargestellt worden, dass sich die zweijährige Erfahrung in der klinischen Prüfung nicht auf jeden Prüfer bezieht. Ausreichend ist es, wenn die klinische Prüfung von einem Prüfer mit mindestens zweijähriger Erfahrung in der klinischen Prüfung von Arzneimitteln „geleitet wird“.642 Dies erfordert 635
Vgl. Sander, Erl. § 40 Anm. 25 a.E.: „Einzelfallbewertung“. Wie hier Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 59; Osieka, Humanforschung, S. 217 f.; Sander, Erl. § 40 Anm. 25 a.E. 637 Weiss v. Solomon, Cour Supérieur de Québec v. 23. 12.1989, 48 C.C.L.T. 280; hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 68. Zu dieser Entscheidung bereits oben, § 2 D. 638 Vgl. Lippert, GesR 2008, 120; ders., in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 12. 639 So Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 61. 640 So Lippert, GesR 2008, 120. 641 Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 30 642 Vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 50; hierzu auch Broch/Diener/Klümper, PharmR 2009, 149, 152. 636
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eine Tätigkeit, die über die reine Anwendung der Prüfarzneimittel hinausgeht, wie etwa die Patientenrekrutierung und die Studienüberwachung.643 bb. Amtspflichtverletzung Ob die klinische Prüfung in einer geeigneten Prüfstätte von angemessen qualifizierten Prüfern (verantwortlich) durchgeführt wird, obliegt nur644 der Prüfung der Ethik-Kommission(en), § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG.645 Bei mulizentrischer Versuchsdurchführung entscheidet die federführende Ethik-Kommission nach § 8 Abs. 5 GCP-V „im Benehmen“ mit den beteiligten Ethik-Kommissionen über die Erfordernisse des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG. Diese Aufteilung in eine „Benehmensentscheidung“ ändert nichts an der Verantwortung der federführenden Ethik-Kommission, auch über die Einhaltung der lokalen Voraussetzungen letztverbindlich zu entscheiden. Erfüllt eine Prüfstätte und/oder ein Prüfer, deren Qualifikation/Geeignetheit der Prüfung der beteiligten Ethik-Kommission obliegt, nicht die Anforderungen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG, so liegt eine Amtspflichtverletzung der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission vor.646 Noch näher zu erörtern ist jedoch die Frage, ob es in Anbetracht der ortsnähe der lokalen Kommission nicht am Verschulden der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission fehlen kann und ob nicht eine Haftung der Mitglieder beteiligter Ethik-Kommissionen in Frage kommt.647 cc. Drittgerichtetheit Die Drittrichtung der Amtspflichtverletzung wird über die verletzte Norm vermittelt. Fraglich ist, ob § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG Schutznormqualität hat. Während in der Literatur der Vorschrift teilweise nur formeller Charakter zuerkannt wird648 , so überwiegt jedoch die individualschützende Interpretation.649 Diese Sichtweise entspricht auch der Gesetzesbegründung zur 12. AMG-Novelle. Die zweijährige Erfahrung ist ausdrücklich „zum Schutze der Prüfungsteilnehmer und allgemein im Interesse der 643
Vgl. zum Ganzen Lippert, GesR 2008, 120 ff.; ders., in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 12; Rehmann, § 40 Rn. 7; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 61 ff.; Sander, Erl. § 40 Anm. 25; Osieka, Humanforschung, S. 218 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1323; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 124 ff. 644 Die zuständige Bundesoberbehörde hat § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG bei der Genehmigungserteilung nur insoweit zu berücksichtigen als ihr bereits Erkenntnisse vorliegen, dass die Prüfeinrichtung für die Durchführung der klinischen Prüfung nicht geeignet ist, § 42 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 AMG. Diese Erkenntnisse können ihr etwa aus GCP-Inspektionen vorliegen, vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 50. 645 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 59; Sander, Erl. § 40 Anm. 25. 646 (Nur) insoweit übereinstimmend van der Sanden, Haftung, S. 195 ff. 647 Hierzu unten, § 5 C.III. 648 Etwa Deutsch, VersR 1979, 685, 690. 649 Für Schutzgesetzqualität iSd § 823 Abs. 2 BGB Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 75, Fischer, Medizinische Versuche, S. 82; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137; Kreß, EthikKommissionen, S. 27.
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Einhaltung der Anforderungen der GCP sowie der Erzielung entsprechender Ergebnisse“ eingeführt worden.650 Hieraus lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass nur das Kriterium der „zweijährigen Erfahrung“ individualschützend ist, sondern dass die Vorschrift insgesamt zumindest auch, d. h. neben der Erzielung wissenschaftlich fundierter Prüfergebnisse, dem Schutze der Prüfungsteilnehmer zu dienen bestimmt ist. Ungeeignete Prüfeinrichtungen und unqualifizierte Prüfer stellen eine besondere Gefahr für Versuchsteilnehmer dar.651 Sowohl Teilnehmer der Test- als auch der Kontrollgruppe zählen zum geschützen Personenkreis. Der sachliche Schutzbereich ist sowohl eng als auch weit zu ziehen: Geschützt werden zunächst solche Schäden, die bei Durchführung in einer geeigneten, d. h. nach Art, Anzahl und Ausstattung den Zwecken der klinischen Prüfung entsprechenden Prüfstätte vermieden worden wären. Andere Schäden werden nicht erfasst. Weiter zu ziehen ist der sachliche Schutzbereich im Falle unqualifizierter Prüfer. Erfasst werden Schäden, die auf „Unerfahrenheit“ zurückzuführen sind; der Schutzbereich kann sich folglich auch auf das in der klinischen Prüfung angelegte immanente Unsicherheitsrisiko beziehen, wenn jenes Risiko bei Erfahrenheit des Prüfers ausgeblieben oder hätte gemildert werden können. dd. Beurteilungsspielraum Die Begriffe der „Geeignetheit“ und der „Angemessenheit“ weisen zwar ein hohes Maß an Vagheit auf, eine Letztentscheidungsbefugnis der (federführenden) Ethik-Kommission lässt sich jedoch nicht erkennen, denn weder greift ein Kompetenzvorsprung vor den Gerichten ein, noch handelt es sich um eine prognostischwertende Betrachtung, bei der die besondere Qualifikation und/oder die besondere pluralistische Zusammensetzung im Vordergrund steht.652 h. Durchführung einer pharmakologisch-toxikologischen Prüfung und die Unterrichtung über deren Ergebnisse § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 u. 7 AMG Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung kommt der pharmakologischtoxikologischen Prüfung des Arzneimittels (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG) sowie der Unterrichtung der einzelnen Prüfer über deren Ergebnisse (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG) zu. 650
Vgl. BT-Drs. 15/2109, S. 30: „Zum Schutze der Prüfungsteilnehmer und allgemein im Interesse der Einhaltung der Anforderungen der GCP sowie der Erzielung entsprechender Ebnisse wird jedoch festgelegt, dass ein Prüfer, der als alleiniger Prüfer eine klinische Prüfung durchführt oder als Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung die Verantwortung für die Durchführung übernimmt, über eine mindestens zweijährige Erfahrung in der Durchführung klinischer Prüfungen verfügen muss“. 651 So explizit auch Fischer, Medizinische Versuche, S. 82. 652 So unterliegen nach h.M. z.B. der Begriff der „Unzuverlässigkeit“ (§ 35 GewO) und die „erforderliche Sachkunde“ (§ 36 GewO) vollständiger gerichtlicher Überprüfung; vgl. BVerwG NVwZ 1991, 268, 269; Kopp/Ramsauer, § 40 Rn. 81 m.w. Nachw.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
aa. Voraussetzungen (1) Pharmakologisch-toxikologische Prüfung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG Nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG muss vor Beginn einer klinischen Prüfung eine dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels durchgeführt worden sein. Für Toxizitätsstudien gilt grundsätzlich, dass die Dauer der toxikologischen Untersuchungen und die verabreichten Dosen die vorgesehene Anwendungsart und Dauer beim Menschen abdecken müssen und denkbare Schädigungen durch entsprechende Untersuchungen weitgehend ausgeschlossen werden. Die Prüfungen müssen Aufschluss über das Toxizitätspotential und über die pharmakologischen Eigenschaften des Arzneimittels in quantitativer und qualitativer Hinsicht in Relation zur vorgeschlagenen Anwendung beim Menschen geben.653 Hierfür kommen sowohl tierische Versuche als auch Versuche an isolierten Organpräparaten in Frage. Konkretisiert wird der „jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ durch die Arzneimittelprüfrichtlinie (§ 26 AMG) und durch europäische und internationale Leitlinien.654 Ihre Vorlage ist zudem Voraussetzung für die Erteilung der Zulassung, § 22 Abs. 2 Nr. 2 AMG. (2) Rückwirkung auf § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2, Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 u. 3 AMG am Beispiel des TeGenero-Falles Der TeGenero-Fall655 hat die medizinische, insbesondere die pharmakologische Diskussion über die Bedeutung der pharmakologisch-toxikologischen Prüfung in zweifacher Weise entfachen lassen. Zum einen ist erkannt worden, dass präklinische Versuche, auch solche an Tieren, ungeeignet sind, das Toxizitätspotenzial für den Menschen hinreichend genau abschätzen zu können. Zum anderen sind die einzuhaltenden Anforderungen für die toxikologische Prüfung und die ErstAnwendung am Menschen (Phase I) erhöht und präzisiert worden. So hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) Leitlinien zur Identifizierung und Minderung von Risiken bei Phase-1-Studien mit experimentellen medizinischen Produkten herausgegeben.656 Erforderlich ist die sorgfältige Durchführung eines toxikologischen Programms sowie die sequentielle, d. h. aufeinanderfolgende Einschließung von Probanden unter Einhaltung eines zeitlichen Sicherheitsabstands, was bei der Testung in London nicht der Fall war.657 Anschaulich lässt sich hieran das Zusammenspiel der einzelnen Zulassungsvoraussetzungen der §§ 40 ff. AMG aufzeigen: So 653 Einzelheiten hierzu bei Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 35 ff.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 65; Sander, Erl. § 40 Anm. 26 654 Ausführlicher Überblick bei Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 39 f.; ferner Schneider/Kalinke, Bundesgesundheitsbl. 2007, 1213, 1216. 655 Hierzu bereits oben, § 4 B. 656 EMEA/CHMP/SWP/28367/07 („Guideline on strategies to identify and mitigate risks for firstin-human clinical trials with investigational medicinal products“). 657 Weiterführend zum TGN1412-Zwischenfall Schneider/Kalinke, Bundesgesundheitsbl. 2007, 1213, 1216 ff.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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entfalten die erlassenen Leitlinien zunächst über den „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG Wirkung. Je nach den erzielten Ergebnissen wirken sie zurück auf den nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG einzuhaltenden Stand: Ein Prüfdesign, welches bei Testpräparaten mit erhöhten Risiken in kurzen Abständen aufeinanderfolgende Dosierungen vorsieht, entspricht nicht (mehr) dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Dies leitet schließlich über zur „ärztlichen Vertretbarkeit“ der Risiken und zu den autonomiesichernden Voraussetzungen. Gerade bei Studien der Phase I wird man nicht nur die Mitteilung der Ergebnisse über die pharmakologisch-toxikologische Prüfung verlangen müssen, sondern auch, dass die vorhandenen Ergebnisse nicht repräsentativ für die zu erwartenden Risiken sind. (3) Unterrichtung der Prüfer, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG Die pharmakologisch-toxikologische Prüfung entfaltet erst dann hinreichenden Schutz für die Versuchsteilnehmer, wenn – wie § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG dies vorsieht – jeder Prüfer658 durch einen für die pharmakologisch-toxikologische Prüfung verantwortlichen Wissenschaftler über deren Ergebnisse und die voraussichtlich mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken informiert wird, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG. Eine derartige Unterrichtung ist Voraussetzung dafür, dass jeder einzelne Prüfer auftretende Nebenwirkungen vor dem Hintergrund der pharmakologischtoxikologischen Prüfung bewerten und über die Fortführung oder Beendigung der klinischen Prüfung entscheiden kann.659 bb. Amtspflichtverletzung Ist einer klinischen Prüfung keine nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels vorausgegangen und/oder werden nicht alle Prüfer über deren Ergebnisse und die voraussichtlich mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken informiert, so hat die Ethik-Kommission die Studie ablehnend zu bewerten, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 u. 7 AMG. Eine durch die Mehrheit der Kommissionsmitglieder erlassene zustimmende Bewertung begründet eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten. cc. Drittgerichtetheit Die individualschützende Dimension des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 u. 7 AMG ist in der Literatur unstreitig, da der vorrangige Zweck in der Geringhaltung zu erwartender Neben- und Wechselwirkungen dient.660 Der personelle Schutzbereich dürfte jedoch 658
Vor der 12. AMG-Novelle müsste nur der Leiter der klinischen Prüfung unterrichtet werden; vgl. Osieka, Humanforschung, S. 222. 659 Vgl. Sander, Erl. § 40 Anm. 27; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1323 a.E. 660 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 75; Fischer, Medizinische Versuche, S. 82; CloidtStotz, Schadensausgleich, S. 137; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 27.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
generell auf diejenigen beschränkt sein, denen tatsächlich das präklinisch ungeprüfte bzw. unzureichend geprüfte Testpräparat verabreicht wird. Entsprechendes gilt für den fehlerhaft instruierten Prüfer. Placeboteilnehmer können sich nicht auf § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 u. 7 AMG berufen. Der sachliche Schutzbereich ist weit zu ziehen, da die fehlende und/oder fehlerhafte pharmakologisch-toxikologische Prüfung in einem direkten Zusammenhang zum immanenten Unsicherheitsrisiko steht, welches gerade durch eine entsprechende Prüfung reduziert werden soll. In den Schutzbereich fallen jegliche Schäden, die durch eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Prüfung hätten verhindert werden können.
dd. Beurteilungsspielraum Wissenschaftsverweise können einerseits als Indikator für eine Beurteilungsermächtigung anzusehen sein, andererseits variieren sie in Intensität, Technik und Wirkung, sodass eine einheitliche Handhabung nicht angezeigt ist, sondern kontextabhängig zu geschehen hat.661 Ergab sich für § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG, dass der dort enthaltene „Wissenschaftsverweis“ umfassend und nicht abschließend definierbar zu verstehen ist und gerade der Ethik-Kommission als besondere Institution, die einen Großteil der relevanten Wissenschaften repräsentiert und wissenschaftsbezogene Auffassungsunterschiede bereits in sich im Wege des interdisziplinären Diskurses zum Ausgleich bringen kann, eine Letztentscheidungsbefugnis einzuräumen war, so erscheint dagegen § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG in einem ganz anderen Licht: Systematisch ist er den allgemeinen Voraussetzungen des § 40 AMG unterstellt worden und eine andere Wissenschaft als diejenige der Pharmakologie gibt keinen Aufschluss darüber, ob die vorherige Testung dem einzuhaltenden Stand entspricht. Weiterhin ist weder erkennbar, dass die Ethik-Kommission allein aufgrund der Tatsache, dass sie pharmakologischen Sachverstand aufweist, einen Kompetenzvorsprung vor den Gerichten besitzt. Demzufolge ist ein Beurteilungsspielraum im Rahmen von § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG nicht anzunehmen.
i. Vorhandensein einer „angemessenen“ Probandenversicherung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 iVm Abs. 3 AMG aa. Voraussetzungen § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG verlangt, dass für den Fall, dass bei der Durchführung der klinischen Prüfung ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird, eine Versicherung besteht, die auch dann Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet.662 Die Anforderungen, die an diese Probandenversicherung gestellt werden, sind in § 40 Abs. 3 AMG näher
661 662
S. bereits oben, § 5 B.II.4.c.aa. Zur Probandenversicherung bereits ausführlich oben, § 5 A.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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aufgeführt. Voraussetzung ist neben dem Versicherungsvertrag mit einem nach Maßgabe des § 40 Abs. 3 S. 1 AMG zugelassenen Versicherers663 , dass ihr Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken steht und auf der Grundlage der Risikoabschätzung so festgelegt ist, dass für jeden Fall des Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit einer von der klinischen Prüfung betroffenen Person mindestens 500.000 € zur Verfügung stehen. Die erforderliche Versicherungssumme für jeden Probanden kann daher auch höher ausfallen, wenn etwa schwerwiegende Nebenwirkungen zu erwarten sind.664 Seit der 12. AMG-Novelle ist nunmehr geklärt, dass die Gesamtversicherungssumme keinen Additionsvorgang darstellt, sondern das Ergebnis einer Risikoabschätzung ist.665 bb. Amtspflichtverletzung Die Ethik-Kommission hat eine klinische Prüfung, für die entweder keine Probandenversicherung abgeschlossen worden ist oder deren Versicherungssumme im Verhältnis zu den zu erwartenden Risiken unangemessen ist, ablehnend zu bewerten, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG. Eine gleichwohl ergehende zustimmende Bewertung begründet eine Amtspflichtverletzung.666 Besonders die Haftungshöchstsummen müssen von der Ethik-Kommission geprüft werden. Ist eine zu niedrige Deckung vorhanden, weil die Risikoabschätzung ergibt, dass die vorgesehene Gesamtversicherungssumme oder die Versicherungsleistung für den einzelnen Prüfteilnehmer „unangemessen“ ist, so stellt eine uneingeschränkt ergehende zustimmende Bewertung eine Amtspflichtverletzung dar.667 Der Hinweis darauf, Ethik-Kommissionen seien hiermit überfordert, greift nicht durch: Die zur Rekrutierung der Ethik-Kommissionsmitglieder berufene Stelle hat vielmehr sicherzustellen, dass die Ethik-Kommission ihren Begutachtungsauftrag erfüllen kann. Anderenfalls ist sie selbst aus dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens haftbar.
663 Die Versicherung muss nach § 40 Abs. 3 S. 1 AMG bei einem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherer genommen werden. 664 Zur „Angemessenheit“ vgl. Swik, PharmR 2006, 76, 78 f.; Walter-Sack/Rittner, VersR 2003, 432 ff.; Sander, Erl. § 40 Anm. 39; Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 426; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 83. 665 S.a. BT-Drs. 15/2109, S. 30. „Die risikogestufte Bewertung soll es ermöglichen, dass im Rahmen der Prämiengestaltung adäquate Bedingungen für solche Studien geschaffen werden, die mit bekannten Stoffen geringen Risikopotenzials oder mit zugelassenen Arzneimitteln in Rahmen von Phase IV durchgeführt werden“. 666 Ebenso Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 162; Voit, PharmR 2005, 345, 351. 667 Wie hier Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 162, Voit, PharmR 2005, 345, 351; s.a. Swik, PharmR 2006, 76, 78; weitergehend Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 207 f.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
cc. Drittgerichtetheit § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG ist unstreitig Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB.668 Hieraus folgt auch zugleich die Drittgerichtetheit der Amtspflichtverletzung. In den personellen Schutzbereich fallen sowohl Teilnehmer des Test- als auch der Kontrollgruppe, da beide zum versicherten Personenkreis zählen. Der sachliche Schutzbereich wird erheblich durch die Leistungsausschlüsse der Probandenversicherung verkürzt. Nur solche Schäden, für die eine Leistungsverpflichtung der Probandenversicherung besteht, fallen in den Schutzbereich. Ersatz für immaterielle Schäden oder für solche, für die die Subisidiaritätsklausel eingreift, können mithin nicht verlangt werden.669 Ist die Probandenversicherung dagegen „unangemessen“, so fallen in den Schutzbereich auch solche Schäden, die von einer angemessenen Probandenversicherung erfasst wären. dd. Beurteilungsspielraum Bei dem Begriff der „Angemessenheit“ handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in einer partiellen Abhängigkeit zur vorzunehmenden Risikoabschätzung nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG steht: Die Ethik-Kommission kann niemals ein günstiges Risiko-Nutzen-Verhältnis bejahen, weil die Risiken durch eine Probandenversicherung abgedeckt sind. Sie kann aber zu der Einschätzung kommen, dass aufgrund der vorhersehbaren Risiken (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG) der Umfang der Versicherungssumme im Verhältnis zu den mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken unangemessen ist. Es handelt sich in beiden Fällen um eine wertende Risikound Prognoseentscheidung, die eine flexible Einzelfallkonkretisierung des Gesetzes erforderlich macht. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll es sich gerade nicht „um eine rein formale Rechenoperation“ handeln, sondern um eine „risikogestufte Bewertung“.670 Ebenfalls greifen die für eine Beurteilungsermächtigung anzulegenden Kriterien ein: Bei der Prüfung der Angemessenheit der Probandenversicherung handelt es sich ebenso wie bei § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG um einen Vorgang, bei dem die besondere Qualifikation und die pluralistische Zusammensetzung der Kommission im Vordergrund steht. Die Angemessenheit verlangt eine (bio-)statistische Bewertung, eine medizinische Folgenbewertung unter Berücksichtigung juristischer Schadensbemessungenen sowie die Einbeziehung bereits vorhandener pharmakologischer Erkenntnisse über das Testpräparat. Die Ethik-Kommission besitzt hier nach funktioneller Betrachtungsweise einen Kompetenzvorsprung gegenüber den Gerichten und kann dadurch, dass sie einen Großteil der relevanten Wissenschaften repräsentiert, eine Risiko- und Gefahrenabschätzung besser vornehmen. Es 668
Vgl. nur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1339; Deutsch, in: FS Schreiber, S. 43, 47; Voit, PharmR 2005, 345, 350; Sander, Erl. § 40 Anm. 39; Rehmann, § 40 Rn. 9 a.E.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 73; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 27 f.; Fischer, Medizinische Versuche, S. 82; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 137. 669 Zu den einzelnen Ausschlüssen bereits oben, § 5 A.II.3. 670 BT-Drs. 15/2109, S. 30.
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wirken sich in diesem Bereich die kognitiven Defizite über das Unsicherheitsrisiko aus, welches durch eine interdisziplinäre Bewertung kompensiert wird. Den Ethik-Kommissionen ist also auch hier ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen.671 ee. Die Probandenversicherung in der neueren Literatur und die Konsequenzen In neuerer Zeit ist zunehmend in Frage gestellt worden, ob die derzeitige Ausgestaltung der Probandenversicherung die Vorgaben des AMG erfüllt. Die Kritik bezieht sich vor allem auf den Ausschluss immaterieller Schäden und auf die Begrenzung der Versicherungsleistung auf Haftungshöchstbeträge. Nach Voit kann es etwa als „nicht mehr angemessen angesehen werden“, wenn die Versicherungsleistung sich nicht auch auf den immateriellen Schaden bezieht. Hieraus zieht er die Konsequenz, dass eine gleichwohl ergehende zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission eine Amtspflichtverletzung darstelle.672 Zu dem gleichen Ergebnis kommen Freund/Reus. Sie ziehen darüber hinaus aber auch die weiteren Ausschlüsse ein, insbesondere die Begrenzung der Leistung auf Höchstbeträge und verweisen zusätzlich noch auf die Straftatbestände der §§ 223 Abs. 1, 229 StGB, 96 Nr. 10 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG. Für Ethik-Kommissionsmitglieder ergebe sich eine korrespondierende Teilnehmerstrafbarkeit, §§ 96 Nr. 10 AMG, 26, 27 StGB.673 Folgt man dem, so läge in jeder zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission zu einer klinischen Prüfung mit einer Probandenversicherung, die den Ausschluss immaterieller Schäden vorsieht, eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung. Der sachliche Schutzbereich erfasst demzufolge auch den immateriellen, nicht von der Probandenversicherung gedeckten Schaden674 des Versuchsteilnehmers. Die Berufung auf die Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) wird aufgrund des verkürzten Verschuldensbezugs erheblich eingeschränkt, denn für die Annahme bedingt vorsätzlichen Handelns der Ethik-Kommissionsmitglieder wäre es bereits ausreichend, wenn sie mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass der Ausschluss immaterieller Schäden rechtswidrig ist und dennoch unter billigender Inkaufnahme der Amtspflichtverletzung gehandelt haben. 671
Ähnlich, aber ohne Schluss auf einen Beurteilungsspieltaum Swik, PharmR 2006, 76, 78: „Somit haben die Ethik-Kommissionen nun die Aufgabe, konkret abzuschätzen, wie viel Versicherungskapazität notwendig ist, um die konkrete Gefährdung der an der klinischen Prüfung teilnehmenden Personen abzudecken“. 672 Voit, PharmR 2005, 345, 347, 351 f.; ders., PatR 2004, 69, 70 ff., 74 f.; dazu auch Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 161 f. 673 Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 209 f. 674 Versagen die Versicherungsbedingungen die Gewährung eines Schmerzensgeldes, so sind sie nach Auffassung von Gödicke/Purnhagen aufgrund des zwingenden Charakters von § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG unwirksam, mit der Folge, dass die Deckungszusage nunmehr unbegrenzt aus dem allgemeinen Schadensrecht folgend (§ 253 Abs. 2 BGB) auch die immateriellen Schäden des Prüfungsteilnehmers abdeckt; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139 ff., bes. S. 142; Gödicke, Formularerklärungen, S. 32 m. Fn. 23. Vgl. zur Wirksamkeitskontrolle von Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Probandenversicherung auch Pisani, PharmR 2009, 55 ff.
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Ob sich einerseits de lege lata die Einbeziehung des immateriellen Schadens rechtfertigen lässt und ob es andererseits zu den Aufgaben der Ethik-Kommissionen zu zählen ist, den „Paradigmenwechsel“ der Probandenversicherer herbeizuführen, muss bezweifelt werden. Für Ethik-Kommissionen dürfte als letztlich ausschlaggebend zu erachten sein, dass die §§ 40 ff. AMG keinen direkten Hinweis auf die Einbeziehung des immateriellen Schadens beinhalten675 und die Ethik-Kommission bei ihrer Eingriffsverwaltungstätigkeit dem strikten Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes unterliegt. Für die Gewährung des immateriellen Schadens spricht freilich, dass der Gesetzgeber seine veränderte Grundwertung (§ 253 Abs. 2 BGB) explizit auf die Gefährdungshaftung übertragen (§ 87 S. 2 AMG, § 8 S. 2 ProdHG) hat und mithin der Endverbraucher eines Arzneimittels einen Schmerzensgeldanspruch aus Gefährdungshaftung hat, der Teilnehmer einer klinischen Prüfung dagegen für seinen immateriellen Schaden nicht versichert und grundsätzlich auf die Verschuldenshaftung angewiesen ist.676 Solange die Probandenversicherung aber auch dann Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet, sie bei einem zugelassenen Versicherer genommen worden ist, ihr Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der klinischen Prüfung verbundenen Risiken steht und auf der Grundlage einer Risikoabschätzung so festgelegt ist, dass für jeden Fall der Todes oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit mindestens 500.000 € zur Verfügung stehen, so darf die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung nicht versagen. j. Ärztliche oder zahnärztliche Versorgung, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG Für die medizinische Versorgung der betroffenen Person hat ein Arzt oder bei zahnmedizinischer Behandlung ein Zahnarzt verantwortlich zu sein, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG. Diese Regelung stellt sicher, dass im Falle der Durchführung der klinischen Prüfung durch einen Nicht-Arzt die medizinische Versorgung des Patienten/Probanden gesichert ist.677 Die Prüfung der Ethik-Kommission nach § 42 Abs. 675
Auf die Angemessenheit der Probandenversicherung nach § 40 Abs. 3 S. 2 AMG kann nicht abgestellt werden, denn das Kriterium bezieht sich auf die Risikoangemessenheit. Das Gesetz bringt hiermit nur die Risikoabwägungsnotwendigkeit zum Ausdruck, nicht jedoch, dass die Probandenversicherung eine Gleichwertigkeit mit gesetzlichen Ansprüchen aufweisen muss. 676 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1342 a.E.; Deutsch, PharmR 2001, 346; ders., JZ 2002, 588, 592 f.; Voit, PharmR 2005, 345, 346 f.; ders., PatR 2004, 69, 70 ff.; Freund/Reus, PharmR 2009, 205, 206 f.; Stock, Probandenschutz, S. 206; Koyuncu, PHi 2005, 86, 89; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 184; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 141 ff.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76e; s.a. vor dem 2. SchadÄndG Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 262 u. 291 f.: „Erst wenn die §§ 84 ff. AMG um einen Schmerzensgeldanspruch ergänzt werden (. . . ) ist der versicherungsrechtliche Anspruch auch auf den Ersatz immaterieller Schäden auszudehnen“ (Zitat: S. 292); a.A. Fischer, in: FS Deutsch, S. 151, 162; Rittner/Taupitz/WalterSack/Wessler, VersR 2008, 158, 160, die darauf abstellen, dass der Gesetzgeber davon abgesehen habe, § 40 Abs. 3 AMG entsprechend der veränderten Grundhaltung zu ändern. 677 Hierzu Kloesel/Cyran, § 40 Rn. 81; Sander, Erl. § 40 Anm. 29; Osieka, Humanforschung, S. 232; Rehmann, § 40 Rn. 10
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1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 9 AMG kann sich nur darauf beschränken, ob im Prüfplan entsprechende Vorkehrungen vorgesehen sind. Fehlt es an solchen, so hat die Ethik-Kommission die zustimmende Bewertung zu versagen. Da die Norm offensichtlich nur den Patienten/Probanden schützt, ist auch die entsprechende Amtspflichtverletzung drittgerichtet. Der personelle Schutzbereich erfasst Teilnehmer der Kontroll- und Testgruppe gleichermaßen. Der sachliche Schutzbereich ist weit zu ziehen. Die Vorschrift beugt Gefahren vor, die aus Nichtkenntnissen resultieren und durch Kenntnisse hätten vermieden werden können. k. Zusammenfassung Der (federführenden) Ethik-Kommission obliegen umfassende Begutachtungs- und Bewertungspflichten. Da sie ein (Rechtsfolgen-)Ermessen für sich nicht in Anspruch nehmen kann, hat sie ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn ein oder mehrere Versagungsgründe des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2–3 AMG vorliegen. Eine gleichwohl ergehende zustimmende Bewertung begründet eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten, die nach außen gegenüber dem Versuchsteilnehmer denjenigen anzulasten ist, die für die Studie votiert haben. § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2–3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4, § 41 AMG haben Schutznormqualität, da sie zumindest auch dem Schutze der Patienten/Probanden zu dienen bestimmt sind. Dies korrespondiert mit der im Zivilrecht vorgenommenen Einordnung als Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB. Sowohl der personelle als auch der sachliche Schutzbereich fallen jeweils unterschiedlich aus und sind u. a. auch von der Einteilung in Test- und Kontrollgruppe abhängig. Für die Ethik-Kommission besteht ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum im Hinblick auf § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 („Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“, Geeignetheit der klinischen Prüfung“), § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG mit den entsprechenden Modifizierungen in § 41 AMG („ärztliche Vertretbarkeit“, „möglichst wenig Belastungen und anderen vorhersehbaren Risiken“, „minimalen Risiko und. . . Belastung“), § 40 Abs. 3 S. 2 AMG („angemessenes Verhältnis“). In diesen Bereichen verlagert sich die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten auf die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausfüllung des Beurteilungsspielraums, was zu gesteigerten Sorgfaltspflichten führt.
5. Amtspflichtverletzung durch Verfahrensfehler: Drittrichtung oder Rückbindung auf die materiellen Ablehnungsgründe a. Vorbemerkungen Dem Verfahrensrecht kommt kein Selbstzweck zu. Es ist auf die Verwirklichung des materiellen Rechts bezogen und hat mithin eine dienende Funktion. Dies gilt nicht nur für das Zivilprozess- und das Verwaltungsprozessrecht, sondern auch für das Verwaltungsorganisationsrecht und schließlich auch für das Verwaltungsverfahrensrecht gerade in Bezug auf die entscheidungsbezogene Informationsgewinnung
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
und -verarbeitung.678 Das zwischen Ethik-Kommission und Sponsor bestehende Kooperationsverhältnis, welches sich im Wesentlichen durch die Pflicht zur Verfügbarmachung der besonderen Sachkunde, namentlich der Unterlagen- und Informationsbeibringungspflicht kennzeichnet, steht in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis zur kollegialen Entscheidung der Ethik-Kommission. Erst das harmonisierende Ineinandergreifen von Kooperationsprinzip und Kollegialprinzip gewährleistet einerseits einen auf einer hinreichenden Bewertungsgrundlage gefassten Beschluss und andererseits den unbefangenen inderdisziplinären Diskurs ohne Einfluss sachfremder Erwägungen. Bewertungsgrundlage, Bewertungsvorgang und Bewertungsergebnis können mithin nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Trotz überwiegender Verlagerung der Sachverhaltsermittlungspflicht auf den Sponsor der klinischen Prüfung ist es dennoch Aufgabe der Ethik-Kommission, für ein zutreffendes ablehnendes oder zustimmendes Bewertungsergebnis auf dem Boden einer verlässlichen Bewertungsgrundlage zu sorgen. b. (Haftungs-)Relevanz Ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer administrativer Beurteilungsspielraum für Ethik-Kommission folgt u. a. aus dem Kompetenzvorsprung vor den Gerichten. Die Ethik-Kommission ist interdisziplinär besetzt und kann durch die Repräsentation der für die Entscheidungsfindung relevanten Wissenschaften Auffassungsunterschiede im Wege des interdisziplinären Diskurses bereits in sich zum Ausgleich bringen. Sie agiert in einem kognitiv weit vorgelagerten Unsicherheitsbereich, der ebenfalls durch eine interdisziplinäre Bewertung kompensiert werden soll, und schließlich entscheidet sie in einem besonderen Verfahren. Umgekehrt gilt aber: Nur dann, wenn die Ethik-Kommission auch tatsächlich die ihr abstrakt zugeschriebenen Strukturmerkmale erfüllt, kann sie eine Gerichtferne beanspruchen. Dies führt zu einer strikt zu postulierenden Einhaltung des (interdisziplinären) Verfahrens und korreliert sowohl mit der Amtspflicht zur rechtmäßigen Ausfüllung des Beurteilungsspielraums als auch mit der gerichtlichen Kontrolldichte: So ist in der gerichtlichen Beurteilungsfehlerüberprüfung neben der Prüfung, ob die Behörde von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist und ob sie sich bei der eigentlichen Beurteilung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten hat, zu untersuchen, ob die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind und ob sie den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat.679 Nur dann, wenn jene Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine administrativ-gerichtsferne Entscheidung zu rechtfertigen, denn ausschließlich unter diesen Prämissen greift die funktionale Betrachtungsweise des Kompetenzvorsprungs ein. Hieraus folgen zugleich die gesteigerten Verfahrens- und 678
Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 19 Rn. 8: „Hilfsfunktion“; zu Letzterem auch Kopp/Ramsauer, Einf. Rn. 13. 679 Vgl. BVerwGE 77, 75, 85; 103, 200, 204; 117, 81, 82; NJW 2007, 2790, 2794; Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 54; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 40 Rn. 220 ff.; Schenke, VerwProzR, Rn. 772 ff.; Bamberger, VerwArch 93 (2002), 217, 227 ff.; Wahl, NVwZ 1991, 409, 415 ff.; für Ethik-Kommissionen s.a. van der Sanden, Haftung, S. 193 f.
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Sorgfaltspflichten.680 Der Amtshaftungstatbestand inkorporiert Beurteilungsspielräume unter zwei Blickwinkeln: Zum einen auf der Ebene der Kausalität, zum anderen beim Tatbestandsmerkmal der Amtspflichtverletzung, wobei Ermessensund Beurteilungsspielräume gleich behandelt werden.681 Jeweils ist erforderlich, dass sich die Behörde in dem ihr gewährten Ermessens- und Beurteilungsspielraum gehalten hat und die Grundlagen für die jeweilige Handhabung mit der erforderlichen Sorgfalt ermittelt wurden. Insgesamt ist der Amtshaftungstatbestand an die Verwaltungsrechtslage angepasst.682 aa. Amtspflicht zu zuständigkeits- und verfahrenskonformen Verhalten Neben der „Rückbindung“ des Verfahrensrechts auf das materielle Recht, insbesondere auf den Beurteilungsspielraum, ist im Rahmen der Amtshaftung anerkannt, dass als „Unterfall“ der Pflicht zu rechtmäßigem Handeln auch die Amtspflicht zu zuständigkeits- und verfahrensgemäßem Handeln gehört. Jeder Amtsträger hat die Pflicht, die Vorschriften über die Form des Verwaltungshandelns, die Zuständigkeit und das Verfahren einzuhalten.683 Hier sind jedoch die Besonderheiten der Verwaltungsrechtslage zu berücksichtigen: So sind – soweit nicht ausnahmsweise eine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 44 VwVfG vorliegt – Verfahrens- und Formvorschriften nach § 45 VwVfG heilbar. Diese Heilung bewirkt nach allgemeinem Verständnis die Unbeachtlichkeit des früheren Rechtsverstoßes und schlägt auch auf die Amtshaftung durch.684 Werden Verfahrens- und Formfehler nicht geheilt oder ist eine Heilung nicht möglich, so greift § 46 VwVfG ein. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Es muss mithin an der Kausalität des Fehlers für den Inhalt der Entscheidung fehlen und dies muss offensichtlich, mithin unschwer und eindeutig erkennbar sein. § 46 VwVfG bezweckt aus verfahrensökonomischen Gesichtspunkten die Aufrechterhaltung inhaltlich richtiger Verwaltungsakte mit ergebnisneutralen formellen Fehlern. Der Aufhebungsanspruch bleibt also bestehen, wenn die Möglichkeit besteht, dass die 680
Hierzu bereits Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 289 f., 462 f.; s.a. Wahl, NVwZ 1991, 409, 416 f. 681 Ausdrücklich Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 71 f. 682 Vgl. zur Amtshaftung bei Ermessens- und Beurteilungsspielräumen Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 142 ff.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 71 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 46; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 198. 683 Vgl. BGHZ 134, 268, 275 f.; 146, 122, 125; f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 204; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 74; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 33; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 115; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 44. 684 Vgl. BGHZ 127, 223, 228 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 204: „So wie verwaltungsrechtlich, kann auch haftungsrechtlich der Rechtsverstoß kraft Heilung unbeachtlich geworden sein“; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 115; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 75.
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Behörde ohne den Rechtsverstoß anders entschieden hätte.685 Während dies in Fällen gebundener Entscheidungen, bei denen die Behörde die Sachentscheidung mit dem gleichen Inhalt auch dann getroffen hätte, wenn sie die formellen Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen beachtet hätte, grundsätzlich zu verneinen ist686 , so liegt dies nach der Rechtsprechung bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe sowie bei Ermessens- und Beurteilungsspielräumen anders: Verfahrensvorschriften dienen hier gerade der Sachentscheidungsbeeinflussung.687 Umstritten ist, ob die Unbeachtlichkeit auf der Primärebene auch den Ausschluss des Sekundärrechtsschutzes nach sich zieht.688 Aus amtshaftungsrechtlicher Sicht besteht dagegen Einigkeit darüber, dass ein an einem formellen Gesetzesverstoß leidender Verwaltungsakt eine Amtspflichtverletzung begründet, es regelmäßig aber an der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und verursachtem Schaden fehlt.689
bb. Folgen für den weiteren Gang der Darstellung Dieses Zusammenspiel von Primärrechtsebene und Sekundärrechtsebene ist nachfolgend für Ethik-Kommissionen in Bezug auf den Amtshaftungsanspruch des geschädigten Versuchsteilnehmers zu konkretisieren. Zu prüfen sind die einschlägigen Bestimmungen des allgemeinen VwVfG sowie diejenigen der GCP-V und des AMG. Daran anschließend sind jeweils die Fehlerfolgen zu erörtern. Da die Verletzung von Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften stets amtspflichtwidrig ist, reduziert sich die entscheidungserhebliche Frage darauf, ob die Amtspflicht „selbst“ drittgerichtet ist oder ihre Drittgerichtetheit über das materielle Recht, insbesondere über einen Beurteilungsspielraum, „vermittelt“ wird. Darüber hinaus kann ein Verfahrensfehler auch eine Rückbindung über das Verschulden erfahren.
c. Zuständigkeiten Das AMG spricht die sachliche und die örtliche Zuständigkeit bereits selbst dadurch an, dass es in § 40 Abs. 1 S. 2 AMG von der „zuständigen Ethik-Kommission“ und in § 42 Abs. 1 S. 1 AMG von „der nach Landesrecht für den Prüfer zuständigen Ethik-Kommission“ spricht. Da es im Falle des eigenen Vollzugs der Bundesgesetze durch die Länder ihre Sache ist, die Einrichtung der Behörden und das
685
Vgl. Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 64; vgl. auch BVerwGE 117, 200, 207; 69, 269; VG Berlin, NJW 2002, 1063, 1064; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 26, § 46 Rn. 27 m.w. Nachw.; Beaucamp, JA 2007, 117, 119; Maurer, Allg VerwR, § 10 Rn. 42. 686 Vgl. nur BVerwG NVwZ 1999, 306; Beaucamp, JA 2007, 117, 119. 687 Einzelheiten hierzu bei Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 63 ff. 688 Dafür: Kopp/Ramsauer, § 46 Rn. 47; dagegen etwa: Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 66. 689 Vgl. Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 115; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 206; ebenso Kopp/Ramsauer, § 46 Rn. 47 a.E.; im Ergebnis auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 45.
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Verwaltungsverfahren zu regeln (Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG), richtet sich die Zuweisung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit nach Landesrecht.690 aa. Sachliche Zuständigkeit Die sachliche Zuständigkeit wird grundsätzlich durch die Zuweisung einer bestimmten Verwaltungsaufgabe zu einem Verwaltungsträger und einer seiner Organe begründet.691 Abgesehen von den Sonderfällen in Berlin, Bremen und Sachen-Anhalt werden nach den Heilberufe- und/oder Kammergesetzen bzw. Hochschulgesetzen der Länder grundsätzlich die bei den Hochschulen, medizinischen Fakultäten und den Ärztekammern errichteten Ethik-Kommissionen mit dem Vollzug der §§ 40–42 AMG betraut. bb. Örtliche Zuständigkeit Das AMG selbst trägt für die Regelung der örtlichen Zuständigkeit dem Umstand Rechnung, dass der allein antragsberechtigte Sponsor nicht zwingend seinen Sitz im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes haben muss und knüpft deshalb – europaweit einmalig – an die Person des Prüfers an (§ 42 Abs. 1 S. 1 AMG). Bei klinischen Prüfungen mit mehreren Prüfern ist der Antrag bei der für den Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission zu stellen (§ 42 Abs. 1 S. 2 AMG).692 Die konkrete Zuständigkeit bestimmt sich nach dem jeweiligen Landesrecht. Soweit die örtliche Zuständigkeit den räumlichen abgegrenzten Tätigkeitsbereich einer Behörde im Rahmen ihrer sachlichen Zuständigkeit für Angelegenheiten bestimmt, die ihrem Verwaltungsbezirk zugehören693 , so lassen sich folgende Grundsätze aufstellen: Ist der Prüfer Arzt, so besteht eine Zuständigkeit der Ethik-Kommission der jeweiligen Landesärztekammer. Handelt es sich bei dem Prüfer um ein nichtärztliches Hochschulmitglied, so besteht eine Zuständigkeit der jeweiligen Hochschulkommission. Ist der Prüfer sowohl Kammermitglied als auch Hochschulmitglied, so ist die universitäre Ethik-Kommission in vielen Bundesländern „für den Hochschulbereich“ vorrangig zuständig.694 690
Allg. hierzu Collin/Fügemann, JuS 2005, 694, 698; vgl. auch Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 10; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 160 f. 691 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 13 ff.; Collin/Fügemann, JuS 2005, 694, 697 f. 692 Vgl. Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 20; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159. Die Regelungen zur multizentrischen Prüfung in der GCP-V (§ 8 Abs. 5) betrifft nicht die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Ethik-Kommission, sondern der Bestimmung der federführenden Ethik-Kommission. Eine örtliche Zuständigkeit ergibt sich hieraus nicht. 693 Hierzu Collin/Fügemann, JuS 2005, 694, 697; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 16 ff.; Kopp/Ramsauer, § 3 Rn. 4. 694 Vgl. § 10Abs. 3 HeilBerKG Nds.: „Die an medizinischen Fachbereichen der Hochschulen errichteten Ethikkommissionen treten für den Hochschulbereich an die Stelle der Ethikkommission der Ärztekammer“; Gödicke, MedR 2008, 636, 637; s.a. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 130. Für die
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cc. Fehlerfolgen (1) Verletzung der sachlichen Zuständigkeit Eine Verletzung der sachlichen Zuständigkeit führt grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit des Verwaltungsaktes und nur ausnahmsweise zur Nichtigkeit bei absoluter Unzuständigkeit, d. h. wenn die Behörde unter keinen Umständen mit der Sache befasst sein kann.695 Fälle fehlender sachlicher Zuständigkeiten sind praxisnah für Ethik-Kommissionen kaum denkbar.696 (2) Verletzung der örtlichen Zuständigkeit Die Verletzung der örtlichen Zuständigkeit führt grundsätzlich nur im Falle der Verletzung der ausschließlichen Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG zur Nichtigkeit (§ 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG), im Übrigen nur zur Anfechtbarkeit (§ 44 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG) und ist unter den Voraussetzungen des § 46 VwVfG überhaupt ohne Folgen.697 Selbst wenn § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG auch in Fällen Anwendung finden soll, in denen eine Verletzung anderer Vorschriften vorliegt, die die Zuständigkeit im gleichen Sinne wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG regeln698 , so passt die ratio legis der Nichtigkeitsnorm, die der besonderen Bedeutung ortsgebundener Rechte Rechnung trägt, schon in Anbetracht der Gegebenheiten bei multizentrischen Prüfungen nicht. Insoweit ist bei Verletzungen der örtlichen Zuständigkeit jeweils nur eine Anfechtbarkeit in Betracht zu ziehen. Kann eine Aufhebung des Ethik-Kommissionsvotums unter den Voraussetzungen des § 46 VwVfG dann ausgeschlossen sein, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der örtlichen Zuständigkeit die Entscheidung in der Sache nicht beeinfluss hat, so führt, da die Bewertung einer Ethik-Kommission prognostische Elemente mit Beurteilungsspielraum beinhalten, die Zuständigkeitsverletzung grundsätzlich nicht zur nach dem AMG nunmehr zulässige Prüftätigkeit eines Nicht-Arztes, der nicht zugleich Hochschulmitglied ist, fehlt es idR an einer zuständigen Ethik-Kommission; vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 178. 695 Vgl. BVerwG, NJW 1974, 1961, 1963; Collin/Fügemann, JuS 2005, 694, 697; Kopp/Ramsauer, § 44 Rn. 15. 696 Ausf. zu den noch teils verfassungswidrigen Regelungen in den einzelnen Bundesländern v. Dewitz, A&R 2008, 156, 160 ff., der jedoch auch im Falle fehlender bzw. verfassungswidriger Aufgabenzuweisung keinen nichtigen Verwaltungsakt annimmt. Ebenso für diesen Fall Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 12. In den Sonderfällen in Berlin, Bremen und Sachen-Anhalt sind die Kommissionen der Hochschulen/Ärztekammern für die Abgabe einer zustimmenden Bewertung nach dem AMG (grundsätzlich) sachlich unzuständig. Eine Nichtigkeit der von den Ethik-Kommissionen der Hochschulen/Ärztekammern gleichwohl abgegebenen zustimmenden Bewertung dürfte indes nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit führen. Derartige Fälle dürften jedoch in der Praxis nicht vorkommen. Praxisnah sind vielmehr diejenigen Fälle, in denen die berufsberatende EthikKommission nicht auf die Genehmigungspflichtigkeit nach dem AMG hinweist. Dazu noch unten, § 9 B.III. 697 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 27 ff.; Collin/Fügemann, JuS 2005, 694, 698; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 52 Rn. 38. 698 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 44 Rn. 38 m.w. Nachw.
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Unbeachtlichkeit, denn es erscheint als ausgeschlossen, den Nachweis des Fehlens jeglicher Kausalität bei Einhaltung der Zuständigkeit führen zu können.699 Dies gilt nicht nur für monozentrische Studien, etwa wenn der Antrag fälschlicherweise bei der Ethik-Kommission der Landesärztekammer anstatt bei der universitären EthikKommission gestellt wird, sondern auch bei multizentrischen Studien, wenn es zu einer Verwechslung von beteiligter und federführender Ethik-Kommission kommt. Weiterhin wird nach den derzeitigen Erscheinungsformen der Ethik-Kommissionen bei einer örtlichen Unzuständigkeit gleichzeitig gegen dieVerbandszuständigkeit verstoßen, auf deren Verletzung § 46 VwVfG nicht anwendbar ist.700 Eine Pflicht der Ethik-Kommission, den Antrag des Sponsors an die zuständige Ethik-Kommission weiterzuleiten, besteht aufgrund der bei antragsgebundenen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime nicht. Stellt die Ethik-Kommission ihre Unzuständigkeit fest, so kann sie nach pflichtgemäßem (Verfahrens-)Ermessen den Antrag zurückweisen oder weiterleiten.701 dd. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung Im Amtshaftungsrecht ist anerkannt, dass jede Behörde bzw. jeder Amtsträger die Grenzen seiner Zuständigkeit einzuhalten hat. Zuständigkeitsregelungen dienen der Sicherstellung, dass der jeweilige Entscheidungsträger die erforderliche Fachkompetenz aufweist und eine sachlich richtige Entscheidung getroffen werden kann. Der Beamte, der seine amtlichen Befugnisse überschreitet und Amtshandlungen vornimmt, für die er nicht zuständig ist, verletzt eine ihm gegenüber jedem dadurch geschädigten Dritten obliegende Amtspflicht, wenn eine innere Beziehung zwischen der unter Zuständigkeitsüberschreitung vorgenommenen schädigenden Amtshandlung und den durch die zuständige Stelle zu schützenden Belangen des Dritten besteht.702 Entscheidend ist der materiell-rechtliche Bezug.703 Den Zuständigkeitsregelungen für Ethik-Kommissionen müsste mithin materiell-rechtliche Relevanz zukommen. Eine derartige Verknüpfung lässt sich nur mit § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG herstellen, soweit man den (örtlichen) Zuständigkeitsregelungen die Intention zuschreibt, dass die Beurteilung der geeigneten Einrichtung und des angemessenen qualifizierten Prüfers von der jeweils ortsnäheren Ethik-Kommission vorgenommen werden soll. Relevant wird dies etwa dann, wenn die unzuständige Ethik-Kommission bei der Kammer fehlerhaft über die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen im Hochschulbereich entscheidet. Aufgrund des erforderlichen
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Vgl. allg. dazu Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 29. Vgl. nur Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 64; Kopp/Ramsauer, § 46 Rn. 23. 701 Vgl. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 133 f.; allg. hierzu BVerwG DVBl 1981, 775; Kopp/Ramsauer, § 3 Rn. 13 f. 702 So BGHZ 117, 240, 244 f. m.w. Nachw.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 134; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 74; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 44. 703 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 74 a.E. 700
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materiell-rechtlichen Bezugs kommt der Zuständigkeitsverletzung beim Tatbestandsmerkmal der Amtspflichtverletzung jedoch keine eigenständige Bedeutung zu, da die fehlerhafte Beurteilung von Prüfstätte und/oder Prüfern bereits selbst eine drittgerichtete Amtspflicht begründet. Aus der Kumulation beider Pflichtverletzungen lässt sich jedoch erleichternd auf das Verschulden schließen, wenn Prüfstätte und/oder Prüfer fehlerhaft von der örtlich unzuständigen Ethik-Kommission beurteilt wurden. d. Ordnungsgemäße Beschlussfassung Ethik-Kommissionen folgen dem Kollegialprinzip: Die Bewertung der klinischen Prüfung ist Ausdruck eines horizontal gefassten (Mehrheits-)Beschlusses ihrer Mitglieder. Für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines solchen kollegialen Beschlusses bedarf es einer horizontalen Koordinationsform, dem das Kollegialverfahrensrecht nachkommt und dessen Funktion in erster Linie in der Sicherung der besonderen Qualität des kollegialen Entscheidungsfindungsprozesses besteht. aa. Ethik-Kommissionen als Ausschüsse, §§ 88 ff. VwVfG Das Kollegialprinzip hat im VwVfG seinen Niederschlag in den §§ 88 ff. VwVfG gefunden. Danach ist wesentlicher Zweck der Tätigkeit von Ausschüssen die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder im Hinblick auf eine gemeinsame Meinungsbildung über die Beratungsgegenstände.704 Fraglich ist, ob Ethik-Kommissionen als Ausschüsse iSd § 88 ff. VwVfG anzusehen sind, denn für sie gelten die §§ 89–93 VwVfG, soweit Rechtsvorschriften nichts Abweichendes bestimmen. Ausschuss iSd § 88 VwVfG ist jede kollegiale Einrichtung, deren Zuständigkeiten von mehreren, mindestens aber drei (§ 90 VwVfG) natürlichen Personen als Organwalter wahrgenommen werden und deren Wille sich in Mehrheitsbeschlüssen äußert. Irrelevant ist, ob der Ausschuss selbst als Behörde oder als selbstständiger oder unselbstständiger Teil anzusehen ist und ob hauptamtliche oder ehrenamtliche (Fach-)Leute mitwirken. Ferner muss der Ausschuss, um unter die §§ 89 ff. VwVfG zu fallen, „in einem Verwaltungsverfahren tätig werden“. Gleichgültig ist nach der Formulierung („Tätigkeit“), ob er entscheidend, entscheidungsvorbereitend oder nur beratend innerhalb eines Verwaltungsverfahrens (§ 9 VwVfG) tätig wird.705 Als dem Kollegialprinzip der Verwaltung folgende Kommissionen und aufgrund ihrer Tätigkeit innerhalb eines Verwaltungsverfahrens ist unstreitig, dass die Ethik-Kommissionen im Rahmen ihrer Tätigkeit nach dem AMG als Ausschuss iSd § 88 VwVfG anzusehen sind706 ; und zwar auch diejenigen Ethik-Kommissionen, die im konkreten Verfahren nur als beteiligte Ethik-Kommission auftreten, da auch ihre Tätigkeit im Wege einer 704
Hierzu im Einzelnen Gross, Kollegialprinzip, S. 280 ff.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 1 f. 705 Vgl. zum Ausschussbegriff und Anwendbarkeit der §§ 88 ff. VwVfG Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 88 Rn. 5 ff., 13 ff.; Kopp/Ramsauer, § 88 Rn. 3 u. 5 ff. 706 Vgl. nur van der Sanden, S. 46, 49, 50 f.; Kloesel/Cyran, § 42Anm. 25; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 21, 187; anders noch Bork, Ethik-Kommissionen, S. 92.
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„Benehmensentscheidung“ auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, § 9 VwVfG. Die §§ 89 ff. VwVfG stellen freilich nur allgemeine Vorschriften für organschaftliche Willensbildungen und Beschlussfassungen dar, die gegenüber spezielleren Vorgaben subsidiär sind, § 88 VwVfG („soweit“).707 Die Subsidiarität wird über Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2001/20/EG auf die GCP/ICH-Leitlinie erstreckt, die teilsweise strengere Voraussetzungen für die Beschlussfähigkeit und Beschlussfassung enthalten.708 Gleiches ist anzunehmen für die Satzungen der Ethik-Kommissionen, die teilweise ebenfalls strengere und speziellere Vorgaben enthalten709 , wobei nur in geringem Umfang Kollisionen zu den §§ 88 ff. VwVfG zu verzeichnen sind. bb. Beschlussfähigkeit Voraussetzung für die formelle Rechtsmäßigkeit des Ethik-Kommissionsbeschlusses ist zunächst die Beschlussfähigkeit der Kommission. Das Kriterium der Beschlussfähigkeit verfolgt zwei Intentionen, nämlich einerseits die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit, damit bei Abwesenheit eines Mitgliedes die Willensbildung insgesamt nicht verhindert wird. Zum anderen trägt, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Beschlussfähigkeit dem Demokratieprinzip Rechnung, indem nach der verallgemeinerungsfähigen Grundregel des § 90 Abs. 1 S. 1 VwVfG die Beschlussfähigkeit gegeben ist, wenn die Zahl der anwesenden Mitglieder die Zahl der abwesenden übersteigt.710 Hiermit soll sichergestellt werden, dass das Abstimmungsergebnis dem (Mehrheits-)Willen des Gremiums entspricht. (1) Mindestanzahl Ausschüsse sind nach § 90 Abs. 1 Abs. 1 S. 1 VwVfG dann beschlussfähig, wenn alle Mitglieder geladen und mehr als die Hälfte, mindestens aber drei der stimmberechtigten Mitglieder (im Sitzungsraum körperlich) anwesend sind (sog. Quorum). Ob dies der Fall ist, muss vom Vorsitzenden zu Beginn der Sitzung von Amts wegen ausdrücklich oder konkludent festgestellt werden.711 Abweichende Bestimmungen zur Beschlussfähigkeit nach § 90 Abs. 1 S. 1 VwVfG sind jedoch ohne weiteres zulässig. Für die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen folgt dies schon daraus, dass der Gesetzgeber mit den §§ 88 ff. VwVfG ausschließlich allgemeine Grundsätze der organschaftlichen Willensbildung bis zur Beschlussfassung und Niederschrift 707 Zur Subsidiarität der §§ 89 ff. VwVfG Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 88 Rn. 2, 17 f.; Gross, Kollegialprinzip, S. 280 f. 708 So v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 200; van der Sanden, S. 50 f. 709 Vgl. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 121 f.; van der Sanden, Haftung, S. 50 f. allgemein zum Vorrang von Satzungen bei den §§ 88 ff. VwVfG Gross, Kollegialprinzip, S. 281; Kopp/Ramsauer, § 88 Rn. 9 a.E. 710 Vgl. Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 93 u. 99 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 155. 711 Vgl. hierzu Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 3 ff.; Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 99 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 154 f.
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als annexe Materien des Verwaltungsverfahrensrechts normieren wollte. Die allgemeinen Vorschriften der §§ 88 ff. VwVfG sind deswegen nicht immer differenziert genug, um die Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen von Kollegialgremien hinreichend zu erfassen, sodass sie nur als Mindestbedingungen eines rechtmäßigen Verfahrens angesehen werden können.712 So sehen die Satzungen der Ethik-Kommissionen, in Anlehnung an die GCP/ICH-Leitlinie (3.2.1.), fast durchgängig eine Mindestanzahl von fünf Mitgliedern vor.713 Diese Regelungen sind vorrangig gegenüber § 90 Abs. 1 Abs. 1 S. 1 VwVfG anzuwenden.714 Maßgebend für die Mindestanzahl von fünf Mitgliedern sind freilich nur stimmberechtigte Mitglieder. Zu den „nicht anwesenden“ Kommissionsmitgliedern zählen auch solche, die nach §§ 20, 21, § 71 Abs. 3 VwVfG an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen durften. (2) Anforderungen an die Qualifikation der Besetzung Bis auf einige Ethik-Kommissionssatzungen, die die Beschlussfähigkeit von der Qualifikation der anwesenden Mitglieder abhängig machen715 , fehlt eine solche Bestimmung sowohl in anderen Ethik-Kommissionssatzungen716 als auch in den Heilberufe- und Kammergesetzen.717 Den Empfehlungen der GCP/ICH-Leitlinie, nämlich dass die Ethik-Kommission gemessen an der konkret zu begutachtenden Studie die entsprechende Qualifikation und Erfahrung aufweisen sollte (3.2.1.), wird nur unzureichend Rechnung getragen.718 Zu fordern wäre zumindest die Anwesenheit eines Juristen, eines Statistikers und auf dem jeweiligen betroffenen Fachgebiet vertraute Ärzte. cc. Beschlussfassung (1) Einfache Mehrheit Die beschlussfähigen Ethik-Kommissionen entscheiden mit einfachen Mehrheitsbeschlüssen, § 91 S. 1 VwVfG.719 Unter Stimmenmehrheit i. S. des § 91 VwVfG ist die Mehrheit der abgegebenen und stimmberechtigten gültigen Stimmen zu verstehen. Eine abgestufte Stimmqualität, die spezialgesetzlicher Anordnung bedarf, 712
Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 88 Rn. 2; Gross, Kollegialprinzip, S. 281 ff. Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 200. 714 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 200; van der Sanden, Haftung, S. 51. 715 Exemplarisch: § 8 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 716 Exemplarisch: § 11 der Satzung der Ethik-Kommission des Fachbereichs Medizin der JustusLiebig-Universität Gießen. 717 Hierzu auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 200. 718 Ebenso Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 14, wonach eine Festlegung der Zusammensetzung der EthikKommission unverzichtbar und der Bundesgesetzgeber zu näheren Regelungen hierzu aufgerufen sei. 719 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 197 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1050; ferner Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 149. 713
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ist nicht vorgesehen und wäre mit der geforderten Interdisziplinarität nicht vereinbar. § 92 S. 1 VwVfG räumt dem Vorsitzenden einen Stichentscheid für den Fall einer Stimmengleichheit ein. Dem Ethik-Kommissionsvorsitzenden wird dieses Dirimierungsrecht nach den Satzungen ebenfalls eingeräumt.720 Sowohl aus haftungsrechtlichen als auch akzeptanzsteigernden Gründen ist ein Konsens innerhalb der Ethik-Kommission über die klinische Prüfung, gleichgültig ob zustimmend oder ablehnend, erstrebenswert721 ; wenigstens jedoch eine qualifizierte Mehrheit.722 (2) Auswirkungen von Stimmenthaltungen Fraglich ist, inwieweit einem Ethik-Kommissionsmitglied die Befugnis zur Stimmenthaltung auch außerhalb der §§ 20, 21 VwVfG zuzugestehen ist. Einigkeit besteht insoweit darin, dass Stimmenhaltungen grundsätzlich zulässig sind.723 Uneingeschränkt unzulässig sind sie in Ausschüssen dann, wenn ihr Verfahren einem gerichtlichen Verfahren angeglichen ist724 oder dem einzelnen Mitglied die Pflicht zur Mithilfe bei der Meinungsbildung trifft, sich also aus den Regelungen über die Zusammensetzung des Ausschusses oder über den Zweck der Teilnahme etwas anderen ergibt.725 Die überwiegende Auffassung geht insoweit davon aus, dass eine Stimmenthaltung eines Ethik-Kommissionsmitglieds unzulässig und als Nein-Stimme zu werten ist.726 Dem ist beizupflichten, denn weder die Tatsache, dass Ethik-Kommissionsmitglieder hauptsächlich ehrenamtlich tätig sind, schmälert die Verpflichtung zur Meinungsbildung (§ 83 Abs. 1 VwVfG), noch lässt es die auf den interdisziplinären Diskurs ausgerichtete Ethik-Kommission zu, dass sich ein Mitglied der Mitentscheidung durch Stimmenhaltung entzieht, was einen wesentlichen Entzug von Sachverstand nachsichziehen würde. (3) Mündliche Beratung Aus § 90 Abs. 1 S. 1 VwVfG sowie im Umkehrschluss zu S. 2 folgt, dass das Gesetz zur Beschlussfassung vom Regelfall ausgeht, dass die Ausschussmitglieder zur 720 Exemplarisch: § 5 Abs. 11 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover; s. a. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 160. 721 Exemplarisch: § 5 Abs. 11 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover: „Die Ethikkommission soll über den zu treffenden Beschluss einen Konsens anstreben. Wird ein solcher nicht erreicht, beschließt die Ethikkommission nach mündlicher Verhandlung mit Stimmenmehrheit.“ 722 So insb. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 159. 723 Vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, § 91 Rn. 4; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 91 Rn. 5; Gross, Kollegialprinzip, S. 290 ff.; Greipl, Entscheidungen, S. 188. 724 BVerwGE 28, 63, 66 (Bundesprüfstelle); 725 OVG Münster, DVBl 2005, 1532; OVG Schleswig, NVwZ-RR 1996, 443; s.a. Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 91 Rn. 5; Kopp/Ramsauer, § 91 Rn. 5 a.E. 726 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 198; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 159 f.
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Beratung und Beschlussfassung in einem Raum versammelt sind. Durch die personale Gegenwart wird der Kommunikationsprozess gewährleistet, der der Erzielung bestmöglicher Ergebnisse dient Die eingehende Beratung und der direkte Meinungsaustausch durch körperlich Anwesende wahrt zudem das Kollegialprinzip.727 Demgemäß findet auch die Beschlussfassung der Ethik-Kommissionen grundsätzlich durch monatliche Sitzungen statt, in denen über die Anträge mündlich beraten wird.728 (4) Aktenumlaufverfahren Soweit kein Mitglied widerspricht, gestattet es § 90 Abs. 1 S. 2 VwVfG, Beschlüsse auch im schriftlichen Verfahren zu fassen. Unter dem sog. Umlaufverfahren sind Verfahren zu verstehen, bei denen ein Beschluss unter Abwesenden durch Umlauf eines entscheidungsreifen Antrags zustande kommt. Im hiesigen Kontext ist der „Umlauf“ jedoch nicht wörtlich zu nehmen, denn der Antrag wird nicht von EthikKommissionsmitglied zu Ethik-Kommissionsmitglied weitergereicht, sondern alle Mitglieder bekommen eine Reproduktion des Antrags zugestellt mit Fristsetzung zur Meinungsäußerung.729 Das wesentliche Kennzeichen von Umlaufverfahren besteht in der Nichtkenntnis der Stellungnahme der anderen Mitglieder, weil die Meinungskundgabe grundsätzlich nur gegenüber dem Vorsitzenden erfolgt. Hieraus ergeben sich sowohl die Funktion als auch die unüberwindbaren Strukturprobleme dieser Verfahrensart: AlsAlternative zurAbstimmung unterAnwesenden kann es sich einerseits anbieten, wenn die Beteiligten gerade nicht sich gegenseitig durch die Diskussion beeinflussen sollen. Ferner kann mit dem Umlaufverfahren bei Routineangelegenheiten eine Verfahrensbeschleunigung und eine Entlastung des Gremiums erreicht werden. Positiven Einfluss kann es auch für die individuell vertiefte Auseinandersetzung und Urteilsbildung entfalten.730 Verglichen mit der Beratung und Abstimmung unter Anwesenden ist das Umlaufverfahren wegen seiner unüberwindbaren Strukturprobleme grundsätzlich unterlegen. Während bei körperlicher Anwesenheit der gegenseitige Informationsaustausch durch Rede und Gegenrede möglich und somit die Kollektiventscheidung ein Resultat aus einer „gegenseitigen geistigen Befruchtung und wechselseitiger Kontrolle“ ist, bleibt die aus einem Umlaufverfahren resultierende Entscheidung eine „parallelisierte Einzelabwägung“.731 Schon allein aufgrund des Regel-Ausnahmeverhältnisses von S. 1 u. 2 sollte von diesem Verfahren nur zurückhaltend Gebrauch gemacht und auf Fälle beschränkt werden, bei denen aus zeitlichen und/oder tatsächlichen Gründen die Durchführung des Regelverfahrens nicht möglich ist.732 727 Hierzu Grünewald, in: Obermayer, § 90 Rn. 14; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 4. 728 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 71. 729 Ausf. zu den verschiedenen Arten von Umlaufverfahren Anderheiden, VerwArch 97 (2006), 165 ff.; s.a. Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 9. 730 Ausf. hierzu Anderheiden, VerwArch 97 (2006), 165, 172 f.; vgl. auch BVerfGE 91, 148, 172 f. 731 So treffend Anderheiden, VerwArch 97 (2006), 165, 176 u. 182. 732 Vgl. Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 9.
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Auch für Ethik-Kommissionen ergäbe sich nach § 90 Abs. 1 S. 2 VwVfG die Befugnis, die zustimmende oder ablehnende Bewertung über einen Antrag im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens zu treffen.733 Voraussetzung für die zulässige Durchführung eines schriftlichen Verfahrens ist neben dem Vorliegen eines Nichtwiderspruchs eines Mitglieds aber auch das Nichtbestehen einer anderweitigen Regelung. Dem steht es gleich, wenn aufgrund einer Rechtsvorschrift dem Zweck oder Zusammenhang einer mündlichen Beratung besondere Bedeutung zugemessen wird.734 Beschlussfassungen im schriftlichen Verfahren konterkarieren die Funktion der Ethik-Kommissionsberatung, die gerade auf den interdisziplinären Problemdiskurs angewiesen und ausgerichtet ist.735 Die zustimmende oder ablehnende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG soll gerade was die prognostischen Beurteilungen anbelangt, Ausdruck einer interdisziplinär gefundenen Entscheidung sein, für die die Erörterung des Für und Wider aus unterschiedlicher Wissenschaftsund Interessensperspektive kennzeichnend ist. Es geht die dem interdisziplinären Diskurs innewohnende Gruppendynamik der gegenseitigen „ad-hoc-Beeinflussung“ verloren.736 Die Entscheidungskomplexität einer Studie bleibt dem einzelnen allein votierenden Mitglied verschlossen, dem auch der Vorsitzende, dem die Voten der einzelnen Mitglieder zugesandt werden, nicht Rechnung tragen kann. Er muss aber notwendigerweise die Funktion einer „interdisziplinären Anlaufstelle“ einnehmen, die sich aus Sicht eines unbefangenen Dritten nicht dadurch unterscheidet, als hätte er für den jeweiligen Antrag mehrere voneinander unabhängige Sachverständige befragt.737 Nicht zu vernachlässigen ist zudem die Tatsache, dass bei einem Umlaufverfahren die teilnehmenden Mitglieder genötigt werden können, leichte Bedenken zu marginalisieren oder gar schwerwiegende nicht zur Sprache kommen zu lassen, um die Kommission nicht in eine mündliche Beratung zu drängen. Abgesehen davon liegt auch der GCP/ICH-Leitlinie das Grundmodell einer mündlichen Beratung in Sitzungen zugrunde (3.2.3.). Die zustimmende oder ablehnende Bewertung der federführenden Ethik-Kommission ist einer „parallelisierten Einzelabwägung“ folglich nicht zugänglich und widerspricht dem für Ethik-Kommissionen wesensnotwendigen interdisziplinären Diskurs. Ein gleichwohl durchgeführtes Umlaufverfahren stellt einen Verfahrensfehler dar.738 Ob dies für jegliche Ethik-Kommissionsentscheidungen nach dem AMG gilt, ist indes fraglich. Nicht außer Acht zu lassen ist die Tatsache, dass die Möglichkeit eines Aktenumlaufverfahrens auch für Ethik-Kommissionen nutzbare Vorteile bringt. Neben der Entlastungs- und Beschleunigungsfunktion kann das Umlaufverfahren 733
Teilweise ist diese Befugnis auch in einigen Satzungen aufgenommen worden, vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 199. 734 Vgl. BFHE 136, 173 ff. (Prüfungsentscheidung); Kopp/Ramsauer, § 90 Rn. 10; Anderheiden, VerwArch 2006, 165, 183 ff. 735 Wie hier Bork, Ethik-Kommissionen, S. 139 ff. 736 Zur Gruppendynamik auch Anderheiden, VerwArch 97 (2006), 165, 176. 737 Ähnlich Anderheiden, VerwArch 97 (2006), 165, 182: „parallelisierte Einzelabwägungen“. 738 Wie hier: v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 199 f. und van der Sanden, Haftung, S. 52 f., die sich jeweils auf die GCP/ICH-Leitlinie stützen. Ferner Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 145; eingehend hierzu Bork, Ethik-Kommissionen, S. 139 ff.
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auch der Verfahrensrationalität dienen.739 Eine gänzliche Unzulässigkeit des Aktenumlaufverfahrens dürfte dann nicht anzunehmen sein, soweit nur über solche Beratungsgegenstände zu entscheiden ist, die keinen interdisziplinären Diskurs verlangen, mithin jenes Verfahren nicht dem Zweck einer Ethik-Kommissionsbeteiligung zuwiderläuft, wie etwa unwesentliche Protokolländerungen.740 Das Aktenumlaufverfahren bietet damit die Möglichkeit, den Blick der Kommission auf das Wesentliche zu richten.741 Aber auch bei der beteiligten Ethik-Kommission, die nur die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen prüft, dürfte das Umlaufverfahren keinen Verfahrensfehler darstellen. Gleichwohl kommt aber dem Regel-Ausnahmeverhältnis von § 90 Abs. 1 S. 1 u. 2 VwVfG präjudizielle Wirkung zu. Mag das Umlaufverfahren, abgesehen von der Bewertung der federführenden Ethik-Kommission (§ 42 Abs. 1 AMG) für sonstige, nicht dem interdisziplinären Diskurs unterliegende Entscheidungen zugänglich und im pflichtgemäßen Verfahrensermessen des Vorsitzenden liegen, so ist ein Abweichen vom Regelverfahren bei Streitigkeiten begründungsbedürftig. dd. Fehlerfolgen (1) Beschlussunfähigkeit Ein getroffener Beschluss einer Ethik-Kommission über die zustimmende oder ablehnende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG trotz vorhandener Beschlussunfähigkeit, etwa weil die Mindestanzahl von fünf Mitgliedern nicht erreicht wird oder unter der Mindestbesetzung ein nicht stimmberechtigtes Mitglied ist742 , ist jedenfalls rechtswidrig.743 § 44 Abs. 3 Nr. 3 2. Alt. VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil ein zur Mitwirkung berufener Ausschuss nicht beschlussfähig war, findet hier keine Anwendung, weil die Ethik-Kommission selbst Ausschuss mit Behördeneigenschaft ist und ihr Beschluss selbst den Verwaltungsakt darstellt.744 Fraglich ist, ob die zustimmende oder ablehnende Bewertung einer beschlussunfähigen Ethik-Kommission einen nichtigen Verwaltungsakt darstellt. Voraussetzung hierfür ist nach § 44 Abs. 1 VwVfG, dass der Verwaltungsakt bzw. der Beschluss an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Obwohl überwiegend 739
Vgl. Anderheiden, VerwArch 97 (2006), 165, 172 f. Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 199 f.; van der Sanden, Haftung, S. 52 f.; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 52. 741 Die Gruppendynamik eines pluralistischen Gremiums kann insoweit auch nachteilig sein, denn wenn Vertreter verschiedener Disziplinen aufeinandertreffen besteht die Gefahr, dass unsachdienliche Wissenschaftsstreitigkeiten innerhalb der Kommission ausgetragen werden. 742 „Nicht anwesend“ iSv § 90 Abs. 1 S. VwVfG sind neben tatsächlich abwesenden auch solche Ausschussmitglieder, die nach §§ 20, 21, § 71Abs. 3 VwVfG an der Beratung undAbstimmung nicht teilnehmen durften. Vgl. Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 8; Kopp/Ramsauer, § 90 Rn. 4. Zu den §§ 20, 21 VwVfG sogleich. 743 So Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 7 a.E.: „Ein von einem beschlussunfähigen Ausschuss gefasster Beschluss ist jedenfalls rechtswidrig“. 744 Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 205; allg. hierzu Kopp/Ramsauer, § 44 Rn. 55. 740
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im Falle fehlender Beschlussfähigkeit eine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes angenommen wird745 , so steht dem jedoch auch für Ethik-Kommissionen entgegen, dass die Nichtigkeitsregelung des § 44 Abs. 1 VwVfG keiner Generalisierung zugänglich ist. Nach ständiger Rspr. des BVerwG stellt die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Eine Nichtigkeit ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.746 Im Falle der Beschlussunfähigkeit von Ethik-Kommissionen dürfte dies erst bei einem gravierenden Verstoß gegen das Kollegialprinzip anzunehmen sein, sodass vom Regelfall der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes auszugehen ist.747 Nicht zuzustimmen ist jedoch der Auffassung, dass in analoger Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG eine Heilung durch Neuberatung in Betracht kommen soll.748 Während bereits die Ausdehnung des § 45 Abs. 1 VwVfG auf nicht genannte Fallgruppen kritisch zu hinterfragen ist749 , muss für Ethik-Kommissionen die Analogie schon deswegen ausscheiden, weil § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG, ebenso wie § 44 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG, sich auf Ausschüsse bezieht, die durch einen Beschluss am Erlass eines Verwaltungsaktes mitwirken. Auch das verwaltungsrechtliche Schrifttum zieht – soweit ersichtlich – auch nur für solche Ausschüsse eine Analogie in Betracht.750 Die federführenden Ethik-Kommissionen sind jedoch selbst verwaltungsakterlassende Behörden, für die eine dem § 44 Abs. 3 Nr. 3 VwVfG für die Beschlussunfähigkeit und dem § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG vergleichbare Vorschrift gerade fehlt. Hintergrund dieser Nichtregelung ist die Tatsache, dass der mitwirkende Ausschuss nur vermittelnd, der andere dagegen seine Willensäußerung unvermittelt kundtut.751 (2) Nichtausschluss befangener Personen §§ 20, 21 VwVfG Nicht nur aus rechtsstaatlichen Gründen zur Verhinderung individueller Parteilichkeit752 , sondern schon deswegen, weil neben Art. 2k) der Richtlinie 2001/20/EG 745 So generell Grünewald, in: Obermayer, § 90 Rn. 24; Kopp/Ramsauer, § 90 Rn. 4: „. . . nichtig und unwirksam“; s.a. Hufeld, Vertretung, S. 373. 746 Vgl. nur BVerwG, NVwZ 2000, 1039, 1040; NVwZ 1998, 1061. 747 Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 205 f., die eine Nichtigkeit für den Fall annehmen, dass der Vorsitzende alleine ohne die Kommission entscheidet. 748 So aber v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 206 f.; generell zur analogen Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 4 Kopp/Ramsauer, § 45 Rn. 28 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 45 Rn. 93; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 3 a.E. 749 Hierzu Beaucamp, JA 2007, 117, 119. 750 Deutlich in diese Hinsicht Grünewald, in: Obermayer, § 90 Rn. 24 f.; s.a. Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 3. 751 Klassisch hierzu Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt, S. 64 f. Anwendung finden die §§ 44 Abs. 3 Nr. 3, 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG deswegen nur bei der beschlussunfähigen beteiligten EthikKommission. 752 „nemo iudex in re sua“; vgl. hierzu Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 4.
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auch § 42 Abs. 1 AMG sich nur an unabhängige Ethik-Kommissionen wendet, sind die §§ 20, 21 VwVfG streng zu handhaben.753 Fraglich ist, wie es sich auswirkt, wenn in einer im Übrigen beschlussfähigen Ethik-Kommission ein nach §§ 20, 21 VwVfG nicht stimmberechtigtes Mitglied mitgewirkt hat. (a) Ausgeschlossene Personen, § 20 VwVfG Personen nach § 20 VwVfG sind kraft Gesetzes aufgrund einer unwiderlegbaren Vermutung ihrer Befangenheit von der Beratung ausgeschlossen; einer gesonderten Entscheidung hierüber bedarf es – anders als bei § 21 VwVfG – nicht.754 Als ausgeschlossen nach § 20 VwVfG sind anzusehen: Der Sponsor als Antragssteller (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) und die jeweiligen Prüfer, Hauptprüfer und Leiter der klinischen Prüfung, sei es, dass man sie bereits als Beteiligte nach § 13 VwVfG einordnet755 oder als den Beteiligten gleichstehende unmittelbar Begünstigte, § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG.756 Ferner ist § 20 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG von Bedeutung. Danach reicht es für den Ausschluss kraft Gesetzes aus, wenn ein Ethik-Kommissionsmitglied bei einem Beteiligten (hier: dem Sponsor) gegen Entgelt beschäftigt ist. Erfasst sind alle Beschäftigungsverhältnisse, mit denen regelmäßige Geldleistungen oder ähnliche Abhängigkeiten verbunden sind.757 Besteht zwischen einem Ethik-Kommissionsmitglied und dem pharmazeutischen Unternehmen etwa ein Honorarvertrag, der sich nicht auf die konkrete Studie beziehen muss, ist eine Befangenheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG gegeben.758 § 20 Abs. 4 VwVfG regelt für Ausschussmitglieder die Verfahrensweise bei in Betracht kommendem Ausschluss. Nach § 20 Abs. 4 S. 1 VwVfG besteht die Pflicht jedes (Ethik-Kommissions-)Mitglieds zur Selbstanzeige, wenn es sich für ausgeschlossen hält oder wenn Zweifel bestehen, ob die Voraussetzungen des § 20 Abs. 753
Die §§ 20, 21 VwVfG sind auf Ethik-Kommissionen unstreitig anwendbar, § 9 VwVfG; vgl. nur v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 201 f.; Osieka, Humanforschung, S. 275 f. 754 Vgl. nur Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 1; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 5. Zu Besonderheiten bei Ausschüssen nach § 20 Abs. 4 VwVfG sogleich. 755 So wohl v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 202, aber die Konstellation des § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG ebenfalls in Betracht ziehend. 756 Hintergrund dieser Regelung ist die Erweiterung des Beteiligtenbegriffs auf solche Personen, die wie ein formell Beteiligter nach § 13 VwVfG zu behandeln sind. Nennt § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG als Voraussetzung, dass aus der Entscheidung ein unmittelbarer Vorteil oder Nachteil dem Betroffenen erwachsen muss, so ist dies bei Prüfern, Hauptprüfern und Leiter der klinischen Prüfung, die in vertraglicher Beziehung zum Sponsor stehen, stets gegeben. Der Begriff der Unmittelbarkeit ist indes nicht formal zu verstehen sondern wertend zu betrachten. Es kommt darauf an, ob nach wertender Betrachtung angesichts der zu erwatenden Vorteile/Nachteile ein unparteiliches Handeln noch gegeben sein kann. Dies ist freilich bei den angesprochenen Personen, die bereits die Verträge und die Honorarvereinbarungen mit dem Sponsor getroffen haben, nicht mehr der Fall. Allg. hierzu Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 31 ff.; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rn. 44:„Vor- oder Nachteil kann auch auf dem Umweg über eine dritte Person vermittelt werden“. 757 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 24 f. 758 Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 203.
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1 VwVfG gegeben sind. Die Vorschrift erfasst jedoch nicht nur das selbstbetroffene Mitglied, sondern verpflichtet jedes Mitglied zur Anzeige, dem ein solcher Fall vorgetragen wird oder sich aufdrängt. Nicht der Vorsitzende alleine, sondern der gesamte Ausschuss entscheidet über den Ausschluss des Mitglieds (Abs. 4 S. 2) durch Beschluss nach § 91 VwVfG; und zwar ohne Ermessens- und Beurteilungsspielraum und ohne Anwesenheit des möglicherweise Auszuschließenden (Abs. 4 S. 3).759 Es ist fraglich, ob sich § 20 Abs. 4 VwVfG nur auf ein Vorgehen in Zweifelsfällen bezieht und es im Übrigen bei einem Ausschluss kraft Gesetzes bleibt760 ; soll jedoch auch die Selbstablehnung eines Mitglieds eine Entscheidung des Ausschusses nicht entbehrlich machen, so wird es auch aus praktischer Sicht zu einer Entscheidung der Ethik-Kommission hierüber kommen. Unterschiede ergeben sich insoweit jedoch nicht, denn die Entscheidung des Ausschusses über den Ausschluss bzw. Nichtausschluss unterliegt vollständiger gerichtlicher Überprüfbarkeit und die Fehlerfolgen für die Endentscheidung der Ethik-Kommission treten unabhängig davon ein, ob der Ausschuss mit der Frage des Ausschlusses befasst wurde oder das Vorliegen einer Befangenheit zu Unrecht verneint wurde.761 Wirkt ein nach § 20 VwVfG von der Beschlussfassung ausgeschlossenes Mitglied – Beschlussfähigkeit trotz seiner fehlenden Stimmberechtigung vorausgesetzt762 – mit, so ist der Verwaltungsakt grundsätzlich fehlerhaft, nur ausnahmsweise nichtig.763 Aus der gesetzlichen Wertung des § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG folgt, dass Verstöße gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG grundsätzlich als schwerwiegende Fehler anzusehen sind, die bei hinzutretender Offenkundigkeit regelmäßig zur Nichtigkeit führen.764 Wirken an der Entscheidung der Antragssteller, aber auch dem gleichgestellte Personen nach § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG – also Prüfer, Hauptprüfer und Leiter der klinischen Prüfung – mit, so stellt dies nicht nur ein Verstoß gegen das in § 20 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG besonders geschützte Prinzip der Unbefangenheit dar (arg. e. § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG), sondern widerspricht zugleich dem besonders bei Ethik-Kommissionen vorgegebenen Strukturprinzip der Unabhängigkeit.765 Verstöße hiergegen sind damit stets schwerwiegend und mit Blick auf die §§ 40 Abs. 1 Nr. 5 AMG, 7 Abs. 3 Nr. 6–8 GCP-V grundsätzlich auch offensichtlich.766 Verneinendenfalls und in den Fällen der § 20 Abs. 1 Nr. 2–6 VwVfG ist die zustimmende oder 759
Vgl. Engelhardt, in: Obermayer, § 20 Rn. 100 ff.; Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 50 ff.; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rn. 53 f. 760 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 50 einerseits, Rn. 59 andererseits. 761 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 53; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rn. 54. 762 Ansonsten greifen die genannten Fehlerfolgen für die Beschlussunfähigkeit ein. 763 Vgl. Hufeld, Vertretung, S. 373; Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 66, § 91 Rn. 14. 764 Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 66a; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 9; Engelhardt, in: Obermayer, § 20 Rn. 139 ff. 765 Zu Letzterem in Bezug auf die §§ 20, 21 VwVfG v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 141, 200 f., 313. 766 So wohl auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 204, wobei nicht hinreichend deutlich wird, ob sie auch für die Mitwirkung von Prüfer, Hauptprüfer und Leiter der klinischen Prüfung die Regelnichtigkeit annehmen.
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ablehnende Bewertung jedenfalls rechtswidrig. Eine Heilung dieses Verfahrensfehlers durch Neuberatung ist indes anerkannt767 und auch den Ethik-Kommissionen zu gewähren. Setzt eine Heilung durch Bestätigung die inhaltliche Nachprüfung voraus, so ist dies für Ethik-Kommissionen nur denkbar, wenn der Stellvertreter des befangenen Mitglieds derselben Disziplin angehört und die betroffene Handlung bestätigt. Nach Abschluss des Verfahrens ist eine Heilung – auch nicht in analoger Anwendung des § 45 Abs. 2 VwVfG – ausgeschlossen.768 (b) Besorgnis der Befangenheit, § 21 VwVfG Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen oder wird ein solcher Grund behauptet, so verweist § 21 Abs. 2 VwVfG für Ausschüsse auf die Vorgehensweise des § 20 Abs. 4 VwVfG. Von § 21 VwVfG werden vornehmlich solche Befangenheitsgründe erfasst, die persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen betreffen, sowie sonstige Gründe, die gegen eine Unvoreingenommenheit sprechen und nicht von § 20 VwVfG erfasst sind.769 Im ethikkommissionsbezogenen Kontext dürfte § 21 VwVfG geringere Bedeutung als § 20 VwVfG zukommen. Neben direkten Kollegen und Mitarbeitern derselben Abteilung, der auch der Antragssteller angehört770 sind zudem nicht zu vernachlässigende persönlich-wissenschaftliche Diskrepanzen zwischen Antragssteller und Ethik-Kommissionsmitglied zu berücksichtigen. Eine mögliche Nichtigkeit der zustimmenden Bewertung durch Mitwirkung eines befangenen Mitglieds, die nur bei schweren Verstößen in Betracht zu ziehen ist, dürfte zumindest hier Seltenheit haben. ee. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung Ergeht gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung eine zustimmende Bewertung, ohne dass die Ethik-Kommission beschlussfähig war, sei es, dass sie das Quorum nicht durch die körperliche Anwesenheit der Mitglieder erreicht hat oder dass unter den fünf Anwesenden ein nicht stimmberechtigtes Mitglied ist, entscheidet sie im Wege eines unzulässigen Aktenumlaufverfahrens oder wirken an der Entscheidung nach §§ 20, 21 VwVfG auszuschließende Mitglieder mit, so ist die getroffene Entscheidung verfahrensfehlerhaft. Für die Annahme einer Amtspflichtverletzung zu verfahrensgemäßem Verhalten muss hinzutreten, dass eine mögliche Heilung des Verfahrensfehlers unterblieben ist. Werden Verfahrensfehler nicht geheilt oder ist eine Heilung nicht möglich, so greift § 46 VwVfG ein, der
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Vgl. Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 67; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 9. Allg. zu diesen Grundsätzen BVerwGE 75, 214, 227; Kopp/Ramsauer, § 20 Rn. 67 f.; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rn. 69 f. 769 Vgl. Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 8. 770 So v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 204. 768
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auch für die Amtshaftung nach überwiegender Auffassung zumindest insoweit zu berücksichtigen ist, als es im Anwendungsbereich des § 46 VwVfG regelmäßig an der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und verursachtem Schaden fehlt.771 Kennzeichnend für die vorliegenden Verfahrensfehler ist es, dass sie die gesamte Ethik-Kommissionsbewertung als solche betreffen. Fraglich ist, ob die vorliegende Amtspflicht zu verfahrensgemäßem Verhalten in Bezug auf den geschädigten Versuchsteilnehmer drittgerichtet ist. Dies hat man zu verneinen: Zwar ist gerade bei der ordnungsgemäßen Beschlussfassung in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf die schutzwürdigen Belange der Versuchsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Jene Rücksichtnahme folgt jedoch nicht aus den §§ 88 ff., 20 f. VwVfG selbst, sondern über das zu vollziehende (drittgerichtete) Normenprogramm der §§ 40 ff. AMG. Das Verfahrensrecht tritt hier in seiner nur dienenden Funktion auf. Eine isolierte Berufung auf die aufgezeigten Verfahrensfehler scheidet mithin aus. Möglich ist jedoch die Berufung auf die Verfahrensfehler in ihrer materiell-rechtlichen Ergänzungsfunktion. Man wird insoweit wie folgt zu differenzieren haben: Beruft sich der geschädigte Versuchsteilnehmer auf drittschützende, nicht der Beurteilungsermächtigung der Ethik-Kommission unterfallende Normen und erweist sich das Ethik-Kommissionsvotum inhaltlich als richtig, so wird es nur mit ergebnisneutralen Fehlern begleitet, die Schadensersatzansprüche nicht begründen. Ist die Entscheidung dagegen inhaltlich fehlerhaft und wird sie von einem Verfahrensfehler begleitet, so hat dies grundsätzlich präjudizielle Wirkung für das Verschulden. Sind Beurteilungsspielräume betroffen, so ist die Ergebnisneutralität nicht offensichtlich, § 46 VwVfG. Inwieweit durch die hier vorliegenden Verfahrensfehlern die drittgerichtete Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Ausfüllung des jeweiligen Beurteilungsspielraums verletzt wird, ist vom Einzelfall abhängig. Wirken nach §§ 20 f. VwVfG auszuschließende Personen mit, so kann dies mit einem Beurteilungsmissbrauch zusammenfallen, wenn für die Bewertung sachfremde Erwägungen maßgeblich waren. Wird unzulässigerweise im Aktenumlaufverfahren entschieden oder wird das Quorum nicht erreicht, kann die Entscheidung an einem Beurteilungsdefizit leiden, wenn infolgedessen der Sachverhalt nicht vollständig oder nur sachunverständig beurteilt werden kann. e. Untersuchungsgrundsatz und Sachverhaltsermittlung Nach § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG sind die Behörden verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Abgesehen von den eher schwachen Mitwirkungspflichten Beteiligter bei der Ermittlung des Sachverhalts im VwVfG (§ 26 Abs. 2 VwVfG) weist § 24 Abs. 1 u. Abs. 2 VwVfG die Aufklärung des für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts vollständig dem Verantwortungsbereich der Behörde zu. § 24 VwVfG ist unmittelbar auf Verwaltungsverfahren (§ 9 VwVfG) im 771
Vgl. Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 115; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 206; ebenso Kopp/Ramsauer, § 46 Rn. 47 a.E.; im Ergebnis auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 45.
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Anwendungsbereich des VwVfG anzuwenden, und zwar auch bei antragsgebundenen Verfahren. Dass jener Grundsatz auf die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen Anwendung findet, ist unstreitig.772
aa. Grundlagen Der Kerngehalt des § 24 VwVfG besteht in der Verpflichtung der Behörde, sich von Amts wegen eine eigene Überzeugungskraft von der Wahrheit bzw. Richtigkeit des Sachverhalts zu bilden. Nur der uneingeschränkte Untersuchungsgrundsatz kommt grundsätzlich dem Postulat der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach, indem die Feststellung des wirklichen Sachverhalts die Willkürunabhängigkeit der Verwaltungsentscheidung gewährt.773 Der in § 24 VwVfG normierte Untersuchungsgrundsatz ist im Zusammenhang mit § 26 VwVfG zu sehen, der Einzelheiten der Sachverhaltsermittlung regelt und neben der Frage, welchen Beweismitteln sich die Behörde bedienen kann (Abs. 1), auch eine allgemeine Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten normiert (Abs. 2). Die Beweisaufnahme ist Teil der Sachverhaltsermittlung. Stehen Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung im pflichtgemäßen Verfahrensermessen der Behörde (§ 24 Abs. 1 S. 2 iVm § 40 VwVfG), so hat sie sich ebenfalls nach pflichtgemäßem Verfahrensermessen bei der Sachverhaltsermittlung der Beweismittel nach § 26 VwVfG zu bedienen.774 Ihr weites Aufklärungsermessen wird bestimmt durch die Kriterien der Entscheidungserheblichkeit, der Überzeugungsbildung und der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen. Art und Umfang der Sachverhaltsermittlung (§ 24 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwVfG) bestimmen sich nach dem konkreten Einzelfall und nach der Entscheidungsnorm mit ihren formellen und materiellen Voraussetzungen, die an den zu erlassenen rechtmäßigen Verwaltungsakt zu stellen sind.775 Besondere Bedeutung kommt dem Untersuchungsgrundsatz zu, soweit es sich um Ermessensentscheidungen und um Entscheidungen mit Beurteilungsspielräumen handelt. Hier erwächst der Behörde die Pflicht, den Sachverhalt so weit aufzuklären, sodass sie den ihr zugestanden Spielrauraum fehlerfrei Ausfüllen kann. Sie hat alle (entscheidungserheblichen) Tatsachen zusammenzutragen
772 Vgl. nur Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 32; van der Sanden, Haftung, S. 73; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 57; ebenso bereits Bork, Ethik-Kommissionen, S. 134 ff.; allg. zur Anwendbarkeit Kopp/Ramsauer, § 24 Rn.1 u. 4. 773 Es handelt bei der Inquisitionsmaxime um einen Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG, wozu vor allem der Grundsatz des fairen Verfahrens und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gehören. Vgl. hierzu Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 12 Rn. 11, § 13 Rn. 24 ff.; Maurer, Allg VerwR, § 19 Rn. 17 f.; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 2 f. u. 6; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 1. 774 Vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 535, 536: „§ 24 I und II i.V. mit § 26 I VwVfG überläßt es in den vom Gegenstand des Verfahrens gezogenen Grenzen jedoch grundsätzlich der nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffenden Entscheidung der Behörde, welche Mittel sie zur Erforschung des Sachverhalts anwendet“. 775 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 438 f.
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und aufzuklären, deren Berücksichtigung nach Sinn und Zweck der Ermächtigung geboten sind.776 bb. Besonderheiten beim Verfahren vor den Ethik-Kommissionen: Risikoentscheidung durch Unterlagenprüfverfahren (1) Untersuchungsgrundsatz bei staatlichen Risikoentscheidungen Ohne dass § 24 VwVfG komplett verdrängt wird, so kommt es freilich durch die Ausgestaltung des Verfahrens vor den Ethik-Kommissionen als Unterlagenprüfverfahren zu einer weitreichenden Verdrängung des Untersuchungsgrundsatzes. Der Untersuchungsgrundsatz wird durch den Beibringungsgrundsatz weitestgehend durchbrochen.777 Di Fabio hat dies anhand von verschiedenen Modellen staatlicher Risikoentscheidungen nachgewiesen. Danach ist im Recht der Risikoverwaltung die Aufteilung der Risikoermittlungspflicht auf den Antragssteller ein typisches Kennzeichen jener Verwaltungsart. Risikoverwaltung setzt sich zusammen aus der beobachtenden Sammlung und wissenschaftlichen Erfassung von Risiken einerseits und einer vergleichenden und bewertenden Entscheidung in Bezug auf notwendige Maßnahmen andererseits. Es obliegt dem Antragssteller, die Grundlagen der staatlichen Genehmigungsentscheidung aus seiner Sphäre zu ermitteln. Der in § 24 VwVfG formulierte Untersuchungsgrundsatz wird zugunsten der Nutzbarmachung des besonderen Sachverstands des Antragsstellers weitestgehend verdrängt und führt zu einer Arbeitsteilung im Risikoentscheidungsbereich (Kooperationsprinzip), indem der die positive behördliche Entscheidung Begehrende eine vollständige Entscheidungsgrundlage zu erstellen hat.778 Auch das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen weist jene Risikoentscheidungsstruktur auf: Nach § 42 Abs. 1 S. 4 AMG trifft den Sponsor eine allgemeine Unterlagenbeibringungspflicht, die in umfassender Weise durch § 7 GCP-V konkretisiert wird. Die Konkretisierung ist wiederum ausgerichtet auf das Normprüfungsprogramm der Ethik-Kommissionen. (2) Nachvollziehende Amtsermittlung: Verantwortungsteilung durch Kooperationsverhältnis? Obliegen dem Antragssteller umfassende Darlegungs-, Vorlegungs- und Nachweispflichten, hat er mithin selbst der Behörde ihre Entscheidungsgrundlage zu unterbreiten, so liegt hierin eine Verteilung der Sachverhaltsermittlung zwischen Behörde und Antragssteller.779 In diesem Zusammenhang wird häufig darauf verwiesen, dass die Behörde nur zur nachvollziehenden Amtsermittlung verpflichtet sei, die sich auf die Überprüfung der vorgelegten Unterlagen auf Richtigkeit, Vollständigkeit und 776
Zu diesen Grundsätzen BVerwG, NJW 1988, 1104; NVwZ 1999, 535, 536.; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, 963; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 25 ff., 41, § 26 Rn. 6 f.; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 8 f. u. 11 f., § 26 Rn. 1 f.; Neumann, NVwZ 2000, 1244, 1246. 777 Allg. hierzu Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 1 u. 28 f. 778 Di Fabio, Risikoentscheidungen, bes. S. 128 ff.; 185 ff. u. passim. 779 Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 28.
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Plausibilität nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung beschränke. Es wäre weder interessensgerecht noch mit rechtstaatlichen Prinzipien vereinbar, würde die Behörde immer dann von ihrer Sachverhaltsermittlungspflicht entlastet, wenn ein nach dem materiellen behördlichen Prüfprogramm ermittlungsbedürftiger Sachverhaltssausschnitt mit einer spezialgesetzlich angeordneten Darlegungslast des Antragsstellers korreliert. Die h. M. trägt dem richtigerweise dadurch Rechnung, dass den umfassenden Pflichten des Antragsstellers „die Verantwortlichkeit der Behörde zur bloßen nachvollziehenden Amtsermittlung“ gegenübersteht. Die staatliche Sachverhaltsermittlung wirkt zwar nur als „Auffangnetz bei unzulänglicher Darlegung“ des Antragsstellers780 , entlastet jedoch nicht die Behörde von ihrer Verantwortlichkeit nach § 24 Abs. 1 S. 2 VwVfG.781 Eine Sachverhaltsermittlungsverteilung zwischen Antragssteller und Behörde führt folglich nicht zu einer dem jeweils ermittelten Sachverhaltsausschnitt korrespondierenden Verantwortungsteilung nach den vorgenommenen bzw. unterlassenen Ermittlungstätigkeiten.782 Auch das AMG geht – wenn auch indirekt – von einer ungeteilten Verantwortung der Ethik-Kommission zur Sachverhaltsermittlung aus, wenn es in § 42 Abs. 1 S. 4 AMG bestimmt, dass der Sponsor der Ethik-Kommission alle Angaben und Unterlagen vorzulegen hat, „die diese zur Bewertung benötigt“. Folglich ist sie in Anlehnung an § 24 Abs. 1 S. 2 VwVfG nicht an das Vorbringen des Sponsors gebunden, sondern sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen, obgleich zu berücksichtigen ist, dass §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG, 8 Abs. 1 u. 2 S. 2 GCP-V den Inhaltsund Ermittlungsumfang begrenzen. Das auf Kooperation ausgerichtete Unterlagenprüfverfahren führt freilich grundsätzlich dazu, dass sich die Ethik-Kommission auf die nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V vorgelegten Angaben und Unterlagen beschränkt, zumal die Konzeption der Unterlagenbeibringungspflicht mit dem Normprüfungsprogramm der Ethik-Kommissionen weitestgehend abgestimmt ist. Bei einer solchen Parallelisierung ist die Beschränkung auf eine nur nachvollziehende Amtsermittlung des vorgelegten Informationsmaterials möglich, zulässig, und kann gerade was die spezifischen Fachkenntnisse des Sponsors anbelangt, auch geboten sein.
780 Vgl. BVerfG NJW 1998, 2346, 2348; s.a. Hoffmann-Riem, DVBl 1994, 605, 606; Di Fabio, NVwZ 1999, 1153, 1157. 781 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 10a ff.; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 28 u. 50; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 26; Kaufmann, Untersuchungsgrundsatz, S. 10; ausf. zu diesem Themenkreis Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 185 ff. u. 457 f.; s. ferner Wahl, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, Vorb §§ 8 ff. GentG, Rn. 45 f.; speziell zur Umweltverträglichkeitsprüfung etwa Weber/Hellmann, NJW 1990, 1625, 1629 f.; Schwab, NVwZ 1997, 428, 431; Kugelmann, Informatorische Rechtsstellung, S. 99. 782 Vgl. treffend Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 10c: „Soweit sich diese [die Behörde] auf die Prüfung der vorgelegten Erklärungen und Unterlagen beschränken darf, führt das jedenfalls rechtlich nicht dazu, dass die Verantwortung für die Entscheidung ganz oder teilweise auf Private übergeht. Die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung hat vielmehr auch in diesen Fällen allein die Behörde zu verantworten“.
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cc. Sachverhaltsaufklärung und Beweismittel der Ethik-Kommissionen Die Ethik-Kommission kann sich zur Bewältigung ihrer Aufgaben verschiedener Beweismittel bedienen: Sie kann nach § 8 Abs. 1 u. 2 Abs. 2 GCP-V Unterlagen und zusätzliche Informationen vom Sponsor anfordern. Beide Befugnisse sind im Zusammenhang mit dem Versagungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG auszulegen. Sie kann eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern, § 42 Abs. 1 S. 5 AMG. Schließlich muss ihr aber auch die Befugnis zugestanden werden, Beteiligte anzuhören, § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG. (1) Verfahrensermessen, § 40 VwVfG Ermessen wird einer Behörde nicht nur im Rahmen ihrer materiellen Entscheidung, sondern – wie der Wortlaut des § 40VwVfG zeigt – auch bei derVerfahrensgestaltung, d. h. der zweckmäßigen Umsetzung des materiellen Rechts, eingeräumt („verfahrensgestaltendes Ermessen“). Sachverhaltsaufklärung, Sachverhaltsbewertung und die Nutzung von Beweismitteln stehen im pflichtgemäßen Verfahrensermessen der Behörde (§§ 10, 24, 26, 40 VwVfG). Die Ethik-Kommission hat die ihr überlassenen Verfahrensspielräume bei der Bewertung bzw. Subsumtion der vorgelegten klinischen Prüfung unter das gesetzliche Normenprogramm ordnungsgemäß zur bestmöglichen Entscheidung und optimalen Verwirklichung der Verwaltungsaufgabe auszuüben. Das Verfahrensermessen wird dann ordnungsgemäß ausgeübt, wenn sich die Behörde im Rahmen ihrer gesetzten Grenzen für diejenige Verfahrensgestaltung entscheidet, die ihr bei sachverständiger Würdigung unter aller in Betracht kommenden Verfahrensgestaltungen als die bestmögliche erscheint, um das materielle Recht durchzusetzen.783 Der Behörde steht mithin ein weites und gerichtlich nur beschränkt überprüfbares Verfahrensermessen sowohl bei der Aufklärung als auch damit korrespondierend bei der Auswahl der Mittel zur Sachverhaltsaufklärung zu. Ein Verstoß, der einen Verfahrensfehler begründet, liegt folglich erst dann vor, wenn die Behörde ein Verfahren zur Sachverhaltsermittlung gewählt hat, welches sich nicht mehr im Rahmen der ihr überlassenen zulässigen Verfahrensgestaltung bewegt.784 Zur formellen Fehlerhaftigkeit kann danach nach allgemeinen Grundsätzen ein Ermessensnichtgebrauch oder ein Ermessensfehlgebrauch führen, etwa wenn die Behörde die Entscheidungserheblichkeit verkennt oder erreichbare Beweismittel ungenutzt lässt.785
783 Vgl. ausf. zum Verfahrensermessen Hill, NVwZ 1985, 449 ff.; ders., DöV 1987, 885 ff.; ferner Riedl, in: Obermayer, § 10 Rn. 2. 784 Vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 535, 536; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 9, § 26 Rn. 5; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, § 13 Rn. 25; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 Rn. 17, § 24 Rn. 26; Hill, NVwZ 1985, 449, 452 f.; z.T. a.A. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 439 f. 785 Vgl. Hill, NVwZ 1985, 449, 451; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 36.
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(2) Unterlagen- und Informationsnachforderungsrechte – Die Dichotomie der §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG, 8 GCP-V Die GCP-V bildet in Bezug auf die Unterlagen- und Informationsnachforderungsrechte keine harmonische Einheit mit dem Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG. Nachfolgend sei zunächst auf die Ungereihmtheiten eingegangen, bevor hieraus die Konsequenzen für eine verfahrensfehlerfeie Ermessenausübung gezogen werden können. Folgendes Beispiel dient der Veranschaulichung: Nach erster Vollständigkeitsprüfung durch die federführende Ethik-Kommission (EK-F) kommt diese zu dem Schluss, dass Unterlagen zu Anzahl, Alter und Geschlecht der betroffenen Personen fehlen (§ 7 Abs. 2 Nr. 10 GCP-V) und fordert diese an. Der Sponsor (S) kommt dem innerhalb der 14tägigen Frist nach. Während der Beratung in der Sitzung der EthikKommission stellt sich weiterhin heraus, dass die Kriterien für das Aussetzen der klinischen Prüfung fehlen (§ 7 Abs. 3 Nr. 17 GCP-V). Für die zu treffende Nutzen-/Risiko-Bewertung hält die EK-F ferner Angaben dazu erforderlich, ob die vorgesehene Knochenmarkbiopsie rein wissenschaftliche oder auch diagnostische Gründe hat. Beide Angaben fordert sie von S an.
(a) Problemstellung Wie aus §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 GCP-V folgt, gehört bereits zu einem ordnungsgemäßen Antrag die Beibringung von Unterlagen, die § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V im Einzelnen aufführt. Bedeutsam ist vor allem, dass die GCP-V zwischen einer formellen Vorabprüfung und der letztlich für den Antrag entscheidenden Bewertungsphase unterscheidet.786 Vor Eintritt in die Bewertung der klinischen Prüfung hat die EthikKommission Antrag und Unterlagen auf ihre Ordnungsgemäßheit zu überprüfen und dem Sponsor innerhalb von 10 Tagen die Ordnungsgemäßheit des Antrags zu bestätigen. Bei nicht begründetem Fehlen von Unterlagen hat der Sponsor eine Frist von 14 Tagen zur Behebung der festgestellten Mängel, § 8 Abs. 1 GCP-V. Da sich diese gesetzliche Frist ausschließlich auf die Ordnungsgemäßheit des Antrags bezieht, kann die Ethik-Kommission folgerichtig nur solche Unterlagen nachfordern, die nach § 7 Abs. 2. u. 3 GCP-V für einen ordnungsgemäßen Antrag vorgeschrieben sind; andere Informationen kann sie nach Bedarf nur nach Eintritt in die Bewertung nachfordern, § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V. Der Hintergrund dieser Verfahrensaufspaltung ist derjenige, dass in der formellen Vorabprüfung ausschließlich die Prüffähigkeit des Antrags sichergestellt werden soll, bevor die Ethik-Kommission in die eigentliche Bewertungsphase übergeht. Weitestgehend ungeklärt ist bislang die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ethik-Kommission den Antrag des Sponsors vor Bewertungsbeginn zurückweisen kann, wenn dieser nicht innerhalb der 14tägigen Frist die von der Ethik-Kommission angeforderten fehlenden Unterlagen nachreicht. Reicht S im obigen Beispiel die Unterlagen zu Anzahl, Alter und Geschlecht der betroffenen Personen (§ 7 Abs. 2 Nr. 10 GCP-V) innerhalb der 14tägigen Frist nicht nach, so stellt sich die Frage, wie die EK-F hierauf reagieren kann, insbesondere ob sie den Antrag nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 AMG ablehnen kann oder sogar ablehnen muss. 786
S.a. Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 40: „formale Prüfung“ und „Hauptprüfung“.
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Nach § 42Abs. 1 S. 7 Nr. 1AMG hat die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn „die vorgelegten Unterlagen nach Ablauf einer dem Sponsor gesetzten angemessenen Frist zur Ergänzung unvollständig sind“. DieseAblehnungsbefugnis steht in einem direkten Zusammenhang zur Unterlagenbeibringungspflicht nach § 42 Abs. 1 S. 4 AMG. Eine an dieser Ablehnungsbefugnis angelehnte Regelung in der GCP-V fehlt indes: Die 14tägie Ergänzungsfrist nach § 8 Abs. 1 S. 1 GCP-V ist eine gesetzliche Frist 787 und bezieht sich auf sämtliche von der EthikKommission geltend gemachten Formmängel, während die angemessene Frist nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG offensichtlich eine behördlich gesetzte meint und nur die Unterlagenunvollständigkeit erfasst.788 Insoweit könnte man mit Blick auf die Fristenregelungen der Auffassung sein, dass sich § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG nur auf die zusätzliche Informationsanforderung gem. § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V beziehen kann. Dagegen spricht aber, dass die GCP-V zwischen „zusätzlichen Informationen“ und „Unterlagen“ strikt zu trennen scheint. Die Richtlinie 2001/20/EG vollzieht eine derartige Differenzierung nicht, denn nach Art. 6 Abs. 6 darf die Ethik-Kommission nur ein einziges Mal zusätzliche Informationen zu den vom Antragssteller bereits vorgelegten Informationen anfordern.789 Aus einer Gesamtschau ergäbe sich dann, wendet man § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG vor der Bewertungsphase an, eine Ablehnungsbefugnis schon allein aufgrund bestehender und jeglicher Formmängel (§ 8 Abs. 1 GCP-V). Bezieht man § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG auf die „zusätzlichen Informationen“ iSv § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V, könnte die Ethik-Kommission durch umfangreiches Nachfordern von Informationen den Ablehnungsgrund willkürlich aufgrund behaupteter Notwendigkeit herbeiführen. (b) Lösung Die GCP-V weist folglich erhebliche Lücken auf, die nur durch eine nach Sinn und Zweck ergänzende Auslegung geschlossen werden können. (aa) Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG vor Bewertungsbeginn Für die Auslegung bedeutsam ist das Merkmal der „Unvollständigkeit“ iSv § 42 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Im Begriff der „Unvollständigkeit“ ist notwendigerweise mit eingeschlossen, dass es den Status der „Vollständigkeit“ geben muss. Nach richtiger Auffassung790 kann sich die Ablehnungsbefugnis folglich ausschließlich aus dem Fehlen von Unterlagen iSd § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V ergeben, die jene Unterlagenvollständigkeit verbindlich festlegen. Läge dies anders, so würde die Ethik-Kommission 787 Eine Fristenregelung verliert ihren Charakter als gesetzliche Frist nicht deswegen, weil die Behörde sie in Gang setzt, vgl. Kopp/Ramsauer, § 31 Rn. 6; s.a. Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 398 f. 788 Hierzu auch Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 40; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 399. 789 Vgl. Art. 6 Abs. 6: „Während der Prüfung des Antrags auf eine Stellungnahme kann die EthikKommission nur ein einziges Mal zusätzliche Informationen zu den vom Antragsteller bereits vorgelegten Informationen anfordern.“ 790 Vgl. insb. Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 35.
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den Begriff der Vollständigkeit definieren und könnte damit gleichzeitig über ihre Ablehnungsbefugnis disponieren, indem sie die Ergänzungsbedürftigkeit selbst bestimmt. Aber auch nicht jegliches Fehlen von Unterlagen nach §§ 8 Abs. 1, 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V kann den Ablehnungsgrund herbeiführen.791 Abgesehen davon, dass das Nachforderungsrecht sich nur auf die für die Bewertung erforderlichen Unterlagen beziehen kann, ist zu berücksichtigen, dass die formelle Vorabprüfung nach § 8 Abs. 1 GCP-V nur die Prüffähigkeit des Antrags vor Bewertungsbeginn sicherstellen soll. Anders ausgedrückt: Vor Eintritt in die Bewertungsphase rechtfertigt die Nichtbeibringung erforderlicher Unterlagen innerhalb der gesetzlichen Frist die Ablehnung nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 GCP-V nur dann, wenn die Aufnahme der Bewertungsphase ohne die nachgeforderten Unterlagen von vornherein überflüssig wäre. Hätte der Sponsor im obigen Beispiel der EK-F innerhalb der 14tägigen Frist die Unterlagen zu Anzahl, Alter und Geschlecht der betroffenen Personen (§ 7 Abs. 2 Nr. 10 GCP-V) nicht nachgereicht, so kommt es darauf an, ob ohne jene Unterlagen der Eintritt in die Bewertungsphase sinnlos wäre. Dies dürfte deswegen anzunehmen sein, weil ohne Angaben zur Probandenanzahl die statistische Fallzahlplanung nicht nachzuvollziehen ist. Anders würde es etwa liegen, wenn nur die Verträge zwischen Sponsor und Prüfstelle nicht nachgereicht werden (§ 7 Abs. 3 Nr. 16 GCP-V).
Weiterhin klärungsbedürftig ist das Verhältnis der „angemessenen Frist“ nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG und der 14tägigen Frist nach § 8 Abs. 1 GCP-V. Die 14tägie Frist kann aus zwei Gründen nicht als Konkretisierung der „Angemessenheit“ angesehen werden: Die Angemessenheit richtet sich zum einen stets nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Art der nachgeforderten Unterlagen, zum anderen handelt es sich bei § 8 Abs. 1 GCP-V um eine gesetzliche, bei § 42 Abs. 1 Nr. 1 AMG um eine behördliche Frist. Dieser eklatante Widerspruch zwischen den beiden Normen resultiert daraus, dass es an einer Ermächtigungsgrundlage für die GCP-V fehlt, eine gesetzliche Frist für die Unterlagennachforderung aufzustellen.792 Insoweit lassen sich die in § 8 Abs. 1 GCP-V vorgesehenen 14 Tage nur als Anhaltspunkt für die Angemessenheit nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG ansehen793 ; genauer: die nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachgereichten Unterlagen können nur in dem Falle, in dem die 14täge Frist gleichzeitig als angemessen iSv § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG zu bewerten ist, eine Ablehnung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG begründen. Die fehlende und/oder unvollständige Nachlieferung begründet folglich nicht automatisch die Ablehnung der klinischen Prüfung.794
791
Vgl. Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 40. a.E.; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 399. Vgl. § 42 Abs. 1 S. 8 AMG; hierzu Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 40; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 399. 793 Ebenso Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 40; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 399; a.A. van der Sanden, Haftung, S. 72 in Fn. 289. 794 Als mögliche Alternative kann die Ethik-Kommission jedoch auch, soweit die kurz bemessene gesetzliche Frist offensichtlich nicht ausreicht, den Antrag mangels Prüfungsfähigkeit sogleich ablehnen, den Antragsteller aber darauf hinweisen, dass der Antrag mit Eingang der erforderlichen Unterlagen als neu gestellt behandelt wird. 792
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(bb) Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 Nr. 1 AMG nach Bewertungsbeginn Generell unanwendbar ist § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG beim zusätzlichen Nachfordern von Informationen nach § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V.795 Hierunter fallen grundsätzlich nur Detailinformationen zu bereits vorliegenden Unterlagen. Die Unanwendbarkeit folgt schon daraus, dass § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V nur eine besonders statuierte Mitwirkungsobliegenheit darstellt („kann“). Wäre dies nicht der Fall, so könnte die Ethik-Kommission die Bewertung zwar nicht herauszögern796 , aber durch geschickt umfangreiches Nachfordern die Ergänzungsbedürftigkeit nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG selbst definieren. Liefert S – sei es vor oder sei es nach Bewertungsbeginn – nicht die zusätzlichen Informationen über die angeforderte Knochenmarkbiopsie, so resultiert hieraus niemals die Befugnis zur Ablehnung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG. Vielmehr ist es in diesem Falle möglich, dass die EK-F zulasten von S den rein wissenschaftlichen Zweck der Untersuchung unterstellt und dies in die Bewertung nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG („Risiken und Nachteile“) einfließen lässt; ggf. sogar mit der Folge der ablehnenden Bewertung, aber nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG.
Das Unterlagennachforderungsrecht der Ethik-Kommission besteht jedoch auch während der Bewertungsphase und ergibt sich unmittelbar aus § 42 Abs. 1 S. 4 AMG, denn stellt die Ethik-Kommission während der Begutachtungsphase fest, dass ihr noch Unterlagen fehlen, die sie eigentlich schon vor Feststellung der Ordnungsgemäßheit hätte anfordern müssen, so dürfte nicht anzunehmen sein, dass eine Präklusion im Hinblick auf Unterlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V eintritt. Ein derartiges Verständnis kann schon aus Praktikabilitätserwägungen und aus Gründen des Versuchsteilnehmerschutzes nicht zutreffend sein und liegt wohl auch nicht dem Verständnis des Verordnungsgebers zugrunde, denn wenn er in § 8 Abs. 1 GCPV die Möglichkeit zur Nachforderung grundlos fehlender Unterlagen eröffnet, so muss dies auch für solche Unterlagen gelten, deren Fehlen zwar seitens des Sponsors begründet wird, jene Begründung sich aber während der materiellen Prüfung als unrichtig erweist. Dies folgt auch aus § 24 Abs. 1 VwVfG, wonach die Behörde an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden ist. Der Sponsor kann mithin nicht die Entscheidungserheblichkeit von Unterlagen selbst bestimmen. Soll die Ethik-Kommission, wie es der Intention des § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V entspricht, sich andererseits aber nicht durch die mehrmalige Nachforderung von Unterlagen vor einer Entscheidung entziehen können, so wird man anzunehmen haben, dass die Ethik-Kommission ebenfalls nur ein einziges Mal und zwar nur zusammen mit ggf. erforderlichen „zusätzlichen Informationen“ Unterlagen vom Sponsor nachfordern kann.797 Diese Auslegung steht auch im Einklang mit Art. 6 Abs. 6 der Richtlinie 795
Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 35; Osieka, Humanforschung, S. 288; Rehmann, § 42 Rn. 5; van der Sanden, Haftung, S. 72; nicht gänzlich für ausgeschlossen halten dies Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 399. 796 Vgl. § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V („nur ein einziges Mal“). 797 Ebenso für Nachforderung von Unterlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V innerhalb der Hauptprüfung Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 41; s.a. Sander, Erl. § 42 Anm. 11.
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2001/20/EG, der nicht zwischen Informationen und Unterlagen trennt, sondern ein generelles Nachforderungsrecht vorsieht.798 Im obigen Beispiel kann die Ethik-Kommission folglich auch nach Bestätigung des ordnungsgemäßen Antrags die Kriterien für das Aussetzen der klinischen Prüfung nachfordern (§ 7 Abs. 3 Nr. 17 GCP-V). Begehrt sie zusätzliche (Detail-)Informationen, wie Angaben zur Knochenmarkbiopsie, so muss sie beide Nachforderungen miteinander verknüpfen.
(c) Konsequenzen für die (ermessensfehlerfreie) Sachverhaltsaufklärung Anhand dieser Grundsätze lassen sich nun Folgerungen für die (ermessensfehlerfreie) Sachverhaltsaufklärung durch die Ethik-Kommission ziehen.
(aa) Unterlagennachforderung, § 42 Abs. 1 S. 4 AMG Die Ethik-Kommission ist durch die Bestätigung des ordnungsgemäßenAntrags gem. § 8 Abs. 1 1. Alt GCP-V nicht präkludiert, wenn sich während der Bewertungsphase ein Fehlen für die Bewertung notwendiger Unterlagen nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V herausstellt. Die Befugnis, nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V fehlende Unterlagen nachfordern zu dürfen, ergibt sich unmittelbar aus § 42 Abs. 1 S. 4 AMG. Da der Sponsor aufgrund seiner besonderen Sachkunde erste Anlaufstelle der Ethik-Kommission sein sollte, grundsätzlich von seiner Erreichbarkeit auszugehen ist und § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V die Entscheidungsrelevanz präjudiziert, ist die Ethik-Kommission zunächst gehalten, zur Sachverhaltsermittlung und Bewertung auf das Unterlagennachforderungsrecht zurückzugreifen. Ein Nichtrückgriff bei Entscheidungsrelevanz dürfte stets als verfahrensfehlerhaft zu werten sein. Kommt der Sponsor der Nachforderung nicht nach, so hat die Ethik-Kommission zwei Möglichkeiten: Soweit sich nach richtiger Auffassung die Ablehnungsbefugnis des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG ausschließlich aus dem Fehlen von Unterlagen iSd § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V ergeben kann, hat die Ethik-Kommission bei entscheidungsrelevanten Unterlagen die Studie abzulehnen, wenn der Sponsor die Unterlagen nicht in angemessener Frist nachreicht. Zugleich begründet die Nichtnachlieferung erforderlicher Unterlagen eine Verletzung der spezialgesetzlich normierten Mitwirkungspflicht.799 Die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts endet dort, wo der Beteiligte seiner Pflicht zur Mitwirkung nicht nachkommt. Präjudiziert § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V die Entscheidungserheblichkeit, ist dem Sponsor eine Mitwirkung grundsätzlich zumutbar und handelt es sich um solche Angaben, die aus der Wissensund Einflusssphäre des Sponsors entstammen, so ist eine unterlassene Mitwirkung bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, die bis zur Beweislastumkehr führen
798 Vgl. Art. 6 Abs. 6: „Während der Prüfung des Antrags auf eine Stellungnahme kann die EthikKommission nur ein einziges Mal zusätzliche Informationen zu den vom Antragsteller bereits vorgelegten Informationen anfordern.“ 799 vgl. § 42 Abs. 1 S. 4 AMG: „hat. . . vorzulegen“ und §§ 7, 8 GCP-V.
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kann.800 Möglich wäre es insoweit auch, dass die Ethik-Kommission die Nichtnachlieferung von Unterlagen bei der Beweiswürdigung der übrigen Ablehnungsgründe nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2–3 AMG berücksichtigt.
(bb) Zusätzliche Informationsanforderung, § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V Die zusätzliche Informationsnachforderung nach § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V korreliert nicht mit dem Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG, weil (Detail-) Informationen keiner Vollständigkeit zugänglich sind. Es handelt sich insoweit um eine spezialgesetzlich statuierte Mitwirkungsobliegenheit, auf die die EthikKommission zurückgreifen kann. Hiermit wird der Prämisse Rechnung getragen, dass es der Sponsor ist, der für Detailinformationen seiner initiierten klinischen Prüfung die nächstliegende Erkenntnisquelle ist. Nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls kann die unterlassene Informationsnachforderung insbesondere bei der Verkennung der Entscheidungserheblichkeit einen Ermessensnichtgebrauch darstellen oder bei erkannter Entscheidungserheblichkeit der Nichtrückgriff auf die besondere Sachkunde des Sponsors einen Ermessensfehlgebrauch begründen.801 Kommt der Sponsor den Informationsnachforderungen nicht nach, so stellt dies eine Verletzung einer aufgrund seiner spezifischen Sachkenntnis normierten Mitwirkungsobliegenheit dar, die grundsätzlich keine unmittelbaren verfahrensrechtlichen Folgen nach sich zieht. Spiegelbildlich zum Verfahrensermessen der Ethik-Kommission ist hier zu differenzieren: (Verfahrens-)Ermessensüberschreitungen bei der Informationsnachforderung wirken sich nicht nachteilig aus, etwa entscheidungsunerhebliche Informationsnachforderungen, die lediglich zur Fristverlängerung führen (§ 8 Abs. 2 S. 3 GCP-V). Kommt es dagegen zu einer Kumulation von Entscheidungserheblichkeit und besonderer Sachkenntnis des Sponsors, so liegt in dem unbegründeten802 Nichtnachkommen ein beachtlicher Verstoß gegen § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V. Nach allgemeinen Grundsätzen zu § 26 Abs. 2 VwVfG kann dies sowohl dazu führen, dass die Ethik-Kommission nicht mehr alle denkbaren Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen muss, etwa durch ein Sachverständigengutachten, welches ohnehin nicht die besondere Sachnähe des Sponsors ersetzen kann, als auch zu einer nachteiligen Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung (§ 356, 444, 446 ZPO analog).803
800
Hierzu allg. Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 26; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 29, § 26 Rn. 52; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 45 ff., § 26 Rn. 43 f.; s.a. VG München, NJW 2006, 1687 ff. 801 Ähnlich auch van der Sanden, Haftung, S. 74 f. 802 In Fällen besonders statuierter Mitwirkungspflichten gilt eine erhöhte Darlegungslast für die Begründung der Weigerung; vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 26 Rn. 57. 803 Eine Beweislastumkehr kommt in den Fällen reiner Obliegenheiten nur selten in Betracht. Hierzu BVerwG NVwZ 2001, 436, 437; NVwZ-RR 1998, 574; 2006, 759; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 26 Rn. 52; Kopp/Ramsauer, § 26 Rn. 43 ff.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
(3) Verwertung eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse, Sachverständigenhinzuziehung, Gutachtenanforderung Das kooperative Interagieren zwischen Behörde und Kontrollunterworfenem gerät dann an seine Grenzen, wenn Sachverhaltsaufklärung und Bewertung des Erkenntnismaterials nicht durch korrespondierenden Sachverstand gedeckt sind. Die prognostische Risiko- und Gefahrenanalysen kann daher die Hinzuziehung externen Sachverstands erforderlich machen. Zur Bewertung der vom Sponsor vorgelegten Unterlagen kann die Ethik-Kommission so auch nach § 42 Abs. 1 S. 5 AMG „eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern“. Damit folgt das AMG dem allgemeinen Grundsatz, dass die Heranziehung externer Sachverständiger grundsätzlich fakultativ und damit im (Verfahrens-)Ermessen der Behörde liegt.804 (a) Allgemeines Verfahrensermessen, § 40 Abs. 1 S. 5 AMG Es dürfte drei Determinanten sein, die für die verfahrensfehlerfreie Ausübung des Ermessens Bedeutung erlangen: Zum einen die Entscheidungserheblichkeit, zum anderen die eigene Sachkunde und schließlich die Subsidiarität gegenüber der besonderen Sachkenntnis des Sponsor, wobei letzterer Gesichtspunkt wiederum durch das Bedürfnis unabhängiger Begutachtung relativiert werden kann. Ob die EthikKommission sich selbst die erforderliche Sachkunde zuschreibt, liegt im Ermessen der Kommission. Anerkannt ist indessen, dass eine Pflicht zur Hinzuziehung externen Sachverstands besteht, wenn kein Angehöriger zur Beurteilung des Sachverhalts die erforderliche Sachkunde besitzt.805 Für Ethik-Kommissionen ist eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen, wenn die klinische Prüfung hochkomplexe Fragestellungen betrifft806 oder etwa bei Placebostudien zur Feststellung über die Vorenthaltung bzw. die Folgen des Entzugs einer Standardbehandlung. Im Übrigen wirkt das Risikopotential gemessen am Nutzen für die betroffene Person und ihre Schutzwürdigkeit807 für die Hinzuziehung von Gutachten und Sachverständigen ermessenslenkend, wie dies auch § 42 Abs. 1 S. 6 AMG zum Ausdruck bringt. Fraglich ist, ob die Pflicht zur Hinzuziehung externen Sachverstands immer dann anzunehmen ist, wenn die Ethik-Kommission nicht über die jeweils betroffene Facharztkenntnis verfügt. Aus einem Umkehrschluss zu § 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt. AMG wird man dies nicht generell bejahen können sondern von der Entscheidungserheblichkeit abhängig 804
Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 192. Vgl. BVerwG NJW 1987, 1431 ff.; BGH NVwZ 1988, 283, 284 (Amtspflichtverletzung durch Genehmigung eines Drachenflugexperiments ohne sachverständige Hilfe); für das gerichtliche Verfahren auch BVerwGE 68, 177, 183; NVwZ-RR, 1990, 375, 376; ferner Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 26 Rn. 68 f. 806 So v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 209; van der Sanden, Haftung, S. 74. 807 Während Art. 4h) der Richtlinie 2001/20/EG durch § 42 Abs. 1 S. 6 AMG umgesetzt worden ist, fehlt jedoch eine Umsetzung der vergleichbaren Vorschrift des Art. 5g) für einwilligungsunfähige Erwachsene. Gleichwohl ist sie auf nationaler Ebene zu berücksichtigen; vgl. auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 209. 805
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machen müssen. Ferner verlangt § 42 Abs. 1 S. 1 AMG „nur“ eine interdisziplinär besetzte Ethik-Kommission und die GCP-V sieht – anders als in § 8 Abs. 4 GCPV – keine Fristverlängerung vor.808 Im Übrigen ist es Aufgabe des übergeordneten Funktionsträgers, für eine Ausrichtung der Ethik-Kommission wenigstens auf die Hauptforschungsbereiche zu sorgen. Verkennt die Ethik-Kommission infolge unzureichenden Sachverstands die Entscheidungserheblichkeit, so ist auch immer eine Haftung des übergeordneten Funktionsträgers in Betracht zu ziehen.809 (b) Fehlende Fachkenntnis auf dem Gebiet der Kinderheilkunde, § 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt. AMG Eine Pflicht zur Hinzuziehung von Sachverständigen oder Gutachten trifft die EthikKommission im Falle klinischer Prüfungen an Minderjährigen, wenn sie nicht über eigene Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde verfügt, einschließlich ethischer und psychosozialer Fragen der Kinderheilkunde, § 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt AMG.810 Abgesehen von der eindeutigen Konstellation, dass die Ethik-Kommission schon in personeller Hinsicht über keinen Kinderarzt verfügt, bleiben alle weiteren Fragen offen: weder geht hervor, wie stark der fachliche Bezugspunkt zur jeweils zu beurteilenden klinischen Prüfung sein muss, noch ist ersichtlich, was für ein Gutachten/Sachverständigen die Ethik-Kommission verneinendenfalls beizuziehen hat.811 Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt die Einschätzung darüber, ob die EthikKommission sich Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde zuschreibt, in ihrem Ermessen; sie muss jedoch nicht nur Kenntnisse sondern Fachkenntnisse aufweisen. Ferner wird man für die Bejahung der notwendigen Eigenfachkenntnisse auch die Stimmberechtigung des jeweiligen (Fach-)Mitglieds im konkreten Fall annehmen müssen. Verfügt sie über die erforderliche Eigenkenntnis, so wird dadurch jedoch nicht per se die Einholung externen Sachverstands entbehrlich, insbesondere kann die fehlerfreie Ermessenausübung im Rahmen von § 42 Abs. 1 S. 5 AMG ergeben, dass die Einholung eines Fachgutachtens deswegen erforderlich ist, weil 808 § 8 Abs. 4 GCP-V bezieht sich nur auf somatische Zelltherapeutika und Arzneimittel mit gentechnisch veränderten Organismen. Selbst im Falle fehlender Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde (§ 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt) begründet die Hinzuziehung externen Sachverstands keine Fristverlängerung; s.a. Sander, Erl. § 40 Anm. 15; a.A. anscheinend Osieka, Humanforschung, S. 292. 809 Hierzu unten, § 5 B.II.6.a. 810 S.a. Art. 4h) der Richtlinie 2001/20/EG. 811 § 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt AMG weicht hier in einem wesentlichen Gesichtspunkt von Art. 4h) der Richtlinie 2001/20/EG ab. Danach soll „der Prüfplan von einer Ethik-Kommission, die über Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde verfügt oder die sich in klinischen, ethischen und psychosozialen Fragen auf dem Gebiet der Kinderheilkunde beraten ließ, befürwortet“ werden. Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde und Beratung in klinischen, ethischen und psychosozialen Fragen werden alternativ aufgeführt; das AMG dagegen macht die Erfüllung beider Erfordernisse von der Verpflichtung zur Hinzuziehung externen Sachverstands abhängig. Zugunsten des Versuchsteilnehmerschutzes ist ein solches Abweichen von der Richtlinie dagegen zulässig, vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/20/EG. S.a. Sander, Erl. § 42 Anm. 13.
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zwar Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde vorhanden sind, jedoch nicht in Bezug auf das betroffene Fachgebiet: Neuropädiatrie, Kinderradiologie, Kinderorthopädie oder gar die Neonatologie lassen sich beispielsweise jeweils nicht durch einen Kinderkardiologen beurteilen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 42 Abs. 1 S. 6 AMG folgt jedoch in derartigen Fällen keine Verpflichtung zur Einholung externen Sachverstands; der Kinderkardiologe besitzt ja Kenntnisse auf dem Gebiet der Kinderheilkunde. Vielmehr findet § 42 Abs. 1 S. 5 AMG Anwendung, dessen gewährtes Verfahrensermessen jedoch aufgrund fehlender Sachkenntnis und erhöhter Schutzbedürftigkeit der Betroffenen auf Null reduziert sein kann. Verneint die Ethik-Kommission die erforderliche Fachkenntnis nach § 42 Abs. 1 S. 6 1. Alt. AMG, so ist auch S. 5 zu berücksichtigen: Würde nach dem Wortlaut des S. 6 jede Sachverständigenbeiziehung bzw. Gutachtenanforderung betreffend die Kinderheilkunde ausreichen, so dürfte sie indes ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie nicht zugleich der besonderen Fachrichtung der betroffenen klinischen Prüfung Rechnung trägt. (c) Xenogene Arzneimittel oder Gentherapeutika, § 42 Abs. 1 S. 6 2. Alt. AMG Kein Verfahrensermessen, auch nicht im Hinblick auf die eigene Fachkompetenz, wird der Ethik-Kommission eingeräumt, wenn es sich um eine klinische Prüfung mit xenogenen Arzneimitteln oder Gentherapeutika handelt, § 42 Abs. 1 S. 6 2. Alt. Dem hat die GCP-V dadurch Rechnung getragen, dass in diesen Fällen verlängerte Fristen vorgesehen sind. Die Nichteinholung zusätzlichen Sachverstands ist damit stets verfahrensfehlerhaft. (4) Anhörung und Äußerung Beteiligter, § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Zur Ermittlung des Sachverhalts kann die Behörde als Beweismittel auch Beteiligte anhören oder schriftliche oder elektronische Äußerungen Beteiligter einholen (§ 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Beide Formen gelten aufgrund des oftmals bei den Beteiligten vorhandenen Sonderwissens als die wichtigsten Beweismittel im Verwaltungsverfahren und sind anders als im Zivilprozess allgemein zulässig. Eine Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen oder zur schriftlichen Äußerung besteht jedoch nicht (§ 26 Abs. 2 S. 2 VwVfG).812 Für Ethik-Kommission relevant ist insbesondere die Anhörung des/der örtlichen Prüfer, Hauptprüfer und Leiter der klinischen Prüfung, die sie als Beteiligte (§ 13 Abs. 2 VwVfG) hinzuziehen kann.813 § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG dürfte auch neben der spezialgesetzlich geregelten Informationsbeschaffung gegenüber dem Sponsor nach § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V Anwendung finden, denn es ist nicht anzunehmen, dass die GCP-V der Ethik-Kommission die persönliche Anhörungsmöglichkeit Beteiligter entziehen wollte814 , zumal es sich lediglich um eine Obliegenheit handelt und sie keine fristhemmende Wirkung entfaltet. Freilich 812
Hierzu und zur Abgrenzung zu § 28 VwVfG vgl. Kopp/Ramsauer, § 26 Rn. 19 ff. Vgl. auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 202. 814 A.A. wohl van der Sanden, Haftung, S. 73 a.E. 813
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stellt die schriftliche Äußerung eines Prüfarztes bzw. Leiters der klinischen Prüfung in Anbetracht der besonderen Sachkenntnis des Sponsors und der fristhemmenden Wirkung keinen hinreichenden Ersatz für die Informationsnachforderung aus § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V dar, sodass die alleinige Beschränkung auf § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ohne Rekurrierung auf § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V einen Ermessensfehlgebrauch darstellt. Anders verhält es sich mit der persönlichen Anhörung. Sie ist deswegen von besonderer Bedeutung, weil sie eine Gewähr für eine sofortige Ausräumung von Missverständnissen bietet und die unmittelbare interdisziplinäre Disputation mit einem in der Sache besonders Vertrauten die Qualität der Bewertung steigert. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann die persönliche Anhörung eine echte Alternative zu § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V darstellen und ihr Nichtgebrauch bei schwieriger Sachlage einen Verfahrensfehler begründen.
(5) Stellungnahmen der beteiligten Ethik-Kommission Nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG kann eine Behörde Auskünfte jeder Art einholen. Nicht in das Verfahrensermessen der federführenden Ethik-Kommission, gleichwohl aber dieser Kategorie zuzuordnen ist die Beteiligung der lokalen EthikKommissionen. Abgesehen davon, dass die Nichtbeteiligung bereits selbst einen Verfahrensfehler darstellt815 , dienen die Stellungnahmen als gewichtiges Beweismittel für die Geeignetheit der lokalen Prüfer und Prüfstellen. Ihnen kommt für die Sachverhaltsermittlung aufgrund der örtlichen Nähe erhebliche Entscheidungsrelevanz zu.
dd. Fehlerfolgen Ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz kann theoretisch – wenngleich eher praxisfern – zu einer Nichtigkeit der zustimmenden Bewertung der EthikKommission führen (§ 44 VwVfG), wenn diese das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unter Bezugnahme auf unklare und widersprüchlich beigefügte Unterlagen des Sponsors aufhebt oder es infolge eines erheblichen Unterlagenmangels zu einer völligen Unbestimmtheit des Verwaltungsaktes kommt.816 Konkret anzunehmen wäre dies etwa im Falle des Fehlens des Prüfplans, in dem oftmals die entscheidungsrelevanten Angaben nach § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-V enthalten sind. Das Unterlassen einer notwendigen Sach- bzw. Sachverhaltsaufklärung stellt grundsätzlich einen Verfahrensfehler dar, der zur formellen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führt. Dies gilt für die Verkennung der Entscheidungserheblichkeit, für die Nichtnutzung erreichbarer Beweismittel sowie für den vorschnellen
815
Hierzu sogleich, § 5 B.II.5.f Vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1992, 209, 210 (Nichtigkeit einer Zustimmungsverfügung wegen Bezugnahme auf einen Plan schlechter Qualität und kleinen Maßstabs); ferner BVerwG NVwZ 1989, 252 ff.; s.a. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 111 ff. m.w. Nachw.; Gusy, BayVBl. 1985, 484, 490. 816
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Schluss auf Umstände trotz sich aufdrängender Zweifel.817 Die Aufhebung des Verwaltungsaktes kommt nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 46 VwVfG in Betracht.818 ee. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung Der Amtshaftungstatbestand wird umso unschärfer, je größer das Volumen von Pflichtverletzungen wird, die in die unterschiedlichsten Richtungen „streuen“ können. Unterlässt die Ethik-Kommission eine zumutbare weitere Sachverhaltsermittlung, so begründet dies einen Verfahrensfehler, der immer mit der Amtspflichtverletzung zu verfahrenskonformen Verhalten zusammenfällt. In der amtshaftungsrechtlichen Fallgruppenbildung werden Sachverhaltsaufklärungsdefizite indes überwiegend mit der Amtspflicht zur sachgemäßen Sachverhaltsermittlung verknüpft. Vor einer hoheitlichen Maßnahme, die geeignet ist, einen anderen in seinen Rechten zu beeinträchtigen, soll dem jeweiligen Amtswalter die Pflicht obliegen, den Sachverhalt im Rahmen des Zumutbaren so umfangreich zu erforschen, dass die Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleibt. Dies kann auch zu einer Amtspflicht führen, sich sachverständiger Hilfe zu bedienen.819 Unabhängig von der jeweiligen Fallgruppenzuordnung stellt sich die Frage, ob die jeweils verletzten Amtspflichten auch drittgerichtet sind, also ob die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung und damit zusammenhängend die ermessensfehlerfreie Rekurrierung auf die zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer bestand. Zu berücksichtigen ist, dass die Sachverhaltsermittlung als Verfahrenshandlung (grundsätzlich) nicht selbstständig anfechtbar ist und der Untersuchungsgrundsatz keine selbstständig durchsetzbare Verfahrensposition begründet.820 Jene Sichtweise muss auch für den Sekundärrechtsschutz gelten, was (unscharf) damit kenntlich gemacht wird, dass die Beurteilungsund Entscheidungsgrundlage nicht in wesentlichen Punkten zum Nachteil des Betroffenen unvollständig bleiben darf. Auch hier tritt das allgemeine und spezifische Verfahrensrecht als „Hilfsmittel“ zur Durchsetzung des materiellen Rechts auf. Erforderlich ist mithin, dass infolge der ungenügenden Sachverhaltsermittlung eine drittschützende Norm verletzt wurde. Insoweit dürfte sich folgendes Bild ergeben: Der Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG hat eine ausschließlich formale Funktion. Dem geschädigten Versuchsteilnehmer stehen Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung nicht allein deswegen zu, weil die Ethik-Kommission 817
Vgl. nur BVerwGE 78, 285, 296 = NJW 1988, 660, 662; NVwZ 1998, 628, 629; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 36; Engelhardt, in: Obermayer, § 24 Rn. 279; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 25. 818 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 36; Engelhardt, in: Obermayer, § 24 Rn. 279. Eine Heilung nach § 45 VwVfG ist nicht vorgesehen. 819 Vgl. BGH VersR 1965, 684, 686; NVwZ 1988, 283; NJW 1989, 99; 1994, 3162, 3164; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 129; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 33; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 45; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 115; s.a. Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 38. 820 Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 58.
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ihre zustimmende Bewertung wegen der Unvollständigkeit der vorgelegten Unterlagen hätte versagen müssen. Es fehlt hier bereits an einer Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht, da die Vollständigkeit der Unterlagen nur der Prüfung der weiteren (drittschützenden) Zulassungsvoraussetzungen dient.821 Für die übrigen drittschützenden Normen ist entscheidungserheblich, ob das Ergebnis der behördlichen Ermittlung tatsächlich unzutreffend ist und ob ein Tatbestandsmerkmal betroffen ist, das der Beurteilungsermächtigung der Ethik-Kommission unterliegt. War etwa ein Sachverständiger nach § 40 Abs. 1 S. 5 o. 6 AMG anzuhören oder waren Unterlagen und/oder zusätzliche Informationen anzufordern, ist die Ethik-Kommission jedoch trotz des Sachverhaltsaufklärungsdefizits zu einem zutreffenden Ergebnis, d. h. zu einer zutreffenden Einschätzung der drittschützenden Normen gelangt, so ermangelt es schon an einer Amtspflichtverletzung, sei es, dass man § 46 VwVfG bereits in der Amtspflichtverletzung verortet oder dass man ein Abweichen der Entscheidungsgrundlage zum Nachteil des Versuchsteilnehmers verneint. Führt das Sachverhaltsaufklärungsdefizit dazu, dass die Ethik-Kommission von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht und deswegen fehlerhaft ein Tatbestandsmerkmal annimmt, so ist ihre Entscheidung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig822 , z. B. etwa dann, wenn die pharmakologisch-toxikologische Prüfung nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG) und die Ethik-Kommissionsmitglieder ohne Hinzuziehung pharmakologischen Sachverstands (§ 40 Abs. 1 S. 5 AMG) positiv votierten. Diese Kumulation indiziert zugleich das Verschulden der Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Handeln. Entsprechendes gilt für die Beurteilungsspielräume. Ergeht hier eine Entscheidung infolge mangelnder Sachverhaltsaufklärung auf einer unrichtigen oder unvollständigen Grundlage, so handelt es sich grundsätzlich um einen beachtlichen Verfahrensfehler, da die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Fehler eine andere Sachentscheidung gefallen wäre.823 Hat die Ethik-Kommission infolge des Verfahrensfehlers nicht alle entscheidungsrelevanten Umstände berücksichtigt oder ist sie von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (Beurteilungsdefizit), so ist ihre Entscheidung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig.824 Die Rspr. bejaht bereits eine schuldhafte Amtspflichtverletzung, wenn die tatsächlichen Grundlagen für die Handhabung des unbestimmten
821
Wie hier Knothe, Zulassung, S. 115 ff. Vgl.; Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 36 f.; Hill, NVwZ 1985, 449, 453; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 24 Rn. 58; Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 438; Pestalozza, in: FS Boorberg, S. 185, 199. 823 Hierzu BVerwGE 61, 45, 50 = NJW 1981, 1683, 1684; NVwZ 1996, 788, 792; NVwZ-RR 1994, 14, 15; VGH Mannheim, NVwZ 1995, 1120, 1121 f. Für Risikoermittlungen und -bewertungen vgl. BVerwG NVwZ 1998, 628, 629; OVG Berlin, NVwZ 1995, 1023, 1024 f.; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 64; Engelhardt, in: Obermayer, § 24 Rn. 279 ff.; Beaucamp, JA 2007, 117, 119; Schöbener, Verw 33 (2000), 447, 453 f. 824 Allg. dazu auch Schenke, VerwProzR, Rn. 774 f. 822
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Rechtsbegriffs nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ermittelt wurden.825 Restriktionen werden hier über die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden vorgenommen.826 f. Ordnungsgemäße Beteiligung der lokalen Ethik-Kommissionen aa. Benehmensentscheidung, § 8 Abs. 5 S. 1 GCP-V Im Falle multizentrischer klinischer Prüfungen ist die zustimmende oder ablehnende Bewertung Ausdruck einer „Benehmensentscheidung“ (§ 42 Abs. 1 AMG iVm § 8 Abs. 5 S. 1 GCP-V). Im Umkehrschluss zu § 44 Abs. 3 Nr. 3 u. 4 VwVfG, der sämtliche gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungsakte und folglich auch das „Benehmen“ erfasst827 , folgt, dass die Nichtbeteiligung der lokalen Ethik-Kommissionen einen Verfahrensfehler darstellt. Vier praktische Fehlerquellen lassen sich hierbei ausmachen: (1.) eine lokale Ethik-Kommission kann gar nicht beteiligt worden sein oder (2.) sie wurde beteiligt, unterlässt jedoch ihre Mitwirkung oder (3.) die federführende Ethik-Kommission votiert, bevor ihr die Stellungnahmen zugehen und schließlich kann (4.) die beteiligte Ethik-Kommission beschlussunfähig gewesen sein. bb. Fehlerfolgen Nach § 44 Abs. 3 Nr. 3 u. 4 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung eines Ausschuss (Nr. 3) bzw. einer Behörde (Nr. 4) unterblieben ist. Da die beteiligten Ethik-Kommissionen selbst Behördeneigenschaft iSv § 1 Abs. 3 VwVfG besitzen findet Nr. 4 Anwendung. Eine Nichtigkeit der zustimmenden bzw. ablehnenden Bewertung – die neben § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG gleichwohl möglich ist – ist mangels besonders schwerwiegenden Verfahrensfehlers nicht anzunehmen828 , sodass eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG in Betracht kommt, indem die erforderliche Mitwirkung nachgeholt wird, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist (Abs. 2). Eine Heilung kommt in den oben genannten Fällen (1.-3) damit durch Nachholung der Mitwirkung in Betracht.829 Die überwiegende Auffassung wendet § 45 Abs. 1 Nr. 4 u. 5 VwVfG auch auf vergleichbare Verfahrens- und Formmängel analog an. Trotz Bedenken gegen die Ausweitung von Heilungsvorschriften830 lässt sich nach der gesetzgeberischen 825
Vgl. BGH NJW 1966, 1356, 1358; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 147 a.E.; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 52. 826 Unten, § 5 B.II.7.d. 827 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 184; Kopp/Ramsauer, § 44 Rn. 57; s.a. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 193; Schäfer, in: Obermayer, § 45 Rn. 58; VG Sigmaringen, NVwZ 2002, 280, 281; wohl auch Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 43. 828 Mittelbar folgt dies mit Blick auf § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG; hierzu Kopp/Ramsauer, § 44 Rn. 9 u. 58 f. 829 S. hierzu auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 206 f. 830 Vgl. Beaucamp, JA 2007, 117, 119.
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Intention – anders als bei der beschlussunfähigen federführenden Ethik-Kommission831 – die Heilbarkeit einer Stellungnahme der beteiligten Ethik-Kommission bei deren Beschlussunfähigkeit durch nachträgliche Beschlussfassung durchaus in Betracht ziehen (4.).832 cc. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung Werden die Prüfer/Prüfstellen ohne ordnungsgemäße Beteiligung der lokalen EthikKommissionen durch die federführende Ethik-Kommission fehlerhaft für angemessen qualifiziert bzw. für geeignet angesehen, so begründet dies eine Amtspflichtverletzung, die infolge des Verzichts auf die lokalen Stellungnahmen auch grundsätzlich auf das Verschulden schließen lässt. So liegt es jedenfalls in den oben genannten Fällen 1 u. 3. Verweigert die beteiligte Ethik-Kommission ihre Mitwirkung, so wird die federführende Ethik-Kommission „genötigt“, ohne den lokalen Sachverstand zu entscheiden. Die fehlerhafte Bewertung begründet zwar eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung, doch fehlt es hier grundsätzlich am Verschulden. In diesem Falle kommt eine alleinige Haftung der beteiligten Ethik-Kommission in Betracht.833 War sie zusätzlich beschlussunfähig (4.), so ist auch hier der Schluss auf ein Verschulden möglich. War die Bewertung der federführenden Ethik-Kommission trotz fehlerhafter oder fehlender Beteiligung der lokalen Kommission zutreffend, so ermangelt es je nach Herleitung entweder an einer drittgerichteten Amtspflichtverletzung oder aber in Anlehnung an § 46 VwVfG an der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden. g. Zusammenfassung Ethik-Kommissionsmitglieder haben die allgemeinen und spezifischen Verfahrensregelungen einzuhalten. Die Nichteinhaltung begründet eine Amtspflichtverletzung. Der geschädigte Versuchsteilnehmer kann sich jedoch nicht isoliert auf Verfahrensfehler berufen. Erforderlich ist eine „Rückbindung“ auf die drittschützenden Normen. Insoweit ergänzen Verfahrensfehler spiegelbildlich zur dienenden Funktion des Verfahrensrechts auch der Ergänzung der Amtshaftung sowohl über das Verschulden als auch über die gerichtliche Kontrolldichte bei Beurteilungsspielräumen. 6. Verschulden und entindividualisiertes „Kommissionsverschulden“ Amtshaftung ist Verschuldenshaftung. Voraussetzung ist folglich, dass den amtspflichtwidrig handelnden Ethik-Kommissionsmitgliedern vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln zur Last fällt. Anders als in der allgemeinen Vertragshaftung oder der Haftung für unerlaubte Handlungen, in der es für die Schadensabnahme 831
Zur Bedeutung der Unterscheidung von vermittelnder und unvermittelter Willensäußerung oben, § 5 B.II.5.d.dd(1). 832 Ebenso, aber für die federführende Ethik-Kommission v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 206 f. 833 Dazu noch unten, § 5 C.
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grundsätzlich gleichgültig ist, ob der Täter vorsätzlich, grob fahrlässig oder nur fahrlässig gehandelt hat834 , kommt der genaueren Bestimmung der dem EthikKommissionsmitglied anzulastenden Schuldform große Bedeutung zu, weil die Subsidiaritätsklausel ausschließlich für fahrlässiges Handeln eingreift, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB.835 Nach gefestigter Rspr. muss der Geschädigte den einzelnen Amtsträger, der ihm gegenüber schuldhaft gehandelt hat, nicht konkret bezeichnen. Ausreichend ist es, dass irgendein Amtsträger in seiner Person den gesamten Haftungstatbestand verwirklicht hat („entindividualisiertes Verschulden“). Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Geschädigte die behördeninternen Vorgänge nicht kennt und jene Nichtkenntnis einer Schadensersatzpflicht aus Amtshaftung nicht entgegenstehen kann.836 Doch bereitet die Suche nach jenem Amtswalter, der in seiner Person alle Tatbestandsmerkmale der schuldhaften Amtspflichtverletzung erfüllt, mitunter teils erhebliche Schwierigkeiten, nämlich dann, wenn der Amtshaftungstatbestand nicht auf eine Person rückführbar ist.837 Die Stärke der Verschuldensentindividualisierung einerseits und die Ausdehnung drittgerichteter Amtspflichten andererseits sind für den Erfolg einer Amtshaftungsklage demzufolge tonangebend. Zu erörtern ist zunächst das Organisationsverschulden, bevor auf das (entindividualisierte) Einzelverschulden der Ethik-Kommissionsmitglieder einzugehen ist. a. Organisationsverschulden des übergeordneten Funktionssubjekts Zu einem Auseinanderfallen von drittgerichteter Amtspflichtverletzung und Verschulden kommt es dann, wenn die Ethik-Kommission so fachlich unterbesetzt ist, dass sie nicht in der Lage ist, das Normenprogramm der §§ 40 ff. AMG ordnungsgemäß zu vollziehen. Fehlt es etwa an ärztlichem, pharmakologischem und/oder juristischem Sachverstand, so kann den Ethik-Kommissionsmitgliedern ein Verschulden im Hinblick auf solche Fragestellungen, die professionellen Sachverstand erfordern, grundsätzlich nicht angelastet werden. Ein Verschuldensvorwurf könnte allenfalls in der Nichtbeiziehung externen Sachverstands erblickt werden (§ 42 Abs. 1 S. 5 u. 6 AMG). Aufgrund der eng bemessenen Fristen ist die Anforderung solcher Gutachten bzw. Beiziehung solcher Sachverständiger, die ständig zu forderndes Fachwissen ausgleichen sollen, unzumutbar. Außerdem wird die Kommission nicht von ihrer eigenen Verantwortung zur Beweiswürdigung entlastet.838 Entfällt in solchen Konstellationen ein Verschulden, so verbleibt nur eine Haftung derjenigen
834
Vgl. Deutsch, JZ 1971, 244, 245; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 150. S.a. Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 370; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 191 a.E. 836 Vgl. RGZ 100, 102, 103 ff.; 159, 283, 290; BGHZ 113, 367, 372; 151, 198, 203 f.; WM 1960, 1304, 1305; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 179; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 76 f.; ders., JZ 2007, 690; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 221; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 292; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 186. 837 Dazu besonders krit. Ossenbühl, JZ 2007, 690 f. 838 Hierzu allg. Thole, Haftung, S. 241; Kopp/Ramsauer, § 26 Rn. 30. 835
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Stelle, die für die Personal- und Sachmittelzuweisung zuständig sind. Dies sind grundsätzlich die Universität, die Kammer und/oder das Land.839 aa. Die neuere Rechtsprechung des BGH und ihre Konsequenzen Es entsprach gefestigter Rspr., dass die Verpflichtung übergeordneter Stellen zu einer angemessenen und sachgerechten Ausstattung mit Personal- und Sachmittel nur im öffentlichen Interesse zur effektiven und effizienten Staatsverwaltung stand und nicht auf die Wahrung von Individualinteressen gerichtet war. Dies führte dazu, dass trotz Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht der zuständigen Amtswalter die Erfüllung des gesamten Amtshaftungstatbestands nicht vorlag: Den konkret Handelnden traf kein Verschuldensvorwurf und die schuldhafte Organisationspflichtverletzung zur sachgerechten Ausstattung mit Personal- und Sachmittel der übergeordneten Stelle war nicht als drittgerichtete Amtspflichtverletzung zu werten.840 Der BGH ist hiervon nun in grundlegender Weise abgerückt. Der zu entscheidende Fall betraf eine – infolge einer Arbeitsüberlastung schuldlose – rechtswidrige Verzögerung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch. In Abkehr zu seiner ursprünglichen Rechtsprechung sah der BGH die Verpflichtung der (übergeordneten) Justizbehörden, die Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können, gegenüber dem durch die Verzögerung Geschädigten als drittgerichtete Amtspflicht an.841 Diese entscheidende „Kehrtwende“842 wird man für verallgemeinerungsfähig halten dürfen und nicht nur auf Gerichte und schuldlos amtspflichtwidrige Verzögerungen zu beschränken haben843 , sodass auch eine Übertragung auf Ethik-Kommissionen, und zwar nicht nur für schuldlose Verzögerungen, sondern auch für die schuldlos sachunverständige Positivvotierung, möglich ist. Diese Sichtweise für Ethik-Kommissionen wird dadurch bestätigt, dass die Qualität des Patienten-/Probandenschutzes durch den Sachverstand der Ethik-Kommission steht und fällt. Sie ist auf die Zuweisung von Personal- und Sachmitteln angewiesen, um die ihnen obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen zu können. Es ist – gerade in Anlehnung an die neuere Rspr. – nicht anzunehmen, dass in diesem sensiblen Bereich eine erhebliche Haftungslücke aufklaffen soll, indem die persönlich übergeleitete Amtshaftung am 839
Dazu bereits oben, § 2 C.I. Vgl. BGHZ 111, 272, 273 ff.; Thiel, JR 2008, 68; Ossenbühl, JZ 2007, 690. 841 BGHZ 170, 260 = NJW 2007, 830 = JuS 2008, 645 (Waldhoff ) = JR 2008, 64 m. Anm. Thiel = JZ JZ 2007, 686 m. Anm. Ossenbühl = DVBl. 2007, 908 m. Bspr. Terhechte (S. 1134); hierzu auch Schlick, NJW 2008, 127, 130. 842 Vgl. Thiel, JR 2008, 68: folgenreicher „Kurswechsel“; Terhechte, DVBl. 2007, 1134, 1139: „kopernikanische Wende“. 843 Vgl. insoweit generalisierend BGHZ 170, 260 = NJW 2007, 830, 832: „Das hindert aber nicht, die dem nachgeordnete Verpflichtung der Judikative oder Exekutive zur sachgerechten Verteilung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel dann als drittschützend zu werten, wenn es an einzelnen Verwaltungsstellen wegen Überlastung der zuständigen Bediensteten zu unzumutbaren Verzögerungen kommt und es allein in der Hand der übergeordneten (Zentral-)Behörde liegt, hier für Abhilfe zu sorgen“. Tendenzen auch bei Thiel, JR 2008, 68; Terhechte, DVBl. 2007, 1134, 1139 u. 1140. 840
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Verschulden kraft sachunverständiger Begutachtung und die Amtshaftung der zuständigen (Zentral-)Behörde an der Drittgerichtetheit der Pflicht zur ausreichenden Mitgliederrekrutierung scheitern soll. Anderenfalls könnte sich der Staat durch die Unterrepräsentation entscheidungserheblicher Wissenschaften der Haftung gänzlich entziehen. Man wird daher auch eine drittgerichtete Amtspflicht der für die Rekrutierung der Ethik-Kommissionsmitglieder zuständigen (Zentral-)Behörde anzunehmen haben.844 Gerade im Hochschulbereich kommt es jedoch in einigen Ländern zu einer Aufspaltung der organisationsverpflichteten Hochschule und der für die Ernennung zuständigen Ministerien. Hieran dürfte man aber nicht schematisch verhaften bleiben, zumal den Hochschulen/Fakultäten oftmals ein Vorschlagsrecht eingeräumt wird.845 Trotz fehlender „Ernennungsbefugnis“ der Universität trifft diese ebenfalls die drittgerichtete Amtspflicht, entweder im Wege ihres Vorschlagsrechts oder durch entsprechendeAnregung bei den zuständigen Ministerien für ausreichenden Sachverstand zu sorgen. Für die Ethik-Kommissionen bei der Kammer und derjenigen bei der unmittelbaren Landesverwaltung treten derartige Divergenzen – soweit ersichtlich – nicht auf. Die neuere Rechtsprechung führt zu einer nicht unwesentlichen Haftungserweiterung, die auch für Ethik-Kommissionen bedeutsam ist: Wird die persönliche Amtshaftung der Ethik-Kommissionsmitglieder auf diejenige Körperschaft übergeleitet, die zugleich die Organisationsverpflichtete ist, so können zwei Haftungsgründe, nämlich die persönlich übergeleitete Amtshaftung und die schuldhafte Organisationspflichtverletzung, geltend gemacht werden. Von herausragender Bedeutung ist dies deswegen, weil das Organisationsverschulden anders als die persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder nicht stimmorientiert und vom Verhalten der Mitglieder während der Sitzung abhängig ist. Nachfolgend ist die (drittgerichtete) Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Ausstattung der Ethik-Kommission mit ausreichendem Sachverstand zu konkretisieren. bb. Rekrutierungspflichten Konkret einzuhaltende Anforderungen für eine Besetzung der Ethik-Kommission sind nicht vorgegeben worden. Ein Mindestmaß für eine ordnungsgemäße EthikKommissionsbesetzung lässt sich jedoch aus einer Gesamtschau der einschlägigen Bestimmungen entnehmen, die durch die konkreten Gegebenheiten konkretisiert werden. (1) Allgemeine Anforderungen Im AMG ist eine ordnungsgemäße Besetzung nur unscharf mit dem Begriff der „interdisziplinär besetzten Ethik-Kommission“ vorgegeben und auch die Definition in § 3 Abs. 2c GCP-V gibt nur darüber Aufschluss, dass ihre Mitglieder sowohl aus dem Gesundheitswesen als auch aus nichtmedizinischen Bereichen zugehörig sein 844
Dies ist für Ethik-Kommissionen bereits vorgetragen worden, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 162. 845 Hierzu v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 133.
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sollen. Das Nähere zur Zusammensetzung soll durch Landesrecht bestimmt werden, § 42 Abs. 1 S. 3 AMG. Die geforderte Interdisziplinarität ist als eine Teilregelung auf Bundesebene und abstrakte Strukturvorgabe mit eher deklaratorischem Charakter zu verstehen, die sich an die Bundesländer richtet.846 Es lässt sich jedenfalls allgemein das Postulat aufstellen, die Ethik-Kommission mit soviel Sachverstand auszustatten, sodass die ordnungsgemäße Vollziehung der §§ 40–42 AMG sichergestellt ist; genauer: der Ethik-Kommission muss die abstrakte Möglichkeit zuteil kommen, den ihr zugestandenen prognostischen Beurteilungsspielraum einzelner Tatbestandsmerkmale im Wege des interdisziplinären Diskurses auszufüllen und das Vorliegen oder das Fehlen einzelner Tatbestandsmerkmale der §§ 40 ff. AMG zutreffend feststellen zu können. Dies setzt voraus, dass sie in der Lage ist, sich auch dementsprechend in ihren Sitzungen einfinden zu können. Geschmälert wird dies nicht dadurch, dass sie auch externen Sachverstand zur Bewertung der Unterlagen hinzuziehen kann (§ 42 Abs. 1 S. 5 AMG), denn schon die Entscheidung darüber, ob die Ethik-Kommission ausreichenden eigenen Sachverstand aufweist oder auf externen angewiesen ist, setzt notwendigerweise voraus, dass die Kommission zumindest den Sachverstand besitzt, um über die Notwendigkeit des externen Sachverstands entscheiden zu können, was wiederum als Mindestanforderung die Möglichkeit einer interdisziplinär-summarischen Prüfung desAntrags und eine verantwortungsvolle interdisziplinäre Selbstreflexion voraussetzt. Andererseits darf die Kommission nicht mit der Notwendigkeit externer Sachverstandshinzuziehung „überfrachtet“ werden, zumal Fristverlängerungen bei Hinzuziehung von Gutachten/Sachverständigen nur in Ausnahmefällen vorgesehen sind. Im Begriff der Kommission bzw. des Kollegialgremiums ist dessen Mehrgliedrigkeit eingeschlossen. Es muss mindestens aus drei Mitgliedern bestehen, wie dies auch § 90 Abs. 1 S. 1 VwVfG für die Beschlussfähigkeit zum Ausdruck bringt („tres faciunt collegium“).847 Die Mindestanzahl von Ethik-Kommissionsmitgliedern lässt sich aus organisationsrechtlichen Gründen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit jedoch nicht an der Anzahl zur Beschlussfähigkeit festmachen. Es sind vielmehr so viele Mitglieder zu rekrutieren, dass die Beschlussfähigkeit der Ethik-Kommission in jeder Sitzung sichergestellt ist.848 Für die Sicherstellung der geforderten interdisziplinären Besetzung müssen Stellvertreter bestellt werden, insbesondere für solche Ethik-Kommissionsmitglieder, deren Sachverstand für die Bewertung der klinischen Prüfung unerlässlich ist. Die medizinische Forschung, arzneimittelbezogene Forschung eingeschlossen, ist seit jeher geprägt von Gegensätzlichkeiten und folglich auf sowohl wissenschaftliche
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Ähnlich auch Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 14. Vgl. Gross, Kollegialprinzip, S. 47; Dagtoglou, Kollegialorgane, S. 32. 848 Vorbildlich § 2 S. 3 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden: „„Die Kommission soll so besetzt werden, dass für jede Sitzung sichergestellt werden kann, dass ein klinischer Pharmakologe, ein Jurist, ein Biometriker und ein Experte in präklinischer Forschung/Arzneimittelentwicklung sowie ein Pfarrer anwesend sein können“. 847
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als auch verschiedene Interessen betreffende Kompromisslösungen angewiesen, sodass die Herstellung einer wissenschaftsbezogenen Rechtsgüterkonkordanz das Ziel der Versuchsplanung sein muss. Dies lässt sich nur durch eine gruppenantagonistische, das Problemfeld der medizinischen Forschung widerspiegelnden Besetzung, gewährleisten. Die ICH/GCP-Leitlinie empfiehlt daher: The IRB/IEC should consist of a reasonable number of members, who collectively have the qualifications and experience to review and evaluate the science, medical aspects, and ethics of the proposed trial (3.2.1.).
So folgt sowohl aus der Natur der Sache als auch aus dem AMG selbst, dass die Ethik-Kommission mit einem Übergewicht an ärztlichem Sachverstand besetzt sein muss. Einzelne Fachrichtungen lässt das AMG offen.849 Der unverzichtbare juristische Sachverstand folgt ebenfalls aus dem AMG selbst, denn die Überprüfung der Aufklärung des Versuchsteilnehmers verlangt nicht nur die Kenntnisse der allgemeinen Einwilligungs- und Aufklärungsdogmatik, sondern auch die Berücksichtigung der Rechtssprechung auf diesem Gebiet. Ferner ist für die Beurteilung einer ausreichenden Versicherung, die entgegen der gegenwärtigen Praxis auch höher als 500.000 € bei entsprechendem Risikopotential der klinischen Prüfung ausfallen kann, eine juristische Einschätzung notwendig. Nimmt eine Ethik-Kommission zugleich die berufsständische Beratung nach § 15 Abs. 1 MBO-Ä wahr, so folgt der unverzichtbare juristische Sachverstand schon aus dem Bedürfnis zur Klärung der schwierigen Abgrenzungsfragen innerhalb der Forschungsnormen. Aus § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG folgt zudem, dass ein auf dem Gebiet der (Bio-)Statistik vertrautes Ethik-Kommissionsmitglied unverzichtbare Voraussetzung für den Vollzug der §§ 40–42 AMG ist.850 Bilden randomisiert kontrollierte Studien den Goldstandard der medizinischen Forschung, so korreliert hiermit auch das Bedürfnis nach ärztlichem Sachverstand im Hinblick auf die allgemeinen Problemlagen der verschiedenen Studiendesigns und Organisationsmethodiken klinischer Studien. Neben diesen einzuhaltenden Anforderungen stehen weitere Disziplinen, die durch die Ethik-Kommissionsmitglieder verkörpert werden, weitestgehend im Ermessen der jeweiligen Institution. Philosophen, Ethiker, Historiker usw. dienen überwiegend der Akzeptanzsteigerung des Ethik-Kommissionsvotums, wobei ihnen eine nicht zu vernachlässigende außermedizinische Problematisierungsfunktion mit Blick auf den Versuchsteilnehmerschutz zukommt. (2) Konkrete Anforderungen nach den Umständen Klinische Arzneimittelstudien betreffen grundsätzlich Spezialgebiete, sodass fachspezifische Kenntnisse zum Teil eine unerlässliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Begutachtung durch die Ethik-Kommission sind. Dies 849 Wie aus einem Umkehrschluss zu § 42 Abs. 1 S. 6 AMG folgt, ist auch die Fachkenntnis auf dem Gebiet der Kinderheilkunde nicht vorgegeben. 850 Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 69 u. 74, die das Fehlen von Biometrikern, vor allem bei den Ethik-Kommissionen der Ärztekammern, als „höchst beunruhigend“ einstufen. Zum Themenkreis auch Victor, MedR 1999, 408 ff.
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manifestiert sich beispielsweise bei reinen Placebostudien zur Überprüfung ihrer Zulässigkeit, die spezifische Kenntnisse der Standardbehandlungen der betroffenen Krankheitsbilder verlangen. Um der Gefahr vorzubeugen, dass bei Antragsüberlastung und der eng bemessenen Fristen die Ethik-Kommission genötigt wird, sachunverständig ohne Hinzuziehung externen Sachverstands zu votieren, muss hauptsächlich der ärztliche Sachverstand der Kommission sich nach den örtlichen Gegebenheiten richten. Da die Zuständigkeit der Ethik-Kommission durch die Person des Prüfers bestimmt wird, sind zukünftig zu erwartende klinische Prüfungen antizipierbar. Eine funktionsgerechte Besetzung der Ethik-Kommission muss dem dadurch Rechnung tragen, dass die wichtigsten Fachrichtungen durch die Ethik-Kommission abgedeckt werden, was die Ausrichtung wenigstens auf die Hauptforschungsbereiche verlangt. Dies wird sich grundsätzlich nur bei den universitären Ethik-Kommissionen verwirklichen lassen, etwa wenn die Kinderheilkunde forschungsintensiv ist. Die in § 42 Abs. 1 S. 6 AMG statuierte Pflicht zur Hinzuziehung externen Sachverstands bei Nichtkenntnissen auf dem Gebiet der Kinderheilkunde kann sich dann in eine Organisationspflicht zur Bestellung von Ethik-Kommissionsmitgliedern auf diesem Gebiet verdichten. Abstrahiert man diesen Grundsatz, so kann auch für die Kommissionen der Kammer und der Länder eine entsprechende Organisationspflicht bestehen, wenn es zu einer Antragshäufigkeit klinischer Prüfungen aus einer bestimmten medizinischen Fachrichtung kommt. cc. Folgen für die Amtshaftung Die Tendenz, das Verschulden bei der Amtshaftung zu entindividualisieren, zeigt sich besonders deutlich beim Organisationsverschulden. Dieses ist auch dann begründet, wenn der tätig gewordene Beamten selbst nach besten subjektivem Wissen und Gewissen gehandelt hat.851 Das Nichtzurverfügungstellen des zur Aufgabenerfüllung notwendigen Personals schließt über die Figur des Organisationsverschuldens den schuldhaften Amtspflichtverstoß nicht aus, auch wenn ein persönlicher Schuldvorwurf gegenüber individuellen Amtsträgern nicht möglich ist.852 Ergeht ein rechtswidriges Ethik-Kommissionsvotum, welches gegenüber dem geschädigtenVersuchsteilnehmer eine drittgerichtete Amtspflicht begründet, so reicht allein die Darlegung aus, dass die Schädigung durch die handelnden Ethik-Kommissionsmitglieder auf die Verletzung von im behördlichen Verkehr bestehende Sorgfaltspflichten bei der Organisation des Dienstbetriebs zurückzuführen ist.853 Hierzu gehört in erster Linie, die Ethik-Kommission mit ausreichendem Sachverstand auszustatten. Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass der Amtshaftungstatbestand zumindest in der Person eines 851 Vgl. hierzu Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 293; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 77; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 186. 852 Vgl. etwa BGHZ 113, 367, 371 f.; NJW 1990, 245, 246; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 220 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 293; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 77; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 186. 853 So Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 189 sowie Rn. 189 a.E.: „Danach reicht es für einen Amtshaftunganspruch also aus, wenn überhaupt und irgendwelche Amtsträger der in Anspruch genommenen Körperschaft Dritten gegenüber obliegende Amtspflichten schuldhaft verletzt haben,
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Amtswalters vollständig verwirklicht sein muss, da auch die Organisationspflichten drittgerichtete Amtspflichten darstellen. b. Organisationsverschulden des Vorsitzenden der Ethik-Kommission Eine Stufe niedriger stehen die Organisationspflichten des Vorsitzenden der EthikKommission. Aus seiner Vorbereitungskompetenz folgen zahlreiche organisatorische Pflichten. Dies betrifft etwa die Wahl des richtigen Verfahrens, die ordnungsgemäße Ladung der Mitglieder, die ordnungsgemäße Zusammenstellung des notwendigen Sachverstands für die anstehende Sitzung854 , die Sicherstellung, dass die Beschlussfähigkeit für jeden einzelnen Tagespunkt, mithin also für jeden einzelnen zu besprechenden Antrag in der Sitzung gegeben ist855 und dass die Funktionsfähigkeit der Kommission trotz durch ausgeschlossene oder von der Sitzung auszuschließende Mitglieder (§§ 20, 21 VwVfG) gewahrt bleibt, etwa indem der „unbefangene“ Stellvertreter geladen wird. Organisationsmängel des Vorsitzenden werden dem Träger der Ethik-Kommission zugerechnet, dem die Organisation der Ethik-Kommission in concreto übertragen worden ist. c. Verschulden der amtspflichtwidrig handelnden Ethik-Kommissionsmitglieder Ermangelt es an einem Organisationsverschulden, so ist auf das Verschulden der einzelnen Ethik-Kommissionsmitglieder abzustellen. In Betracht kommt fahrlässiges und vorsätzliches Handeln. aa. Bezugspunkt des Verschuldens bei der Amtshaftung Das Verschulden muss sich ausschließlich und nur auf die Amtspflichtverletzung beziehen, nicht dagegen auf die schädigende Wirkung oder gar auf den Schaden selbst.856 Dies unterscheidet die Amtshaftung von der allgemeinen Deliktshaftung, wenn also letztlich das Gesamtverhalten der betreffenden Verwaltung in einer den verkehrsnotwendigen Sorgfaltsanforderungen widersprechender Weise amtspflichtwidrig gewesen ist“; s.a. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 179. 854 So ist etwa sicherzustellen, dass bei Studien, die Minderjährige betrifft, wenigstens ein Mitglied den Anforderungen des § 42 Abs. 1 S. 6 AMG genügt. Ist kein auf dem Gebiet der Kinderheilkunde vertrautes Mitglied geladen worden oder wurde nicht sichergestellt, dass es auch erscheinen wird, so stellt es einen Organisationsmangel dar, wenn auf diesen Sachverstand nicht zurückgegriffen oder gar das dann erforderliche Gutachten nach § 42 Abs. 1 S. 6 AMG nicht eingeholt wird. 855 Die mangelnde Beschlussfähigkeit ist von Amts wegen und nicht erst auf Rüge eines Mitglieds hin zu berücksichtigen. Die Sitzung ist bei fehlender Beschlussfähigkeit ggf. zu unterbrechen oder zu vertagen. Vgl. Kopp/Ramsauer, § 90 Rn. 3 f.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 90 Rn. 3 f.; Grünewald, in: Obermayer, § 90 Rn. 3. 856 Ganz h.M., vgl. nur BGHZ 135, 354, 362: „Das Verschulden im Rahmen des § 839 BGB muß sich nur auf die Verletzung der Amtspflicht beziehen; daß der Beamte den hieraus für einen in den Schutzbereich der Amtspflicht einbezogenen Dritten entstandenen Schaden - oder überhaupt einen Schaden - vorausgesehen hat oder voraussehen konnte, ist nicht erforderlich“; ferner BGH NJW 2003, 1308, 1312; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 181; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 192; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 175; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 24; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 73.
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wonach zwar nicht der haftungsausfüllende Tatbestand einschließlich des Schadens, wohl aber der haftungsbegründende Tatbestand, d. h. insbesondere einschließlich der Rechtsgutsverletzung vom Verschulden erfasst sein muss.857 Mit dem Bezugspunkt des Verschuldens auf die reine Amtspflichtverletzung weist der Amtshaftungstatbestand insbesondere in Gestalt der Amtspflicht zum rechtmäßigem Handeln parallelen zur Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB bzw. zur Verletzung reiner Verhaltensnormen auf, bei denen eine Verkürzung des Verschuldensprinzips dadurch eintritt, dass sich das Verschulden nur auf die Zuwiderhandlung beziehen muss und nicht auf die Rechtsgutsverletzung.858 So macht es aber auch gerade für vorsätzliches Handeln, wie Deutsch treffend herausgestellt hat, einen erheblichen Unterschied, „ob sich der Wille billigend auf eine Körperverletzung oder nur auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung richtet“.859 Auch für Ethik-Kommissionsmitglieder ist es folglich unerheblich, ob sie die Schädigung des Versuchsteilnehmers vorausgesehen haben oder hätten voraussehen können.860 bb. Fahrlässigkeit (1) Objektivierter Fahrlässigkeitsmaßstab und pluralistische Vertretbarkeitsentscheidung Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderlich Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB).861 Es gilt ein objektiver Fahrlässigkeitsmaßstab.862 Nicht die individuelle Fähigkeit zur Voraussicht und Vermeidung des missbilligten Erfolges bzw. Verhaltens, sondern die im Verkehr verlangte Fähigkeit ist der maßgeblich einzuhaltende Standard. Dies weist auf einen Vergleich hin: Es ist das Handeln des Schädigers mit dem Verhalten zu vergleichen, das in seinem Verkehrskreis erwartet wird.863 Die erforderliche Sorgfalt – sowohl die innere als auch die äußere864 – ist normativ, sozialbezogen und objektiv typisierend definiert. Es wird die nach den Umständen gebotene Sorgfalt verlangt (normativ) und es kann nur das verlangt werden, was nach dem jeweiligen Verkehrskreis erwartet wird (Sozialbezogenheit). Maßgeblich 857
Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 342 u. 371 f.; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 84; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 50 ff. 858 Instruktiv hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 146 f. u. 375; ders./Ahrens, Deliktsrechts, Rn. 291; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 77 IV 1., S. 445 859 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 127; s.a. Deutsch, JZ 2002, 588, 590; hierzu auch Beckmann, Haftung des Beamten, S. 128. 860 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 183 f.; einschränkend dagegen Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 162. 861 Die Definition des Fahrlässigkeitsbegriffs nach § 276 Abs. 2 BGB gilt für das gesamte Privatrecht und findet folglich auch auf den Amtshaftungsanspruch Anwendung, vgl. nur Deutsch, JZ 1997, 1030, 1032; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 198; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 50; HK-BGB/Schulze, § 276 Rn. 5. 862 Vgl. nur BGHZ 113, 297, 303. 863 Hierzu Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 299 ff.; ders., JZ 2002, 588, 591; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 144; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 28; s.a. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 277 f. 864 Ausf. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 385 ff.
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ist dabei der objektiv typisierte Standard im besonderen Verkehrskreis.865 Diese so verstandene „Gruppenfahrlässigkeit“866 hat im Bereich der Amtshaftung zum Sorgfaltsmaßstab des „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten“ geführt: Es kommt auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind.867 Ethik-Kommissionsmitglieder lassen sich indes nicht mit „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten“ vergleichen, denn die Sorgfaltsanforderungen sind entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, dass gefahrträchtige Lagen gesteigerte Aufmerksamkeit erfordern, erhöht.868 Dies gilt unabhängig davon, ob die jeweiligen Amtswalter konkret in der Lage sind, die zu erbringende Sorgfalt einzuhalten. Auch ehrenamtlich tätige Ethik-Kommissionsmitglieder müssen diejenige Sorgfalt erbringen, die der Verkehr von ihnen erwartet.869 Der BGH hat nun in einer neueren Entscheidung versucht, gesteigerte Sorgfaltsanforderungen mit dem Begriff der „Vorsicht“ in Bezug zu nehmen.870 Diese Präzisierung gibt aber im Ergebnis nur das wieder, was bereits unter der „Erforderlichkeit“ der Sorgfalt zu verstehen ist und verhilft somit im Ergebnis nicht weiter.871 Festzuhalten ist jedenfalls, dass Ethik-Kommissionsmitglieder, die das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufheben und damit dem Gesundheitsrisiko „Tür und Tor“ öffnen, gesteigerte Sorgaltspflichten treffen, die mit verwaltungsrechtlichen Alltagsgeschäften nicht zu vergleichen sind.872 Entsprechend der „Gruppenfahrlässigkeit“ hätte man den Vergleich mit einem „durchschnittlichen Ethik-Kommissionsmitglied“ anzustellen. Bis auf allgemeine Anforderungen, etwa die Sitzungsvorbereitung oder das Studium der Akten im Vorfeld der Sitzung sowie die Fachkompetenz auf dem eigenen Spezialgebiet873 , verhilft dieser Vergleich jedoch gerade für professionell-pluralistisch besetzte Kollegialorgane nicht weiter: Es ist der Hauptzweck derartiger Gremien, verschiedene Verkehrskreise miteinander zu verbinden, durch eine interdisziplinäre Beratung zu harmonisieren, um schließlich aus der Verkehrskreisvereinigung eine pluralistische Vertretbarkeitsentscheidung zu fällen. Auch lassen sich keine Sorgfaltsmaßstäbe für positive und ablehnende Einzelvotierungen aufstellen. Für das
865 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 376 ff.; ders., JZ 1997, 1030 ff.; ders., JZ 2002, 588, 589; ders/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 140 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 189. 866 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 403 ff.; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 143 f. 867 Vgl. BGHZ 106, 323, 329 f.; NVwZ 1986, 504, 505; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 198. 868 Vgl. RGZ 127, 315; 157, 193; Larenz, SchuldR AT I, § 20 III, S. 282 ff.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 3. 869 Vgl. für Gemeinderatsmitglieder BGHZ 106, 323, 330. 870 Vgl. BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775: „vorsichtiger Arzt“. 871 Hierzu auch Vogeler, MedR 2008, 697, 706 f. 872 Ebenso BGH 134, 268, 274 f. für die Erteilung atomrechtlicher Genehmigungen. Dies gilt aufgrund der Ambivalenz von Risikoentscheidungen aber auch in umkehrter Weise, weil die Nichtaufhebung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt den Fortschritt behindert, was gleichermaßen risikobehaftet ist wie die Aufhebung des Verbots selbst. 873 Hierzu Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 149; van der Sanden, Haftung, S. 124 f.
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Verschulden der Kommissionsmitglieder ist vielmehr auf den interdisziplinären Diskurs selbst abzustellen, der mit der Figur der „Verschuldensentindividualisierung“ in das Außenverhältnis transferiert werden kann. (2) Von der Entindividualisierung des Verschuldenserfordernisses zum „Kommissionsverschulden“ Nach st. Rspr. ist eine Individualisierung und Namhaftmachung des Amtsträgers, dessen schuldhaftes Fehlverhalten die Haftung des Staates ausgelöst hat, nicht erforderlich. Hintergrund dieser teils erheblichen Beweiserleichterung ist der Gedanke, dass bei Unmöglichkeit der Feststellung der verantwortlichen Person nicht der Geschädigte die Last tragen soll, die der Staat durch seine Einrichtung verursacht hat.874 Für Ethik-Kommissionen hat sich die Auffassung herauskristallisiert, dass für Ethik-Kommissionsmitglieder jeweils entsprechend der Fachkompetenz unterschiedliche Sorgfaltsmaßstäbe anzulegen seien. Jedes einzelne Mitglied habe das Forschungsvorhaben entsprechend seiner Fachkompetenz sorgfältig zu prüfen. Nur bei Missachtung dieser Sorgfalt durch zumindest ein Mitglied, dessen Sorgfaltsverstoß sich überdies auf das Ergebnis der Kommissionsentscheidung ausgewirkt haben muss, soll eine Haftung bestehen. Es sei jedoch nach Maßgabe der Entindividualisierung des Verschuldens ausreichend, wenn der geschädigte Versuchsteilnehmer darlegt, dass das fehlerhafte Votum der Ethik-Kommission auf einer Begutachtungspraxis beruht, die nicht den üblichen Sorgfaltsanforderungen genügt.875 Vollkommen offen bleibt hierbei jedoch, ob damit die positiv oder auch die ablehnend Votierenden gemeint sein sollen, oder ob Anknüpfungspunkt nunmehr die gesamte Kommission ist. Letzteres stünde im Widerspruch dazu, dass der Amtshaftungstatbestand vollständig in einer Person erfüllt sein muss und es eine Kollegialhaftung nicht gibt. Bleibt man an der Maßgeblichkeit der Einzelstimme behaften, so müsste sich innerhalb der zustimmend Votierenden mindestens ein Mitglied finden lassen, das bei der Stimmabgabe schuldhaft gehandelt hat. Bei pluralistisch besetzten Gremien zeigt sich jedoch anders als bei einseitig ausgerichteten (Fach-)Gremien in aller Deutlichkeit die „Barriere“ zwischen Kommissionsvotum und individuellem Zurechnungszusammenhang. Während bei einseitig ausgerichteten Gremien der gefasste Beschluss den Blick auf die handelnden Personen versperrt876 , so tritt bei professionell-pluralistischen Gremien hinzu, dass sie auf einen Kompromiss ausgerichtet sind. Das Ethik-Kommissionsvotum in Gestalt des Mehrheitsbeschlusses ist 874 Vgl. RGZ 100, 102, 103ff.; 159, 283, 290; BGHZ 113, 367, 372; 151, 198, 203 f.; WM 1960, 1304, 1305; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 179; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 76 f.; ders., JZ 2007, 690; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 221; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 292; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 186. 875 So etwa Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 149 f.; van der Sanden, Haftung, S. 185; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 176, 183 f., 190; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 86 f.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 140; Weißauer, MMW 1979, 551, 556; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2738; nahestehend auch Mayer, Produktverantwortung, S. 619. 876 Allg. hierzu Franke, in: FS Blau, S. 227, 240; Fleischer, BB 2004, 2645.
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keine Addition der verschiedenen Verkehrskreise, sondern das Ergebnis der interdisziplinären Beratung bzw. das Ergebnis eines „Standardfindungsprozesses“ zwischen den verschiedenen vertretenen Fachrichtungen: Sich interdisziplinär zu beraten und aufgrund dieses Diskurses eine Entscheidung zu treffen, bedeutet, nicht an einem Standard verharren zu bleiben, sondern verschiedene Standards zu vereinheitlichen, wobei ein Standard auch gegenüber einem anderen zurücktreten kann. Es werden daher grundsätzlich – wie dem Recht der Risikoverwaltung immanent – pluralistische Vertretbarkeitsentscheidungen getroffen. Am eindrucksvollsten lässt sich dies anhand der Placebogruppe veranschaulichen: Die Nichtbehandlung eines Patienten bei zur Verfügung stehender (Standard-)Therapie entspricht alles andere als dem medizinischen Standard, wohl entspricht sie aber dem biometrischen. Stimmt nun der Mediziner für die Studie und erleidet der Placeboteilnehmer aufgrund der Vorenthaltung einer (Standard-)Therapie einen Gesundheitsschaden, so lässt sich nicht pauschal darauf abstellen, dass der Mediziner seinen Facharztstandard außer Acht gelassen hat. Vielmehr handelt es sich um eine Vertretbarkeitsentscheidung, gefällt zwischen biometrischem und medizinischem Standard.
Es würde dem Wesen eines professionell-pluralistisch arbeitenden Kollegialorgans widersprechen, den gefassten Kommissionsbeschluss in abgrenzbare fachbezogene Einzelteile zu zerlegen. In ähnlicher Weise hat auch van der Sanden darauf abgestellt, dass die Stimme eines Ethik-Kommissionsmitglieds sich nicht als abgrenzbarer Anteil am Entscheidungsinhalt darstellen lässt, sondern die Unbedenklichkeit des gesamten Forschungsvorhabens mit der Stimmabgabe bescheinigt wird.877 Hier entfaltet das bereits erörterte878 Abstellen auf das berufsgemäße Einzelverhalten während der interdisziplinären Beratung seine Wirkung. Aus dem Vertrauensgrundsatz879 folgt, dass Ethik-Kommissionsmitglieder darauf vertrauen dürfen, dass sich bei der interdisziplinären Beratung auch so geäußert wird, wie man es von einem Fachmann der entsprechenden Fachrichtung auch erwarten kann. Gleichgültig, ob der Vertreter einer Fachrichtung positiv oder negativ nach interdisziplinärer Beratung votiert, so obliegt ihm während des interdisziplinären Diskurses die Amtspflicht, seine fachspezifischen Bedenken und Kenntnisse gemäß seinem berufsrechtlichen Standard mitzuteilen und in die Beratung einzustellen.880 Dies ist ein nicht unwesentlicher Aspekt des wechselseitigen Diskurses, der schließlich auch die anderen Mitglieder in ihrem Abstimmungsverhalten aufgrund fehlender korrespondierender Fachkompetenz beeinflusst. Schließlich lässt sich dadurch auch gewährleisten,
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van der Sanden, Haftung, S. 109 ff.; zum Themenkreis auch Gödicke, MedR 2004, 481, 483; a.A. Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 127: „Der insoweit gefasste positive Beschluss muß daher so ausgelegt werden, daß die Zustimmung der einzelnen Mitglieder besagt, dass aus der Sicht des jeweiligen Experten keine Bedenken mehr im Hinblick auf seine fachspezifischen Kenntnisse bestehen“. 878 Oben, § 5 B.II.2. 879 Zum Vertrauensgrundsatz im Rahmen der Fahrlässigkeit vgl. Deutsch, in: Duttge, Perspektiven des Medizinrechts, S. 69, 74 ff.; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 28. 880 In diesem Sinne auch van der Sanden, Haftung, S. 110.
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dass entsprechend den unterschiedlichen Verkehrskreisen auch unterschiedlich im Rahmen des (Innen-)Regresses gehaftet wird. Im obigen Beispiel verletzt der Mediziner seine Amtspflichten schuldhaft, wenn er die anderen Kommissionsmitglieder nicht über die medizinischen Gefahren aufklärt, die im konkreten Fall durch die Vorenthaltung der Standardbehandlung resultieren können; und zwar unabhängig davon, ob er später dem Vorhaben zustimmt oder nicht. Hier gilt der berufsrechtliche Facharztstandard, der beim Innenregress innerhalb der Mitglieder an Bedeutung gewinnen kann. Dem geschädigten Versuchsteilnehmer bleibt jedoch die innerdisziplinäre Beratung verschlossen und das Kommissionsvotum bzw. die Einzelstimmabgaben können nicht am jeweiligen berufsrechtlichen Standard gemessen werden.
Ist folglich das Einzelverhalten vor Stimmabgabe und während der Beratung aus Gründen des Vertrauensschutzes am jeweils maßgeblichen berufsrechtlichen Standard zu messen, so kann die schweigende Zustimmung ebenso schuldhaft amtspflichtwidrig sein wie die lautloseAblehnung der Studie, wenn sie nach objektivfachspezifischer Sicht Bedenken hervorruft und man von einem Fachmann der jeweiligen Berufsgruppe eine Äußerung hätte erwarten dürfen. Für das Verschulden reicht es konsequenterweise aus, dass die (positiven) Einzelstimmen schuldhaft innerhalb und auf Grundlage des interdisziplinären Diskurses zustande gekommen sind. Aus der Prämisse, dass das Einzelverhalten für den Geschädigten nicht erkennbar ist und erst recht nicht der Inhalt der interdisziplinären Beratung, so greift nach Sinn und Zweck die von der Rspr. gewährte Entindividualisierung des Verschuldens ein, die sich – in Anlehnung an die eingangs erwähnte Auffassung – mit der Nichteinhaltung der im Verkehr erforderlichen Begutachtungspraxis der EthikKommission in Bezug nehmen lässt. Eine Aufspaltung des Kommissionsvotums in fachspezifische Einzelverantwortlichkeiten im Außenverhältnis gegenüber den Versuchsteilnehmern stehen einerseits die Entindividualisierung des Verschuldens und andererseits der Charakter der pluralistischen Entscheidung entgegen. Eine fachspezifische Zerlegung des Kommissionsvotums führt erst im Rahmen des Innenregresses zu interessensgerechten Ergebnissen.881 Mit dem Anknüpfungspunkt des entindividualisierten Verschuldens werden so berufsrechtliche Standards in das Verhältnis von Ethik-Kommission und Versuchsteilnehmer transferiert.882 Dies führt letztlich zu einer Art „Kommissionsverschulden“ im Außenverhältnis, ist aber wegen der Eigenart der professionell-interdisziplinären Beratung mit letztlich zu treffender Vertretbarkeitsentscheidung gegenüber dem Versuchsteilnehmer und auf der Grundlage der Entindividualisierung gerechtfertigt.883 (3) Berücksichtigung ethik-kommissionsspezifischen Sonderwissens Umstritten ist die Frage, ob auch Spezialkenntnisse bei der Fahrlässigkeit zu berücksichtigen sind. Für Ethik-Kommissionsmitglieder ist dies nicht unwesentlich, denn 881
Wie hier auch van der Sanden, Haftung, S. 109 ff., insb. S. 111 m. Fn. 524. Dazu auch Freund, in: MüKo/StGB, Vor §§ 95 ff. Rn. 62 ff. 883 Wie hier im Ergebnis auch allg. Papier, in: Müko/BGB, § 839 Rn. 128; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 26. 882
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noch in den Fußstapfen stehende Erkenntnisse gehören nicht zum berufsrechtlichen Standard, denn dieser wirkt erst durch die allgemeine Akzeptiertheit haftungsbegründend.884 Spezialkenntnisse können etwa nicht oder noch nicht publizierte, aber von den Mitgliedern begutachtete Forschungsstudien oder Zwischenberichte zu noch laufenden Studien betreffen.885 Besondere Brisanz erfährt die Thematik, wenn Studien wegen nicht bestätigter Überlegenheit und/oder Wirksamkeit abgebrochen wurden, deren Ergebnisse nur selten publiziert werden.886 Es ist aber auch möglich, dass sich langjährige und erfahrene Ethik-Kommissionsmitglieder Kenntnisse auf anderen Gebieten angeeignet haben.887 Hier stellt sich jeweils die Frage, ob die Ethik-Kommissionsmitglieder deswegen fahrlässig handeln, weil sie jene Spezialkenntnisse bei einer anderen Studie oder generell unberücksichtigt lassen. Nach der Rspr. des BGH erhöht ein besonderer Kenntnisstand die einschlägigen Sorgfaltsanforderungen. Fahrlässig handelt demzufolge, wer diese besonderen Fähigkeiten nicht einsetzt.888 Dem ist zuzustimmen, denn zum einen dient der objektive Sorgfaltsmaßstab dem Schutz des Verkehrs. Zum anderen soll er die Handlungsfreiheit erhalten. Es wäre aber unsachgemäß, die Einsetzung der besonderen Fähigkeiten deswegen nicht zu verlangen, weil der Schutz des Verkehrs dies nicht erfordert und durch die übersteigerten Anforderungen die Handlungsfreiheit eingeschränkt wird. Es verhält sich geradezu umgekehrt: Der über Spezialkenntnisse Verfügende instrumentalisiert den fehlenden Verkehrsschutz, um sich Handlungsfreiräume zu schaffen. Die deutsche Fahrlässigkeit geht aber in die Richtung, von demjenigen, der nicht mehr als den Standard liefern kann, auch nicht mehr zu verlangen als den Standard. Wer dagegen mehr zu geben in der Lage ist, soll sich nicht auf die Handlungsfreiheit berufen.889 884
Hierzu Deutsch, JZ 1997, 1030, 1032 ff.; Hart, MedR 1998, 8, 9; Velten, Der medizinische Standard, S. 41; Vogeler, MedR 2008, 697, 699 f. 885 van der Sanden, Haftung, S. 125 f. verwechselt die erforderliche Sorgfalt mit subjektiven Spezialkenntnissen, indem er meint, die Ethik-Kommissionsmitglieder seien verpflichtet, sich laufend über Fortschritte und Entwicklungen in ihrem Fachgebiet zu unterrichten. Bei individuellen Spezialkenntnissen geht es aber eben nicht um die Nichtaneignung von Wissen, sondern um die Nichtberücksichtigung vorhandenen Spezialwissens. Die Fortbildung, sei es die berufsrechtliche oder die ethik-kommissionsspezifische, fällt bereits unter die „normale“ Fahrlässigkeit. 886 Zur Thematik der Veröffentlichung „ergebnisloser Studien“ vgl. Antes, DMW 2007, 2311 f.; Menzel/Uebing/Hucklenbroich/Schober, DMW 2007, 2312 ff.; ausf. Pramann, Publikationsklauseln, S. 9 ff. 887 Interessant ist übrigens die umgekehrte Frage, inwieweit ärztliche Mitglieder die erworbenen Spezialkenntnisse aus der Begutachtung klinischer Studien in der Routineversorgung bei ihren Patienten zu berücksichtigen haben. Dies betrifft etwa Neben- und Wechselwirkungen, die durch Studien sichtbar wurden oder wegen hinreichenden Verdachts erforscht werden, aber der scientific community noch nicht zugänglich sind oder niemals zugänglich gemacht werden. 888 BGH NJW 1987, 1479 m. Anm. Deutsch; NJW 1988, 2949, 2950; 1989, 2321, 2322; OLG Koblenz, NJW-RR 2004, 1225; OLG Nürnberg, NJW-RR 2006, 1170, 1171. 889 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 397 ff.; ders., NJW 1987, 1480, 1481; ders., JZ 1997, 1030, 1033; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 147 a.E.; Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 15; HKBGB/Schulze, § 276 Rn. 13; Grunewald, JZ 1982, 627, 630; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 29 ff.; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 56.
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Daneben ist fraglich, ob für die Nichtberücksichtigung individueller Fähigkeiten im Rahmen der Amtshaftung überhaupt Raum ist, wenn es um Handlungsspielräume geht, die letztendlich den Staat entlasten. Für Ethik-Kommissionsmitglieder ist demzufolge anzunehmen, dass erwobene Spezialkenntnisse zur Erhöhung der individuellen Sorgfalt führen, weil schon der Verkehr für den Versuchsteilnehmerschutz dies erwartet.890 (4) Verschulden bei unrichtiger Gesetzesauslegung Für Ethik-Kommissionsmitglieder nicht weniger bedeutsam ist die Frage fahrlässigen Handelns bei unrichtiger Gesetzesauslegung. Die §§ 40 ff. AMG enthalten keine Hinweise auf kontrollierte Versuche und viele Normen werden im Schrifttum teleologisch extensiv ausgelegt, um den Bedürfnissen der Praxis Rechnung zu tragen. Nach der Rspr. des BGH liegt eine schuldhafte Amtspflichtverletzung jedenfalls dann vor, wenn die Auslegung gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt oder aber die rechtlichen Zweifelsfragen höchstrichterlich geklärt sind. Zu verneinen ist ein Verschulden des Beamten dagegen idR, wenn seine objektiv unrichtige Auslegung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt zweifelhaft sein kann und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt worden ist.891 Erweist sich die vom Amtswalter vertretene Rechtsauffassung wenigstens für objektiv vertretbar, so muss, um den Schuldvorwurf zu beseitigen, die subjektive Komponente der sorgfältigen rechtlichen und tatsächlichen Prüfung hinzutreten.892 Für Ethik-Kommissionen entlastend wirkt die Tatsache, dass ihre Entscheidung durch juristischen Sachverstand begleitet wird und folglich eine sorgfältige rechtliche und tatsächliche Prüfung stattfindet, sodass bei objektiv vertretbarer, aber später als objektiv unzutreffend erkannte Rechtsauslegung ein Verschuldensvorwurf entfällt. Übrig bleiben die Fälle, in denen die Auslegung gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt sowie – wegen fehlender Rspr. auf dem Gebiet der klinischen Prüfung – Verstöße gegen die eindeutige Auslegung im Schrifttum.893 Zum ersten Fall zählt etwa eine klinische Prüfung an gesunden Minderjährigen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 40 Abs. 4 Nr. 1 AMG. Als überwiegend eindeutige Auslegungstendenz des Schrifttums innerhalb der §§ 40 ff. AMG kann etwa die Auslegung des „gruppespezifischen Nutzens“ als Grundlage für eine Placebokontrolle angesehen werden und die Unzulässigkeit von rein wissenschaftlichen Versuchen an Einwilligungsunfähigen, soweit man hier nicht bereits den klaren Gesetzeswortlaut heranzieht (§ 41 Abs.
890 Allg. dazu Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 30; wie hier im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 125 f. 891 Vgl. RGZ 107, 118, 120; 133, 137, 142; 135, 110, 116; BGHZ 30, 19, 22; NJW 1995, 2918, 2920 892 Vgl. BGHZ 30, 19, 22; 119, 365, 369; NJW 1984, 168, 169; NJW 1994, 3158, 3159; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 74. Zum Themenkreis ausf. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 204 ff. 893 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 204.
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3 AMG). Sind die Entscheidungen nicht mehr objektiv vertretbar, so ist die Berufung auf fehlendes Verschulden nicht möglich.
(5) Der Gedanke des Übernahmeverschuldens für professionell-pluralistische Kollegialorgane Konstellationen, in denen das Verschulden fraglich ist, treten dann auf, wenn die positiv Votierenden die sachverständig negativ Votierenden überstimmen, mit der Folge, dass die „Verkehrskreisvereinigung“ der zustimmend Votierenden nicht ausreichend ist, um die zustimmende Bewertung zu tragen. Unabhängig davon, ob die konkret sachverständigen Kommissionsmitglieder mit Nachdruck ihre Bedenken vorgetragen oder letztlich „lautlos“ gegen die Studie votiert haben, so stünde den sachunverständigen Kommissionsmitgliedern der Einwand offen, dass sie weder die fachspezifisch vorgetragen Bedenken auf ihre Richtigkeit hin überprüfen konnten noch dass sie selbst den Sachverstand hätten ersetzen können. Der maßgebliche Anknüpfungspunkt für solche Fälle ist das Übernahmeverschulden, auch „einleitende Fahrlässigkeit“ genannt. Das Übernahmeverschulden folgt dem Gedanken, dass auch derjenige die im Verkehr erforderlich Sorgfalt außer Acht lässt, der sich in eine erkennbar risikoreiche Situation begibt und trotz Nichtbeherrschung der Gefahren sie entweder schafft oder aufrechterhält. Sie äußert sich idR in einer individuellen Minderqualifikation. Voraussetzung ist die Erkennbarkeit der Gefahr.894 Die Anwendung der Grundsätze des Übernahmeverschuldens sind deswegen für professionell-pluralistisch besetzte Kollegialorgane besonders geeignet, weil durch sie einerseits die Lücken geschlossen werden können, die durch Minderqualifikationen entstehen. Zugleich wirkt in ihr das Gebot einer einstimmigen und sachverständigen Entscheidung. Stimmen etwa der Jurist, der Ethiker und der Biometriker für die Durchführung der Studie, die anderen beiden ärztlichen Mitglieder dagegen, weil die klinische Prüfung eine – was zutrifft – unvertretbare Placebogruppe zum Gegenstand hat, so ist die Erfüllung des Amtshaftungstatbestandes mit Blick auf das Verschulden in einer Person fraglich. Ohne dass es einer Rekurrierung auf die kommissionsinternen Vorgänge bedürfte, etwa der Geltendmachung, dass die ärztlichen Mitglieder es amtspflichtwidrig unterlassen hätten, die Befürworter nicht vom Gegenteil zu überzeugen, fällt den amtspflichtwidrig positiv Votierenden Fahrlässigkeit aus dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens zur Last, weil ihre Fachrichtungen alleine die zustimmende Bewertung mit Blick auf die unvertretbare Placebogruppe nicht tragen können. Erkennbar ist die Gefahr allein schon deshalb, weil die fachkompetenten Ärzte ihre Zustimmung versagt haben. Fälle, bei denen es an der Erkennbarkeit der Gefahr fehlt, etwa wenn überhaupt kein Mediziner in der Kommission vertreten ist, lassen sich bereits über das Organisationsverschulden lösen.
894
Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 383; ders. JZ 1988, 993, 995; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 152; aus strafrechtlicher Sicht Duttge, Handlungsunwert, S. 447 ff.; speziell aus dem Bereich der Arzthaftung Pflüger, Krankenhaushaftung, S. 101; Hausch, Behandlungsfehler, S. 460 ff.; aus der Rspr. BGHZ 88, 247, 257 ff. (Anfängeroperation).
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Ebenfalls unter das Übernahmeverschulden fallen die Fälle, in denen trotz erkannter eigener Inkompetenz verfahrensfehlerhaft auf externen Sachverstand verzichtet und somit „ins Blaue hinein“ votiert wird.895 (6) Verschulden durch Verfahrensfehler Dient das Verfahrensrecht der Durchsetzung des materiellen Rechts und legt es gleichzeitig diejenigen Maßstäbe fest, die für eine Verwirklichung eines richtigen Ergebnisses einzuhalten sind, so kann ein Verfahrensfehler auf verwaltungsrechtlicher Primärebene ein Verschulden auf Sekundärebene begründen.896 Das ist der Fall, wenn die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission rechtswidrig ist und gleichzeitig verfahrensrechtliche Anforderungen bei der Entscheidungsfindung außer Acht gelassen wurden, etwa wenn über interdisziplinär zu entscheidende Tatbestandsmerkmale im Wege des Aktenumlaufverfahrens entschieden wurde, fehlerhaft Prüfer und/oder Prüfstätte ohne Zuwarten auf die Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission für geeignet und angemessen qualifiziert angesehen wurden oder verfahrens- bzw. ermessensfehlerhaft auf externen Sachverstand verzichtet wurde.897 cc. Vorsatz (1) Bezugspunkt und Konkretisierung Die Bestimmung der genauen Grenzlinie zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit gibt im Amtshaftungsrecht darüber Auskunft, wann die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung findet. Die genauere Grenzziehung ist jedoch alles andere als eindeutig, zumal – anders als im Strafrecht898 – die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit im Zivilrecht geringere Bedeutung hat.899 Vorsatz ist die schwerste Schuldform, weil in ihm die Auflehnung gegen die Rechtsordnung mitschwingt.900 Er wird mit der gängigen Formel des Wissens und des Wollens der objektiven Tatbestandsmerkmale beschrieben.901 Der Vorsatz muss sich auf den Haftungstatbestand beziehen, also im Rahmen des Deliktsrechts auf die Rechtsguts- und/oder Schutzgesetzverletzung und im Vertragsrecht auf den Verstoß gegen die Vertragspflicht, nicht dagegen auf den Schaden.902 Nach herrschender Vorsatztheorie gehört auch 895
Hierzu auch Mayer, Produktverantwortung, S. 628 f.; nahestehend Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 149. 896 Ähnlich bereits Bork, Ethik-Kommissionen, S. 116. 897 Vgl. für unbestimmte Rechtsbegriffe BGH NJW 1966, 1356, 1358; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 147 a.E.; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 52. 898 Vgl. Duttge, Handlungsunwert, bes. S. 463 f. 899 Vgl. Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 150 f. 900 Vgl. Deutsch, in: FS Medicus, S. 77, 83; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 154. 901 Vgl. BGH NJW 1965, 962, 963; Brox/Walker, Allg SchuldR, § 20 Rn. 7.; Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 10. 902 Vgl. BGHZ 34, 375, 381; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 342 ff.
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das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit zum zivilrechtlichen Vorsatz.903 Dabei spielt es eine nicht unwesentliche Rolle, ob es sich um einen Verhaltensnormtatbestand oder um einen Verletzungstatbestand handelt, denn als relativer Begriff muss sich der Vorsatz nur auf das Verhalten oder auf die Verletzung des Rechtsguts beziehen.904 Neben dem Wissen des Täters in Bezug auf das tatbestandlich umschriebene Verhalten bzw. der Verletzung des Rechtsguts, muss zumindest ein „Wollen“ iSd bedingten Vorsatzes hinzutreten. Dieses liegt nach der Rspr. dann vor, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung zwar nicht anstrebt, er aber mit dem für möglich gehaltenen Erfolg einverstanden ist oder ihn wenigstens billigend in Kauf nimmt.905 Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraute, dass der Erfolg nicht eintreten wird oder er ihn abwenden kann.906 Beim sog. Handeln „ins Blaue“ hinein, also wenn der Täter das Risiko des Erfolgseintritts nicht nachprüft oder wenn der Täter die Augen vor der Schadenswahrscheinlichkeit verschließt, ist dagegen vorsätzliches Handeln gegeben.907 Im Rahmen der Amtshaftung handelt daran anknüpfend vorsätzlich, wer die Tatsachen, die die Pflichtverletzung objektiv ergeben, kennt und sich auch der Pflichtwidrigkeit bewusst ist oder zumindest mit der Möglichkeit eines Verstoßes gegen Amtspflichten rechnet und diesen billigend in Kauf nimmt.908 Eine Erstreckung des Vorsatzes auf den Schaden oder dessen Vorhersehbarkeit ist nicht erforderlich.909 Bezugspunkt ist folglich eine Verhaltenspflicht, was die Hauptfallgruppe der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten anschaulich zum Ausdruck bringt und entspricht deswegen strukturell dem schuldhaften Verstoß gegen ein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB.910 Ethik-Kommissionsmitglieder handeln vorsätzlich, wenn sie mit der Möglichkeit eines Pflichtverstoßes gerechnet und unter billigender Inkaufnahme der Amtspflichtverletzung gehandelt haben.911 Da es sich bei den §§ 40 ff. AMG um drittgerichtete
903 Vgl. BGHZ 118, 201, 208; NJW 2002, 3255; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 158; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 353 ff.; ders., in: FS Medicus, S. 77, 83. 904 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 124: „Es macht einen Unterschied, ob sich der Wille billigend auf eine Körperverletzung oder nur auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung richtet“; s.a. Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 155. 905 BGH NJW 1986, 180, 182; NJW-RR 1995, 936, 937; Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 10; Brox/Walker, Allg SchuldR, § 20 Rn. 9; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 337: „eventuelles Gewolltsein“ als Auflehnung gegen die Rechtsordnung. 906 Vgl. BGH NJW-RR 1998, 34, 35; HK-BGB/Schulze, § 276 Rn. 17. 907 Hierzu Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 161 m.w. Nachw. 908 Vgl. BGHZ 120, 176, 181; NJW 1988, 129; NVwZ 1992, 911, 912; NVwZ-RR 1996, 625, 626; VersR 2001, 1525; hierzu auch Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 182; Lochte-Handjery, JuS 2001, 1186; jew. m.w. Nachw. 909 Vgl. BGH NJW 2003, 1308, 1312. 910 Zur Verkürzung des Verschuldensprinzips bei Schutzgesetzverletzungen und Verhaltensnormtatbeständen Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 146 f. u. 375; hierzu auch Beckmann, Haftung des Beamten, S. 128. 911 Zu dolo eventuali handelnden Amtsträgern vgl. BGHZ 120, 176, 181.
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Risikovorschriften handelt912 , die unabhängig vom Bestehen einer Gefahr vorbeugend eingreifen und dieAmtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten auf sie Bezug nimmt, ist die Annahme vorsätzlichen Handelns erleichternd möglich. Kommt es zu einem Zusammentreffen von Risikovorschriften mit gleichzeitiger Verkürzung des Verschuldensprinzips, so verschwimmt die allgemeine Unterteilung von kognitiven und voluntativen Elementen insoweit, als wenigstens billigend in Kauf genommene kognitive Defizite zurAnnahme der voluntativen Merkmale desVorsatzes führen können, was mit dem „Handeln ins Blaue“ hinein allgemein umschrieben wird. Bestehen erkennbare Zweifel an direkt probandenschutzbezogenen Vorschriften, so besteht eine Parallele zum Rechtsgutsverletzungsvorsatz. Ist zweifelhaft, ob die Probandenversicherung angemessen ist (§ 40 Abs. 3 S. 2 AMG) oder ob die zu erwartenden Risiken und Nachteile ärztlich vertretbar sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG) oder ob Risiken über die definierte Belastungsgrenze hinausgehen werden (§§ 40 Abs. 4 Nr. 4, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG), so lässt sich die zumindest billigende Inkaufnahme der Amtspflichtverletzung nicht ohne Hinzutreten besonderer Umstände annehmen. Das Bild ändert sich aber dann, wenn unter der bewussten Inkaufnahme der kognitiv aufklärbaren und aufzuklärenden Defiziten positiv Votiert wird, also etwa das erforderliche Sachverständigengutachten nicht eingeholt wird (§ 42 Abs. 1 S. 5 u. 6 AMG). Dass die Amtspflichtverletzung hier nicht wenigstens billigend in Kauf genommen wurde, erscheint dann nicht mehr als nur fernliegend.913 Festzuhalten bleibt, dass sich aufgrund der Verhaltensbezogenheit der Amtspflichtverletzung die Haftung für Ethik-Kommissionen nicht nur auf fahrlässige Pflichtverletzungen beschränkt914 , sondern ein vorsätzliches Handeln zumindest in Fällen in Betracht zu ziehen ist, bei denen der Bezugspunkt der Amtspflichtverletzung einen verstärkten Verhaltensbezug mit kognitiver Vorverlagerung aufweist und gleichzeitig mit einer Pflicht zur Ausräumung bestehender kognitiver Defizite zusammenfällt. (2) Rechtsfolgen bei vorsätzlichem Handeln Die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG tritt unabhängig vom Grad der Schulform ein. Fällt einem Beamten vorsätzliches Handeln zu Last, so haftet er nicht persönlich im Außenverhältnis; die Körperschaft tritt auch bei vorsätzlichem Handeln für die Haftung des Beamten ein.915 Eine Berufung auf das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ist jedoch nicht möglich. Folglich haftet die jeweils ersatzverpflichtete Körperschaft des vorsätzlich handelnden Amtsträgers nicht subsidiär, sondern unabhängig vom Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit. In Anspruch genommene Mitschädiger haben nach §§ 840 Abs. 1, 426 BGB zudem 912
Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 4 f., 166 ff. Einschränkend Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 162. 914 A.A. van der Sanden, Haftung, S. 123 der die Fahrlässigkeit „für die einzig praxisrelevante Verschuldensform der Kommissionsmitglieder“ hält. 915 Nachdrücklich Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 191; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 118. 913
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einen Ausgleichsanspruch, der sonst wegen § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gegeben wäre.916 Ferner ist eine Rückgriffsmöglichkeit gegen das vorsätzlich handelnde Ethik-Kommissionsmitglied gegeben, Art. 34 S. 2 GG. d. Zusammenfassung Liegt eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung vor, so ist es für das erforderliche Verschulden ausreichend, wenn das rechtswidrige Kommissionsvotum auf einem Organisationsverschulden beruht. Dies kann in einer nicht ausreichenden Rekrutierung sachverständiger Ethik-Kommissionsmitglieder liegen oder in einer mangelhaften Organisation der konkreten Sitzung durch den Vorsitzenden der Ethik-Kommission. Die Amtshaftung richtet sich hier direkt gegen die jeweils organisationsverpflichteten Körperschaften. Bestehen keine organisatorischen Defizite, so ist auf das amtspflichtwidrige Verhalten der einzelnen Kommissionsmitglieder abzustellen. Für das Verschulden reicht es aus, dass die (positiven) Einzelstimmen schuldhaft innerhalb und auf Grundlage des interdisziplinären Diskurses zustande gekommen sind. Daneben kann auch auf den Gedanken des Übernahmeverschuldens abgestellt werden, wenn sachunverständige Mitglieder die sachverständigen Mitglieder überstimmen. Verfahrensfehler können für das Verschulden präjudizielle Wirkung entfalten. Aufgrund des verstärkten Verhaltensbezugs der Amtspflichtverletzung ist auch vorsätzliches Handeln der Kommissionsmitglieder denkbar. 7. Zurechnung des Schadens Die Amtspflichtverletzung muss bei dem durch die Amtspflicht geschützten Dritten einen Schaden verursacht haben, § 839 Abs. 1 S. 1 BGB. Erforderlich ist also ein Ursachenzusammenhang zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden; er beschränkt sich, anders als im allgemeinen Deliktsrecht917 , nur auf die haftungsausfüllende Kausalität, denn der Zusammenhang von Amtshandlung und Amtspflichtverletzung geht im Tatbestandsmerkmal des „Handelns in Ausübung eines öffentlichen Amtes“ auf. Im Übrigen gelten die allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätze über die Zurechnung des Schadens, die mit dem Begriff des „adäquaten Kausalzusammenhangs“ in Bezug genommen werden.918 a. Grundlagen und Problemstellung Entsprechend der geltenden Zweiteilung von Verursachung und Zurechnung vollzieht sich die Feststellung der adäquaten Kausalität in einem „Doppelschritt“. 916
Vgl. hierzu BGHZ 61, 351, 356 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 191; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78. 917 Allg. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 125 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 889 ff. 918 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 163 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 276; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 70 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 223; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 152; allg. hierzu Looschelders, SchuldR AT, Rn. 894 ff., 901 ff.
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Ausgangspunkt stellt die Verursachung im naturwissenschaftlichen Sinne dar. Auf dem Boden der Äquivalenztheorie wird zur Feststellung äquivalenter Kausalität die condicio sine qua non-Formel verwendet. Danach ist jede Handlung ursächlich, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Liegt ein Unterlassen vor, so ist darauf abzustellen, ob die unterlassene Handlung hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele.919 Würde der Schaden bei Hinwegdenken der pflichtwidrigen Handlung oder bei Hinzudenken der pflichtwidrigen Unterlassung entfallen, liegt mithin eine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne vor, so ist schließlich nach der Zurechnung des Schadens zu fragen, die sich nicht mehr „wertfrei“, sondern nach normativ-wertenden Zurechnungskriterien vollzieht. Hierher gehört zum einen die Adäquanz. Ein adäquater Ursachenzusammenhang besteht dann, wenn die gesetzte Bedingung im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen oder nach dem regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet war.920 Ferner ist der Schutzzweck der Norm zu beachten, wonach der Schaden im Bereich der geschützten Interessen der Norm liegen muss.921 Daneben treten „Fallgruppen problematischer Zurechnung“ für die in der Literatur jeweils wegen fehlender einheitlicher Handhabung eine fallbezogene Analyse vorgenommen wird.922 Erforderlich ist, dass der Versuchsteilnehmer die (externe) haftungsausfüllende Kausalität zwischen rechtwidrigem Kommissionsvotum und seinem Schaden darlegt.923 Dies wirft die Frage nach den kommissionsinternen Kausal- und Zurechnungszusammenhängen auf. Keiner Berücksichtigung der kommissionsinternen Kausal- und Zurechnungszusammenhänge bedarf es freilich dort, wo ein Organisationsverschulden übergeordneter Stellen vorliegt und damit der gesamte Amtshaftungstatbestand durch die organisationsverpflichtete Körperschaft selbst erfüllt wird. Ist das Ethik-Kommissionsmitglied selbst Haftungsadressat, so bedarf es dagegen der Klärung, ob und unter welchen Voraussetzungen das rechtswidrige Kommissionsvotum dem amtspflichtwidrig Handelnden zuzurechnen ist.924 919
Vgl. BGHZ 2, 138, 140 f.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 894 f.; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 119 ff.; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 8 ff.; speziell aus dem Bereich der Amtshaftung BGHZ 96, 157, 172; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 166. 920 Vgl. BGHZ 3, 261, 266 f.; NJW 2002, 2232, 2233; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 223; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 154. Zu den einzelnen Formeln der Rspr. ausf. Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 15 ff. 921 Vgl. Brox/Walker, SchuldR AT, § 30 Rn. 12; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 27 ff. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 306 ff. Im Rahmen der Amtshaftung ist die Schutzzwecklehre bereits Gegenstand der Bestimmung, ob dieAmtspflichtverletzung Drittbezogenheit aufweist, vgl. CoesterWaltjen, Jura 1995, 368, 370; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3544; Schlick, NJW 2008, 127, 130. 922 Vgl. Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 34. 923 Die Darlegung der haftungsausfüllenden Kausalität ist Aufgabe des Geschädigten, vgl. BGH NJW 1986, 2829. 924 Die Entindividualisierung des Verschuldens entbindet nicht vom eigentlichen dogmatischen Anknüpfungspunkt, dass der gesamte Amtshaftungstatbestand in mindestens einer Person verwirklicht
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b. Kommissionsinterner Kausalzusammenhang Kommissionsintern stellt sich die Frage, ob das jeweilige amtspflichtwidrige Einzelverhalten der Mitglieder kausal für den beim Versuchsteilnehmer eingetretenen Schaden geworden ist. Für den geschädigten Versuchsteilnehmer ist maßgeblicher Anknüpfungspunkt das rechtswidrige Kommissionsvotum, welches von der Mehrheit der Ethik-Kommissionsmitglieder getragen wird.925 Angesprochen ist hiermit die schon oft diskutierte Frage nach der Kausalität im Rahmen von Kollegialentscheidungen bzw. Mehrheitsbeschlüssen, der nachfolgend für Ethik-Kommissionsmitglieder nachzugehen ist, die auf der Grundlage einer interdisziplinären Beratung für oder gegen die vorgelegte klinische Prüfung votieren.926 aa. Überwindung der condicio sine qua non-Formel bei Mehrheitsbeschlüssen Die Kausalitätsproblematik stellt sich nicht in Fällen einer Ein-Stimmen-Mehrheit sowie dann, wenn der Beschluss nur einstimmig gefasst werden kann. Bei einer soliden Beschlussmehrheit oder einstimmigen Entscheidung, wie dies bei Ethik-Kommissionen idR der Fall ist, könnte sich dagegen jedes EthikKommissionsmitglied gegenüber dem Versuchsteilnehmer dadurch entlasten, dass sein zustimmendes Votum hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, denn der Beschluss wäre auch bei pflichtgemäßer Stimmabgabe zustande gekommen.927 Jede einzelne Stimme ist daher weder hinreichende noch notwendige Bedingung des Erfolges.928 Dass die condicio sine qua non-Formel in derartigen Fällen zu überwinden ist, darüber besteht Einigkeit.929 Die h. M. geht zudem davon aus, dass es sich bei der Kausalitätsproblematik im Rahmen von Gremienentscheidungen um einen Grenzbereich zwischen kumulativer und alternativer Kausalität handelt: Elemente beider Kausalitätsformen sind vorhanden, aber durch keine der beiden lässt sich das Problem sachgerecht lösen.930 sein muss, vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 179; wie hier auch van der Sanden, Haftung, S. 105 ff. 925 S.a. van der Sanden, Haftung, S. 99 f. u. bereits oben, § 5 B.II.2. 926 Trotz der bestehenden Unterschiede zwischen Strafrecht und Zivilrecht liegt beiden Rechtsgebieten ein zumindest im Grundsatz angenähertes Kausalitätsverständnis zugrunde, sodass nachfolgend auch auf die strafrechtliche Lösung der Kausalität bei Gremienentscheidungen zurückgegriffen werden kann; vgl. hierzu auch Röckrath, Kausalität, S. 9 ff. m.w. Nachw. 927 Zu dieser Ausgangssituation vgl. Joerden, Zurechnung, S. 143; Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; Mayer, Produktverantwortung, S. 474; Kühl, StrafR AT, § 18 Rn. 39b, jew. m.w. Nachw.; s.a. van der Sanden, Haftung, S. 111 ff. 928 Sog. überbedingte bzw. überbestimmte Erfolge, vgl. Röckrath, Kausalität, S. 29 f. m.w. Nachw.; s.a. Mackie, Causation, S. 43 ff. („causal over-determination“); Schaal, Gremienentscheidungen, S. 32 f.; Puppe, GA 2004, 129, 137 („Mehrfachkausalität“). 929 Vgl. nur Hilgendorf, NStZ 1994, 561, 562; Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737, 743. 930 Vgl. Röckrath, Kausalität, S. 30; Schaal, Gremienentscheidungen, S. 32 f.; Mayer, Produktverantwortung, S. 475 f.; a.A. und für kumulative Kausalität BGHSt 37, 106, 131; 48, 77, 94; vgl. aber hierzu die Kritik bei Mayer, ebd.
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bb. NESS-Test Eine im vordringen befindliche Auffassung kombiniert die Kriterien der notwendigen und hinreichenden Bedingung miteinander. Die Kausalität eines Verhaltens sei zu bejahen, wenn dieses notwendiger Bestandteil einer der parallel gegebenen hinreichenden Erfolgsbedingungen ist. Die Auffassung knüpft an die aus der Wissenschaftstheorie stammende Definition der Ursache als INUS-Bedingung931 an, die mit Hilfe des sog. NESS-Test932 ermittelt wird. Ursache ist danach der notwendige Bestandteil einer nach Naturgesetzen hinreichenden Mindestbedingung. Notwendiger Bestandteil einer hinreichenden Mindestbedingung ist das Verhalten dann, wenn es in Anlehnung an die condicio sind qua non-Formel nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Es wird jedoch – und darin liegt der wesentliche Unterschied – das Verhalten aus der formulierten hinreichenden Erfolgsbedingung ausgeklammert. Für Gremienentscheidungen bedeutet dies, dass eine Mindestbedingung für die Erfolgsherbeiführung zu formulieren ist; und zwar dergestalt, dass nur so viele Einzelstimmen zusammengefasst werden, wie mindestens erforderlich sind. Oder anders: es werden die überbestimmten Faktoren hinweggedacht bzw. ausgeklammert. Das einzelne Votum ist nunmehr notwendiger Bestandteil einer Mindestbedingung (Ein-Stimmen-Mehrheit) und damit kausal für den auf dem Beschluss zurückzuführenden Schaden.933 Mit dieser Vorgehensweise lässt sich zwar die Kausalität des individuellen Abstimmungsverhaltens ohne Schwierigkeiten lösen. Gleichwohl bleibt der NESS-Test auf der Ebene der generellen Kausalität stehen, sodass für seine Anwendung spezifische Wertungsgesichtspunkte hinzutreten müssen.934 cc. § 830 BGB und Zurechnung qua Mittäterschaft Im Zivilrecht könnte jedoch – anders als im Strafrecht – § 830 BGB über die Kausalitätsprobleme hinweghelfen, der auch im Rahmen der Amtshaftung Anwendung findet.935 (1) Anwendungsbereich § 830 BGB durchbricht für zwei bestimmte Fallkonstellationen den Grundsatz, dass Schadensersatz nur von demjenigen verlangt werden kann, der den Schaden auch 931
„Insufficient but Nonredundant part of an Unnecessary but Sufficient condition“. Necessary Element of a Sufficient Set. 933 Zu diesem Kausalitätsverständnis vgl. Puppe, in: NK/StGB, Vor § 13 Rn. 88, 96, 122; dies., ZStW 92 (1980), 863, 876 f.; dies., JR 1992, 30, 32; dies., Jura 1997, 408, 413 ff.; dies., GA 2004, 129, 138; Röckrath, Kausalität, S. 32 ff., 43 f.; ders., NStZ 2003, 641, 642 f., 645 f.; Unger, Kausalität, S. 49; Mayer, Produktverantwortung, S. 485 ff.; Binns, Inus-Bedingung, S. 101 ff.; Fleischer, BB 2004, 2645, 2647. 934 Vgl. auch Röckrath, Kausalität, S. 32 ff., 43 f.; ders., NStZ 2003, 641, 645 f.; Mayer, Produktverantwortung, S. 486 f. 935 § 830 gilt für alle unerlaubte Handlungen des 27. Titels, vgl. HK-BGB/Staudinger, § 830 Rn. 2. 932
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verursacht und der Geschädigte die Kausalität zu beweisen hat. § 830 Abs. 1 S. 1 BGB ordnet an, dass im Fall einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung für die Schadensverursachung jeder verantwortlich ist. Dieser Mittäterschaft sind Anstifter und Gehilfen gleichgestellt. Während für diese Fallgestaltung das „bewusste und gewollte“ Zusammenwirken kennzeichnend ist, so erfasst § 830 Abs. 1 S. 2 BGB den Fall, dass verschiedene Beteiligte unabhängig voneinander handeln, jeder von ihnen den Schaden verursacht haben kann, der wirkliche Urheber aber nicht zu ermitteln ist. Die nach § 830 BGB Verantwortlichen haften als Gesamtschuldner dem Geschädigten gegenüber und damit im vollen Umfang und nicht nur entsprechend ihrer Verursachungsbeiträge, §§ 840 Abs. 1, 421 BGB.936 Außerhalb des Anwendungsbereichs liegt die Nebentäterschaft. Sie liegt vor, wenn mehrere Personen durch selbstständige Einzelhandlungen ohne bewusstes und gewolltes Zusammenwirken einen Schaden verursacht haben und die Kausalität des Handelns aller Nebentäter anders als in § 830 Abs. 1 S. 2 BGB feststeht. Sie haften nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen entweder gesamtschuldnerisch oder auf den jeweiligen Teil des Schadens.937 Da die Ethik-Kommissionsmitglieder aber gerade bewusst und gewollt interdisziplinär Zusammenwirken, scheidet eine Nebentäterschaft aus.938 Fraglich ist, ob sich für Ethik-Kommissionsmitglieder eine Mittäterschaft (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB) oder eine Alternativtäterschaft (§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB) begründen ließe. Vorrangig zu klären ist jedoch, inwieweit § 830 BGB überhaupt geeignet ist, die Kausalitätsbarrieren zu überwinden. (2) § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB als Zurechnungsregel Strittig ist, ob § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB eine Beweislast- oder eine Zurechnungsregel darstellt. Bedeutende Teile des Schrifttums verzichten nicht auf das Kausalitätserfordernis, befürworten aber eine Umkehr der Beweislast, weil das bewusste Zusammenwirken den Kausalitätsverdacht auslöse. § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB diene nur dazu, dem Geschädigten über seine Beweisprobleme hinwegzuhelfen und begründe demzufolge nur eine Haftung für mögliche Kausalität. Konsequenterweise entfällt eine Haftung dann, wenn ein Beteiligter nachweist, dass er den Schaden durch seinen Beitrag nicht angerichtet habe.939 Folgt man dem, so wäre § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB ungeeignet, die Kausalität im Rahmen von Gremienentscheidungen zu lösen. Der größere Teil des Schrifttums – und dem folgend auch die Rspr. 936 Vgl. hierzu Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 1 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 82 I, S. 564 ff.; Reichold, in: jurisPK/BGB, § 830 Rn. 2. 937 Vgl. BGHZ 30, 203, 206; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 150; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 184; Krause, in: Soergel, § 830 Rn. 3; HK-BGB/Staudinger, § 830 Rn. 2; Palandt/Sprau, § 830 Rn. 1; Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 6 u. 65 938 Wie hier Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 128; dem folgend van der Sanden, Haftung, S. 112 m. Fn. 530; hierzu auch Marburger, Regeln der Technik, S. 552 939 Grdlg. Bydlinski, AcP 158 (1959/60), 410, 414 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 82 I 1 a), S. 564 f.; Henne, NJW 2001, 1472, 1473; Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 2 u. 25; aus strafrechtlicher Sicht auch Puppe, JR 1992, 30, 32; Hoyer, GA 1996, 160, 173.
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– geht jedoch davon aus, dass § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB als Zurechnungsregel zu verstehen und folglich auf das Kausalitätserfordernis zu verzichten ist.940 Damit erlangt die Norm haftungsbegründende Funktion.941 Dem ist aus drei Gründen zuzustimmen: Zum einen sind die Täterschafts- und Teilnahmeregelungen der §§ 25 ff. StGB Zurechnungsregeln.942 Soweit man die Anbindung des § 830 BGB an das Strafrecht postuliert943 , so wäre es nur konsequent, die Norm dementsprechend auch im Zivilrecht anzuwenden. Zum anderen spricht für die „Zurechnung fremder Kausalität“ das Zusammenwirken im Hinblick auf das Schadensziel, was § 830 Abs. 1 S. 1 BGB mit „gemeinschaftlich begangen“ umschreibt. Mit der Mittäterschaft übernimmt der Täter die Verantwortung für die Folgen des Handelns.944 Und schließlich kann die Gegenauffassung nicht erklären, warum ein non liquet zusammen mit (strafrechtlichen) Beteiligungsformen iSd §§ 25 ff. StGB zur gesamtschuldnerischen Haftung führen soll. Begründen lässt sich dies erst aus der Gesamtverantwortung und wechselseitigen Zurechnung.945 Folglich ist davon auszugehen, dass § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB eine Zurechnungsnorm darstellt. Pflichtwidrig votierende Ethik-Kommissionsmitglieder müssen sich die anderen abgegebenen pflichtwidrigen Stimmen demnach zurechnen lassen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB vorliegen.
(3) Vorsätzliche und fahrlässige Mittäterschaft § 830 Abs. 1 S. 1 BGB setzt eine „gemeinschaftlich unerlaubte Handlung“ voraus. Erfasst wird hiermit die Mittäterschaft, für die nach h. M. der strafrechtliche Mittäterschaftsbegriff iSd § 25 Abs. 2 StGB zugrunde zulegen ist. Voraussetzung sei demzufolge ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken aufgrund eines gemeinschaftlichen Entschlusses zur Herbeiführung des Verletzungserfolges.946 Eine
940 Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 151, ders., JZ 1972, 105, 106; Wagner, in: MüKo/BGB, § 830 Rn. 5; HK-BGB/Staudinger, § 830 Rn. 6; Krause, in: Soergel, § 830 Rn. 7; Steffen, in: RGRK, § 830 Rn. 1; Reichold, in: jurisPK/BGB, § 830 Rn. 2 u. 5; Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; Die Rspr. des BGH geht vom Charakter einer Zurechnungsnorm stillschweigend aus, indem sie alleinig auf das subjektive Element der Mittäterschaft abstellt, vgl. etwa BGHZ 8, 288, 292 ff.; 72, 355, 358; 137, 89, 102. Überblick hierzu bei Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 11 ff. 941 Deutlich in diese Richtung BGHZ 72, 355, 358. 942 Vgl. nur Otto, StrafR AT, § 21 Rn. 1. 943 Vgl. nur Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 82 I 1 d), S. 565 f.; Palandt/Sprau, § 830 Rn. 3 f. 944 Vgl. Deutsch, JZ 1972, 105, 106 mit dem zutreffenden Hinweis, dass es gleichgültig ist, ob dies vorsätzlich oder nur fahrlässig geschehe. 945 Hierzu Wagner, in: MüKo/BGB, § 830 Rn. 5. 946 Vgl. BGHZ 63, 124, 126; 137, 89, 102; Palandt/Sprau, § 830 Rn. 3; Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 11 f.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 830 Rn. 11 f.; HK-BGB/Staudinger, § 830 Rn. 7; Krause, in: Soergel, § 830 Rn. 5; differenzierter Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 82 I 1d), S. 565 f.; hierzu auch aus strafrechtlicher Sicht Otto, StrafR AT, § 21 Rn. 58 ff.; Kühl, StrafR AT, § 20 Rn. 98 ff.
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fahrlässige Mittäterschaft sei nicht erfasst.947 Eine der h. M. entsprechende mittäterschaftliche Begehungsweise ist daher für Ethik-Kommissionsmitglieder nur dann möglich, wenn jene bewusst und gewollt eine Amtspflichtverletzung begehen. Die weitaus häufigeren Fälle bei fahrlässigem Handeln werden nach diesem Verständnis von § 830 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erfasst. Eine starke Meinung im Schrifttum bejaht die Möglichkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft. Sie liegt vor, wenn den Beteiligten Sorgfaltspflichten gemeinschaftlich oder in Beziehung aufeinander obliegen und diese Pflichten „gemeinschaftlich“ verletzt werden.948 Dem ist zuzustimmen. Nicht zu überzeugen vermag der Einwand der h. M., dass die Grenzen zwischen § 830 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 BGB verwischt werden und aus der Zuerkennung einer fahrlässigen Mittäterschaft ein Wertungswiderspruch resultiere.949 Zwar besteht anders als bei § 830 Abs. 1 S. 2 im Rahmen von § 830 Abs. 1 S. 1 BGB keine Möglichkeit einer Haftungsexkulpation. Gremienentscheidungen fallen jedoch nicht unter die Alternativtäterschaft950 und lassen sich anderweitig nicht befriedigend lösen, sodass es zu keiner wertungswidersprüchlichen Versagung einer Privilegierung kommt. Darüber hinaus verlangt weder der Wortlaut des § 830 Abs. 1 S. 1 BGB noch die Funktion des Gesetzes vorsätzliches Handeln. Ganz im Gegenteil besteht für das Zivilrecht das Bedürfnis, die fährlässige Mittäterschaft zu erfassen, weil die meisten unerlaubten Handlungen Fahrlässigkeitstaten sind.951 Als einen gewichtigen Einwand hat man die Tatsache zu werten, dass in der strafrechtlichen Literatur die Rechtsfigur der fahrlässigen Mittäterschaft nicht mehr nur noch von einer Mindermeinung getragen wird, denn inzwischen hat sich 947 Explizit BGHZ 61, 351, 354; NJW 1988, 1719, 1720; Krause, in: Soergel, § 830 Rn. 6; EberlBorges, in: Staudinger, § 830 Rn. 16 f.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 830 Rn. 22 f.; Kreutziger, Haftung, S. 131; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 830 Rn. 8; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 82 I 1 g), S. 570; Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 25 Rn. 235, 239; aus strafrechtlicher Sicht auch Puppe, GA 2004, 129. 948 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 507; ders., JZ 1972, 105, 106; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 188; Weckerle, Verantwortlichkeit, S. 69 ff.; Schmidt, JZ 1978, 661, 666; s.a. RGZ 58, 357, 359; ferner Marburger, Regeln der Technik, S. 552 f.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 128 f.; van der Sanden, Haftung, S. 115 ff.; nahestehend Röckrath, NStZ 2003, 641, 645. 949 Vgl. Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 17; Wagner, in: MüKo/BGB, § 830 Rn. 22 f.; Kreutziger, Haftung, S. 131. 950 Teilweise wird eine analoge Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB vorgeschlagen, vgl. dazu Fleischer, BB 2004, 2645, 2647; Röckrath, NStZ 2003, 641, 644; Quentin, Haftung, S. 96 f. Ob dieser Weg überzeugend ist, erscheint schon deswegen fraglich, weil die Alternativtäterschaft ein Bündel von Nebentäterschaften bildet, denen das Merkmal kumulativer Kausalität fehlt, vgl. Deutsch, JZ 1972, 105, 106. Die Kausalität bei Gremienentscheidung ist eine Mischung von kumulativer und alternativer Kausalität, das Wesensmerkmal des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB liegt in der unsicheren bzw. potentiellen Kausalität voneinander unabhängigen Handlungen, vgl. Deutsch, JZ 1972, 105, 106, Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 65. Für Gremien, insbesondere für solche, die auf interdisziplinäre Zusammenarbeit angewiesen sind, ist das gemeinschaftliche Handeln aber der vordergründige Zweck. Wie hier auch Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 128 f.; van der Sanden, Haftung, S. 112 m. Fn. 543; Marburger, Regeln der Technik, S. 552; s.a. Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 232 ff. 951 Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 507; ders., JZ 1972, 105, 106.
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die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Fehlen eines Tatplans iS vorsätzlicher Mittäterschaft nicht gegen die Zuerkennung einer fahrlässigen Mittäterschaft spricht, weil sein notwendiges Fehlen lediglich zur trivialen Erkenntnis führt, dass die am Vorsatzdelikt entwickelten Kriterien nicht gleichermaßen auf die Fahrlässigkeitstat angewandt werden können.952 Wird von der h. M. im Rahmen von § 830 BGB die Anbindung an das Strafrecht postuliert, so muss dieser strafrechtlichen Entwicklung aber auch bei der Auslegung der Mittäterschaft Rechnung getragen werden. Nach hier vertretener Auffassung ist mithin auch die fahrlässige Mittäterschaft geeignet, die Zurechnung der Verursachungsbeiträge nach § 830 Abs. 1 S. 1 BGB herbeizuführen. Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegt auch und gerade eine „gemeinschaftliche Sorgfaltspflicht“, die sie „bewusst und gewollt“ miteinander im vorrangigen Interesse des Schutzes der Versuchsteilnehmer wahrnehmen. Im Rahmen der Kausalität findet folglich bei solider Beschlussmehrheit oder bei einer einstimmigen Entscheidung nach § 830 Abs. 1 S. 1 BGB eine Zurechnung der anderen pflichtwidrig abgegebenen Einzelstimmen statt. Eine Berufung darauf, dass der Beschluss auch bei pflichtgemäßer Stimmabgabe zustande gekommen wäre, ist mithin irrelevant.953 dd. Wertende Kausalität Eine neuere Auffassung im Schrifttum löst die Frage nach der Kausalität bei Gremienentscheidungen im Anschluss an den NESS-Test mit hinzutretenden Wertungsgesichtspunkten. Reicht es nach dem NESS-Test zur Bejahung der Kausalität aus, dass das Verhalten notwendiger Bestandteil (irgend)einer parallel gegebenen hinreichenden Erfolgsbedingung ist, so besteht zwar eine generelle Kausalität des Einzelvotums; sie reicht jedoch für die tatsächliche Kausalitätsbegründung nicht aus, weil fraglich bleibt, ob das Einzelvotum auch tatsächlich Bestandteil derjenigen Mindestbedingung ist, die sich im Erfolg verwirklicht hat.954 Nach wertender Betrachtung wird nun versucht, die konkrete Kausalität aus der Eigenart kollegialer Entscheidungsfindung abzuleiten, indem auf die Äquivalenz der Einzelvoten unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Abgabe und auf die Externalisierung des Beschlusses abgestellt wird.955 Einen anderen und ungeachtet der hier vertretenen Auffassung für die Möglichkeit einer Zurechnung über die fahrlässige Mittäterschaft auch für Ethik-Kommissionen 952 Die fahrlässige Mittäterschaft für möglich halten etwa Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737, 744; Röckrath, NStZ 2003, 641, 645; Kamm, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 175 ff.; Knauer, Kollegialentscheidung, S. 190 ff.; Renzikowski, Täterbegriff, S. 282 ff.; Weißer, JZ 1998, 230, 232 f.; Kühl, StrafR AT, § 20 Rn. 116a ff.; Otto, StrafR AT, § 21 Rn. 114 ff.; Wessels/Beulke, StrafR AT, Rn. 507; Alexander, Verantwortlichkeit, S. 176 ff.; Mayer, Produktverantwortung, S. 479 ff.; Schaal, Gremienentscheidungen, S. 249 f. 953 Wie hier auch Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 128 f.; van der Sanden, Haftung, S. 115 ff. 954 Vgl. Alexander, Verantwortlichkeit, S. 155; Mayer, Produktverantwortung, S. 486; Kraatz, Fahrlässige Mittäterschaft, S. 337 f.; Röckrath, Kausalität, S. 43; ders., NStZ 2003, 641, 645 f. 955 Vgl. Mayer, Produktverantwortung, S. 487 f.; Jakobs, in: FS Miyazawa, S. 419, 425 ff.
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beachtenswerten Weg geht eine Auffassung im Schrifttum: Sie stellt auf die Tatsache ab, dass den einzelnen Organwaltern Pflichten obliegen, die parallel und nebeneinander bestehen und ordnungsgemäß erfüllt werden müssen. Ein Kollegiumsmitglied soll sich deswegen nicht darauf berufen dürfen, dass sein pflichtgemäßes Stimmverhalten zur Vermeidung des schadenstiftenden Beschlusses nicht zwingend erforderlich gewesen ist, denn soll ein Rechtsgut durch kollektive Pflichten geschützt werden, so kann dies nur dadurch erreicht werden, dass die Rechtspflichten auch parallel ordnungsgemäß erfüllt werden.956 Diesen Wertungsgesichtspunkt hat auch der BGH in seiner Politbüro-Entscheidung aufgegriffen. Für den Fall des parallelen Unterlassens unterstellt er für die hypothetische Kausalität beim Unterlassungsdelikt das rechtmäßige Verhalten der jeweiligen Mitglieder, weil die eigene Pflichtwidrigkeit nicht durch die Pflichtwidrigkeit anderer neutralisiert werden dürfe und das Recht ansonsten seinen eigenen Geltungsanspruch aufheben würde.957 Diese Kausalitätsbegründung ist für Ethik-Kommissionen deswegen besonders geeignet, weil sich durch sie der interdisziplinär-kommissionsinterne Beratungsvorgang und die darauf beruhende Entscheidung zutreffend herausstellen lassen, denn wie erörtert es ist der vordergründige Zweck der Ethik-Kommissionen, eine pluralistische Vertretbarkeitsentscheidung zu fällen, die auf die parallelisierte Pflichtenerfüllung sämtlicher Beteiligter wegen fehlender korrespondierender Fachkompetenz ausgerichtet ist. Die Unzulässigkeit, sich auf die Pflichtwidrigkeit des anderen berufen zu dürfen, resultiert aus der wechselseitigen Bedingtheit der fächerübergreifenden Pflichtenerfüllung; das (fach-)pflichtwidrige Verhalten des einen zieht grundsätzlich die (Fach-)Pflichtwidrigkeit des anderen nach sich. Folglich muss, um der parallelisierten Pflichtenanordnung Rechnung tragen zu können, der Einwand auf die Pflichtwidrigkeit des anderen versagt werden.
ee. Konsequenzen: Gesamtschuldnerische Haftung Die amtspflichtwidrig positiv abstimmenden Ethik-Kommissionsmitglieder haften dem Versuchsteilnehmer gegenüber als Gesamtschuldner, §§ 840, 421 BGB. Dies folgt nach hier vertretener Auffassung über die Mittäterschaft nach § 830 Abs. 1 S. 1 BGB958 , die auch bei Fahrlässigkeit vorliegen kann. Die zuletzt erörterte Kausalitätsbegründung ändert nichts an der Tatsache, dass eine (fahrlässige) Mittäterschaft vorliegt; im Übrigen würde sich eine gesamtschuldnerische Haftung aber im letzten Fall nach den dort erörterten Wertungsgesichtspunkten auch aus der direkten Anwendung des § 840 BGB ergeben.
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Vgl. Röckrath, Kausalität, S. 43 f.; ders., NStZ 2003, 641, 645 f.; Fleischer, BB 2004, 2645, 2647, s.a. Schaal, Gremienentscheidungen, S. 96 ff.; ähnlich Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 25 Rn. 236 a.E.; nahestehend Freund, in: MüKo/StGB, Vor §§ 95 ff. Rn. 62 ff. (Vermeidepflichtverletzung nach Verhaltensnormbereichen). 957 Vgl. BGHSt 48, 77, 95 f., hierzu Kühl, StrafR AT, § 4 Rn. 20b; Dreher, JuS 2004, 17, 18. Diesen Gedanken aufgreifend Röckrath, Kausalität, S. 43 f. 958 Zu dieser Konsequenz Deutsch, JZ 1972, 105, 106; Eberl-Borges, in: Staudinger, § 830 Rn. 5; Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 43 Rn. 2.
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ff. Unbeachtlichkeit der Außen-Kausalität für ablehnende Stimmen Die überwiegende Auffassung geht zu Recht – allerdings mit unterschiedlicher Begründung – davon aus, dass eine Verantwortlichkeit pflichtgemäß abstimmender Mitglieder nicht besteht, weil ihnen der rechtswidrige Beschluss nicht zugerechnet werden kann bzw. es schon an der Kausalität fehle.959 Dies kann freilich nur insoweit gelten, als dem Ethik-Kommissionsmitglied keine anderweitige Pflichtverletzung anzulasten ist. Wie erörtert besteht im Rahmen interdisziplinär besetzter Gremien aber die Möglichkeit, nicht nur an eine Amtspflichtverletzung durch fehlerhaftes Stimmverhalten, sondern auch an eine (drittgerichtete) Amtspflichtverletzung während des interdisziplinären Diskurses zu denken, weil der ablehnend Votierende seinen Pflichten nicht nachkommt, die anderen Mitglieder über die fachspezifischen Bedenken aufzuklären. Eine solche Pflichtverletzung lässt sich mit dem allgemein anerkannten Postulat für Gremiumsmitglieder in Bezug nehmen, wenigstens auf einen rechtmäßigen Beschluss hinzuwirken.960 Für die Konstellation von Schadensersatzansprüchen des Versuchsteilnehmers ist dies aber deswegen irrelevant, weil die positiv Votierenden ihre (drittgerichteten) Amtspflichten zu rechtmäßigem Verhalten verletzen und der Grundsatz der Entindividualisierung des Verschuldens eingreift. Eine Darlegung, welches Mitglied konkret schuldhaft gehandelt hat und wessen fehlerhaftes Verhalten gerade ausschlaggebend war für das rechtswidrige Kommissionsvotum soll dem Versuchteilnehmer gerade erspart bleiben. c. Kommissionsexterner adäquater Kausalzusammenhang Zu klären ist nunmehr, inwieweit das nach außen tretende und den jeweils positiv votierenden Ethik-Kommissionsmitgliedern zuzurechnende Kommissionsvotum kausal für erlittene Gesundheitsschäden des Versuchsteilnehmers sein kann. Der BGH prüft diesbezüglich in st. Rspr., welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln genommen hätten, und wie sich in diesem Falle die Vermögenslage des Geschädigten bei pflichtgemäßem Verhalten darstellen würde.961 Hiermit ist der Grundsatz der sozialadäquaten Verursachung angesprochen.962 aa. Condicio sine qua non Die klinische Prüfung steht nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG unter einem „Verbot mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt“, denn nur wenn die Ethik-Kommission die klinische Prüfung zustimmend bewertet und die Bundesoberbehörde sie genehmigt 959 Vgl. Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 25 Rn. 238; Fleischer, BB 2004, 2645, 2648; Jakobs, in: FS Miyazawa, S. 419, 429 f.; Mayer, Produktverantwortung, S. 489 ff. m.w. Nachw.; auch BGHSt 9, 203, 215 f.; 37, 106, 125 f.; a.A. OLG Stuttgart, NStZ 1981, 27, 28. 960 Vgl. BGHSt 37, 106, 125 f.; Mayer, Produktverantwortung, S. 491 f.; ähnlich auch Foerste, in: v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch, § 25 Rn. 237 sowie Fleischer, BB 2004, 2645, 2651 für Stimmenhaltungen. 961 Vgl. BGH 96, 157, 171; 129, 226, 232; Schlick, NJW 2008, 127, 131; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 175. 962 Vgl. Papier, in:MüKo/BGB, § 839 Rn. 276, Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 30; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 71.
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hat, darf die klinische Prüfung am Menschen beginnen. Können Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission nur kumulativ das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufheben, so kann das Ethik-Kommissionsvotum nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Schaden des Versuchsteilnehmers entfiele. Das Ethik-Kommissionsvotum ist mithin für den Schaden condicio sine qua non.963 bb. Schadenszurechnung Zu prüfen ist, ob auch eine Zurechnung des Schadens nach normativ-wertenden Gesichtspunkten besteht. Diese Frage erlangt im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität deswegen an besonderer Bedeutung, weil sich das Verschulden nur auf die schuldhafte Setzung der Haftungsbegründung beziehen muss. Die Schadenszurechnung fungiert demzufolge als ein entsprechendes Zurechnungskorrektiv bei der Haftungsausfüllung.964 Diesbezüglich ist der Prämisse Rechnung zu tragen, dass keine unmittelbare Verursachung seitens der Ethik-Kommission vorliegt, denn das Kommissionsvotum eröffnet nur die Möglichkeit zur Versuchsdurchführung und ist somit notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Gesundheitsschaden; präziser: es liegt stets ein Fall der mittelbaren Kausalität vor, denn der Schaden wird nicht unmittelbar von der Ethik-Kommission verursacht, sondern von weiteren hinzutretenden Umständen.965 (1) Adäquanz Nach dem Grundsatz der adäquaten Schadensverursachung ist es erforderlich, dass die gesetzte Bedingung im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen oder nach dem regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Schadens geeignet war.966 Es handelt sich bei der Feststellung adäquater Kausalität um ein wertendes Verlaufs-Urteil und dient dazu, unwahrscheinliche Verläufe auszuscheiden oder die wahrscheinlichen näher zu umschreiben.967 Maßstab ist die menschenmögliche Voraussicht schlechthin.968 Eine zurechnungseinschränkende Funktion vermag der Adäquanz sowohl im Rahmen der klinischen Prüfung als auch bei sonstigen Forschungsvorhaben allerdings kaum zukommen. Das Hantieren im Unsicherheitsbereich lässt grundsätzlich jeden Schaden von vornherein vom Standpunkt eines erfahrenen Menschen als wahrscheinlich erscheinen, denn es ist das Kennzeichen 963
Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 118. Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 134; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 900. 965 Zur mittelbaren Kausalität etwa Looschelders, SchuldR AT, Rn. 917 ff. 966 Vgl. BGHZ 3, 261, 266 f.; 137, 11, 19; NJW 2002, 2232, 2233; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 223; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 154; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 276; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 901. Zu den einzelnen Formeln der Rspr. ausführlich Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 15 ff. 967 Ausf. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 133 ff., bes. Rn. 136-140; s.a. Looschelders, SchuldR AT, Rn. 901 ff.; Brox/Walker, SchuldR AT, § 30 Rn. 8 ff. 968 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 140. 964
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der klinischen Prüfung, dass es einen regelmäßigen Verlauf der Dinge nicht gibt, sondern es sollen Regelmäßigkeiten sichtbar gemacht werden, die gerade nicht außer Betracht bleiben sollen. Auch die Tatsache, dass der Gesundheitsschaden des Versuchsteilnehmers bei der zustimmenden Bewertung nur durch zwischengeschaltete Ursachen hervorgerufen werden kann, lässt den Adäquanzzusammenhang grundsätzlich nicht entfallen.969 Es besteht die Besonderheit, dass die Geringhaltung des (Unsicherheits-)Risikos für die Versuchsteilnehmer in den Schutzzweck der Norm fällt (§§ 40 ff. AMG), mithin also auch und gerade entfernte bzw. dem Grunde nach bislang unbekannte Risiken gering gehalten werden sollen. Die Adäquanz kann jedoch keine Schäden, die vom Schutzbereich erfasst sind, ausschließen.970 (2) Schutzzweck der Norm bzw. der Amtspflicht Die Lehre vom Schutzweck der Norm begrenzt die Haftung auf den von der Norm intendierten Schaden. Die vom Schädiger verletzte Norm muss gerade die Verhinderung des eingetretenen Schadens bezwecken, was durch Auslegung der Norm zu beantworten ist.971 Bei der Amtshaftung besteht die Besonderheit, dass die Frage nach dem Schutzzweck der Norm bereits Gegenstand der Prüfung ist, ob die verletzte Amtspflicht Drittschutz entfaltet, denn es soll nur der Schaden ersetzt werden, zu dessen Verhinderung die verletzte Amtspflicht zu dienen bestimmt ist.972 Der Schutzzweck der Amtspflichtverletzung ist bereits ausführlich im Rahmen des jeweiligen sachlichen Schutzbereichs der Norm erörtert worden. (3) Zurechnungsunterbrechung durch Dazwischentreten Dritter oder des Opfers Der Zurechnungszusammenhang zwischen dem Schaden beim Versuchsteilnehmer und des amtspflichtwidrig erlassenen Kommissionsvotums dürfte ferner nicht unterbrochen worden sein. Wie erörtert liegt im Falle der Schädigung des Versuchsteilnehmers aus Sicht der Ethik-Kommission ein Fall der mittelbaren Kausalität vor, weil das Kommissionsvotum selbst den Schaden nicht herbeiführen kann. Für die Ersatzpflicht ist es grundsätzlich unbedeutend, ob das schädigende Verhalten den Schaden unmittelbar oder erst durch Hinzutreten weiterer Umstände herbeigeführt hat.973 Dies gilt auch für das Dazwischentreten Dritter, unabhängig davon, 969
Vgl. Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 35 ff. Instruktiv hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 144 f.; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 56; ferner Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 113; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 905 a.E.; Medicus/Lorenz, SchuldR AT, Rn. 600. 971 BGHZ 122, 9, 14; 139, 43, 47; ausf. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 306 ff.; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 27 ff. 972 Vgl. Schlick, NJW 2008, 127, 131; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 370; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 77. 973 Vgl. BGHZ 41, 123, 125; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 134 ff.; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 136; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 33; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 35; HK-BGB/Schulze, § 249 Rn. 17; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 281. 970
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ob das Eingreifen rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen ist.974 Anerkannt ist, dass trotz bestehendem Kausalzusammenhang975 das Einstehenmüssen für einen Schaden nach Wertungsgesichtspunkten unzumutbar erscheint.976 Zu prüfen ist, inwieweit das Dazwischentreten des Prüfarztes und/oder des Sponsors sowie das Dazwischentreten des Versuchsteilnehmers selbst geeignet ist, den Zurechnungszusammenhang zu unterbrechen. (a) Durch den Prüfarzt und/oder den Sponsor Die klinische Prüfung liegt in der Hand der für die Durchführung verantwortlichen Prüfärzte (§ 4 Abs. 25 AMG) und in derjenigen des Sponsors, der die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung übernimmt (§ 4 Abs. 24 AMG). Die Schadensentstehung beim Versuchsteilnehmer geht mithin auf deren Willensentschluss zurück, sodass ihr Handeln und/oder Unterlassen stets einen weiteren Umstand darstellt, der bei der Schadensentstehung mitgewirkt hat. In der Literatur – vorzugsweise vor der 12. AMG-Novelle – hat man die hiesige Problematik versucht, mit dem Begriff der „psychisch vermittelten Kausalität“ zu umschreiben und dementsprechend auch zu lösen.977 Das Kennzeichen solcher „drittvermittelter Kausalitäten“ liegt darin, dass die Rechtsgutsverletzung auf dem frei verantwortlichen Willensentschluss eines Dritten beruht.978 Bei näherer Betrachtung handelt es sich um einen Fall einer „(psychisch) rückvermittelten Kausalität“, weil die Ethik-Kommission mit ihrem positivem Votum den schon vorher gefassten Willensentschluss zur Durchführung des Forschungsvorhabens nur bestätigt, ihn nicht am präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt verebben lässt und ihn somit lediglich weitervermittelt. Zurechnungsunterbrechende Wirkung kommt dem Willensentschluss eines Dritten erst dann zu, wenn die gesetzte Zweitursache im Hinblick auf den Schaden so stark in den Vordergrund tritt, sodass die Erstursache vollständig verdrängt wird und der Schaden dem Erstverursacher nicht mehr zugerechnet werden kann.979 Vor diesem Hintergrund lässt sich demzufolge eine Zurechnungsunterbrechung durch den Sponsor und/oder den Prüfarzt nicht begründen, denn der Schaden des Versuchsteilnehmers bei einer klinischen Prüfung ist (zumindest auch) im zustimmenden Kommissionsvotum angelegt, welches den Einklang der klinischen Prüfung mit den 974 Vgl. BGH NJW 1997, 865, 866; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 136 u. 151; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 47; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 61 f. 975 BGHZ 57, 25, 29 f. lässt es dahinstehen, ob es sich um eine Unterbrechung des (adäquaten) Kausalzusammenhangs oder um eine daneben stehende Fallgruppe handelt; ausf. zur Thematik Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 156. 976 Vgl. hierzu BGHZ 57, 25, 29 f.; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 137; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 156. 977 Vgl. insb. Kreß, Ethik-Kommission, S. 152 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 182; wohl auch van der Sanden, Haftung, S. 118. 978 Vgl. nur Looschelders, SchuldR AT, Rn. 928; Medicus, JuS 2005, 289, 291 ff.; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 47. 979 Vgl. BGHZ 106, 313, 316 f.; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 138;
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Patienten-/Probandenschutzvorschriften bestätigt; präziser: Im Gesundheitsschaden setzt sich dasjenige Risiko, welches bereits im (rechtwidrigen) Kommissionsvotum angelegt war, fort.980 Dass auch der Sponsor und der Prüfarzt an der Schadensmitwirkung notwendigerweise beteiligt sind, mindert die Zurechnung schon deswegen nicht, weil beide daran gebunden sind, die klinische Prüfung entsprechend des positiven Bescheids durchzuführen, sodass grundsätzlich kein Raum für eine anderweitige Risiko- und Gefahrrealisierung besteht.981 Fraglich ist, ob dies auch zu gelten hat, wenn der Gesundheitsschaden auf ein fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten des Sponsors und/oder des Prüfarztes zurückzuführen ist. Relevant sind für Ethik-Kommissionen insbesondere Prüfplanverstöße, Behandlungsfehler und Aufklärungspflichtverletzungen. Allein die Tatsache, dass Dritte vorsätzlich oder fahrlässig in den Geschehenslauf eintreten, ändert am bestehenden Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nichts.982 Voraussetzung ist jedoch, dass das Verhalten eine besondere Gefahrenlage für das betroffene Rechtsgut geschaffen hat, die das Eingreifen des Dritten wenigstens tendenziell begünstigt hat.983 Dies trifft für Ethik-Kommissionen grundsätzlich zu, wobei die Zurechnung sich unter besonderer Berücksichtigung des Schutzwecks der Norm bzw. der Amtspflicht ergibt. So lässt sich zunächst allgemein statuieren, dass die Vermeidung von Fehlverhalten in der klinischen Prüfung eine primäre Aufgabe der Ethik-Kommissionen ist.984 Freilich lässt sich aus dieser Prämisse nicht eine generelle Einstandspflicht herleiten. Vielmehr kommt es darauf an, ob zwischen der Erst- und der Zweitursache noch ein innerlicher Zusammenhang besteht und sich auch die Erstursache noch im Schaden fortsetzt. Zu verneinen ist die Zurechnung erst dort, wo bei wertender Betrachtung nur noch ein „äußerlicher“, „zufälliger“ Zusammenhang“ besteht oder bei außergewöhnlich groben Fehlverhalten.985 War der spätere Behandlungs-, Aufklärungs- und/oder Studienkonzeptionsfehler bereits im fehlerhaften Ethik-Kommissionsvotum „angelegt“, lässt sich also noch ein innerlicher Zusammenhang herstellen („Risikoabhängigkeit“), so wird der Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen.986 Das Fehlverhalten darf ferner nicht außergewöhnlich grob gewesen sein. Aber auch grobes Fehlverhalten muss den Zurechnungszusammenhang nicht stets unterbrechen, nämlich vorliegend
980
Allg. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 158. Wie hier im Ergebnis van der Sanden, Haftung, S. 120; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 154; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 126 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 182 f. 982 Vgl. nur BGHZ 58, 162, 166; NJW 1989, 767, 768 m. Anm. Deutsch; NJW 1997, 865, 866; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 151; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 61 f., 64; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 47; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 281. 983 Vgl. Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 152; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 158; HKBGB/Schulze, Vor § 249 Rn. 19. 984 Treffend Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 154; ebenso Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 182. 985 BGH NJW 1989, 767, 768 m. Anm. Deutsch; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 47; s.a. Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 103 Rn. 14 m.w. Nachw. 986 Hierzu Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 126 f.; ähnlich van der Sanden, Haftung, S. 120. 981
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dann nicht, wenn der Behandlungs-, Aufklärungs- und/oder Studienkonzeptionsfehler explizit im Prüfplan bzw. der Patienteninformation genannt war, etwa wenn an starkem Asthma leidende Placeboteilnehmer keine Ausweichmedikation für Notfälle zur Verfügung gestellt wird.
(b) Durch den Versuchsteilnehmer Der Zurechnungszusammenhang kann dann, wenn die Entstehung des Schadens durch einen eigenen Willenentschluss des Geschädigten vermittelt wird und der durch das Verhalten des Schädigers hervorgerufen worden ist, dann bestehen, wenn sich der Geschädigte zum selbstgefährdenden und/oder selbstschädigenden Verhalten herausgefordert fühlen durfte.987 Da auch der geschädigte Versuchteilnehmer eigenverantwortlich an der klinischen Prüfung teilnimmt, wird von einem Teil der Literatur vertreten, dass sich der Zurechnungszusammenhang entsprechend den sog. Herausforderungsfällen beurteile.988 Das Kriterium der Herausforderung dient jedoch der wertenden Einschränkung der Zurechnung.989 Führt man sich vor Augen, dass in diesem Falle dem Versuchteilnehmer die Beweislast dafür aufgebürgt wird, dass er sich herausgefordert fühlen durfte990 , an der klinischen Prüfung teilzunehmen, so führt dies zu einer bedenklichen und unsachgemäßen Risikoverlagerung.991 Bei Vorhaben, die auf die Zusammenarbeit ausgerichtet sind, und für deren Rechtmäßigkeit eine eigenverantwortliche und selbstbestimmte Entscheidung Voraussetzung ist, muss der Geschädigte nicht den Zurechnungszusammenhang beweisen, sondern der Schädiger hat ggf. darzulegen, warum der Zurechnungszusammenhang durchbrochen wurde. Dies gilt nicht nur für die Haftung von Prüfärzten und Sponsoren, sondern muss auch für die Beziehung zur Ethik-Kommission gelten. Durch den Teilnahmeentschluss zur klinischen Prüfung alleine wird der Zurechnungszusammenhang jedenfalls nicht berührt. Der Zurechnungszusammenhang kann durch den Geschädigten aber dann unterbrochen werden, wenn er selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den Geschehenslauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt.992 Dies wird man nur in den äußersten Fällen anzunehmen haben, in denen unter völliger, grober und nicht mehr nachzuvollziehenden Missachtung gegen Verhaltenspflichten während
987
Vgl. zu den sog. „Herausforderungsfällen“ BGHZ 57, 25 ff.; 63, 189 ff.; 132, 164 ff.; NJW 1996, 1533 ff.; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 157 f.; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 48 ff.; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 923 ff.; Medicus, JuS 2005, 289, 291 ff.; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 41. 988 So van der Sanden, Haftung, S. 120 ff.; a.A. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 153. 989 Vgl. Medicus, JuS 2005, 289, 291 m.w. Nachw. aus der Rspr. 990 Vgl. BGH NJW 1981, 570; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 41. 991 In diesem Sinne aber Mayer, Produktverantwortung, S. 613: „Bei der Versuchsteilnahme handelt es sich um einen Akt der Selbstgefährdung, so dass etwaige Arzneimittelrisiken grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Probanden fallen“. 992 Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 281; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 71.
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der klinischen Prüfung verstoßen wird. Dies folgt daraus, dass die Vermeidung einer „Non-Compliance“ durch die Patientenaufklärung sicherzustellen993 und auch von der Ethik-Kommission zu überprüfen ist. Das Einnehmen untersagter (Begleit-) Medikationen, die weisungswidrige Einnahme der Studienmedikation994 oder die Teilnahme an einer weiteren klinischen Prüfung (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 11 GCP-V) können sich im Einzelfall als nur mitwirkende Ursachen darstellen, die das Risiko der Erstursache nicht beseitigen („Risikozusammenhang“). In diesem Falle sind sie (nur) unter dem Gesichtspunkt des (erheblichen) Mitverschuldens zu berücksichtigen, § 254 BGB. d. Kausalität bei Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde aa. Problemstellung Kausalitätsfragen stellen sich im Rahmen der Amtshaftung dann, wenn die Maßnahme einer Verwaltungsbehörde Gegenstand des Amthaftungsprozesses ist und diesbezüglich der Behörde ein Ermessens- oder ein Beurteilungsspielraum zusteht. Letzteres trifft für Ethik-Kommissionen zu. Die Formel des BGH, wonach die Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden dann vorliegt, wenn die Vermögenslage des Geschädigten bei pflichtgemäßem Handeln günstiger als die tatsächliche wäre, erlangt dann an besonderer Bedeutung, wenn in Frage steht, wie die Maßnahme einer Verwaltungsbehörde ohne die Amtspflichtverletzung ausgefallen wäre. Dabei spielt es eine wesentliche Rolle, wie groß der administrative Entscheidungsspielraum ist.995 Bislang unzureichend gewürdigt worden ist die Tatsache, dass auch vorliegend die Maßnahme einer Verwaltungsbehörde (äußerlicher) Gegenstand der Überprüfung ist. Es ist davon ausgegangen worden, dass die EthikKommissionsmitglieder ihre Amtspflichten zu rechtmäßigem Verhalten dadurch verletzen, dass sie einer klinischen Prüfung zustimmen, die nicht den in §§ 40 ff. AMG geregelten Anforderungen entspricht. Sowohl die kommissionsinterne als auch die kommissionsexterne adäquate Kausalität liegt zwischen der Amtspflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden des Versuchsteilnehmers unter dieser Prämisse vor, weil ohne das amtspflichtwidrige Verhalten das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) nicht aufgehoben worden wäre. Steht aber in Streit, ob die Ethik-Kommissionsmitglieder rechtmäßig gehandelt haben, mithin ob sie eine oder mehrere Zulassungsvoraussetzung für die klinische Prüfung unzutreffend angenommen haben und besteht ein gerichtlich eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum, so verlagert sich die Rechtmäßigkeitsprüfung notwendigerweise auf die ordnungsgemäße Ausfüllung des Beurteilungsspielraums. Denkbar ist einerseits, dass sich die Ethik-Kommission mit ihrer Entscheidung außerhalb des ihr gewährten 993
Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 393; allg. hierzu auch Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 378 ff. Bsp.: LG Göttingen, Urt. v. 13.11.2008, Az: 2 O 1735/07, MedR 2010, 270 m. Anm. Deutsch (Weisungswidrige Einnahme der Studienmedikation); dazu oben, § 2 D. 995 Mit Blick auf Beurteilungsspielräume s.a. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 167; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 226. 994
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Beurteilungsspielraums bewegt, denkbar sind aber auch eine Fülle vom Amtspflichtverstößen, die sich in der unzureichenden Wahrnehmung des Beurteilungsspielraums materialisieren können, wie z. B. die Nichtnachforderung zusätzlicher Informationen (§ 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V) oder die Nichteinholung externen Sachverstands (§ 40 Abs. 1 S. 5 u. 6).
bb. Kausalität außerhalb von Entscheidungsspielräumen Weitestgehend unproblematisch ist die Kausalität außerhalb administrativer Entscheidungsspielräume, die überwiegend Rechtsfragen betreffen. Für die Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzung kommt es diesbezüglich darauf an, wie die Entscheidung der Behörde richtigerweise hätte aussehen müssen und nicht, ob die Behörde tatsächlich anders entschieden hätte. Es entscheidet mithin der Amtshaftungsrichter, ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen, welche Maßnahme richtigerweise hätte erwartet werden dürfen.996 Bejaht die Ethik-Kommission (unzutreffend) ein oder mehrere Zulassungsvoraussetzungen für die klinische Prüfung, die nicht dem Beurteilungsspielraum unterfallen, so findet eine umfassende gerichtliche Überprüfung dahingehend statt, wie die Ethik-Kommission nach Auffassung des über den Ersatzanspruch urteilenden Gerichts richtigerweise hätte entscheiden müssen.997 Dies kann etwa die Eignung der Prüfstelle und/oder der Prüfer betreffen.
cc. Kausalität bei Beurteilungsspielräumen Anders liegt es bei Beurteilungsspielräumen. Hier kann das erkennende Gericht den Beurteilungsspielraum nicht anstelle der Behörde ausüben, da dies gerade Sinn und Zweck einer administrativen Letztentscheidungs- und -konkretisierungsbefugnis ist. Geprüft werden kann demzufolge lediglich, wie die Entscheidung bei ordnungsgemäßer Inanspruchnahme des Beurteilungsspielraums ausgefallen wäre. Ein (adäquater) Kausalzusammenhang besteht nur, wenn die Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine andere, für den Geschädigten günstigere Entscheidung hätte getroffen werden müssen und bei richtiger Handhabung der Schaden nicht eingetreten wäre.998 Rechtlich gebotener und tatsächlich wahrscheinlicher alternativer Kausalverlauf müssen auf der Grundlage eines strengen Prognosemaßstabs
996
Vgl. Vgl. BGH NJW 1986, 1924, 1925; VersR 1983, 1031, 1034; 1985, 358, 359; ZIP 1985, 693, 694; NVwZ-RR 1993, 169, 170: Palandt/Sprau, § 839 Rn. 77; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 30; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 226; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 71. 997 Instruktiv hierzu BGH NVwZ 1988, 283 ff. (Amtspflichtverletzung durch Genehmigung eines Drachenflugexperiments). 998 Zum Beurteilungsspielraum BGH DVBl. 1983, 586, 587; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 153; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 167; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 31; zum vergleichbarem Fall des Ermessens BGH VersR 1985, 887 f.; 1959, 453; 1959, 618; 1981, 851; 1982, 275.
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zum gleichen hypothetischen Ergebnis führen. Möglichkeiten oder gewisse Wahrscheinlichkeiten reichen nicht aus.999 Entscheidungserheblich ist demzufolge, ob die Ethik-Kommission ohne den Beurteilungsfehler zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen. Für die fehlerhafte Beurteilungsausübung kommen für Ethik-Kommissionen insbesondere Verfahrensfehler bzw. ein fehlerhaft ausgeübtes Verfahrensermessen in Betracht, wenn sie infolgedessen nicht alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt hat oder von einem unvollständigen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist (Beurteilungsdefizit).1000 In diesem Fall hat das Gericht zu prüfen, ob die Ethik-Kommission nach ihrer Praxis1001 bei Berücksichtigung des zusätzlichen Informationsmaterials zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen und diesbezüglich ein Schaden des Versuchsteilnehmers vermieden worden wäre. Diese auf den ersten Blick erhebliche Haftungseinschränkung wird durch die praktischen Gegebenheiten weitestgehend relativiert: So ist es ausreichend, wenn etwa bei verfahrensfehlerfreier Hinzuziehung eines Sachverständigen die Ethik-Kommission zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass eine Placebogruppe wegen Vorenthaltung der Standardtherapie ärztlich unvertretbar ist und sie in ihrer Sitzung ohne sachverständige Beratung von einem nichtvorhandenen Standard oder von nur unwesentlichen Gesundheitsschäden durch Vorenthaltung der Standardtherapie ausgegangen ist. Gleiches gilt z. B. für zustimmende Bewertungen ohne pharmakologischen oder pädiatrischen Sachverstand, wenn die gerichtliche Überprüfung ergibt, dass bei verfahrensfehlerfreier Entscheidung die Ethik-Kommission zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass die definierten Belastungsschwellen überschritten werden (§ 40 Abs. 4 Nr. 4 AMG, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG). e. Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Fraglich ist, inwieweit der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhalten zu berücksichtigen ist. Der Einwand betrifft die Zurechnung des Schadens, weil mit ihm die Erheblichkeit der Verletzung für den Schaden negiert wird. Es wird geltend gemacht, dass der Schaden bei der Vermeidung der Verletzung ebenso hätte herbeigeführt werden können. Ob der Einwand durchgreift, ist eine Frage des Schutzzwecks der Norm. Dabei geht die Rspr. davon aus, dass der Einwand grundsätzlich beachtlich ist, weil Schäden, die auch bei rechtmäßigem Verhalten des Schädigers hätten herbeigeführt werden können, grundsätzlich nicht vom Schutzzweck der Haftungsnorm erfasst werden.1002 999
Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 167; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 226; zum Ermessen auch BGH VersR 1985, 887 f. 1000 Hierzu auch Schenke, VerwProzR, Rn. 774 f. 1001 Maßgeblich ist die „behördenübliche Praxis“ vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 226; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 31 m.w. Nachw. 1002 Vgl. BGHZ 96, 157, 173; 120, 281, 285; 143, 362, 365 f.; NJW-RR 1997, 1106, 1107; NJW 1998, 1307, 1308; 2000, 661, 663; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 188; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 102; Looschelders, SchuldR AT, Rn. 915 f.; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 64; Armbrüster, JuS 2007, 605, 606.
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aa. Verfahrensfehler Bei Amtshaftungsansprüchen hat der BGH rechtmäßiges Alternativverhalten insbesondere berücksichtigt, wenn der Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen war und sie bei einem ordnungsgemäßen Verfahren zu der gleichen Entscheidung hätte kommen müssen, der gleiche Schaden also auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre.1003 Unterläuft der Ethik-Kommission bei ihrer Entscheidung ein Verfahrensfehler, so kann sie sich demzufolge auf das rechtmäßige Alternativverhalten dann berufen, wenn sie bei ordnungsgemäßem Verfahren ebenfalls zu einer gleichlautenden zustimmenden Bewertung gelangt wäre. Die Bedeutung dieses Einwands dürfte als gering einzuschätzen sein, denn nach der Rspr. ist bei Beurteilungsspielräumen und Ermessensentscheidungen die Frage nach der hypothetischen Kausalität bereits Gegenstand des adäquaten Kausalzusammenhangs, weil es darauf ankommt, ob der Schaden bei ordnungsgemäßer Inanspruchnahme des administrativen Spielraums nicht eingetreten wäre.1004 Für die übrig bleibenden Fälle außerhalb eines Beurteilungsspielraums ist eine Berufung der Ethik-Kommission auf rechtmäßiges Alternativverhalten deswegen als gering einzuschätzen, weil Grundvoraussetzung das Vorliegen einer drittgerichteten Amtspflichtverletzung ist1005 , die reine Verfahrenspflichtverletzung aber für den geschädigten Versuchsteilnehmer nicht ausreichend ist, um den Amtshaftungstatbestand zu begründen. bb. Hypothetische Einwilligung des Versuchsteilnehmers In Betracht zu ziehen ist der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens aber im Rahmen der hypothetischen Einwilligung des Versuchsteilnehmers, wenn die Ethik-Kommission einer klinischen Prüfung zustimmt und die Versuchteilnehmer nicht entsprechend den Erfordernissen des § 40 Abs. 3 AMG aufgeklärt worden sind. Begründet § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG für die Ethik-Kommissionsmitglieder eine Haftung für unzureichende Aufklärung, so ist kein Grund ersichtlich, die Grundsätze der Rspr. zur hypothetischen Einwilligung auch auf Ethik-Kommissionsmitglieder zu übertragen. War die Aufklärung unzureichend und mithin die Einwilligung des Patienten/Probanden unwirksam, so kommt grundsätzlich aus dem Gedanken des rechtmäßigen Alternativverhaltens eine Berufung auf eine hypothetische Einwilligung des Versuchsteilnehmers in Betracht. Die Rspr. verlangt hier eine substantiierte Darlegung, dass der Patient auch bei Erteilung der erforderlichen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte. Soweit dies
1003 Vgl. BGHZ 63,319, 325 f.; 143, 362, 365 f.; NJW 1995, 2778, 2780; WM 1988, 1454, 1456 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 170; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 231; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 178. 1004 Vgl. BGHZ 120, 281, 288; krit. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 233 f. mit dem Vorschlag, derartige Fälle zukünftig unter das rechtmäßige Alternativverhalten fallen zu lassen. In diesem Falle wäre der Schädiger, d. h. die Behörde, beweispflichtig. 1005 Daher plädieren Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 170 für eine Berücksichtigung des rechtmäßigen Alternativverhaltens bereits bei der Drittbezogenheit.
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geschehen ist, so ist es Sache des Patienten/Probanden nachvollziehbar plausibel zu machen, warum er auch bei zureichender Aufklärung in einen Entscheidungskonflikt geraten wäre. Insgesamt stellt die Rspr. zum Schutze des Selbstbestimmungsrechts allerdings strenge Anforderungen an eine hypothetische Einwilligung.1006 Fraglich ist zunächst, ob für eine hypothetische Einwilligung im Rahmen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3b AMG überhaupt Raum sein kann, wenn Schriftform vorgeschrieben ist. Sieht man im Schriftformerfordernis keine zwingend einzuhaltende „öffentlichrechtliche Voraussetzung“1007 , sondern nur eine „Beweisförmlichkeit“, deren Fehlen die Einwilligung nicht per se unwirksam macht1008 , so bestünde grundsätzlich die Möglichkeit einer hypothetischen Einwilligung. Wegen fehlender Alternative von Behandlungsrisiko und Krankheitsrisiko hat der BGH aber zu Recht bei rein altruistisch motivierten Handlungen die Möglichkeit einer hypothetischen Einwilligung verneint1009 , was auf jede Form rein wissenschaftlicher Versuche übertragbar ist. Zum Schutze des Selbstbestimmungsrechts des Patienten stellt der BGH beim individuell-therapeutischem Erprobungshandeln sehr geringe Anforderungen an die Plausibilität des Entscheidungskonflikts. Ausreichend ist es schon, dass der Patient darlegt, das Risiko einer weiteren Schädigung nicht eingehen zu wollen.1010 Bei therapeutischen Versuchen dürfte die Annahme einer hypothetischen Einwilligung daher zumindest de facto ausgeschlossen sein.
8. Der zu ersetzende Schaden Für die Bestimmung von Art und Umfang des Schadensersatzes sind die allgemeinen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB sowie die §§ 842 ff BGB maßgeblich. Ersetzt wird – so weit der Schutzzweck der Norm reicht – die gesamten unmittelbaren und mittelbaren Vermögensnachteile.1011 Für die hier relevanten Personenschäden geschädigter Versuchsteilnehmer bedeutsam ist vor allem der Ersatz der Kosten für die Heilbehandlung, die im Einzelfall für die Behebung und Linderung des Leidens erforderlich sind, sowie etwaige Pflegekosten, § 249 Abs. 1 S. 2 BGB. Erfasst werden
1006 Vgl. hierzu BGHZ 90, 103, 112; BGH VersR 1991, 547, 548; VersR 1994, 1302; VersR 1998, 766, 767; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 121 f. 1007 So aber Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 52, die in der Schriftform einen unbedingt einzuhaltenden Schutz für den Patienten sehen; Wölk, Risikovorsorge, S. 408. Nahestehend wohl auch BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2770. 1008 So Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 40 Rn. 27; ders., Haftungsrecht, Rn. 193; Rehmann, § 40 Rn. 5 a.E.; Osieka, Humanforschung, S. 193 f. 1009 Vgl. BGH NJW 2006, 2108, 2110; zust. Spickhoff, NJW 2006, 2075, 2076. 1010 BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2770 f.; BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2776; NStZ 2007, 340, 341; hierzu Vogeler, MedR 2008, 697, 705 f.; Schneider, Neue Behandlungsmethoden, S. 208 ff. 1011 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 238; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 243 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 11, jew. m.w. Nachw.
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auch Kosten für die berufliche Rehabilitation.1012 Ferner werdenVermögenseinbußen ersetzt, die aus der verletzungsbedingten Nichtverwertung der Arbeitskraft resultieren, insb. der entgangene Gewinn (§§ 249 Abs. 1 S. 2, 252, 842 BGB). Tritt eine Vermehrung der Bedürfnisse ein, ist Schadensersatz durch eine Geldrente oder eine Kapitalabfindung zu leisen, § 843 BGB.1013 Der Amtshaftungsanspruch erfasst auch Schmerzensgeld, § 253 Abs. 2 BGB.1014 In Ausprägung der Lehre vom normativen Schaden findet eine Vorteilsausgleichung dann nicht statt, wenn ein gesetzlicher Forderungsübergang vorgesehen ist. Soweit Schäden vom Sozialversicherungsträger, einer anderweitigen Versicherung oder von dritter Seite übernommen werden und ein gesetzlicher Forderungsübergang angeordnet wird (§ 116 SGB X, § 86 Abs. 1 VVG, § 6 EntgFG), ist eine Entlastung des Schädigers gerade nicht vorgesehen.1015 Der Amtshaftungsanspruch des Versuchsteilnehmers geht in diesem Fall auf den Leistenden kraft Gesetzes über. Dies ist deswegen möglich, weil sich die Subsidiarität des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht auf diese Leistungen bezieht. Freilich ist für den Forderungsübergang Voraussetzung, dass die Amtshaftung nicht anderweitig subsidiär ist. Hat bei der Entstehung der Schadens ein Verschulden des geschädigten Versuchteilnehmers mitgewirkt oder hat er es unterlassen, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, so ist der Umfang des Schadens nach Abwägung der Verursachungsbeiträge und des Verschuldensgrades zu ermitteln, § 254 BGB.1016 Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen Verhaltensobliegenheiten während der klinischen Prüfung1017 , die unterhalb der Schwelle der Zurechnungsdurchbrechung liegen, können im Einzelfall eine erhebliche Herabsetzung des Ersatzanspruchs bewirken1018 , wie etwa dann, wenn der Versuchteilnehmer entgegen den eindeutigen Anweisungen Kautabletten unzerkaut über einen längeren Zeitraum hinunterschluckt.1019
1012 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 249 Rn. 8; HK-BGB/Schulze, § 249 Rn. 7 f.; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 237 ff.; Armbrüster, JuS 2007, 411, 413 f., 417; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 379 ff.; 1013 Vgl. im Einzelnen Palandt/Grüneberg, § 249 Rn. 8 ff.; § 252 Rn. 1 ff.; Palandt/Sprau, § 842 Rn. 3 ff.; § 843 Rn. 3 ff.; Schiemann, in: Staudinger, § 252 Rn. 6 ff.; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 78 ff.; 379 ff., § 252 Rn. 18 ff., 25 ff. 1014 Vgl. auch BGHZ 78, 274, 280; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 13; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 243. 1015 Zur Nichtberücksichtigung bei der Vorteilsausgleichung Armbrüster, JuS 2007, 411, 417; Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 85, 112 ff.; Schiemann, in: Staudinger, § 249 Rn. 135; Oetker, in: MüKo/BGB, § 249 Rn. 245 ff., 471 ff. 1016 Vgl. BGH NJW 2006, 969, 967; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 583 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 226 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 88 ff.; s.a. van der Sanden, Haftung, S. 175 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 59. 1017 Vgl. hierzu Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 277 f. 1018 Allg. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 584. 1019 LG Göttingen, Urt. v. 13.11.2008, Az: 2 O 1735/07, MedR 2010, 270 m. Anm. Deutsch; dazu bereits oben, § 2 D.
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9. Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen, § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB Neben dem Mitverschulden des Geschädigten kennt der Amtshaftungstatbestand spezielle Haftungsausschlüsse und -beschränkungen. Hierzu zählt die schuldhafte Rechtsmittelversäumung (§ 839 Abs. 3 BGB) und das sog. „Verweisungsprivileg“ (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB).
a. Grundsätze aa. Vorwerfbare Rechtsmittelversäumung, § 839 Abs. 3 BGB Die Ersatzpflicht tritt nach § 839 Abs. 3 BGB nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Sinn und Zweck des Ausschlusses der Amtshaftung bei schuldhafter Rechtsmittelversäumung war es in Anlehnung an das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, den wirtschaftlich leistungsschwachen Beamten zu schützen. Aus heutiger Sicht wird § 839 Abs. 3 BGB dahingehend interpretiert, dass die Vorschrift der Sicherung des Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen Primärschutzes dient. Sekundäransprüche vor den ordentlichen Gerichten soll der Geschädigte grundsätzlich nur subsidiär verfolgen dürfen.1020 Fraglich ist, ob auch für den Versuchsteilnehmer eine Verpflichtung zur vorherigen Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes gegenüber der Ethik-Kommission besteht. § 839 Abs. 3 BGB setzt zunächst die Nichteinlegung von Rechtsmitteln voraus. Hierunter werden alle Rechtsbehelfe verstanden, die sich unmittelbar gegen die eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung oder Unterlassung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind.1021 Weiterhin muss die Nichteinlegung auch schuldhaft erfolgt sein. Vor diesem Hintergrund ist ein Vorrang des Primärrechtsschutzes offensichtlich zu verneinen: Zu denken wäre zwar an eine Drittanfechtungsklage. Der Versuchsteilnehmer hat bei Studienteilnahme aber keinerlei Kenntnis von einer Amtspflichtverletzung, die aber notwendige Voraussetzung für die schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln ist.1022 Eine möglicheAmtspflichtverletzung spürt er vielmehr erst am „eigenen Leib“. Ferner wird die Klagefrist nicht schuldhaft versäumt und ihr steht zudem das Rechtsschutzbedürfnis des Studienteilnehmers entgegen, weil er jederzeit und ohne Angabe von Gründen von der Studie zurücktreten kann (§ 40 Abs. 2 S. 1 AMG). Etwaige öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungs-
1020
Vgl. BGHZ 56, 57, 63; 98, 85, 91 f.; 113, 17, 21; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 217; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 47 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 92 f. 1021 Vgl. BGHZ 123, 1, 7; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 57. 1022 Hierzu auch BGHZ 28, 104, 106.
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und Unterlassungsklagen sind zu vernachlässigen, weil sie nicht als Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB anzusehen sind.1023 bb. Anderweitige Ersatzmöglichkeit – Die Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte den Beamten nur dann in Anspruch nehmen, „wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag“ (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB). Das Nichteingreifen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ist negatives Tatbestandsmerkmal des Amtshaftungsanspruchs, sodass in Falle des Vorhandenseins anderweitiger Haftungsgegner die Einstandspflicht nicht entsteht.1024 (1) Heutige Bedeutung Die Subsidiarität der Amtshaftung war ursprünglich für die persönliche Beamtenhaftung gedacht. Sie sollte die Entschlusskraft und die Tatfreunde des Beamten fördern, ihm mithin die Ängstlichkeit vor der Haftung mit seinem Vermögen nehmen.1025 Trotz der später eingefügten Überleitung der persönlichen Haftung auf den Staat (Art. 34 S. 1 GG) und trotz des dadurch bedingten Wegfalls des ursprünglichen Schutzwecks1026 , hält der BGH an der grundsätzlichen subsidiären Geltung der Amtshaftung fest.1027 1023
H.M., vgl. Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 221; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 328; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 58 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 332. 1024 Vgl. BGHZ 37, 375, 378; 113, 164, 167; NJW 1996, 3208, 3209; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 7; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 32 a.E.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78 f.; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3547; Sandkühler, JA 2001, 414, 420; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 299. 1025 Vgl. BGHZ 13, 88, 100: „Gerade weil damals die Aufnahme einer allgemeinen Staatshaftungsklausel abgelehnt wurde, hat man sich schließlich aus der Erwägung, der Beamte, der ständig genötigt sei, im allgemeinen Interesse zu handeln, könne durch eine zu weit gehende Verschuldenshaftung in seiner Entschlußfreiheit gehemmt sein, mit einer subsidiären Haftung der Beamten abgefunden“; hierzu auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 79; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 7; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 260; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 370 f. 1026 Vgl. BGHZ 13, 88, 104: „Dieser gesetzgeberische Zweck der Verweisungsmöglichkeit hat gegenüber der später hinzutretenden Staatshaftung seine Bedeutung verloren“; s.a. BGHZ 42, 176, 181; 120, 124, 125 f.; treffend Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 8 a.E.: „vom Beamtenprivileg zum Fiskusprivileg“. 1027 Vgl. nur BGH NVwZ 1992, 911, 912; NJW 1993, 1647; Schlick, NJW 2008, 127, 132; zur Fortgeltung im Einzelnen auch Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 9 ff.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 300 ff.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 189; jew. m.w. Nachw. aus der Rspr. Teilweise wird versucht, die Subsidiaritätsklausel dann nicht anzuwenden, wenn der Beamte eine Amtspflichtverletzung begeht, die sich als einen allgemeinen deliktischen Eingriff darstellt; vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 303; Kreft, in: RGRK, § 839 Rn. 490. Diesen Ansatz hat die Rspr. bislang offen gelassen, vgl. BGHZ 120, 124, 126.
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(2) Voraussetzungen (a) Fahrlässiges Handeln Das Verweisungsprivileg findet ausschließlich Anwendung bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung. Bedingter Vorsatz genügt demzufolge, die Amtshaftung ihrer subsidiären Geltung zu entheben.1028 Wie erörtert kann bei einem Verhaltensnormtatbestand und der damit einhergehenden Verkürzung des Verschuldensprinzips eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung auch bei Ethik-Kommissionsmitgliedern in Betracht kommen, zumal sich das Verschulden gerade nicht auf Schäden des Versuchsteilnehmers beziehen muss. Kann vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden, so bleibt es bei der subsidiären Haftung. (b) Anderweitige Ersatzmöglichkeit und Einschränkungen durch die Rspr. Der Geschädigte muss weiterhin eine anderweitige Ersatzmöglichkeit haben. Das ist der Fall, wenn ein Dritter unmittelbar für den Schadensfall und die daraus herrührenden Folgen einzustehen hat. Erfasst werden mithin sämtliche Leistungsverpflichtungen, sei es, dass sie auf Vertrag beruhen oder der Dritte kraft Gesetzes für den Schaden einzustehen hat.1029 Auch die Gefährdungshaftung Dritter zählt hierzu.1030 Die Rspr. hat den Anwendungsbereich des Verweisungsprivilegs durch eine restriktive Handhabung der „anderweitigen Ersatzmöglichkeit“ aber zunehmend eingeschränkt. Für die nachfolgende Darstellung von Bedeutung sind Ansprüche gegen andere Hoheitsträger, Entgeltsfortzahlungsansprüche sowie versicherungsrechtliche Ansprüche. (c) Durchsetzbarkeit des anderweitigen Ersatzanspruchs „Ersatz zu erlangen vermag“ derjenige, der eine Ersatzmöglichkeit besitzt. Das Verweisungsprivileg ist jedoch nicht abstrakt, sondern konkret zu verstehen. Abzustellen ist auf die faktische Realisierbarkeit, d. h. die anderweitige Ersatzmöglichkeit muss durchsetzbar und die darauf gerichtete Rechtverfolgung muss zumutbar sein.1031 Das fruchtlose Verfolgen von Ansprüchen gegenüber Dritten wird vom Geschädigten daher nicht verlangt. Sind die Erfolgsaussichten wegen tatsächlicher oder rechtlicher Gegebenheiten oder aufgrund von Beweisschwierigkeiten unsicher oder zweifelhaft, so ist eine Zumutbarkeit grundsätzlich zu verneinen.1032 1028
Hierzu etwa Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 32; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 54. 1029 Vgl. BGH NVwZ 1993, 602, 603; 1992, 911, 912 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 304; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 25; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 190. 1030 Vgl. LG Berlin, juris, Urt. v. 03.03.2004, – 23 O 156/03 – Rn. 53 ff. zu § 84 AMG; krit. Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 370. 1031 Vgl. BGH NVwZ 1993, 1228, 1229; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 205. 1032 Vgl. BGHZ 78, 274, 279; VersR 1964, 639; 1979, 542, 543 f.; NJW 1981, 675, 676; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 85 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 318.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
(d) Beweislast und prozessuale Konsequenzen Die Unmöglichkeit, anderweitig Ersatz zu erlangen, bildet einen Teil des Tatbestands, aus dem der Amtshaftungsanspruch hergeleitet wird. Der Kläger ist insoweit darlegungs- und beweispflichtig.1033 Darzulegen und zu beweisen ist, dass er nicht auf andere Weise Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag und dass er eine solche Ersatzmöglichkeit auch nicht schuldhaft versäumt hat. Die Anforderungen an die klagende Partei zur Darlegung und zum Beweis dieser negativen Anspruchsvoraussetzungen dürfen nach der Rspr. des BGH nicht überspannt werden. Danach kann sich der Geschädigte idR darauf beschränken, die sich aus dem Sachverhalt selbst ergebenden Ersatzmöglichkeiten auszuräumen. Der Geschädigte braucht nur darzutun, dass die Inanspruchnahme des Dritten keine Aussicht auf Erfolg verspricht, weil sich nicht alle Anspruchsvoraussetzungen nachweisen lassen. Nicht verlangt wird die Darlegung, dass ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten nicht besteht.1034 Dem Beklagten obliegt es, dem Kläger schließlich anderweitige Ersatzmöglichkeiten aufzuzeigen, die sich nicht aus dem Sachverhalt selbst ergeben.1035 Ist die Klage wegen des Bestehens einer durchsetzbaren und zumutbaren Ersatzmöglichkeit abzuweisen, so wird sie nur als „zur Zeit unbegründet“ abgewiesen. Einer neuen Klage steht die Rechtskraft mithin nicht entgegen, wenn die Inanspruchnahme der anderweitigen Ersatzmöglichkeit erfolglos bleibt.1036 (3) Rechtsfolgen: Keine gesamtschuldnerische Haftung Ansprüche, die eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB darstellen, gehen der Amtshaftung stets vor. Die Subsidiarität der Amtshaftung hat damit zur Folge, dass Mitschädiger keinen Ausgleichsanspruch nach §§ 840 Abs. 1, 426 BGB erhalten, weil die ersatzverpflichtete Körperschaft von vornherein aufgrund des Verweisungsprivilegs aus dem Gesamtschuldverhältnis ausscheidet.1037 cc. Ergebnis Aus der vorstehenden Darstellung folgt, dass im Falle der Schädigung einer Versuchsperson bei fahrlässiger Amtspflichtverletzungen die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB eine enorme Haftungsentlastung für Ethik-Kommissionen bewirken kann. 1033 Vgl. BGHZ 120, 124, 125; 121, 65, 71; NJW 2002 1266; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 317; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 7.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 299. 1034 Vgl. BGH VersR 1978, 252 m.w. Nachw.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 303. 1035 Hierzu Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 206; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 304, jew. m.w. Nachw. 1036 Vgl. BGHZ 37, 375, 377; VersR 1973, 443, 444; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 79; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 320. 1037 Vgl. BGHZ 28, 297, 301; 61, 351, 356 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 191; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 34; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 305.
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b. Reichweite der Subsidiaritätsklausel für die Haftung für Ethik-Kommissionen Die Haftung für Ethik-Kommissionen stellt sich unter der Geltung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich als eineArt „Auffanghaftung“ dar. Nachfolgend ist zu klären, welche Ansprüche unter besonderer Berücksichtigung der einschränkenden Tendenzen der Rspr. geeignet sind, eine solche Haftungsentlastung herbeizuführen. aa. Keine Subsidiarität bei Lohnfortzahlungsansprüchen, sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen und sonstigen privatversicherungsrechtlichen Ansprüchen Nach inzwischen gefestigter Rspr. gehört der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG sowie der entsprechende beamtenrechtliche Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts bzw. der Versorgungsleistung nicht zur anderweitigen Ersatzmöglichkeit iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, weil jene Ansprüche nicht dem Zweck dienen, dem geschädigten Arbeitnehmer einen Ausgleich für den Schadensfall zu verschaffen.1038 Gleiches gilt für sozialversicherungsrechtliche Ansprüche, weil die Regeln über den gesetzlichen Forderungsübergang (§ 116 Abs. 1 SGB X) den erkennbaren Zweck verfolgen, den Schädiger nicht endgültig zu entlasten.1039 Privatversicherungsrechtliche Ansprüche, insbesondere solche aus der privaten Krankenversicherung, sind ebenfalls nicht Bestandteil eines „anderweitigen Ersatzanspruchs“, weil nach § 86 VVG der Versicherungsträger nur das Risiko der Durchsetzbarkeit des Regressanspruchs tragen soll.1040 Allen Ansprüchen liegt letztendlich der Gedanke zugrunde, dass sie nicht die Aufgabe haben, endgültig auch für solche Schäden zu leisten, die aus einer unerlaubten Handlung Dritter resultieren.1041 Die Ethik-Kommission kann den geschädigten Versuchteilnehmer mithin nicht auf jene Ansprüche verweisen. Vielmehr ist es Sinn und Zweck des jeweils angeordneten gesetzlichen Forderungsübergangs, dass die Amtshaftungsansprüche des geschädigten Versuchteilnehmers gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder auf den jeweiligen Versicherer bzw. Arbeitgeber übergehen, § 6 EntgFG, § 116 Abs. 1 SGB X, § 86 VVG.1042 bb. Probandenversicherung Fraglich ist, ob dies auch für die Leistungen aus der Probandenversicherung gilt. Dann müsste der verschuldensunabhängige Direktanspruch, den der Versuchteilnehmer aus dem zwischen Sponsor und Versicherer geschlossenen Vertrag zugunsten
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Vgl. BGHZ 43, 115, 117; 62, 380, 383; hierzu Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 307. Vgl. BGHZ 79, 26, 31 (gesetzliche Krankenversicherung); hierzu Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 311 m.w. Nachw. 1040 BGHZ 79, 35, 36; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 309; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 199, 1041 Vgl. BGHZ 91, 48, 54; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 83 f. 1042 S. hierzu auch Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 274, 311. 1039
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Dritter (§ 328 BGB) herleitet, als anderweitige Ersatzmöglichkeit anzusehen sein.1043 Ist nach der Rspr. des BGH danach zu fragen, ob der anderweitige Ersatzanspruch nach Sinn und Zweck für solche Schäden gedacht ist, die auf die unerlaubte Handlung eines Dritten zurückgehen1044 , so ist dies für die Probandenversicherung eindeutig zu bejahen, denn ihre Leistung bewirkt, dass Ansprüche gegen Dritte erlöschen, § 40 Abs. 3 S. 3 AMG. (Mit-)Schädiger werden folglich auf Kosten des Versicherers von der Haftung freigestellt, weil sie auch dann Leistungen gewährt, wenn kein anderer für den Schaden haftet. Sie trägt endgültig den Schaden, ohne dass sie bei Dritten Regress nehmen könnte.1045 Freilich reicht der Umfang des Verweisungsprivilegs nur so weit, wie der Umfang Probandenversicherung reicht.1046 Die zahlreichen Ausschlüsse in den AVB-Prob, vor allem die Nichtgewährung von Schmerzensgeld und die subsidiäre Einstandspflicht hinter den gesetzlich zur Leistung Verpflichteten im Krankheitsfall, führen nur zu einer Haftungsentlastung in geringem Umfang.1047 cc. Ansprüche gegen die Bundesoberbehörde und die beteiligte Ethik-Kommission Verletzt die jeweils zuständige Bundesoberbehörde (BfArM/PEI) bei ihrer Genehmigung Probanden-/Patientenschutzvorschriften, so besteht eine Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG.1048 Schadensersatzansprüche gegen die jeweils genehmigende Bundesoberbehörde sind keine anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach st. Rspr. gilt die Subsidiarität der Amtshaftung nicht, soweit sich ein anderweitiger Ersatzanspruch gegen eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts richtet. Der BGH betrachtet die verschiedenen rechtlich selbstständigen juristischen Personen als wirtschaftliches Ganzes (Prinzip der Einheit der öffentlichen Hand). Per saldo tritt daher keine Entlastung der öffentlich Hand ein, was aber gerade der Zweck des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB sei. Weiterhin würde die Zuerkennung einer nur subsidiären Einstandspflicht zu einer wechselseitigen Entlastung führen.1049 Mithin kann sich die Ethik-Kommission nicht auf etwaige Ansprüche des Versuchsteilnehmers gegen die Bundesoberbehörde berufen.1050 Entsprechendes gilt 1043
Die Frage stellt sich freilich nur dann, wenn die Probandenversicherung (noch) nicht geleistet hat; anderenfalls erlischt ein Anspruch auf Schadensersatz (§ 40 Abs. 3 S. 3 AMG); s.a. Kreß, Ethik-Kommission, S. 159. 1044 Vgl. BGHZ 91, 48, 54; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 83 f. 1045 Vgl. Deutsch, MedR 1995, 483, 487; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 161; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 189; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 86 f.; van der Sanden, Haftung, S. 130 f.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 134 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 164; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, S. 151, 174. 1046 Dies betonend Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 189; van der Sanden, Haftung, S. 137. 1047 Hierzu bereits oben, § 5 A.; wie hier van der Sanden, Haftung, S. 137 f. 1048 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 42 Rn. 14; Osieka, Humanforschung, S. 355; für die Haftung bei der Arzneimittelzulassung ausführlich Knothe, Zulassung, bes. S. 18 ff. 1049 Vgl. BGHZ 13, 88, 104 f.; 49, 267, 275; VersR 1991, 73, 74; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 193; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 310; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 84 f. 1050 Wie hier auch van der Sanden, Haftung, S. 171.
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für Ansprüche des Versuchsteilnehmers, die aus einem Fehlverhalten der beteiligten Ethik-Kommissionen resultieren. dd. Ansprüche gegen hinzugezogene Sachverständige Zieht die Ethik-Kommission Sachverständige hinzu, so haften diese selbst.1051 Fraglich ist, ob der geschädigte Versuchteilnehmer Ansprüche gegen den von der Ethik-Kommission hinzugezogenen Sachverständigen hat, wenn diesem ein Fehler bei der Begutachtung unterlaufen ist. Zu prüfen ist, welche Ansprüche des Versuchsteilnehmers gegen den Sachverständigen in Betracht kommen und inwieweit diese geeignet sind, die Haftung für die Ethik-Kommission nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zu begrenzen. (1) Vertragliche Ansprüche Das Rechtsverhältnis zwischen der Verwaltungsbehörde und dem von ihr hinzugezogenen Sachverständigen wird von der ganz überwiegenden Auffassung nicht als vertraglich, sondern – in Anlehnung an das Rechtsverhältnis zwischen Gericht und Sachverständigen – als öffentlich-rechtlich qualifiziert.1052 Für Ethik-Kommissionen ist dies ebenfalls anzunehmen.1053 Vertragliche Ansprüche iVm den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter müssen schon aus diesem Grunde ausscheiden. (2) Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Würde sich die Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG richten, so würde jene Haftung aus dem Kreise der anderweitigen Ersatzmöglichkeiten ausscheiden.1054 Voraussetzung für das Eingreifen der Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG wäre, dass der Gutachter hoheitlich tätig wird. Er müsste zumindest als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen und der ihm anzulastende Pflichtverstoß müsste in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgt sein. Die Rspr. hat schon mehrmals eineAmtshaftung für sich aus unrichtigen Gutachten ergebenden Schadensfolgen angenommen. Kennzeichnend war hierfür, dass die Gutachtertätigkeit auf das Engste mit der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde verbunden war, die behördliche Entscheidung mithin durch die Gutachtertätigkeit praktisch gefallen war, weil der Experte eigenverantwortlich und 1051
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1071; Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 52. Thole, Haftung, S. 240 f. m.w. Nachw.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 14; Seidel, Sachverstand, S. 201 ff; Roeßner, in: Bayerlein, Sachverständigenrecht, § 7 Rn. 25; a.A. etwa Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 26 Rn. 74; allg. zur (vorwiegend vertraglichen) Expertenhaftung Damm, JZ 1991, 373 ff. 1053 Ebenso Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 224; s.a. Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 151 f. 1054 Vgl. nur Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 277. Ist der Sachverständige Beamter im statusrechtlichen Sinne, so kommt eine Eigenhaftung des Sachverständigen nach § 839 BGB, für die die Haftungssubsidiarität bestehen bleiben würde, nicht in Betracht, da der Sachverständige nicht in seiner Eigenschaft als Beamter hinzugezogen wird; hierzu Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 227. 1052
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abschließend über gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen entschieden hatte bzw. sein Gutachten geradezu einen Bestandteil der von der Verwaltungsbehörde ausgeübten und in ihrem Verwaltungsakt sich niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit war. Vor diesem Hintergrund ist eine hoheitliche Tätigkeit des Sachverständigen bejaht worden.1055 Anders liegt es jedoch in der Hinzuziehung eines Sachverständigen auf Grundlage des § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG und damit auch für EthikKommissionen nach § 42 Abs. 1 S. 5 u. 6 AMG: Die Hinzuziehung dient, ebenso wie im Falle der Hinzuziehung eines Sachverständigen durch das Gericht, nur zu Beweiszwecken. Es sollen Tatsachen durch ihn festgestellt werden, die für die behördliche Schlussfolgerung bedeutsam sind. Für die Entscheidung bleibt mithin allein die Behörde verantwortlich.1056 In diesem Falle liegt folglich keine auf das Engste mit der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde verbundene Zusammenarbeit vor, sodass ein hoheitliches Handeln von durch Ethik-Kommissionen hinzugezogene Sachverständige zu verneinen ist, denn die Ethik-Kommission wird durch das Gutachten nicht ihrer interdisziplinären Beratung enthoben und erst recht nicht ihrer letztverbindlichen Entscheidungsbefugnis über das jeweils fragliche Tatbestandsmerkmal.1057 (3) Anspruch aus § 839a BGB Für den behördlichen Sachverständigen ist eine Haftung aus § 823, 826 BGB diskutiert worden, wobei sich seine Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken soll. Seit dem 01.08.2002 besteht jedoch für die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen eine Spezialvorschrift, § 839a BGB. Der gerichtliche Sachverständige haftete damals nur nach allgemeinem Deliktsrecht.1058 § 839a BGB erweitert nunmehr die Haftung auf allgemeine Vermögensinteressen und beschränkt sie gleichzeitig auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.1059 Aufgrund der Konzeption als abschließenden Sondertatbestand scheidet ein Rückgriff auf das allgemeine Deliktsrecht aus.1060 Würden auch behördliche Sachverständige unter § 839a BGB fallen, so würde ein Rückgriff auf das allgemeine Deliktsrecht ebenfalls ausscheiden. 1055
Vgl. etwa BGHZ 49, 108, 113; 59, 310, 314; 62, 372, 373 ff.; 122, 85, 88; WM 2001, 151, 152; hierzu Thole, Haftung, S. 233 ff.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 13; jew. m.w. Nachw. aus der Rspr. 1056 Vgl. nur Kopp/Ramsauer, § 26 Rn. 30; Seidel, Sachverstand, S. 340; hierzu auch Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 4. 1057 Vgl. hierzu allg. Thole, Haftung, S. 240; Seidel, Sachverstand, S. 340; Wagner, in: MüKo/ BGB, § 839a Rn. 14; a.A. wohl Kopp/Ramsauer, § 26 Rn. 31a (hoheitliches Tätigwerden); wie hier für Ethik-Kommissionen Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 225 f.; anders dagegen Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 151. 1058 Ausführlich zur Haftung vor Inkrafttreten des § 839a BGB Thole, Haftung, S. 12 ff.; s.a. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 499 ff. 1059 Einzelheiten bei Kilian, VersR 2003, 683 ff.; ders., ZGS 2004, 220 ff.; Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 5 ff. 1060 Vgl. nur BGH NJW 2006, 1733; Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 5; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839a Rn. 4; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 5; Palandt/Sprau, § 839a Rn. 1; Brückner/Neumann, MDR 2003, 906, 907.
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§ 839a BGB verlangt seinem Wortlaut nach allerdings einen vom Gericht ernannten Sachverständigen, sodass die Vorschrift direkt auf die Konstellation zwischen Ethik-Kommission und Sachverständigen keine Anwendung findet. (4) Anspruch aus § 839a BGB analog Möglicherweise kommt jedoch eine analoge Anwendung in Betracht. Wäre diese zu bejahen, so stellt sich daran anknüpfend die überaus schwierige Frage, ob auch der Versuchsteilnehmer seinen Anspruch auf § 839a BGB analog stützen kann, weil die Haftung nach § 839a BGB nur für Verfahrensbeteiligte gilt, im behördlichen Verfahren vor den Ethik-Kommissionen der (potentielle) Versuchsteilnehmer aber kein Beteiligter ist. Fraglich ist, ob auch diesbezüglich ein Ausschluss der allgemeinen deliktischen Ansprüche anzunehmen ist. Der BGH hat jedenfalls für das Zwangsversteigerungsverfahren entschieden, dass es zulässig und geboten sei, „den Beteiligtenbegriff i. S. des § 839a BGB über eine formalisierte, streng prozessrechtliche Betrachtung hinaus zu erweitern“.1061 Die Frage, ob dies auch für spätere Versuchteilnehmer bei einem behördlichen Verfahren anzunehmen ist, stellt sich aber dann nicht, wenn es schon an den Voraussetzungen einer Analogie für den behördlichen Sachverständigen fehlt. Erforderlich wäre das Vorliegen einer Gesetzeslücke, mithin eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes.1062 Weiterhin ist für einen Analogieschluss die übereinstimmende rechtliche Bewertung des geregelten mit dem zu beurteilenden, nicht geregelten Sachverhalts erforderlich.1063 Über beide Erfordernisse wird bei der analogen Anwendung des § 839a BGB auf Sachverständige im Verwaltungsverfahren gestritten. Dabei konzentriert sich der Streit im Wesentlichen auf die auch hier zu beurteilende Situation, dass der Sachverständige zur Vorbereitung der Entscheidung einer Behörde bestellt wird, weil jene Konstellation mit derjenigen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen vergleichbar ist.1064 Von derjenigen Auffassung, die eine analoge Anwendung des § 839a BGB ablehnt1065 , wird bereits, wenn auch 1061
Vgl. BGH NJW 2006, 1733 m.w. Nachw. aus der Literatur; s.a. Wurm, in: Staudinger, § 839a Rn. 24; Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 43 f. 1062 Ausf. hierzu Canaris, Lücken im Gesetz, S. 31 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff., bes. S. 194 f. 1063 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202 ff.; Zippelius, Methodenlehre, § 11 II, S. 68 ff.; Joerden, Logik, S. 327. 1064 Für die übrigen Konstellationen, etwa für das Tätigwerden von gesetzlich zur Stellungnahme verpflichteter Sachverständigen und solchen, die eine Amtshaftung auslösen, fehlt es an den Voraussetzungen für eine Analogie. Ausf. hierzu Thole, Haftung, S. 236 ff.; s.a. Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 14; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 13 f.; Kilian, ZGS 2004, 220, 222; ders., VersR 2003, 683, 685. 1065 Ablehnend vor allem Kilian, ZGS 2004, 220, 222; ders., VersR 2003, 683, 685 (dort aber nur für behördliche Gutachten); Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 15; Palandt/Sprau, § 839a Rn. 1; HK-BGB/Staudinger, § 839a Rn. 2.; Zimmermann, DS 2007, 367, 368 f.; Byerlein, in: ders., Sachverständigenrecht, § 25 Rn. 22a.
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recht zurückhaltend, die Planwidrigkeit der Regelungslücke bezweifelt.1066 Eine Regelungslücke liegt jedoch insoweit vor, als gegen den behördlich hinzugezogenen Sachverständigen nach § 26 VwVfG weder vertragliche noch amtshaftungsrechtliche Ansprüche in Betracht zu ziehen sind, sodass nur Ansprüche nach allgemeinem Deliktsrecht in Betracht kommen.1067 Die Unzulänglichkeit des Schutzes, den die deliktischen Ansprüche vermittelten, stellte jedoch gerade das wesentliche Motiv dafür dar, für den gerichtlichen Sachverständigen die Haftung sowohl zu erweitern als auch zugleich zu beschränken.1068 Wurde vor Einführung des § 839a BGB der gerichtliche und der behördliche Sachverständige haftungsrechtlich gleich behandelt1069 , so lässt sich das Vorliegen einer (Haftung-)Lücke gegenüber dem behördlichen Sachverständigen – zumindest seit Einführung des § 839a BGB – nicht leugnen. Ob der Planwidrigkeit dieser Regelungslücke entgegensteht, dass sich der Gesetzgeber nur des gerichtlich bestellten Sachverständigen angenommen hat, ist zu bezweifeln.1070 Zu verneinen wäre sie dann, wenn man in der Einführung des § 839a BGB zugleich eine gesetzgeberische Negativentscheidung zu erblicken hätte.1071 Die Haftung des behördlichen Sachverständigen war und ist auch aus heutiger Sicht außerhalb des § 839a BGB überaus unklar. Die damalige Haftungsgleichstellung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ist bis dato eher behauptet als begründet worden.1072 Daher wird man in der Einführung des § 839a BGB keine Negativentscheidung des Gesetzgebers zu erblicken haben, den behördlichen Sachverständigen vom Anwendungsbereich des § 839a BGB strikt auszuklammern und es im Übrigen bei der unklaren Rechtslage zu belassen. Die sich für eine analoge Anwendung des § 839a BGB auf den behördlichen Sachverständigen aussprechende Auffassung1073 stellt – notwendigerweise – auf die Vergleichbarkeit mit dem gerichtlich bestellten ab. Abgesehen davon, dass sowohl vertragliche als auch amtshaftungsrechtliche Ansprüche gegen ihn ausscheiden, trifft die Behörde ebenso wie das Gericht eine Beweiswürdigungspflicht, die sich aus dem Amtsermittlungsgrundsatz ergibt und die gesetzliche Zuständigkeit der Behörde sichert. Wegen § 26 Abs. 3 S. 2 VwVfG fehlt es, wie beim gerichtlich bestellten Sachverständigen, an der Möglichkeit einer privatautonomen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zur Behörde1074 und auch 1066
Vgl. Kilian, ZGS 2004, 220, 222. Zur Diskussion Thole, Haftung, S. 239 ff. 1068 Vgl. Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 5; Kilian, VersR 2003, 683, 684; Wagner, NJW 2002, 2049, 2062. 1069 Vgl. OLG Schleswig, NJW 1995, 791, 792; Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 14; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 14; Thole, Haftung, S. 235 f. 1070 Zurückhaltend auch Kilian, ZGS 2004, 220, 222. 1071 Hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194 f. 1072 Vgl. Thole, Haftung, S. 235 m.w. Nachw. 1073 Befürwortend: Thole, Haftung, S. 240 ff.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 14; ders., Schadensersatzrecht, Rn. 79; Wurm, in: Staudinger, § 839a Rn. 35; Wienke/Janke, Hess.ÄBl. 2006, 879, 881; AnwK-BGB/Huber, § 839a Rn. 24; zur Interessenlage auch Seidel, Sachverstand, S. 340. 1074 Der Sachverständige wird gem. § 26 Abs. 3 S. 2 VwVfG nach Maßgabe des Justizvergütungsund -entschädigungsgesetzes vergütet, vgl. Thole, Haftung, S. 241; Wagner, in: MüKo/BGB, § 1067
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eine privatautonome Haftungsbegrenzung ist nicht möglich.1075 Die Gegenauffassung rekurriert auf die Nichtvergleichbarkeit: Der Geschädigte werde nicht in § 839a BGB vergleichbarer Weise schutzlos gestellt, weil der Behördensachverständige die Entscheidung der Behörde nur vorbereite, die letztendlich vom Gericht nochmals überprüft werden könne. Zieht das Gericht hierfür selbst einen Sachverständigen hinzu, so hafte dieser jedenfalls dann, wenn ihm der gleiche Fehler unterläuft wie dem behördlich hinzugezogenen.1076 Dem ist jedoch Thole überzeugend entgegengetreten: Das Schadenspotential, das in unrichtigen behördlichen Entscheidungen liegt, ist nicht wesentlich geringer als bei gerichtlichen Entscheidungen.1077 Darüber hinaus ist anzumerken, dass die derzeitige Diskussion nur unzureichend die unterschiedlichen Arten der Behördenentscheidungen berücksichtigt, wie das Beispiel der Ethik-Kommissionen belegt: Aus der Rechtsguts(verletzungs)bezogenheit der Ethik-Kommissionsentscheidung ist ein Schutz des Versuchsteilnehmers über § 839a BGB nicht angezeigt, weil insoweit das allgemeine Deliktsrecht eingreift (§ 823 Abs. 1 BGB). Anders stellt es sich für den Sponsor der klinischen Prüfung dar, der des Schutzes reiner Vermögensschäden durch die fehlerhafte Gutachtertätigkeit bedarf.1078 § 839a BGB verbindet beide Schadenspositionen, sodass im Interesse der Rechtssicherheit die Erweiterung der Haftung mit gleichzeitiger Einschränkung über das Verschulden einen Kompromiss darstellt, der auch für den behördlichen Sachverständigen angezeigt scheint. Spickhoff hat aber letztlich ausschlaggebend darauf hingewiesen, dass der geschlagene Spagat zwischen Haftungserweiterung einerseits und Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit andererseits „jedenfalls nur mit Zurückhaltung in Betracht zu ziehen“ ist.1079 Ist die Haftung des behördlichen Sachverständigen gegenüber Dritten bereits nach überwiegender Auffassung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, so führt die analoge Anwendung des § 839a BGB ausschließlich zu einer Haftungserweiterung auf reine Vermögensschäden. Hierfür ist die Analogiebasis aber eine nur unzureichende Grundlage. (5) Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826 BGB Damit verbleiben die allgemeinen deliktsrechtlichen Ansprüche des Versuchsteilnehmers gegen den Sachverständigen, den die Ethik-Kommission nach §§ 42 Abs. 1 S. 5 u. 6 AMG, 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG zur sachverständigen Begutachtung hinzugezogen hat. Ob eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm den 839a Rn. 14; hierzu auch Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 14; Seidel, Sachverstand, S. 202; Kopp/Ramsauer, § 26 Rn. 48 ff. 1075 Vgl. Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 14. 1076 So Kilian, ZGS 2004, 220, 222; Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 15. 1077 Thole, Haftung, S. 243 f. 1078 Für einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fehlt es an der Unmittelbarkeit des Eingriffs, vgl. auch BGH NJW 2001, 3115, 3117: Keinen betriebsbezogenen Eingriff durch Erstellung eines Prüfberichts, der zur behördlichen Erlaubnisversagung führt. 1079 Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 15.
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Patienten-/Probandenschutznormen der §§ 40 ff. AMG in Betracht kommt, ist fraglich. Möglich wäre dies für den Fall, dass sich die Sachverständigentätigkeit auf eine Zulassungsvoraussetzung bezieht, die gerade dem Schutz der Versuchsteilnehmer zu dienen bestimmt ist. Fraglich ist aber, ob der Sachverständige auch Normadressat der §§ 40 ff. AMG ist. Obgleich Drittschutz und Schutznormqualität grundsätzlich parallel ausgestaltet sind, so könnte dem auch entgegenstehen, dass die Sachverständigentätigkeit nur vorbereitenden Charakter besitzt. Der Sachverständige haftet aber jedenfalls nach § 823 Abs. 1 BGB, wenn er ein unrichtiges, d. h. objektiv falsches Gutachten erstattet, die zustimmende, aber fehlerhafte Bewertung der Ethik-Kommission auf diesem Gutachten „beruht“, d. h. dieses zumindest mitursächlich ist, und der Versuchsteilnehmer deswegen an der Gesundheit geschädigt bzw. am Körper verletzt wird. Eine Zurechnungsunterbrechung durch die Entscheidung der Ethik-Kommission findet nicht statt, weil bzw. solange sich das fehlerhafte Gutachten im Schaden des Versuchsteilnehmers fortsetzt.1080 Eine Haftung nach § 826 BGB gegenüber dem Versuchsteilnehmer scheint dagegen nicht praxisrelevant zu sein. Die h. M. beschränkt die Haftung des behördlichen Sachverständigen – in (damaliger) Anlehnung an den gerichtlichen – auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Die Haftungsprivilegierung dient in Anlehnung an den gerichtlichen Sachverständigen der Sicherstellung der inneren Freiheit des Gutachters, damit dieser das Gutachten nach seiner sachlichen Überzeugung erstatten kann und ermöglicht ihm daher eine ungestörte Ausübung seiner Tätigkeit.1081 Da sich aus § 839a BGB keine (negativen) Rückschlüsse auf die Haftung des behördlichen Sachverständigen ziehen lassen, dieser also insbesondere nicht nach Einführung der gerichtlichen Sachverständigenhaftung nunmehr für jede Fahrlässigkeit einzustehen hat, gilt die Haftungsprivilegierung fort.1082 (6) Konsequenzen Ansprüche des Versuchteilnehmers gegen Gutachter sind anderweitige Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB.1083 Die Haftungsentlastung, die durch die deliktische Haftung des Gutachters eintritt, dürfte jedoch als gering einzuschätzen sein. Dies resultiert zum einen aus der Tatsache, dass der Versuchteilnehmer zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Unkenntnis darüber sein wird, ob und inwieweit ein 1080
Wie hier Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 224, 228 f.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 50; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 151; hierzu auch allg. Deutsch, VersR 1987, 113, 115. 1081 Vgl. hierzu auch Thole, Haftung, S. 246 ff. mit der Darlegung, dass dieser Haftungsprivilegierung im nichtförmlichen Verwaltungsverfahren auch nicht entgegensteht, dass grundsätzlich keine Pflicht zur Gutachtenerstattung besteht; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 505 f. 1082 H.M., vgl. hierzu OLG Schleswig, NJW 1995, 791, 792: Haftung des Neurologen als Gutachter in einem behördlichen Verfahren beschränkt sich entsprechend dem Gutachter im gerichtlichen Verfahren auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit; Spickhoff, in: Soergel, § 839a Rn. 14; Wagner, in: MüKo/BGB, § 839a Rn. 14; Thole, Haftung, S. 235 f.; anders noch Kreß, EthikKommissionen, S. 228 m. Fn. 879, der die Haftungsbeschränkungen für den gerichtlichen nicht auf andere Sachverständige für übertragbar hält. 1083 Ebenso Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 230 f.
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Gutachter am Entscheidungsverfahren beteiligt war. Aus diesem Grunde trifft den Versuchsteilnehmer zunächst nicht die Beweislast im Hinblick auf eine nichtbestehende Haftung des Gutachters, weil diese nicht aus dem Sachverhalt selbst folgt. Es obliegt zunächst der jeweils passiv legitimierten Körperschaft, dem Versuchsteilnehmer anderweitige Ersatzmöglichkeiten, also auch diejenige des Gutachters, aufzuzeigen. Zum anderen muss seitens des Gutachters mindestens grob fahrlässiges Verhalten vorliegen, damit der Amtshaftungsanspruch nicht zum Entstehen gelangt, der Beweis, dass aber nicht mehr als einfache Fahrlässigkeit vorliegt, zu führen sein wird.1084 ee. Ansprüche gegen den Sponsor der klinischen Prüfung Die Haftung des Sponsors bei der klinischen Prüfung gehört neben der Haftung des klinischen Prüfers und der Haftung der jeweiligen Forschungsstätte zu einem der drei Haupthaftungssäulen, die die Haftung für Ethik-Kommissionen bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung gänzlich ausschließen könnten. Nachfolgend ist zunächst vom Regelfall auszugehen, dass der Sponsor der klinischen Prüfung ein pharmazeutisches Unternehmen ist. (1) Anspruch aus § 84 AMG Die besondere Haftung des pharmazeutischen Unternehmers nach § 84 AMG geht zurück auf das AMG aus dem Jahre 1976, welches durch die Erfahrungen mit der Contergan-Katastrophe angestoßen wurde. Die Erkenntnisse aus dieser Arzneimittelkatastrophe, nämlich dass Arzneimittelschäden sich nicht absolut vermeiden lassen und die verschuldensabhängige Haftung des Deliktrechts dem Verbraucherschutz auf dem Arzneimittelsektor nicht nachkommt bzw. nachkommen kann, haben zu einer Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmers geführt.1085 Sie beruht auf dem Gedanken des Einstehenmüssens für spezifische, potentiell gefährliche Handlungen und der Zusammengehörigkeit von wirtschaftlichem Vorteil und damit korrespondierendem Risiko.1086 Durch das 2. SchadÄndG ist die Position des Verbrauchers durch Einführung eines Auskunftsanspruchs (§ 84a AMG)1087 , durch 1084
Damals wie heute wird vertreten, dass der Gutachter einen Freistellungsanspruch gegen den Träger der Ethik-Kommission habe, wenn dieser ohne oder gegen unzureichendes Entgelt tätig werde, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1071; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 229 f.; Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 52; Fischer, Medizinische Versuche, S. 104; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2739 f.; a.A. Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 151 f. Da die Hinzuziehung sich aber nunmehr auf § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG gründet und der Sachverständige (zwingend) nach § 26 Abs. 3 S. 2 VwVfG zu entschädigen ist, erscheint fraglich, ob diese Sichtweise aufrechterhalten werden kann. 1085 Zur geschichtlichen Entwicklung des § 84 AMG Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1476; Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 1; Vogeler, Verhältnis, S. 100 ff.; Jenke, Haftung, S. 22 ff. 1086 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1473; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 511 ff.; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 84 VI. 2, S. 648 f.; Jenke, Haftung, S. 43. 1087 Hierzu LG Berlin, NJW 2007, 3584 (Vioxx) m. Anm. Deutsch; s.a. Brock/Morbach, PharmR 2009, 108 ff.
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eine Umkehr der Beweislast im Hinblick auf den Fehlerbereich (§ 84 Abs. 3 AMG), durch Einführung einer Kausalitätsvermutung (§ 84 Abs. 2 AMG), die dann eingreift, wenn das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen (§ 84 Abs. 2 S. 1 AMG)1088 , und schließlich durch die allgemeine Einführung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB, § 87 S. 2 AMG) verbessert worden.1089 Gerade die Besserstellung des Arzneimittelendverbrauchers durch das 2. SchadÄndG hat die Diskussion über die Gefährdungshaftung für Forschungsunfälle verschärft. Die Hineinverlagerung einer Gefährdungshaftung in die klinische Prüfung ist nicht unbedenklich. Die Hauptfunktion der Gefährdungshaftung liegt in der Erhaltung des Gütergleichgewichts durch Abnahme des Schadensrisikos. Die ökonomische Prävention, die in ihr liegt und zur Geringhaltung der (verschuldensunabhängigen) Risikoübernahmekosten durch Schaffung zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen anleiten soll1090 , wirkt in faktisch-negativer Hinsicht auf die Forschungsfreiheit und Innovationsförderung ein. Mit guten Gründen sah der Gesetzgeber daher davon ab, eine Gefährdungshaftung für klinische Prüfungen mit Arzneimitteln zu schaffen, sondern den Weg über die in der Praxis freilich nicht an die Gefährdungshaftung des § 84 AMG heranreichende Probandenversicherung zu wählen. Sie dient (zumindest auch) dazu, das Verschuldensprinzip zu erhalten um die Handlungsfreiheit, d. h. die Forschungsfreiheit und die Innovationsförderung nicht zu gefährden.1091 Bei der Haftung des pharmazeutischen Unternehmers nach § 84 AMG handelt es sich um eine anderweitige Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB; dem steht nicht entgegen, dass es sich um eine Gefährdungshaftung handelt.1092 (a) Anwendbarkeit des § 84 AMG auf die klinische Prüfung § 84 AMG erfasst nur ein Arzneimittel, das „im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurden und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist“. Nicht unter die 1088
Speziell zur Kausalitätsvermutung nach der Reform Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1483; Ehling, PatR 2007, 137, 139 ff.; Rehmann, § 84 Rn. 7 ff.; Katzenmeier, JuS 2003, 943, 945 f. Sie ist bereits in den sog. Vioxx-Fällen Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung gewesen, vgl. BGH NJW 2008, 2994 m. Anm. Deutsch; vorgehend LG Berlin, NJW 2007, 3582 m. krit. Anm. Deutsch; Wagner, PharmR 2008, 370; hierzu auch Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 591; s.a. OLG Karlsruhe, MedR 2009, 474 m. Anm. Deutsch. 1089 Zu den Auswirkungen des 2. SchadÄndG auf die Arzneimittelhaftung Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1483; Wagner, VersR 2001, 1334 ff.; Ehling, PatR 2007, 137, 138; Voit, PatR 2004, 69 ff.; Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 1; Jenke, Haftung, S. 26 ff.; Katzenmeier, JuS 2003, 943, 945 f. 1090 Allg. zur Gefährdungshaftung Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 634 ff., bes. Rn. 637 f.; ders., in: Festgabe BGH, 675 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1473; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 84 I, S. 600 ff. 1091 Allg. hierzu Deutsch, JZ 2002, 588; s.a. ders., Haftungsrecht, Rn. 21 ff. 1092 Vgl. LG Berlin, juris, Urt. v. 03.03.2004, – 23 O 156/03 – Rn. 53 ff. zu § 84 AMG; krit. Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 370.
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Zulassungspflicht fallen nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG Arzneimittel, die „zur klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt sind“. Abgesehen von dem Fall, dass eine Kennzeichnung des Arzneimittels mit dem Hinweis nach § 10 Abs. 10 AMG („zur klinischen Prüfung bestimmt“) unterbleibt und unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zur Anwendung der Gefährdungshaftung führen könnte1093 , werden in den übrigen Fällen Ausnahmen diskutiert, die zur Anwendung des § 84 AMG führen sollen. Klärungsbedürftig ist, ob und in welchem Umfang § 84 AMG auch auf klinische Arzneimittelprüfungen Anwendung findet. Es bedarf einer Differenzierung zwischen den einzelnen Arten der klinischen Prüfung und der Zugehörigkeit der Testperson zur Verum- oder Kontrollgruppe. (aa) Anwendung auf Studien der Phase I-III Arzneimittel, die zur klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt sind, unterliegen nicht der Zulassungspflicht (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG) und lösen aus diesem Grunde auch keine Gefährdungshaftung aus. Die Risiken sollen nach der gesetzgeberischen Intention durch die Probandenversicherung abgedeckt werden.1094 Vor diesem Hintergrund wendet die ganz h. M. § 84 AMG zumindest nicht auf die Fälle der klinischen Prüfung der Phasen I-III an, und zwar auch für den Fall, dass das bereits zugelassene Arzneimittel für eine neue Indikation getestet wird.1095 Einer analogen Anwendung des § 84 AMG steht das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Gefährdungshaftung und Verschuldenshaftung entgegen1096 und die Tatsache, dass der Gesetzgeber in seiner ursprünglichen Konzeption die Probandenversicherung für ausreichend erachtete.1097 (bb) Anwendung auf Studien der Phase IV Auch bereits zugelassene Arzneimittel, die zur Anwendung bei der klinischen Prüfung bei Menschen bestimmt sind, fallen dem Wortlaut nach nicht unter die 1093
In diese Richtung Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 13. Vgl. BSGE 95, 66 = MedR 2007, 59, 62 f.; Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 13; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 140. 1095 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1365; Deutsch, VersR 2006, 577; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 140 f.; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76 a.E, § 84 Anm. 13; Sander, § 40 Erl. 10c); Rehmann, § 40 Rn. 10; Jenke, Haftung, S. 31; Kollhosser, MedR 1991, 184, 185; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 147; Stock, Probandenschutz, S. 157; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, S. 151, 175; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 40 f.; Lippert/Adler, VersR 1993, 277, 279; Osieka, Humanforschung, S. 360; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 195; Voit, PatR 2004, 69, 72; ders., PharmR 2005, 345, 349; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 246. 1096 So zumindest die h.M., vgl. BGHZ 54, 332, 336 f.; 55, 229, 233 f.; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 84 I 1 b), S. 601 f.; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 184 ff.; dagegen mit beachtlichen Gründen Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 651 ff.; ders., in: Festgabe BGH, S. 675, 679. 1097 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 43 f.; Osieka, Humanforschung, S. 360; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 140 f., die zudem auf weitergehende Ungereimtheiten bei einer Anwendung auf die klinische Prüfung aufmerksam machen; s.a. Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 245. 1094
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Gefährdungshaftung, §§ 84, 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG. Die überwiegende Auffassung spricht sich aber zu Recht gleichwohl für eine Anwendung des § 84 AMG auf Studien der Phase IV aus.1098 Dagegen spricht zwar, dass auch Studien der Phase IV Probandenversicherungspflichtig sind1099 und auch das Arzneimittel, wird es im Rahmen der klinischen Prüfung verwendet, für diese Dauer als nicht zulassungspflichtig anzusehen ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG). Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, den Prüfungsteilnehmer schlechter zu stellen als einen Patienten, der die gleiche Therapie erhält und sich auf § 84 AMG stützen kann. Allein die Tatsache, dass der Versuchsteilnehmer sorgfältiger beobachtet wird, kann nicht zur Versagung der Gefährdungshaftung führen.1100 Findet § 84 AMG auf die Prüfungsphase IV Anwendung, so kommt es schließlich auf die Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass in der Anwendung des Arzneimittels in dieser Phase der klinischen Prüfung auch ein bestimmungsgemäßer Gebrauch zu sehen ist, weil sich der pharmazeutische Unternehmer, der die klinische Prüfung selbst vornimmt, sich nicht haftungsentlastend auf seinen eigenen Fehlgebrauch berufen kann.1101 (cc) Anwendung auf die Kontrollgruppe und auf Studien mit zugelassenen Arzneimitteln Wird im Rahmen einer kontrollierten klinischen Prüfung ein Kontroll- oder Vergleichspräparat angewandt, so haftet nach ganz h. M. der pharmazeutische Unternehmer nach § 84 AMG, der das Arzneimittel unter seinem Namen in den Verkehr gebracht hat.1102 Gerechtfertigt ist diese Ansicht aus dem gleichen Grunde wie für Studien der Phase IV: Der Versuchteilnehmer soll nicht deshalb schlechter stehen, weil er Teilnehmer eine klinischen Prüfung ist und diejenige Therapie erhält, die er auch außerhalb der klinischen Prüfung und unter Geltung des § 84 AMG bekommen hätte. Studien, die nur zugelassene Arzneimittel zum Gegenstand haben und die in ihrer zugelassenen Indikation verwendet werden, sind aus den vorstehenden Erwägungen ebenfalls nicht anders zu beurteilen als solche der Phase IV. Bislang ungeklärt ist die Frage, wie der Teilnehmer der Placebogruppe zu behandeln ist. Selbst wenn man das Placebopräparat unter den Arzneimittelbegriff subsumiert, so 1098 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1365; Sander, § 40 Anm. 10c); Jenke, Haftung, S. 31; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 147 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 195; Osieka, Humanforschung, S. 360; Kollhosser, MedR 1991, 184, 186; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 41.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, S. 151, 175 f.; Heubeck, PHi 2007, 210, 213; a.A. etwa Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 140 f.; Stock, Probandenschutz, S. 157 f.; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 246. 1099 Ausdrücklich: BT-Drs. 15/2109, S. 30. 1100 Vgl. Kollhosser, MedR 1991, 184, 196; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 195 f. 1101 Wie hier auch Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 147 f. 1102 Vgl. Sander, § 40 Anm. 10c); Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, S. 151, 176; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 76 a.E.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 40 f.; Deutsch, PharmR 2001, 346, 349; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 147 f.; Osieka, Humanforschung, S. 360; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 196.
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unterliegt es jedenfalls nicht der Zulassungspflicht (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG)1103 und fällt damit aus dem Anwendungsbereich des § 84 AMG heraus.1104 (dd) Zwischenergebnis § 84AMG findetAnwendung fürArzneimittel, die im Rahmen der klinischen Prüfung der Phase IV verabreicht werden, sowie auf etwaige Kontroll- und Vergleichspräparate in den Phase I-III und auf sonstige Studien mit zugelassenen Arzneimitteln. Ausgenommen sind die Testpräparate der Phasen I-III. (b) Die weiteren Voraussetzungen Nach § 84 AMG haftbar ist nur der pharmazeutische Unternehmer (§ 4 Abs. 18 AMG), der das Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat. Nicht erforderlich ist, dass er das Arzneimittel auch tatsächlich hergestellt hat.1105 Folglich muss sich der Anspruch aus § 84 AMG nicht stets gegen den Sponsor der klinischen Prüfung richten. Geschützt sind in Anlehnung an § 823 Abs. 1 BGB das Leben, der Körper und die Gesundheit. Die Verletzung darf „nicht unerheblich“ sein. Ausgeschlossen von der verschuldensunabhängigen Ersatzpflicht sind also Bagatellschäden, die nach dem Kriterium der Sozialadäquanz zu bestimmen sind.1106 Die (wohl) überwiegende Auffassung zieht entsprechend dem Charakter als Verbraucherschutznorm nur den Patienten in den persönlichen Schutzbereich des § 84 AMG mit ein, d. h. denjenigen, dem das Arzneimittel zugeführt wurde.1107 Die Ersatzpflicht hängt weiterhin vom Vorliegen der speziellen Haftungsvoraussetzungen ab. Sie tritt nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG nur dann ein, wenn das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Hiermit sind der Konstruktionsfehler und der Fabrikationsfehler angesprochen (§ 84 Abs. 3 AMG).1108 Für den bestimmungsgemäßen Gebrauch kommt es auf die Zweckbestimmung durch den pharmazeutischen Unternehmer an. Festgelegt wird er idR durch die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben (Packungsbeilage, § 11; 1103
Vgl. auch Rehmann, § 21 Rn. 9; Kloesel/Cyran, § 2 Anm. 42e. So auch Deutsch, PharmR 2001, 346, 349. Nach Sander, § 40 Anm. 10c soll das ProdHG dagegen eingreifen. Dies hängt jedoch von der Frage ab, ob man in der Verabreichung im Rahmen der klinischen Prüfung der Phase I-III bereits ein Inverkehrbringen erblicken kann. 1105 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1478; Rehmann, § 84 Rn. 2; Jenke, Haftung, S. 41; Jänisch, PharmR 2004, 107 ff. 1106 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 84 Rn. 3 a.E.; ders., VersR 1979, 685, 686; ders., VersR 1992, 521, 522; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 20; s.a. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 196 f.; Flatten, MedR 1993, 463, 464. 1107 Zur Diskussion, inwieweit auch der mittelbar Geschädigte einzubeziehen ist, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1480; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 84 Rn. 4; Jenke, Haftung, S. 32 ff., jew. m.w. Nachw. 1108 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1490; Vogeler, MedR 1984, 132, 134; ders., Verhältnis, S. 122 ff. 1104
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Fachinformation, § 11a).1109 Erfasst wird darüber hinaus aber auch der zwar nicht empfohlene, aber nach allgemeinen ärztlichen Therapiegewohnheiten gewöhnliche Gebrauch, den der pharmazeutische Unternehmer hätte erkennen können.1110 Die Unvertretbarkeit ist angelehnt an § 5 Abs. 2 AMG und ergibt sich aus einer NutzenRisiko-Abwägung. Abzustellen ist auf den therapeutischen Wert des Arzneimittels und die schädliche Wirkung. Aus diesem Verhältnis muss sich ein unvertretbares Maß ergeben.1111 Besonderer Bedeutung kommt § 84 Abs. 3 AMG zu: Die Ersatzpflicht besteht nicht, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursachen nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben. Dem pharmazeutischen Unternehmer obliegt also der Entlastungsbeweis. Ein Entwicklungsfehler haftet dem Produkt prinzipiell an. Er kann etwa resultieren aus ungenügenden pharmakologisch-toxikologischen Prüfungen.1112 Einbezogen wird in die Haftung nach § 84 AMG damit, anders als bei der verschuldensabhängigen Produzentenhaftung und der Produkthaftung (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG), das Entwicklungsrisiko.1113 Der Herstellungsfehler bzw. der Fabrikationsfehler beruht auf einer Verwendung mangelhafter Rohstoffe oder eines fehlerhaften Herstellungsprozesses.1114 Der pharmazeutische Unternehmer haftet ferner für den Fall, dass der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist, § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG. Hiermit ist die Kategorie des Instruktionsfehlers angesprochen. Im Vordergrund steht hier die Informationsverpflichtung des pharmazeutischen Unternehmers über negative Wirkungen und Eigenschaften des Arzneimittels zur zweckmäßigen und risikoadäquaten Anwendung am Patienten, die in den §§ 10, 11, 11a AMG festgelegt sind.1115 Seit 1109
Näheres hierzu bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1491; Vogeler, Verhältnis, S. 110 ff.; ders., MedR 1984, 18, 19; Papier, Bestimmungsgemäße Gebrauch, S. 12 ff.; Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 23; Jenke, Haftung, S. 46 ff. 1110 Vgl. Papier, Bestimmungsgemäße Gebrauch, S. 13; Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 23; zu der Frage, ob auch der naheliegende Fehlgebrauch von § 84 erfasst wird, vgl. Vogeler, Verhältnis, S. 112 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 198 ff. 1111 Einzelheiten hierzu bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1492; Besch, Produkthaftung, S. 54; Rehmann, § 84 Rn. 5; Vogeler, Verhältnis, S. 116 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 201 ff. Dort auch jeweils zur umstrittenen Frage, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist. 1112 Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 84 Rn. 12; Jenke, Haftung, S. 49. 1113 Vgl. Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 84 II 2 b), S. 649; Deutsch, VersR 1979, 685, 687; Vogeler, Verhältnis, S. 122; ders., MedR 1984, 132, 134; Rehmann, § 84 Rn. 5; Jenke, Haftung, S. 49 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 205. 1114 Zu nennen ist etwa die Abweichung von der Standardqualität hinsichtlich der Wirkstoffkonzentration oder der Immunisierungswirkung; vgl. Jenke, Haftung, S. 50 f.; Vogeler, Verhältnis, S. 123; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 84 Rn. 13. 1115 Vgl. Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 27; Einzelheiten bei Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1503 ff.; zur (geringen) Bedeutung dieses Haftungsgrundes für die klinischen Prüfung Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 206 ff.; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 140; Voit, PharmR 2005, 345, 349.
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dem 2. SchadÄndG besteht für den Fall, dass das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen, eine Kausalitätsvermutung dafür, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht worden ist, § 84 Abs. 2 S. 1 AMG. Erforderlich ist die konkrete Eignung im Einzelfall (§ 84 Abs. 2 S. 2 AMG). Der pharmazeutische Unternehmer kann die Kausalitätsvermutung dadurch widerlegen, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls auch ein anderer Umstand geeignet war, den Schaden herbeizuführen. Um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden zu vermeiden, dürfen an die Darlegungslast des Patienten nach Auffassung des BGH keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.1116 (2) Anspruch aus § 1 ProdHG Fraglich ist, ob auch Ansprüche aus dem ProdHG in Betracht zu ziehen sind. Dies setzt zunächst die Anwendbarkeit des ProdHG voraus (§ 15 ProdHG) und ferner, dass das Arzneimittel in den Verkehr gebracht worden ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHG). Beide Voraussetzungen lassen sich für die klinische Prüfung von Arzneimitteln nur über Umwege erreichen. Zu berücksichtigen ist, dass das Entwicklungsrisiko, das gerade bei klinischen Prüfungen bedeutsam ist, nicht erfasst wird (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG). (a) Anwendbarkeit, § 15 ProdHG § 15 ProdHG statuiert den Vorrang des § 84 AMG als speziellere Regelung für Arzneimittel. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind folglich diejenigen Arzneimittel, die bereits der Haftung nach § 84 AMG unterliegen.1117 Ob dieses Exklusivitätsverhältnis mit Art. 13 der EG-Richtlinie zur Produkthaftung vereinbar ist, ist sehr fraglich und bezweifelt worden.1118 Da § 15 ProdHG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlich und seinem Wortlaut entsprechend anzuwenden ist, findet das ProdHG keine Anwendung für alle in § 84 AMG erwähnten Fälle.1119 Unzweifelhaft erfasst werden also solche Arzneimittel, die nicht der Zulassungspflicht unterliegen, wie etwa Tierarzneimittel und homöopathische Arzneimittel.1120 Ob unter das ProdHG aber auch diejenigen Arzneimittel fallen, die im Rahmen der klinischen Prüfung der Phasen I-III eingesetzt werden, also solche, für die § 84 AMG keine Anwendung findet, wird unterschiedlich gesehen. Ein großer Teil der Literatur bejaht die Anwendbarkeit und stützt sich im Wesentlichen auf die nicht 1116
BGH NJW 2008, 2994 (Vioxx) m. Anm. Deutsch. Vgl. nur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1365; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 587; Meyer, MedR 1990, 70, 71; Palandt/Sprau, § 15 ProdHG Rn. 2; Katzenmeier, JuS 2003, 943, 945 f.; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 191 a.E. 1118 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1365; Palandt/Sprau, § 15 ProdHG Rn. 2; Jenke, Haftung, S. 130 f.; ausf. hierzu Kullmann, ProdHG, § 15 Rn. 2 ff. m.w. Nachw. 1119 Vgl. Kullmann, ProdHG, § 15 Rn. 8. 1120 Vgl. nur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1527; Kullmann, ProdHG, § 15 Rn. 8; Kloesel/Cyran, § 84 Anm. 11. 1117
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eingreifende Exklusivität des § 15 ProdHG. Motivierend tritt die ungenügende Probandenversicherung hinzu: Der Versuchsteilnehmer soll nicht schlechter stehen als der Arzneimittelendverbraucher, dem ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Schmerzensgeld zusteht.1121 Diese Auffassung bereitet allerdings Bedenken. Zum einen widerspricht die Hineintragung einer Gefährdungshaftung in die klinische Prüfung bezogen auf die Testpräparate dem ursprünglichen Gedanken der Probandenversicherung. War es das Ziel, klinische Prüfungen aus dem Anwendungsbereich des § 84 herauszunehmen und stattdessen eine Versicherung eingreifen zu lassen, so kann nicht anderweitig eine Gefährdungshaftung, kumulativ zur Versicherung, eingreifen.1122 Weiterhin würde das ProdHG im Falle einerAnwendung auf die klinische Prüfung zu einer „vorläufigen Forschungsgefährdungshaftung auf Zeit“ umfunktioniert werden, weil nach Zulassung des Arzneimittels § 84 AMG eingreift.1123 Diese Diskrepanz ist jedoch nicht zu erklären. (b) Inverkehrbringen, § 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHG Doch selbst im Falle zu verneinender Spezialität dürfte es jedenfalls am erforderlichen Inverkehrbringen des Testpräparats fehlen. Die Ersatzpflicht ist nach § 1 Abs. Nr. 1 ProdHG ausgeschlossen, wenn das Produkt nicht in den Verkehr gebracht worden ist. Der Begriff des Inverkehrbringens wird nicht definiert.1124 Einigkeit besteht darüber, dass die anderweitig gegebenen Definitionen in Spezialgesetzen, insb. nach § 4 Abs. 17 AMG, deswegen nicht herangezogen werden können, weil sie anderen Zwecken als der Haftungsbegründung dienen.1125 Die überwiegende Auffassung versteht unter dem Begriff des Inverkehrbringens die willentliche Entledigung der tatsächlichen Herrschaft über das Produkt.1126 An einem Inverkehrbringen fehlt es jedoch, wenn ein Produkt etwa noch von Werksangehörigen oder einer Materialprüfungsanstalt getestet wird. Hintergrund dieser Annahme ist neben dem Wortlaut des „In-Verkehr-Bringens“ die Überlegung, dass derartige Erprobungen nicht durch 1121
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1365 u. 1527; Sander, § 40 Anm. 10c); Kreß, EthikKommissionen, S. 50 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 220 f.; Kullmann, ProdHG, § 15 Rn. 4; Osieka, Humanforschung, S. 362; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 247. 1122 Wie hier Voit, PatR 2004, 69, 72 f.; ders., PharmR 2005, 346, 349 f.; im Ergebnis auch Stock, Probandenschutz, S. 157 ff.; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139, 140 sind der Auffassung, dass die Spezialregelungen über die Versicherungspflicht (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 8, Abs. 3 AMG) speziellere Regelungen darstellen, sodass der Weg zum ProdHG nicht möglich ist (§ 15 ProdHG); ebenso Stock, Probandenschutz, S. 164; s.a. BSGE 95, 66 = MedR 2007, 59, 62 f. 1123 Ähnlich insoweit bereits Stock, Probandenschutz, S. 163. 1124 Der Gesetzgeber hielt eine Definition nicht für erforderlich, weil sich der Inhalt des Begriffs aus dem natürlichen Wortsinn ergeben soll, vgl. BT-Drs. 11/2447, S. 14; hierzu Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 29. 1125 Wie etwa die Möglichkeit zum behördlichen Einschreiten im Vorfeld, vgl. hierzu Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 29; Wagner, in: MüKo/BGB, § 1 ProdHG, Rn. 28. 1126 Vgl. Palandt/Sprau, § 1 ProdHG Rn. 14; Wagner, in: MüKo/BGB, § 1 ProdHG Rn. 26; Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 29.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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das Haftungsrecht erschwert werden sollen.1127 Dies ist auf die klinische Prüfung übertragbar1128 : Dadurch, dass das Prüfarzneimittel an den klinischen Prüfer zur Anwendung am Menschen übergeben wird, verliert der Hersteller nicht die Verfügungsgewalt über sein Produkt, sondern die Verfügungsgewalt wird nur durch einen (vertraglich) eingebundenen Dritten (weiter) ausgeübt.1129 In der Anwendung am Menschen ist ebenfalls kein Inverkehrbringen zu erblicken, weil es sich nicht um ein fertiges Produkt handelt, sondern das Produkt sich gerade noch in der Testphase befindet, die erst Aufschluss darüber geben soll, ob das Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden kann.1130 Ferner handelt es sich bei den Testpräparaten nicht um ein Inverkehrbringen „als Produkt“.1131 Dass die klinische Prüfung notwendigerweise am Patienten erfolgt, ist kein Grund dafür, ein Inverkehrbringen durch Testung zu bejahen. Gerade in der Testphase muss es auch erlaubt sein, vom Stand der Wissenschaft abweichen zu dürfen, ohne eine Fehlerhaftung zu befürchten.1132 (3) Ergebnis Für Studienteilnehmer der Phasen I-III, die mit dem Testpräparat behandelt werden, greift nur der verschuldensunabhängige Direktanspruch gegen die Probandenversicherung ein. Studienteilnehmer der Phase IV sowie diejenigen der Kontrollgruppe, in welcher das Standardpräparat verabreicht wird, können sowohl auf § 84 AMG als auch auf die Probandenversicherung zurückgreifen. Zwar stellen der Anspruch aus § 84 AMG und derjenige gegen die Probandenversicherung anderweitige Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB dar, doch ist der Anspruchsumfang nach § 84 AMG erheblich weiter als der Anspruch gegen die Probandenversicherung. Für Ethik-Kommissionen folgt hieraus, dass – mit Blick auf die verschuldensunabhängige Haftung – die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB für diejenigen Patienten/Probanden, die dem Entwicklungsrisiko ausgesetzt sind, nur in dem (geringen) Maße eingreift, wie auch die Probandenversicherung für entsprechende Schäden leisten würde. (4) Vertragliche Schadensersatzansprüche, §§ 280 Abs. 1, 311, 241 BGB Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. 1127
Vgl. Oechsel, in: Staudinger, § 1 ProdHG Rn. 52; Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 31 f.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 1 ProdHG Rn. 34; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 203. 1128 Ein Inverkehrbringen bejahen dagegen Lippert/Adler, VersR 1993, 278, 281; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 228 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 365. 1129 Vgl. Voit, PatR 2004, 69, 73; ders., PharmR 2005, 346, 350; ders., in: Dieners/Reese, § 13 Rn. 40; a.A. Lippert/Adler, VersR 1993, 278, 281; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 228 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 365. 1130 Vgl. Voit, PatR 2004, 69, 73; ders., PharmR 2005, 346, 350; Stock, Probandenschutz, S. 161; van der Sanden, Haftung, S. 170 f. 1131 Allg. zu diesem Erfordernis Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 35. 1132 In diesem Sinne Stock, Probandenschutz, S. 161.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Fraglich ist, ob der geschädigte Versuchteilnehmer vertragliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung geltend machen kann. Dies setzt das Bestehen eines vertraglichen Schuldverhältnisses nach Maßgabe des § 311 BGB voraus. Vertragliche Beziehungen werden idR mit dem behandelnden (Prüf-)Arzt und/oder mit der medizinischen Einrichtung bestehen. (a) Vertragliches Schuldverhältnis mit dem Sponsor der klinischen Prüfung Zu klären ist, ob daneben auch ein vertragliches Schuldverhältnis mit dem Sponsor in Betracht zu ziehen ist, sozusagen als akzessorisches „Anhangsverhältnis zum Behandlungsvertrag“, welches die versuchsweise Behandlung beinhaltet.1133 Dies kann freilich nur für Studien mit Therapiebezug gelten. Es muss also zwischen rein wissenschaftlichen Studien ohne therapeutischen Nutzen und solchen mit Therapiebezug unterschieden werden. Der Vertragsschluss vollzieht sich in beiden Fällen jedoch identisch. Nachfolgend soll zunächst vom Regelfall eines bestehenden Behandlungsvertrages ausgegangen werden. Anschließend sind die Besonderheiten beim rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben darzustellen. (aa) Abgrenzung zur Gefälligkeit Der Patient wird vom Prüfarzt grundsätzlich zur Teilnahme an einer klinischen Prüfung „eingeladen“. Ihm wird das Wesen, die Bedeutung, die Risiken und die Tragweite der klinischen Prüfung erläutert und eine allgemein verständliche Aufklärungsunterlage ausgehändigt, § 40 Abs. 2 S. 1 AMG. Willigt der Patient nach Aufklärung in die klinische Studie ein, hängt seine Teilnahme noch von der Erfüllung der im Prüfplan definierten Einschlusskriterien bzw. von der Nichterfüllung der jeweiligen Ausschlusskriterien ab.1134 Ein Vertrag kommt durch die Annahme des Angebots zustande, § 151 S. 1 1. Alt. BGB.1135 Aus der Überlegung, dass medizinische Forschungsvorhaben stets mit (unbekannten) Risiken und Nebenwirkungen belastet sind und der Schutz des Versuchsteilnehmers höchste Priorität besitzt, nimmt die ganz h. M. sowohl für rein wissenschaftliche Studien als auch für Studien mit Therapiebezug ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis und nicht nur eine Gefälligkeit oder eine sorgfaltspflichtenbegründende Sonderbeziehung an.1136 Eberbach hat die Willenserklärung auch anschaulich als eine Unterwerfungserklärung unter den Prüfplan qualifiziert.1137 Einem Rechtsbindungswillen kann nicht entgegenhalten werden, dass der Versuchsteilnehmer jederzeit die klinische Prüfung beenden 1133
Vgl. Deutsch, VersR 2005, 1609, 1611; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 275 u. 276. Hierzu Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 274. 1135 Vgl. Palandt/Ellenberger, Einf v § 145 Rn. 4; Petersen, Jura 2009, 183, 184. 1136 Vgl. Stock, Probandenschutz, S. 105; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 94 ff.; Eberbach, Humanforschung, S. 41 ff.; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 275; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 119; van der Sanden, Haftung, S. 139; ausf. jüngst Schneider, Neue Behandlungsmethoden, S. 53 ff. 1137 Eberbach, Humanforschung, S. 36. 1134
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kann (§ 40 Abs. 2 AMG)1138 , denn wie bei der herkömmlichen Heilbehandlung hat man Behandlungsabbruch und Beendigung des Arztvertrages strikt zu trennen.1139 Da die Eignung des potentiellen Versuchsteilnehmers einerseits Voraussetzung für den Einschluss in die klinische Prüfung ist, andererseits diese Eignung nur durch teils umfassende Voruntersuchungen festgestellt werden kann, wird der Vertrag unter der auflösenden Bedingung der Nichteignung geschlossen, § 158 Abs. 2 BGB.1140 (bb) Überblick über die Vertragspartner bei der Heilbehandlung Fraglich ist, wer Vertragspartner des Versuchsteilnehmers bei einer klinischen Prüfung ist.1141 Die vertragsrechtlichen Konstruktionen im Rahmen der klinischen Prüfung werden beim therapeutischen Versuch maßgeblich bestimmt von der Art und dem Ort der Heilbehandlung. Bei ambulanter Behandlung durch frei praktizierende Ärzte, die oftmals in Studien der Phase III und IV eingebunden sind1142 , kommt der Behandlungsvertrag mit dem Arzt selbst zustande.1143 Vollzieht sich die ambulante Behandlung in einem Krankenhaus, so entsteht ein Behandlungsvertrag idR mit dem Klinikträger. Die Ärzte sind Erfüllungsgehilfen, für die der Träger einzustehen hat.1144 Anders liegt es dann, wenn ein (Chef-)Arzt die Ambulanz als Nebentätigkeit betreibt. In diesem Fall bestehen vertragliche Beziehungen ausschließlich mit ihm.1145 Erfolgt die Behandlung – und konsequenterweise auch die klinische Prüfung – stationär im Krankenhaus, so kommt es darauf an, welcher von den drei typischen Gestaltungsformen vorliegt.1146 Bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag verpflichtet sich der Krankenhausträger, alle für die stationäre Behandlung erforderliche Leistungen einschließlich der gesamten ärztlichen Versorgung zu erbringen. Der Patient tritt allein zum Krankenhausträger in vertragliche Beziehung.1147 Liegt ein totaler Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag 1138
Zu diesem Themenkreis Deutsch, VersR 2005, 1609, 1612 f.; Lippert, VersR 1997, 545, 549; ders., VersR 2001, 432, 433 ff. 1139 Zu diesem Gesichtspunkt Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 275; hierzu auch Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 120; allg. dazu Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 58 Rn. 1. 1140 Eine aufschiebende Bedingung erscheint unabgebracht; näheres hierzu bei Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 276. 1141 Dazu neuerdings OLG München, juris, Urt. v. 26.11.2009, Az. 1 U 2283/09, Rn. 39 1142 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1307. 1143 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 79 ff.; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 67 ff.; Broglie, in: Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 710. 1144 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 84. 1145 Vgl. hierzu BGHZ 100, 363, 367 f.; NJW-RR 2006, 811, 812; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 84; Müller-Glöge, in: MüKo/BGB, § 611 Rn. 106. 1146 Die Rechtsbeziehung zwischen dem Patienten und dem Krankenhaus ist auch dann zivilrechtlich zu beurteilen, wenn das Krankenhaus öffentlich-rechtlich betrieben wird, vgl. Müller-Glöge, in: MüKo/BGB, § 611 Rn. 107. Dies gilt folglich auch für die klinische Prüfung, vgl. Deutsch, VersR 2005, 1609. 1147 Vgl. OLG Brandenburg, VersR 2004, 1050, 1051; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 651; Müller-Glöge, in: MüKo/BGB, § 611 Rn. 109; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 85; Broglie,
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vor, so schließt der Patient, idR mit dem Chefarzt, einen zusätzlichen Arztvertrag ab, der den Arzt zur persönlichen Behandlung des Patienten verpflichtet und ihn zur Eigenliquidation berechtigt. Der Patient erhält dadurch zwei Schuldner, was eine gesamtschuldnerische Haftung nach sich zieht.1148 Im Interesse des Patienten nimmt der BGH diese Gestaltungsform als Regelfall an.1149 Anders liegt es bei einem sog. gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag. Der Krankenhausträger schuldet dem Patienten die Krankenhausversorgung. Diese umfasst die pflegerischen und untergeordneten medizinischen Tätigkeiten. Der Behandlungsvertrag kommt dagegen mit dem selbstliquidierenden Arzt zustande.1150 Für die Durchführung klinischer Prüfungen kann zunächst nichts anderes gelten, sodass trotz Teilnahme an einem klinischen Forschungsvorhaben vertragliche Beziehungen zum Krankenhaus und/oder zum (Prüf-)Arzt je nach Art (stationär/ambulant) und Ort (Arztpraxis/Krankenhaus) der Heilbehandlung bestehen. (cc) Hinzutreten des Sponsors bei klinischen Forschungsvorhaben Der Sponsor trägt nach § 4 Abs. 24 AMG die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung der klinischen Prüfung. Den Hauptfall bildet die Drittmittelforschung an Universitätskliniken. Der Sponsor schließt mit den einzelnen Prüfern sog. Prüfarztverträge.1151 Daneben wird ein Vertrag mit der medizinischen Einrichtung geschlossen.1152 Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Verträge variieren. Neben den Vereinbarungen über die Honorarzahlungen wird die Durchführung der Studie gemäß dem erarbeiteten Prüfplan vereinbart und eine Einigung über die zur Verfügung zu stellenden medizinischen Einrichtungen und das ärztliche Personal getroffen.1153 Die Einflussnahme des Sponsors auf die Behandlung der Patienten ist richtungweisend: Das wesentliche Kennzeichen bei der klinischen Prüfung ist, dass die gesamte Behandlung des Patienten sich gemäß dem Prüfplan vollzieht1154 und nur durch die Mitwirkung des Sponsors der Patient die Möglichkeit einer
in: Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 713; Gehrlein, in: Laufs/Uhlenbruck, § 93 Rn. 3 m.w. Nachw.; ders., VersR 2004, 1488, 1490. 1148 Hierzu im Einzelnen BGH NJW 2006, 811, 812; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 657 ff.; Gehrlein, in: Laufs/Uhlenbruck, § 93 Rn. 6 ff.; Pflüger, Krankenhaushaftung, S. 33 f. 1149 Vgl. BGHZ 95, 63, 68; NJW 1998, 1778, 1779. 1150 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 90; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 662 ff.; Gehrlein, in: Laufs/Uhlenbruck, § 93 Rn. 4 f.; Müller-Glöge, in: MüKo/BGB, § 611 Rn. 110; Pflüger, Krankenhaushaftung, S. 34; Broglie, in: Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, Rn. 715. 1151 Vgl. ausf. Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 462 ff.; zu einzelnen Vertragskonstellationen Lippert, VersR 1997, 545, 547; ders., GesR 2008, 120, 121. 1152 Hierzu im Einzelnen Lippert, VersR 1997, 545, 547; ders., NJW 1992, 2338. 1153 Vgl. Lippert, NJW 1992, 2338. 1154 Dies ist deswegen zwingend notwendig, weil nur im Falle gleicher Bedingungen aussagekräftige Rückschlüsse auf die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit der Behandlung möglich sind.
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neuartigen Therapie bekommt; m. a. W.: Dass der Patient so behandelt wird, wie er behandelt wird, geht auf den Prüfplan des Sponsors zurück, deren Vollzug er durch privatrechtlichen Vertrag delegiert und unter den sich der Patient unterwirft.1155 Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob nicht ein Vertrag mit dem Sponsor der klinischen Prüfung zustande kommt. Dies wäre nur dann möglich, wenn das Angebot des Prüfarztes an seinen Patienten zur Studienteilnahme und dessen ihm gegenüber erklärte Annahme des Angebots nach § 164 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB unmittelbar für und gegen den Sponsor der klinischen Prüfung wirkt. Bedenken hiergegen resultieren lediglich aus dem Offenkundigkeitsprinzip. Geht aus den Aufklärungsunterlagen und/oder demAufklärungsgespräch hervor, dass die klinische Prüfung imAuftrag des Sponsors durchgeführt wird, so wird nach außen hinreichend deutlich, dass der Prüfarzt im Namen des Sponsors handelt und sich die Behandlung an dem vom Sponsor in Auftrag gegebenen Prüfplan vollziehen soll.1156 Ermangelt es an der Offenkundigkeit, so greifen jedenfalls die Grundsätze zum unternehmensbezogenem Geschäft nicht ein, weil der Unternehmensbezug aus den Umständen nicht hervortritt.1157 Die fehlende Offenkundigkeit kann jedoch über die Grundsätze des „Geschäfts für den, den es angeht“, überwunden werden. Kennzeichen dieser Ausnahme von der Offenkundigkeit der Stellvertretung ist, dass der Handelnde nicht zu erkennen gibt, ob er für sich oder einen anderen handelt, es dem Geschäftsgegner aber gleichgültig ist, mit wem das Geschäft zustande kommt. In diesem Falle treffen die rechtlichen Wirkungen der Willenerklärung den verdeckt gebliebenen Hintermann.1158 Abgesehen davon, dass kein Fall fehlender Liquidität vorliegt, die Schutzfunktion des Offenkundigkeitsprinzips also nicht eingreift1159 , kommt es für den potentiellen Versuchsteilnehmer nicht auf den finanzierenden und organisierenden Sponsor, sondern vielmehr auf die Erlangung der neuartigen Behandlung an.1160 Die Vertretungsmacht des Prüfers ergibt sich aus der vertraglichen Beauftragung mit der Durchführung der klinischen Prüfung, also dem Prüfarztvertrag. Der Prüfer fungiert als Doppelvertreter: Er kann im Rahmen der üblichen Heilbehandlung die medizinische Einrichtung vertreten, zugleich vertritt er den Sponsor der klinischen Prüfung, wenn sich die
1155 Zur Willenserklärung des Versuchsteilnehmers als „Unterwerfungserklärung“ Eberbach, Humanforschung, S. 36. 1156 Maßgeblich ist nach §§ 133, 157 BGB, wie der Empfänger die Willenserklärung des Vertreters nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte; vgl. BGHZ 36,30, 33; 128, 173, 175; HK-BGB/Dörner, § 164 Rn. 5; wie hier Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 279; Stock, Probandenschutz, S. 107 u. S. 143 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 59 f. 1157 Etwas anderes gilt dann, wenn die Prüfung in einer vom Sponsor betriebenen Einrichtung durchgeführt wird, ebenso Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 59 f.; Stock, Probandenschutz, S. 144. 1158 Vgl. Brox, BGB AT, Rn. 526; Schramm, in: MüKo/BGB, § 164 Rn. 47; Larenz/Wolf, BGB AT, § 46 Rn. 37 ff.; Medicus/Petersen, BR, Rn. 90. 1159 Hierzu Larenz/Wolf, BGB AT, § 46 Rn. 44. 1160 In diesem Sinne bereits Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 279 f.; s.a. Graf, KliFoRe 2006, 136, 137 f.
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Behandlung des Patienten nach seinem Prüfplan vollziehen soll.1161 Es ist also auch ein (Studien-)Vertrag mit dem Sponsor in Betracht zu ziehen.1162 (dd) Verhältnis zur Heilbehandlung und Vertragstyp Aufgrund seiner Besonderheiten und Einzelfallabhängigkeiten lässt sich der Studienvertrag1163 unter keinen anerkannten Vertragstypus des BGB subsumieren. Die h. M. nimmt einen gegenseitigen1164 Vertrag sui generis an, auf den lediglich die allgemeinen Regeln des Schuldrechts Anwendung finden.1165 Fraglich ist, ob sich der Studienvertrag als abgrenzbarer Teil des Behandlungsvertrages darstellen lässt, also ein zweiter Vertrag geschlossen wird, oder aber, ob ein einheitliches Schuldverhältnis anzunehmen ist. Die Annahme eines Zusatzvertrages bereitet Bedenken, weil sich eine Abgrenzung zum Behandlungsvertrag nicht vollziehen lässt. Zwar wird das übliche Pflichtengefüge aus dem Behandlungsvertrag beibehalten. Die Besonderheiten, die sich aus der schematischen und versuchsweisen Behandlung ergeben, insbesondere der vordergründige Zweck, nicht gemäß dem Stand der Wissenschaft, sondern fortschrittlicher zu behandeln, und sich zugleich von der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels zu überzeugen, schlagen unweigerlich durch auf Art und Umfang der ärztlichen Leistung und mithin auch auf das Behandlungsverhältnis. Die gesteigerten Pflichten im Unsicherheitsbereich und das gleichzeitige Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis verlangt ein kooperativ abgestimmtes Vorgehen von medizinischer Einrichtung, Prüfern und Sponsoren. Pflichten treffen dabei jedoch nicht nur die Behandlungsseite, sondern auch den Versuchsteilnehmer, der zur Einhaltung des Prüfplans und zur Mitwirkung am Forschungsvorhaben verpflichtet ist.1166 Eine Trennung von prüfplankonformer und außerhalb des Prüfplans liegender Behandlung lässt sich nicht durchführen, weil dem Patienten gegenüber eine einheitliche koordinierte medizinische Leistung erbracht 1161
Vgl. Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 280. Einen Vertrag mit dem Sponsor ziehen auch in Betracht Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 279 f.; Voit, PharmR 2005, 346, 350 m.w. Nachw.; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139; Deutsch, VersR 2005, 1609 u. 1611; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 42 a.E.; vor der 12. AMG-Novelle Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 150; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 169 f.; Stock, Probandenschutz, S. 107 u. 143 f.; a.A. van der Sanden, Haftung, S. 164 f. 1163 Der Begriff des Probandenvertrags ist für diejenigen Studienkonstellationen zu verwenden, in denen das Forschungsvorhaben nicht mit einschlägig kranken Forschungsteilnehmern durchgeführt wird. Der Studienvertrag erfasst die Forschung an Patienten; vgl. zur Terminologie Gödicke, Formularerklärungen, S. 35. 1164 Zur Gegenseitigkeit vgl. Deutsch, VersR 2005, 1609; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 272, 278. 1165 Vgl. Deutsch, VersR 2005, 1609; ausf. Eberbach, Humanforschung, S. 60 ff.; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 120; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 278; a.A. Lippert, VersR 2001, 432, 433: Gemischttypischer Vertrag mit Elementen des Dienstvertragsrechts. 1166 Es besteht etwa dieVerpflichtung, die Wahrheit über den Gesundheitszustand zu sagen, damit die Ergebnisse der Studie nicht verfälscht werden; vgl. hierzu Graf, KliFoRe 2006, 136, 142; Deutsch, VersR 2005, 1609, 1611; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 169; s.a. Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139; ausführlich zu den Pflichten eines Probanden und zu korrespondierenden Schadensersatzansprüchen Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 277 f. 1162
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wird. Die Studienvertrags- und Behandlungsvertragselemente ergänzen sich zu einem einheitlichen vertraglichen Schuldverhältnis.1167 Als Schuldner kommen je nach Sachlage die medizinische Einrichtung, der Prüfer und/oder der Sponsor in Betracht. Im Hinblick auf die Verletzung solcher Pflichten, die gemeinschaftlich erfüllt werden, kann eine gesamtschuldnerische Haftung bestehen. Der Innenausgleich hängt dann von den vertraglich vereinbarten Verantwortungen ab.1168 Ein Übernahmeverschulden, ein Organisationsverschulden sowie ein Auswahlverschulden können etwa die medizinische Einrichtung und den Sponsor gleichermaßen treffen.1169 (b) Pflichtverletzungen Trägt der Sponsor die Gesamtverantwortung für die klinische Prüfung (§ 4 Abs. 24 AMG), so hat er die klinische Prüfung so zu planen, dass die Gewinnung wissenschaftlich verwertbarer Aussagen gewährleistet und zugleich unnötige Risiken für den Versuchsteilnehmer vermieden werden. Von besonderer Bedeutung sind die (gesetzlichen) Nebenleistungs- und Schutzpflichten, die aus dem Vertragverhältnis zum Sponsor resultieren. Nebenleistungspflichten können sowohl unter § 241 Abs. 1 BGB als auch unter § 241Abs. 2 BGB fallen. Unter § 241Abs. 1 fallen leistungsbegleitende Pflichten, die der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Hauptleistung dienen.1170 Nichtleistungsbezogene Integritätsschutzpflichten fallen unter § 241 Abs. 2 BGB. Ihr Zweck besteht in der Sicherung des status quo durch Rücksichtnahme.1171 Für die Abgrenzung ist nach wertender Betrachtung nach dem verletzten Interesse zu fragen: Schutz- und Rücksichtnahmepflichten schützen das Integritätsinteresse, Nebenleistungspflichten das Leistungsinteresse.1172 Die §§ 40 ff. AMG fungieren (auch), je nach verletztem Interesse, als gesetzliche Nebenleistungs- und Schutzpflichten, die sich in erster Linie an den Sponsor der klinischen Prüfung richten. Derartigen Pflichten liegt der Gedanke zugrunde, dass in bestimmten Fällen, insbesondere bei Verbraucherverträgen1173 , Schutzvorschriften zur Gewährleistung eines 1167 Im Sinne einer Erweiterung mit modifizierendem Inhalt des Behandlungsvertrages Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 279; Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 120; van der Sanden, Haftung, S. 141 f.; ähnlich Deutsch, VersR 2005, 1609, 1611 („Anhangsverhältnis zum Behandlungsvertrag“); a.A. und für eine strikte Trennung Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 43 a.E.; Kratz, VersR 2007, 1448, 1450. 1168 Hierzu auch Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 279 f.; ähnlich Deutsch, VersR 2005, 1609: „Falls Sponsor, Arzt oder Krankenhaus ihre Pflichten zur sorgfältigen Behandlung verletzen, kann Schadensersatz nach § 280 BGB gefordert werden“. 1169 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 148. 1170 Vgl. Kramer, in: MüKo/BGB, § 241 Rn. 16 ff.; Olzen, in: Staudinger, § 241 Rn. 147 ff.; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 5 f. 1171 Vgl. Kramer, in: MüKo/BGB, § 241 Rn. 19; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 6. 1172 Einzelheiten hierzu bei Kramer, in: MüKo/BGB, § 241 Rn. 19; Olzen, in: Staudinger, § 241 Rn. 161; HK-BGB/Schulze, § 241 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, § 241 Rn. 5 f. 1173 Zum verbraucherähnlichen Charakter des Arzt-Patienten-Verhältnisses Damm, in: Liber amicorum Eike Schmidt, S. 73 ff.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Mindeststandards unentbehrlich sind.1174 Führt der Sponsor eine klinische Prüfung durch, die nicht den §§ 40 ff. AMG entspricht, ist er dem geschädigten Versuchteilnehmer folglich zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet, §§ 280 Abs. 1, 241 BGB.1175 Damit kommt es – wie im Übrigen auch bei § 823 Abs. 2 BGB – zu einer Parallelisierung des Pflichtengefüges von Sponsor und Ethik-Kommission. (c) Verschulden, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB Dem Wortlaut nach wird das Verschulden bei vertraglichen Pflichtverletzungen vermutet, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Überaus unklar und umstritten ist das Verhältnis der Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB zum vermuteten Verschulden (S. 2); genauer: das Verhältnis der Pflicht zur Sorgfalt.1176 Richtigerweise wird man, um die Kategorie der Pflichtverletzung und die Zurechnung beibehalten und ihnen jeweils eine selbstständige Funktion zuschreiben zu können, die Unterscheidung zwischen der äußeren und der inneren Sorgfalt anzuwenden haben1177 , wie dies auch der BGH für die Fälle der verletzten Verkehrssicherungspflicht teilweise getan hat1178 und gerade bei verstärkt verhaltensbezogenen Pflichten angemessen erscheint. Die äußere Sorgfalt besteht im sachgemäßen Verhalten, die man als Verhaltensprogramm zur Pflicht zu zählen hat. Die innere Sorgfalt, die in einem intellektuell-emotionalen Vorgang besteht, richtet sich auf die Erkenntnis der Norm und ihrer Tatbestandsmerkmale. Lässt sich von der Verletzung der äußeren Sorgfalt auf die Verletzung der inneren Sorgfalt schließen, so lässt sich auch die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB erklären.1179 Im hiesigen Kontext bedeutet dies, dass das Verschulden des Sponsors bei Verstoß gegen die gesetzlichen Nebenleistungs- und Schutzpflichten der §§ 40 ff. AMG vermutet wird, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Vorzugswürdig ist eine solche Sichtweise deshalb, weil durch ein solches Verständnis die Anbindung des Vertragsrechts an die Haftung aus Verkehrssicherungspflichtverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) und Schutzgesetzverletzung (§ 823 Abs. 2 BGB) erreicht wird. Noch näher zu erörtern bleibt, ob der Sponsor sich mit dem Verweis auf das positive Ethik-Kommissionsvotum entlasten kann, er also trotz Verstoßes gegen das Verhaltensprogramm innerlich sorgfältig gehandelt hat.1180 1174
Vgl. Olzen, in: Staudinger, § 241 Rn. 162 f. Wie hier bereits Kollhosser, MedR 1983, 201, 206; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 276 f. 1176 Vgl. Deutsch, JZ 2002, 588 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 164 ff.; Spickhoff, NJW 2002, 2530 ff.; Spindler/Rickers, JuS 2004, 272 ff.; Ahrens, in: Lorenz, Karlsruher Forum, S. 7, 41 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 491 ff.; ders., VersR 2002, 1066 ff.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 169; Rehborn, MDR 2002, 1281 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 339 ff. 1177 So Deutsch, JZ 2002, 588, 591; s.a. Spickhoff, in: Lorenz, Karlsruher Forum, S. 163, 164. 1178 Vgl. BGH NJW 1986, 2757, 2758; NJW 1994, 2232, 2233; KG Berlin, VersR 2005, 1251,1253; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 1251, 1252. 1179 Zur Unterscheidung von äußerer und innerer Sorgfalt Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 385, 387 f.; ders., JZ 1988, 993, 995; ders., Fahrlässigkeit, S. 468 ff.; ders., JZ 2002, 588, 591; ders., in: FS Medicus, S. 77, 84 f.; ders., AcP 202 (2002), 889, 903 f.; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 135 ff. 1180 Unten, § 5 B.II.10.d. 1175
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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(d) Verantwortlichkeit des Sponsors für Prüfärzte nach § 278 BGB Prüfärzte, die die klinische Prüfung im Auftrag des Sponsors durchführen, sind Erfüllungsgehilfen des Sponsors iSd § 278 BGB. Der Sponsor haftet folglich gegenüber dem Versuchsteilnehmer im Falle eines schuldhaften Fehlverhaltens seiner Prüfer über §§ 280, 278 BGB.1181 (e) Besonderheiten bei rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben Bei rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben stellt sich der Proband ausschließlich dem forschenden Arzt/Sponsor zur Verfügung. Die medizinische Forschung dient nicht seiner ärztlichen Behandlung.1182 Die h. M. nimmt bei rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben einen Vertragsschluss zu einem Probandenvertrag an, der als Vertrag sui generis eingestuft wird.1183 Dieser kommt mit dem Sponsor der klinischen Prüfung zustande. Die aus diesem Vertragsverhältnis resultierenden gesetzlichen Nebenleistungs- und Schutzpflichten (§§ 40 ff. AMG) entfalten in gleicher Weise Wirkung wie beim therapiebezogenem Forschungsvorhaben.1184 Bei der Drittmittelforschung werden idR auch vertragliche Beziehungen zur Forschungseinrichtung bestehen, weil sie die medizinischen Geräte und das sonstige Personal zur Verfügung stellt.1185 (f) Konsequenzen Dem geschädigten Versuchsteilnehmer stehen, gleichgültig ob er Teilnehmer einer rein wissenschaftlichen Studie oder eines therapeutischen Forschungsvorhabens ist, vertragliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Sponsor zu, §§ 280, 311, 241 BGB. Die Vertragspflichten werden konkretisiert durch die §§ 40 ff AMG, die als gesetzliche Nebenleistungs- und Schutzpflichten anzusehen sind, sodass Amtspflichtverletzungen durch Ethik-Kommissionsmitglieder stets einhergehen mit Vertragspflichtverletzungen des Sponsors der klinischen Prüfung. (5) Ansprüche aus unerlaubter Handlung, § 823 Abs. 1 BGB Neben vertraglichen Ansprüchen kommen auch Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB gegen den Sponsor der klinischen Prüfung in Betracht1186 , die eine anderweitige 1181
Ebenso Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 280; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 170. 1182 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 42; Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 280; Kratz, VersR 2007, 1448, 1449 f. 1183 Eingehend dazu Eberbach, Humanforschung, S. 27 ff.; ferner Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 280; Deutsch, VersR 2005, 1609 f.; Stock, Probandenschutz, S. 107; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 58 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 42. 1184 Vgl. Ehling/Vogeler, MedR 2008, 273, 280. 1185 Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 143. 1186 Es herrscht freie Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen, vgl. nur Palandt/Sprau, Einf v § 823 Rn. 5; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 82.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Ersatzmöglichkeit iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB darstellen. Auch diejenigen Studienteilnehmer, die bereits in den Anwendungsbereich des § 84 AMG fallen, können ihren erlittenen Gesundheitsschaden unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen, § 91 AMG.1187 Nachfolgend besonders zu erörtern sind die allgemeinen und produktbezogenen Verkehrssicherungspflichten sowie die Aufsichtsund Organisationspflichten des Sponsors. (a) Allgemeine Verkehrssicherungspflichtverletzungen Der Sponsor der klinischen Prüfung führt nicht in persona die Rechtsgutsverletzung des Versuchsteilnehmers herbei, sondern durch idR prüfplankonform arbeitende Prüfärzte. Für ihr Fehlverhalten kann er nach §§ 278, 831 BGB einstandspflichtig sein. Der an seinen Rechtsgütern verletzte Versuchsteilnehmer kann seinen Schaden aber auch auf eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zurückführen. Ihnen liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der eine Gefahr für andere schafft oder unterhält, verpflichtet ist, alle geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Verwirklichung der Gefahr zu verhindern.1188 Auch eine Arzneimittelstudie – bzw. allgemeiner: ein medizinisches Forschungsvorhaben – schafft eine (unüberblickbare) Gefahrenquelle, die zu Maßnahmen zur Eindämmung und Geringhaltung über Sicherheitsvorkehrungen aufruft.1189 Trifft den Sponsor der klinischen Prüfung die allgemeine Pflicht, dafür zu sorgen, dass die größtmögliche medizinische Sorgfalt bei der Durchführung der klinischen Prüfung an den Tag gelegt wird1190 , so kommt der Verkehrssicherungspflichtverletzung die Funktion einer „Fast-Generalklausel für Sicherungsnachlässigkeiten“1191 zu. Nach Fischer und Stock soll der Sponsor dort, wo er auf den Ablauf der Prüfung eine mögliche und zumutbare Einflussmöglichkeit hat, zur Sicherung der Probanden verpflichtet sein, etwa durch geeignete Sicherungsmaßnahmen und Informationen.1192 Zur Einzelfallkonturierung erforderlicher und zumutbarer Maßnahmen zur Gefahreindämmung sind im vorliegenden Kontext vor allem einzuhaltende technische Standards1193 heranzuziehen, die für die klinische Prüfung insbesondere in den §§ 40 ff. AMG niedergelegt sind, sich direkt an den 1187
Zum Verhältnis von § 84 AMG und § 823 BGB vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1514 ff.; Rehmann, § 91 Rn. 1 ff.; Jenke, Haftung, S. 108; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 219 f. 1188 Vgl. nur BGHZ 121, 367, 375; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 106 f.; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 330; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 46; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 235 ff. m.w. Nachw. 1189 Vgl. Deutsch, MedR 1995, 483, 484; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 330. Ob man die Verkehrssicherungspflichten zur Begründung einer Erfolgsabwendungspflicht im Falle eines „Unterlassens“ oder zum Rechtswidrigkeitszusammenhang bei mittelbaren Verletzungshandlungen heranzieht, ist in der vorliegenden Konstellation nicht von Bedeutung; allg. dazu Medicus/Petersen, BR, Rn. 642 ff.; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 61 ff. 1190 So Deutsch, VersR 2005, 1609, 1611; ebenso Stock, Probandenschutz, S. 146. 1191 Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 329; hierzu auch Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 136. 1192 Fischer, Medizinische Versuche, S. 101 f.; Stock, Probandenschutz, S. 144 f.; jeweils zur Rechtslage vor der 12. AMG-Novelle. 1193 Allg. dazu Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 333.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Sponsor der klinischen Prüfung richten und Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von Gefahrabwendungs- und -eindämmungsmaßnahmen speziell festlegen.
(b) Herstellerspezifische und initiierungsspezifische Verkehrssicherungspflichten Soweit der Sponsor zugleich der industrielle Hersteller des Arzneimittels ist, könnten ihn herstellerspezifische Verkehrssicherungspflichten1194 treffen. Die allgemeine Produzentenhaftung beruht auf dem Gedanken, dass derjenige, der ein Produkt herstellt und es anderen überlässt, d. h. in den Verkehr bringt, die aus dem Produkt drohenden Gefahren für andere nach Möglichkeit gering zu halten hat.1195 Unstreitig findet die allgemeine Produzentenhaftung Anwendung auf zugelassene und in den Verkehr gebrachte Arzneimittel. Hat der Hersteller das Arzneimittel nicht mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bezüglich Wirksamkeit, Neben- und Wechselwirkungen entwickelt (Entwicklung- bzw. Konstruktionsfehler), oder ist im Rahmen des Herstellungsprozesses nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen worden, etwa durch Verwendung chemisch unreiner Substanzen (Fabrikationsfehler), oder wurden nicht die notwendigen und/oder richtigen Hinweise zur gefahrlosen Arzneimittelanwendung gegeben (Instruktionsfehler), oder wurde das in den Verkehr gebrachte Arzneimittel nicht hinreichend auf schädliche Eigenschaften fortlaufend beobachtet (Produktbeobachtungsfehler)1196 , so haftet der Hersteller nach § 823Abs. 1 BGB grundsätzlich aus (vermutetem) Verschulden.1197 Die überwiegende Auffassung transferiert die Grundsätze der allgemeinen Produzentenhaftung auch in den Bereich der Arzneimittelprüfung. Dass der Herstellungsprozess nicht abgeschlossen sei, bzw. ein Inverkehrbringen des Arzneimittels grundsätzlich (noch) nicht vorliege, sei unschädlich, weil der Hersteller auch im Entwicklungs- und Erprobungsstadium die höchstmögliche Sorgfalt zu gewährleisten habe. Die Fehlerkategorien der Produzentenhaftung werden von dieser Auffassung in enger Anlehnung an die §§ 40 ff. AMG ausgelegt und präzisiert.1198 Unter Konstruktions- und Entwicklungsfehlern sollen etwa nicht ausreichende pharmakologisch-toxikologische Prüfungen des Arzneimittels vor der Anwendung am Menschen (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG) oder ein nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechender Prüfplan (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG) fallen, jeweils konkretisiert durch die Arzneimittelprüfrichtlinien. Unter den Instruktionsfehler soll
1194
Grdl. BGHZ 51, 91 = JZ 1969, 387 m. Anm. Deutsch. Vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 650; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 245; Jenke, Haftung, S. 109. 1196 Vgl. zur Gefahrabwendungspflicht des Herstellers von Produkten mit Sicherheitsmängeln jüngst BGHZ 179, 157 (Pflegebetten), bes. Rn. 10-13. 1197 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1517 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 371 ff.; Jenke, Haftung, S. 111 ff. 1198 So etwa Stock, Probandenschutz, S. 145 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 136 ff., bes. S. 142 ff.; dem folgend auch van der Sanden, Haftung, S. 166 ff.; anders aber Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 149 f. 1195
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
vor allem die unzureichende Prüferinformationen fallen (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG).1199 Uneingeschränkte Zustimmung verdient diese Auffassung dahingehend, dass auch im Bereich der klinischen Prüfung Verkehrssicherungspflichten bestehen. Wird mit Recht das höchste Maß an Sicherheit postuliert, so treffen den Hersteller auch und gerade in der Testphase am Menschen gesteigerte Verkehrssicherungspflichten. Der Haftungsgrund der allgemeinen Produzentenhaftung liegt jedoch im Inverkehrbringen eines fehlerbehafteten Produkts.1200 Beide Haftungsvoraussetzungen sind untrennbar miteinander verbunden: Will das Produkt fehlerfrei sein, so muss es hinsichtlich Konstruktion, Fabrikation und Instruktion zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens diejenige Sicherheit bieten, die die Allgemeinheit nach der Verkehrsauffassung in dem entsprechenden Bereich für erforderlich hält.1201 Nun fällt es aber schwer, die klinische Prüfung den Fehlerkategorien der Produzentenhaftung zu unterwerfen. Zu berücksichtigen ist, dass die klinische Prüfung gerade dazu dient, durch die Testung am Menschen Fehler aufzudecken oder die Fehlerfreiheit zu bestätigen, wie dies § 4 Abs. 23 AMG anschaulich zum Ausdruck bringt. Es geht anders gewendet darum, in der Testphase zu prüfen, ob das Arzneimittel den berechtigten Erwartungen im Falle des Inverkehrbringens standhalten wird oder anzupassen ist. Die klinische Prüfung stellt einen notwendigen Kompromiss zwischen Gefährdung der Testperson und Schutz des Endverbrauchers dar. Ist der Arzneimittelendverbraucher vor Entwicklungs- und Konstruktionsfehlern durch umfassende klinische Prüfungen zu schützen, so können dieselben Fehlerkategorien aber nicht für die Testpersonen Anwendung finden. Dies folgt zum einen bereits aus dem Schutze der Testperson selbst, denn eine nur an Fehlern orientierte Haftung berücksichtigt nicht, dass der Maßstab der Verkehrssicherungspflichten gesteigert und deswegen fehlerunabhängig zu bestimmen ist. Zum anderen existieren „Forschungsstandards“, die die einzuhaltenden Sicherungspflichten geeigneter und fehlerunabhängig konkretisieren und sich an die Studienkonzeption wenden. Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass klinische Prüfungen auf der einen Seite geeignet sein müssen, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachzuweisen sowie etwaige Neben- und Wechselwirkungen aufzudecken, auf der anderen Seite aber ein umfassender Patienten-/Probandenschutz gewährleistet werden muss. Hervorzuheben sind diesbezüglich die §§ 40 ff. AMG und zu nennen etwa das Vorgehen in den verschiedenen Prüfphasen oder die gestaffelte Dosiserhöhung bis zur maximal wirksamen Dosierung. Arzneimittelprüfungsstandards sind viel differenzierter und umfassender, als dass man sie stets einer Fehlerkategorie zuordnen könnte. Auch treffen Studienkonzeptionsmängel einen Sponsor unabhängig von seiner Stellung als Hersteller. Vorrangig bei der Bestimmung etwaiger Verkehrssicherungspflichten des Sponsors der klinischen Prüfung sind demzufolge die 1199
Weitere Einzelheiten bei Stock, Probandenschutz, S. 146 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 142 ff. 1200 Vgl. nur Palandt/Sprau, § 823 Rn. 166. 1201 Der Fehlerbegriff der deliktischen Produzentenhaftung und des § 3 ProdHG sind insoweit deckungsgleich, vgl. Wagner, in: MüKo/BGB, § 3 ProdHG Rn. 3; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 166, § 3 ProdHG Rn. 2 f.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Forschungsstandards heranzuziehen. Man sollte vor diesem Hintergrund nicht von produzenten- oder herstellerspezifischen Verkehrssicherungspflichten sondern von Sicherungspflichten aufgrund Forschungsinitiierung sprechen, um die Herstellerund Produktfehlerunabhängigkeit bei der Arzneimittelprüfung zu betonen. Inwieweit daneben ein Rückgriff auf die allgemeine Produzentenhaftung möglich und hilfreich ist, wenn ein Arzneimittelhersteller die klinische Prüfung initiiert, erscheint fraglich. Produzentenspezifische Verkehrssicherungspflichten dürften sich jedenfalls auf den Herstellerbereich beschränken und Fehler in der Entwicklung und Herstellung betreffen1202 ; für die Testphase am Menschen greifen nach hier vertretener Auffassung unabhängig von der Herstellereigenschaft spezifische Sicherungspflichten aus Initiierung ein, die sich an den Forschungsstandards orientieren. So kommt es auch im Rahmen der Verkehrsicherungspflichten des Sponsors zu einer Parallelisierung des Pflichtengefüges mit der Ethik-Kommission1203 , wobei zu berücksichtigen ist, dass eine identische Deckungsgleichheit insoweit nicht besteht, als deliktische Verkehrssicherungspflichten nicht abschließend durch öffentlich-rechtliche Sicherheitsstandards festgelegt werden.1204 (c) Aufsichts- und Organisationspflichtverletzungen („Monitoring“) Den Sponsor der klinischen Prüfung treffen gesteigerte Aufsichts-, Organisationsund Überwachungspflichten. Die Tatsache, dass er die konkrete Durchführung der Prüfung am Menschen anderen überlässt, entlasten ihn nicht. Überträgt er einzelne ihm obliegende Verkehrssicherungspflichten auf Dritte, etwa den Prüfärzten oder den Leiter der klinischen Prüfung, so wirken seine Verkehrssicherungspflichten als Organisationspflichten fort.1205 In der Praxis geschieht dies durch die Einsetzung sog. Monitore, auch Monitoring klinischer Prüfungen genannt, dessen Procedere genauer in der ICH/GCP-Leitlinie beschrieben ist. Der Monitor handelt als „wichtigstes Bindeglied für die Kommunikation zwischen Sponsor und Prüfer“ (5.18.4. ICH/GCP-Leitlinie) und überprüft, ob die Rechte und das Wohl der Prüfungsteilnehmer geschützt werden, die berichteten Prüfungsdaten korrekt, vollständig und anhand der Originalunterlagen nachprüfbar sind und ob die Durchführung der klinischen Prüfung in Übereinstimmung mit dem gültigen Prüfplan und den geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfolgt.1206 Ein nicht vorhandenes oder nur unzureichendes Monitoring klinischer Prüfungen kann den Sponsor aus dem Gesichtspunkt des 1202
Eingehend hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 43 f. (Good Labaratory Practice), S. 44 ff. (Good Manufacturing Practice). 1203 Die an den Fehlerkategorien behaftete Auffassung kommt zu dem gleichen Ergebnis, da sie die §§ 40 ff. AMG in die Fehlerkategorien der allgemeinen Produzentenhaftung einfließen lässt. 1204 Vgl. BGHZ 139, 43, 47: „Denn die Verkehrssicherungspflicht kann sich an anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausrichten und zum Schutze bedrohter Rechtsgüter höhere Anforderungen stellen und mehr an Sorgfalt verlangen, als in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen normiert ist“; eingehend hierzu Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 277 ff. m.w. Nachw.; a.A. etwa Marburger, Regeln der Technik, S. 437. 1205 Vgl. nur BGH NJW 1987, 2669, 1670; 1990, 1361, 1363; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 69. 1206 Vgl. 5.18 der GCP/ICH-Leitlinie; zusammenfassend Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 436 ff.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Organisationsverschuldens nach § 823 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig machen. Neben einer ausreichenden Pharmakovigilanz-Information in der Prüfarztinformation, trifft den Sponsor ferner eine eingehende Pflicht zur Überwachung der klinischen Prüfung auf unerwünschte Ereignisse und unerwünschte Arzneimittelwirkungen. In der Terminologie der Produkthaftung handelt es sich um die Pflicht zur Produktbeobachtung; sie ist jedoch aufgrund des unbekannten Schädlichkeitspotentials neuer Arzneimittel bzw. bei Testung auf neue Indikationen viel intensiver, engmaschiger und trifft nicht nur den Hersteller des Arzneimittels sondern den Sponsor schlechthin.1207 Die unzureichende Überwachung der klinischen Prüfung begründet einen Verstoß gegen Verkehrssicherungs- und Organisationspflichten und kann ebenfalls zur Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB führen. (d) Verschulden Wird die Verkehrspflicht nicht eingehalten, so ist die äußere Sorgfalt außer Acht gelassen worden. Hieraus kann zugleich auf die Außerachtlassung der inneren Sorgfalt geschlossen werden.1208 Mit Blick auf die Einhaltung der §§ 40 ff. AMG zeigt sich ein identisches Bild zur Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB. (6) Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 40 ff. AMG Weiterhin kommen Ansprüche aus Verletzung von Schutzgesetzen aus § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Schutzgesetzqualität hat eine Rechtsnorm dann, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen.1209 Neben den §§ 222, 229 StGB kommen insbesondere Verstöße gegen die §§ 40 ff. AMG in Betracht. Auf die Schutzgesetzqualität der §§ 40 ff. AMG ist bereits ausführlich im Rahmen der Amtshaftung bei der Frage nach der Drittgerichtetheit eingegangen worden. Gerade hier zeigt sich eindrucksvoll die Parallelität des Pflichtengefüges, weil die Verletzung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten im Falle eines Verstoßes gegen die §§ 40 ff. AMG als drittschützende Normen zugleich die Verletzung eines Schutzgesetzes durch den Sponsor bedeutet. (7) Ansprüche aus § 31 iVm § 823 und § 831 BGB Der Sponsor der klinischen Prüfung haftet ferner nach § 31 BGB iVm § 823 BGB. Danach ist die juristische Person für den Schaden verantwortlich, den ihr Vorstand, ein 1207
So sind bei einigen Pharmaunternehmen sog. UE/UAW-Hotlines eingerichtet, um eine schnelle Kommunikation zwischen Sponsor und den Prüfzentren zu gewährleisten; hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 549. S.a. Wenckstern, Arzneimittelprüfungen, S. 147 f.; Stock, Probandenschutz, S. 149, die diese Pflicht aber unter dem Gesichtspunkt der Produzentenhaftung diskutieren. 1208 Vgl. BGH NJW 1986, 2757, 2758; NJW 1994, 2232, 2233; KG Berlin, VersR 2005, 1251, 1253; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 1251, 1252; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 337. 1209 Vgl. BGHZ 84, 312, 314; 100, 13,14; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 62 ff.; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 57.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Mitglied desVorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufenerVertreter einem Dritten zufügt. Zu letzteren lässt sich der angestellte Prüfungsleiter zählen.1210 Die vom Sponsor mit der Durchführung der klinischen Prüfung beauftragten Prüfärzte sind Verrichtungsgehilfen iSd § 831 BGB. Begehen sie gegenüber dem Versuchsteilnehmer eine unerlaubte Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 40 ff. AMG) bei Durchführung der klinischen Prüfung, so haftet der Sponsor gegenüber dem Versuchsteilnehmer nach § 831 BGB.1211 (8) Ergebnis und Konsequenzen Die Ansprüche des Versuchsteilnehmers gegen den Sponsor der klinischen Prüfung hängen zum einen im Falle kontrollierter klinischer Prüfungen von der Zuteilung in die Verum- oder Kontrollgruppe ab. § 84 AMG und § 1 ProdHG findet auf Teilnehmer in der Verumgruppe grundsätzlich keine Anwendung (Phase I-III). Gleiches ist anzunehmen für die Placebogruppe. Etwas andere gilt für Studien der Phase IV. Der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat, kann nach § 84 AMG für Kontroll- oder Vergleichspräparate haften. Unabhängig von der Gruppenzuteilung hat jeder Versuchsteilnehmer vertragliche und deliktische Ansprüche gegen den Sponsor der klinischen Prüfung. Im Hinblick auf das Pflichtengefüge besteht eine ungleiche Parallelität mit derjenigen der Ethik-Kommission: Verstößt eine klinische Prüfung gegen die §§ 40 ff. AMG, ist die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission mithin rechtswidrig, so ist kein Fall denkbar, in dem nicht auch den Sponsor der klinischen Prüfung eine Schadensersatzpflicht aus Vertragsverletzung und/oder unerlaubter Handlung trifft.1212 Im Falle fahrlässiger Amtspflichtverletzung sind diese Ansprüche des Versuchsteilnehmers anderweitige Ersatzmöglichkeiten, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Frage danach, welchen Einfluss das Ethik-Kommissionsvotum auf die Verschuldenshaftung hat, ist noch gesondert zu erörtern.1213 ff. Ansprüche gegen den klinischen Prüfer Während der Sponsor der klinischen Prüfung die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung der klinischen Prüfung trägt (§ 4 Abs. 24 AMG), so obliegt dem Prüfer die Verantwortung für die konkrete Durchführung der klinischen Prüfung (§ 4 Abs. 25 AMG). Die §§ 40 ff. AMG richten sich insoweit nicht nur an den Sponsor, sondern gleichermaßen auch an den Prüfer.1214 Da die den Arzt treffenden 1210
Ausf. hierzu Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 162 ff. Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 164 ff.; Gödicke/Purnhagen, MedR 2007, 139; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 173. 1212 Unscharf diesbezüglich van der Sanden, Haftung, S. 174: lediglich „haftungsentlastende Wirkung“ 1213 Unten, § 5 B.II.10.d. 1214 Vgl. Hart, MedR 2007, 631; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 71 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 119. 1211
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
deliktischen und vertraglichen Sorgfaltspflichten inhaltsgleich sind1215 , vertragliche Ansprüche aber nicht für jeden Prüfer in Betracht kommen, sollen zunächst die deliktischen Ansprüche erörtert werden. (1) Ansprüche aus unerlaubter Handlung, § 823 Abs. 1 BGB Wie bei der allgemeinen Arzthaftung bestimmen auch Fehlerhaftigkeit und Eigenmacht der Heilbehandlung die Schadensersatzpflicht des klinischen Prüfers nach § 823 Abs. 1 BGB. Im Vordergrund stehen also Behandlungs- und Aufklärungsfehler. Beide Fehlerkategorien haben jedoch die Besonderheiten bei der klinischen Prüfung zu berücksichtigen. (a) Behandlungs- und Versuchsdurchführungsfehler Der Arzt schuldet seinem Patienten eine fachgerechte und eine dem anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Behandlung. Der haftungserhebliche Standard ist der Facharztstandard.1216 Unter einem Behandlungsfehler versteht man das Abweichen – genauer: das Unterschreiten – des medizinischen (Facharzt-)Standards zum Zeitpunkt der Durchführung der Behandlung.1217 Umstritten ist, ob der Behandlungsfehlerbegriff unbefangen auf die klinische Prüfung übertragen werden kann. Cloidt-Stotz hat darauf hingewiesen, dass im Bereich der medizinischen Forschung allgemein zu befolgende Regeln gerade nicht bestehen, weil die vorhandenen durch neuere übertroffen werden sollen.1218 Die überwiegende Auffassung bejaht die Geltung der Haftung für Behandlungsfehler entsprechend dem allgemeinen Arzthaftungsrecht. Trotz grundsätzlich fehlendem Standard sei der Behandlungsfehlerbegriff hinreichend weit genug gefasst, um den Besonderheiten der klinischen Prüfung Rechnung zu tragen. Die für den Arzt maßgeblich einzuhaltenden Verhaltensanforderungen ergeben sich aus den gesetzlichen und außergesetzlichen Regelungen zur medizinischen Forschung.1219 Im Ergebnis handelt es sich hier um eine rein terminologische Frage, die sich dahingehen präzisieren lässt, ob Verstöße gegen allgemein anerkannte „Forschungsstandards“ noch unter den Begriff des Behandlungsfehlers zu subsumieren sind. Der Behandlungsfehler wird zwar weit gefasst. Er bezeichnet das nach dem Stand der Medizin unsachgemäße Verhalten des Arztes und erfasst nicht nur die klassischen Fehler bei der Behandlung selbst, sondern auch solche im Behandlungsumfeld.1220 Wie bei den 1215
Vgl. BGH NJW 1985, 2749, 2750; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 6 m.w. Nachw. Vgl. BGHZ 102, 17, 24; Hager, in: Staudinger, § 823 Rn. I 18; zu haftungserheblichen Standards allg. Deutsch, JZ 1997, 1030 ff. 1217 Vgl. BGH NJW 2003, 2311, 2312; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 160; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 277 ff.; s.a. Vogeler, MedR 2008, 697, 702. 1218 Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 134. 1219 So Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 35; dem folgend van der Sanden, Haftung, S. 144; ebenso Mayer, Produktverantwortung, S. 629 f.; wohl auch Osieka, Humanforschung, S. 334 f. 1220 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 276 f. m.w. Nachw. 1216
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herstellerspezifischen und initiierungsspezifischen Verkehrssicherungspflichtverletzungen ist hingegen der Gefahr einer terminologischen Einengung und unbefangenen Übertragung des Arzthaftungsrechts in das Recht der klinischen Forschung zu begegnen. Die Bezugsgröße, an der sich das Vorgehen des Prüfarztes messen lassen muss, bildet stets der Standard, dessen Kennzeichen seine Dynamik ist, indem er sich den gegebenen Möglichkeiten anpasst und die Besonderheiten berücksichtigt.1221 Demzufolge kann vom Prüfarzt einerseits mehr zu verlangen sein, als bei der individuellen Heilbehandlung. Der Umfang der ärztlichen Leistung kann aber andererseits aus Forschungsgründen auch geringer oder ganz anders ausfallen. Insoweit bedarf es der Rekurrierung auf die „erforderliche Sorgfalt“, indem das Handeln des Schädigers mit dem Verhalten zu vergleichen ist, das in seinem Verkehrskreis erwartet wird. Entsprechend dem normativen, sozialbezogenem und objektiv typisierendem Gehalt der erforderlichen Sorgfalt1222 ist zu Fragen, welche Sorgfalt von einem Prüf arzt nach den Umständen zu verlangen war und was nach dem jeweiligen Verkehrskreis erwartet wurde.1223 Unstreitig hat ein Prüfarzt wegen des Unsicherheitsrisikos eine höhere Sorgfalt zu gewährleisten, als bei der üblichen Standardbehandlung.1224 Von Prüfärzten wird aber in erster Linie die Einhaltung und Umsetzung des Prüfplans verlangt. Der Prüfplan enthält teilweise bis ins Detail gehende Handlungs- und Behandlungsanweisungen, deren Einhaltung aus Gründen des vergleichenden Vorgehens und der Biostatistik unverzichtbare Voraussetzung für valide Studienergebnisse sind. Andererseits spiegelt der Prüfplan den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis bezogen auf das Prüfpräparat wider, dessen Einhaltung für den Versuchsteilnehmerschutz notwendige Voraussetzung ist. Weicht der Prüfarzt grundlos vom Prüfplan ab, so hält er nicht diejenige Sorgfalt iSe von ihm geforderten Verhaltensprogramms1225 ein, die von einem Prüfarzt zu verlangen war. Hierzu lässt sich etwa der fehlerhafte Einschluss nicht für die klinische Prüfung vorgesehener Versuchspersonen zählen, sowie die fehlerhafte Dosierung und/oder Applizierung des Prüfpräparats.1226 Statt von Behandlungsfehlern sollte man hier von Prüfplanverstößen oder allgemeiner von Studiendurchführungsfehlern sprechen.1227
1221 Vgl. Deutsch, JZ 1997, 1030, 1031; ders., Haftungsrecht, Rn. 404; s.a. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 277 ff. 1222 Vgl. Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 299 ff.; ders., JZ 2002, 588, 591; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 189. 1223 Treffend Stock, Probandenschutz, S. 117: „im Forschungsverkehr erforderliche Sorgfalt“. 1224 Vgl. Deutsch, JZ 2005, 1609, 1611; Laufs, in: FS Deutsch, S. 625, 627; Stock, Probandenschutz, S. 118. Für individuelles Erprobungshandeln BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775 („vorsichtiger Arzt“); s.a. Vogeler, MedR 2008, 697, 706 f. 1225 Zur Sorgfalt als Verhaltensprogramm Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 379. 1226 Ebenso Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 35 f.; s.a. Mayer, Produktverantwortung, S. 620 f. 1227 Nahestehend Mayer, Produktverantwortung, S. 629.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Der vom BGH beim individuellen Erprobungshandeln postulierte ständig durchzuführende Abwägungsvorgang mit Verlaufskontrolle1228 , ist ebenfalls nicht inhaltsgleich mit dem einzuhaltenden Standard bei der klinischen Prüfung. Da bei klinischen Prüfungen der kontrollierte Vergleich anzustreben ist, können nicht wie beim individuellen Erprobungshandeln unverzügliche und die Forschungsergebnisse gefährdende Kontrolluntersuchungen gefordert werden, wenn sich Risiken für den Versuchsteilnehmer abzeichnen.1229 Hier ist vielmehr zu fragen, ob der Gesundheitszustand des Versuchsteilnehmers den fortlaufenden Einschluss in die Studie rechtfertigt, bzw. ob es noch ärztlich vertretbar ist, ihn prüfplankonform weiterzubehandeln, oder ob im Prüfplan bereits definierte Ausschluss- und/oder Abbruchkriterien vorliegen. Ferner kann der Prüfarzt verpflichtet sein, eine Entblindung der Studienmedikationen durch den Sponsor herbeizuführen bzw. in Notfällen selbst vorzunehmen.1230 Die allgemeine Haftung für Behandlungsfehler aus der arzthaftungsrechtlichen Terminologie verlagert sich in den Behandlungsumkreis. Besonders deutlich wird dies bei Studien der Phase I und sonstigen rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben, bei denen der Behandlungsbezug fehlt. Der Facharztstandard ist dabei insbesondere bei den studienbedingten Begleituntersuchungen und bei der Diagnose zu gewährleisten. Während sich die Berufshaftung des Arztes auf die Außerachtlassung des medizinischen Standards gründet1231 , kommt für den Prüfarzt demzufolge – teils ergänzend, teils modifizierend – die prüfplankonforme Versuchsdurchführung mit gesteigerten Sorgfaltspflichten hinzu.1232 Hervorzuheben sind diesbezüglich die Pflichten zur individuellen Vertretbarkeitsprüfung (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG) und die umfassende Untersuchung vor Einschluss in die klinische Prüfung.1233 Prüfern mit Leitungsfunktion trifft zusätzlich eine Organisationspflicht im Hinblick auf nachgeordnete Prüfer und des nachgeordneten Personals.1234 Festzuhalten ist insoweit, dass der Prüfarzt gegenüber dem Versuchsteilnehmer bei schuldhaften Verstößen gegen medizinische und forschungsmedizinische Verhaltensstandards sowie bei Organisationspflichtverletzungen aus § 823 Abs. 1 BGB haftet. Befolgt der Prüfarzt den Prüfplan, hatte er keinen Grund, vom Prüfplan abzuweichen oder den Versuchsteilnehmer aus der Studie auszuschließen und ist ihm ein sonstiger Vorwurf nicht anzulasten, kann der Schaden des Versuchsteilnehmer auf einen seitens des Sponsors fehlerhaft konzipierten Prüfplan zurückzuführen sein. Für 1228
Vgl. BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2768 f.; BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775; s.a. Vogeler, MedR 2008, 697, 702 f. 1229 Der BGH fordert bei Behandlungen außerhalb des medizinischen Standards unverzügliche Kontrolluntersuchungen, auch wenn die sich abzeichnenden Risiken in Ursache, Art und Umfang noch nicht genau bekannt sind; vgl. BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2768 f.; BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774, 2775. 1230 Vgl. § 6 GCP-V; hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 230 u. 231 f. 1231 Vgl. BGH NJW 2003, 2311, 2312; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 160. 1232 In diesem Sinne auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1339. 1233 Vgl. Mayer, Produktverantwortung, S. 620 f. 1234 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 39 f.; ausf. Mayer, Produktverantwortung, S. 624 ff.; allg. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 374 ff.
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derartige Fehler haftet nicht der Prüfarzt aus § 823 Abs. 1 BGB, sondern der Sponsor der klinischen Prüfung aus dem Gedanken der fehlerhaften Instruktion und/oder fehlerhaften Versuchsplanung. (b) Aufklärungsfehler Dem Prüfarzt obliegt die Aufklärung des Versuchsteilnehmers, § 40 Abs. 2 S. 1 AMG. War diese unzureichend, liegt nach herkömmlichen und auch für das Recht der klinischen Prüfung geltenden Grundsätzen eine unwirksame Einwilligung des Versuchsteilnehmers und mithin eine rechtswidrige Körperverletzung vor, die zur Haftung des Prüfarztes führt. Die Einwilligung bezieht sich ausschließlich auf die fehlerfreie Durchführung der klinischen Prüfung, sodass das Rechtswidrigkeitsurteil bei fehlerhafter Durchführung bestehen bleibt.1235 Einzelheiten zur Aufklärung nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG waren bereits Gegenstand der Erörterung bei der Amtspflichtverletzung.1236 Ein identischer Pflichtengleichlauf ist aber insoweit nicht gegeben, als die Ethik-Kommission nur den Mindestinhalt desAufklärungsgesprächs anhand der dem Versuchsteilnehmer auszuhändigenden allgemein verständlichen Aufklärungsunterlage überprüfen kann, § 40 Abs. 2 S. 1 AMG, § 7 Abs. 3 Nr. 9 GCPV. Die Individualisierung und die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse anhand des individuellen Behandlungsbedarfs obliegen dem Prüfarzt. (2) Ansprüche aus Schutzgesetzverletzung, § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 40 ff. AMG Der Prüfarzt haftet ferner bei der Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB. Neben den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten aus dem StGB kommen vor allem die §§ 40 ff. AMG in Betracht, soweit diese sich auch an den Prüfarzt richten.1237 (3) Ansprüche aus § 839 BGB bei verbeamteten Prüfärzten Verbeamtete (Prüf-)Ärzte haften trotz ihrer privatrechtlichen Tätigkeit nicht nach § 823 BGB, sondern ausschließlich nach dem deliktischen Sondertatbestand des § 839 BGB und damit bei Fahrlässigkeit nur subsidiär, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB.1238 1235 Vgl. Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 167 f.; Fischer, Medizinische Versuche, S. 79; Stock, Probandenschutz, S. 118. 1236 Oben, § 5 B.II.4.e.cc. 1237 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 71 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 149 ff.; Osieka, Humanforschung, S. 349 f. 1238 Vgl. für das Arzthaftungsrecht BGHZ 120, 376, 380; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 91 u. 394; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 654 ff.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 618; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 78; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 93. Für die klinische Prüfung Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 85 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 123 ff.; Lebich, Haftung angestellter Ärzte, S. 180 ff. Etwas anderes kann für den freilich weniger praktisch relevanten Fall angenommen werden, wenn die klinische Prüfung als Nebentätigkeit wahrgenommen wird; vgl. hierzu Lippert, NJW 1992, 2338 f.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Aufgrund des allgemeinen Gebots, unerlaubte Handlungen iSd § 823 BGB zu unterlassen, besteht kein Unterschied zur Haftung des Prüfarztes nach § 823 BGB.1239 Dem verbeamteten Prüfarzt kommt jedoch das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zugute.1240 Als anderweitige Ersatzmöglichkeit kommt die Haftung des Krankenhausträgers nach §§ 31, 89, 823 sowie dessen Haftung aus Vertrag in Betracht1241 , aber konsequenterweise auch die Haftung des Sponsors aus §§ 280, 278, 823, 831 BGB. Von der anderweitigen Ersatzmöglichkeit ausgeschlossen sind Ansprüche aus § 839 BGB gegen andere verbeamtete (Prüf-)Ärzte1242 und Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG gegen Ethik-Kommissionsmitglieder bzw. die jeweils haftende Körperschaft. Dies gilt folglich auch in der umgekehrten Konstellation, sodass die für die Ethik-Kommissionsmitglieder haftende Körperschaft sich nicht haftungsentlastend auf die (deliktische) Haftung des verbeamteten Prüfarztes berufen kann.1243 (4) Vertragliche Schadensersatzansprüche, §§ 280, 241, 311 BGB Ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen dem geschädigten Versuchsteilnehmer und dem Prüfer besteht bei ambulant durchgeführten Arzneimittelprüfungen in Praxen niedergelassener Ärzte und bei stationär durchgeführten Arzneimittelprüfungen im Falle des totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit Arztzusatzvertrag oder beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag.1244 Unterschiede zwischen dem vertraglichen und dem deliktischen Pflichtengefüge des Prüfers gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer sind nicht zu verzeichnen.1245 (5) Ergebnis Der geschädigte Versuchsteilnehmer kann vertragliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Prüfarzt haben, soweit mit ihm ein Vertrag zustande gekommen ist. Unabhängig davon, ob dieser die Stellung als Beamter hat, stellen vertragliche Schadensersatzansprüche anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB
1239
Ebenso Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 86 u. 90. Vgl. OLG München, juris, Urt. v. 26.11.2009, Az. 1 U 2283/09, Rn. 42. 1241 Vgl. BGHZ 85, 393, 395 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 91; Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 654 ff.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 276 u. 618; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 91. 1242 Vgl. Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 657; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 91 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 276. 1243 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 91 u. 184 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 158; van der Sanden, Haftung, S. 155. 1244 Bei rein wissenschaftlichen Forschungsvorhaben, die im Auftrag eines Sponsors durchgeführt werden, bestehen keine vertraglichen Beziehungen zum Prüfer. 1245 Wie hier auch van der Sanden, Haftung, S. 156; Stock, Probandenschutz, S. 108; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 97 f. 1240
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dar.1246 Zu den anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zählen auch Schadensersatzansprüche aus § 823 BGB, nicht jedoch solche gegen den beamteten Prüfarzt nach § 839 BGB.
gg. Ansprüche gegen die Forschungsstätte Abschließend erörterungsbedürftig sind Ansprüche des Versuchsteilnehmers gegenüber der Forschungsstätte. Zu unterscheiden ist zwischen Forschungsstätten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft und privatrechtlich organisierte Forschungseinrichtungen.1247
(1) Forschungseinrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft Klinische Prüfungen werden regelmäßig in Universitätskliniken durchgeführt, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen. Vertragliche Beziehungen mit dem Krankenhausträger bestehen im Falle des totalen Krankenhausaufnahmevertrages und des totalen Krankenhausaufnahmevertrages mit Arztzusatzvertrag. Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag schuldet der Krankenhausträger lediglich die Krankenversorgung.1248 In den ersten beiden Fällen haftet er für seine verfassungsmäßig berufenen Vertreter (Chefärzte) nach §§ 31, 89 BGB ohne Entlastungsmöglichkeit sowie nach §§ 280, 278, 831 BGB für die nachgeordneten Ärzte als Erfüllungsund Verrichtungsgehilfen. Im letzten Fall haftet er vertraglich und deliktisch etwa für Fehler des Klinikpersonals im Rahmen der Pflege der Patienten.1249 Daneben kommt stets eine Eigenhaftung der Klinikträgers aus dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens in Betracht.1250 Fraglich ist jedoch, ob Ansprüche gegen den öffentlich-rechtlichen Träger anderweitige Ersatzmöglichkeiten darstellen. Nach st. Rspr. gilt die Subsidiarität der Amtshaftung nicht gegenüber anderen Stellen der öffentlichen Hand, auch wenn sich die Ansprüche gegen verschiedene rechtlich selbstständige juristische Personen richten. Dies gilt nicht nur für Ansprüche aus Amtshaftung, sondern auch für Ansprüche aus sonstigen Anspruchsgrundlagen. Unter dem Gesichtspunkt der vermögensrechtlichen Einheit der öffentlichen Hand ist § 839 Abs. 1 S. 2 BGB dann allgemein unanwendbar, wenn sich ein aus dem gleichen Sachverhalt ergebender Ersatzanspruch gegen eine andere Stelle der öffentlichen
1246 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 185; van der Sanden, Haftung, S. 158; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 282. 1247 Zu einzelnen Trägern Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 386. 1248 Dazu oben, § 5 B.II.9.b.ee(4)(a)(bb). 1249 Ausfühlich hierzu Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 652 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 392 ff., 395 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 103 ff. 1250 Eingehend hierzu Pflüger, Krankenhaushaftung, S. 125 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 378; Deutsch, NJW 2000, 1745 ff.; Lebich, Haftung angestellter Ärzte, S. 194 ff.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 716 ff.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Hand richtet.1251 Folglich gilt die Subsidiarität der Amtshaftung nicht gegenüber Ansprüchen gegen den öffentlich-rechtlichen Krankenhausträger.1252 (2) Forschungseinrichtungen in privater Trägerschaft Wird die klinische Prüfung dagegen in einer Forschungseinrichtung in privater Trägerschaft bzw. in einer privaten Arztpraxis durchgeführt, stellen die gegen sie gerichteten Ansprüche des Versuchsteilnehmers aus Vertrag und aus Delikt anderweitige Ersatzansprüche iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB dar.1253 hh. Besonderheiten bei klinischer Prüfungen ohne Beteiligung pharmazeutischer Unternehmen Die vorstehenden Ausführungen galten für Prüfungen, in denen, wie im Regelfall, die Sponsorfunktion durch ein pharmazeutisches Unternehmen ausgeübt wird. Sponsor iSd § 4 Abs. 23 AMG kann aber auch eine Universität, das Universitätsklinikum1254 oder ein Prüfarzt selbst sein („Investigator initiated Trials“). Den Sponsor der klinischen Prüfung trifft unabhängig von der Eigenschaft als pharmazeutisches Unternehmen die Gesamtverantwortung für die klinische Prüfung. Gegenüber der Haftung eines Sponsors aus der pharmazeutischen Industrie bestehen demzufolge im Hinblick auf die Einhaltung der §§ 40 ff. AMG keine Unterschiede. Es kommt eine Haftung aus Vertrag und unerlaubter Handlung in Betracht. Wird die Sponsorfunktion aber durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeübt, so sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die aus dem Gesichtspunkt der vermögensrechtlichen Einheit der öffentlichen Hand folgen: Ersatzansprüche gegen andere öffentlich-rechtliche Körperschaften unabhängig vom Rechtsgrund der Haftung und erst recht solche gegen dieselbe öffentlich-rechtliche Körperschaft sind keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB.1255 Trifft die Haftung aus Amtspflichtverletzung der Ethik-Kommissionsmitglieder die Kammer oder das Land, so ist der Verweis auf die anderweitigen Ersatzansprüche gegen die Universität folglich nicht möglich; erst recht gilt dies, wenn die Universität die nach Art. 34 GG haftende Körperschaft für Ethik-Kommissionsmitglieder ist.1256 Als anderweitige 1251 Vgl. BGHZ 13, 88, 104 f.; 49, 267, 275; 62, 394, 397; 63, 319, 327; 152, 380 = NJW 2003, 348, 349 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 193; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 276 ff.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 310; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 84. 1252 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 185 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 156 f.; van der Sanden, Haftung, S. 159 f. 1253 Vgl. nur Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 187; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 156 f.; van der Sanden, Haftung, S. 160. 1254 Die Sponsorfunktion wird entweder durch das Universitätsklinikum selbst oder durch die Universität ausgeübt, vgl. Benninger-Döring/Boos, Bundesgesundheitsbl. 2006, 675, 679. 1255 Vgl. BGHZ 62, 394, 396 f.; 135, 354, 368; 152, 380 = NJW 2003, 348, 349 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 193; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 276 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 310; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 56; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 34. 1256 Ähnlich bereits Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 185 ff.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Ersatzmöglichkeiten kommen die vertraglichen Ansprüche gegen den Prüfarzt sowie die deliktischen Ansprüche gegen den nicht verbeamteten Prüfarzt in Betracht. Übernimmt der Prüfarzt selbst die Sponsorfunktion („Investigator initiated Trial“), so kommt es zu einer „Verantwortungskumulation“ von Sponsor- und Prüfarztverantwortlichkeiten1257 , was eine dementsprechende Haftung nach sich zieht.1258 Wird die klinische Prüfung durch einen verbeamteten Prüfarzt initiiert, stellen jedenfalls die in diesem Fall umfassend bestehenden vertraglichen Ansprüche gegen ihn anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB dar. In beiden Fällen ist auch eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmens nach § 84 AMG möglich, soweit bereits zugelassene Arzneimittel innerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs in der klinischen Prüfung verwendet werden.1259 ii. Faktische Realisierbarkeit der anderweitigen Ansprüche Die erörterten Ansprüche, die als anderweitige Ersatzmöglichkeiten in Frage kommen, müssen durchsetzbar und die darauf gerichtete Rechtverfolgung muss zumutbar sein. Hieran kann es fehlen, wenn die Erfolgsaussichten wegen tatsächlicher oder rechtlicher Gegebenheiten oder aufgrund von Beweisschwierigkeiten unsicher oder zweifelhaft sind. Es ist nicht ersichtlich, dass die erörterten Ansprüche nicht realisierbar bzw. von vornherein „fruchtlos“ sein sollten.1260 c. Einschränkungen der Subsidiaritätsklausel: Teleologische Reduktion des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei kooperativer Risikoverwaltung? Es stellt sich die Frage, ob die kooperativ ausgestaltete Risikoverwaltung zu einer eingeschränkten Handhabung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB führen sollte. Dies hätte entgegen dem Wortlaut des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung der Ethik-Kommission bzw. der jeweils passiv legitimierten Körperschaften mit den weiteren zum Schadensersatz (Primär-)Verpflichteten zur Folge. Der BGH hat die Subsidiarität der Amtshaftung zunehmend teleologisch reduziert und § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schlechthin als absolut gesetzt gegenüber anderen Haftungssystemen und Anspruchgrundlagen. Dabei steht für die Rspr. der Sinn und Zweck des anderweitigen Ersatzanspruchs im Vordergrund. Soweit dieser die Aufgabe hat, auch solche Schäden aufzufangen, die ihren Grund in der unerlaubten Handlung eines Dritten haben, kann auf sie verwiesen werden.1261 Es kann auch geboten sein, 1257
Vgl. 1.54 der ICH/GCP-Leitlinie: „The obligations of a sponsor-investigator include both those of a sponsor and those of an investigator“; hierzu Benninger-Döring/Boos, Bundesgesundheitsbl. 2006, 675 ff.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 128 f.; Reinken et. al., DÄBl 2004, A-91, A-92 1258 Hierzu auch Kollhosser, in: Lippert/Eisemenger, Forschung am Menschen, S. 159, 160. 1259 Vgl. Cloidt-Stotz, Schadensausgleich, S. 148. Dass diese Arzneimittel bei der Verwendung innerhalb einer klinischen Prüfung nicht der Zulassung unterliegen (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 AMG), ist für § 84 AMG unerheblich, weil der Versuchsteilnehmer in diesem Falle nicht schlechter stehen darf als der Arzneimittelendverbraucher. 1260 Wie hier van der Sanden, Haftung, S. 171 ff. 1261 Vgl. BGHZ 91, 48, 54 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 81.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
die Subsidiaritätsklausel und mithin die Privilegierung des Staates aufgrund „haftungsrechtlicher Gleichbehandlung“ auszuschließen, etwa wie bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr oder bei der Erfüllung der Straßenverkehrssicherungspflicht.1262 Die Subsidiaritätsklausel bleibt – verallgemeinert gesprochen – dort anwendbar, wo keine inhaltliche Übereinstimmung der Rechtspflichten des Amtsinhabers mit den Pflichten Dritter besteht.1263 Für die klinische Prüfung erscheint ein solcher Pflichtengleichlauf zu bestehen: Die §§ 40 ff. AMG richten sich besonders an den Sponsor der klinischen Prüfung. Sie konkretisieren die vertraglichen Nebenleistungs- und Schutzpflichten und stellen zugleich Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB dar. Den Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegt ebenfalls die Einhaltung der §§ 40 ff. AMG als drittgerichtete Amtspflichten. Dieser „Pflichtengleichlauf“ spricht dem ersten Anschein nach für die Versagung der Privilegierung und für eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber dem Versuchteilnehmer. So hat auch Knothe für das Verhältnis des Arzneimittelherstellers zum (damaligen) Bundesgesundheitsamt bei der Zulassung von Arzneimitteln sich gegen eine Berufung auf § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gegenüber dem geschädigten Endverbraucher wegen des Grundsatzes der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung und des Pflichtengleichlaufs ausgesprochen.1264 Das LG Berlin hat dagegen im Bereich der Amtshaftung bei der Arzneimittelzulassung richtigerweise auf die Interessenlage und die gesetzgeberische Intention abgestellt. So sei das (damalige) Bundesgesundheitsamt nur subsidiär gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB einstandspflichtig. Vorrangig zum Schadensersatz verpflichtet seien die behandelnden Ärzte und/oder das Pharmaunternehmen. Dabei stütze sich das LG Berlin maßgeblich auf § 84 AMG, der eine Primärhaftung des pharmazeutischen Unternehmens im Verhältnis zum Staate begründe.1265 Im Bereich der klinischen Prüfung fehlt es zwar an einer Gefährdungshaftung für den Sponsor. Den Sponsor der klinischen Prüfung trifft aber die gesetzliche Abschlussverpflichtung für eine Probandenversicherung (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG) und er ist nach § 4 Abs. 24 AMG als Gesamtverantwortungsträger anzusehen. Weiterhin ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sponsor der durch die Teilnahme der Versuchspersonen Begünstigte ist und ihn demzufolge vorrangig Pflichten für das Wohlergehen der Testpersonen treffen. Ethik-Kommissionen werden nur kontrollierend und in zweiter Linie tätig. Dem ist haftungsrechtlich durch die subsidiäre Haftung Rechnung zu tragen, zumal bei genauerer Betrachtungsweise die Annahme eines „inhaltlichen Pflichtengleichlaufs“ durch die unterschiedliche Pflichtendichte geschmälert wird. Für eine 1262
Vgl. BGHZ 68, 217, 220 (Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr); anders aber, wenn Sonderrechte in Anspruch genommen werden, vgl. BGHZ 85, 225, 228 f.; zur Straßenverkehrssicherungspflicht BGHZ 75, 134, 137; NVwZ 2000, 1209, 1210. 1263 So Vinke, in: Staudinger, § 839 Rn. 203; hierzu auch BGHZ 91, 48, 53 f., wonach es unschädlich ist, wenn sich die Pflichten der Polizei zur Gefahrenabwehr im Einzelfall mit denjenigen zur Straßenverkehrssicherungspflicht decken, weil es an einer inhaltlichen Übereinstimmung der Rechte und Pflichten des Amtsinhabers mit denen aller übrigen Verkehrsteilnehmer fehle. 1264 Knothe, Zulassung, S. 160 ff. 1265 Vgl. LG Berlin, juris, Urt. v. 03.03.2004 – 23 O 156/03 – Rn. 53 ff.
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teleologische Reduktion des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB infolge eines Pflichtengleichlaufs ist demzufolge kein Raum.
d. Ergebnis Im Falle nur fahrlässiger Amtspflichtverletzungen gilt die Subsidiarität der Amthaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Welche Ansprüche als anderweitige Ersatzmöglichkeiten im Einzelnen in Betracht kommen, hängt davon ab, wer die Sponsorfunktion ausübt und ob der Studienteilnehmer der Verum- oder der Kontrollgruppe zugeteilt wurde. Festhalten lässt sich bei Studien, die durch ein pharmazeutisches Unternehmen durchgeführt werden, folgendes Bild: • Das pharmazeutische Unternehmen als Sponsor der klinischen Prüfung kann im Falle der Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG aus Vertrag und unerlaubter Handlung für eigenes und fremdes Fehlverhalten der Prüfärzte haften. Es kommt zu einer Parallelisierung des Pflichtengefüges zwischen Sponsor und Ethik-Kommission. Soweit bereits zugelassene Arzneimittel verwendet werden, kann auch eine Haftung aus § 84 AMG bestehen. Ansprüche gegen pharmazeutische Unternehmen sind stets anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. • Der klinische Prüfer kann aus Vertrag haften. Vertragliche Ansprüche gegen ihn sind stets anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB gilt dies gleichermaßen. Ansprüche gegen den verbeamteten Prüfarzt nach § 839 BGB zählen nicht zu den anderweitigen Ersatzansprüchen iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. • Der Träger der Forschungsstätte haftet für eigenes und fremdes Fehlverhalten der Prüfärzte aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung. Ansprüche gegen den öffentlich-rechtlichen Krankenhausträger stellen wegen des Prinzips der Einheit der öffentlichen Hand keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten dar. Sponsor, Prüfarzt und Krankenhausträger können dem Versuchsteilnehmer gegenüber bei schuldhaft fehlerhaft durchgeführterArzneimittelprüfung als Gesamtschuldner haften, §§ 421, 840 BGB. Bei Studien, die ohne Beteiligung der pharmazeutischen Industrie durchgeführt werden, kommen folgende Ansprüche in Betracht: • Übernimmt die Universität die Funktion eines Sponsors, so hat der geschädigte Versuchsteilnehmer vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche. Diese stellen wegen des Prinzips der Einheit der öffentlichen Hand keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten dar. Es kann jedoch der Prüfer aus Vertrag und unerlaubter Handlung haften, wobei die deliktischen Ansprüche des verbeamteten Prüfarztes nach § 839 BGB nicht zu den anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zählen. • Ist der Prüfer selbst Sponsor, können Ansprüche jedenfalls aus Vertrag und ggf. aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) gegen den Prüfer als anderweitige Ersatzmöglichkeiten in Betracht kommen.
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• Da idR bereits zugelassene Arzneimittel zum Einsatz kommen, kann in diesen Fällen zudem eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmens nach § 84 AMG hinzutreten. Insgesamt ist festzuhalten, dass eine Amtshaftungsklage wegen Amtspflichtverletzung der Ethik-Kommissionsmitglieder aufgrund der Subsidiarität der Amtshaftung aus praktischer Sicht nur im Falle fehlenden Schadensausgleichs durch die Primärverpflichteten in Betracht zu ziehen ist. Diese Sachlage ist prozessual noch näher zu würdigen.1266 10. Die Auswirkungen des Ethik-Kommissionsvotums auf die zivilrechtliche Haftung Hängen die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage wegen Amtspflichtverletzung der Ethik-Kommissionsmitglieder maßgeblich davon ab, ob der geschädigte Versuchsteilnehmer Schadensersatz vom Sponsor, Prüfer und/oder vom jeweiligen Träger der Forschungseinrichtung zu erlangen vermag, so ist näher zu untersuchen, welche Auswirkungen das Ethik-Kommissionsvotum auf die Haftung dieser Beteiligten hat. Könnten sich diese (haftungs-)entlastend auf das Votum der EthikKommission berufen, so wäre es möglich, dass im Amtshaftungsprozess der Anspruch nicht am Vorhandensein einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit scheitert oder aber die Klage gegen die Primärverpflichteten erfolglos bleibt und damit die anschließende oder die bereits als „zur Zeit unbegründet“ abgewiesene Amtshaftungsklage durchdringt. a. Problemstellung: Bestandskraft und Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten Die Ethik-Kommission darf ihre zustimmende Bewertung nur dann versagen, wenn ein oder mehrere in § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG genannte Ablehnungsgründe vorliegen. Die zustimmende Bewertung enthält insoweit notwendigerweise die Feststellung der Konformität der klinischen Prüfung mit den §§ 40 ff. AMG.1267 Tritt die Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde hinzu (§ 42 Abs. 2 AMG), wird als Rechtsfolge das präventive Verbot mit (doppeltem) Erlaubnisvorbehalt aufgehoben, § 40 Abs. 1 S. 2 AMG. Fraglich ist, wie sich dieser Befund auf die Haftung der weiteren Beteiligten auswirkt und welcher Bedeutung dem Umstand zuzumessen ist, dass die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission als Verwaltungsakt der Bestandskraft fähig ist. Der Begriff der Bestandskraft ist nicht nur mehrdeutig, sondern auch umstritten.1268 Als tragenden Grundgedanken lässt sich konstatieren, dass der Verwaltungsakt als hoheitliche Regelung verbindlich und dauerhaft sein 1266
Unten, § 5 B.II.12. Genauer: des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1-2, Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2-9, Abs. 4, § 41 AMG. 1268 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 11 Rn. 1 ff.; Randak, JuS 1992, 33, 34 f.; ausf. Seibert, Bindungswirkung, S. 69 ff. u. passim. 1267
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soll.1269 Unter der formellen Bestandskraft wird die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes verstanden, die regelmäßig mit Ablauf der Rechtsmittelfristen eintritt.1270 Die materielle Bestandskraft betrifft die Beständigkeit und Unaufhebbarkeit des Verwaltungsakts; sie tritt als Folge der formellen Bestandskraft ein und wird neben der beschränkten Aufhebbarkeit vor allem mit der Bindungswirkung in Bezug genommen und mit der Rechtskraft gerichtlicher Urteile verglichen.1271 Die Verbindlichkeit des Verwaltungsakts ergibt sich allein aus der Rechtswirksamkeit. Nach § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten im Zeitpunkt der Bekanntgabe wirksam. Er bleibt es auch, solange und soweit er nicht aufgehoben wird oder erledigt ist (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Die Wirksamkeit ist von der Rechtsmäßigkeit des Verwaltungsakts daher unabhängig, sodass auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt formell und materiell bestandskräftig sein kann.1272 Die sog. Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten greift über die Bindungswirkung hinaus. Hierunter wird überwiegend1273 die über die Bestandskraft inter partes (§ 13VwVfG) hinausgehende Bestandswirkung erga omnes verstanden; sie bringt zum Ausdruck, dass der Verwaltungsakt von allen Staatsorganen zu beachten und als gegebener Tatbestand bei Entscheidungen zugrunde zu legen ist. Abweichende Regelungen vom regelnden Ausspruch des Verwaltungsakts sollen hierdurch verhindert werden (Abweichungsverbot).1274 Noch weitergehend ist die sog. Feststellungswirkung des Verwaltungsakts, wonach Bindungswirkung nicht nur die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung, sondern auch die die Regelung tragenden tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen in den Gründen des Verwaltungsakts entfalten sollen. Eine solche Ausweitung der Bindungswirkung muss gesetzlich vorgesehen sein.1275 1269
Vgl. BVerfGE 60, 253, 260; Maurer, Allg VerwR, § 11 Rn. 2. Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 11 Rn. 4; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 48; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 24. 1271 Vgl. BGHZ 158, 19 = JZ 2005, 251 m. Anm. Althammer; Randak, JuS 1992, 33, 34; ausf. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 50 ff. m.w. Nachw. 1272 Vgl. hierzu Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 44: „Durch § 43 Abs. 1 und 3 VwVfG wird die Wirksamkeit von der Rechtmäßigkeit abgelöst und die Bindungswirkung rechtswidriger Verwaltungsakte begründet“ u. Rn. 49; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 1 f., 14 ff., 24 f.; Maurer, Allg VerwR, § 11 Rn. 6; Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 14. 1273 Überblick über den variierenden Bedeutungsinhalt bei Seibert, Bindungswirkung, S. 69 ff.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 284 ff.; s.a. Randak, JuS 1992, 33, 35, 37; Rühl, JuS 1999, 521, 523. 1274 Vgl. BGHZ 158, 19 = JZ 2005, 251 f. m. Anm. Althammer; BVerwG ZOV 2005, 186, 187; Maurer, Allg VerwR, § 11 Rn. 8; Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 16 ff.; Randak, JuS 1992, 33, 37; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 17 ff.; Bumke, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 213; Rühl, JuS 1999, 521, 523, 524. 1275 Vgl. BGHZ 158, 19 = JZ 2005, 251, 252 m. Anm. Althammer; Maurer, Allg VerwR, § 11 Rn. 9; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 23 ff.; Bumke, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 219; Randak, JuS 1992, 33, 35 f.; eingehend Seibert, Bindungswirkung, S. 127 ff. bes. S. 129 f. 1270
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Im Mittelpunkt der Diskussion über die Wirkungen von Genehmigungen steht die Tatbestandswirkung, da sie anders als die „einfache“ Bindungswirkung nicht relativ sondern absolut verstanden wird und die Frage nach der Verwaltungsaktakzessorietät bzw. die Reichweite der Fernwirkung des Verwaltungsakts aufwirft.1276 Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts knüpft nicht an die Bindung kraft Beteiligung am Verwaltungsverfahren, sondern an die Qualität als staatlicher Hoheitsakt an, sodass dieser von allen rechtsanwendenden Stellen zu beachten ist.1277 Auszugehen ist von der Prämisse, dass bei einem Schadensfall in einer klinischen Prüfung eine bestandskräftige (§ 43 VwVfG) zustimmende Bewertung der EthikKommission vorliegen wird.1278 Wie aufgezeigt, stellen die §§ 40 ff. AMG nicht nur den öffentlich-rechtlichen Prüfungsmaßstab der Ethik-Kommissionen dar, sondern sie richten sich gleichermaßen an den Sponsor, den klinischen Prüfer und auch an den Träger der jeweiligen Forschungsstätte, indem sie gesetzliche Nebenleistungs-, Schutz- und (initiierungsspezifische) Verkehrssicherungspflichten gegenüber den Versuchsteilnehmern entweder direkt abbilden oder konkretisieren. Zudem sind sie Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB. Die §§ 40 ff. AMG agieren somit rechtsgebietsübergreifend. Jede akzessorische Beziehung zwischen zwei Rechtsgebieten kann jedoch zu Abstimmungsproblemen führen.1279 Kommt eine zivilrechtliche Haftung aus Vertrag und/oder unerlaubter Handlung der weiteren Beteiligten in Betracht, so stellt sich die Frage nach der Auswirkung des Ethik-Kommissionsvotums. In Ausprägung der Kategorie der Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten wird zum einen die rechtsgebietsübergreifende Legalisierungswirkung1280 von Genehmigungen erörtert. Zum anderen geht es um Inhalt und Umfang der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts gegenüber den (Zivil-)Gerichten.1281 Klärungsbedürftig ist vor diesem Hintergrund, ob mit der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission1282 1276
Eingehend hierzu Rühl, JuS 1999, 521, 522 ff. Vgl. Kissel/Mayer, § 13 GVG Rn. 21; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 285 m.w. Nachw. 1278 Sowohl mit Blick auf die Legalisierungswirkung von Genehmigungen als auch aus allgemeiner verwaltungsrechtlicher Sicht lässt sich kein klares Bild herauskristallisieren, ob die Wirksamkeit, die formelle oder die materielle Bestandskraft ausschlaggebend sein soll; hierzu Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 364 f.; allg. dazu Seibert, Bindungswirkung, passim. Zu den Divergenzen zwischen der Rspr. des BGH und des BVerwG ausf. Wilhelms, NJ 2005, 337 ff. Aus praktischer Sicht bedarf es keiner Klärung dieser Frage, weil zum Zeitpunkt des Schadensfalles ein formell und materiell bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegen wird. 1279 Treffend in diesem Sinne Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 113. 1280 Zur Legalisierungswirkung als Ausprägung der Tatbestandswirkung Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 20; Peine, JZ 1990, 201, 212; Rühl, JuS 1999, 521, 525, 528 f.; s.a. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 53. 1281 Vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 22; krit. zum Begriff der „Legalisierungswirkung“ Seibert, Bindungswirkung, S. 55; eingehend Peine, JZ 1990, 201, ff. 1282 In Betracht zu ziehen wäre darüber hinaus eine Legalisierungswirkung der Genehmigung durch die Bundesoberbehörde. Es obliegt jedoch (vornehmlich) der Ethik-Kommission, die patienten/probandenschutzbezogenen Voraussetzungen der klinischen Prüfung zu überprüfen. Abgesehen davon ist das Problem der Legalisierungswirkung von Genehmigungen eine grundsätzliche Frage. Abweichungen zur Legalisierungswirkung der Genehmigung der Bundesoberbehörde nach § 42 1277
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nach § 42 Abs. 1 AMG zugleich die zivilrechtliche Rechtswidrigkeit als Folge der Tatbestandswirkung der zustimmenden Bewertung für solche klinischen Prüfungen entfällt, die sich, wie im Regelfall, innerhalb des genehmigten Rahmens halten1283 und inwieweit das Zivilgericht bei Schadensersatzansprüchen gegen die an der klinischen Prüfung Beteiligten zu berücksichtigen hat, dass eine zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission vorliegt. Beide Themenkomplexe sind freilich miteinander eng verzahnt, aber gleichwohl voneinander zu trennen: Die erste Frage betrifft die Autonomie des Haftungsrechts, die zweite hat kompetenzrechtlichen Einschlag. Unabhängig hiervon ist zu klären, welchen Einfluss das Ethik-Kommissionsvotum auf das Verschulden der weiteren Beteiligten hat. b. Zivilrechtliche Rechtswidrigkeit und öffentlich-rechtliche Genehmigung – Legalisierungswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission aa. Grundlagen Nach der Lehre vom Handlungsunrecht ebenso wie nach der Lehre vom Erfolgsunrecht setzt die Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus Verschulden1284 die Rechtswidrigkeit voraus.1285 Mit einer eher tautologischen Umschreibung wird die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens in Bezug genommen mit dem „Widerspruch zur Rechtsordnung“.1286 Anknüpfend an diese Prämisse stellt sich, wie vorstehend aufgezeigt, die Frage, ob einer behördlichen, und ggf. trotz Rechtswidrigkeit bestandskräftigen (§ 43 VwVfG) Genehmigung Legalisierungs- bzw. Rechtfertigungswirkung zukommt, mit der Folge des Ausschlusses der zivilrechtlichen/strafrechtlichen1287 Rechtswidrigkeit. Mit der vorliegenden Thematik sind Abs. 2 AMG sind daher nicht zu verzeichnen, sodass das Ergebnis für die Ethik-Kommission ohne weiteres übertragbar ist. 1283 Zum Problem des Eintritts der Rechtsfertigungswirkung beim Handeln außerhalb des genehmigten Rahmens Peine, NJW 1990, 2442, 2448. 1284 Anders liegt es freilich bei Ansprüchen aus Gefährdungshaftung, die keine rechtswidrige Handlung voraussetzen, vgl. Medicus/Petersen, BR, Rn. 604, 631; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 661; ders., Unerlaubte Handlungen, § 22 Rn. 362. Eine gesonderte Beurteilung, welchen Einfluss das Ethik-Kommissionsvotum auf die Gefährdungshaftung nach § 84AMG hat, bedarf es hier nicht, weil diese nur Anwendung findet bei bereits zugelassenen Arzneimitteln. Das Ethik-Kommissionsvotum „legalisiert“ nicht die Anwendung solcher Arzneimittel, die unter § 84 AMG fallen. Eine „Legalisierungswirkung“ könnte diesbezüglich nur in der Zulassung des Arzneimittels gesehen werden. Hierzu eingehend Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 347 ff. 1285 Vgl. Jansen, AcP 202 (2002), 517, 518; Deutsch, in: FS Medicus, S. 77, 79. Nach der Lehre vom Handlungsunrecht ist das Rechtswidrigkeitsurteil nicht im Verletzungserfolg, sondern in der zum Erfolg führenden Handlung zu suchen; vgl. Nipperdey, NJW 1957, 1777 ff. Einzelheiten hierzu bei Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 237; Raab, JuS 2002, 1041, 1045; HK-BGB/Staudinger, § 823 Rn. 71 ff.; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 23 ff. 1286 Vgl. BGHZ 24, 21, 24; weiterführend Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 226 f.; ders., in: FS Medicus, S. 77, 78 f.; Wagner, Genehmigung, S. 52 ff. 1287 Die Frage nach der Legalisierungswirkung behördlicher Genehmigungen stellt sich nicht nur im Privatrecht, sondern in gleicher Weise auch im Strafrecht, vgl. jew. m. w. Nachw. Wagner,
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freilich eine Reihe von bis heute ungeklärte Grundsatzfragen betroffen, die sich mit Blick auf das Postulat einer rechtsgebietsübergreifenden Legalisierungswirkung auf das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung1288 zurückführen lassen.1289 Es geht mithin um das Verhältnis vom (öffentlich-rechtlichen) Sicherheitsrecht zum Privatrecht und damit verbunden um die Rechtsquellen des (zivilrechtlichen) Rechtswidrigkeitsurteils.1290 Es lassen sich im Wesentlichen drei (Grund-)Strömungen ausmachen, auf die nachfolgend in gebotener Kürze einzugehen ist.1291 bb. Verwaltungs(akts)akzessorietät des zivilrechtlichen Rechtswidrigkeitsurteils Bereits das RG rekurrierte bei der Schädigung eines Dritten durch einen Genehmigungsinhaber auf die rechtfertigende Wirkung der öffentlich-rechtlichen Erlaubnis.1292 Mit der Inkorporation öffentlich-rechtlicher Vorschriften in das zivilrechtliche Haftungsrecht hat sich auch der BGH beschäftigt. Dies betraf die vielbeachtete und überwiegend auf Ablehnung gestoßene „Wildtaubenentscheidung“, in welcher der BGH den öffentlich-rechtlichen Vorschriften abschließenden Charakter zuerkannte, infolgedessen für daneben stehende privatrechtliche Verkehrspflichten kein Raum sah und somit zu einer zivilrechtlich rechtfertigenden Wirkung durch Einhaltung der durch das öffentliche Recht gezogenen Grenzen kam.1293 In der Literatur wird dem „Sicherheitsrecht“ unter Heranziehung des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung und/oder der Vorrangbeziehung (lex specialis) des öffentlichen Rechts eine Legalisierungswirkung für das Haftungsrecht beigemessen. Bestandskräftige Verwaltungsakte (§ 43 VwVfG) in der Form einer Genehmigung konkretisieren für Genehmigung, S. 22 ff.; Mayer, Produktverantwortung, S. 547 ff.; ders., MedR 2008, 595 ff.; Fortun, Behördliche Genehmigung, passim. 1288 Vgl. Engisch, Einheit der Rechtsordnung, passim; Wagner, Genehmigung, S. 90 ff. m.w. Nachw.; Peine, JZ 1990, 201, 209 f.; Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 363 ff.; Baldus, Einheit der Rechtsordnung, passim; aus neuerer Zeit Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 37 ff.; s.a. Deutsch, in: FS Wahl, S. 339, 345 ff. 1289 Zu dieser Prämisse eines rechtsgebietsüberschreitenden Rechtswidrigkeitsurteils Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 283 ff.; ferner Peine, NJW 1990, 2442; ders., JZ 1990, 201, 209 f.; Rühl, JuS 1999, 521, 524. 1290 Eingehend Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 283 ff. u. 290 ff. 1291 Die Auffassungen über die Legalisierungswirkungen behördlicher Genehmigungen variieren in Begründung und Ausprägung. Nachfolgend können lediglich die Grundsätze des Streitstands dargestellt werden. Eingehend hierzu Wagner, Genehmigung, S. 8 ff.; 51 ff., 90 ff., 233 ff.; Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 347 ff. 1292 RGZ 161, 203 ff.; hierzu Wagner, Genehmigung, S. 10 f. 1293 BGHZ 62, 265, 270: „Neben diesen auf öffentlich-rechtlichen Normen beruhenden Sicherungspflichten ist kein Raum für entsprechende allgemeine bürgerlich-rechtliche Pflichten. Es würde eine unzulässige Umgehung der insoweit alleinigen Zuständigkeit der Jagdbehörden darstellen, wenn derartige Schutzpflichten dem Jagdausübungsberechtigten unmittelbar als bürgerlich-rechtliche Verpflichtungen zur Sicherung des Jagdgebietes und damit des Grundbesitzes auferlegt würden. . . “. Hierzu Wagner, Genehmigung, S. 9 f.; krit. Canaris, in: FS Larenz, S. 27, 55 f.; Larenz/Canaris, SchuldR BT II/2, § 76 III 4, S. 416. Die Entscheidung ist jedoch ein „Ausreißer geblieben“; vgl. Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 278 m.w. Nachw; Jansen, AcP 202 (2002), 517, 524 m. Fn. 37.
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den Einzelfall die Gestattung genehmigungskonformen Verhaltens1294 und erlauben dem Bürger, sich so zu verhalten, wie es die Genehmigung vorsieht.1295 Sowohl aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes als auch aus der Bestandskraftfunktion selbst folge die Bindung des Haftungsrechts an die durch Verwaltungsakt für den Einzelfall konkretisierten öffentlich-rechtlichen Sicherheitsstandards und Gestattungen, sodass bei genehmigungskonformen Verhalten eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme geschädigter Dritter nicht möglich ist. Der Verwaltungsakt entfaltet Tatbestandswirkung und begründet einen umfassenden Schutz zugunsten der durch die Genehmigung eingeräumten Schutzposition (Legalisierungswirkung).1296 Wäre dem zuzustimmen, so würde sich die bis heute im Wesentlichen noch ungeklärte Frage anschließen, welchen Umfang der Legalisierungswirkung als Ausfluss der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts beizumessen ist.1297 Postuliert man eine verwaltungs(akts)akzessorische Bindung des zivilrechtlichen Haftungsrechts unter Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung, so müsste die Folge ein umfassender zivilrechtlicher Rechtswidrigkeitsausschluss sein. Klinische Prüfungen, die innerhalb des durch die Ethik-Kommission genehmigten Rahmens durchgeführt werden, können infolgedessen für das zivilrechtliche Haftungsrecht nicht als rechtswidrig angesehen werden, weil eine abweichende Entscheidung, nämlich die Nicht-Konformität der klinischen Prüfung mit den §§ 40 ff. AMG, die Einheit der Rechtsordnung gefährden würde.1298 Der geschädigte Versuchsteilnehmer könnte infolge der Tatbestandswirkung und der Einheit der Rechtsordnung Schadensersatzansprüche gegen den Sponsor und auch gegen weitere Beteiligte nicht auf die Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG stützen; es fehlt diesbezüglich an der (zivilrechtlichen) Rechtswidrigkeit. Postuliert man zusätzlich, wie der BGH in der Wildtaubenentscheidung, einen abschließenden Charakter öffentlich-rechtlicher Vorschriften, so müssten konsequenterweise weitergehende Schadensersatzansprüche ebenfalls ausgeschlossen sein.1299 Damit verblieben im Grundsatz nur der
1294
Vgl. hierzu Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 114. Allg. hierzu BGHZ 143, 362, 367 f. m.w. Nachw. (Legalisierungswirkung einer wasserrechtlichen Erlaubnis); Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 53. 1296 Vgl. zu diesem vorliegend auf das Wesentliche reduzierte Konzept einer gebietsübergreifenden Rechtswidrigkeit Baldus, Einheit der Rechtsordnung, S. 12 u. passim; Hilger, Legalisierungswirkung, S. 15 ff.; Peine, NJW 1990, 2442, 2446 f.; Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 363 ff.; Wagner, Genehmigung, S. 9 ff.; Bérézowsky, Ansprüche des Arzneimittelgeschädigten, S. 175 ff.; Gerlach, JZ 1988, 161, 162 f. 1297 Eingehend hierzu Seibert, Bindungswirkung, S. 69 ff.; s.a. Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 16 ff. bes. Rn. 22. 1298 S.a. Ossenbühl, DVBl 1990, 963, 973: „Was verwaltungsrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht verboten sein“. Dieses Postulat ist auf das Haftungsrecht übertragbar. 1299 Wäre dieser Auffassung zu folgen, so kommt es freilich zu einer Divergenz zwischen der verwaltungs- und der verwaltungsaktsakzessorischen Bindung des Haftungsrecht, weil nicht alle vom Sponsor einzuhaltenden Voraussetzungen von der Ethik-Kommission zu prüfen sind (vgl. etwa § 40 Abs. 1 S. 1 AMG) sowie herstellerspezifische Verkehrssicherungspflichten hinzutreten können. 1295
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Anspruch gegen die Probandenversicherung und derAmtshaftungsanspruch1300 , aber nur unter der zusätzlichen Prämisse einer fehlenden Vorfragenkompetenz der EthikKommission gegenüber den Zivilgerichten im Hinblick auf die Konformität der klinischen Prüfung mit den §§ 40 ff. AMG. cc. Autonomie des zivilrechtlichen Haftungsrechts Der BGH betont dagegen in st. Rspr. – mit Ausnahme der Wildtaubenentscheidung – die Unabhängigkeit des zivilrechtlichen Haftungsrechts vom öffentlichen (Sicherheits-)Recht. Vor allem für die Formulierung von Verkehrspflichten sind öffentlich-rechtliche Verhaltensstandards als nicht abschließend anzusehen1301 , aber auch öffentlich-rechtlichen Genehmigungen soll keine Rechtfertigungswirkung zugestanden werden.1302 Das Haftungsrecht sei vielmehr als autonom gegenüber dem öffentlichen Recht anzusehen, sodass dieses auf zivilrechtliche Tatbestandsmerkmale keine präjudizielle Wirkung entfaltet.1303 Verwiesen wird häufig darauf, dass das öffentliche Recht nur einen einzuhaltenden Mindeststandard aufstelle, an dem sich das Haftungsrecht nicht orientieren könne.1304 Aufgrund fehlender präjudizieller Wirkung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen ist demzufolge die Haftung der an der klinischen Prüfung Beteiligten unabhängig von der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission zu beurteilen. dd. Vermittelnde Ansichten Im Schrifttum wird ein vermittelnder Weg eingeschlagen, der weder den Vorrang noch den Nachrang, sondern grundsätzlich vom Gleichrang des öffentlichen Rechts und des Zivilrechts ausgeht; eine Vorrangrelation wird anhand des jeweiligen Einzelfalls vorgenommen.1305 Zu fragen ist, ob der öffentlich-rechtlichen Genehmigung privatrechtsgestaltende Wirkung zukommt. Anzunehmen sei dies idR für den Fall, dass sich der Ersatzanspruch des Geschädigten gerade auf ein Verhalten richtet, welches von der Genehmigung erfasst sei und diese Präklusionswirkung mit gleichzeitiger Gewährung eines (Aufopferungs-)Kompensationsanspruchs entfaltet.1306 Als Hauptfall wird § 14 BImSchG angesehen. Genehmigungen, die keinerlei 1300
Allg. zu dieser Konsequenz der Wildtaubenentscheidung Canaris, in: FS Larenz, S. 27, 56; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 20 a.E. 1301 Vgl. BGHZ 139, 43, 46 f.; 139, 79, 83; hierzu Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 278. 1302 Vgl. BGHZ 92, 143, 151 (Kupolofen); hierzu Versen, Haftung, S. 30 ff.; s.a. Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 19. 1303 Vgl. Versen, Haftung, S. 122 ff.; Gerlach, JZ 1988, 161, 169, 172, 175; Sach, Genehmigung, S. 204; Hoffmann-Riem, AöR 115 (1990), 400, 446; im Ergebnis auch Canaris, in: FS Larenz, S. 27, 56; zusammenfassend Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 369 f. 1304 Krit. dazu Jansen, AcP 202 (2002), 517, 532; Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 389 ff. m.w. Nachw. 1305 Eingehend hierzu Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 283 ff. u. 290 ff., bes. 295 f. für das Verhältnis von Deliktsrecht und Straßenverkehrsordnung. 1306 Vgl. Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 284 f.; 316 f.; ders., Genehmigung, S. 123 ff.; ders., NuR 1992, 201, 203; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 19; Peine, NJW 1990, 2442,
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Kompensationsansprüche vorsehen, entfalten weder privatrechtsgestaltende Wirkung noch kann ihnen eine Duldungspflicht Dritter beigemessen werden. Hierzu soll etwa die Baugenehmigung zählen, die mangels einer Ausschluss- und Präklusionsvorschrift keine Rechtfertigungswirkung im Nachbarschaftsverhältnis erzeugt.1307 In der vorliegenden Konstellation fraglich erweist sich insbesondere, dass ein „kompensationsähnlicher“ Anspruch nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG gegen eine Probandenversicherung sichergestellt wird. Sie folgt gerade dem Gedanken der Aufopferung. Jedoch geht § 40 Abs. 3 S. 3 AMG davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch erlischt, soweit aus der Versicherung geleistet wird. Folgerichtig muss das AMG davon ausgehen, dass Schadensersatzansprüche gegen die an der Prüfung Beteiligten vor der Leistung aus der Probandenversicherung bestehen und bei fehlender Kompensation auch fortbestehen, was die grundsätzliche Möglichkeit der Rechtswidrigkeit und die fehlende privatrechtsgestaltende Wirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission notwendigerweise voraussetzt. Nach dieser Auffassung werden zivilrechtliche Schadensersatzansprüche durch die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission nicht präkludiert. ee. Übertragung auf das Recht der klinischen Prüfung – Besonderheiten der kooperativen Risikoverwaltung Deutsch hat treffend hervorgehoben, dass an wenigen „Nahtstellen“, z. B. in § 823 Abs. 2 BGB, die in anderen Rechtsgebieten begründete Widerrechtlichkeit in das Bürgerliche Recht übernommen werden, dies aber nicht dazu nötigen dürfe, den Rechtswidrigkeitsbegriff an den Erfordernissen des anderen auszurichten. Es wäre ein zu großes Opfer, für die Harmonisierung der Rechtswidrigkeitsvorstellungen im Gesamtgebiet des Rechts den eigenständigen Zweck der Heraushebung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens im Privatrecht preiszugeben.1308 Oftmals verhalte es sich „wie zwei einander schneidende Kreise“1309 . So sehr die letztgenannte Auffassung, die auf die privatrechtsgestaltende Wirkung der Genehmigung abhebt, zu tragbaren Ergebnissen im Hinblick auf den geschädigten Versuchsteilnehmer führen würde, so scheint die Lage bei der klinischen Prüfung differenzierter zu betrachten sein. Obgleich Peine es für „ohne weiteres denkbar“ erachtet, einer Genehmigung alleinige Wirkung im öffentlichen Recht zuzusprechen, ohne dass dies näher zu begründen wäre1310 , so sticht jedoch bei der klinischen Prüfung die Parallelisierung des Pflichtengefüges der für die klinische Prüfung Verantwortlichen und der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission hervor, was die Schutzgesetzqualität der 2443 ff.; Canaris, in: FS Larenz, S. 27, 56; nahestehend Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 290 ff.; s.a. Versen, Haftung, S. 60 ff.; Ossenbühl, DVBl 1990, 963 ff. 1307 Vgl. zu den genannten Beispielen Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 316 f.; ders., Genehmigung, S. 123 ff., 212 ff., 230 ff.; Spindler, in: Bamberger/Roth, § 823 Rn. 19; Peine, NJW 1990, 2442, 2443 ff. 1308 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 283 f. für das Verhältnis von Strafrecht und Zivilrecht. 1309 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 291 für das Verhältnis von Deliktsrecht und Straßenverkehrsordnung; ähnlich Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 95 u. S. 111 ff. 1310 Peine, NJW 1990, 2442, 2446 m.w. Nachw.
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§§ 40 ff. AMG anschaulich belegt: Über die Nahtstelle des § 823 Abs. 2 BGB sowie über gesetzliche Nebenleistungs- und Schutzpflichten wird nahezu ein gesamter Teil öffentlich-rechtlicher (Risiko-)Vorschriften in das Privatrecht inkorporiert, sodass die Autonomie des Haftungsrechts begründungspflichtig ist. Ob allein die Tatsache einer fehlenden Ausschluss- und Präklusionsvorschrift ausreichen kann, erscheint vor diesem Hintergrund fraglich. Die autonome Geltung des Haftungsrechts hat man vielmehr im Zweck des AMG selbst zu suchen1311 und kann nicht mit dem Hinweis begründet werden, dass lediglich ein „Mindeststandard“ durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgegeben werden, weil gerade die Optimierung des Schutzes der Versuchsteilnehmer das primäre Anliegen der §§ 40 ff. AMG ist.1312 Für den Bereich des Arzneimittelzulassungsrechts hat bereits Di Fabio auf das Bestandskraftproblem von Verwaltungsakten bei Risikoentscheidungen hingewiesen. Die Vorläufigkeit von Verwaltungsentscheidungen im Unsicherheitsbereich ist ein wesentliches Kennzeichen staatlicher Risikoentscheidungen. Dem Zulassungsinhaber wird kein Vertrauensschutz im Hinblick auf die Zulassung eingeräumt, was die Vorschrift des § 5 AMG bestätige. Arzneimittel werden vielmehr als Produkte in Dauererprobung behandelt, ohne dass der Staat mit der Risikoorganisation eine Verantwortung übernehme.1313 Sowohl dem Vertrauensschutz als auch der Legalisierungswirkung, auf die die erstgenannte Auffassung beim rechtgebietsübergreifenden Rechtswidrigkeitsurteil abstellt, steht im Bereich des Arzneimittelzulassungsrecht die laufende Reversibilität der arzneimittelrechtlichen Risikoabschätzung entgegen. Weiterhin folgt aus § 25 Abs. 10 AMG, wonach die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers durch die Zulassung unberührt bleibt, dass der Zulassung kein abschließender und für das Straf- und Haftungsrecht verbindlicher Charakter zukommt.1314 Die Verwaltungsakzessorietät wird damit ausdrücklich ausgeschlossen.1315 Für die klinische Prüfung mit Arzneimitteln kann
1311
Ebenso Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 20 a.E. für ordnungsrechtliche Inanspruchnahme: „Den Umfang der Legalisierungswirkung bestimmt das Fachrecht“; ferner Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 53. 1312 Wie hier für die Zulassung von Arzneimitteln Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 389 ff.; krit. zum Mindestschutz öffentlich-rechtlicher Vorschriften auch Jansen, AcP 202 (2002), 517, 533. 1313 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 304 ff.; dem folgend Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 421 f., 423 ff.; aus dem Umweltrecht Hoffmann-Riems, AöR 115 (1990), 400, 445 f.; s.a. Trute, Verzahnung, S. 188; Bérézowsky, Ansprüche des Arzneimittelgeschädigten, S. 179 f.; differenzierend Mayer, Produktverantwortung, S. 570 ff.; ders., MedR 2008, 595, 596 ff.; allgemein zum Verwaltungsakt zwischen Beständigkeit und Anpassung Bumke, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 205 ff., bes. Rn. 210. 1314 Ausf. zu diesem Gesichtspunkt Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 374 ff; ferner Bérézowsky, Ansprüche des Arzneimittelgeschädigten, S. 179 f. 1315 Vgl. Anker, in: Deutsch/Lippert, § 25 Rn. 25: „Vertragsverletzungen, Delikts- und Produkthaftungsvorschriften können und sollen mit verwaltungsrechtlichen Regelungen nicht außer Kraft gesetzt werden“; s.a. Bérézowsky, Ansprüche des Arzneimittelgeschädigten, S. 180.
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aufgrund der sogar gesteigerten Risikogegebenheiten nichts anderes gelten.1316 Die Reversibilität wird durch § 40 Abs. 1 S. 3 AMG eigens dadurch zum Ausdruck gebracht, dass klinische Prüfungen unter fortlaufendem Rechtsfertigungsbedürfnis stehen.1317 Weiterhin hat man zu berücksichtigen, dass der Amtsermittlungsgrundsatz sowohl bei der klinischen Prüfung als auch bei der Zulassung von Arzneimitteln zugunsten eines Unterlagenprüfverfahrens mit Verlagerung der (primären) Sachverhaltsermittlungspflicht auf den Antragssteller nur eingeschränkte Geltung besitzt. Notwendigerweise divergiert die Sachverhaltsermittlungspflicht des über den Schadensersatzanspruch des Versuchsteilnehmers erkennenden Zivilgerichts mit derjenigen der Ethik-Kommission, sodass eine Hineinverlagerung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission in die schadenskompensationsrechtliche Ebene zu Brüchen führen muss. Hinzu kommt, dass Ethik-Kommissionen nur prognostisch-generell tätig werden, die kompensatorische Ebene jedoch eine konkret-retrospektive Begutachtung verlangt.1318 Dass der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission Vertrauensschutz und rechtsgebietsübergreifende Legalisierungswirkung zukommen soll, erscheint vor diesem Hintergrund daher ebenso fraglich und ausgeschlossen, wie bei der Zulassung von Arzneimitteln durch die Bundesoberbehörde. Abgesehen vom prinzipiellen Bestandskraftproblem dürfte sich als letztlich ausschlaggebend erweisen, dass öffentlich-rechtliche Genehmigungen nicht die Befugnis zur Verletzung von Rechtsgütern beinhalten (können)1319 , womit im Bereich medizinischer Versuche am Menschen bei gegenteiliger Auffassung ein besonders heikles Themengebiet angesprochen ist. Ist für den Regelungsgehalt einer Genehmigung grundsätzlich das jeweils betroffene Fachrecht heranzuziehen1320 , so lässt sich in der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission die feststellende Konformität der klinischen Prüfung mit den §§ 40 ff. AMG erblicken, nicht jedoch eine Rechtsverletzungsbefugnis, mag sie im Bereich der klinischen Prüfung auch die notwendige Folge sein. Heitz hat diesbezüglich hervorgehoben, dass die Legalisierungswirkungen prognostischer Genehmigungen nicht auf die Situation der Schadensrealisierung übertragbar erscheinen. Dies würde zu einer schutzlimitierenden Wirkung für Außenstehende und nicht am Verfahren beteiligte Dritte führen.1321 Bei Risikoentscheidungen geht es vielmehr, anders als etwa bei der Baugenehmigung, 1316 Allg. zur ähnlichen, aber im Verhältnis zur Arzneimittelzulassung gesteigerten Risikosituation bei der klinischen Prüfung Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 211 ff.; Mayer, Produktverantwortung, S. 612; Wölk, Risikovorsorge, S. 225, 238 f. 242 ff., 262, 283 f. 1317 § 40 Abs. 1 S. 3 AMG: „wenn und solange“. 1318 Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 396 f. 1319 In diesem Sinne auch Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 295; Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 366 ff. m.w. Nachw.; Sach, Genehmigung, S. 76 ff.; Peine, NJW 1990, 2425, 2431; Hübenett, Rechtswidrige behördliche Genehmigungen, S. 34; Bérézowsky, Ansprüche des Arzneimittelgeschädigten, S. 177 f.; differenzierend Mayer, MedR 2008, 595 f. m.w. Nachw. 1320 Vgl. Sach, Genehmigung, S. 50 ff.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 20 a.E.; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 53 u. 212. 1321 Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 367.
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um den (präventiven) Schutz unbeteiligter Dritter und nicht um den Vertrauensschutz des Genehmigungsinhabers.1322 Die Konsequenz einer Legalisierungswirkung durch die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission würde eine erhebliche Schadenskompensationsverkürzung auf Seiten des Versuchsteilnehmers nach sich ziehen. Im Verhältnis zu den tatsächlichen Verantwortungsträgern der klinischen Prüfung würde eine Legalisierungswirkung zu einer (Schadens-)Duldungspflicht und mithin zu einer arzneimittelgesetzfremden Risikozuweisung zum Versuchsteilnehmer führen.1323 Deutsch hat daher zutreffend öffentlich-rechtlichen Spezialregelungen grundsätzlich die Funktion einer Erweiterung des zivilrechtlichen Schutzes zuerkannt.1324 So hat man richtigerweise davon auszugehen, dass das öffentliche Recht und auch die durch Verwaltungsakt für den Einzelfall konkretisierte Gestattung nicht zivilrechtliche Schutzpositionen entwertet.1325 Allein eine solche Betrachtungsweise vermag für die klinische Prüfung zu überzeugen: Fehlerhafte Präventionsarbeit darf sich nicht nachteilig auf diejenigen Personen auswirken, zu deren Zweck die Risikoprävention vorgenommen wird.1326 Dies setzt die autonome Geltung des Haftungsrechts im Bereich klinischer Prüfungen voraus. Dass es an einer Risikozuweisungsvorschrift entsprechend dem § 25 Abs. 10 AMG ermangelt, ist vor diesem Hintergrund unschädlich.1327 Dem öffentlich-rechtlichen Sicherheitsrecht kann daher nur eine kompensatorisch ergänzende Funktion zugeschrieben werden, ohne haftungsrechtlich schutzbegrenzende Funktion zu entfalten, zumal für die Verwirklichung konkreter Gefahren und der konkreten Nachsorge das Privatrecht mehr Schutz bietet und gewährleistet.1328 Dass die Kehrseite das limitierte Vertrauen des Genehmigungsinhabers in die erteilte Genehmigung nach sich zieht1329 , steht im Einklang mit der Intention des Arzneimittelgesetzgebers, denn erst die Abkopplung des Haftungsrechts vom Sicherheitsrecht führt zu einer angemessenen Risikozuweisung an den Sponsor der klinischen Prüfung.1330 1322
Vgl. Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 368; Sach, Genehmigung, S. 49 f. In diesem Sinne auch Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 431. 1324 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 295 mit Blick auf das Straßenverkehrsrecht; ebenso Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 430; Gerlach, JZ 1988, 161, 172, 175; s.a. Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 112: „Gegenseitige Ergänzung und Stärkung“ für das Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Rundfunkaufsichtsrecht. 1325 Vgl. Canaris, in: FS Larenz, S. 27, 55 f.; Wagner, Genehmigung, S. 100 f.; dem folgend Jansen, AcP 202 (2002), 517, 532. 1326 Im Ergebnis wie hier für die Arzneimittelzulassung Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 376: „In diesen Fällen des Versagens präventiver Kontrolle würde eine Übertragung der rechtlichen Wirkungen der verwaltungsrechtlich wirksamen Genehmigung in das Haftungsrecht den Verbraucher zusätzlich in seinem kompensatorischen Schutz beschneiden und im Ergebnis schutzlos stellen“ u. S. 430 f. 1327 Der Vorschrift wird ohnehin nur deklaratorische Bedeutung zugemessen, vgl. Anker, in: Deutsch/Lippert, § 25 Rn. 25. 1328 So insb. Gerlach, JZ 1988, 161, 167. 1329 Vgl. Trute, Verzahnung, S. 189; Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 430 1330 Vgl. auch Heitz, Arzneimittelsicherheit, S. 429 f.; Bérézowsky, Ansprüche des Arzneimittelgeschädigten, S. 180. 1323
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Festzuhalten ist, dass die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission keine Legalisierungswirkung auf schadenskompensationsrechtlicher Ebene entfaltet. Die Durchführung der klinischen Prüfung kann daher aus präventiver Sicht öffentlich-rechtlich rechtmäßig, aus nachträglich zivilrechtlich-kompensatorischer Sicht rechtswidrig sein. Ein Bruch mit dem Prinzip der Einheit bzw. der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung muss damit nicht notwendigerweise verbunden sein. Bumke hat in neuerer Zeit aufgezeigt, dass „durch die Schaffung eines Abhängigkeitsverhältnisses die Möglichkeit eröffnet wird, vom abhängigen Gebiet aus punktuell und gezielt auf das leitende Gebiet einzuwirken“. Gleichzeitig hat er die Aufgabe des Schlagworts „Einheit der Rechtsordnung“ postuliert und eine Besinnung auf die „verdeckte Sachaufgabe, die rechtlichen Regelungen zweier Rechtsgebiete aufeinander abzustimmen“, gefordert.1331 Für das Recht der klinischen Prüfung lässt sich ebenfalls ein „Abhängigkeitsverhältnis“ insoweit ersehen, als den §§ 40 ff. AMG in erster Linie schadensvorbeugende Zielsetzung zukommt, wobei das zivilrechtliche Haftungsrecht für umfängliche Kompensation bei fehlgeschlagener Prävention nicht nur seine autonome Geltung, sondern auch die autonome „Unterstützung“ durch das öffentliche Recht beanspruchen muss. Dies korreliert mit der von Deutsch getroffenen Feststellung, dass die §§ 40 ff. AMG sowohl eine behördliche VorwegKontrolle bezwecken als auch eine Im-Nachhinein-Kontrolle über § 823 Abs. 2 BGB gewährleistet werden soll.1332 Eine solche Sichtweise muss zugleich Aus- und Rückwirkung auf die Funktionspräzisierung der Ethik-Kommission haben; nämlich Auswirkung insoweit, als sie in ihrer patienten-/probandenschutzbezogenen Funktion ein „Herabwandern“ der §§ 40 ff. AMG auf die schadenskompensatorische Ebene durch umfassende Begutachtung zu verhindern hat, und Rückwirkung insoweit, als bei „Herabwanderung“ der §§ 40 ff. AMG zugunsten umfassender Schadensausgleichmöglichkeiten ihr keinerlei Funktion mehr zugesprochen werden darf. c. Bindung der Zivilgerichte an bestandskräftige Verwaltungsakte – Tatbestandswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission Eine Legalisierungswirkung durch die zustimmende Bewertung der EthikKommission mit der Folge des (zivilrechtlichen) Rechtswidrigkeitsausschlusses auf der Ebene der Schadenskompensation ist zu verneinen. Eine etwaige Tatbestandwirkung der zustimmenden Bewertung kann sich jedoch auf den Prüfungsumfang des über den Schadensersatzanspruch des geschädigten Versuchsteilnehmers erkennenden Zivilgerichts auswirken. Die Ethik-Kommission konkretisiert und individualisiert mit ihrer zustimmenden Bewertung die §§ 40 ff. AMG für den konkreten Einzelfall. Klärungsbedürftig ist die Kompetenz des Zivilgerichts, sich über die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission hinwegzusetzen. Hierbei 1331
Vgl. Bumke, Rechtswidrigkeit, S. 113 ff. (Zitat: S. 116); nahestehend Gerlach, JZ 1988, 161, 174 ff. 1332 Deutsch, in: Deutsch/Lippert, Vor §§ 40 ff.
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sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen kann beim Amtshaftungsprozess gegen die Ethik-Kommission die vorherige zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission „Wirkung“ entfalten. Zum anderen ist es denkbar, dass das über Schadensersatzansprüche urteilende Zivilgericht gegen andere an der klinischen Prüfung Beteiligte die Tatbestandswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission berücksichtigen muss. aa. Überprüfung bestandskräftiger Verwaltungsakte im Amtshaftungsprozess Nach st. Rspr. und (ganz) hL entfalten Verwaltungsakte dann keine Tatbestandswirkung, wenn Gerichte zur Entscheidung über Rechtsbehelfe gegen den Verwaltungsakt berufen sind oder der Verwaltungsakt Gegenstand eines Amtshaftungsprozesses ist. Die Zivilgerichte überprüfen, soweit die Amtspflichtverletzung im Erlass eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht, diesen ohne Rücksicht auf seine Bestandskraft auf dessen Rechtsmäßigkeit. Die zivilgerichtliche Kompetenz zur Rechtsmäßigkeitsprüfung wird folglich nicht durch eine mögliche Bestandskraft oder Unanfechtbarkeit ausgeschlossen. Indirekt folgt dies aus § 839 Abs. 3 BGB, weil bei unverschuldeter Inanspruchnahme des Primärrechtsschutzes ein Ersatzanspruch möglich bleiben muss.1333 Auf Grundlage der h. M. erweisen sich insoweit Voten der Ethik-Kommissionen im Falle eines gegen sie gerichteten Amtshaftungsprozesses als zivilgerichtlich umfassend überprüfbar.1334 Beurteilungsspielräume der Ethik-Kommissionen werden dabei wie aufgezeigt berücksichtigt. bb. Die Tatbestandswirkung im Übrigen – Vom verfahrensrechtlichen zum materiell-rechtlichen Kooperationsprinzip? Geht es nicht um die Überprüfung der Rechtsmäßigkeit eines Verwaltungsaktes durch einen Spruchkörper, der zur Kassation der Behördenentscheidung ermächtigt ist und 1333
Vgl. BGHZ 86, 356, 359; 90, 17, 23; 112, 363, 365; 113, 17, 18 f.; 117, 159, 156; 127, 223, 225; DVBl. 2003, 460, 461; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 417; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 265; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 323; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 122; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 25 ff.; Rinne, in: FS Boujong, S. 633, 635; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 222; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 131; Wilhelms, NJ 2005, 337, 338 m. Fn. 6; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 22; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 87; Beaucamp, DVBl 2004, 352, 355 f.; Nierhaus, JZ 1992, 209, 210 f.; Steinweg, NJW 2003, 3037, 3039; Lückemann, in: Zöller, § 23 GVG Rn. 37; s.a. BVerwG ZOV 2005, 186, 187; a.A. etwa Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 22 m.w. Nachw. in Fn. 50; Broß, VerwArch 78 (1987), 91, 106 u. 110; ausf. zum Streitstand Beaucamp, DVBl 2004, 352 ff. Etwas anderes gilt für den Fall, dass der Verwaltungsakt bereits gerichtlich überprüft wurde. Die Prüfungsbefugnis des Zivilgerichts wird in diesem Falle durch die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Vorentscheidung im Primärprozess begrenzt und bindet das Zivilgericht (Präjudizwirkung). Im Falle einer zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission besteht indes kein Anlass für den Sponsor, die Entscheidung gerichtlich zu überprüfen und auch dem Versuchsteilnehmer fehlt es an der Möglichkeit des Primärrechtsschutzes gegen Voten der Ethik-Kommissionen, sodass eine bindende Vorentscheidung durch ein Verwaltungsgericht nicht vorliegen wird; wie hier van der Sanden, Haftung, S. 194 f.. 1334 Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 194.
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liegt auch kein Amtshaftungsprozess vor, so entfaltet der Verwaltungsakt grundsätzlich Tatbestandswirkung.1335 Klagt der geschädigte Versuchsteilnehmer gegen den Sponsor und/oder gegen weitere an der klinischen Prüfung Beteiligte1336 , so ist die vorliegend entscheidungserhebliche Frage dahingehend zu präzisieren, wieweit das aus der Tatbestandwirkung resultierende Abweichungsverbot von der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission für die Zivilgerichte gilt. Während sich für die Legalisierungswirkung von Genehmigungen mit Blick auf die (zivilrechtliche) Rechtswidrigkeit noch ein hinreichend verfestigtes Meinungsspektrum herauskristallisieren ließ, so entbehrt die vorliegende Thematik an jeglichen Konturen.1337 Die Diskussion über die Tatbestandswirkung ist eher durch Zurückhaltung geprägt. So wird überwiegend nur darauf verwiesen, dass ein Verwaltungsakt vor seiner Aufhebung von dem ordentlichen Gericht grundsätzlich „zu beachten“ bzw. bei seiner Entscheidung „zugrunde zu legen“ ist.1338 Nach Ruffert 1339 soll durch die Tatbestandwirkung eine eigene Regelung in Abweichung vom regelnden Ausspruch des Verwaltungsakts „im Grundsatz verhindert“ werden und Dolde1340 hebt hervor, dass die Gerichte an den Inhalt des Verwaltungsaktes selbst im Falle seiner Rechtswidrigkeit gebunden seien. Eine vorherrschende Auffassung mit Blick auf die Reichweite bzw. den Inhalt der Tatbestandswirkung lässt sich nicht ausmachen. Die Auffassungen reichen von der Tatsache, dass ein Verwaltungsakt ergangen ist, über dessen Regelung und Inhalt zu dessen Feststellungen und vereinzelnd auch zu den die Entscheidung tragenden rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen.1341 Etwas präziser bringt Bumke zum Ausdruck, dass in dem Falle, in dem die Gerichte eine Entscheidung zu treffen haben und die Anwendung des Tatbestandsmerkmals für den konkreten Sachverhalt bereits durch die Verwaltung qua Verwaltungsakts vorgenommen worden ist, die Gerichte diese Entscheidung grundsätzlich zugrunde zu legen haben.1342 1335
In diesem Sinne Althammer, JZ 2005, 253, 254. Nicht gestützt werden kann die Bindungswirkung des Verwaltungsakts etwa gegenüber dem Prüfarzt auf die materielle Bestandskraft des Verwaltungsakts, da dieser am Verwaltungsverfahren nicht beteiligt ist (§ 13 VwVfG). Eine Bindung ergibt sich nur aus der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts. Allg. hierzu BGHZ 158, 19 = JZ 2005, 251 m. Anm. Althammer. 1337 Eingehend hierzu Seibert, Bindungswirkung, S. 69 ff.; ferner Rühl, JuS 1999, 521, 522 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 105. 1338 So etwa BGHZ 73, 114, 117; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 265; Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 18; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 17; Bumke, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 221; weitere inhaltspräzisierende (Leer-)Formulierungen bei Seibert, Bindungswirkung, S. 70. Vgl. ferner Kissel/Mayer, § 13 GVG Rn. 21; Wittschier, in: Musielak, § 13 GVG Rn. 10. 1339 Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, § 21 Rn. 17 a.E. 1340 Dolde, NJW 1988, 2329, 2333; dem folgend Rühl, JuS 1999, 521, 523. 1341 Vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, § 43 Rn. 19 f., 22; Althammer, JZ 2005, 253, 255; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 19 u. 23; Dolde, NJW 1988, 2329, 2333; Seibert, Bindungswirkung, S. 127 ff.; Knöpfle, BayVBl 1982, 225, 229; Rühl, JuS 1999, 521, 523 u. jew. m.w. Nachw. 1342 Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR II, § 35 Rn. 221. 1336
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Auch die Rspr. des BGH ist nicht stringent. In Entscheidungen jüngeren Datums hat der BGH die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten dahingehend umschrieben, dass außer der Behörde sowie den Verfahrensbeteiligten iSv § 13 VwVfG auch alle anderen Behörden sowie grundsätzlich alle Gerichte die Tatsache, dass der Verwaltungsakt erlassen wurde, als „maßgeblich akzeptieren müssen“. Die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung haben sie „unbesehen, das heißt ohne dass sie die Rechtsmäßigkeit des Verwaltungsakts nachprüfen müssten oder dürften, zugrunde zu legen“1343 . Die ordentlichen Gerichten sind demgemäß grundsätzlich verpflichtet, einen Verwaltungsakt, der nicht nichtig ist, als gültig anzuerkennen, solange er nicht von Amts wegen oder auf Rechtsbehelf in dem dafür vorgesehenen Verfahren aufgehoben worden ist.1344 Der BGH geht daher grundsätzlich von einer Bindungswirkung gegenüber dem Zivilgericht aus.1345 Hervorgehoben hat der BGH jedoch anderenorts, dass der „Gegenstand und die rechtliche Tragweite der Bestandskraft eines Verwaltungsakts [lassen] sich jedoch nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete und für alle Arten von Verwaltungsakten beurteilen“ lassen.1346 Abweichungsverbote für die Zivilgerichte hat er wiederum andererseits nur bei verwaltungsgerichtlich bestätigten Verwaltungsakten angenommen und im Übrigen eine Tatbestandswirkung nicht gerichtlich bestätigter Verwaltungsakte abgelehnt.1347 Gesetzlich kann die Bindung des Gerichts an bestandskräftige Verwaltungsakte ausgeschlossen sein1348 ; vor allem gilt dies dann, soweit es um privatrechtliche Beziehungen geht, auf die sich der Verwaltungsakt kraft gesetzlicher Regelungen nicht auswirkt.1349 Eine solche Vorschrift ist für die Arzneimittelzulassung in § 25 Abs. 10 AMG zu erblicken und wie bereits erörtert ist die Interessenlage auf die klinische Prüfung übertragbar. Insoweit dürften auch hier die bereits angestellten Überlegungen zur Legalisierungswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission Bedeutung entfalten, sodass die Unbeständigkeit des Ethik-Kommissionsvotums sich bestandskraftsbegrenzend bei der Tatbestandswirkung auswirken muss. Ein einfaches „Übergehen“ der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission durch die Zivilgerichte könnte aber hier das Gewaltenteilungsprinzip entgegenstehen. So werden Abweichungsverbote der Zivilgerichte überwiegend mit dem Gewaltenteilungsprinzip begründet, weil erst die Bindungswirkung der Gerichte an Verwaltungsakte die Gleichwertigkeit der Exekutive
1343
BGHZ 158, 19 = JZ 2005, 251 m. Anm. Althammer (eigene Hervorhebung); BGH NJW-RR 2007, 398, 399 m.w. Nachw.; NJW-RR 2006, 913; NVwZ-RR 2008, 154, 156. 1344 In diesem Sinne BGHZ 20, 211, 217; 73,114, 117; 112, 363, 365; NJW 1988, 1026, 1027. 1345 Vgl. BGHZ 112, 363, 365 m. Verweis auf BVerwG NJW 1976, 1987, 1989; DÖV 1985, 1013, 1014; BVerwGE 73, 315, 320. 1346 Vgl. BGHZ 112, 363, 365 f. m. Verweis auf BVerwGE 48, 271, 279. 1347 Vgl. BGHZ 117, 159, 166; hierzu auch Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 128 m.w. Nachw; Broß, VerwArch 78 (1987), 91, 102 f. 1348 Vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 128 m.w. Nachw; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 21 Rn. 18 a.E. 1349 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 132 a.E.
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sicherstelle.1350 Darüber hinaus ist bereits an anderer Stelle dargelegt worden, dass den Ethik-Kommissionen ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es handelt sich um eine administrative Letztentscheidungsbefugnis auf der Grundlage einer gesetzlichen Beurteilungsermächtigung. Entscheidet nun das Zivilgericht in Abweichung von der Ethik-Kommission, so würde nicht nur deren Eigenständigkeit dadurch negiert, sondern zusätzlich würde das Gericht Tatbestandsvoraussetzungen prüfen, die den Ethik-Kommissionen zur letztverbindlichen Konkretisierung und Individualisierung zugewiesen sind, die noch nicht einmal ein Verwaltungsgericht im Primärrechtsschutz vollständig überprüfen könnte. Diesen Einwänden lässt sich jedoch auf unterschiedliche Weise entgegentreten. So wird bereits seitens der Literatur darauf hingewiesen, dass die Bindungswirkung nicht der Sicherstellung der Gewaltenteilung, sondern der Rechtssicherheit dient, die auch zur Durchbrechung der Bestandskraft führen kann, wenn der Verwaltungsakt keine ausreichende Verlässlichkeitsgrundlage darstellt.1351 Die fehlende Beständigkeit eines Verwaltungsaktes bei Risikoentscheidungen ist bereits dargelegt worden. Die Tatbestandswirkung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission kann vor diesem Hintergrund nicht absolut gelten. Für den Eingriff der Judikative in die Kompetenz der Ethik-Kommission zur Letztentscheidungsbefugnis ist ein Rückgriff auf die bereits dargelegten Erwägungen notwendig, dass die Ethik-Kommissionen präventiv-generell, (Zivil-)Gerichte beim Schadensausgleich aber konkret-retrospektiv urteilen. Würde man die administrative Letztentscheidungsbefugnis in die sekundäre Ebene des Schadensausgleichs verlagern, so würde dies zu einer erheblichen Rechtsschutzverkürzung des Versuchsteilnehmers führen. Die bereits herausgearbeitete Ergänzungsfunktion öffentlichrechtlicher Vorschriften für den Schadensausgleich wäre gegenstandslos. Insoweit hat man entsprechend den Ausführungen zur Legalisierungswirkung den Einfluss des Ethik-Kommissionsvotums bei „Herabwanderung“ der §§ 40 ff. AMG auf die Schadenskompensation zu versagen; eine solche fehlende Tatbestandswirkung lässt sich in Anlehnung an § 25 Abs. 10 AMG begründen. Gleichwohl drängen sich bei dieser Konzeption Widersprüche auf, die sich am eindrucksvollsten an der (theoretisch) denkbaren Konstellation einer gesamtschuldnerischen Haftung von Sponsor und Ethik-Kommission aufzeigen lassen1352 : Die Konsequenz bestünde in diesem Fall darin, dass im Rahmen der Amtspflichtverletzung die der Beurteilungsermächtigung der Ethik-Kommission obliegenden Tatbestandsmerkmale nur eingeschränkt, dieselben Tatbestandsmerkmale gegenüber 1350 Vgl. hierzu krit. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 123; Rühl, JuS 1999, 521, 523 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 25 ff., jew. m.w Nachw. 1351 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 26; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 Rn. 123; weiterführend Rühl, JuS 1999, 521, 523 f. 1352 Eine gesamtschuldnerische Haftung kann im Falle vorsätzlicher Amtspflichtverletzungen bestehen, weil in diesem Fall § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anwendbar ist. Möglich ist indes auch eine teleologische Reduktion des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Pflichtengleichlaufs zwischen EthikKommission und Sponsor, was ebenfalls zu einer gesamtschuldnerischen Haftung führen würde. Hierzu bereits oben, § 5 B.II.9.c.
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dem Sponsor voll gerichtlich überprüfbar wären. Soll etwa die Angemessenheit der Probandenversicherung (§ 40 Abs. 3 S. 2 AMG) im Verhältnis zur Ethik-Kommission begrenzter, im Verhältnis zum Sponsor vollständiger gerichtlicher Nachprüfung obliegen? Eine administrative Letztentscheidungsbefugnis würde verlangen, die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission auch im Verhältnis zum Sponsor der Schadensersatzklage „zugrunde zu legen“. Ob dies jedoch mit der Tatbestandswirkung der zustimmenden Bewertung begründbar ist, erscheint jedoch deswegen zweifelhaft, weil die h. M. eine solche Wirkung in einem Amtshaftungsprozess ablehnt. Raum für eine Tatbestandswirkung wäre in diesem Falle nur unter der Prämisse anzunehmen, dass die Ethik-Kommission von vornherein nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB aus dem Kreis der Ersatzverpflichteten ausscheidet. Das Auseinanderfallen der gerichtlichen Prüfungskompetenz lässt sich jedoch vor dem Hintergrund begründen, dass Ethik-Kommissionen ausschließlich präventiv tätig werden und sie nur für ihre präventive Risikoverwaltung eine gesetzliche Beurteilungsermächtigung in Anspruch nehmen. Demzufolge kann sich ein Amtshaftungsanspruch auch nur auf Amtspflichtverletzungen im Präventivbereich erstrecken, in welchem der Beurteilungsspielraum Wirkung entfaltet. Dagegen ist der Sponsor gerade nicht auf den präventiven Vorsorgebereich beschränkt. So kann sich der Versicherungsumfang im Vorfeld als angemessen, nachträglich als unangemessen herausstellen. Erstere Beurteilung obliegt der Ethik-Kommission, letztere im konkreten Schadensfall den Zivilgerichten. Diesen ist es jedoch infolge der Beurteilungsermächtigung verwehrt, die Angemessenheit nach § 40 Abs. 3 S. 2 AMG gegenüber der Ethik-Kommission vollumfänglich zu überprüfen. Den scheinbar bestehenden Bruch mit der unterschiedlichen Prüfungskompetenz gegenüber dem Sponsor im Hinblick auf dieselben Tatbestandsmerkmale lässt sich dahingehend erklären, dass bei Hineinprognostizierung der Beurteilungsermächtigung und der Annahme einer Tatbestandswirkung im Verhältnis vom Zivilgericht und Sponsor das nur verfahrensrechtlich angeordnete Kooperationsprinzip zu einem materiell-rechtlichen Kooperationsprinzip umformuliert werden würde. Tatbestandswirkung und Beurteilungsermächtigung für die Risikovorsorge hätten nachteilige Drittwirkung gegenüber dem Versuchsteilnehmer, was der Intention des AMG in Anlehnung an § 25 Abs. 10 AMG nicht entspricht1353 und auch § 839 Abs. 1 S. 2 BGB in sein Gegenteil verkehren würde: Bei fehlender Inanspruchnahmemöglichkeit nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB folgt aus der dann geltenden Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes die prinzipielle Nichthaftung des Sponsors und daraus wiederum die prinzipiell fehlende
1353 Ähnlich in diesem Sinne auch Freund, in: MüKo/StGB, §§ 40-42a AMG Rn. 53: „Nicht zuletzt Zeit- und Kapazitätsgründe stehen einer verantwortungsersetzenden Funktion der EthikKommission entgegen. Auch bringt die Prüfung durch die Ethik-Kommission nur dann eine deutliche Steigerung in der Qualitätssicherung im Verhältnis zur alleinigen Prüfung und Entscheidung durch den Forscher, wenn sie lediglich als flankierende Maßnahme aufgefasst wird und die vollständige Verantwortlichkeit insbesondere des Leiters der klinischen Prüfung daneben erhalten bleibt“. Ebenso Mayer, Produktverantwortung, S. 612: „Das Genehmigungsverfahren dient dem zusätzlichen Schutz der Versuchsteilnehmer, nicht dazu, den pharmazeutischen Unternehmer von der Verantwortung für eigene Fehler freizustellen“.
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anderweitige Ersatzmöglichkeit, mit der Folge eines möglichen Amtshaftungsprozesses, in dessen Rahmen die Bindung aus der Tatbestandswirkung dann nicht gilt. Zu tragbaren Ergebnissen kommt man nur dann, soweit man dem Pflichtengleichlauf von Ethik-Kommissionen und Sponsor keine materiell-rechtliche, sondern nur verfahrensrechtliche und im Verhältnis Ethik-Kommission und Gericht kompetenzrechtliche Bedeutung zumisst. Nicht außer Acht zu lassen ist freilich die damit verbundene Folgerung, dass sich diese Konzeption für die Ethik-Kommissionen letztlich als Schutzschild gegenüber schadensersatzrechtlicher Inanspruchnahme erweist, was jedoch aus kompetenzrechtlichen Gründen hinzunehmen ist. Festzuhalten ist, dass die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission auf schadenskompensatorischer Ebene sowohl beim Amtshaftungsprozess gegen sie als auch bei Schadensersatzansprüchen gegen den Sponsor bzw. weiteren an der klinischen Prüfung Beteiligten keine Tatbestandswirkung entfaltet und das Zivilgericht in letzterer Konstellation auch nicht an die ausgeübte Beurteilung der Ethik-Kommission mit Blick auf die Konformität der klinischen Prüfung mit den §§ 40 ff. AMG gebunden ist. Ersteres entspricht der h. M., letzteres folgt vor allem im Anlehnung an § 25 Abs. 10 AMG und aus dem Umstand, dass ein materielles Kooperationsprinzip mit Schutzschildfunktion gegenüber dem Sponsor und weiteren Beteiligten der klinischen Prüfung nicht bezweckt sein kann. d. Einfluss des Ethik-Kommissionsvotums auf das Verschulden Als klärungsbedürftig erweist sich zudem, da die Schadenskompensation des Versuchsteilnehmers bei der klinischen Prüfung durch die Verschuldenshaftung bestimmt wird, welchen Einfluss die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission auf das Verschulden des Sponsors, der Prüfärzte und des Trägers der jeweiligen Forschungsstätte hat. Soweit dem Ethik-Kommissionsvotum ihnen gegenüber verschuldensentlastende Wirkung zuzuschreiben wäre, steigen über § 839 Abs. 1 S. 2 BGB die Haftungsrisiken für die Ethik-Kommissionen. Eine etwaige verschuldensentlastende Wirkung kann sich freilich von vornherein nur auf solche Umstände beziehen, die in die Prüfungskompetenz der Ethik-Kommissionen fallen. Behandlungs-, Versuchsplanungs- und/oder Versuchsdurchführungs- sowie Aufklärungsfehler, die ihren Ursprung in der konkreten Situation haben, scheiden von vornherein aus dem Kreis einer verschuldensentlastenden Wirkung aus.1354 Hierzu lassen sich etwa nicht lege artis durchgeführte Begleituntersuchungen, unzureichende Voruntersuchungen, fehlerhafte Dosierungen des Prüfpräparates, fehlerhafte Zuteilungen in Verum- und Kontrollgruppen sowie unterbliebene Individualaufklärungen zählen. aa. Grundlagen: Innere Sorgfalt als Voraussetzung zur Erbringung der äußeren Sorgfalt Die mit § 276 Abs. 2 BGB in Bezug genommene Fahrlässigkeit als die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zerfällt in zwei Komponente, nämlich 1354
So auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 114 m. Fn. 466; Mayer, Produktverantwortung, S. 612.
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in die äußere und die innere Sorgfalt. Die Zurechnung der Nichteinhaltung eines Verhaltensprogramms ist erst dann gegeben, wenn sowohl die äußere als auch die innere Sorgfalt fehlen. Die äußere Sorgfalt besteht im sachgemäßen Verhalten. Sie ist dann erfüllt, wenn das von der tatbestandlichen Verhaltensnorm verlangte Verhalten gesetzt wird oder der für das Rechtsgut erforderliche Umgang mit der Gefahr erfolgt. Die innere Sorgfalt, die in einem intellektuell-emotionalen Vorgang besteht, richtet sich zum einen auf die Erkenntnis der Norm und ihrer Tatbestandsmerkmale. Zum anderen ist sie auf die Erbringung der äußeren Sorgfalt gerichtet, indem man sich geistig-seelisch so einzurichten hat, dass man norm- und sachgemäß handelt.1355 Die innere Sorgfalt richtet sich demzufolge darauf, „daß die rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung nicht eintritt“, sie ist also gewissermaßen „regelmäßige Voraussetzung der Erbringung der äußeren Sorgfalt“.1356 Die §§ 40 ff. AMG stellen ein spezifisches, auf die Unwägbarkeiten der klinischen Prüfung abgestimmtes Verhaltensprogramm dar, deren Beachtung bereits auf Tatbestands- und Rechtswidrigkeitsebene zu berücksichtigen ist, die aber unter dem besonderen Aspekt der Zurechnung auch im Rahmen des Verschuldens Beachtung finden müssen.1357 Wird die klinische Prüfung unter Missachtung der §§ 40 ff. AMG durchgeführt, so liegt hierin ein Verstoß gegen das Gebot zu sachgemäßem Verhalten, bzw. treffender: Das Verhalten entspricht nicht dem erforderlichen Umgang mit den Risiken für die Rechtsgüter des Versuchsteilnehmers. Hierin liegt bereits die Verletzung der äußeren Sorgfalt. Am innerlich sorgfältigen Handeln der Beteiligten an einer klinischen Prüfung kann es jedoch deswegen fehlen, weil die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung zu der klinischen Prüfung gegeben und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass das vom Gesetz vorgegebene Verhaltensprogramm eingehalten wird, die klinische Prüfung mithin, vor allem mit Blick auf den Probanden-/Patientenschutz, äußerlich sorgfältig geplant und durchgeführt wird. Sponsor, Prüfer und der jeweilige Träger der Forschungsstätte könnten sich demzufolge darauf berufen, dass sie innerlich deswegen sorgfältig gehandelt haben, weil sie keinen Anlass zur Überprüfung ihrer äußeren Sorgfalt hatten. Unter dem Aspekt der (Verhaltens-)Zurechnung könnte also das Ethik-Kommissionsvotum den Blick auf die äußere Sorgfalt dadurch versperren, als durch die bestätigende zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission in Bezug auf das äußerlich sorgfältige Handeln der Beteiligten diese ihre innere Sorgfalt nicht auf die Erbringung einer „größeren“ oder „anderen“ äußeren Sorgfalt ausrichten mussten, es also an der Zurechnung deswegen fehlt, weil die innere Sorgfalt auf ein von der Ethik-Kommission gebilligtes äußerlich sorgaltswidriges Verhalten ausgerichtet war. Hiermit ist das zentrale Kriterium der Erkennbarkeit bzw.
1355
Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 385, 387 f.; ders., JZ 1988, 993, 995; ders., Fahrlässigkeit, S. 468 ff.; ders., JZ 2002, 588, 591; ders., in: FS Medicus, S. 77, 84 f.; ders., AcP 202 (2002), 889, 903 f.; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 135 ff. 1356 Pointiert in diesem Sinne Deutsch, JZ 1988, 993, 995. 1357 Allg. zur Sorgfalt als „Verhaltensprogramm“ Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 379; ders., in: FS Medicus, S. 77, 85.
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der Nichterkennbarkeit des Sorgfaltsgebots angesprochen.1358 So scheint es auf den ersten Anschein keinen Unterschied zu machen, ob der Verschuldensvorwurf eines auswärtigen Kraftfahrers, der ein Halteschild nicht erblickt, weil es durch einen Möbelwagen unerkennbar verstellt war, wegen Nichterkennbarkeit bzw. Einhaltung der inneren Sorgfalt entfällt1359 oder ob das Kommissionsvotum den Blick auf die Sorgfaltsgebote deswegen versperrt, weil eine nicht denAnforderungen der §§ 40 ff. AMG entsprechende klinische Prüfung zustimmend bewertet wird. So hat auch der BGH bei Äußerungen orts- und fachkundiger Behörden teilweise einen Schuldvorwurf entfallen lassen, wenn durch sie der Eindruck erweckt wurde, dass Sicherungsmaßnahmen eines gewissen Ausmaßes genügend seien.1360 Öffentlich-rechtlichen Genehmigungen misst er idR aber keine verschuldensentlastende Wirkung bei, beruft sich dabei jedoch grundsätzlich auf die Nichtabschließlichkeit der durch sie festgelegten Verkehrssicherungspflichten.1361 Dem wäre nur dann zu folgen, wenn den §§ 40 ff. AMG nur ein Mindestschutz zuzuschreiben wäre und damit die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission auch nur die Einhaltung eines solchen Mindestschutzes konstatiert. Doch sind die §§ 40 ff. AMG auf die Optimierung des Schutzes von Versuchspersonen ausgerichtet, sodass die etwaige Annahme eines „Mindeststandards“ nicht im Einklang mit der Ausrichtung der Schutzvorschriften steht. Abgesehen davon bleibt das grundsätzliche Problem bestehen, ob der Versuchsteilnehmer seine Schadensersatzansprüche gegen weitere an der klinischen Prüfung Beteiligte auf die Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG stützen kann, oder ob die Primärverpflichteten sich im Hinblick auf das ein oder andere Tatbestandsmerkmal auf fehlendes Verschulden berufen können.
bb. Möglichkeiten und Reichweite einer verschuldensentlastenden Wirkung der zustimmenden Bewertung – Vertrauen als Merkmal der Sorgfalt Im Schrifttum war man sich vor der 12. AMG-Novelle nicht einig, welche Auswirkungen das Kommissionsvotum auf die Verschuldenshaftung des Prüfarztes haben sollte. Eine verschuldensentlastende Wirkung wurde vor allem dort in Betracht gezogen, wo die Ethik-Kommission oder zumindest einzelne ihrer Mitglieder über besondere und bessere Erkenntnismöglichkeiten und Erfahrungen verfügen, als der Forscher selbst. In diesem Falle könne der Forscher auf das (sachverständigere)
1358 Zur Erkennbarkeit BGH NJW 1985, 620, 621; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 388; ders., JZ 1988, 993, 996; ders., in: FS Medicus, S. 77, 85; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 68 ff.; HK-BGB/Schulze, § 276 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, § 276 Rn. 20; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 50. 1359 Zu diesem Beispiel Deutsch, in: FS Medicus, S. 77, 85; ders., JZ 1988, 993, 996; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 50. 1360 Vgl. BGH VersR 1967, 859, 861; 1976, 776, 777. 1361 Vgl. BGHZ 92, 143, 151 f. (Kupolofen); NJW 1985, 620, 621 m.w. Nachw.; strikt gegen einen Verschuldensausschluss durch Genehmigung Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 284 a.E.; s.a. Versen, Haftung, S. 185 ff.
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Kommissionsvotum vertrauen.1362 Mit Blick auf Einwilligung und Aufklärung, aber auch in Bezug auf weitere juristische Fragen, wurde vermehrt auf einen Rechtsirrtum abgestellt, der z. T. in Anlehnung an die „Kollegialgerichtsrechtsprechung“, vor allem aber aus dem Gedanken der Einholung eines „Rechtsrats“, für entschuldigt angesehen wurde.1363 Überwiegende Einigkeit bestand darin, dass das Votum dann nicht entschuldigt, wenn der Arzt die Fehlerhaftigkeit hätte erkennen können oder müssen.1364 Auch Extrempositionen wurden vertreten.1365 In neuerer Zeit hat Mayer für das Strafrecht die Auswirkungen der Arzneimittelzulassung und der Prüfungsgenehmigung im Rahmen klinischer Studien mit Blick auf die (strafrechtliche) Verantwortung des Genehmigungsinhabers und des näheren Kreises weiterer Beteiligter untersucht und dabei den Vertrauensgrundsatz in das Zentrum der Diskussion gestellt, zu dessen näherer Konturierung er auf die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Genehmigungsempfänger und Behörde zurückgreift. DieArzneimittelzulassung konkretisiere verbindlich das „erlaubte Risiko“. Durch die Zwischenschaltung einer staatlichen Kontrollbehörde werde insoweit ein Vertrauenstatbestand gesetzt, indem Sorgfaltspflichten der Behörde begründet werden, die in gleichem Maße die Sorgfaltspflichten des Genehmigungsempfängers reduzieren. Solange Letzterer kein Anlass habe, an der Pflichtmäßigkeit des Behördenhandelns zu zweifeln, dürfe dieser die Rechtsmäßigkeit der Entscheidung unterstellen. Er komme seinen Sorgfaltspflichten nach, indem er sein Verhalten genehmigungskonform ausgestalte. Grundvoraussetzung sei jedoch, dass der Genehmigungsinhaber seinen eigenen Sorgfaltspflichten durch vollständige Informationsübermittlung nachkomme.1366 Gleiches solle auch für die klinische Prüfung gelten, wobei die Prüfungsgenehmigung anders als die Zulassungsentscheidung die Zulässigkeit der Arzneimitteltestung aufgrund der noch bestehenden Unsicherheiten nicht verbindlich festlegen könne. Strafbefreiende Wirkung trete jedenfalls nicht ein für eigene Pflichtwidrigkeiten, weil das Genehmigungsverfahren nicht dazu diene, Fehler des Sponsors zu neutralisieren. Strafbarkeitsbefreiende Wirkung nimmt Mayer an für ein Auswahlverschulden betreffend die lokalitätsbezogenen Zulässigkeitsvoraussetzungen (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG) durch das Votum der (lokalen) 1362
So vor allem Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 114 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 79 f.; s.a. Stock, Probandenschutz, S. 82; auch nach der 12. AMG-Novelle van der Sanden, Haftung, S. 149 ff. 1363 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 117 ff.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 135 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 79; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 100 f.; 105 ff.; zur Kollegialgerichtsrechtsprechung allg. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 412 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 211 ff. 1364 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 55 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 114 f.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 138; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 80; Scheffold, EthikKommissionen, S. 100 f.; 105 ff.; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommissionen, S. 79, 84. 1365 Vgl. etwa Weißauer, MMW 1979, 551, 555 f.; Gamerschlag, NJW 1982, 684, 685 f.: genereller Verschuldensausschluss des Prüfarztes; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2736; Sander, PharmInd 1988, 145, 150; Graf, NJW 2002, 1774, 1776: Keinerlei verschuldensentlastende Wirkung für den Prüfarzt. 1366 Mayer, MedR 2008, 595 ff.; ders., Produktverantwortung, S. 560 ff. für die Arzneimittelzulassung
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Ethik-Kommissionen und grundsätzlich auch für den Prüfarzt, soweit dieser sich hinsichtlich der Vertretbarkeit und Sinnhaftigkeit der Prüfung auf das Votum der Ethik-Kommission verlassen darf.1367 Zutreffend wird von allen Ansichten der Vertrauensgrundsatz für die Frage nach einer verschuldensentlastenden Wirkung des Ethik-Kommissionsvotums in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Der Vertrauensgrundsatz ist nicht nur ein wesentliches Element im Rahmen arbeitsteiligen Vorgehens1368 , sondern zudem ein Merkmal der Sorgfalt.1369 Umstände müssen auf das Vertrauen und seine Anerkennung hinweisen.1370 Die von der älteren Auffassung vor der 12. AMG-Novelle hervorgehobene Verlässlichkeitsgrundlage des Ethik-Kommissionsvotums erweist sich aber aufgrund der Tatsache, dass die Ethik-Kommissionen zu einer genehmigenden Patientenschutzbehörde aufgestiegen sind und der Vorbehalt des Gesetzes nunmehr vollumfänglich seine Wirkung entfaltet, als im Grunde nicht übertragbar.1371 Klinische Prüfungen stehen unter einem präventiven Verbot mit (doppeltem) Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG). Für Ethik-Kommissionen besteht grundsätzlich nur eine Pflicht zur nachvollziehenden Amtsermittlung und das Genehmigungsverfahren ist als Unterlagenprüfverfahren ausgestaltet. Die zustimmende Bewertung auf Grundlage einer nur nachvollziehenden Amtsermittlung auf Basis der vom Sponsor übermittelten Unterlagen stellt mithin die Regel dar, die ablehnende Bewertung die Ausnahme. Dieses Bild vermag für einen Vertrauenstatbestand iSe Verlässlichkeitsgrundlage nicht zu überzeugen. Weiterhin ist das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen auf Zustimmung und nicht auf Beratung gerichtet. Soweit Mayer hierin gleichwohl die verbindliche Konkretisierung des „erlaubten Risikos“ erblickt und diesbezüglich auf einen geschaffenen „Vertrauenstatbestand“ rekurriert1372 , so steht dem bei Risikoentscheidungen entgegen, dass die unaufklärbare Ungewissheit nicht in das Beweisrisiko des Antragsstellers, sondern zu Lasten der Behörde und damit zugleich des Versuchsteilnehmers geht1373 ; genauer: Das erlaubte Risiko gründet sich auf der Nichterweislichkeit des unerlaubten Risikos, was für einen Vertrauenstatbestand nicht ausreichend sein kann. Weiterhin hat man sich 1367
Mayer, Produktverantwortung, S. 610 ff., 615, 618, 627, 630 für die klinische Prüfung; a.A. Freund, in: MüKo/BGB, §§ 40-42a AMG Rn. 53. 1368 Exemplarisch zum Vertrauensgrundsatz bei der arbeitsteiligen Medizin BGHZ 140, 309, 313 ff.; NJW 1980, 649, 650; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 381 ff., Deutsch, in: Duttge, Perspektiven des Medizinrechts, S. 69 ff.; Pflüger, Krankenhaushaftung, S. 157 ff., jew. m.w. Nachw aus der Rspr.; aus dem Strafrecht BGHSt 47, 224 (Wuppertaler Schwebebahn-Urteil); dazu krit. Duttge, NStZ 2006, 266, 269 f. 1369 Vgl. Deutsch, in: Duttge, Perspektiven des Medizinrechts, S. 69, 72, 74 f., 77; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 71 f. 139; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 28; aus dem Strafrecht, Duttge, Handlungsunwert, S. 465 ff. u. passim; ders., in: MüKo/StGB, § 15 Rn. 139 ff. 1370 Vgl. Deutsch, in: Duttge, Perspektiven des Medizinrechts, S. 69, 75. 1371 A.A. van der Sanden, Haftung, S. 149 ff., der sich auf Grundlage der damaligenAuffassung auch jetzt für eine weitgehende verschuldensentlastende Wirkung gegenüber dem Prüfarzt ausspricht, ohne auf die Besonderheiten nach der 12. AMG-Novelle einzugehen. 1372 Mayer, Produktverantwortung, S. 610 ff. 1373 Hierzu Gerlach, JZ 1988, 161, 164.
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die genauere Präzisierung des Vertrauensgrundsatzes vor Augen zu führen: Dieser beinhaltet nicht das Vertrauendürfen auf das Ausbleiben einer Rechtsgutsverletzung, sondern allein das Vertrauendürfen in das ordnungsgemäße Verhalten anderer Personen1374 ; mit Blick auf die zustimmende Bewertung also die ordnungsgemäße Vollziehung des Normenprogramms durch die Ethik-Kommissionsmitglieder und die Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen mit grundsätzlicher Pflicht zur nur nachvollziehenden Amtsermittlung. Hierin zeigen sich demzufolge Divergenzen zwischen behördlicher Sorgfaltspflichten und denjenigen des Sponsors/Prüfarztes, denn die Ethik-Kommission ist auf die rein wertende (Abschluss-)Kontrolle beschränkt, ohne ein etwaiges gestaltendes Planungsermessen in Anspruch nehmen zu dürfen, während der Sponsor/Prüfer die (Gesamt-)Verantwortung für die Durchführung der Studie trifft (§ 4 Abs. 24, 25 AMG). Auch ist zu berücksichtigen, dass vor Genehmigungsbehörden Parteiinteressen vertreten werden. Die Antragsstellung durch den Sponsor zielt von vornherein auf die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission ab und ist nicht gleichzusetzen mit einer (Rechts-)Beratung, wie sie noch teilweise in § 15 MBO-Ä erblickt werden kann. Eine neutrale Antragsstellung erfolgt damit nicht. Für eine verschuldensentlastende Wirkung wäre aber der offene und unbefangene Diskurs zu fordern. Die Divergenz der uneinheitlichen Sorgfaltspflichtendichte, die nicht zuletzt daraus resultiert, dass sich die Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln die besondere Sachkenntnis des Sponsors zu eigen machen (müssen), spricht gegen ein Vertrauendürfen in die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission. Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen dient nicht dazu, den Sponsor/Prüfer von der Verantwortung für eigene Fehler freizustellen.1375 Eine solche „Freistellung“ würde zu einem nicht vorgesehenen materiellen Kooperationsprinzip führen. Bezweckt ist vielmehr nur die patientenschutzbezogene „Rückkopplung“ einer vertretbaren Studienkonzeption durch Genehmigung an den Sponsor. Insoweit stehen sich Sponsor und Ethik-Kommission von vornherein nicht als gleichberechtigte Partner gegenüber. Auch die innere Sorgfalt ist objektiv typisierend zu bestimmen und auf die Erbringung der äußeren Sorgfalt bezogen. Man hat sich soweit wie möglich anzustrengen, um die Situation zu erkennen und würdigen zu können.1376 „Instrumentalisiert“ man den Vertrauensgrundsatz dahingehend, Sorgfaltspflichten des jeweils Beteiligten selbst bestimmbar zu machen1377 , so ist zu konstatieren, dass aufgrund einer fehlenden Verlässlichkeitsgrundlage durch alleinigen (hoheitlichen) Normenvollzug Sorgfaltspflichten des Sponsors/Prüfers weder entfallen noch durch die zustimmende 1374
BGHZ 140, 309, 313; Löwisch, in: Staudinger, § 276 Rn. 28 a.E.; Roxin, StrafR AT/1, § 24 Rn. 23; Duttge, in: MüKo/BGB, § 15 Rn. 140. 1375 Treffend insoweit Mayer, Produktverantwortung, S. 612; ebenso Freund, in: MüKo/StGB, §§ 40-42a AMG Rn. 53. Unberücksichtigt bleibt zudem, dass der Vertrauensgrundsatz auch qua Gesetzes ausgeschlossen werden kann; dazu Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 72 m.w. Nachw. Einen solchen Ausschluss könnte man in § 25 Abs. 10 AMG erblicken und es ist nicht ersichtlich, dass dies bei der klinischen Prüfung anders sein soll. 1376 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.139; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 388. 1377 Vgl. hierzu Duttge, in: MüKo/StGB, § 15 Rn. 143 f. m.w. Nachw.
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Bewertung der Ethik-Kommission vermindert werden (können), sondern unmodifiziert fortbestehen. Von unmittelbar an einem Forschungsvorhaben Beteiligten verlangt die objektiv erforderliche Sorgfalt stets mehr als von einer grundsätzlich nur zur nachvollziehenden Amtsermittlung verpflichteten „Abschlusskontrollbehörde“. Sie können sich mithin weder auf ein Vertrauendürfen auf die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission berufen, noch sind (Rechts-)Irrtümer auf der Grundlage der objektiv-typisierenden Sorgfalt durch Einholung der zustimmenden Bewertung als unvermeidbar anzusehen. 11. Passivlegitimation: Die haftende Körperschaft Die Frage nach der Passivlegitimation betrifft die Frage nach dem haftenden Rechtssubjekt. Für die Mitglieder der Ethik-Kommissionen scheiden sich diesbezüglich die Geister. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass es in Einzelfällen überaus fraglich sein kann, in wessen „Dienst“ (Art. 34 S. 1 GG) das Ethik-Kommissionsmitglied steht. a. Grundlagen Nach Art. 34 S. 1 GG trifft die Verantwortlichkeit, wenn ein Amtsträger in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amts die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat, grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.1378 Nach der sog. Funktionstheorie war auf die wahrgenommene Aufgabe abzustellen und vom Aufgabencharakter der haftende Verband zu bestimmen. Die Anstellungstheorie bestimmte die haftende Körperschaft danach, welcher Verband den handelnden Amtsträger angestellt hat.1379 Der BGH stellt in st. Rspr. darauf ab, „wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausnutzung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat, wer mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgabe, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgenommen ist, übertragen hat“ (sog. Anvertrauenstheorie).1380 In der Regel haftet insoweit die Anstellungskörperschaft, da sie es ist, die dem Amtsträger die von ihm wahrzunehmende Aufgabe 1378
Vgl. BGHZ 53, 217, 219; 87, 202, 204; 99, 326, 330; Wurm, in Staudinger, § 839 Rn. 50; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839 Rn. 104; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 111 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 1 f. 1379 Zum (damaligen) Streitstand Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 112; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 6; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 41. 1380 Vgl. BGHZ 53, 217, 219; 77, 11, 15 f.; 87, 202, 204; 99, 326, 330; 113, 71, 75; 143, 18, 26; 150, 172, 179; 160, 216, 228; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 360 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 51; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839 Rdnr. 104; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 246; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 25; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 26; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 112 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 6 f.; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 9; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 41; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 211 ff.; Schlick, NJW 2008, 127, 128; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 371.
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überträgt und anvertraut. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung die Amtspflichtverletzung begangen wurde, in ihren Aufgabenkreis fällt.1381 Für Hochschullehrer haftet folglich in der Mehrzahl der Bundesländer grundsätzlich nicht die Universität, weil die Anerkennung als Anstellungskörperschaft die eigene Dienstherrnfähigkeit voraussetzt (§§ 121 BRRG, § 2 BeamtStG), sondern das Land als Anstellungskörperschaft.1382 Der BGH nähert sich der Funktionstheorie dann an, wenn das Kriterium der Anstellung „versagt“, nämlich dann, wenn der Beamte Inhaber mehrer Ämter ist oder ein Dienstherr fehlt. In einem solchen Fall ist darauf abzustellen, wer dem Amtsträger die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung er gefehlt hat, anvertraut hat.1383 Das ist etwa der Fall, wenn der Amtsträger unter Herauslösung aus der Organisation seiner Anstellungskörperschaft von einer anderen Körperschaft zur Ausübung hoheitlicher Tätigkeit eingesetzt wird. Es haftet dann allein die Körperschaft, die den Beamten mit der Wahrnehmung der Aufgabe betraut hat, weil diese ihn zur Mitwirkung bei ihrer hoheitlichen Aufgabe berufen hat. Dies kommt in Betracht bei Abordnungen, Tätigkeiten im Nebenamt, sowie im Falle fehlender Beamteneigenschaft im statusrechtlichen Sinne.1384 Der Dienstherrenfähigkeit kommt dabei kein unerlässliches Merkmal für die Passivlegitimation zu. Dies folgt daraus, dass bei enger Anbindung an den statusrechtlichen Beamtenbegriff die Dienstherrenfähigkeit mit dem Beamtenbegriff im haftungsrechtlichen Sinne kollidieren würde.1385 Ist demzufolge kein Dienstherr vorhanden, so bleibt Raum für die Haftung der anvertrauenden Körperschaft.1386 So hat auch der BGH eine Architektenkammer für passiv legitimiert erachtet.1387 1381
Vgl. BGHZ 11, 192, 197; 77, 11, 15 f.; 160, 216, 228; BGHR GG Art. 34 S. 1 Universität 1; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 361: „Dienstherrenkörperschaft“; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 4; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 113; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 246; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 9 f.; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 211; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 26; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 25. 1382 Vgl. BGHZ 77, 11, 15 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 248; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 113; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 354. 1383 Vgl. BGHZ 87, 202, 204; 99, 326; 330; NVwZ 1992, 298; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 51 a.E.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 362, 364; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 248 a.E., 249 f.; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 26. 1384 Vgl. intruktiv BGHZ 160, 216, 228: Passivlegitimation des Rettungszweckverbands für Behandlungsfehler des Notarztes trotz Anstellung als Assistenzarzt in einem Krankenhaus; dazu weiterführend Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 56 ff. u. 626; jew. m.w. Nachw. aus der Rspr.; ferner Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 250. 1385 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 4; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 113. 1386 In diesem Sinne Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 248. 1387 Vgl. BGH NVwZ 1992, 298 f.: „Die Anknüpfung an das Merkmal des „Anvertrauens“ als Zurechnungsgrund für die Amtshaftung bewirkt dementsprechend, daß die beamtenrechtliche Dienstherrenfähigkeit (§ 121 BRRG) nicht stets und ausnahmslos zwingende Voraussetzung für die Haftpflicht sein kann. Dies gilt auch deshalb, weil der haftungsrechtliche Beamtenbegriff in § 839 I 1 BGB nicht nur den Beamten im staatsrechtlichen Sinne umfaßt, sondern jeden, dem ein öffentliches Amt im funktionellen Sinne anvertraut worden ist“.
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b. Ethik-Kommissionen bei den Universitäten In universitären Ethik-Kommissionen wirken hauptsächlich beamtete und/oder angestellte Hochschullehrer der eigenen Universität mit. Besitzt diese selbst Dienstherrenfähigkeit, so haftet sie nach der Anvertrauenstheorie als Anstellungskörperschaft. Umstritten ist dagegen, wer für diejenigen Hochschullehrer haftet, die wie im Regelfall im Landesdienst stehen. Die überwiegende Auffassung bejaht die Passivlegitimation des Landes in solchen Fällen, weil den Hochschullehrern sämtliche Aufgaben in Forschung und Lehre durch das Land anvertraut werden. Auch eine haftungsentlastende Berufung in ein Nebenamt sei zu verneinen, denn die Mitwirkung in einer Ethik-Kommission zähle zu den hauptberuflichen Dienstaufgaben der Hochschullehrer, zumal Vorbereitung und Durchführung von Forschungsvorhaben zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten der Universität gehören.1388 Die Gegenauffassung verweist darauf, dass dem Ethik-Kommissionsmitglied durch die Mitwirkung in der Ethik-Kommission ein Nebenamt verliehen werde, dessen Wahrnehmung nicht zu den Dienstaufgaben eines Hochschullehrers zu zählen sei. Dieser werde nicht kraft Status als Landesbeamter, sondern aufgrund seiner speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten in die Ethik-Kommission berufen. Diese Auffassung, die im Wesentlichen von praktischen Erwägungen geleitet wird und daher auf den Funktionszusammenhang abstellt, verweist hiermit auf die Rspr. des BGH, wonach Nebentätigkeiten unabhängig von ihrer Genehmigungsbedürftigkeit zur Haftung derjenigen Körperschaft führt, die den Beamten mit der Wahrnehmung der konkreten Aufgabe betraut hat.1389 Hat das Land keine rechtliche Einflussnahme auf die Berufung in eine Ethik-Kommission, so kann diese auch nicht passiv legitimiert sein.1390 Folglich hafte die Universität oder der Fachbereich für die Amtspflichtverletzung von Ethik-Kommissionsmitgliedern.1391 Dieser Sichtweise kann für Ethik-Kommissionsmitglieder aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden: Die Bestimmung, ob eine Tätigkeit zum Hauptamt zu zählen ist, erfolgt zum einen über die Aufgabe der Hochschule, zum anderen über das Fach und schließlich über die nähere Ausgestaltung des Dienstverhältnisses.1392 Es gehört zu den Aufgaben der Hochschulen, Ethik-Kommissionen einzurichten und ebenso 1388 Vgl. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 156; ders., Medizinische Versuche, S. 103; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2739; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 163 f.; Bork, EthikKommissionen, S. 84 f.; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommissionen, S. 79, 86; im Ergebnis auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 165. 1389 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 58; aus der Rspr. BGHZ 160, 216, 228: Passivlegitimation des Rettungszweckverbands für Behandlungsfehler des Notarztes trotz Anstellung als Assistenzarzt in einem Krankenhaus; ferner BGHZ 34, 20, 23; 53, 217, 219 f. 1390 Vgl. BGH NVwZ 1992, 298 f. für die Amtshaftung einer Architektenkammer für die Mitglieder eines Eintragungsausschusses wegen vorhandener Dienstherrenlosigkeit. 1391 So vor allem Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 180 f.; dem folgend van der Sanden, Haftung, S. 181 f. 1392 § 43 HRG: „Die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer nehmen die ihrer Hochschule jeweils obliegenden Aufgaben in Wissenschaft und Kunst, Forschung, Lehre und Weiterbildung in ihren Fächern nach näherer Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses selbständig wahr“; hierzu
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obliegt es den Hochschullehrern, neben der Aufgabe in Forschung und Lehre bei den übrigen Hochschulaufgaben mitzuwirken.1393 Die Mitwirkung steht ferner nicht außerhalb des vertretenen Fachs, sondern ist gerade auf das Engste mit der Kommissionstätigkeit verbunden. Weiterhin wird in den Satzungen die Mitwirkung in einer Ethik-Kommission als „Dienstaufgabe“ geführt.1394 Darüber hinaus erscheint die hier gegebene Konstellation als „zu schwach“, um von der Anstellungskörperschaft abzuweichen und auf den Funktionszusammenhang abzustellen. Vom Regelfall der Haftung der Anstellungskörperschaft rückt der BGH erst dann ab, wenn „der Amtsträger unter Herauslösung aus der Organisation seiner Anstellungskörperschaft von einer anderen Körperschaft zur Ausübung hoheitlicher Tätigkeit eingesetzt wird“, er nicht mehr „im Geschäfts- und Wirkungskreis“ seiner Anstellungskörperschaft tätig wird, sondern allein Aufgaben wahrnimmt, die der anderen Körperschaft obliegen.1395 Es lässt sich weder erkennen, dass Ethik-Kommissionsmitglieder durch Ernennung in eine Ethik-Kommission aus ihrer ursprünglichen Organisation herausgelöst, noch zu „Beamten mit Doppelstellung im haftungsrechtlichen Sinne“ werden.1396 Die „Ausgliederung“ lässt sich jedenfalls nicht damit begründen, dass der Hochschullehrer durch Mitwirkung in der universitären Ethik-Kommission eine „dienstfremde“ Tätigkeit ausübe. Im Übrigen hat es der BGH ausdrücklich für unerheblich angesehen, welche Art von Aufgabe konkret wahrgenommen wird.1397 Schaut man zudem auf die Judikatur des BGH, wonach bei Wahrnehmung staatlicher Auftragsangelegenheiten, bei Leistung vonAmtshilfe für eine dritte Körperschaft und
insb. Tettinger/Lux-Wesener, in: Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, Kap. V Rn. 59 f.; ferner Thieme, Hochschulrecht, Rn. 766. 1393 Exemplarisch: § 24 Abs. 1 NHG; wie hier Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 163; Bork, EthikKommissionen, S. 85; s.a. BGHR GG Art. 34 S. 1 Universität 1: Für die Amtspflichtverletzung, die der Dekan des Fachbereichs einer Universität im Rahmen der Magisterprüfung begeht, haftet das Bundesland, das den Dekan in seiner Eigenschaft als Hochschullehrer in sein Amt berufen hat, selbst wenn das Amt des Dekans durch Wahl seitens des Fachbereichsrates übertragen worden ist. Das Land beruft die Professoren auch zur Mitwirkung bei dieser Aufgabe in ihre Ämter; ferner BGHZ 77, 11, 15 f.: Auch die Pflichten, die Hochschullehrern aus dem Promotionsverhältnis gegenüber dem Doktoranden obliegen, gehören zum Kreis der Aufgaben, die ihnen das Land als ihr Dienstherr anvertraut hat. 1394 Exemplarisch: § 4Abs. 1 der Satzung der Ethik-Kommission der Otto-von-Guericke-Universität an der Medizinischen Fakultät und am Universitätsklinikum Magdeburg; § 4 Abs. 2 der Satzung für die Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln; § 4 Abs. 3 der Satzung für die Ethik-Kommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena an der Medizinischen Fakultät; § 8 Abs. 3 der Satzung der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg; § 10 Abs. 2 der Satzung der Ethikkommission an der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; § 8 Abs. 2 des Statuts der Ethikkommission der Universität Ulm. 1395 Vgl. BGHZ 160, 216, 228; 34, 20, 23; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 58: „Herauslösung aus der Organisation und dem Behördenapparat seiner Anstellungskörperschaft“; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 250. 1396 Dazu BGHZ 87, 202, 205; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 113 1397 Vgl. BGHZ 161, 224 = NVwZ-RR 2006, 28, 31.
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bei Organleihe jeweils die Anstellungskörperschaft passiv legitimiert sein soll1398 , so dürfte ebenso zu entscheiden sein, wenn ein im Landesdienst stehender Hochschullehrer nicht an der universitätseigenen, sondern in einer anderen Ethik-Kommission einer Universität mitwirkt, die in Trägerschaft desselben Landes steht. Auch hier kommt es nicht zu einer Doppelstellung im haftungsrechtlichen Sinne. Es ist demzufolge mit der überwiegenden Auffassung insgesamt von einer Haftung des Landes als Anstellungskörperschaft auszugehen. Soweit ersichtlich unstreitig ist die Haftung für den Fall universitätsfremder Mitglieder, wie etwa für Richter, Geistliche, Rechtsanwälte und freiberuflich tätige Ärzte. Fehlt es wie in den letzten beiden Fällen an einer Anstellungskörperschaft, oder wird wie in den beiden ersten Fällen „der Amtsträger unter Herauslösung aus der Organisation seiner Anstellungskörperschaft von einer anderen Körperschaft zur Ausübung hoheitlich eingesetzt“, wird er also außerhalb des „Geschäfts- und Wirkungskreis“ seiner Anstellungskörperschaft tätig1399 , so haftet in diesen Fällen nach st. Rspr. die Körperschaft, die dem Amtsträger die konkrete Aufgabe, bei deren Erfüllung er gefehlt hat, anvertraut hat. Maßgeblich ist jeweils, wer das Ethik-Kommissionsmitglied in die Ethik-Kommission beruft/ernennt.1400 Dies ist grundsätzlich die Universität.1401 Die fehlende Dienstherrenfähigkeit ist in solchen Fällen unschädlich. c. Ethik-Kommissionen bei den Landesärztekammern Die Landesärztekammern sind für eine ordnungsgemäße gruppenantagonistische Besetzung ihrer Ethik-Kommission zunehmend auf die Rekrutierung „Außenstehender“ angewiesen. Die h. M. hält die Kammer in diesen Fällen für passiv legitimiert. Dies gelte nicht nur für „dienstherrenlose“ Ethik-Kommissionsmitglieder, die durch die Kammer ernannt werden, sondern auch für den Fall von Universitätsmitgliedern.1402 Diese Auffassung steht im Einklang mit der Rspr. des BGH, wonach die das Amt „anvertrauende“ Körperschaft bei Fehlen eines Dienstherrn haftet.1403 Im Falle von Hochschullehrern mit Dienstverhältnis zur Universität/Land folgt die Haftung der anvertrauenden Kammer daraus, dass die Universitätsmitglieder in den EthikKommissionen der Landesärztekammern hochschulfremde Aufgaben einer anderen 1398 Vgl. BGHZ 87, 202, 204 f.; 161, 224 = NVwZ-RR 2006, 28, 31; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 362 m.w. Nachw. 1399 Vgl. BGHZ 160, 216, 218; 34, 20, 23. 1400 In diesem Sinne auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, S. 170 u. 171; zur Berufung der EthikKommissionsmitglieder oben, § 2 C.I. 1401 Vgl. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 156; Kreß, Ethik-Kommission, S. 164; Bork, EthikKommissionen, S. 85 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 180 f.; Kollhosser, in: Toellner, EthikKommissionen, S. 79, 86; van der Sanden, Haftung, S. 181 f. 1402 Vgl. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 156 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 186; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommissionen, S. 79, 86; van der Sanden, Haftung, S. 180 f.; a.A. für Hochschulmitglieder v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 165, 168 f. 1403 Vgl. BGH NVwZ 1992, 298: Haftung einer Architektenkammer für Mitglieder des Eintragungsausschusses.
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Körperschaft wahrnehmen und damit aus der Organisation ihrer Anstellungskörperschaft herausgelöst werden.1404 Fischer sieht die Haftung der Landesärztekammern auch für solche Fälle gegeben, in denen die universitären Ethik-Kommissionen von den Ethik-Kommissionen der Ärztekammern eingeschaltet werden. Begutachten diese Forschungsanträge von Forschern außerhalb der Universität, so liege ein Fall der Organleihe vor, sodass die Kammer die Haftung treffe.1405 Dies steht jedoch nicht im Einklang mit der Rspr. des BGH. Selbst im Falle einer Organleihe und Nichtwahrnehmung körperschaftlicher Selbstverwaltungsaufgaben haftet die jeweilige (Anstellungs-)Körperschaft ohne Rücksicht darauf, ob die konkrete Aufgabe in den Aufgabenkreis der (Anstellungs-)Körperschaft fällt.1406 Die Haftung richtet sich demzufolge nach der für universitäre Ethik-Kommissionen auch sonst geltende Haftung bei Wahrnehmung von Hochschulaufgaben. d. Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung Nach den vorstehenden Überlegungen ergibt sich für die Ethik-Kommissionen bei der unmittelbaren Landesverwaltung im Ergebnis das gleiche Bild wie für Ethik-Kommissionen bei den Landesärztekammern. Das Land ist als Anstellungskörperschaft oder anvertrauende Körperschaft passiv legitimiert. e. Ergebnis Die Passivlegitimation fällt unterschiedlich aus. Für Ethik-Kommissionsmitglieder der Kammern und der unmittelbaren Landesverwaltung ist das Land bzw. die Kammer passiv legitimiert. Für Ethik-Kommissionsmitglieder universitärer EthikKommissionen haftet als Anstellungskörperschaft mit Dienstherrenfähigkeit entweder das Land oder die Universität selbst. Versagt das Merkmal der „Anstellung“, so kommt eine Passivlegitimation der Universität als (konkret) „Anvertrauende“ in Betracht. Soweit das amtspflichtwidrige Verhalten aus einem Zusammenwirken verschiedener Amtswalter resultiert und besteht eine Passivlegitimation unterschiedlicher Körperschaften, so haften die Körperschaften als Gesamtschuldner, § 840 BGB.1407 Je nach Zusammensetzung der universitären Ethik-Kommission können im Einzelfall, abhängig von den schuldhaft amtspflichtwidrig handelnden Kommissionsmitgliedern, die Universität, das Land oder beide als Gesamtschuldner passivlegitimiert sein. Auf diese Sachlage hat bereits Kreß hingewiesen. Die Entindividualisierung des Verschuldens und die dem Geschädigten dadurch zuerkannte 1404 Vgl. BGHZ 160, 216, 228; für Ethik-Kommissionen Fischer, in: FS Deutsch, S. 151, 156 f.; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 16. 1405 Fischer, in: FS Deutsch, S. 151, 157. 1406 BGHZ 161, 224 = NVwZ-RR 2006, 28, 31: Haftung der See-Berufsgenossenschaft und nicht des Bundes bei Wahrnehmung von Aufgaben der Bundesverwaltung. 1407 Unstreitig, vgl. nur BGHZ 118, 263, 267; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 115 f. m.w. Nachw.; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 214 f.; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 83; ferner für Ethik-Kommissionen Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 165 m. Fn. 680.
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Beweiserleichterung, den konkret schuldhaft handelnden Amtsträger nicht individualisieren zu müssen, werden durch die variierende Passivlegitimation wieder entwertet.1408 Der geschädigte Versuchsteilnehmer, der die Interna des Behördenbetriebes nicht kennt und nicht zu kennen braucht, muss im Ergebnis für seine Amtshaftungsklage die jeweils positiv votierenden Mitglieder und die diesbezüglich passiv legitimierten Körperschaften ausfindig machen. In der Literatur ist daher die Auffassung vertreten worden, dass sich die Passivlegitimation für Ethik-Kommissionsmitglieder ausschließlich nach der Funktionstheorie bestimmen soll.1409 Hiernach wäre eine eindeutige Passivlegitimation gegeben und der geschädigte Versuchsteilnehmer wird im Ergebnis davon befreit, die positiv Votierenden ausfindig zu machen, da in allen Fällen eine einheitliche Haftung gegeben ist. Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Zum einen hat der BGH bereits das Problem divergierender Passivlegitimationen gesehen und gleichwohl an der Anstellungskörperschaft festgehalten.1410 Zum anderen liegen Art. 34 GG andere Erwägungen zugrunde, als den Geschädigten in eine günstige Beweissituation zu bringen, da es letztendlich um die entscheidende Frage der Schadensabnahme geht.
12. Prozessuale Durchsetzung und prozessuale Würdigung Abschließend soll auf die prozessuale Durchsetzung des Amtshaftungsanspruchs eingegangen werden. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Versuchsteilnehmer aufgrund des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine „Auffanghaftung“ darstellt. Dies ist auch prozessual zu würdigen. a. Zuständigkeit Für den Amtshaftungsanspruch sind die ordentlichen Gerichte, und zwar in erster Instanz die Landgerichte streitwertunabhängig zuständig, Art. 34 S. 3 GG, § 40 Abs. 2 VwGO, § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG.1411 b. Verjährung Amtshaftungsansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 BGB mit Schluss 1408
Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 165; hierzu auch Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 55. Vgl. van der Sanden, Haftung, S. 181 f. im Anschluss an Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 181. 1410 Anschaulich BGH NVwZ 1994, 823: Haftung des Landes für dienstherrenlosen Mitarbeiter, Haftung des Landkreises als Anstellungskörperschaft für den Kreisbrandinspektor; ausdrücklich BGHZ 99, 326, 332: „Es ist nicht zu verkennen, daß diese sich aus Art. 34 GG ergebende Auffassung für den Bürger zu Schwierigkeiten führen kann“. 1411 Vgl. nur Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 260; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 86. 1409
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des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Hervorzuheben ist im vorliegenden Kontext, dass der Beginn der Verjährungsfrist bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung auch die Kenntnis des Klägers erfordert, dass er von anderer Seite keinen Ersatz verlangen kann; genauer: dass andere Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB fehlen, da bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung das Fehlen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten eine zur Klagebegründung gehörende Voraussetzung darstellt.1412 Nach der Rspr. des BGH beginnt die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem sich der Geschädigte im Prozesswege oder auf sonstige Weise hinreichend Klarheit verschaffen konnte, ob und in welcher Höhe ihm ein anderweitiger Ersatzanspruch zustand.1413 In der vorliegenden Konstellation wird dies erst dann in Betracht kommen, wenn der geschädigte Versuchsteilnehmer im Prozess gegen die Primärverpflichteten Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis darüber besitzt, zumindest für einen Teil seines Schadens keinen anderweitigen Ersatz von Dritter Seite verlangen zu können.1414 Ein Untätigbleiben und die Nichtausschöpfung der anderweitigen Ersatzmöglichkeit schieben den Beginn der Verjährung nicht hinaus. In diesem Fall beginnt die Verjährung in dem Zeitpunkt, in dem anzunehmenderweise gerichtliche Klärung über die Leistungspflicht der Dritten hätte herbeigeführt werden können.1415 c. Zulässigkeit einer vorherigen Fortsetzungsfeststellungsklage? Es würde für den geschädigten Versuchsteilnehmer erheblich vorteilhaft sein, soweit er vor einem Amtshaftungsprozess eine Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem VG erheben könnte. Vor dem VG gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO und an die Feststellung der Rechtswidrigkeit der zustimmenden Bewertung wäre das Zivilgericht gebunden, § 121 VwGO. Praxisnah für den geschädigten Versuchsteilnehmer ist nur die Erledigung vor Klageerhebung, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog. Es ist allgemein anerkannt, dass die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses das erforderliche besondere Feststellungsinteresse begründen kann. Dies gilt aber ausschließlich für den Fall, dass sich der Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat, aus Gründen der Prozessökonomie nicht dagegen vor Klageerhebung. Hier sind vielmehr ausschließlich die Zivilgerichte zuständig; eine doppelte Inanspruchnahme von VG und Zivilgericht lässt sich nicht rechtfertigen.1416 Folglich scheidet diese Möglichkeit für geschädigte Versuchsteilnehmer aus.1417 1412 Unstreitig, vgl. nur BGHZ 93, 87, 89; 102, 246, 249; 121, 65, 71; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 240; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 108 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 358c; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 378 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 77. 1413 Vgl. BGHZ 121, 65, 71; 102, 246, 248 ff. 1414 Vgl. hierzu auch BGHZ 102, 246, 249. 1415 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 379 f.; hierzu auch BGHZ 121, 65, 72 f. 1416 Vgl. BVerwGE 81, 226, 228; DVBl. 1998, 896, 897; Kopp/Schenke, § 113 Rn. 136; Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 113 Rn. 97. 1417 Anders wohl v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 228.
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d. Prozessuale Einkleidung der „Auffanghaftung“ durch Streitverkündung Bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung kommt das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zur Geltung. Der geschädigte Versuchsteilnehmer kann die für die Ethik-Kommissionsmitglieder haftende(n) Körperschaft(en) in Anspruch nehmen, hat dann jedoch darzulegen, dass er von den jeweiligen Primärverpflichteten keinen Ersatz seines Schadens zu erlangen vermag. Es ist aber kaum anzunehmen, dass der geschädigte Versuchsteilnehmer auf die Inanspruchnahme der Primärverpflichteten verzichtet und stattdessen ihre Nichthaftung darlegt. Insbesondere gilt dies, wenn eine Haftung aus § 84 AMG in Betracht kommt, denn dürfen hier an die Darlegungslast des Patienten nach Auffassung des BGH keine überhöhten Anforderungen gestellt werden1418 , so profitiert von dieser verminderten Darlegungslast im Rahmen des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB der subsidiär Haftende. Darüber hinaus kommt es bei vorrangiger Inanspruchnahme der für die Ethik-Kommissionsmitglieder haftende(n) Körperschaft(en) zu einer ungünstigen prozessrechtlichen Ausgangssituation: Der BGH hat entschieden, dass in einem Prozess gegen den subsidiär haftenden Notar (§ 19 Abs. 1 BNotO) eine Streitverkündung gegen einen vorrangig haftenden Schädiger unzulässig ist.1419 Auch die h. M. geht davon aus, dass eine Streitverkündung in den Fällen subsidiärer Haftung ausscheidet, weil kein (in Erweiterung des § 72 ZPO) Alternativverhältnis vorliegt: Die Existenz des Anspruchs gegen den primär Haftenden wird durch die Haftung des nur subsidiär Haftenden nicht beeinflusst; in Betracht kommt nur die umgekehrte Situation, nicht aber diejenige, in der (fälschlicherweise) der Prozess gegen den privilegierten Schädiger geführt wird.1420 Eine Streitverkündung gegenüber den nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Primärverpflichteten führt insbesondere nicht zur Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB).1421 Aus diesen Gründen erscheint die umgekehrte Konstellation, also die Inanspruchnahme der Primärverpflichteten, als praxisnah und praxisrelevant: Der geschädigte Versuchsteilnehmer kann auf diese Weise bereits Schadenskompensation durch die Primärverpflichteten erlangen und verneinendenfalls oder bei Nichtausgleich seines Schadens in voller Höher, die Amtshaftungsklage anstreben. Die in dieser Konstellation zulässige Streitverkündung führt zur Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB) und zur Interventionswirkung (§§ 74 Abs. 3, 68 ZPO). Die Streitverkündung gegenüber dem privilegierten Schädiger entfaltet hier ihre Wirkung, weil die Nichthaftung des vorrangig Haftenden präjudiziell ist für den Prozess gegen den nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB subsidiär Haftenden.1422 Diese Konstellation dürfte im Übrigen auch bei vorsätzlicher Amtspflichtverletzungen maßgeblich sein. Obwohl 1418
BGH NJW 2008, 2994 (Vioxx) m. Anm. Deutsch. Vgl. BGHZ 175, 1 = NJW 2008, 519 = JR 2008, 462 m. Anm. Peters. 1420 Vgl. Althammer/Würdiner, NJW 2008, 2620, 2621 f. m.w. Nachw.; s.a. Reinelt, in: jurisPRBGHZivilR 3/2008 Anm. 4. 1421 Vgl. BGHZ 175, 1 = NJW 2008, 519 = JR 2008, 462, 463 ff. m. Anm. Peters; Althammer/Würdiner, NJW 2008, 2620, 2621 f.; Knöringer, JuS 2007, 335, 341; jew. m.w. Nachw. 1422 Ausdrücklich in diesem Sinne BGHZ 175, 1 = NJW 2008, 519 = JR 2008, 462, 463; WM 2003, 1131, 1134; Althammer/Würdiner, NJW 2008, 2620, 2621 f. 1419
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in diesem Falle wegen fehlender Anwendbarkeit des Verweisungsprivilegs eine gesamtschuldnerische Haftung besteht, erscheint die Gefahr, dass kein vorsätzliches Handeln der Ethik-Kommissionsmitglieder festzustellen ist, als zu groß, um der anderweitig günstigen Anspruchskonstellation verlustig zu gehen.1423 Aber auch dann, wenn sich wie im Falle der Investigator initiated Trials die Zahl der Primärverpflichteten verringert, so dürfte selbst hier die vorrangige Inanspruchnahme der für die Ethik-Kommissionsmitglieder haftende(n) Körperschaft(en) nicht in Betracht kommen, soweit auch nur ein Primärverpflichteter vorhanden ist. Festhalten lässt sich, dass mit der Inanspruchnahme der Primärverpflichteten und gleichzeitiger Streitverkündung gegenüber der subsidiär für die EthikKommissionsmitglieder haftende(n) Körperschaft(en) der bestmögliche Nutzen aus der „Auffang- bzw. Ausfallhaftung“ nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB gezogen wird. e. Auskunftsansprüche Kommt unter den vorgenannten Prämissen eine Amthaftungsklage in Betracht, so kann die Erlangung von Informationen für eine erfolgreiche Amtshaftungsklage richtungsweisend sein. Fraglich ist, ob dem geschädigten Versuchsteilnehmer Auskunftsansprüche zustehen. aa. Auskunftsanspruch nach § 84a AMG Spezialgesetzlich geregelt ist ein solcher in § 84a AMG. Adressat ist jedoch in erster Linie der pharmazeutische Unternehmer (§ 84a Abs. 1 AMG) für den Fall eines Schadensersatzanspruchs nach § 84 AMG. Gerichtet ist er auf Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen des Arzneimittels.1424 In § 84a Abs. 2 AMG wird er ausgedehnt auf Zulassungs- und Überwachungsbehörden. Direkt dürfte § 84a AMG Anwendung finden für den pharmazeutischen Unternehmer, der nach § 84 AMG für bereits zugelassene Arzneimittel haftet, selbst wenn sie im Rahmen klinischer Prüfungen eingesetzt werden. Durchaus zu überlegen ist die analoge Anwendung auf Schadensersatzansprüche außerhalb von § 84 AMG im Rahmen klinischer Prüfungen. Die Ethik-Kommission ist aber jedenfalls nach § 84a Abs. 2 AMG keine für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständige Behörde. bb. Auskunftsanspruch nach §§ 25, 29 VwVfG Auch § 25 VwVfG verhilft nicht weiter, da der geschädigte Versuchsteilnehmer weder in den Kreis der Beteiligten (§ 13 VwVfG) fällt, noch das Begehren von der Rechtsfolge des § 25 VwVfG erfasst ist.1425 Dem geschädigten Versuchsteilnehmer 1423
Folglich verlagert sich die Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder bei vorsätzlicher Amtspflichtverletzung in die Regresskonstellationen beim Gesamtschuldnerausgleich. 1424 Hierzu im Einzelnen Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 84a Rn. 1 ff.; Rehmann, § 84a Rn. 1 ff.; Kloesel/Cyran, § 84a Anm. 5 ff.; ferner LG Berlin, NJW 2007, 3584 m. Anm. Deutsch; Brock/Morbach, PharmR 2009, 108 ff.; Hieke, PharmR 2005, 35 ff. 1425 Hierzu und zu hier nicht übertragbar diskutierten Ausnahmen Kopp/Ramsauer, § 25 Rn. 4 f.
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könnte ein Anspruch auf Akteneinsicht bei der Ethik-Kommission nach § 29 VwVfG zustehen. Die Anwendbarkeit des § 29 VwVfG auf nicht am ursprünglichen Verwaltungsverfahren Beteiligter ist jedoch fraglich, unsicher und steht überwiegend im Ermessen der Behörde.1426 cc. Auskunftsanspruch nach § 1 IFG Erfolgsversprechender erscheint dagegen das (neuere) Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes bzw. der (weitestgehend inhaltsgleichen) Informationsfreiheitsgesetze der Länder zu sein.1427 Im Zuge der 15. AMG-Novelle ist § 84a AMG dahingehend ergänzt worden, dass Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz unberührt bleiben sollen, § 84a Abs. 2 S. 3 AMG. Vor der 15. AMG-Novelle sah das BfArM das IFG durch § 84a AMG als speziellere Regelung als verdrängt an, § 1 Abs. 3 IFG. Mit der Neufassung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der weitergehende Anspruch nach dem IFG nicht durch § 84a AMG verdrängt wird, zumal letzterer Auskunftsanspruch gerade zur Stärkung der Rechte Geschädigter geschaffen wurde und nicht zum Ausschluss weiterreichender Ansprüche führen soll.1428 Nach dem Informationsfreiheitsgesetz wird ein formales subjektiv-öffentliches Jedermannsrecht auf Zugang zu Informationen begründet, ohne dass tatsächliche Rechte des Einzelnen dahinter stehen müssen, § 1 IFG.1429 Erfasst werden alle festgehaltenen und gespeicherten Informationen und damit grundsätzlich alle Informationen, über die eine Behörde oder gleichgestellte Einrichtungen verfügen, wobei Entwürfe und Notizen, wie vor allem handschriftliche Aufzeichnungen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, nicht verlangt werden können.1430 Daten betreffend das geistige Eigentum sowie Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen des Sponsors werden freilich nicht erfasst (§§ 6,8 IFG), sodass nicht der Prüfplan, wohl aber wenigstens das Votum der Ethik-Kommission und sonstige Unterlagen herausverlangt werden könnten. Ob das Protokoll der Ethik-Kommissionssitzung, ggf. mit den handschriftlichen Vermerken über positiv und ablehnend votierende Mitglieder hierunter fällt, etwa als Protokolle vertraulicher Beratungen1431 , erscheint fraglich. Eine Geheimhaltungspflicht zum Schutze Dritter oder der Behörde selbst, soweit es nur um das Abstimmungsergebnis geht, ist jedoch nicht ersichtlich. Der in § 4 IFG vorgesehene Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses ist bei abgeschlossenem Verwaltungsverfahren jedenfalls nicht einschlägig. 1426
Vgl. Kopp/Ramsauer, § 29 Rn. 20 f.; Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984, 985; jew. m.w. Nachw. Da es sich bei den Ethik-Kommissionen um Landesbehörden handelt, finden ausschließlich die Informationsfreiheitsgesetze der Länder Anwendung. 1428 Vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 56; ausführlich zu diesem erweiterten Informationszugang Brock/Morbach, PharmR 2009, 108 ff. 1429 Vgl. nur Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984, 986; Kugelmann, NJW 2005, 3609, 3610; Kopp/Ramsauer, § 29 Rn. 45 ff. 1430 Schmitz/Jastrow, NVwZ 2005, 984, 988; Kugelmann, NJW 2005, 3609, 3610. 1431 Dazu VG Arnsberg, ZfB 2006, 196. 1427
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Gerichtlich entschieden ist, dass ein Bürger Einsicht in Bautagebücher einer Gemeinde nehmen kann; und zwar unabhängig davon, ob dies zur Vorbereitung oder während der Geltendmachung gesetzlicher oder vertraglicher (Schadensersatz-) Ansprüche dient und ebenfalls unabhängig davon, ob der Prozess gegen Dritte oder die aktenführende Behörde selbst gerichtet ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Bürger erst durch Informationsgewährung seine (Amtshaftungs-)Klage schlüssig machen kann oder erst aufgrund der erlangten Informationen sich für eine (Amtshaftungs-)Klage entschließen könnte.1432 Den Anspruch aus § 1 IFG kann der geschädigte Versuchsteilnehmer gegenüber der jeweils zuständigen Bundesoberbehörde geltend machen. Ihr wird das Votum der Ethik-Kommission übermittelt (§ 8 Abs. 2 S. 1 GCP-V), sodass der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 5 IFG nicht eingreift. Auf Grundlage der jeweiligen Informationsfreiheitsgesetze der Länder kann der Anspruch auch gegenüber der Ethik-Kommission selbst geltend gemacht werden. Gegen einen abgelehnten Informationsanspruch ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, § 40 Abs. 1 VwGO.1433 Ob der Anspruch auf Informationszugang zu dem gewünschten Ergebnis führt, aus dem Protokoll, dem abschließenden Votum oder aus sonstigen Unterlagen das Abstimmungsergebnis zu erfahren, verbleibt freilich mit den Unsicherheiten behaftet, ob das konkrete Abstimmungsergebnis auch tatsächlich festgehalten worden ist. Soweit es erkennbar einstimmig ergangen ist, reicht eine Klage gegen eine (Anstellungs-)Körperschaft aus, deren Passivlegitimation eindeutig ermittelt werden kann. Ist es nur „mehrheitlich“ ergangen und hat ein Ethik-Kommissionsmitglied unter Namensnennung gegen das Forschungsvorhaben gestimmt, so kann davon ausgegangen werden, dass die anderen Mitglieder positiv votierten. f. Ergebnis Festzuhalten ist, dass vor oder auch während eines Prozesses gegen die Primärverpflichteten ein Informationsanspruch gegen die Bundesoberbehörde aus § 1 Abs. 1 IFG und/oder gegen die Ethik-Kommission aus dem entsprechenden Informationsfreiheitsgesetz des Landes geltend gemacht werden kann. Dieser kann vor allem dazu dienen, die Informationen betreffend die klinische Prüfung aus der Patientenakte zu ergänzen und dient mithin der Schlüssigkeit der Klage. Zudem kann der Informationszugang bei der Ethik-Kommission dazu dienen, die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage zu ermitteln. Sobald abzusehen ist, dass die Primärverpflichten nicht oder nur zum Teil haften (werden), ist eine Streitverkündung zum einen wegen Verjährungsbeginns des Amtshaftungsanspruchs und zum anderen aufgrund der Interventionswirkung (§§ 74 Abs. 3, 68 ZPO) gegenüber den jeweils passiv legitimierten Körperschaften angezeigt. 1432 Vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 800 ff.; vorgehend VG Gelsenkirchen, NWVBl 2002, 242 ff.; nahestehend VG Arnsberg, ZfB 2006, 196, aber im Ergebnis abgeleht, weil sich das Informationsverlangen auf Einsicht in die Korrespondenz einer Behörde mit den von ihr für den Amtshaftungsprozess bevollmächtigten Rechtsanwälten bezog. 1433 Vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 2003, 800 ff.; vorgehend VG Gelsenkirchen, NWVBl 2002, 242 ff.
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III. Haftung für fehlerhafte Auskünfte und Hinweise in den Voten der Ethik-Kommissionen 1. Problemstellung Nachzugehen ist der Frage, wie es sich mit den praxisrelevanten Auskünften und Hinweisen seitens der Ethik-Kommissionen verhält, die sie häufig ihren Voten gegenüber dem Sponsor beigefügt. Hierbei handelt es sich nicht um Nebenbestimmungen, sondern nur um „gut gemeinte“ und mithin unverbindliche studien- und/oder patienten-/probandenschutzbezogene „Verbesserungsvorschläge“, die nicht selten aus den Voten der beteiligten Ethik-Kommissionen resultieren und die die federführende Kommission nach eigenem Ermessen in ihre zustimmende Bewertung gegenüber dem Sponsor aufnimmt. Anzutreffen sind neben den haftungsrechtlich außer Acht zu lassenden „(Um-)Formulierungsvorschlägen“ für die Patienteninformation auch auf den Inhalt der Patienteninformation selbst Einfluss nehmende Äußerungen sowie die Studienkonzeption betreffende Aussagen, etwa dahingehend, dass die Ethik-Kommission anregt, über bestimmte Risiken und Nebenwirkungen zusätzlich aufzuklären, die Patienteninformation zu kürzen, studienbegleitende Untersuchungen auszuweiten, z. B. eine weitere Blutabnahme vorzusehen, oder mit Blick auf die Placeboteilnehmer zu reduzieren. Fraglich ist, ob mit der Abgabe „fehlerhafter Verbesserungsvorschläge“ auch eine Haftung korrelieren kann. Vorstellbar ist dies etwa dahingehend, dass die Aufklärung der Versuchsteilnehmer infolge der umgesetzten Verbesserungsvorschläge unzureichend und/oder fehlerhaft ist, bzw. allgemeiner: das Forschungsvorhaben infolge der Verbesserungsvorschläge hinter den Anforderungen der §§ 40 ff. AMG zurückbleibt. 2. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Die gegenüber dem Sponsor getätigte und durch ihn schließlich umgesetzte fehlerhafte Anregung durch die Ethik-Kommission könnte eine Verletzung einer gegenüber dem Versuchsteilnehmer bestehenden Amtspflichtverletzung darstellen. Gibt die Ethik-Kommission Auskünfte und Hinweise, so müssen diese, wie von jeder anderen Behörde, richtig, klar, unmissverständlich und vollständig erteilt werden1434 , und zwar unabhängig davon, ob eine Pflicht oder eine Befugnis zur Erteilung besteht.1435 Die Amtspflicht zu richtigen Auskünften und Hinweisen besteht zwar grundsätzlich nur gegenüber demjenigen, in dessen Interesse oder auf dessen Antrag sie erteilt wird. Der BGH bejaht die Drittrichtung aber auch gegenüber solchen Personen, die nach der Natur des Amtsgeschäfts durch die Auskunft berührt werden, sodass die Pflicht zur richtigen, klaren, unmissverständlichen und vollständigen Auskunftserteilungen auch gegenüber solchen Personen bestehen kann, die selbst 1434
St. Rspr., vgl. nur BGHZ 117, 83, 87 f.; NJW-RR 1994, 213, 216 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 122 m.w. Nachw.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 150 1435 Vgl. BGH NVwZ 1986, 76; Paladt/Sprau, § 839 Rn. 41; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 150.
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am (Verwaltungs-)Verfahren nicht beteiligt sind.1436 Zweckrichtung und Schutzbereichswirkung zugunsten geschädigter Versuchsteilnehmer hat diese Amtspflicht dann, wenn sich Anregungen und Hinweise auf patienten-/probandenschützende Normen beziehen. Sowohl der erforderliche Kausalzusammenhang als auch der Zurechnungszusammenhang, der nicht dadurch unterbrochen wird, dass der Sponsor die Verbesserungsvorschläge übernimmt, liegen vor. Die vorliegende Sachlage reduziert sich auf die entscheidungserhebliche Frage, ob eine vorrangige Haftung von Sponsor und/oder Prüfarzt besteht, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Ebenso wie beim reinen Gesetzesvollzug der §§ 40 ff. AMG ist kein Fall denkbar, in dem nicht auch bei Verletzung probanden-/patientenbezogenen Amtspflichten eine Haftung weiterer an der klinischen Prüfung Beteiligte aus Vertrag und/oder unerlaubter Handlung in Betracht zu ziehen ist. Der entscheidende Unterschied zwischen der zustimmenden Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG und reinen „Verbesserungsvorschlägen“ ist darin zu sehen, dass die Kommission in letzterer Konstellation in concreto Bedenken und Anregungen kundtut. Hier ist Raum für die Annahme einer verschuldensentlastenden Wirkung durch Vertrauen auf die Richtigkeit der Anregungen durch die Ethik-Kommission. Bei Äußerungen orts- und fachkundiger Behörden hat der BGH teilweise einen Schuldvorwurf entfallen lassen, wenn durch sie der Eindruck erweckt wurde, dass Sicherungsmaßnahmen eines gewissen Ausmaßes genügend seien.1437 Für die Beseitigung eines Schuldvorwurfs ist ein ausreichender Vertrauenstatbestand erforderlich. Diesbezüglich kommt es unter der Prämisse, dass der Sponsor über größere Fachkenntnisse über sein eigenes Forschungsvorhaben verfügt, darauf an, wie dieser die Äußerungen der Ethik-Kommission auffassen durfte. Empfiehlt die Ethik-Kommission oder regt sie lediglich an, gewisse Aspekte, Ungereimtheiten oder Widersprüchlichkeiten zu überprüfen, so kann hierin keine ausreichende Verlässlichkeitsgrundlage erblickt werden. Werden fehlerhafte Anregungen der Ethik-Kommission ohne nähere Prüfung auf Richtigkeit umgesetzt, so genügt das Verhalten des Sponsors/Prüfers nicht der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Etwas anderes dürfte erst dann anzunehmen sein, wenn die Ethik-Kommission mit Nachdruck und adäquater Begründung die Umsetzung ihrer Vorschläge nicht nur nahelegt, sondern auffordernd zu ihrer Berücksichtigung drängt, die besondere Ortsund Fachkunde der Ethik-Kommission für die Richtigkeit ihrer Äußerungen spricht und im Übrigen keine das Vertrauen erschütternden Umstände vorliegen. In diesem Falle können die anderweitigen Ersatzmöglichkeiten des Versuchsteilnehmers nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund eines fehlenden Verschuldens der Primärverpflichteten scheitern.
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Vgl. BGHR BGB § 839 Abs 1 S 1 Dritter 34; BGH VersR 1986, 1082; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 153. 1437 Vgl. BGH VersR 1967, 859, 861; 1976, 776, 777.
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IV. Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch Fraglich ist, ob ein geschädigter Versuchsteilnehmer auch einen Entschädigungsanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch geltend machen kann.
1. Anwendbarkeit neben der Amtshaftung Der allgemeine Aufopferungsanspruch steht als verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch gleichberechtigt neben der Amtshaftung.1438 Er gründet sich gewohnheitsrechtlich auf dem allgemeinen Gedanken der Konfliktlösung zwischen Gemeinwohl und Individualrecht und war bereits in den §§ 74, 75 EALR niedergelegt.1439
2. Ersatzverpflichtete Fraglich ist, gegen wen sich ein eventuell gegebener öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch des Versuchsteilnehmers richtet. Nach st. Rspr. des BGH trifft die Entschädigungspflicht den durch den Eingriff unmittelbar begünstigten Hoheitsträger. Dies ist grundsätzlich derjenige Hoheitsträger, dem die Vorteile des Eingriffs zugeflossen sind oder in dessen Verantwortungsbereich die Aufgabe gehört, bei deren Wahrnehmung das Sonderopfer abverlangt wurde; idR sind dies die Gebieteskörperschaften mit Allzuständigkeit.1440 Es kommt aber auch ein Vermögensträger mit einem durch Spezialaufgaben begrenzten Aufgabenkreis in Betracht, der dann der unmittelbar Begünstigte ist, wenn gerade die Erfüllung seiner speziellen Aufgaben den Eingriff oder das Opfer veranlasst haben.1441 Ausnahmsweise kann auch eine alleinige Abstellung auf den Aufgabenbereich in Betracht kommen, wenn weder Vorteile noch obliegende Aufgaben erfüllt wurden.1442 In der Literatur wird dies als systemwidrig angesehen und auf den eingreifenden Hoheitsträger abgestellt.1443 Mit der Teilnahme an einer klinischen Prüfung ist jedoch nur der Sponsor der klinischen Prüfung begünstigt, d. h. idR ein pharmazeutisches Unternehmen. Im Sinne der Rspr. ließe sich bei der Tätigkeit von Ethik-Kommissionen darauf abstellen, dass die Opferveranlassung durch die zustimmende Bewertung in enger Verbindung mit 1438
Vgl. BGHZ 63, 167, 171; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 514. Hierzu BGHZ 9, 83 (Impfschaden durch Pockenimpfung); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 124 ff.; Klein, in: Soergel, Anh § 839 Rn. 177 ff.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 54 ff. 1440 Vgl. BGHZ 13, 81, 86; 23, 157, 169 f.; 29, 95, 96; 76, 387, 396 f.; ausf. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 138 f.; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 335. 1441 Vgl. BGHZ 40, 49, 53 m.w. Nachw. 1442 Vgl. BGHZ 76, 387, 396 f. 1443 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 139, 263 f. 1439
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der Wahrnehmung ihrer spezifischen Begutachtungstätigkeit einhergeht. Als haftende Hoheitsträger kämen folglich je nach Ansiedlung und Zuständigkeit das Land, die Universität oder die Kammer in Betracht.1444 3. Beeinträchtigung nicht vermögenswerter Rechte Der Aufopferungsanspruch setzt voraus, dass ein nicht vermögenswertes Recht beeinträchtigt worden ist. Der BGH bezieht sich hierbei „insbesondere“ auf die Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 GG, also auf Leben, Gesundheit und Freiheit.1445 4. Hoheitlicher Eingriff Sind die Schutzgüter des Versuchsteilnehmers aus Art. 2 Abs. 2 GG beeinträchtigt worden, so ist weiterhin erforderlich, dass jene Beeinträchtigung auf einen hoheitlichen Eingriff zurückzuführen ist, dem das Element des hoheitlichen Zwangs innewohnen muss.1446 Anknüpfungspunkt für Ethik-Kommissionen bildet zunächst der Erlass der zustimmenden Bewertung in Form eines Verwaltungsakts. Es ist aber fraglich, ob der an den Sponsor adressierte Verwaltungsakt zugleich Zwangscharakter gegenüber dem (potentiellen) Versuchsteilnehmer besitzt. An einem hoheitlichen Eingriff fehlt es grundsätzlich bereits dann, wenn der Betroffene freiwillig seine Rechtsgüter einer Gefahrensituation aussetzt.1447 Die Rspr. begreift den hoheitlichen Zwang allerdings nicht nur als „Rechtszwang“, sondern lässt auch den psychischen Zwang ausreichen, wie der BGH in seinen „Impfentscheidungen“ zum Ausdruck gebracht hat. Erfasst sei demzufolge selbst das „behördliche Anraten einer Schutzimpfung“, etwa durch Merkblätter. Es sei gleichgültig, ob der Betroffene unter Gewissenszwang stehe oder ob er dem Rat vertraue und sich unter Berücksichtigung des Gemeinwohls dem behördlichen Rat schließlich füge.1448 Ein Ethik-Kommissionsvotum erzeugt weder einen Rechtszwang noch einen psychischen Zwang. Es verhält sich geradezu umgekehrt: Ein wesentlicher Aspekt der 1444
S.a. die noch ausführlich zu besprechende Passivlegitimation bei Entschädigungsansprüchen aus enteignungsgleichem Eingriff, unten, § 6 A.II.9. 1445 Vgl. BGHZ 65, 196, 206; 111, 349, 355; dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 135. 1446 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 135; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 320; Maurer, Allg VerwR, § 28 Rn. 9 f. 1447 Vgl. Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 322; Klein, in: Staudinger, § 839 Rn. 182. Ausnahmen werden dann angenommen, wenn der Verletzte sich mit dem Adressaten des hoheitlichen Zwangs in einer Art „Gefahrengemeinschaft“ befindet, etwa wenn die Mutter ihr Kleinkind zur Pockenschutzimpfung begleitet und sich dabei ansteckt; vgl. BGHZ 45, 290; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 136; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 65. 1448 Vgl. zur Tuberkuloseschutzimpfung BGHZ 24, 45, 46, 31, 187, 192: „psychologisches Abfordern eines Opfers“; ausf. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 503; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 135 f.
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Ethik-Kommissionstätigkeit ist die Autonomiesicherung der Studienteilnehmer, die ausschließlich freiwillig und zugleich mit der Möglichkeit des jederzeitigen Rücktritts ohne Nachteile an der Studie teilnehmen. Diese Sachlage dürfte sich auch dann nicht ändern, wenn der von der Ethik-Kommission erlassene Verwaltungsakt wegen tatsächlicher Nichterfüllung der autonomiesichernden Voraussetzungen rechtswidrig ist, denn selbst dann geht von dem Votum weder ein Rechtszwang noch ein indirekter psychischer Zwang iSe Empfehlung zur Teilnahme an der Studie aus. Konstatieren lässt sich vor diesem Hintergrund, dass ein Aufopferungsanspruch geschädigter Versuchsteilnehmer immer dann ausgeschlossen ist, wenn eine wirksame, d. h. nach Aufklärung erteilte freiwillige Einwilligung des Versuchsteilnehmers vorliegt, und nur in den überaus seltenen – bei einer drohenden Pandemie1449 aber denkbaren – Fällen einer unmittelbar öffentlich-rechtlichen Heranziehung des Versuchsteilnehmers ein Aufopferungsanspruch in Betracht zu ziehen ist, wie es in der Thorotrast-Entscheidung des BGH1450 der Fall war.1451
5. Sonderfall: Psychisch vermittelter Studienteilnahmezwang Eine den Impfentscheidungen des BGH entsprechende Sachlage könnte dann anzunehmen sein, wenn die an den Versuchsteilnehmer ausgehändigte Patienteninformation aus Laienperspektive eine direkte oder indirekte Empfehlung zur Studienteilnahme erweckt, etwa dadurch, dass in der Erwähnung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission der unzutreffende Anschein erzeugt wird, es handele sich um eine ethisch hochwertige und nützliche Studie, zu deren Teilnahme auch die Ethik-Kommission rät1452 , durch den Hinweis auf die wissenschaftliche Bedeutung der Studie oder durch die Betonung des Nutzens für zukünftige Patientengenerationen. Versuchsteilnehmer stellen sich allerdings aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages für den Versuch zur Verfügung und die Patienteninformation wird nicht von einem hoheitlich tätigen Sponsor/Prüfer abgefasst bzw. zur Aufklärung der Versuchsteilnehmer verwendet.1453 Von der Interessenslage her gesehen erbringt zwar jeder Teilnehmer eines rein wissenschaftlichen und systematisch-therapeutischen Forschungsvorhabens ein Sonderopfer für das Wohl
1449 Zu Impfversuchen in den Zeiten der Vogelgrippe Deutsch, VersR 2007, 425 ff.; s.a. ders., KliFoRe 2007, 1 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 956. 1450 BGHZ 20, 61 = JZ 1956, 412 m. Anm. Schack = NJW 1956, 629 = VersR 1956, 222; hierzu mit Blick auf die Gewährung eines öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs heutzutage Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 63 ff. 1451 Wie hier Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 179 f.; Kreß, EthikKommissionen, S. 45 u. 65; s.a. BSG 95, 66 = MedR 2007, 59, 62 f. 1452 Vgl. zur Täuschung und Irreführung der Versuchsteilnehmers durch Hinweis auf die „zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission“ in der Patienteninformation Freund/Georgy, JZ 2009, 504 ff. 1453 Hierzu auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 65.
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der Allgemeinheit.1454 Studien, die allerdings vom Staat nicht vorgeschrieben bzw. empfohlen werden, fallen grundsätzlich in den Bereich privater Lebensrisiken.1455 Fraglich ist aber, ob sich nicht der „Staat“ eine etwaige „Studienteilnahmeempfehlung“ über die Grundsätze zur Rechtsscheinhaftung zurechnen lassen muss, wenn die Patienteninformation den Anschein eines behördlichen Anratens zur Studienteilnahme erweckt. Anknüpfungspunkt für Ethik-Kommissionen wäre die zustimmende Bewertung der Studie, ohne dass jenem Anschein entgegengetreten wurde. In eine solche Richtung weist ein jüngeres Urteil des BSG1456 zur Impfschadensregelung des § 60 IfSG. Nach § 60Abs. 1 Nr. 1 IfSG erhält derjenige, der durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Das BSG hielt es für möglich, den durch den Sponsor der Impfstudie erzeugten Rechtsschein einer öffentlichen Impfempfehlung in der zur Aufklärung des Versuchsteilnehmers verwendeten Patienteninformation dem zuständigen Gesundheitsministerium nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Anknüpfungspunkt hierfür war u. a. ein „Versagen der Ethik-Kommission“, die der irreführenden Patienteninformation pflichtwidrig nicht entgegengetreten war.1457 Eine „Aufopferungshaftung“, die an die zustimmende Bewertung der EthikKommission unmittelbar anknüpft, lässt sich aus § 60 IfSG für Impfstudien1458 nicht herleiten.1459 Fraglich ist jedoch, ob diese vom BSG für § 60 IfSG angestellten Erwägungen auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch übertragbar sind. Die Impfschadensregelung folgte ursprünglich dem Aufopferungsgedanken, ist jedoch ausgedehnt worden auf alle öffentlich empfohlenen Impfungen, ohne dass der Tatbestand der Aufopferung gegeben sein muss.1460 Insoweit erscheint die Verallgemeinerungsfähigkeit der vom BSG angestellten Erwägungen zu § 60Abs. 1 Nr. 1 IfSG zweifelhaft. Aber selbst dann, wenn man einen vom Sponsor/Prüfer
1454
Vgl. nur Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 983 a.E.; Deutsch, AcP 192 (1992), 161, 176 f.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 179 f.; a.A.Kreß, EthikKommissionen, S. 45, der für sämtliche Versuche mit therapeutischem Nutzen das Vorliegen eines Sonderopfers ablehnt. 1455 So bereits BSG 95, 66 = MedR 2007, 59, 63 f. für eine Impfstudie. 1456 BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399; vorgehend LSG Schleswig-Holstein, juris, Urt. v. 24.07.2007, Az: L 2 Vj 37/06; SG Schleswig, Urt. v. 07.06.2006, Az: S 13 VJ 26/04; dazu bereits oben, § 2 D; s.a. BSG 95, 66 = MedR 2007, 59, 64. 1457 Vgl. BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, Rn. 42 ff., 54 ff. 1458 Vgl. zur Anwendbarkeit des § 60 IfSG auf Impfstudien bereits BSG 95, 66 = MedR 2007, 59. 1459 Denkbar wäre allenfalls ein Innenregress oder eine Innenhaftung von EthikKommissionsmitgliedern gegenüber der zur Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes verpflichteten Stelle, wenn dem Anschein der öffentlichen Empfehlung (grob) fahrlässig nicht entgegengetreten wurde. 1460 Vgl. hierzu Bales/Baumann/Schnitzler, § 60 IfSG Rn. 3 f.
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erzeugten psychischen Zwang dem Staat zurechnen würde, so bleibt die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen fraglich. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Aufopferungsanspruch ist ein „äußerster Rechtsbehelf“1461 , der nur subsidiär zur Anwendung gelangt; er tritt auch gegenüber solchen Ansprüchen zurück, die keine Konkretisierung des allgemeinen Aufopferungsanspruchs darstellen.1462 Der BGH hat die Subsidiarität auch auf privatrechtliche Ersatzansprüche erstreckt1463 sowie auf Versicherungsleistungen.1464 Allerdings dürften die vom BGH für die Amtshaftung mittlerweile entwickelten Grundsätze zur Subsidiarität nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechend heranzuziehen sein.1465 Es verbleiben damit jedenfalls Schadensersatzansprüche gegen den Sponsor und/oder den Prüfer wegen fehlerhafter Aufklärung und Ansprüche gegen die Probandenversicherung.1466 Folgt die Probandenversicherung dem Gedanken der Aufopferung, so wäre es darüber hinaus möglich, in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG eine den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch verdrängende Spezialregelung zu erblicken.1467 Im Übrigen dürfte an dem ursprünglich vom BSG zutreffend aufgestellten Grundsatz zu § 60 IfSG festzuhalten sein, dass es einen „Bruch der gesetzlichen Systematik bedeuten“ würde, wenn die Haftung für gesundheitliche Schäden während einer klinischen Studie vom Staat verschuldensunabhängig übernommen werden müsste1468 , was erst recht für den „äußersten Rechtsbehelf“ des öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruchs gelten muss.
6. Ergebnis Ein öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch ist grundsätzlich beschränkt auf Fälle, in denen Studienteilnehmer unmittelbar öffentlich-rechtlich zum Forschungsvorhaben herangezogen werden. Ausgeschlossen ist ein Entschädigungsanspruch immer dann, wenn seitens des Studienteilnehmers eine wirksame, d. h. nach Aufklärung erteilte freiwillige Einwilligung vorliegt. Wird vom Sponsor/Prüfer der Rechtsschein einer öffentlich-rechtlichen Teilnahmeempfehlung gesetzt, dem die Ethik-Kommission pflichtwidrig nicht entgegentritt, bestünde in Anlehnung an die Rspr. des BSG die Möglichkeit einer Zurechnung, soweit man die zu § 60 1461
BGHZ 45, 58, 80. Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 73; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 142. 1463 Vgl. BGHZ 28, 297, 300. 1464 Vgl. BGHZ 28, 297, 301; 48, 58, 80; VersR 1994, 471; dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 142. 1465 Dafür etwa Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 142. 1466 Ansprüche gegen die Probandenversicherung sind anderweitige Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB, s. oben, § 5 B.II.9.b.bb. 1467 Allg. zum Vorrang von Spezialregelungen Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 16 Rn. 72; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 141. 1468 Vgl. BSG 95, 66 = MedR 2007, 59, 63. 1462
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IfSG entwickelten Kriterien für verallgemeinerungsfähig erachtet. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Aufopferungsanspruch greift allerdings auch in einem solchen Fall nur subsidiär ein und in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG könnte auch eine den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch verdrängende Spezialregelung erblickt werden.
C. Ansprüche bei multizentrischer Arzneimittelprüfung – Kompetenzverteilungen zwischen federführender und beteiligter Ethik-Kommission Fraglich ist, ob gegenüber dem geschädigten Studienteilnehmer bei multizentrischer Durchführung der klinischen Prüfung1469 auch eine Haftung für die beteiligte EthikKommission besteht.
I. Das Verhältnis von beteiligter und federführender Ethik-Kommission Der rechtliche Wirkungskreis der beteiligten Ethik-Kommission beschränkt sich darauf, der federführenden Ethik-Kommission bei ihrer Entscheidung über die zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG eine Stellungnahme zu übermitteln. Nach § 8 Abs. 5 S. 1 GCP-V bewertet die federführende Ethik-Kommission multizentrische klinische Prüfungen „im Benehmen“ mit den beteiligten EthikKommissionen. Klärungsbedürftig ist zunächst, welchen Stellenwert der Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission im Verhältnis zur abschließenden Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission zuzuschreiben ist und worauf sich jene Stellungnahme bezieht.
1. Allgemeine Bedeutung von „Benehmensentscheidungen“ Sieht eine Rechtsnorm die Beteiligung anderer Stellen vor Erlass eines Verwaltungsaktes vor, so spricht man von mehrstufigen Verwaltungsakten.1470 Die Mitwirkung einer anderen Stelle lässt sich grundsätzlich als Vorbereitungshandlung zum Erlass des Verwaltungsaktes verstehen.1471 Da es sich bei der Mitwirkung beteiligter EthikKommissionen nicht um einen Prozess innerhalb der internen Leistungsordnung eines Funktionsträgers handelt, sondern unterschiedliche Rechtsträger betroffen 1469
Zu multizentrischen Prüfungen bereits oben, § 4 D.IV. Grdl. Menger, VerwArch 50 (1959) 387, 397; allg. hierzu Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 43; Maurer, Allg VerwR, § 9 Rn. 30; Weidemann, VR 2000, 95 ff.; für multizentrische Arzneimittelprüfungen Baldus, MedR 2006, 202, 203. 1471 Weidemann, VR 2000, 95. 1470
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sind, gehört die Teilnahme der beteiligten Ethik-Kommissionen zur Kategorie gemeinsamer externer Entscheidungszuständigkeiten.1472 Jene können unterschiedlich ausgestaltet sein: Sie reichen von der bloßen informatorischen Beteiligung über verschiedene Formen des Kondominiums bis hin zur Genehmigung.1473 Derartige Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte werden im Gesetz häufig mit den Formulierungen „im Benehmen“, „Einvernehmen“ und der „Genehmigung“ gekennzeichnet. Das „Einvernehmen“ und das Kondominium stellen Formen gleichberechtigter Mitentscheidung dar und kennzeichnen sich dadurch aus, dass nur durch das einvernehmliche Zusammenwirken mehrere Stellen eine positive Entscheidung getroffen werden kann. Ansonsten tritt grundsätzlich eine „Handlungsblockade“ ein.1474 Ein „Benehmen“ verfolgt dagegen das Ziel der Einigung, ohne dass eine Uneinigkeit eine Handlungsblockade darstellt. Sich mit einer anderen Stelle ins Benehmen zu setzen, verlangt demnach keine Willenübereinstimmung, sondern es genügt grundsätzlich die Anhörung, sodass die eigenen Vorstellungen zu der in Aussicht gestellten Maßnahme vorgetragen werden können.1475 Das Benehmenserfordernis ist häufig das Resultat einer Verfahrenskonzentration, welches die zwingende Beteiligung einer anderen Stelle ohne inhaltliche Bindung der Sachentscheidungsstelle und ohne bestimmendem Einfluss auf die Entscheidung darstellt (sog. „asymmetrisch geteilte externe Leistungsgewalt“). Die federführende Behörde hat dabei das Beteiligungsergebnis sachgerecht zu würdigen.1476 Die Notwendigkeit einer Beteiligung der anderen Stelle, auch wenn die Entscheidung letztlich nur „im Benehmen“ erfolgt, ergibt sich im Unkehrschluss aus § 44 Abs. 3 Nr. 3 u. 4 VwVfG, der sämtliche gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungsakte und folglich auch das „Benehmen“ erfasst.1477 Nach unbestrittener Auffassung handelt es sich bei Erklärungen zuarbeitender Stellen mit dem Ziel einer Benehmensentscheidung ausschließlich um ein Verwaltungsinternum ohne Außenwirkung und mithin nicht um einen Verwaltungsakt.1478
1472
Allg. hierzu Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 159 ff. u. 180 ff. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 192; ausf. Püttner, Verwaltungslehre, § 18 Rn. 1 ff. 1474 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 194 f. Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 43; Weidemann, VR 2000, 95 f.; s.a. BVerwG, DöV 2004, 1004 ff. 1475 Vgl. VGH Mannheim NVwZ 1998, 221, 223; VG Kassel, NVwZ-RR 2001, 466, 467: „bloße Kontaktaufnahme ausreichend“; VG Sigmaringen, NVwZ 2002, 280; 281: Benehmen dient dem „umfassenden und gegenseitigen Austausch von Argumenten und der Mitbestimmung“. 1476 Treffend Püttner, Verwaltungslehre, § 18 Rn. 19: „Koordination der Belange“; ferner Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 43; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 193; Weidemann, VR 2000, 95. 1477 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 Rn. 184; Kopp/Ramsauer, § 44 Rn. 57; s.a. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 84 Rn. 193: „. . . zwingend am Entscheidungsverfahren zu beteiligen. . . “; VG Sigmaringen, NVwZ 2002, 280, 281. 1478 Vgl. nur Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 20 Rn. 63 m.w. Nachw.; Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 169 ff.; Weidemann, VR 2000, 95; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 62. 1473
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2. Kompetenzverteilung: Das Verhältnis von § 8 Abs. 5 S. 1 und S. 2 GCP-V Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 42 Abs. 1 AMG und der europarechtlichen Vorgaben ist unstreitig, dass ausschließlich die federführende EthikKommission dazu berufen ist, die zustimmende oder ablehnende Bewertung nach den aufgeführten Versagungsgründen vorzunehmen. Ungewiss ist jedoch das Verhältnis von § 8 Abs. 5 S. 1 und S. 2 GCP-V. Während S. 1 das allgemeine Benehmenserfordernis zwischen beteiligter und federführender Ethik-Kommissionen bei mulizentrischen Prüfungen statuiert („im Benehmen“), bestimmt S. 2, dass die beteiligten Ethik-Kommissionen die Qualifikation der Prüfer und die Geeignetheit der Prüfstellen in ihrem Zuständigkeitsbereich zu prüfen haben. Es wird nicht hinreichend deutlich, ob S. 2 die Prüfungskompetenz auf die örtlichen Gegebenheiten beschränkt, oder aber jene nur einen „Teilbereich des Benehmens“ mit besonderem Gewicht darstellen, sodass das Benehmen den gesamten Bewertungskomplex betrifft. Letzteres befürwortet Baldus in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Prüferqualifikation und die Prüfstelleneignung nicht vom Gegenstand der klinischen Prüfung oder ihren Zielen trennen lässt. Aus diesem Grunde erhalten auch die beteiligten Ethik-Kommissionen eine Kopie des Antrags und sämtliche Unterlagen. Der Schwerpunkt liege zwar auf den örtlichen Gegebenheiten, nach pflichtgemäßem Ermessen dürfe die Ethik-Kommission aber auch zu jeden anderen Bewertungskomplexen Anregungen an die federführende Ethik-Kommission herantragen.1479 Andere sehen eine direkte Verknüpfung von § 8 Abs. 5 S. 1 zu S. 2 GCP-V, sodass ausschließlich die örtlichen Gegebenheiten zu prüfen seien und nur jene in das Benehmenserfordernis eingestellt werden.1480 Die derzeitige Praxis befürwortet das „Mehraugenprinzip“ der internen Abstimmung unter den Ethik-Kommissionen, um die Patientensicherheit und die ärztliche Vertretbarkeit der Forschung umfassend berücksichtigen zu können.1481 In der Tat ist weder im AMG noch in der GCP-V ein Ausschluss dahingehend zu erkennen, dass es den beteiligten Ethik-Kommissionen gänzlich verwehrt wäre, ihre Einschätzung der federführenden Ethik-Kommission mitzuteilen, die sie nach freier Würdigung berücksichtigen kann.1482 Aber selbst dann, wenn man die Benehmensentscheidung auf das gesamte Normenprogramm ausdehnen würde, so ist unter dieser Prämisse die vorstrukturierte Gewichtung lokalitätsbezogener und nicht-lokalitätsbezogener Aspekte in § 8 Abs. 5 GCP-V zu berücksichtigen. Während für die lokalitätsbezogene Bewertung eine korrespondierende Prüfpflicht der beteiligten Ethik-Kommissionen besteht (§ 8
1479
Baldus, MedR 2006, 202, 203 f. Vgl. Lippert, in: FS Laufs, S. 973, 978 u. 980; ders., in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 14; ders., VersR 2005, 48, 51; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159; ähnlich Klosel/Cyran, § 42 Anm. 46. 1481 Vgl. BT-Drs. 16/7703, S. 11; Deutsch, MedR 2006, 411, 413: „erfreuliche Unterstützung“; krit. dagegen Lippert, in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 14. 1482 Ebenso v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 192 a.E.; s. nunmehr auch § 5 Abs. 2 der Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten (MPKPV) v. 10.05.2010, BGBl I 2010, 555. 1480
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Abs. 1 S. 2 GCP-V), so fehlt eine solche bei den nicht-lokalitätsbezogenen Voraussetzungen. In den Zuständigkeitsbereich der beteiligten Ethik-Kommissionen fallen die Prüfung der Qualifikation der Prüfer und der Geeignetheit der Prüfstelle. Es handelt sich um lokalitätsbezogene Voraussetzungen in personeller, sachlicher und räumlicher Hinsicht, die der jeweiligen ortsnäheren Ethik-Kommission vorbehalten sein sollen.1483 Jene von der beteiligten Ethik-Kommission zu bewertende Qualifikation der Prüfer und der Geeignetheit der Prüfstelle entspricht gleichzeitig dem Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 Nr. 5 AMG.1484 Eine diesbezügliche Ablehnungskompetenz steht ausschließlich der federführenden EthikKommission zu, die ohne an jene Bewertung gebunden zu sein „im Benehmen“ mit der beteiligten Ethik-Kommission hierüber entscheidet.1485 II. Amtshaftung für die federführende Ethik-Kommission Fraglich ist, ob eine Amtshaftung für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem geschädigten Studienteilnehmer in Betracht kommt, wenn dieser deswegen einen Schaden erleidet, weil die von der lokalen Ethik-Kommission zu bewertende Prüfstätte und/oder der von ihr zu bewertende Prüfer nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG nicht geeignet bzw. nicht ausreichend qualifiziert waren. 1. Amtspflichtverletzung Bedenken bereitet, dass die zustimmende Bewertung der federführenden EthikKommission im Hinblick auf die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen auf der Bewertung der jeweils beteiligten Ethik-Kommission „beruht“. Fraglich ist, ob die federführende Ethik-Kommission für das Fehlen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG in einer lokalen Prüfstätte auch haftungsrechtlich verantwortlich ist. Dies kann nur nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Zurechnungskriterien beurteilt werden, die im hier allein interessierenden Außenrechtskreis1486 von der amtshaftungsrechtlichen Judikatur (mit-)bestimmt wird.1487 1483 Vgl. Baldus, MedR 2006, 202, 203; Lippert, VersR 2005, 48, 50; ders., in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 14. 1484 Vgl. Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 59; Lippert, in: Deutsch/Lippert, Anh. § 42 Rn. 11. 1485 Vgl. nur Krüger, KliFoRe 2006, 15, 24; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 31 u. 46; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 191 ff. mit dem Hinweis, dass die federführende Ethik-Kommission zur Eignung auch andere Beweismittel als die Mitteilung der beteiligten Ethik-Kommission heranziehen darf (§ 26 VwVfG); a.A. Wessler/Burger/Doppelfeld, Bundesgesundheitsbl. 2005, 155, 158: „Im Hinblick auf die Stellungnahme zur lokalen Eignung ist die federführende Ethik-Kommission an die Bewertung der jeweils zuständigen Ethik-Kommissionen gebunden“. 1486 Zur diesbezüglichen Unterscheidung von Außen- und Innenrechtskreis Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 38 ff. 1487 Vgl. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 41 ff.
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a. Zurechnungsgrundsätze beim Zusammenwirken mehrerer Behörden Liegt zwischen zwei öffentlichen Stellen eine Mitverantwortung vor, etwa weil eine Stelle im Rahmen ihrer Zuständigkeit eine Maßnahme getroffen hat, die die andere ausführende Stelle als verbindlich anzuerkennen hat, so ist das Handeln ausschließlich der mitwirkenden Stelle zuzurechnen.1488 Gleiches ist anzunehmen, soweit zwar keine Bindung, andererseits aber auch keine bloße Verfahrensbeteiligung, sondern eine Mitwirkungshandlung vorliegt. Maßgeblich für die Zurechnung ist, ob sich die entscheidende Behörde über den Vorschlag der anderen Stelle nicht ohne weiteres hinwegsetzen kann (Beteiligung mit eingeschränkter Bindungswirkung).1489 Bei internen Mitwirkungshandlungen, wie etwa bei angeordneter Verfahrenskonzentration, sollen nach Kluth die jeweiligen Mitwirkungshandlungen ausschließlich den mitwirkenden Behörden und nicht der für die Gesamtentscheidung zuständigen Behörde zuzurechnen sein. Bei Amtshaftungsansprüchen ist folglich nur die mitwirkende Behörde verantwortlich, die durch ihre Mitwirkungshandlung eine Amtspflichtverletzung begangen hat.1490 Grundsätzlich anders soll es dann liegen, wenn nur unverbindliche Stellungnahmen oder Informationen eingeholt werden (Beteiligung ohne Bindungswirkung). Hier bleibt die Alleinverantwortung bei der federführenden Behörde im Außenverhältnis bestehen.1491 Bei rein faktischer Zusammenarbeit ohne Beteiligung im Rechtssinne, etwa wenn eine Behörde die von einer anderen Behörde erteilten Informationen auswertet, kommt es für die Zurechnung auf den Pflichtenkreis im Verhältnis zum Bürger an.1492 Regt eine Behörde den Erlass bestimmter Maßnahmen durch die zuständige Behörde an oder fördert sie diese, können je nach Einzelfall Amtspflichten im Außenverhältnis zum Bürger auch gegenüber dieser mitwirkenden Behörde bestehen.1493 b. Lokalitätsbezogene Voraussetzungen Bei der in den §§ 7 Abs. 1 S. 4, 8 Abs. 5 GCP-V vorgesehenen Mitwirkung der beteiligten Ethik-Kommissionen handelt es sich nicht um einen Fall der Mitverantwortung im erwähnten Sinne, denn nur die federführende Ethik-Kommission 1488
Vgl. BGHZ 139, 200: Zurechnung einer fehlerhaft gestellten Prüfungsfrage durch das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen zum Institut selbst, obwohl das Landesprüfungsamt die Prüfung durchführte; hierzu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 71; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 44. 1489 BGH NVwZ 1994, 825 = VersR 1994, 558: Amtshaftung einer Gemeinde wegen Vorschlags eines schlechter qualifizierten Bewerbers, obwohl das Land als Anstellungsbehörde an den Vorschlag nicht gebunden war; hierzu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 70; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 43 1490 Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 43 1491 Vgl. BGHZ 146, 365 = NVwZ 2001, 1074; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 44; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 80; s.a. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 238. 1492 BGHZ 129, 17: Flugsicherungsstelle braucht sich ein Informationsdefizit nicht deshalb zurechnen zulassen, weil der Wetterdienst nicht rechtzeitig eine Hagelwarnung erteilt hatte; vgl. auch Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 75. 1493 Hierzu BGH NJW 1963, 1199 ff.; 1984, 2946, 2947; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 67.
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trägt nach der GCP-V und den europarechtlichen Vorgaben die Alleinverantwortung für ihre abgegebene Bewertung. Fraglich ist aber, ob sich die Bewertung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen der beteiligten Ethik-Kommission in die Kategorie der Beteiligung mit eingeschränkter Bindungswirkung einordnen lässt. Für eine derartige Qualifizierung sprechen sowohl rechtliche als auch praktische Gründen: Es ist zwar in der Literatur vorgetragen worden, dass es sich bei dem „Benehmen“ um die „unverbindlichste Mitwirkungsform“ handele1494 , sodass infolgedessen auch eine „Beteiligung ohne Bindungswirkung“ möglich erscheint. Dies ist jedoch insoweit unzutreffend, als die Mitwirkung einer anderen Stelle auch im Falle von Benehmensentscheidungen zwingende Verfahrensvoraussetzung und ein Ausdruck asymmetrisch geteilter externer Leistungsgewalt ist. Der Wortlaut des § 8 Abs. 5 S. 2 GCP-V erteilt den beteiligten Ethik-Kommissionen auch einen ausdrücklichen Prüfauftrag („Die beteiligten Ethik-Kommissionen prüfen. . . “). Damit ist zugleich eine Aufgabenzuweisung zu den örtlichen Ethik-Kommissionen verbunden, die sie als eigene wahrnehmen,1495 was im Umkehrschluss dazu führen müsste, dass die federführende Ethik-Kommission der Prüfung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen weitestgehend enthoben wird.1496 Damit würde sich die Prüfer- und Prüfstellenqualifikation der Kategorie der „Mitverantwortung“ annähern, indem die lokalen Ethik-Kommissionen im Hinblick auf ihre Prüfstelle/Prüfer die Entscheidung inhaltlich mittragen, wobei die verbindliche Anerkennung durch die „Benehmensentscheidung“ überlagert wird. Ferner darf nicht übersehen werden, dass multizentrische Arzneimittelprüfungen schon allein durch ihre räumliche Diversifikation ein erhöhtes Risiko für den Studienteilnehmer begründen.1497 Der Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission kommt insoweit kraft ihrer Ortskunde richtungsweisende Bedeutung zu. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch die Tatsache, dass die Einschaltung der beteiligten Ethik-Kommissionen vor der Entscheidung über die zustimmende Bewertung nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 5 GCP-V nur das Ziel einer Benehmensentscheidung verfolgt. Sie dient dazu, der federführenden Ethik-Kommission die besondere Sachkunde nutzbar zu machen, ohne dass sie einer eigenen eigenverantwortlichen Prüfung enthoben wird. Der Inhalt der Stellungnahme der lokalen Ethik-Kommissionen hat auf die Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission keine rechtliche Wirkung, wohl aber erhöhten tatsächlichen Einfluss. Die in § 8 Abs. 5 GCP-V statuierte „Benehmensentscheidung“ berücksichtigt nicht hinreichend den örtlichen 1494 So van der Sanden, Haftung, S. 196; ebenso Lippert, VersR 2005, 48, 52; ders., in: FS Laufs, S. 973, 978. 1495 So auch Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 59: „. . . Aufgabe der örtlich zuständigen EthikKommission. . . “; van der Sanden, Haftung, S. 49 in Fn. 173; Osieka, Humanforschung, S. 281 f. 1496 In diese Richtung Mayer, Produktverantwortung, S. 618; zu weitgehend aber Wessler/Burger/Doppelfeld, Bundesgesundheitsbl. 2005, 155, 158: „Im Hinblick auf die Stellungnahme zur lokalen Eignung ist die federführende Ethik-Kommission an die Bewertung der jeweils zuständigen Ethik-Kommissionen gebunden“. 1497 Vgl. Baldus, MedR 2008, 202, 203.
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Sachverstand der beteiligten Ethik-Kommission. Es handelt sich im Ergebnis um eine Beteiligung mit faktischer Bindungswirkung, was mit dem „Benehmen“ als eine Form der Beteiligung ohne rechtliche Bindungswirkung nur unzureichend zum Ausdruck kommt. Für die Annahme einer Amtspflichtverletzung der federführenden Ethik-Kommission genügt es jedoch, dass jene sich über die Entscheidung der beteiligten Ethik-Kommission ohne weiteres hinwegsetzen kann und von einer eigenverantwortlichen Prüfung nicht entbunden wird.1498 c. Nicht-lokalitätsbezogene Voraussetzungen Äußert sich die beteiligte Ethik-Kommission nicht nur zu den lokalen Gegebenheiten, sondern auch zu weitergehenden Voraussetzungen, so wird die federführende EthikKommission hier erst recht nicht von ihrer eigenverantwortlichen Prüfung enthoben. Über die lokalen Gegebenheiten hinausgehende Einschätzungen kann die federführende Ethik-Kommission nach freiem Ermessen berücksichtigen1499 und diese in ihre Gesamtbewertung einfließen lassen. 2. Drittgerichtetheit Liegen die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG nicht vor und stimmt die federführende Ethik-Kommission gleichwohl der klinischen Prüfung uneingeschränkt zu, so liegt hierin eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung. Insoweit gilt nichts anderes als bei monozentrischen Arzneimittelprüfungen. 3. Verschulden Es stellt sich jedoch die Frage, ob dann, wenn seitens der beteiligten EthikKommission die lokalen Voraussetzungen positiv bewertet werden, es nicht am Verschulden der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission fehlt. a. Lokalitätsbezogene Voraussetzungen Solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Amtsträger der entscheidenden Behörde über bessere Kenntnisse verfügt als eine Fachbehörde, so handelt sie grundsätzlich ohne Verschulden, wenn sie ihre Meinungsbildung nach der Auffassung der Fachbehörde ausrichtet.1500 Die beteiligte Ethik-Kommission ist nicht als Fachbehörde anzusehen. Sie verfügt aber kraft ihrer örtlichenAngebundenheit bei der Prüfung der lokalen Prüfer- und Prüfstellenqualifikation über bessere – d. h. überlegenere – (örtliche) Sachkenntnisse. Wird seitens der GCP-V ausdrücklich angeordnet, 1498
Ähnlich van der Sanden, Haftung, S. 197. Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 192. 1500 Vgl. BGHZ 139, 200, 214; 146, 365, 370 = NVwZ 2001, 1074, 1075; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 201.; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 170 ff. 1499
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dass die örtlichen Ethik-Kommissionen die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen in ihrem Zuständigkeitsbereich zu prüfen haben, so darf die federführende EthikKommission auch grundsätzlich die Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission zugrunde legen. Dies bestätigt die Überlegung, dass das Abweichen von der negativen Bewertung der beteiligten und mit den örtlichen Gegebenheiten besser vertrauten Ethik-Kommission in erhöhtem Maße begründungspflichtig ist. Die Bewertungen der beteiligten Ethik-Kommissionen sind mithin als eine hinreichende Verlässlichkeitsgrundlage einzustufen, über die sich die federführende Ethik-Kommission nicht ohne Nutzung anderer Beweismittel (§ 26 Abs. 1 VwVfG), die die Ortsnähe ersetzen, sachgemäß hinwegsetzen kann.1501 Legt die federführende Ethik-Kommission die positive Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission zugrunde, so handelt sie grundsätzlich ohne Verschulden.1502 b. Nicht-lokalitätsbezogene Voraussetzungen Anders verhält es sich bei Äußerungen der beteiligten Ethik-Kommissionen außerhalb der Prüfer- und Prüfstellenqualifikation: Zum einen greift hier nicht der Gedanke der überlegeneren Ortskunde ein und zum anderen ist der federführenden EthikKommission bewusst, dass die beteiligten Ethik-Kommissionen – wenn überhaupt – nur eine rein summarische Prüfung der weiteren Voraussetzungen vornehmen. Eine verschuldensentlastende Wirkung kommt hier nicht in Betracht. c. Entgegengesetzte Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission Eine verschuldensentlastende Wirkung im Hinblick auf die lokalen Gegebenheiten kommt freilich nur bei Ergebniskongruenz in Frage. Setzt sich die federführende Ethik-Kommission über die positive oder negative Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission hinweg und entscheidet sie entgegengesetzt, so tut sie dies in eigener Verantwortung, ohne sich verschuldensentlastend auf die Stellungnahme der beteiligten Ethik-Kommission berufen zu können.
4. Ergebnis Auch dann, wenn die von einer beteiligten Ethik-Kommission zu prüfenden lokalitätsbezogenen Voraussetzungen nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG nicht erfüllt werden, liegt eine Amtspflichtverletzung der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission vor. Sie können sich jedoch verschuldensentlastend auf die 1501
Ähnlich auch Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 32. Ebenso aus strafrechtlicher Sicht Mayer, Produktverantwortung, S. 618: „Für die Frage nach der strafrechtlichen Verantwortung für auftretende Arzneimittelschäden bedeutet dies, dass der lokalen Ethik-Kommission grundsätzlich nur solche Schäden zuzurechnen sind, die aus der unzureichenden Qualifikation der Prüfer bzw. Ungeeignetheit der konkreten Prüfstelle resultieren. Insoweit wird die Master-Kommission zugleich von eigener Verantwortung frei, darf sie sich doch auf das Votum der lokalen Kommission verlassen und dieses der Genehmigungsentscheidung zugrunde legen“.
1502
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positive Stellungnahme der beteiligten Ethik-Kommission berufen, soweit keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bewertung vorliegen. Bei den übrigen von der federführenden Ethik-Kommission zu prüfenden Voraussetzungen bleibt es trotz diesbezüglicher Äußerungen seitens der beteiligten Ethik-Kommissionen bei der ungeteilten Verantwortung der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission. III. Amtshaftung für die beteiligte Ethik-Kommission Scheidet eine Amtshaftung für die federführende Ethik-Kommission bei der Beurteilung der lokalen Gegebenheiten grundsätzlich aus, so ist zu klären, ob eine Amtshaftung für die beteiligte Ethik-Kommission in Frage kommt. 1. Drittgerichtete Amtspflichtverletzung Der BGH vertrat ursprünglich die Auffassung, dass die Behörde, die in einem Verfahren ohne Bindungswirkung beteiligt wird, der zur Sachentscheidung berufenen Behörde nicht die Verantwortung abnehme. Die Einschaltung sei ein rein behördeninterner Vorgang ohne Außenwirkung und ohne außengerichtete Pflichten.1503 Hiervon ist der BGH in einer grundlegenden Entscheidung abgerückt: Drittgerichtete Amtspflichten können demnach auch einer nur hinzugezogenen Behörde obliegen, soweit bei der betreffenden Amtshandlung in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Dies bejaht der BGH für Stellungnahmen von (Fach-)Behörden dann, wenn die Aufklärung des relevanten Sachverhaltes tatsächlich arbeitsteilig erfolgt und die eingeschaltete (Fach-)Behörde auf der Grundlage arbeitsteiligen Zusammenwirkens ihr überlegenes Fachwissen in die zu treffende Entscheidung einbringt. In diesem Fall gewinnt die Mitwirkung im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität, da sie dann ebenso wie die nach außen tätig werdende Behörde gehalten ist, bei der Ausübung des Amtsgeschäfts auch die Interessen des betroffenen Bürgers zu wahren. „In diesen Fällen wirken die Amtspflichten der Fachbehörde in den Schutzbereich der Amtspflichten, welche die zur Endentscheidung berufene Behörde dem Bürger gegenüber wahrzunehmen hat, hinein und erlangen ihrerseits drittschützenden Gehalt“. Die Haftung tritt folglich unabhängig davon ein, ob auch die nach außen tätig werdende Behörde ihrerseits haftet.1504 Der BGH hat hierdurch die Haftungslücken geschlossen, die aus dem fehlenden Verschulden der zur Sachentscheidung berufenen Behörde und der fehlenden Drittgerichtetheit der Amtspflichten der beteiligten Behörde entstehen würden.1505 1503
Vgl. BGH NVwZ 1991, 707 = WM 1990, 2013; auch wiedergegeben in BGHZ 146, 365 = NVwZ 2001, 1074. 1504 Vgl. BGHZ 146, 365 = NVwZ 2001, 1074 f.; zuletzt BGH VersR 2005, 1584. 1505 Vgl. hierzu Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 44; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 72 ff.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 238; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 170 ff.
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Ebenso liegt es in der hier zu entscheidenden Konstellation: Die beteiligte Ethik-Kommission bringt ihren lokalen Sachverstand in die Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission ein, indem sie nach § 8 Abs. 5 GCP-V die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen für ihren Zuständigkeitsbereich prüft und bewertet. Dass es sich nur um eine „Benehmensentscheidung“ handelt, ist unschädlich, weil die Aufklärung des relevanten Sachverhaltes tatsächlich arbeitsteilig erfolgt. Kraft ihres überlegeneren und mithin richtungsweisenden Sachverstands imVerhältnis zur federführenden Ethik-Kommission hat die Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission über einen rein verwaltungsinternen Vorgang hinausreichende Bedeutung, zumal die federführende Ethik-Kommission, ohne schuldhaft zu handeln, das Ergebnis der Bewertung ihrer Entscheidung zugrunde legen darf. Darüber hinaus ist den Mitgliedern der beteiligten Ethik-Kommissionen bewusst, dass ihre Entscheidung Dritte (Sponsor/Prüfer/Versuchsteilnehmer) unmittelbar beeinflusst, da sich nach derzeitiger Praxis an den Bewertung der beteiligten Ethik-Kommissionen orientiert wird und Abweichungen von der Bewertung absolute Ausnahmen darstellen.1506 Demzufolge ist (auch) von einer drittgerichteten Amtspflichtverletzung der beteiligten Ethik-Kommission bei fehlerhafter Prüfer- und/oder Prüfstellenbewertung auszugehen.1507 Richtigerweise wird man aber auch eine gänzliche Untätigkeit der beteiligten Ethik-Kommission als drittgerichtete Amtspflichtverletzung zu werten haben. Bei einer vollständigen Untätigkeit fehlt es der federführenden Ethik-Kommission an einer wesentlichen Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der lokalen Gegebenheiten. Die Ethik-Kommission kann dann nur unter Verzicht auf den ortsnahen Sachverstand die Prüfung anhand der übersandten Unterlagen (§ 7 Abs. 2 Nr. 57, Abs. 3 Nr. 6-8 GCP-V) selbst vornehmen. Eine Amtshaftung für die beteiligte Ethik-Kommission gegenüber dem Versuchsteilnehmer besteht dann, wenn sie kraft ihrer Ortskunde zu einer ablehnenden Bewertung hätte kommen müssen; unter dieser Prämisse hätte nach derzeitiger behördenüblichen Praxis auch die federführende Ethik-Kommission Prüfer und/oder Prüfstätte von der klinischen Prüfung ausgeschlossen.1508,1509 1506
Hierzu auch Baldus, MedR 2006, 202, 203. Vgl. für das Strafrecht Mayer, Produktverantwortung, S. 618; a.A. van der Sanden, Haftung, S. 197, der die Haftung für beteiligte Ethik-Kommissionen – entgegen der angeführten Rspr. des BGH – an der „erforderlichen Außenwirkung ihrer Stellungnahmen“ scheitern lässt. 1508 Zur derzeitigen Praxis Baldus, MedR 2006, 202, 203. Zu einem anderen Ergebnis dürfte wohl Lippert kommen, der die Auffassung vertritt, eine Benehmensbeteiligung sei auch dann erfolgt, wenn die beteiligte Ethik-Kommission die 30-Tage-Frist schlicht verstreichen lässt; Lippert, VersR 2005, 48, 52; ders., in: FS Laufs, S. 973, 978. 1509 Eine wohl eher theoretische Haftung außerhalb des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG kann sich daraus ergeben, wenn die beteiligte Ethik-Kommission nicht alle entscheidungserheblichen Umstände der federführenden Ethik-Kommission mitteilt, die auch außerhalb der örtlichen Gegebenheiten liegen können. Aus der allen Behörden obliegenden Pflicht zur gesetzmäßigen Verwaltung leitet der BGH die Pflicht zur vollständigen und sachgemäßen Unterrichtung der zuständigen Behörde über alle entscheidungserheblichen Umstände her, wenn die mitwirkende Behörde weiß, dass ihre Tätigkeit oder ihr Bericht Grundlage für die Entscheidung der zuständigen Behörde ist. Auch Anregungen 1507
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2. Verschulden Für das Verschulden gelten die bereits erörterten Grundsätze.1510 Ein verschuldensentlastender Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die beteiligte EthikKommission davon ausgehen durfte, dass die federführende Ethik-Kommission ihre lokale Stellungnahme einer nochmaligen Überprüfung unterzieht, scheidet nach den vorstehenden Überlegungen aus. Anders verhält es sich bei Äußerungen, die über die lokalen Gegebenheiten hinausreichen. Soweit man hier nicht bereits das Vorliegen einer drittgerichteten Amtspflichtverletzung verneint, so darf die beteiligte Ethik-Kommission grundsätzlich davon ausgehen, dass die von ihr nur summarisch vorgenommene Bewertung nicht ohne weiteres von der federführenden Ethik-Kommission zugrunde gelegt wird.
3. Die weiteren Voraussetzungen Wie bei der Haftung für die federführende Ethik-Kommission greift auch zugunsten der beteiligten Ethik-Kommission die Subsidiarität der Amtshaftung bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung ein, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Aus dem Gesichtspunkt des Organisations-, Übernahme- und Auswahlverschulden kann in erörtertem Umfang eine vorrangige Haftung des Sponsors, des unterqualifizierten Prüfers und/oder der Forschungsstätte bestehen. Im Übrigen gelten dieselben Voraussetzungen, wie sie bereits für die federführende Ethik-Kommission dargelegt wurden.
IV. Ergebnis Die fehlerhafte Beurteilung der lokalen Gegebenheiten nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG begründet eine Amtspflichtverletzung der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission. Sie können sich grundsätzlich verschuldensentlastend auf die positive Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission berufen, nicht jedoch im Hinblick auf andere Äußerungen. Hierzu spiegelbildlich besteht eine Amtshaftung für die beteiligte Ethik-Kommission für fehlerhaft abgegebene Stellungnahmen betreffend die lokalen Gegebenheiten. Abschließend hinzuweisen bleibt darauf, dass die (eher) theoretische Möglichkeit einer gesamtschuldnerischen Haftung besteht, nämlich dann, wenn die federführende Ethik-Kommission die fehlerhafte Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission erkannt oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und nicht entgegengesetzt entschieden hat.
und Raterteilungen können Amtshaftungsansprüche begründen; vgl. BGH NJW 1963, 1199 ff.; 1984, 2946, 2947; vgl. ferner Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 67. 1510 Oben, § 5 B.II.6.
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D. Ansprüche wegen Nichtintervention der federführenden Ethik-Kommission in die laufende klinische Prüfung Eine Haftung für die federführende Ethik-Kommission kann nicht nur aus einer amtspflichtwidrig erteilten zustimmenden Bewertung, sondern auch aus einem Fehlverhalten der Kommission während der Durchführung der klinischen Prüfung resultieren.
I. Problemstellung Die Aufgabe der Ethik-Kommission erschöpft sich nicht in einer einmaligen punktuellen Bewertungsentscheidung. Bereits aus der Natur der behördlichen Risikoentscheidungen folgt, dass wegen der anfänglichen kognitiven Defizite mit zunehmender Versuchsdauer anhand tatsächlicher Gegebenheiten die behördliche Entscheidung möglicherweise revidiert werden muss.1511 Nach der GCP-V bedürfen nachträgliche Änderungen des Prüfplans, deren Erforderlichkeit sich im Verlaufe der klinischen Prüfung herausstellen können, der zustimmenden Bewertung der EthikKommission, § 10 Abs. 1 GCP-V. Bei der Rekrutierung weiterer Prüfzentren bedarf es ebenfalls der zustimmenden Bewertung (§ 10 Abs. 4 GCP-V). Die Haftung bei der Nachbewertung von Prüfplanänderungen und Prüfstellen unterscheidet sich jedoch nicht von der bereits erörterten Amtshaftung für die zustimmende Bewertung auf der Grundlage des § 42 Abs. 1 AMG. Bedeutung erlangen dagegen die Anzeige-, Dokumentations- und Mitteilungspflichten von Prüfer und Sponsor an die Ethik-Kommission nach den §§ 12, 13 GCPV. Über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse1512 hat der Prüfer grundsätzlich den Sponsor unverzüglich (§ 12 Abs. 4 GCP-V), im Falle eines unerwünschten Ereignisses1513 innerhalb der im Prüfplan angegebenen Frist (§ 12 Abs. 5 GCP-V) zu unterrichten. Im Falle des Todes einer Versuchsperson hat er nach § 12 Abs. 6 GCP-V u. a. der Ethik-Kommission alle erforderlichen Auskünfte zu übermitteln. Den Sponsor trifft eine ausführliche Dokumentationspflicht aller von den Prüfern mitgeteilten unerwünschten Ereignissen (§ 13 Abs. 1 GCP-V). Über jeden ihm bekannt gewordenen Verdachtsfall einer unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkung hat er u. a. die Ethik-Kommission zu unterrichten (§ 13 Abs. 2 u. 3 GCP-V). Jeder Sachverhalt, der eine erneute Überprüfung der Nutzen-Risiko-Bewertung des Prüfpräparats erfordert, 1511
Dazu auch Wölk, Risikovorsorge, S. 335; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1356. Vgl. § 3 Abs. 8 GCP-V: „Schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis oder schwerwiegende Nebenwirkung ist jedes unerwünschte Ereignis oder jede Nebenwirkung, das oder die tödlich oder lebensbedrohend ist, eine stationäre Behandlung oder deren Verlängerung erforderlich macht oder zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung oder Invalidität führt oder eine kongenitale Anomalie oder einen Geburtsfehler zur Folge hat.“ 1513 Vgl. § 3 Abs. 6 GCP-V: „Unerwünschtes Ereignis ist jedes nachteilige Vorkommnis, das einer betroffenen Person widerfährt, der ein Prüfpräparat verabreicht wurde, und das nicht notwendigerweise in ursächlichem Zusammenhang mit dieser Behandlung steht.“ 1512
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ist ebenfalls der Ethik-Kommission mitzuteilen (§ 13 Abs. 4 GCP-V).1514 Kraft der ihr übermittelten Informationen kann die Ethik-Kommission verpflichtet sein, ihre zustimmende Bewertung nachträglich aufzuheben. Eine Haftung kommt im Falle der unterlassenen Aufhebung in Betracht, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen für die zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG anfänglich fehlten oder nachträglich weggefallen sind, § 42a Abs. 4a AMG. Erstere Konstellation unterstützt die Amtshaftung für amtspflichtwidrig erteilte zustimmende Bewertungen, die etwa dann an Bedeutung erlangt, wenn es am Verschulden zum Zeitpunkt des Erlasses des rechtswidrigen Verwaltungsaktes fehlt, die Ethik-Kommissionsmitglieder aber nunmehr das anfängliche Fehlen der Zustimmungsvoraussetzungen erkennen und schuldhaft untätig bleiben. Letztere Konstellation betrifft veränderte Umstände, die die klinische Prüfung nunmehr in einem neuen und womöglich ganz anderen Licht erscheinen lassen. Da die zustimmende Bewertung vor Durchführung der klinischen Prüfung unter teils erheblichen kognitiven Defiziten erteilt werden muss, erlangt die Bewertung zur Fortführung der klinischen Prüfung auf der Grundlage tatsächlicher Ereignisse an besonderer Praxisrelevanz. Ein geschädigter Versuchsteilnehmer kann insoweit nicht nur Schadensersatzansprüche wegen rechtswidrig erteilter zustimmender Bewertung, sondern möglicherweise auch wegen unterlassener Rücknahme oder unterlassenem Widerruf der zustimmenden Bewertung geltend machen. II. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Für den geschädigten Versuchsteilnehmer kommen Ansprüche aus Amtshaftung in Betracht, § 839 BGB, Art. 34 GG. 1. Verletzung einer patienten-/probandenbezogenen Amtspflicht a. Ausgangslage Voraussetzung ist zunächst die Verletzung einer patienten-/probandenbezogenen Amtspflicht. Jedem Amtsträger obliegt die Pflicht, begangene Fehler zu beheben, im Rahmen des Zumutbaren ihre für den Betroffenen nachteiligen Folgen zu beseitigen und hervorgerufene Schadensgefahren auszuräumen.1515 Im Rahmen rechtmäßiger Amtsausübung besteht insbesondere die Pflicht, als rechtswidrig erkannte oder erkennbare Verwaltungsakte zurückzunehmen.1516 Die an den Kategorien der Rücknahme ursprünglich rechtswidriger und des Widerrufs ursprünglich rechtmäßiger 1514
Zur Pharmakovigilanz klinischer Studien mit Blick auf die Ethik-Kommission Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1062 f.; Sträter/Wachenhausen, PharmR 2007, 95, 96 u. 98 f.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 225 ff., 542 ff.; Wölk, Risikovorsorge, S. 334 ff. 1515 Vgl. BGHZ 43, 34, 38, NJW 1986, 2952, 2953 a.E.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 134. 1516 Vgl. BGH VersR 1971, 859, 861; NJW 1986, 2952, 2953 a.E; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 134.
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zustimmender Bewertungen orientierte Amtspflicht kann freilich nur so weit reichen, wie mit der Amtspflicht auch eine derartige Kompetenz zur Aufhebung des Kommissionsvotums korreliert.
b. Die (damalige) Diskussion über die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG Die Aufhebungskompetenz erteilter Voten gehörte seit der 12. AMG-Novelle zu einer der umstrittensten Fragen, die sich mittlerweile durch die 15. AMG-Novelle erledigt hat. Entfacht wurde die Diskussion aufgrund der Tatsache, dass die §§ 12, 13 GCP-V Mitteilungspflichten für Sponsoren und Prüfern an die Ethik-Kommission statuieren, die Kompetenz zur Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Genehmigung spezialgesetzlich in § 42a AMG ausschließlich für die Bundesoberbehörde geregelt war, sich diese Kompetenz aber nur auf die seitens der Bundesoberbehörde zu prüfenden Versagungsgründe erstreckte (§ 42 Abs. 2 AMG).1517 Es wurde für nicht plausibel gehalten, dass sich die Ethik-Kommission auf die reine Kenntnisnahme zu beschränken hat, ohne Folgerungen aus den Mitteilungen ziehen zu dürfen. Diesbezüglich griff die h. M. auf die §§ 48, 49 VwVfG zurück und sah in § 42a AMG a. F. keine die Materie abschließende Vorschrift, die ansonsten den Rückgriff auf das allgemeine VwVfG gesperrt hätte. Begründet wurde dies damit, dass sich das Kommissionsvotum nicht im einmaligen Akt der zustimmenden Bewertung erschöpfe, was die §§ 10, 12, 13 GCP-V belegen, ein den Zwecken der §§ 40 ff. AMG umfassender Schutz der Prüfungsteilnehmer durch § 42a AMG nicht gewährleistet werde, weil gerade die patienten-/probandenbezogenen Voraussetzungen (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG) nicht von § 42a AMG erfasst werden, und mit der Kompetenz zum Erlass eines Verwaltungsaktes notwendigerweise auch die Kompetenz zu dessen Aufhebung einhergehen müsse.1518 Dem sind jedoch das VG Berlin1519 und v. Kielmansegg1520 mit teils überzeugender Begründung entgegengetreten. Der Gesetzgeber sah offensichtlich eine zwingende Notwendigkeit gegeben, eine spezielle Regelung für die Bundesoberbehörde zu schaffen, weil die allgemeinen Regelungen des VwVfG nicht den Bedürfnissen klinischer Prüfungen Rechnung tragen können. Läge dies anders, so hätte er auf § 42a AMG a. F. auch für die Bundesoberbehörde verzichten können. Die §§ 48, 49 VwVfG stehen grundsätzlich im Ermessen der Behörde, es gilt eine Jahresfrist (§ 48 Abs. 5 VwVfG) und der Sponsor kann unter den Voraussetzungen der §§ 48 Abs. 3, 49
1517
Eingehende Diskussion bei van der Sanden, Haftung, S. 75-96. So die damalige h.M., vgl. van der Sanden, Haftung, S. 75 f., bes. S. 82 ff.; v. Dewitz, A&R 2008, 213 ff., bes. S. 215 f.; Sträter/Wachenhausen, PharmR 2007, 95, 100; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3379; Deutsch/Spickhoff, Rn. 1356, 1063; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 183 f., 221 ff., 320; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 51, § 42a Anm. 3; Hübner, MedR 2009, 168, 169. 1519 VG Berlin, MedR 2009, 163, 165 ff. m. abl. Anm. Hübner. 1520 v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401 ff., bes. S. 410 ff., der eine Korrektur rechtswidriger Ethik-Voten allerdings für möglich hielt (S. 418 f.); nahestehend Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 42a Rn. 6; die §§ 48, 49 VwVfG strikt ablehnend Krüger, KliFoRe 2006, 15, 25. 1518
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Abs. 6 VwVfG ein Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens geltend machen.1521 Im Rahmen der Arzneimittelzulassung ist ferner die Rücknahme, der Widerruf und das Ruhen der Zulassung spezialgesetzlich in § 30 AMG geregelt. § 42a AMG lehnt sich an diese Regelung an. Kennzeichnend ist für Aufhebungstatbestände im AMG, dass diese keinen Vertrauensschutz des Genehmigungs- bzw. Zulassungsinhabers nach Maßgabe der §§ 48, 49 VwVfG gewähren und erst Recht sind keine Entschädigungsansprüche vorgesehen, weil der Arzneimittelsicherheit stets Vorrang gebührt.1522 Es war demzufolge nicht einzusehen, warum die §§ 48, 49 VwVfG, die im eindeutigen Widerspruch zu den §§ 30, 42 a AMG stehen, auf die Ethik-Kommission angewandt werden sollten. In der Tat ist es aber nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber für die Bundesoberbehörde eine spezielle Regelung mit § 42 a AMG einführte, die Ethik-Kommission im AMG aber kompetenzlos ließ. Man wird dies als einen „bedauerlichen Ausfall“ zu verstehen haben1523 , den die 15. AMG-Novelle nunmehr „korrigiert“1524 hat. c. Änderungen durch die 15. AMG-Novelle: § 42a Abs. 4a AMG n. F. Die 15. AMG-Novelle hat in § 42a AMG einen neuen Absatz 4a eingefügt. Danach hat die zuständige Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung zurückzunehmen, wenn sie nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass ein Versagungsgrund nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG vorgelegen hat, § 42a Abs. 4a 1. HS. Zu widerrufen hat die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung, wenn sie nachträglich von den in § 42a Abs. 4a 2. HS Nr. 1–4 AMG (abschließend) aufgezählten Widerrufsgründen Kenntnis erlangt, nämlich wenn die Anforderungen an die Eignung des Prüfers oder der Prüfstelle nicht mehr gegeben sind (Nr. 1), keine ordnungsgemäße Probandenversicherung mehr besteht (Nr. 2), die Modalitäten für die Auswahl der Prüfungsteilnehmer nicht mehr dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen, insbesondere die klinische Prüfung ungeeignet ist, den Nachweis der Unbedenklichkeit oder der Wirksamkeit eines Arzneimittels einschließlich einer unterschiedlichen Wirkungsweise bei Frauen und Männern zu erbringen (Nr. 3), oder die Voraussetzungen für die Einbeziehung von Personen nach § 40 Absatz 4 oder § 41 nicht mehr gegeben sind (Nr. 4).1525 Die (federführende) Ethik-Kommission erhält damit eine Aufhebungskompetenz ihrer zustimmenden Bewertung, wie sie dem Wesen des AMG entspricht: Widerruf 1521
Vgl. zu diesen Aspekten auch v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 411 f. Zu Ansprüchen des Sponsors nach §§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 6 VwVfG van der Sanden, Haftung, S. 225 ff. 1522 Eingehend dazu Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 302 ff. 1523 Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 42a Rn. 6; nahestehend v. Kielmansegg, VerwArch 2008, 401, 419: partielles Redaktionsversehen. 1524 Vor dem soeben erörterten Hintergrund ist es erstaunlich, dass in der Gesetzesbegründung lediglich von einer „Klarstellung“ gesprochen wird. Rücknahme- sowie Widerrufsmöglichkeiten nach dem VwVfG sollten „bereits bestehen“ und seien „hinreichend klar“; vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 51. Krit. auch Broch/Diener/Klümper, PharmR 2009, 149, 152 m. Fn. 29. 1525 Hierzu auch Henßler/Irmer, PharmR 2010, 45, 46 f.
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und Rücknahme stehen aus Gründen des Patienten-/Probandenschutzes nicht im Ermessen der Ethik-Kommission, Vertrauensschutz des Sponsors wird nicht gewährt und ein Ausgleichsanspruch ist nicht vorgesehen. Erfolgt eine Rücknahme oder ein Widerruf, so darf die klinische Prüfung nicht fortgesetzt werden, § 42a Abs. 4a S. 2 iVm Abs. 4 AMG. Entsprechend der in § 42a Abs. 4 AMG getroffenen Unterscheidung ist zwischen der (amtspflichtwidrig) unterlassenen Rücknahme und dem (amtspflichtwidrig) unterlassenen Widerruf zu differenzieren. aa. Rücknahme Die zustimmende Bewertung ist seitens der Ethik-Kommission zurückzunehmen, wenn sie nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass ein Versagungsgrund nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG vorgelegen hat. In diesem Fall waren die Voraussetzungen für die Erteilung der zustimmenden Bewertung von Anfang an nicht gegeben. Unterlässt die Ethik-Kommission die Rücknahme, so stellt dies eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Handeln dar.1526 In Betracht kommen sämtliche Versagungsgründe des § 42Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3AMG, sodass im Ergebnis auf dieAusführungen zurAmtspflichtverletzung anfänglich erteilter rechtswidriger zustimmender Bewertungen verwiesen werden kann. bb. Widerruf Differenzierter zu betrachten ist der Widerruf der zustimmenden Bewertung bei nachträglichem Wegfall einer oder mehrerer Voraussetzungen für die klinische Prüfung, die anfänglich gegeben waren. Die Widerrufsmöglichkeiten sind auf die abschließend aufgeführten Umstände (Nr. 1–4) beschränkt. Kennzeichnend ist, dass sie in die alleinige Prüfungskompetenz der Ethik-Kommissionen fallen.1527 Dies betrifft zunächst die Anforderungen an die Eignung des Prüfers oder der Prüfstelle (Nr. 1), die nachträglich etwa deswegen nicht mehr gegeben sein können, wenn für eingetretene unvorhergesehene Zwischenfälle der oder die Prüfer nicht mehr als angemessen qualifiziert angesehen werden können oder Zwischenfälle die Einrichtung nachträglich als ungeeignet erscheinen lassen. Mit der „Ordnungsgemäßheit“ der Probandenversicherung (Nr. 2) ist zum einen der Leistungsumfang angesprochen, der in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken der klinischen Prüfung stehen muss (§ 40 Abs. 3 S. 2 AMG). Stellt sich nachträglich heraus, dass die vorgesehenen Deckungssummen in Anbetracht der aufgetretenen Zwischenfälle nicht oder nicht mehr ausreichen oder die festgesetzte Höchstsumme unverhältnismäßig ist, so liegt keine den Erfordernissen des § 40 Abs. 3 S. 2 AMG entsprechende Probandenversicherung (mehr) vor. Zum anderen ist es aber auch denkbar, dass eine Verlängerung einer befristeten Probandenversicherung versäumt wird. § 42a Abs. 4a Nr. 3 AMG entspricht im Wesentlichen dem Versagungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 1526
Rechtswidrig erkannte oder erkennbare Verwaltungsakte sind zurückzunehmen, vgl. BGH VersR 1971, 859, 861; NJW 1986, 2952, 2953 a.E; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 134. 1527 Vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 51; Broch/Diener/Klümper, PharmR 2009, 149, 152.
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Nr. 2 AMG und betrifft den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Modalitäten der Auswahl der Prüfungsteilnehmer sowie die Geeignetheit der klinischen Prüfung zum Nachweis der Unbedenklichkeit bzw. Wirksamkeit des Arzneimittels. Besonders hervorzuheben ist der Widerrufsgrund des § 42a Abs. 4a Nr. 4 AMG. Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die §§ 40 Abs. 4, 41 AMG in die ausschließliche Prüfungskompetenz der Ethik-Kommissionen fallen. Angesprochen sind mithin die klinischen Prüfungen an gesunden und einschlägig erkrankten Minderjährigen (§§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2), an einschlägig erkrankten Erwachsenen (§ 41 Abs. 1), an einschlägig erkrankten einwilligungsunfähigen Erwachsenen (§ 41 Abs. 3). Die Voraussetzungen für die Einbeziehung der genannten Personengruppen können insbesondere dann nicht mehr gegeben sein, wenn das Arzneimittel nach neuer Kenntnislage nicht mehr nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft als angezeigt angesehen werden kann, um das Leben der Personen zu retten bzw. ihre Gesundheit wieder herzustellen (§§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 AMG) oder aber es nach der neuen Sachlage an einem direkten gruppenspezifischen Nutzen fehlt bzw. fehlen wird (§§ 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a AMG). Ferner können einzelne Voraussetzungen der Subsidiarität klinischer Prüfungen an den besonders schutzwürdigen Personengruppen nachträglich wegfallen (§§ 40 Abs. 4 Nr. 2, 41 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 AMG). Besonders die RisikoNutzen-Abwägung kann sich nachträglich ändern.1528 Zwar wird die Grundnorm der Risiko-Nutzen-Abwägung des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG von § 42a AMG weder bei der Bundesoberbehörde noch bei der Ethik-Kommission eigens genannt. Hieraus kann freilich nicht gefolgert werden, dass die Ethik-Kommission die Risiko-NutzenBewertung unbeachtet lassen kann, zumal in den §§ 40 Abs. 4 Nr. 4, 41 Abs. 2 Nr. 2d, Abs. 3 Nr. 1 AMG modifizierte Risiko-Nutzen-Verhältnisse enthalten sind und § 41 Abs. 1, 2 u. 3 jeweils auf § 40 Abs. 1 AMG verweisen.1529
cc. Kooperative Ausgestaltung des Verfahrens zur Aufhebung der zustimmenden Bewertung („Kenntnis erlangt“) Für die Rücknahme ihrer Genehmigung müssen der BundesoberbehördeVersagungsgründe „bekannt“ werden (§ 42a Abs. 1 S. 1 1. HS AMG); für den Widerruf reicht das nachträgliche Eintreten von Tatsachen aus (§ 42a Abs. 1 S. 1 2. HS AMG). Die Ethik-Kommission muss dagegen in beiden Situationen Kenntnis erlangen. Hinter diesen sprachlichen Variationen steckt die (erfreuliche) „Klarstellung“, dass die jeweiligen Aufhebungsvoraussetzungen an bestehende Erkenntnisse der
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Allgemein dazu Wölk, Risikovorsorge, S. 334 ff. Unklar ist dies jedoch für rein wissenschaftliche Studien, für die die Risiko-Nutzen-Abwägung des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG Anwendung findet. Diese Vorschrift ist nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG bei der zustimmenden Bewertung und demzufolge auch in der Rücknahmekonstellation nach § 42a Abs. 4a 1. HS AMG von der Ethik-Kommission zu prüfen. In der Widerrufskonstellation scheint dagegen für gesunde erwachsene Studienteilnehmer niemand zuständig zu sein, was zu nicht zu rechtfertigenden Widersprüchen führt. 1529
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Ethik-Kommission anknüpfen und keine zusätzlichen Ermittlungs- und/oder Überwachungspflichten ausgelöst werden.1530 Hiermit wird an das Kooperationsprinzip beim Verfahren zur zustimmenden Bewertung angeknüpft, welches mit der Verlagerung der Sachverhaltsermittlungspflicht auf den Antragssteller einhergeht. Folglich braucht sich die Ethik-Kommission nur auf die ihr gemachten Mitteilungen nach §§ 12 Abs. 6, 13 GCP-V zu beschränken. Zu betonen ist jedoch, dass diese Verlagerung der Sachverhaltsermittlungspflicht die Ethik-Kommission nicht von einer ordnungsgemäßen Sachverhaltsbewertung durch eine interdisziplinäre Beratung entbindet. Diesbezüglich entfalten das bereits erörterte Verfahren vor den Ethik-Kommissionen entsprechend den Vorschriften des allgemeinen VwVfG und des AMG Wirkung. Hat die Ethik-Kommission etwa bei der zustimmenden Bewertung externen Sachverstand hinzugezogen oder hinzuziehen müssen (§ 42 Abs. 1 S. 5, 6 AMG), so gilt dies auch für die jeweils korrespondierende Sachlage bei der Aufhebung des Kommissionsvotums. Im Übrigen spricht auch nichts gegen die Geltung des § 26 VwVfG. Speziell für die Aufhebung des Kommissionsvotums ordnet § 42a Abs. 4a S. 2 iVm Abs. 3 AMG an, dass dem Sponsor Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einer Woche zu geben ist und § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG entsprechend Anwendung findet.1531 d. Überwachungspflichten: Pharmakovigilanz klinischer Studien als Aufgabe der Ethik-Kommissionen? Die 15. AMG-Novelle hat klargestellt, dass den Ethik-Kommissionen trotz der Befugnis zur Aufhebung des Kommissionsvotums keine weitergehenden Ermittlungsund/oder Überwachungspflichten treffen. Die Infrastruktur sei ausweislich der Gesetzesbegründung nicht so beschaffen, dass sie ähnlich wie die Bundesoberbehörde oder der Sponsor ein Monitoring klinischer Prüfungen betreiben könnte.1532 Eine umfassende Unrechtsfolgenbeseitigungspflicht hat die Ethik-Kommission damit nicht1533 , sodass sowohl über die jeweils enumerativ aufgezählten Gründe zu Rücknahme und Widerruf der zustimmenden Bewertung als auch über die zu treffende Sachverhaltsbewertung hinausgehende Amtspflichtverletzungen nicht in Betracht kommen. e. Amtspflichtverletzung Sowohl in der Rücknahme- als auch in der Widerrufskonstellation handelt es sich um eine Kommissionsentscheidung, die dem Mehrheitsbeschluss zugänglich ist. Erlangt 1530
Ausdrücklich BT-Drs. 16/12256, S. 51. Nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles deswegen nicht geboten ist, weil eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. 1532 Vgl. BT-Drs. 16/12256, S. 51; Broch/Diener/Klümper, PharmR 2009, 149, 152. 1533 So auch vor der 15. AMG-Novelle VG Berlin, MedR 2009, 163, 165 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1063; eingehend Sträter/Wachenhause, PharmR 2007, 95, 98 f.; a.A. wohl van der Sanden, Haftung, S. 78. 1531
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die Ethik-Kommission nachträglich davon Kenntnis, dass ein Versagungsgrund nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG vorgelegen hat oder liegen geänderte Umstände vor, die eine oder mehrere Widerrufsgründe des § 42a Abs. 4a 2. HS Nr. 1–4 AMG erfüllen, so hat die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung zu widerrufen bzw. zurückzunehmen. Unterlässt die Ethik-Kommission die Aufhebung ihrer zustimmenden Bewertung, so liegt eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten seitens der Mehrheit der Ethik-Kommissionsmitglieder vor, die gegen den Widerruf bzw. die Rücknahme votiert haben. f. Drittgerichtetheit Die Versagungsgründe des § 42 Abs. 1 S. 7 AMG sind im bereits beschriebenen Umfang patienten-/probandenschutzbezogen. Unterschiede zur Rücknahmekonstellation der zustimmenden Bewertung sind insoweit nicht zu verzeichnen. In entsprechendem Umfang gilt dies für auch für die Widerrufsgründe des § 42a Abs. 4a Nr. 1–4 AMG. g. Beurteilungsspielraum Der für die zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG anzunehmende Beurteilungsspielraum muss spiegelbildlich mit allen Konsequenzen auch für die Aufhebung des Kommissionsvotums Anwendung finden: Dies betrifft die im Zusammenhang mit den Widerrufsgründen nach § 42a Abs. 4a AMG zu treffende Beurteilung nach der Angemessenheit der Probandenversicherung (Nr. 2 iVm § 40 Abs. 3 AMG), den „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (Nr. 3), die Belastungsschwellen (Nr. 4 iVm §§ 40 Abs. 4 Nr. 4, 41 Abs. 2 Nr. 2d AMG) sowie die „ärztliche Vertretbarkeit (Nr. 4 iVm §§ 41 Abs. 1–3, 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG). Für die Rücknahme der zustimmenden Bewertung kann der „Hinweg“ zur Entscheidung nicht anders beurteilt werden als der korrespondierende „Rückweg“. Beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung auf Beurteilungsfehler, so kommt es auch vorliegend zu einer gesteigerten Verpflichtung zur Einhaltung des ordnungsgemäßen Verfahrens.
2. Verschulden und Organisationsverschulden Für das schuldhafte Unterlassen der Rücknahme und des Widerrufs der zustimmenden Bewertung gelten dieselben Grundsätze, wie sie bereits dargelegt worden sind.1534 Hervorzuheben sind die Organisationspflichten des übergeordneten Funktionssubjekts im Hinblick auf die Geschäftstelle und des Vorsitzenden der EthikKommission. Beide sind kraft ihrer Stellung zur Schaffung von organisatorischen Vorkehrungen verpflichtet, die einen angemessenen Umgang mit den Meldungen unerwünschter Ereignisse seitens der Prüfer und des Sponsors versprechen lassen. Wird dies unterlassen, so kommt eine Haftung wegen Organisationsverschuldens in 1534
Oben, § 5 B.II.6.
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Betracht. Annähernd identische Vorkehrungen, wie sie etwa das BfArM und andere Überwachungs- und Gefahrabwendungsbehörden vorsehen, können freilich nicht verlangt werden.1535 Maßgeblich dürfte die Sicherstellung des Informationsflusses innerhalb der Kommission sein. So dürfen der Kommission einerseits die Meldungen unerwünschter Ereignisse nicht vorenthalten werden, andererseits darf sie aber auch nicht mit derartigen Meldungen „überfrachtet“ werden. Deutsch spricht sich zutreffend dafür aus, den Vorsitzenden oder einen anderen Beauftragten zunächst mit der Durchsicht der Meldungen zu betrauen.1536 3. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende (Unterlassungs-)Kausalität Besteht die Amtspflichtverletzung in einem Unterlassen, so liegt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden dann vor, wenn der Schadenseintritt bei amtspflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre.1537 Erforderlich ist also die Feststellung, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der (Gesundheits-)Schaden des Versuchsteilnehmers bei amtspflichtgemäßer Aufhebung des Kommissionsvotums nicht eingetreten wäre. Die bereits für die amtspflichtwidrige zustimmende Bewertung angesprochenen „Kausalitätshindernisse“, wenn es um die Frage geht, wie die Maßnahme einer Verwaltungsbehörde ohne die Amtspflichtverletzung ausgefallen wäre1538 , ist vor allem mit Blick auf den Beurteilungsspielraum auch bei der Aufhebung des Kommissionsvotums zu beachten. Doch sind hier die Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus dem Vergleich zwischen der Sachlage bei der zustimmenden Bewertung und derjenigen in der Aufhebungskonstellation ergeben: Während die Entscheidung über den Beginn einer klinischer Prüfung von erheblichen kognitiven Defiziten geprägt ist, so beruht die Entscheidung über die Rücknahme oder den Widerruf der zustimmenden Bewertung auf tatsächlichen Gegebenheiten. Die Feststellung einer Beurteilungsüberschreitung und eines Beurteilungsfehlgebrauchs ist folglich erleichternd möglich, was gleichzeitig zu einer erleichternden Feststellung der (hypothetischen) Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden führt. Mit Blick auf die Schadenszurechnung sind im hiesigen Kontext keine Besonderheiten im Verhältnis zur Haftung bei der zustimmenden Bewertung zu verzeichnen, sodass auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden kann1539 ; insbesondere kann, wenn die zustimmende Bewertung von der Ethik-Kommission aufzuheben ist, weder in dem Entschluss des Versuchsteilnehmers, die Studie trotz unerwünschter Ereignisse fortzusetzen, eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung/einverständliche Fremdgefährdung erblickt 1535
Vgl. Sträter/Wachenhausen, PharmR 2007, 95, 99. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1063. 1537 Vgl. BGH NVwZ 1994, 823, 825; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 224; Vinke, in: Sorgel, § 839 Rn. 177, jew. m.w. Nachw. 1538 Oben, § 5 B.II.7.d. 1539 Oben, § 5 B.II.9.a.bb. 1536
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werden, noch unterbricht die Fortsetzung der Studie durch den Sponsor/Prüfer den Zurechnungszusammenhang. Speziell für den kommissionsinternen Kausalzusammenhang und speziell für die Rücknahmekonstellation kann es zu einer Unterbrechung der Zurechnung kommen, wenn ein Ethik-Kommissionsmitglied, das ursprünglich amtspflichtwidrig für die Durchführung der klinischen Prüfung votierte, sich nunmehr aber für die Rücknahme des Verwaltungsakts ausspricht und von den anderen Ethik-Kommissionsmitgliedern überstimmt wird. Schäden, die nach dem Zeitpunkt einer möglichen Rücknahme eintreten, können diesem Mitglied nicht zugerechnet werden. 4. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB a. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten § 839 Abs. 1 S. BGB erfasst sämtliche Leistungsverpflichtungen, aufgrund derer Dritte dem Verletzten unmittelbar für den Schadensfall und die daraus herrührenden Folgen einzustehen haben, soweit diese nur ihre Grundlage in demselben Tatsachenkreis finden, der für das Entstehen des Amtshaftungsanspruchs maßgebend ist.1540 Aus der Beschränkung auf den Tatsachenkreis kann jedoch nicht gefolgert werden, dass bei der Amtshaftung wegen unterlassener Aufhebung des Kommissionsvotums von § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nunmehr nur solche anderweitigen Ersatzmöglichkeiten in Betracht kommen, die sich auf die Fortsetzung der klinischen Prüfung beziehen; in concreto: Hat die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung amtspflichtgemäß oder schuldlos amtspflichtwidrig erteilt, bei der unterlassenen Rücknahme oder des unterlassenen Widerrufs dagegen schuldhaft amtpflichtwidrig gehandelt, so folgt hieraus nicht, dass sich der Versuchsteilnehmer auf die Darlegung beschränken könnte, dass Ansprüche wegen rechtswidriger Fortführung der klinischen Prüfung gegen andere Beteiligte nicht bestehen. Eine derartige präklusive Wirkung einer nachgelagerten Amtspflichtverletzung steht nicht im Einklang mit der Intention des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Zu demselben Tatsachenkreis hat man daher sämtliche Ersatzansprüche zu zählen, die ihre Grundlage in der Durchführung der klinischen Prüfung haben, soweit diese den Schaden des Versuchsteilnehmers ganz oder nur zum Teil zu kompensieren vermögen. Beschränkt man den Blick auf die rechtswidrige Fortführung der klinischen Prüfung, so kommen aus diesem Gesichtspunkt aber ebenfalls zahlreiche Ansprüche in Betracht, die den Amtshaftungstatbestand nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausschließen.1541 Den Sponsor trifft die Pflicht für einem Abbruch oder für eine Anpassung der klinischen Prüfung an die geänderten Gegebenheiten, etwa durch Änderung des 1540
Vgl. BGHZ 31, 148, 150; VersR 1960, 325, 326; NJW 1993, 1589; NJW-RR 2005, 284, 285; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 293; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 58; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 304; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 25. 1541 Ausgenommen sind nach dem Prinzip der Einheit der öffentlichen Hand Ansprüche gegen die Bundesoberbehörde, der im Gegensatz zu den Ethik-Kommissionen umfassendere Aufgaben der Pharmakovigilanz im Rahmen klinischer Prüfungen obliegen.
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Prüfplans, allein aus der Formulierung des § 40 Abs. 1 S. 3 AMG. Danach darf die klinische Prüfung nur durchgeführt werden, wenn und solange sämtliche Voraussetzungen der §§ 40 ff. AMG fortwährend vorliegen. Insoweit kommt es auch vorliegend zu einer Parallelisierung des Pflichtengefüges zwischen Ethik-Kommission und Sponsor/Prüfer, sodass bei amtspflichtwidrig unterlassener Rücknahme oder einem unterlassenem Widerruf auch stets vertragliche und/oder deliktische Ansprüche als anderweitige Ersatzmöglichkeiten in Betracht kommen. Hinzu treten Ansprüche, die dem Einwirkungskreis der Ethik-Kommissionen von vornherein entzogen sind, wie z. B. Ansprüche gegen den Sponsor, dem anders als der Ethik-Kommission umfassende Pflichten der Pharmakovigilanz obliegen1542 , Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG1543 und solche gegen den Prüfer, die ihren Ursprung in der konkreten Situation haben, etwa wenn er bei der Verabreichung des Testpräparates trotz unerwünschter Ereignisse nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgeht. b. Verschuldensentlastender Vertrauenstatbestand durch Nichtintervention der Ethik-Kommission und der Bundesoberbehörde? Fraglich ist, wie es sich auf die Haftung des Sponsors und/oder des Prüfers auswirkt, wenn die Ethik-Kommission und die Bundesoberbehörde1544 trotz der ordnungsgemäßen Erfüllung der Dokumentations- und Mitteilungsverpflichtungen (§ 12, 13 GCP-V) untätig bleiben. Hierdurch könnte ein verschuldensentlastender Vertrauenstatbestand in die fortbestehende Gültigkeit der ursprünglichen zustimmenden Bewertung/Genehmigung erzeugt werden, der sich haftungssteigernd über § 839 Abs. 1 S. 2 BGB auswirken könnte. Mayer hat für den Bereich der Arzneimittelzulassung ein verschuldensentlastendes Vertrauen in eine „Altgenehmigung“ dem pharmazeutischen Unternehmer dann zuerkannt, wenn die Bundesoberbehörde ständig über das jeweils aktuelle Risikowissen verfüge und damit jederzeit zu einer pflichtgemäßen Korrektur der ursprünglichen Gestattung fähig sei. Die kontinuierliche und vor allem ordnungsgemäße Unterrichtung der Bundesoberbehörde über neue Nebenwirkungen sieht er damit als entscheidend an.1545 Für die klinische Prüfung hat er dagegen ein Vertrauen in die „Altgenehmigung“ aufgrund der evidenten Vorläufigkeit der ursprünglichen zustimmenden Bewertung/Genehmigung als nicht geschützt angesehen und auch die kontinuierliche Berichterstattung über Nebenwirkungen sieht er als nicht ausreichend an.1546 Dem ist zuzustimmen, denn die zustimmende Bewertung/Genehmigung verliert ihren Charakter der Vorläufigkeit nicht durch die 1542
Hierzu Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 225 ff., 542 ff. Nach § 4 Abs. 17 AMG wird das Inverkehrbringen weit nach vorne verlagert, sodass auch die Abgabe des Testpräparats an Versuchspersonen als erfasst angesehen werden kann. 1544 Anders als bei der zustimmenden Bewertung nimmt die Bundesoberbehörde im Rahmen ihrer Aufgaben der Pharmakovigilanz vermehrt patienten-/probandenschutzbezogene Interessen wahr, sodass für einen Vertrauenstatbestand in der hiesigen Konstellation eine verschuldensentlastende Wirkung für den Sponsor/Prüfer gegenüber demVersuchsteilnehmer auch durch die Nichtaufhebung der Genehmigung erzeugt werden könnte. 1545 Vgl. Mayer, Produktverantwortung, S. 568 ff., bes. S. 573 ff.; ders., MedR 2008, 595, 598. 1546 Vgl. Mayer, Produktverantwortung, S. 613. 1543
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ordnungsgemäße Meldung unerwünschter Ereignisse; genauer: Die Nichtintervention durch Ethik-Kommission und Bundesoberbehörde kann nicht dazu führen, dass nunmehr ein Vertrauen in die zustimmende Bewertung gesetzt werden darf. Negative Erkenntnisse über das Testpräparat bekräftigen eher die evidente Vorläufigkeit der damaligen zustimmenden Bewertung und rufen zu gesteigerter Aufmerksamkeit auf. Sponsor und Prüfer können sich mithin nicht gegenüber dem Versuchsteilnehmer dadurch entlasten, dass Ethik-Kommission und Bundesoberbehörde ihre zustimmende Bewertung/Genehmigung nicht aufgehoben haben.
5. Ergebnis Ist die zustimmende Bewertung nach § 42a Abs. 4a AMG aufzuheben, so begründet die unterlassene Rücknahme oder der unterlassene Widerruf die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht, die im Falle des Verschuldens zu Amtshaftungsansprüchen führen kann. Auch vorliegend ergibt sich, dass Ansprüche gegen die tatsächlichen Verantwortungsträger bei der Durchführung der klinischen Prüfung die Amtshaftung über § 839 Abs. 1 S. 2 BGB erheblich einschränken. So stellt die Haftung für Ethik-Kommissionen auch in der Rücknahme-/Widerrufskonstellation nur eine „Auffanghaftung“ dar, falls die Schadenskompensation gegenüber den Primärverpflichteten erfolglos bleibt.
E. Ansprüche wegen fehlerhaft ablehnender Bewertung oder fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung durch die federführende Ethik-Kommission 1. Problemstellung Mit der Frage nach der Schadensabnahme – genauer: der Veränderung der Risikozuständigkeit – für solche Schäden, die ein Versuchsteilnehmer aufgrund der Nichtdurchführung einer klinischen Prüfung erleidet, ist nicht nur für EthikKommissionen ein besonders sensibler Bereich, sondern zugleich auch wenig erforschtes Neuland angesprochen, wird damit doch im Umkehrschluss eine „Pflicht zur Forschung“ postuliert.1547 Eine solche Pflicht lässt sich für das pharmazeutische Unternehmen lediglich über die Verkehrssicherungspflichten als Ausfluss der Produktbeobachtung herleiten, die jedoch nur die Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung des Arzneimittels betreffen.1548 Eine Pflicht zur Entwicklung von Arzneimitteln, etwa für seltene Krankheiten, die sich in Tierversuchen bewährt haben, 1547 1548
Hierzu auch Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 54 f. Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1523; Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 27.
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besteht dagegen nicht.1549 Wird aber bei der Ethik-Kommission ein Antrag auf zustimmende Bewertung einer klinischen Prüfung gestellt, so befindet diese sich – ähnlich wie die Arzneimittelzulassungsbehörden – in einer unangenehmen Zwitterstellung, indem sie durch eine ablehnende Bewertung, aber auch durch dieAufhebung der zustimmenden Bewertung (§ 42a Abs. 4a AMG) zum angeblichen Schutze der Prüfungsteilnehmer möglicherweise Innovationen für die Allgemeinheit verhindert. Eine (amts-)pflichtwidrig ablehnende Bewertung einer Arzneimittelprüfung oder die Aufhebung der zustimmenden Bewertung mit der Folge des Abbruchs der klinischen Prüfung lässt nicht nur Schadensersatzansprüche des Sponsors, sondern auch solche von Versuchsteilnehmern als möglich erscheinen.1550 Wegen der bereits ausführlich erörterten Haftung sollen nachfolgend für die hier aus praktischer Sicht eher weniger relevantere Anspruchskonstellation nur die Besonderheiten herausgestellt werden. Dabei ist zwischen der Haftung bei Zulassungsstudien und derjenigen bei Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung des Arzneimittels zu unterscheiden.
2. Ansprüche aus Amtshaftung wegen fehlerhaft ablehnender Bewertung oder fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung bei therapeutischen Zulassungsstudien a. Ausgangssituation Auszugehen ist von der Konstellation, dass die (federführende) Ethik-Kommission eine klinische Prüfung fehlerhaft wegen Nichtvorhandensein von Versagungsgründen nach § 42 Abs. 1 AMG ablehnend bewertet oder ihre zustimmende Bewertung nachträglich fehlerhaft wegen Nichtvorhandensein von Rücknahme/Widerrufsgründen aufhebt und der Beginn der klinischen Prüfung dadurch entweder hinausgezögert wird1551 , die klinische Prüfung gänzlich scheitert oder nicht fortgesetzt werden kann (§ 42a Abs. 4a S. 2 iVm Abs. 4 AMG). Ansprüche des geschädigten Versuchsteilnehmers richten sich auch hier nach § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG. Im Rahmen therapeutischer1552 Zulassungsstudien, sei es für ein bislang nicht 1549
So auch Kloesel/Cyran, § 40 Anm. 27 a.E.: „Verzichtet aber der pharmazeutische Unternehmer aus beliebigen Gründen darauf, das Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, besteht für ihn aus keinem rechtlichen Aspekt eine Prüfpflicht“. 1550 Vgl. Mason v. Institutional Review Boards for Human Research, Medical University of the South, 953 F.2d 638 (4th Cir. 1992) zum Antrag einer einstweilige Verfügung, die das IRB davon abhalten sollte, die Studie vorzeitig zu beenden. 1551 Durch eine ablehnende Bewertung wird der Beginn der klinischen Prüfung etwa dann nur hinausgezögert, wenn der Sponsor erfolgreich vor dem VG gegen die ablehnende Bewertung im Wege des Primärrechtschutzes vorgegangen ist. 1552 Die Konstellation, dass ein potentieller Versuchsteilnehmer eines rein wissenschaftlichen Forschungsvorhabens seine zu erwartende Aufwandsentschädigung von der Ethik-Kommission ersetzt verlangt, erscheint weder praxisrelevant, noch dürfte dieser Schaden – zumindest für den Versuchsteilnehmer – in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
zugelassenes oder für eine Indikationserweiterung eines bereits zugelassenen Arzneimittels, sind Ansprüche durch die ablehnende Votierung in zwei Konstellationen denkbar: Zum einen kann einem Versuchsteilnehmer die generelle Teilnahmemöglichkeit an einer klinischen Prüfung versagt werden, und zum anderen kann dem Studienteilnehmer die Weiterbehandlung mit dem Testpräparat genommen werden, nämlich im Falle der Aufhebung der zustimmenden Bewertung, aber auch dann, wenn eine Folgestudie ablehnend bewertet wird und vorgesehen war, die Studienteilnehmer der vorherigen Studie in die nachfolgende Phase zu übernehmen. Der (Gesundheits-)Schaden des (potentiellen) Versuchsteilnehmers kann darin liegen, dass ihm der Zugang zu einer vielversprechenden Prüfmedikation für seine Erkrankung genommen und ihm somit die Chance auf Heilung, Linderung und/oder komplikationslosere Behandlung verglichen mit der Standardbehandlung verwehrt wird; der Schaden kann aber auch darin liegen, dass dem Versuchsteilnehmer eine wirksame Behandlung wieder entzogen wird bzw. entzogen werden muss. b. Schuldhafte Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht Die ablehnende Bewertung ohne Vorliegen von Versagungsgründen und die Aufhebung der zustimmenden Bewertung ohne Vorliegen von Rücknahme/Widerrufsgründen begründet eine Verletzung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten. Fraglich ist, ob die Amtspflicht auch gegenüber dem Studienteilnehmer besteht. Die bisher herangezogenen patienten-/probandenschutzbezogenen Normen der §§ 40 ff. AMG entfalten hier keine Wirkung: Bezweckt wird der Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung. Die §§ 40 ff. AMG stellen ferner einzuhaltende Sicherheitsstandards auf, zielen aber nicht darauf ab, Patienten/Probanden mit Testsubstanzen zu versorgen. Möglich erscheint es jedoch, auf die absoluten Amtspflichten des allgemeinen Deliktsrechts abzustellen. So obliegt jedem Amtswalter die Pflicht, nach §§ 823 ff. BGB tatbestandliche und rechtswidrige Eingriffe in die Rechte, Rechtsgüter oder rechtlich geschützte Interessen des Bürgers zu unterlassen.1553 Ein ablehnendes oder nachträglich wieder aufgehobenes Ethik-Kommissionsvotum greift dadurch, dass es die Körper- und Gesundheitsverletzung des potentiellen Versuchsteilnehmers aufrechterhält oder im Falle des Entzugs einer wirksamen Testsubstanz wieder herbeiführt, in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter ein.1554 Anerkannt ist, dass die Inhaber der Rechte und Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB, die durch den Amtspflichtverstoß verletzt werden, zum Kreis der geschützten Dritten zählen.1555 Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt im Falle der Aufhebung der zustimmenden Bewertung in einem positiven Tun, im Falle der 1553
Vgl. nur Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 122; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 118; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 199, jew. m.w. Nachw. 1554 Ferner kann das Votum auch den Tatbestand der unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 211, 222, 223, 229, 240 StGB erfüllen. 1555 Vgl. nur BGHZ 78, 274, 279; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 171; Papier, in: MüKo/ BGB, § 839 Rn. 232; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 62; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 113: „Die Drittbezogenheit wird hier durch die Betroffenheit in diesen Rechtspositionen aktualisiert und konkretisiert“.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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Ablehnung der klinischen Prüfung dagegen in einem Unterlassen. Ist für letztere Konstellation eine Pflicht zum Tätigwerden erforderlich, so muss es als ausreichend erachtet werden, dass die Ethik-Kommission im konkreten Fall nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zur Erteilung der zustimmenden Bewertung beim Fehlen von Versagungsgründen verpflichtet ist.1556 Die Aufhebung/Nichterteilung der zustimmenden Bewertung ist auch rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen für eine Aufhebung/Nichterteilung nach den §§ 40 ff. AMG nicht vorliegen.
c. Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden Der durch die amtspflichtwidrigeAblehnung der Studie geschädigte (potentielle)Versuchsteilnehmer hat den Kausalitätsnachweis zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden zu führen.1557 Dies stellt aus praktischer Sicht zumindest für die Ablehnung der zustimmenden Bewertung eine schwierig zu überwindende Hürde dar. Der Darlegung, dass mit Teilnahme an der klinischen Prüfung der Gesundheitsschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben oder hätte gemildert werden können, ggf. verglichen zur Standardbehandlung, steht die notwendigerweise bestehende Ungewissheit vor der klinischen Prüfung entgegen.1558 Nur unter der seltenen Prämisse, dass entweder anderenorts die eindeutige Überlegenheit des Testpräparats im Verhältnis zur Standardbehandlung oder die eindeutige Wirksamkeit bei nicht vorhandener Standardbehandlung festgestellt wird, scheint dieser Kausalitätsbeweis zu führen zu sein. Die Sachlage ändert sich aber dann, wenn der Versuchsteilnehmer tatsächlich mit dem Testpräparat behandelt wird, sei es im Rahmen einer anderen Studie oder im Rahmen der ins Auge gefassten Studie, die nach erfolgreicher Klage des Sponsors vor dem VG oder nach Antragsstellung bei einer anderen EthikKommission1559 nun doch durchgeführt werden kann. Legt der nunmehr in die Studie eingeschlossene Versuchsteilnehmer dar, dass er auch zum früheren Zeitpunkt die Einschlusskriterien für die Studie erfüllt hätte, so dürfte aufgrund dieser Sachlage der Kausalitätsnachweis, nämlich dass seine aktuelle Heilung/Linderung seiner Beschwerden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon frühzeitiger hätte herbeigeführt werden können, zu führen sein. 1556 Würde man zusätzlich fordern, dass eben jene Pflicht zum Tätigwerden gerade gegenüber dem Geschädigten besteht, so wäre es niemals möglich, allein über deliktische Tatbestände, die durch Unterlassen verwirklicht werden, einen Drittschutz zu begründen. 1557 An dieser Stelle sollen die Kausalitäts- und Amtshaftungskonstellationen, die durch das jeweilige Verhalten der Bundesoberbehörde entstehen können, außer Acht gelassen und näher bei den praxisrelevanten Ansprüchen des Sponsors erörtert werden. 1558 So auch van der Sanden, Haftung, S. 54 m. Fn. 194, der die vorliegende Anspruchskonstellation deswegen gar nicht erst erörtert. Zu berücksichtigen hat man zudem, dass klinische Studien, die auf Zulassung des Arzneimittels gerichtet sind, nicht auf den Nachweis einer eindeutigen Überlegenheit gegenüber der Standardbehandlung ausgerichtet sind. 1559 Zum sog. „Ethik-Hopping“ vgl. Taupitz/Rösch, in: FS Deutsch II, S. 647 ff.; v. Dewitz, A&R 2008, 156 ff., 213 ff.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Entsprechend dürfte auch der Kausalitätsnachweis im Falle eines Entzugs der wirksamen Testsubstanz bei rechtswidriger Aufhebung des Kommissionsvotums zu führen sein. Dass dagegen ein nur potentieller Versuchsteilnehmer, der selbst niemals mit dem Testpräparat behandelt wurde, allein auf der Grundlage der Ergebnisse der Zulassungsstudien den Kausalitätsnachweis führen kann, erscheint eher praxisfern.
d. Proportionalhaftung bei randomisierten (Placebo-)Studien? Der Kausalitätsnachweis ist dann problematisch, wenn die klinische Prüfung eine Placebokontrolle oder eine aktive Kontrollgruppe mit der Standardbehandlung vorsieht. Während derjenige, dem die wirksame Testsubstanz im Falle einer Aufhebung der zustimmenden Bewertung entzogen werden muss, ohne weiteres Nachweisen kann, dass er im Falle der Nichtaufhebung weiterhin das Testpräparat bekommen hätte, so scheidet dies grundsätzlich im Falle einer ablehnenden Bewertung aus: Dem (potentiellen) Versuchsteilnehmer, dem die Möglichkeit an einer klinischen Prüfung durch die ablehnende Bewertung gänzlich genommen wird, aber auch derjenige, der nun die Testsubstanz im Rahmen einer anderweitigen Studie oder im Rahmen der ins Auge gefassten Studie erhält, kann bei randomisierten Studien nicht nachweisen, dass sein Gesundheitsschaden bei anfänglich rechtmäßiger zustimmender Bewertungserteilung durch die Behandlung mit dem Testpräparat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben wäre, da die Möglichkeit besteht, auch in die Kontrollgruppe zugeteilt zu werden. Vollzieht sich die Randomisierung im Verhältnis 1:1, sodass Studienteilnehmer eine 50 %ige Chance haben, mit dem neuartigen Medikament behandelt zu werden, so lässt sich nur statuieren, dass bei anfänglich rechtmäßigem Handeln der Gesundheitsschaden mit einer Chance von 50 % ausgeblieben wäre. Das Votum der Ethik-Kommission bezieht sich ausschließlich auf die Durchführung der klinischen Prüfung, nicht jedoch auf die anschließend vorgenommene Gruppenzuteilung. Einen Ausweg aus dieser Beweissituation ist möglicherweise in Anlehnung an eine Proportionalhaftung zu erzielen, wie sie in neuerer Zeit vermehrt für das Arzthaftungsrecht vertreten wird. Danach soll der Geschädigte, der nicht nachweisen kann, dass der vermeintliche Schädiger den Schaden verursacht hat, wenigstens den Schaden in der Höhe liquidiert bekommen, die der Höhe der Verursachungswahrscheinlichkeit des Schädigers entspricht; auch der französische Kassationshof verurteilt bei Behandlungsfehlern zum Ersatz der perte d’une chance. Ein Arzt haftet demzufolge für jeden Behandlungsfehler, aber nur in der Höhe einer Quote des eingetretenen Schadens, die derjenigen Wahrscheinlichkeit entspricht, mit der der Patient im Falle sorgfaltsgemäßer Behandlung gesund geworden wäre.1560 Versuchsteilnehmer, die mit 50 %iger Chance in die Testgruppe eingeteilt worden wären, könnten demzufolge die Hälfte ihres Gesundheitsschadens ersetzt verlangen. Der Gedanke 1560 So Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 815; ders., in: Lorenz, Karlsruher Forum, S. 80 ff.; Steiner, VersR 2009, 473 ff.; Schütz/Dopheide, VersR 2009, 475 ff.; eingehend hierzu auch Taupitz, in: FS Canaris Bd. I, S. 1231 ff.; Spindler, AcP 208 (2008), 283, 305 f., 326 ff., Stremitzer, AcP 208 (2008), 676 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 626; Deutsch, VersR 2008, 993, 997 f.
§ 5 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber den Versuchsteilnehmern
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einer Proportionalhaftung hat sich jedoch weder in der Literatur noch in der Rspr. bislang durchsetzen können.1561 Nach derzeitigem Stand ist davon auszugehen, dass ein potentieller Versuchsteilnehmer bei placebokontrollierten Studien ohne die Vorteile einer Proportionalhaftung selbst auf Grundlage des § 287 ZPO nicht in der Lage sein wird, die Kausalität zwischen amtspflichtwidriger Ablehnung der klinischen Prüfung und dem frühzeitigerem Ausbleiben seines Gesundheitsschadens nachweisen zu können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Studienprotokoll im Anschluss an die placebokontrollierte Studie eine offene Verlängerungs-/Folgestudie vorsieht, in die er frühzeitiger hätte übernommen werden können. e. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Die anderweitigen Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung fallen gering aus.1562 Denkbar sind vertragliche und deliktische Ansprüche gegen den Sponsor und den Prüfarzt wegen Nichtbehandlung mit dem wirksamen Testpräparat trotz ablehnender Bewertung der Ethik-Kommission. Aufgrund der §§ 40 Abs. 1 S. 2, 96 Nr. 11 AMG kann dieser Anspruch aber nicht auf Durchführung der klinischen Prüfung gerichtet sein. Für den Fall einer (zunächst) abgelehnten Indikationserweiterungsstudie kommt ein Off-Label-Use in Betracht.1563 Ist das Arzneimittel überhaupt nicht zugelassen, ist überaus fraglich, ob eine Behandlung gleichwohl erfolgen darf. Der BGH hat dies für einen individuellen Heilversuch trotz § 21 Abs. 2 Nr. 2 AMG bejaht.1564 Die Gegenauffassung hält dies nur in den Grenzen des § 34 StGB für möglich.1565 Die für den Versuchsteilnehmer in dieser Konstellation in Betracht kommenden Ansprüche erscheinen insgesamt als zweifelhaft. Nach der Rspr. des BGH muss sich der Geschädigte jedoch nicht auf weitläufige, schwierige und unsichere Ersatzmöglichkeiten verweisen lassen1566 , sodass ernsthafte anderweitige Ersatzmöglichkeiten in der vorliegenden Konstellation geringer ausfallen. 1561
Dagegen etwa jeweils mit unterschiedlicher Begründung Taupitz, in: FS Canaris Bd. I, S. 1231, 1233 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 521 ff.; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 626 a.E.; Müller, VersR 2006, 1289, 1296 f.; Fleischer JZ 1999, 766, 773; im Ergebnis auch Spindler, AcP 208 (2008), 283, 326 ff. bes. S. 329 f. 1562 Freilich kommt in der vorliegenden Konstellation auch ein Haftungsausschluss wegen Nichtinanspruchnahme von Primärrechtsschutz gegen das ablehnende Ethik-Kommissionsvotum in Betracht, § 839 Abs. 3 BGB. Verlangt wird jedoch eine schuldhafte Nichteinlegung. Erforderlich ist, dass die Amtspflichtverletzung für den Betroffenen nahe gelegen haben muss. Dies wird man nach dem objektiv-typisierenden Sorgfaltsmaßstab für nicht in der Sache vertraute Versuchsteilnehmer aber in der vorliegenden Konstellation grundsätzlich zu verneinen haben. 1563 OLG Köln, VersR 1991, 186 (Aciclovir) m. Anm. Deutsch = PharmR 1991, 18 = NJW-RR 1991, 800 = JR 1991, 460 m. Anm. Giesen; zum notwendigen Off-Label-Use Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1289 1564 Vgl. BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767, 2768; hierzu auch Vogeler, MedR 2008, 697, 701. 1565 So insb. Hart, MedR 2007, 631 u. 632; Fritz, Therapie, S. 51 ff.; dies., PharmR 1999, 129, 130; zur insoweit ähnlichen Problematik der Weiterversorgung der Studienteilnehmer mit der wirksamen Prüfmedikation nach Studienabschluss Pflüger, KliFoRe 2006, 133 ff. 1566 Vgl. BGHZ 120, 124, 126; dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 296.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
3. Ansprüche aus Amtshaftung wegen fehlerhaft ablehnender Bewertung oder fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung von Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung des Arzneimittels Anders stellt sich die Situation dar, wenn die Ethik-Kommission eine Unbedenklichkeitsstudie mit zugelassenen Arzneimitteln fehlerhaft ablehnend bewertet. Unbedenklichkeitsstudien dienen der Nutzenbewertung eines Arzneimittels unter Alltagsbedingungen, u. a. mit dem Ziel, Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit einem zugelassenen Arzneimittel festzustellen oder quantitativ zu beschreiben. Hierzu zählen auch Studien der Phase IV.1567 Zum Kreise der durch die Ablehnung einer Unbedenklichkeitsstudie Geschädigten zählen nicht potentielle Versuchsteilnehmer, weil bereits zugelassene Arzneimittel im Rahmen ihrer zugelassenen Indikation verwendet werden, sondern Patienten der Routineversorgung, die mit möglicherweise gesundheitsschädlichen Arzneimitteln behandelt werden und deren Bedenklichkeit bzw. Undenklichkeit in der abgelehnten Studie nachgewiesen werden sollte. Das Hinauszögern oder das Unterlassen von klinischen Studien, die der Entkräftung oder Bestätigung von Zweifeln dienen, können negative Folgen haben, wie ein Fall aus England anschaulich belegt.1568 Auch die sog. kanadische BART -Studie, die im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln ein signifikant erhöhtes Sterberisiko von Patienten nachwies, die mit dem seit Jahren zugelassenen Medikament Trasylol behandelt wurden1569 , belegt die Bedeutung von Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung von Arzneimitteln. Wie bei der Haftung bei Zulassungsstudien liegt bei rechtswidriger Ablehnung oder nachträglicher rechtswidriger Aufhebung der zustimmenden Bewertung eine Amtspflichtverletzung vor. Der Drittschutz gegenüber Patienten in der Routineversorgung lässt sich auch hier aus der Verwirklichung einer tatbestandlichen und rechtswidrigen unerlaubten Handlung begründen.1570 Der Kausalitätsnachweis wird anders als bei den Zulassungsstudien dadurch erleichtert, dass groß angelegte Unbedenklichkeitsstudien gerade auf die Bestätigung oder Widerlegung von Gesundheitsgefahren durch das zugelassene Arzneimittel abzielen. Insoweit dürfte ein Patient der Routineversorgung die Möglichkeit besitzen, die Kausalität zwischen der amtspflichtwidrigen Ablehnung der Studie und dem erlittenen Gesundheitsschaden durch Einnahme desjenigenArzneimittels nachzuweisen, das Gegenstand der (verzögerten) Unbedenklichkeitsstudie gewesen ist. Scheitert die Unbedenklichkeitsstudie 1567
Hierzu eingehend Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 517 ff. und bereits oben, a.C.I.2.b.cc. The Plaintiffs v. UK Medical Research Council and Secretary of State for Health, High Court: Queen’s Bench Division, Bull. Med. Eth. November 1996, S. 16 ff. Dort wurden zwischen 1959 und 1985 beinahe 2000 Kinder mit Wachstumshormonen zur Verhinderung von „Zwergenwuchs“ behandelt, die aus Leichen gewonnen wurden. 16 Kinder starben an Creutzfeldt-Jakob und drei weitere erkrankten daran. Bereits 1976/77 hatte man genügend Hinweise auf die krankheitserregende Wirkung der Leichenhormone. Eine klinisch kontrollierte Studie wurde jedoch über zwei Jahre lang hinausgezögert. Hierzu auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 986. 1569 Hierzu bereits oben, § 4 B. 1570 Zur insoweit vergleichbaren Interessenlage bei der Nichtzulassung eines Arzneimittels durch die Bundesoberbehörde Knothe, Zulassung, S. 61 ff., 74 ff., 102 ff. 1568
§ 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung
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endgültig und wird sie auch anderenorts nicht (mehr) durchgeführt, so dürfte die Führung des Kausalitätsnachweises ausgeschlossen sein. Anders als bei der Haftung im Rahmen von Zulassungsstudien besteht für die Subsidiarität derAmtshaftung nach § 839Abs. 1 S. 2 BGB ein größeresAnwendungsfeld: Gegen den Arzneimittelhersteller kommen in der vorliegenden Konstellation zunächst Ansprüche aus § 84 AMG in Betracht. Weitreichender ist dagegen die Arzneimittelhaftung nach allgemeinem Haftungsrecht. Als Ausfluss seiner Verkehrssicherungspflicht zur Beobachtung von Arzneimitteln kann den pharmazeutischen Unternehmer auch eine Pflicht zur Durchführung einer klinischen Studie treffen1571 , die auch durch eine verspätete, nicht auf ein amtspflichtwidriges Verhalten der EthikKommissionsmitglieder zurückzuführende Unbedenklichkeitsstudie verletzt werden kann. Ferner kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 5 AMG in Betracht. Weiterhin kann auch der Arzt zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er Arzneimittel am Patienten anwendet, die wegen des Verdachts auf schädliche Wirkungen einer nochmaligen Überprüfung unterzogen werden sollen und er bei dieser Situation nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgeht.
4. Ergebnis Eine Haftung für die federführende Ethik-Kommission wegen amtspflichtwidriger Ablehnung/Aufhebung einer Zulassungsstudie gegenüber (potentiellen) Studienteilnehmern ist unter der Prämisse denkbar, dass dem schadensersatzbegehrenden Studienteilnehmer auch tatsächlich das Testpräparat verabreicht wurde. Anderenfalls dürfte der Nachweis der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden nicht zu führen sein. Bei placebokontrollierten Studien ist eine Haftung im Falle einer rechtswidrigen Ablehnung nur unter dem Gesichtspunkt einer Proportionalhaftung möglich, die jedoch von der h. M. abgelehnt wird. Bei amtspflichtwidriger Ablehnung einer Unbedenklichkeitsstudie kommen Ansprüche von Patienten der Routineversorgung in Betracht. Anders als bei der Haftung im Rahmen von Zulassungsstudien besteht für die Subsidiarität der Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB für abgelehnte Unbedenklichkeitsstudien ein größeres Anwendungsfeld.
§ 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung und gegenüber den Prüfern Die Haftung für Ethik-Kommissionen ist – wie Deutsch herausgestellt hat – janusköpfig, denn eine Schadensabnahme infolge eines Fehlverhaltens der EthikKommissionsmitglieder kann nicht nur gegenüber geschädigten Studienteilnehmern, sondern auch gegenüber denjenigen in Betracht kommen, die die Studie tatsächlich
1571
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1524.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
durchführen bzw. durchführen wollten.1572 Eine Haftung gegenüber dem Sponsor/Prüfer kommt einmal in negativer Hinsicht in Betracht, nämlich wenn die Ethik-Kommission die zustimmende Bewertung rechtswidrig ablehnt oder verzögert, obwohl die klinische Prüfung genehmigungsfähig ist, aber auch in positiver Hinsicht, wenn sie einer klinischen Prüfung zustimmt, die nicht den Anforderungen der §§ 40 ff. AMG entspricht. Für den Sponsor der klinischen Prüfung kommt eine Vielzahl von Schadensposten in Frage. Zum einen betrifft dies hohe Arzneimittelentwicklungskosten als fehlgeschlagene Aufwendungen, zum anderen den entgangenen Gewinn durch fehlgeschlagene Vermarktung des Arzneimittels. Zeitlich vor dem Votum der Ethik-Kommission liegen die Arzneimittelentwicklungskosten für die präklinische Forschung und Prüfung. Betroffen sind in diesen Bereichen die „Wirkstoffsuche“ und Tierversuche. Für die jeweils konkret zustimmend oder ablehnend bewertete Studie kommen als Kosten – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – in Betracht: Personalkosten, Versicherungsprämie für die Probandenversicherung, Kosten des Studienmanagements (Monitoring, Pharmakovigilanz, Datenverarbeitung), Erstellung der Studienunterlagen und des Antrags vor der EthikKommission/Bundesoberbehörde, Herstellung der Prüfpräparate. Ebenfalls vor dem Ethik-Kommissionsvotum können etwaige Kosten vorangegangener klinischer Prüfungen liegen, Herstellungskosten der Prüfpräparate eingeschlossen. Zeitlich nach positiver Votierung liegen Studiendurchführungskosten, wie etwa Zahlungen an Dritte (Laborkosten, Prüfarzthonorare, sonstige beteiligte Institutionen), Kosten des konkreten Studienmanagements (Monitoring, Pharmakovigilanz, Datenverarbeitung), Patienten-/Probandenrekrutierung (z. B. Voruntersuchungen), Herstellung und Verabreichung der Prüfpräparate. Im Falle der Aufhebung des Kommissionsvotums kommen Kosten für den Abbruch der Studie hinzu.1573 Die Entwicklung eines neuen Arzneimittels ist kostenintensiv. Schätzungen belaufen sich auf 500 Millionen bis 2 Milliarden US-Dollar, fehlgeschlagene Entwicklungsversuche eingeschlossen. Nach Aussagen der amerikanischen Pharmahersteller werden ein Drittel der gesamten Forschungsausgaben für die klinische Prüfung (Phase I-III) verwendet.1574
A. Ansprüche des Sponsors wegen fehlerhaft ablehnender oder verspäteter Bewertung der federführenden Ethik-Kommission Zunächst zu erörtern sind Schadensersatzansprüche des Sponsors der klinischen Prüfung, wenn die federführende Ethik-Kommission ihre Zustimmung trotz Genehmigungsfähigkeit des Antrags nicht erteilt und die klinische Prüfung damit am 1572
Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069. Einige der oben aufgeführten potentiellen Schadensposten sind bei Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 579 ff. unter dem Aspekt der Budgetplanung näher erläutert. 1574 Zu den Kosten der Arzneimittelentwicklung ausf. Thierolf, in: Schöffski/Fricke/Guminski, Pharmabetriebslehre, S. 119 ff. m.w. Nachw.; Adams/Brantner, Health Aff., Bd. 25 (2006), S. 420 ff.; DiMasi/Grabowski, J of Clin Onc, 2007, 209 ff. 1573
§ 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung
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präventivenVerbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40Abs. 1 S. 2AMG) scheitert, oder aber sie nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen die zustimmende Bewertung rechtzeitig erteilt. I. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG 1. Amtspflichtverletzung Voraussetzung ist zunächst die Verletzung einer dem Sponsor gegenüber bestehenden Amtspflicht. a. Rechtswidrige Nichterteilung der zustimmenden Bewertung Die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission darf nur versagt werden, wenn ein oder mehrere der abschließend aufgezählten Versagungsgründe vorliegen, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG. Der Sponsor der klinischen Prüfung hat gegenüber der Ethik-Kommission nach § 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG ein – verfassungsrechtlich über die Art. 12, 14 GG verbürgtes – subjektiv-öffentliches Recht auf zustimmende Bewertung, soweit Versagungsgründe nicht vorliegen.1575 Ebenso wie allgemein die rechtswidrige Versagung einer Erlaubnis im Rahmen präventiver (Erlaubnis-)Kontrolle eine Amtspflichtverletzung begründet1576 , so verletzen auch die mehrheitlich gegen den Antrag stimmenden Ethik-Kommissionsmitglieder ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, wenn sie einem zustimmungspflichtigen und zustimmungsfähigen Antrag des Sponsors nicht (rechtzeitig) zustimmen. aa. Fehlerhafte Verneinung der Zustimmungspflichtigkeit, §§ 4 Abs. 23 S. 1, 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 AMG Ausschließlich klinische Prüfungen iSd § 4 Abs. 23 S. 1 AMG unterfallen dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt des § 40 Abs. 1 S. 2 AMG und nur sie bedürfen der zustimmenden Bewertung durch die Ethik-Kommission nach § 42 Abs. 1 AMG und der Genehmigung durch die Bundesoberbehörde nach § 42 Abs. 2 AMG. Liegt ein nicht unter § 40 Abs. 1 S. 2 AMG fallendes Forschungsvorhaben vor, entfällt zugleich das Bedürfnis nach einer Aufhebung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Wird ein AMG-Antrag bei der Ethik-Kommission eingereicht, fehlt es jedoch an der Zustimmungspflichtigkeit, entweder weil kein Arzneimittel geprüft wird oder aber weil eine nichtinterventionelle Studie nach § 4 Abs. 23 S. 3 AMG vorliegt, so fehlt es gleichzeitig am Erfordernis eines Verwaltungsaktes zur Aufhebung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Nach der auf die vorliegende Konstellation übertragbaren Rspr. des BVerwG hat die Ethik-Kommission 1575 Vgl. nur Deutsch, MedR 2006, 411, 414 f.; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 158 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 224. 1576 Vgl. BGHZ 125, 258, 268; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 19; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 570.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
den Antrag zu bescheiden; sie kann das eingeleitete Verwaltungsverfahren also nicht einfach einstellen. Den Antragssteller hat sie von der fehlenden Zustimmungsbedürftigkeit in Kenntnis zu setzen (§ 25 VwVfG). Wird der Antrag aufrechterhalten, muss die Zustimmung versagt werden, denn es fehlt „an einer wesentlichen gesetzlichen Voraussetzung für den Erlaß des beantragten Verwaltungsaktes“.1577 Eine nur theoretische Haftungskonstellation kann sich daraus ergeben, dass die Ethik-Kommission fehlerhaft einen AMG-Antrag zurückweist, weil es sich ihrer Auffassung nach nicht um eine klinische Prüfung handelt, für die eine zustimmende Bewertung erforderlich ist, § 4 Abs. 23 S. 1 AMG, § 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 AMG. Verweigert sie infolgedessen ihre zustimmende Bewertung, so liegt hierin eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten. Theoretisch denkbar ist es auch, dass der Sponsor auf die Auffassung der Ethik-Kommission vertraut und den Antrag auf die berufsständische Beratung für die Prüfärzte nach § 15 MBO-Ä umstellt. Praxisrelevant ist dies aber deswegen nicht, weil der Antrag bei der Bundesoberbehörde grundsätzlich zeitgleich gestellt wird und es niemals dazu kommen wird, dass die Ethik-Kommission aus Eigeninitiative die Patienten-/Probandenschutzvorschriften der §§ 40 ff. AMG für nicht anwendbar erklärt. Relevant werden derartige Fallgestaltungen erst dann, wenn ein unter das AMG fallendes Forschungsvorhaben von vornherein nur der berufsständischen Beratung nach § 15 MBO-Ä unterworfen wird. bb. Fehlerhafte Verneinung der Zustimmungsfähigkeit, §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4, § 41 AMG Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn die Ethik-Kommission fehlerhaft ein oder mehrere Versagungsgründe nach §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4, § 41 AMG annimmt oder ihre zustimmende Bewertung außerhalb der vorgesehenen Ablehnungsbefugnis verweigert. Dieser Grundsatz vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes kommt gerade bei der präventiven Erlaubniskontrolle gegenüber dem Antragssteller entscheidende Bedeutung zu. Eine Amtspflichtverletzung liegt mithin vor, wenn die Ethik-Kommission die zustimmende Bewertung trotz Vollständigkeit der Unterlagen nicht erteilt (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG), sie die klinische Prüfung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG ablehnend bewertet, obwohl die Unterlagen, insbesondere der Prüfplan, die Prüferinformation sowie die Modalitäten für die Auswahl der Prüfungsteilnehmer dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen oder die klinische Prüfung für den Wirksam- oder Unbedenklichkeitsnachweis geeignet ist, oder sie die klinische Prüfung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG ablehnend bewertet, obwohl die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4 und § 41 AMG geregelten Anforderungen erfüllt sind (Vorrang des Gesetzes).1578 Eine Amtspflichtverletzung liegt erst recht dann vor, wenn die Ethik-Kommission die Ablehnung der klinischen Prüfung auf Gründe außerhalb der abschließend aufgeführten Versagungsgründe stützt, etwa wenn sie den Antrag ablehnend bewertet, 1577
BVerwGE 32, 41, 43 f. Im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen sei insoweit auf die Darlegung der §§ 40 ff. AMG für den Versuchsteilnehmer verwiesen. 1578
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weil die Publikationsklausel wegen Verletzung der Forschungsfreiheit der Prüfärzte sittenwidrig ist1579 , sie die Vergütung der Prüfärzte als zu hoch oder zu niedrig ansieht, aber auch dann, wenn sie Ablehnungsgründe nach § 42 Abs. 2 AMG geltend macht, die in die ausschließliche Prüfungskompetenz der Bundesoberbehörde fallen (Vorbehalt des Gesetzes). Während für den geschädigten Versuchsteilnehmer der Haftungsgrund im Ergebnis darin liegt, dass die Ethik-Kommission eine unterhalb des Patienten-/Probandenschutzniveaus der §§ 40 ff. AMG liegende klinische Prüfung zustimmend bewertet, so liegt der Haftungsgrund gegenüber dem Sponsor letztendlich (nur) darin, dass die Ethik-Kommission den tatsächlich bestehenden Anspruch des Sponsors auf die zustimmende Bewertung durch eine ablehnende Bewertung nicht erfüllt, etwa weil sie zu hohe und/oder nicht von den §§ 40 ff. AMG gedeckte Anforderungen an den Patienten-/Probandenschutz stellt. Im Übrigen finden die bereits für die geschädigten Versuchsteilnehmer herausgestellten Grundsätze – in überwiegend unmodifizierter Form – auch für die vorliegende Haftungskonstellation Anwendung. So gelten gegenüber dem Sponsor ebenfalls die Haftungserweiterungen und -beschränkungen, die aus der Zuerkennung eines Beurteilungsspielraums der Ethik-Kommissionen resultieren, also die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf Beurteilungsfehler mit einhergehender Steigerung der behördlichen Sorgfaltspflichten, insbesondere der (Amts-)Pflicht zu verfahrenskonformen Verhalten. Auch Zuständigkeits- und Verfahrensfehler begründen eine Amtspflichtverletzung, wobei die Besonderheiten nach § 46 VwVfG zu berücksichtigen sind. Vor allem außerhalb der administrativen Letztentscheidungsbefugnis stehende, ergebnisneutrale Fehler führen entweder direkt über § 46 VwVfG oder über die (hypothetische) Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden nicht zu einer schadensersatzbegründenden Amtspflichtverletzung; ergebniskausale Fehler, insbesondere solche im Anwendungsfeld der Beurteilungsermächtigung, begründen grundsätzlich gleichzeitig ein Verschulden. b. Verzögerung der zustimmenden Bewertung durch nicht fristgerechte oder rechtswidrig hinausgezögerte Entscheidung Nach st. Rspr. des BGH sind Anträge nicht nur ordnungsgemäß, sondern auch rechtzeitig mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und bei abgeschlossener Prüfung ohne Verzögerung zu bescheiden.1580 Für Ethik-Kommissionen reduziert sich diese Pflicht zunächst auf die Erteilung der zustimmenden Bewertung innerhalb der im AMG und in der GCP-V geregelten Fristen1581 , die trotz der durch die 12. AMG-Novelle einhergehende Mehrbelastung streng und teils relativ kurz bemessen sind. Die in §§ 42 Abs. 1 S. 9 AMG, 8 Abs. 2 S. 1 GCP-V vorgesehene 1579
Ebenso Pramann, Publikationsklauseln, S. 138 f., der jedoch eine Nebenbestimmung in Form einer Auflage für möglich hält. 1580 Vgl. nur. BGHZ 15, 305, 309, 30, 19, 26; NVwZ 1984, 332, 333; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 49 m.w. Nachw.; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 21; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 130; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 217; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 76. 1581 So im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 214 f.
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Frist von 60 Tagen gilt nur für multizentrische Prüfungen. Sie beginnt mit Eingang des ordnungsgemäßen Antrags (§ 8 Abs. 2 S. 1 iVm Abs. 1 GCP-V). Die beteiligten Ethik-Kommissionen übermitteln ihre Bewertung der federführenden Ethik-Kommission innerhalb von 30 Tagen (§ 8 Abs. 5 S. 3 GCP-V). Bei monozentrischen Prüfungen gilt eine Frist von 30 Tagen (§ 8 Abs. 3 S. 1 GCP-V). Eine weitergehende Verkürzung auf 14 Tagen ist vorgesehen bei Folgestudien einer Phase I Studie im Rahmen eines Entwicklungsprogramms, soweit dieselbe EthikKommission betroffen ist (§ 8 Abs. 3 S. 2 GCP-V). Fristhemmend bis zum Eingang wirkt die Anforderung zusätzlicher Informationen (§ 8 Abs. 2 S. 3 u. 4 GCP-V). Eine Frist von 90 Tagen bzw. bei Hinzuziehung von Sachverständigen und/oder Gutachten auf 180 Tagen ist vorgesehen bei klinischen Prüfungen von somatischen Zelltherapeutika und Arzneimitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten (§ 8 Abs. 4 S. 1). Generell 180 Tage beträgt die Frist bei Gentransfer-Arzneimitteln (§ 8 Abs. 4 S. 2 GCP-V).1582 Eine Amtspflicht zur beschleunigten Entscheidung vor Ablauf der geregelten Fristen ist in Anbetracht der schon sehr eng bemessenen Fristen nicht anzunehmen. Das Beschleunigungsgebot greift jedoch im Falle xenogener Zelltherapeutika ein, für die es keine zeitliche Begrenzung gibt (§ 8 Abs. 4 S. 3 GCP-V). Die Ethik-Kommission kann aber auch die Entscheidung über den Antrag rechtswidrig hinauszögern. Denkbar ist dies dadurch, dass sie die Fristen zur Bearbeitung rechtswidrig versucht zu hemmen oder rechtswidrig versucht zu verlängern, indem sie vollständige Unterlagen unzutreffend als unvollständig ansieht (§ 8 Abs. 1 GCP-V, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG) oder nicht entscheidungsrelevante Informationen zusätzlich anfordert (§ 8 Abs. 2 S. 2 u. 3 GCP-V). Der Grund hierfür kann in der Fehleinschätzung der §§ 40 ff. AMG, § 7 f. GCP-V liegen, aber auch darin, Organisationsdefizite oder Überlastungen durch eine längere Bearbeitungszeit zu kompensieren. Hierin liegt jeweils eine Amtspflichtverletzung zur raschen Sachentscheidung. Im Falle missbräuchlicher Verzögerung kann auch ein Amtsmissbrauch vorliegen.1583 2. Drittgerichtetheit Zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang die verletzten Amtspflichten gegenüber dem Sponsor drittgerichtet sind. a. Personeller Schutzbereich Voraussetzung für die Annahme einer drittgerichtete Amtspflichtverletzung ist zunächst, dass der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte zum geschützten 1582
Überblick über die Fristen bei Kloesel/Cryran, § 42 Anm. 40 ff.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 196 f.; Deutsch, in: Deutsch/Lippert, § 42 Rn. 5; Osieka, Humanforschung, S. 290 ff. 1583 Ein Amtsmissbrauch liegt insbesondere vor, wenn eine Amtstätigkeit aus sachfremden, rein persönlichen Gründen erfolgt, unterbleibt, verzögert oder mangelhaft ausgeführt wird; vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 216; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 121, jew. m.w. Nachw.; aus der Rspr. BGHZ 91, 243, 252.
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Personenkreis zählt. Das ist der Fall, wenn die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade die Interessen des Geschädigten wahrzunehmen, was u. a. dann der Fall ist, wenn eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten besteht.1584 Anders als bei Amtspflichtverletzungen gegenüber Versuchsteilnehmern, bei denen es maßgeblich auf den Schutzzweck der §§ 40 ff. AMG ankommt, ergibt sich der personale Drittbezug der Amtspflichtverletzung wegen rechtswidriger Nichterteilung oder Verzögerung der zustimmenden Bewertung zum einen aus der öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung, begründet durch die Antragsstellung auf zustimmende Bewertung der klinischen Prüfung (§§ 9, 22 VwVfG, 7, 8 GCP-V)1585 , zum anderen aus der Verletzung des – verfassungsrechtlich über die Art. 12, 14 GG verbürgten – subjektiv-öffentlichen Rechts auf rechtszeitige und ordnungsgemäße Erteilung des begünstigenden Verwaltungsaktes im Falle fehlender Versagungsgründe, § 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG (öffentlich-rechtlicher Leistungsanspruch).1586 Liegt die Amtspflichtverletzung in einer rechtswidrigen Ablehnung oder Unterlassung eines begünstigenden Verwaltungsakts, so fällt die Drittgerichtetheit der Amtspflichtverletzung mit der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO zusammen. Ist Dritter iSd § 839 BGB demnach derjenige, der durch den Verwaltungsakt oder durch seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt ist1587 , so folgt hieraus ebenfalls die personale Drittgerichtetheit gegenüber dem Sponsor. Anders als bei der Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer ist es insoweit unerheblich, aus welchen Gründen die Ethik-Kommission die zustimmende Bewertung (rechtswidrig) versagt hat.1588 Während sich der geschädigte Versuchsteilnehmer etwa nicht allein darauf berufen kann, dass die Ethik-Kommission die klinische Prüfung wegen Unterlagenunvollständigkeit nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG hätte ablehnen müssen, so wird im Verhältnis zum Sponsor im Falle einer Ablehnung der Antrags nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG trotz Vollständigkeit der Unterlagen das subjektiv-öffentliche Recht des Sponsors auf Zustimmungserteilung verletzt.
1584 Vgl. nur BGHZ 106, 323, 331; 134, 268, 276; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 101; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 228; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 18 f., jew. m.w. Nachw. 1585 Zu relativen Amtspflichten in Sonderbeziehungen vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 60 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 111; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 129. 1586 Allg hierzu BGHZ 39, 358, 364 f.; Papier, in: MüKo/BGB; § 839 Rn. 228, 231; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 181; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 19; für EthikKommission vgl. Deutsch, MedR 2006, 411, 414 f.; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 158 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 224; van der Sanden, Haftung, S. 202 u. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 171 f. 1587 Vgl. BGHZ 125, 258, 268; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 129 a.E.; Wurm, JA 1992, 1, 2; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 133; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 114 ff.; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 18 f.; de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1040. 1588 So auch BGH NVwZ 1986, 961 f. m.w. Nachw. für die Verweigerung einer Baugenehmigung, auf die ebenso wie bei der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission ein Anspruch besteht; s.a. de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1040.
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Dafür, dass der Sponsor nicht zum Kreise der geschützen Personen zählen soll, hat sich neuerdings Krüger ausgesprochen. Er zieht zunächst Parallelen zum Verhältnis zwischen Aufsichtsbehörde und Beaufsichtigten und leugnet die (alleinige) Bedeutung, dass der Sponsor Antragssteller und alleiniger Antragsberechtigter ist, da es sich hierbei „bloß um einen Grundsatz“ handelt, dass sich der Schutzkreis der Amtspflichtverletzung auf den Antragssteller erstreckt. Gegen die personelle Drittrichtung bringt er ferner vor, dass Ethik-Kommissionen nur Patientenschutzinstitutionen seien, der Schutz des Sponsor folglich nicht intendiert sei, und schließlich zieht er einen Vergleich mit § 1 GenTG, denn während § 1 Nr. 2 u. 3 GenTG industrielle Schutzaspekte anspricht, weise § 1 AMG nicht eine entsprechende Schutzrichtung auf.1589 Diese Sichtweise ist mit rechtsstaatlichen und amtshaftungsrechtlichen Grundsätzen nicht in Einklang zu bringen: Dass die personelle Drittrichtung gegenüber einem Antragssteller besteht, ist nicht „bloß nur ein Grundsatz“, sondern folgt daraus, dass mit einer Ablehnung der begehrten Genehmigung subjektiv-öffentliche Rechte des Antragsstellers verletzt werden. Mit dieser Sichtweise wird die Konnexität von Primär- und Sekundärrechtsschutz hergestellt. Werden subjektive Rechte verletzt und bliebe eine solche Verletzung, insbesondere von Grundrechten, auf der Sekundärebene sanktionslos, so ist dies nicht mit der Gewährleistung des Art. 34 S. 1 GG vereinbar.1590 Nichts anderes kann aber auch für Ethik-Kommissionen gelten. Es widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, Verstöße von Behörden gegen den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes dem Antragssteller zuzuweisen. Dass die §§ 40 ff. AMG patientenschützenden Charakter haben, ist belanglos; auch im Baurecht ist bislang noch niemand auf die Idee gekommen, den Rechtsschutz des Antragstellers bei Verletzung seines subjektiven Rechts auf die beantragte Baugenehmigung auf nicht-nachbarschützende Vorschriften zu beschränken. Hier wie dort ist jeweils ausschlaggebend, dass ein subjektiv-öffentliches Recht durch Nichterfüllung des Leistungsanspruchs verletzt wurde. Konsequenterweise müsste Krüger auch den parallel ausgestalteten Primärrechtsschutz gegen Voten von Ethik-Kommissionen verneinen (§ 42 Abs. 2 VwGO), was erst recht schon im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht anzunehmen ist. Darüber hinaus ist die Haftung für die Bundesoberbehörde gegenüber den Pharmafirmen für die rechtswidrige Nicht- bzw. verspätete Zulassung von Arzneimitteln anerkannt, obwohl das BfArM ebenfalls nach dem AMG eine Verbraucher-/Patientenschutzbehörde ist.1591 Abschließend ist auch der Überlegung entgegenzutreten, aus der Nichterwähnung pharmazeutischer Interessen in § 1 AMG auf den nichtvorhandenen personalen Drittschutz zu schließen: Auch dies widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, denn sowohl die Erlangung des
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Krüger, VersR 2009, 1048, 1049 f. In diesem Sinne Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 107; s.a. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 231 1591 Vgl. LG Berlin, PharmR 2000, 50 ff.; KG Berlin, PharmR 2001, 410 ff.: Amtshaftung auf Ersatz des entgangenen Gewinns bei verzögerter Zulassung eines parallel zu importierenden Arzneimittels durch das BfArM; vgl. ferner BVerwG NVwZ 1991, 1180 ff.; eingehend Knothe, Zulassung, S. 163 ff.; 1590
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Primär- als auch des Sekundärrechtsschutzes muss nicht spezialgesetzlich angeordnet werden. Im AMG sind pharmazeutische Interessen dadurch verkörpert worden, dass Zulassung und klinische Prüfung nur unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stehen. Zuzustimmen ist Krüger freilich darin, dass es überaus zweifelhaft ist, wie weit der Schutz reicht. Dies ist aber eine Frage des sachlichen Schutzbereichs. Mit der h. M. ist daher insgesamt davon auszugehen, dass der Sponsor der klinischen Prüfung zum geschützten Personenkreis zu zählen ist.1592 Soweit man zum geschützten Personenkreis im Falle rechtswidriger Ablehnungen oder Verzögerungen von Anträgen nur den Antragssteller zählt1593 , so ändert sich diese Sichtweise auch dann nicht, wenn der Antrag auf zustimmende Bewertung durch ein Auftragsforschungsinstitut gestellt wird. Soweit dieses nicht selbst die Sponsorfunktion nach §§ 4 Abs. 24, 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AMG ausübt, kann es lediglich in Vertretung des Sponsors handeln (§ 14 VwVfG), weil ausschließlich der Sponsor der klinischen Prüfung antragsbefugt ist. b. Sachlicher Schutzbereich Allein die Tatsache, dass der Sponsor zum Kreise der geschützten Personen zählt, führt nicht dazu, dass dieser nunmehr sämtliche Vermögensschäden ersetzt verlangen kann. Nach st. Rspr. des BGH ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll (sog. gespaltene Drittbezogenheit1594 ). Es muss der konkret geltend gemachte Schaden in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen. Dies kann dazu führen, dass trotz der personalen Drittrichtung nur partieller Schutz gewährt wird.1595 Vorliegend bedarf es der Erörterung, ob überhaupt in den sachlichen Schutzbereich der Amtshaftung wegen pflichtwidriger Verweigerung oder Verzögerung der beantragten zustimmenden Bewertung Vermögensinteressen des Sponsors fallen. Eine allgemeine Formel, ob und in welchem Umfang im Einzelfall Vermögensinteressen einbezogen werden, existiert nicht. Nach der Rspr. kann der Schutzzweck der Amtspflichtverletzung eine Zurechnungsschranke für bestimmte Schadensfolgen 1592
Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 171 f. u. 178 f.; van der Sanden, Haftung, S. 202; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 159; Sander, Erl. § 42 Anm. 9; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 16; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 161 f., 163. 1593 Vgl. für das Baugenehmigungsverfahren BGH NJW 1991, 2696, 2697; 1994, 2091, 2092; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 575 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 146, jew. m.w. Nachw. aus der Rspr. 1594 Dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 68 f. 1595 Vgl. nur BGHZ 39, 358, 363; 65, 196, 198; 69, 128, 136; 125, 258, 268; NJW 2009, 1207, 1208; NVwZ-RR 2005, 149; 152; NVwZ-RR 1989, 600 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 68 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 170; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 117; Schlick, NJW 2008, 127, 130; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 147 ff.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 128; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 45; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 16; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 19; ausf. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 16 ff.
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bilden oder es kann nach der Schutzrichtung zum gänzlichen Ausschluss des Ersatzes allgemeiner Vermögensschäden kommen. So hat der BGH etwa das Provisionsinteresse eines vom Grundstückseigentümer beauftragten Architekten als nicht vom Schutzbereich der Amtspflichtverletzung zur rechtzeitigen und zutreffenden Erteilung einer Baugenehmigung angesehen, weil es am Bezug zur baulichen Nutzbarkeit fehlte.1596 Die Pflicht, statische Berechnungen für ein Bauvorhaben ordnungsgemäß zu prüfen, hat er beschränkt auf den Schutz vor Schäden an Leben und Eigentum und sah Vermögensinteressen durch Einsturz des Gebäudes als nicht erfasst an.1597 Nach van der Sanden sollen die §§ 40 ff. AMG zwar nicht primär, aber doch zumindest sekundär auf die Wahrung der Belange des Sponsors abzielen.1598 Anhaltspunkte hierfür, insbesondere für Vermögensinteressen, enthalten die §§ 40 ff. AMG aber nicht. So vertritt auch Deutsch die Ansicht, dass die Ethik-Kommission allgemein nicht die Aufgabe habe, Vermögenswerte des Sponsors zu schützen1599 und ebenso muss Krüger entscheiden, wenn er bereits die Eröffnung des personellen Schutzbereichs gegenüber dem Sponsor verneint.1600 Die Ethik-Kommission aber derart aus dem Kreise sonst tätiger Genehmigungsbehörden mit präventiver Kontrollbefugnis herauszuheben erscheint nicht gerechtfertigt, wenn das Kommissionsvotum zu einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Sponsors führt. Vielmehr dürfte im Einklang mit dem BGH zu entscheiden sein: Für den Fall pflichtwidriger Verweigerungen und/oder Verzögerungen solcher Genehmigungen, auf die der Antragssteller einen Anspruch hat, lässt der BGH grundsätzlich alle Nachteile in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen, die bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde vermieden worden wären. Der Geschädigte ist also so zu stellen, wie wenn sein Gesuch rechtzeitig und zutreffend beschieden worden wäre, soweit ein innerer sachlicher Bezug zu den Amtspflichten besteht.1601 Ebenso dürfte auch für Ethik-Kommissionen zu entscheiden sein, die mit ihrer rechtswidrigen Verweigerung/Verzögerung ihrer zustimmenden Bewertung in verfassungsrechtlich verbürgte (Art. 12, 14 GG) und einfachgesetzlich normierte (§§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG) subjektiv-öffentliche Rechte der Sponsors auf Durchführung einer im Einklang mit den §§ 40 ff. AMG stehenden klinischen Prüfung eingreifen.1602 Festzuhalten ist, dass auch Vermögensinteressen des Sponsors in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen. Wie weit die 1596
Vgl. BGHZ 125, 258, 269 f.; dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 578. Vgl. BGHZ 39, 358, 362 ff.; dazu Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 132; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 69 m.w. Fällen aus der Rspr.; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 19. 1598 van der Sanden, Haftung, S. 210; nahestehend Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 179 f. 1599 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1072; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 69; krit. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 159. 1600 Krüger, VersR 2009, 1048, 1049 f. 1601 BGHZ 125, 258; 269 f.; LKV 2008, 189 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 578. 1602 Wie hier Fischer, in: FS Deutsch, S. 151, 159; im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 210; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 179 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 163; s.a. Sander, Erl. § 42 Anm. 9: „Dass das Gesetz abschließend ganz bestimmte Versagungsgründe für eine klinische Prüfung nennt, zeigt, dass die Verfahrensvorschrift in § 42 gerade auch darauf abzielt, die grundsätzliche Forschungsfreiheit der Sponsoren und Prüfer zu wahren“; zum Themenkreis auch 1597
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Schutzwirkung im Einzelnen reicht, insbesondere ob der entgangene Gewinn in den sachlichen Schutzbereich fällt, ist noch näher zu erörtern.
3. Verschulden und Organisationsverschulden Im Hinblick auf das Verschulden ergeben sich für die rechtswidrige Nichterteilung der zustimmenden Bewertung im Vergleich zur Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer wegen schuldhafter Erteilung einer rechtswidrigen zustimmenden Bewertung keine Unterschiede.1603 Zu berücksichtigen ist, dass nicht fristgerecht bearbeitete Anträge grundsätzlich nicht auf ein Verschulden der EthikKommissionsmitglieder zurückzuführen sind. Es obliegt in erster Linie dem für die Organisation der Ethik-Kommission zuständigen übergeordneten Funktionssubjekt dafür zu sorgen, dass Anträge von Sponsoren innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist ordnungsgemäß beschieden werden1604 und die Ethik-Kommission personell so auszustatten, dass eine Überlastung und damit einhergehende Verzögerungen vermieden werden.1605 Den Ethik-Kommissionsmitgliedern ist auch eine fehlerhafte Organisation der Geschäftsstelle oder Pflichtverletzungen der Bediensteten der Geschäftsstelle, etwa durch verzögerte Weiterleitung der Anträge an die Kommission, nicht zuzurechnen.1606 Der Vorsitzende der Ethik-Kommission kann zudem seiner Vorbereitungskompetenz (§ 89 VwVfG) nur unzureichend nachkommen, etwa indem er Studien nicht auf die Tagesordnung setzt oder eine verspätete Sitzungseinberufung veranlasst, sodass eine fristgerechte Entscheidung nicht mehr ergehen kann, das Quorum durch unterlassene Ladung aller (§ 90 Abs. 1 VwVfG) oder einer ausreichenden Anzahl von Mitgliedern nicht erreicht wird oder aber es der Kommission an ausreichendem Sachverstand fehlt, um in der Sitzung über einen Antrag zu entscheiden (§ 42 Abs. 1 S. 5 u. 6 AMG) und dieser deswegen zurückgestellt werden muss. Den Mitgliedern der Ethik-Kommission dürfte erst dann eine schuldhafte Amtspflichtverletzung bei der verzögerten Bearbeitung von Anträgen vorzuwerfen sein, wenn diese ihre Zustimmung rechtswidrig durch unsachgemäße Fristhemmungen und -verlängerungen hinausschieben oder letzteres sogar amtsmissbräuchlich tun.
Gödicke, MedR 2004, 481, 482; für die vergleichbare Konstellation bei der Arzneimittelzulassung Knothe, Zulassung, S. 165 ff., 190 f. 1603 Einzelheiten hierzu oben, § 5 B.II.6. 1604 Vgl. zur Amtshaftung bei verzögerter Zulassung eines parallel zu importierenden Arzneimittels LG Berlin, PharmR 2000, 50 ff.; KG Berlin, PharmR 2001, 410 ff.; ferner BVerwG NVwZ 1991, 1180 ff.; jüngst BGHZ 170, 260 = NJW 2007, 830 = JuS 2008, 645 (Waldhoff ) = JR 2008, 64 m. Anm. Thiel = JZ 2007, 686 m. Anm. Ossenbühl = DVBl. 2007, 908 m. Bspr. Terhechte (S. 1134): Der Staat hat seine Gerichte so auszustatten, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerung abschließen können. 1605 Vgl. BGHZ 111, 272, 273; Brüning, NJW 2007, 1094, 1096 1606 Wie hier Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 162.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
4. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität Die rechtswidrig versagte oder verzögerte zustimmende Bewertung der EthikKommission begründet grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des dadurch eingetretenen Vermögensschadens. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie wenn sein Gesuch rechtzeitig und zutreffend beschieden worden wäre.1607 Zu klären ist, welche Vermögensschäden des Sponsors kausal auf die rechtswidrige Nichterteilung oder Verzögerung der zustimmenden Bewertung zurückzuführen sind und welche dieser Schäden in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen.
a. Adäquater Ursachenzusammenhang und sachlicher Schutzbereich Nach der Formel des BGH ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln genommen hätten, und wie sich in diesem Falle die Vermögenslage des Geschädigten bei pflichtgemäßem Verhalten darstellen würde. Nur dann, wenn die Vermögenslage des Verletzten bei pflichtgemäßem Verhalten günstiger als die tatsächliche sein würde, hat die Amtspflichtverletzung den Schaden verursacht.1608 Diesbezüglich ist zu trennen zwischen Schäden, die aus dem endgültigen Ausbleiben der klinischen Studie resultieren können und solchen, die aus der verzögerten Aufnahme der klinischen Prüfung herrühren.
aa. Schäden durch endgültiges Ausbleiben der klinischen Prüfung (1) Arzneimittelentwicklungskosten Aus dem Kreise adäquat verursachter Schäden durch die amtspflichtwidrig ablehnende Bewertung scheiden die Arzneimittelentwicklungskosten aus. Die Vermögenslage des Sponsors hätte sich mit Blick auf die Arzneimittelentwicklungskosten bei zustimmender Bewertung nicht verbessert.
(2) Fehlgeschlagene Zulassung und Vermarktung als entgangener Gewinn? – Die Reichweite des sachlichen Schutzbereichs der Amtspflichtverletzung Arzneimittelentwicklungskosten werden kompensiert durch die Vermarktung des Arzneimittels. Fraglich, „heikel“ und im Mittelpunkt der Haftung für EthikKommissionen steht die Frage, inwieweit eine Haftung für den Vermögensschaden des Sponsors besteht, resultierend aus der unterlassenen oder erweiterten Markteinführung des Arzneimittels.
1607 So BGHZ 125, 258; 269 f.; LKV 2008, 189 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 578 jew. für eine rechtswidrig versagte Baugenehmigung. 1608 Vgl. BGH 96, 157, 171; 129, 226, 232; Schlick, NJW 2008, 127, 131; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 175; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 223.
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(a) Problemstellung Der auch im Rahmen der Amtshaftung anwendbare § 252 BGB1609 stellt klar, dass der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn umfasst. Verweigert die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung für eine Zulassungsstudie (Phase I–III), so fehlt dem Sponsor der Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels. Eine Zulassung des Arzneimittels bei der zuständigen Bundesoberbehörde hat, wenn die klinische Prüfung in einer Prüfphase stecken geblieben ist, keine Aussicht auf Erfolg, denn es bedarf einer ausreichenden Prüfung des Arzneimittels nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG). Das negative Ethik-Kommissionsvotum kann für die unterbliebene Markteinführung adäquat kausal sein. Der Ersatz des entgangenen Gewinns wäre nur ein theoretisches Problem, wenn praktische Gesichtspunkte den Anspruch des Sponsors relativieren oder ausschließen würden. So ist in der Tat zunächst zu bezweifeln, dass der Sponsor darlegen könnte, dass er bei Durchführung der klinischen Prüfung solche Ergebnisse erzielt hätte, anhand derer die Zulassung des Arzneimittels durch die Bundesoberbehörde nach ihrer behördenüblichen Praxis erfolgt wäre. Auch hätte er darzulegen, welchen Stellenwert das Arzneimittel auf dem Markt eingenommen hätte und welchen Gewinn er dadurch erzielt hätte. Dem Geschädigten kommt jedoch die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB zugute: Für die Schadensfeststellung gilt nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB derjenige Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Diese Bestimmung soll dem Geschädigten den Beweis erleichtern.1610 Soweit der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, so wird vermutet, dass er gemacht worden wäre.1611 Für den Fall einer Markteinführung eines neuen Produkts hat der BGH entschieden, dass die Wahrscheinlichkeitsprognose „notwendig unsicher“ sei, der Tatrichter sich aber seiner Aufgabe, auf der Grundlage des § 252 BGB und § 287 ZPO eine Schadensermittlung vorzunehmen, nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen entziehen dürfe: „Wird dem Geschädigten durch vertragswidriges Verhalten des Schädigers die Möglichkeit genommen oder beschränkt, sein neues Produkt auf den Markt zu bringen, darf der Wahrscheinlichkeitsnachweis nicht schon deshalb als nicht geführt angesehen werden, weil sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit nicht feststellen lässt“. Vielmehr liegt es nach Auffassung des BGH nahe, „nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge von einem angemessenen Erfolg des Geschädigten beim Vertrieb auszugehen und auf dieser Grundlage die Prognose hinsichtlich des entgangenen Gewinns und des infolgedessen entstandenen Schadens anzustellen, wobei auch ein 1609
Zur Anwendbarkeit BGHZ 14, 363; 365; NVwZ 1992, 1119, 1120; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 239; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 243; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 234. 1610 Vgl. BGHZ 74, 221, 224; 100, 36, 49; Oetker, in: MüKo/BGB, § 252 Rn. 31 ff.; Palandt/Heinrichs, § 252 Rn. 4. 1611 Vgl. BGHZ 29, 393, 398; NJW 2005, 3348.
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Risikoabschlag in Betracht kommen mag“1612 . Legt man diese Grundsätze für die vorliegende Konstellation zugrunde, so lässt sich ein Schadensersatzanspruch nicht bereits deshalb verneinen, weil die Wahrscheinlichkeitsprognose notwendig unsicher ist. Selbst unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen wird es (wohl) nicht gelingen, bei einer abgelehnten Studie der Phase I einen Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder einen solchen, der nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit hätte erwartet werden können, auch nur annährend festzustellen, zu beziffern und/oder den Tag der Markteinführung plausibel zu benennen. Anders kann es sich aber für Studien der Phase III/IIIa verhalten oder wenn auf Ergebnisse anderer Studien zurückgegriffen werden kann. Ferner ist es möglich, dass das Arzneimittel bereits erfolgreich anderenorts vertrieben wird. Und schließlich kann es auch dazu kommen, dass das Arzneimittel später tatsächlich zugelassen wird und der Sponsor nunmehr den Ersatz des entgangenen Gewinns für die verzögerte Zulassung des Arzneimittels geltend macht. Letzteres wird insbesondere dann relevant, wenn später ein (besseres) Konkurrenzprodukt auf den Markt kommt und sich die Gewinnspanne durch die Verzögerung verkürzt. Ist die Frage nach dem Ersatz des entgangenen Gewinns nicht nur eine theoretische, so schließt sich hieran die entscheidungserhebliche Frage an, ob der entgangene Gewinn auch vom sachlichen Schutzbereich der Amtspflicht erfasst ist. Wenngleich der Sponsor in den personellen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fällt und auch grundsätzlich Vermögensinteressen von der Schutzrichtung erfasst sind, so folgt hieraus nicht, dass dies auch im Hinblick auf den konkret geltend gemachten Schaden der Fall sein muss („gespaltene Drittbezogenheit“). Maßgeblich ist vielmehr, ob das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll, was eine Rekurrierung auf den Schutzzweck der Amtspflicht erforderlich macht, der seinerseits durch die dahinterstehende Rechtspflicht und die rechtlichen Bestimmungen des Amtsgeschäfts konturiert wird.
(b) Stand der Literatur Trotz der praktischen Relevanz hat sich die Literatur zu der vorliegenden Fragestellung für Ethik-Kommissionen weder eindeutig positioniert noch eindeutig geäußert: So spricht Fischer etwa nur davon, dass die Verletzung von Amtspflichten Schadensersatzansprüche zugunsten der betroffenen Forscher und Sponsoren nach sich ziehen.1613 Kloesel/Cyran gehen wie selbstverständlich davon aus, dass der entgangene Gewinn des Sponsors ersatzfähig ist.1614 Etwas präziser erörtert van der Sanden, dass die „Begutachtungsamtspflichten“ gegenüber dem Sponsor insgesamt drittschützende Wirkung haben. Den entgangenen Gewinn des Sponsors sieht er
1612
Vgl. BGH NJW 2005, 3348, 3349 für den Bereich der Vertragshaftung. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 159. 1614 Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 16. 1613
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als Folge der Verletzung für ersatzfähig an.1615 Dies entspricht auch der Auffassung von Kreß1616 und ebenso – wenn auch zurückhaltend – derjenigen von v. Dewitz/Luft/Pestalozza1617 . Krüger kommt freilich zu einem anderen Ergebnis, da er bereits die personale Drittrichtung gegenüber dem Sponsor verneint.1618 (c) Lösungsansätze Die entscheidungserhebliche Frage ist dahingehend zu präzisieren, ob im Schutzbereich der amtspflichtwidrigen Versagung der zustimmenden Bewertung auch der entgangene Gewinn des Sponsors durch die unterbliebene Vermarktung des Arzneimittels einbezogen ist, was dann der Fall wäre, wenn das Zulassungs- und Vermarktungsinteresse bereits durch das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen geschützt und gefördert werden sollen. Da die Rspr. des BGH gerade im Bereich der „gespaltenen Drittbezogenheit“ keine einheitliche Linie aufweist, können vorliegend nur Lösungsansätze entwickelt werden. Kommt es für den Schutzzweck der Amtspflicht entscheidend auf die dahinter stehende Rechtspflicht an, so lässt sich zunächst feststellen, dass die §§ 40 ff. AMG den Schutz von Zulassungs- und Vermarktungsinteressen des Sponsors nicht erkennen lassen. Die Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Bescheidung des Antrags zielt darauf ab, dem Sponsor die Möglichkeit zur Durchführung der klinischen Prüfung zu geben, soweit Versagungsgründe nicht vorliegen. Sie zielt aber nicht darauf ab, dem Sponsor nach aussichtsreicher klinischer Prüfung die Zulassung des Arzneimittels zu ermöglichen. Der BGH hat jedoch für den Fall der rechtswidrig versagten Baugenehmigung den sachlichen Schutzbereich als umfassend verstanden und aus der geschützten Rechtsposition des Art. 14 GG Schadensersatz für die vereitelte bauliche Nutzung und die Veräußerung gewährt.1619 In Anlehnung an eine solche Sichtweise könnte man den sachlichen Schutzbereich des Amtsgeschäfts der EthikKommissionen ebenfalls als umfassend iSe Nutzung des Arzneimittels verstehen. Die rechtswidrige Versagung des positiven Ethik-Kommissionsvotums stellt einen rechtswidrigen Eingriff in die Grundrechte des Sponsors aus Art. 12, 14 GG dar, aus denen sich ein Anspruch auf „Nutzung des (Prüf-)Arzneimittels“ herleiten ließe. Von diesem rechtswidrigen Eingriff könnte auch auf die Reichweite des sachlichen Schutzbereichs geschlossen werden.1620 1615
van der Sanden, Haftung, S. 202, 224. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 172, 179 f. 1617 v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 161: Ersatz der durch das negative Votum entstandenden „Verluste“. 1618 Krüger, VersR 2009, 1048, 1049 f. 1619 Vgl. BGH LKV 2008, 189 f. 1620 Vgl. für die Baugenehmigung BGH LKV 2008, 189, 190: „Das hier in Rede stehende Interesse der Kl., ihr Grundstück im Rahmen der Rechtsordnung baulich zu nutzen und zu veräußern, fällt in den Kernbereich des durch Art. 14 GG geschützten Grundeigentums und somit in den sachlichen Schutzbereich der von der Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung über die Baugenehmigung zu wahrenden Amtspflichten. Wird die bauliche Nutzung oder die Veräußerung durch die Versagung 1616
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Zulassungs- und Vermarktungsinteressen aktualisieren sich auf der Seite des Sponsors mit Stellung des Zulassungsantrags grundsätzlich erst vor der Bundesoberbehörde. Die §§ 12, 14 GG werden einfachgesetzlich durch das AMG näher konkretisiert. So lässt sich feststellen, dass das subjektive Recht auf Zulassung des Arzneimittels und das subjektive Recht auf Durchführung einer klinischen Prüfung zwei voneinander zu trennende Materien betrifft, die durch das AMG jeweils unterschiedlich, gleichwohl aber strukturverwandt, geregelt worden sind. So lässt sich nicht ohne weiteres von der Verletzung des Rechts auf Durchführung der klinischen Prüfung auf die Verletzung des Rechts auf Zulassung schließen. Anknüpfen lässt sich diesbezüglich auch auf das vom BGH postulierte Kriterium des inneren sachlichen Bezugs zu den Amtspflichten. Es muss ein innerer Zusammenhang zu der verletzten Amtspflicht bestehen und nicht nur eine bloße zufällige äußere Verbindung.1621 Diesbezüglich ist in Rechnung zu stellen, dass die zustimmende Bewertung dem Sponsor ausschließlich das Recht verleiht, sein entwickeltes Arzneimittel nur im Rahmen der konkret zustimmungsfähigen klinischen Prüfung zu verwenden. Er erhält durch das positive Ethik-Kommissionsvotum keine umfassende Verfügungsbefugnis über sein Arzneimittel, sondern bleibt an dem Verbot des § 21 Abs. 1 S. 1 AMG (iVm § 96 Nr. 5 AMG) gebunden. Damit unterscheidet sich die vorliegende Konstellation aber maßgeblich von derjenigen der Baugenehmigung oder anderer präventiver Erlaubnisvorbehalte, die dem Antragssteller ein umfassendes Nutzungs- und Verfügungsrecht einräumen. Bei einer solchen Sichtweise ließe sich folgern, dass nur das Interesse auf Nutzung des Arzneimittels im Rahmen der Rechtsordnung1622 , d. h. im Rahmen der konkret abgelehnten klinischen Prüfung erfasst ist. Die Rechtspflicht, eine im Einklang mit den §§ 40 ff. AMG stehende klinische Prüfung nicht ablehnend zu bewerten, zielt darauf ab, dem Sponsor die Durchführung der klinischen Prüfung zu ermöglichen. Weiter kann auch der sachliche Schutzbereich der Amtspflicht nicht reichen, mag das Interesse auf Zulassung und spätere Vermarktung hiermit notwendigerweise verbunden sein. Zudem ist zu berücksichtigen, dass über das Recht auf Zulassung erst in einem weiteren und vom Verfahren vor den Ethik-Kommissionen vollständig autonomen Genehmigungsverfahren entschieden wird. Die Wahrung des Rechts des pharmazeutischen Herstellers auf Zulassung des Arzneimittels obliegt der Bundesoberbehörde im Zulassungsverfahren als drittgerichtete Amtspflicht.1623 Auf Interessen, die außerhalb des Einwirkungskreises der Ethik-Kommissionen stehen, kann sich der sachliche Schutzbereich der Amtspflicht nicht beziehen. Schaut man zur näheren Konturierung der Amtspflicht zur Erteilung einer im Einklang mit den §§ 40 ff. AMG stehende klinische Prüfung auf den Zweck und den rechtlichen Bestimmungen des
einer Baugenehmigung rechtswidrig - und (hinsichtlich der Amtshaftung) schuldhaft - vereitelt, so ist ein dadurch verursachter Schaden im Rahmen der Amts- und Staatshaftung zu ersetzen“. 1621 Vgl. BGHZ 57, 137, 142; 125, 258, 269 f.; LKV 2008, 189 f.; NVwZ-RR 1989, 600 f. 1622 S.a. für die Baugenehmigung BGH LKV 2008, 189, 190: Veräußerung und bauliche Nutzung „im Rahmen der Rechtsordnung“. 1623 Vgl. Knothe, Zulassung, S. 164 ff., 190 f.; s.a. KG Berlin, PharmR 2001, 410 ff.
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Amtsgeschäfts, so bleibt folglich fraglich, ob die Belange des Sponsors auf Zulassung und das damit einhergehende Interesse auf Vermarktung des Arzneimittels in den sachlichen Schutzbereich dieser Amtspflicht fallen. Weiterhin wäre es möglich, eine nach Ablehnungsgründen differenzierte Betrachtungsweise zu postulieren1624 : Für Ablehnungsgründe, die ausschließlich das Themenfeld der klinischen Prüfung betreffen, könnte man den inneren sachlichen Bezug zur Zulassung und Vermarktung des Arzneimittels verneinen. Lehnt die Ethik-Kommission die klinische Prüfung etwa deswegen ab, weil sie eine unvertretbare Placebogruppe enthält, die Deckungssumme der Probandenversicherung unzureichend oder die Prüfeinrichtung ungeeignet ist, so fehlt es hier am Bezug zur Zulassung und Vermarktung. Eine solche Sichtweise könnte man vor dem Hintergrund rechtfertigen, dass Ablehnungsgründe, die sich nur auf das Themenfeld der klinischen Prüfung beziehen, der Zulassung und Vermarktung deswegen nicht entgegenstehen, weil der Sponsor gleichwohl sein Prüfpräparat allein durch Änderung des Prüfdesigns und/oder geänderten Bedingungen testen und anschließend nach Zulassung unverändert und wie geplant vermarkten könnte. Etwas anders würde sich dann für arzneimittelindikationsspezifische Ablehnungsgründen ergeben. Verneint die Ethik-Kommission etwa die grundsätzliche Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG) oder hält sie die drohenden Risiken und Nebenwirkungen für die gegebene Indikation für zu schwerwiegend, so besteht ein innerer sachlicher Bezug zur Zulassung und Vermarktung. Der Sponsor hat in diesen Fällen nur noch die Möglichkeit, das Indikationsgebiet oder die Zusammensetzung des Arzneimittels zu verändern. Anderenfalls scheitert die Zulassung endgültig an der Versagung der zustimmenden Bewertung. Maßgeblich wäre also, ob die Ablehnungsgründe sich auf das immanente Themenfeld der klinischen Prüfung beziehen oder ob sie in das Zulassungsverfahren „hineinwirken“. Nur im letzten Fall wären Zulassungs- und Vermarktungsinteressen vom sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung erfasst. (d) Abschließende Betrachtung Die besseren Gründe sprechen jedoch für eine generelle und undifferenzierte Einbeziehung des entgangenen Gewinns. Mit Einreichung eines Antrags einer klinischen Prüfung der Phase I–III bringt der Sponsor gegenüber der Ethik-Kommission unmissverständlich zum Ausdruck, dass er nach erfolgreicher Prüfung die Zulassung des Arzneimittels mit anschließender Vermarktung bezweckt. Eine „Zurechnungsschranke“ dadurch zu begründen, dass über die Zulassung des Arzneimittels in einem gesonderten späteren Verfahren entschieden wird, würde diesen Umstand nicht hinreichend berücksichtigen. Versteht der BGH den sachlichen Schutzbereich der verletzten Amtspflicht gegenüber dem Antragssteller für den Fall pflichtwidriger Verweigerungen und/oder Verzögerungen solcher Genehmigungen, auf die 1624
Darauf, dass es auch auf die (Versagungs-)Gründe einer Erlaubnis ankommen kann, belegt BGHZ 90, 4, 6 ff.; s.a. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 693.
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der Antragssteller einen Anspruch hat, als umfassend und lässt er grundsätzlich alle Nachteile in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen, die bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde vermieden worden wären, soweit ein innerer sachlicher Bezug zu den Amtspflichten besteht1625 , so ist im Ergebnis nicht ersichtlich, warum für Ethik-Kommissionen anders zu entscheiden sein sollte. Zwischen der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission und dem Zulassungsund Vermarktungsinteresse des Sponsors besteht gerade bei Zulassungsstudien nicht nur eine bloße zufällige äußere Verbindung. Dass die Zulassung und Vermarktung des Arzneimittels an einer ablehnenden Bewertung scheitern kann, ist eine adäquat kausale Folge der verweigerten zustimmenden Bewertung. Wirkt sich die Bewertung der Ethik-Kommission notwendigerweise auf die Zulassung und Vermarktung des Arzneimittels aus, so muss es auch als unerheblich angesehen werden, dass das AMG zwischen Zulassung und Prüfung trennt, mithin also erst die Erfüllung von zwei Leistungsansprüchen (§§ 40 Abs. 1 S. 2, 25 Abs. 2 AMG) den Erfolg der Vermarktung herbeiführen kann, wenn die Nichterfüllung eines Leistungsanspruchs geeignet ist, die Zulassung und Vermarktung des Arzneimittels dem Sponsor illusorisch zu machen. Auch die hier angesprochene, nach Ablehnungsgründen differenzierende Betrachtungsweise trifft nicht den Kern der vorliegenden Konstellation: Der Leistungsanspruch des Sponsors auf zustimmende Bewertung wird unabhängig davon verletzt, auf welche Gründe die Ethik-Kommission ihre Versagung stützt. Entscheidend ist allein, dass dem Sponsor das ihm zustehende subjektive Recht auf Durchführung der klinischen Prüfung genommen wird, §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG. Dass das AMG vor der Zulassung klinische Prüfungen des Arzneimittels fordert, kann nicht dazu führen, den Schutz von Zulassungs- und Vermarktungsinteressen des Sponsors im Vorfeld der Vermarktungstätigkeit auszuklammern. Die angesprochene Begrenzung auf solche Interessen, die auf die Nutzung des Arzneimittels im vorgesehenen rechtlichen Rahmen, d. h. auf die Nutzung im Rahmen der konkreten klinischen Prüfung bezogen sind, trägt zwar der einfachgesetzlich vorgenommenen Differenzierung zwischen Zulassung und klinischer Prüfung Rechnung, berücksichtigt aber nicht den gleichwohl bestehenden inneren sachlichen Bezug der klinischen Prüfung zur Zulassung, da es gerade das Ziel der klinischen Prüfung ist, die für die Zulassung erforderlichen Angaben und Ergebnisse zu erzielen, wie dies in den §§ 4 Abs. 23 S. 1, 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG unmittelbar zum Ausdruck kommt. Gewährt der BGH für den Fall der rechtswidrig versagten Baugenehmigung aus der geschützten Rechtsposition des Art. 14 GG Schadensersatz für die vereitelte bauliche Nutzung und die Veräußerung1626 , so ist nicht ersichtlich, dass dies für Ethik-Kommissionen im Verhältnis zum Sponsor nach Art. 12, 14 GG anders sein sollte. Dass ein weiteres Genehmigungsverfahren zu durchlaufen ist, kann vielmehr nur als eine über § 252 BGB überwindbare „Kausalitätshürde“, nicht jedoch als unüberwindbare Schutzbereichsbegrenzung aufgefasst werden. Fällt der Sponsor in den personellen Schutzbereich der Amtspflicht und umfasst der sachliche Schutzbereich grundsätzlich alle Nachteile, die bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde 1625 1626
BGHZ 125, 258; 269 f.; LKV 2008, 189 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 578. Vgl. BGH LKV 2008, 189 f.
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vermieden worden wären, so würde die Ausklammerung des entgangenen Gewinns dazu führen, dass dem Sponsor über die Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs die Schadenstragung des rechtswidrigen behördlichen Verhaltens zugewiesen würde. Dies wäre ein nicht zu rechtfertigender Eingriff. (e) Ergebnis und praktische Erwägungen Mit der überwiegenden Auffassung ist daher davon auszugehen, dass vom sachlichen Schutzbereich auch die Zulassungs- und Vermarktungsinteressen des Sponsors erfasst werden. Es ist der Gefahr vorzubeugen, dass der Sponsor der klinischen Prüfung ein negatives Votum der Ethik-Kommission zum Anlass nimmt, die investierten Arzneimittelentwicklungskosten über einen Schadensersatzanspruch auf den entgangenen Gewinn zu kompensieren. Dem wird jedoch nicht nur über die allgemeine Pflicht zur Schadensabwendung und -milderung (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) vorgebeugt, sondern in erster Linie über § 839 Abs. 3 BGB, der Schadensabwendungs- und -milderungspflichten über den Gebrauch von Rechtsmitteln erfasst. Die schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln schließt den Amtshaftungsanspruch auf Ersatz von Schäden aus, die durch die Einlegung von Rechtsmitteln hätten verhindert werden können. Bestätigt das Verwaltungsgericht die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des negativen Kommissionsvotums, so bindet diese Entscheidung im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung den Zivilrichter (Präjudizwirkung).1627 Hält man den entgangenen Gewinn für ersatzfähig, so verlagert sich der Schadensersatzanspruch bei erfolgreicher Klage auf den Verzögerungsschaden. (3) Therapieoptimierungsstudien, Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung Einen Schaden kann der Sponsor nicht nur bei klinischen Prüfungen erleiden, die auf Zulassung des (Prüf-)Arzneimittels abzielen, sondern auch bei anderen Studien. Die Schadenskonstellationen sind vielfältig. Genannt sei etwa die Ablehnung einer unter die §§ 40 ff. AMG fallende Therapieoptimierungsstudie. Auch hier kann ein Amtshaftungsanspruch auf den Ersatz des entgangenen Gewinns gerichtet sein, wobei der Nachweis eines entgangenen Gewinns dann Schwierigkeiten bereitet, wenn die Wirksamkeit der Optimierung eines Therapieschemas nur in einer einzelnen klinischen Prüfung nachgewiesen werden sollte und gerade jene Studie am negativen Ethik-Kommissionsvotum scheitert. Zu unüberblickbaren Schadensfolgen kann es bei Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung kommen. Als praxisrelevant dürfte die Konstellation einzustufen sein, dass die Bundesoberbehörde die Zulassung des Arzneimittels unter der Auflage erteilt, weitere klinische Prüfungen durchzuführen (§ 28 Abs. 3 AMG), jene Prüfung seitens der Ethik-Kommission fälschlicherweise abgelehnt wird und die Bundesoberbehörde die Zulassung wegen Nichteinhaltung der Auflage widerruft, § 30 Abs. 2 Nr. 2 AMG. Denkbar ist es aber auch, dass der Zulassungsinhaber eine klinische Prüfung mit dem Ziel durchgeführt, negative Ergebnisse anderer Unbedenklichkeitsstudien ohne pharmazeutische Beteiligung zu 1627
Dazu auch noch unten, § 6 A.I.7.
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widerlegen und der Zulassungsinhaber durch die Nichtdurchführung der geplanten „Entkräftigungsstudie“ einen Umsatzeinbruch erleidet. Auch hier dürfte sich nach den praktischen Gegebenheiten und aufgrund des § 839 Abs. 3 BGB der Ersatz des entgangenen Gewinns nur auf den Verzögerungsschaden beziehen können. (4) „Rückabwicklungs- und Studienänderungskosten“ Unabhängig von der Art und der Zwecksetzung der Studie fallen adäquat kausale Rückabwicklungskosten in den sachlichen Schutzbereich, die dem Sponsor aus dem endgültigen Ausbleiben der klinischen Prüfung entstehen. Dies kann vor allem die Rückabwicklung bereits eingegangener Verträge und bereits gezahlter Honorare betreffen, etwa an den Prüfarzt, an die jeweilige Forschungsstätte, an die Probandenversicherung oder an das Auftragsforschungsinstitut. Kann die Leistung nicht zurückgefordert werden, so kann einem korrespondierenden Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nicht entgegengehalten werden, dass der Sponsor sich mittels salvatorischer Klauseln gegen amtspflichtwidriges Verhalten der Ethik-Kommissionsmitglieder hätte absichern müssen.1628 bb. Verzögerungsschäden im engeren Sinne – Verzögerungsschäden im weiteren Sinne Praxisrelevanter mit Blick auf § 839 Abs. 3 BGB sind solche Schäden, die dem Sponsor aus einer rechtswidrigen Verzögerung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission entstehen. Der Sponsor ist so zu stellen, wie wenn sein Gesuch rechtzeitig und zutreffend beschieden worden wäre. Erfasst sind dabei aber nicht nur Schäden aus nicht fristgerecht und rechtswidrig hinausgezögerten EthikKommissionsvoten („Verzögerungsschäden ieS“), sondern auch solche, die aus einer anfänglich rechtswidrigen Versagung der Zustimmung herrühren, gegen die sich der Sponsor aber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durchgesetzt hat („Verzögerungsschäden iwS“). (1) Entgangener Gewinn infolge fehlgeschlagener oder verzögerter Zulassung Entscheidet die Ethik-Kommission nicht rechtzeitig über die klinische Prüfung, so kann es zu einer verzögerten Zulassung des Arzneimittels kommen. Es sind auch Konstellationen denkbar, in denen die Durchführung der klinischen Prüfung infolge eines Interessenwegfalls an der Zulassung des Arzneimittels keinen Sinn mehr macht. Das kann der Fall sein, wenn ein anderer pharmazeutischer Hersteller bereits ein Konkurrenzprodukt zugelassen hat oder aber infolge einer Rechtsänderung die Zulassung des Arzneimittels nach nunmehr aktueller Rechtslage nicht mehr oder nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Derartige Fälle werden grundsätzlich auf einer anfänglich verweigerten Zustimmung beruhen, gegen die sich der Sponsor erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt hat. Ob der Sponsor in solchen Fällen Ersatz des entgangenen Gewinns beanspruchen kann, hängt auch 1628
Hierzu auch BGH LKV 2008, 189, 190; NVwZ 1992, 1119, 1121.
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vorliegend von der Frage ab, ob Zulassungs- undVermarktungsinteressen in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflicht auf rechtzeitige Erteilung der zustimmenden Bewertung fallen, was nach hier vertretener Auffassung zu bejahen ist. (2) Neukonzeption nach Änderung der Rechtslage oder tatsächlichen Gegebenheiten Ändert sich die Rechtslage, z. B. durch erhöhte Anforderungen an den Patienten/Probandenschutz, oder aber ändert sich der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG) und macht dies eine Neukonzeption der Studie erforderlich, so kann der Sponsor dann, wenn er ursprünglich einen Anspruch auf Erteilung der zustimmenden Bewertung gehabt hat, den ihm durch die Neukonzeption entstandenen Schaden ersetzt verlangen. Als praxisrelevantes Beispiel kann die Unzulässigkeit einer placebokontrollierten Studie infolge eines Voranschreitens der medizinischen Wissenschaft angesehen werden, wenn bei rechtzeitiger Erteilung der zustimmenden Bewertung noch gegen ein Placebo hätte getestet werden können. In diesem Fall könnte der Sponsor Ersatz seiner Mehraufwendungen verlangen, die ihm daraus entstehen, dass er die klinischen Studie nun in einem Nichtunterlegenheitsdesign durchführen muss, was eine höhere Patientenzahl, die zusätzliche Rekrutierung von Prüfärzten sowie Prüfzentren, die Zurverfügungstellung der aktiven Studienmedikation und ggf. eine höhere Deckungssumme der Probandenversicherung erforderlich machen kann. (3) Sonstige Schäden Im Übrigen kommen zahlreiche weitere potentielle Schadenposten in Betracht, die adäquat kausal auf der nicht rechtzeitigen Erteilung der zustimmenden Bewertung beruhen und in den Schutzbereich der Amtspflicht fallen. Sie reichen von der nochmaligen Herstellung der Prüfmedikation aufgrund nun verfallener Prüfpräparate über erneute Prüfertreffen bis hin zum Abschluss von neuen oder der Verlängerung bestehender Verträge mit Dritten. Nicht selten sind klinische Studien auch so konzipiert, dass das bereits rekrutierte und randomisierte Patientengut in die Folgestudie eingeschlossen werden soll. Verzögert sich die Folgestudie, so ist es denkbar, dass mit Fortschreiten der Erkrankung der Prüfteilnehmer diese nicht mehr die Einschlusskriterien der Folgestudie erfüllen oder das Forschungsprojekt insgesamt bis zur Entscheidung der Ethik-Kommission gestoppt werden muss. In diesem Fall hat der Sponsor einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Neurekrutierung und/oder der Neurandomisierung der Prüfteilnehmer. cc. Kausalität bei Maßnahmen einer Verwaltungsbehörde: Rechtsfragen und Beurteilungsspielräume Die bereits bei der Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer angesprochenen Besonderheiten bei der Feststellung der Kausalität von Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde erlangt auch für den Sponsor der klinischen Prüfung Bedeutung, da dieser bei einem Amtshaftungsprozess geltend macht, dass die Ethik-Kommission
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ihm die zustimmende Bewertung rechtswidrig verweigert oder verspätet erteilt hat. Bedeutung kommt insoweit der bereits erörterten Differenzierung von außerhalb von Entscheidungsspielräumen stehenden Rechtsfragen und Beurteilungsspielräumen zu. Hat die Ethik-Kommission unzutreffend eine Voraussetzung der §§ 40 ff. AMG als nicht gegeben angesehen und betrifft dies ein Tatbestandsmerkmal, dass vollständiger gerichtlicher Kontrolle unterliegt, so entscheidet das über den Amtshaftungsanspruch erkennende Gericht selbst, welche Maßnahme richtigerweise von der Ethik-Kommission hätte erwartet werden dürfen. Besitzt die Ethik-Kommission einen Beurteilungsspielraum, so kann das Gericht nur prüfen, wie die Entscheidung bei ordnungsgemäßer Inanspruchnahme des Beurteilungsspielraums ausgefallen wäre. Ein Kausalzusammenhang besteht daher nur, wenn die Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine andere, für den Sponsor günstigere Entscheidung hätte getroffen werden müssen. Möglichkeiten oder Wahrscheinlichkeiten reichen nicht aus.1629
b. Berücksichtigung des Verhaltens der Bundesoberbehörde Fraglich ist, wie sich eine positive oder negative Entscheidung der Bundesoberbehörde auf die Haftung für Ethik-Kommissionen auswirkt und ob es in der einen oder anderen Konstellation am adäquaten Ursachenzusammenhang oder des Zurechnungszusammenhangs zwischen der rechtswidrigen Versagung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission und dem beim Sponsor entstandenen Schaden fehlen kann. Ethik-Kommission und Bundesoberbehörde entscheiden parallel, eigenständig und unabhängig voneinander über den Beginn der klinischen Prüfung. Nur dann, wenn beide Entscheidungen positiv ausfallen, kann mit der klinischen Prüfung begonnen werden, § 40 Abs. 1 S. 2 AMG (Verbot mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt). Fraglich ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen rechtswidriger Zustimmungsverweigerung oder -verzögerung durch die Ethik-Kommission insbesondere dann, wenn die Bundesoberbehörde ebenfalls rechtswidrig oder im Gegensatz zur Ethik-Kommission rechtmäßig ihre Genehmigung verweigert oder diese eine rechtswidrige Genehmigung erteilt.
aa. Rechtmäßige Genehmigungserteilung durch Bundesoberbehörde – Rechtswidrige Zustimmungsverweigerung durch Ethik-Kommission Die adäquate Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden ist dann unzweifelhaft gegeben, wenn die Bundesoberbehörde die Genehmigung zur Durchführung der klinischen Prüfung ordnungsgemäß und rechtzeitig erteilt hat. In diesem Fall ist die ablehnende oder verzögerte Bewertung der Ethik-Kommission alleinursächlich für den Schaden des Sponsors.
1629
Eingehend dazu oben, § 5 B.II.7.d.
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bb. Beiderseitige rechtswidrige Genehmigungs-/Zustimmungsverweigerung Lehnen beide – Ethik-Kommission und Bundesoberbehörde – rechtswidrig ihre Genehmigung/Zustimmung ab, so sind beide (mit-)ursächlich für den entstandenen Schaden. Keine der beiden Behörden kann ihre Verantwortlichkeit auf die andere dadurch abwälzen, dass sie geltend macht, ihre Entscheidung wäre bei rechtmäßigem Handeln nicht ursächlich gewesen. In solchen Fällen ist im Verhältnis zum geschädigten Sponsor eine gesamtschuldnerische Haftung gegeben.1630 Dieses Ergebnis rechtfertigt sich daraus, dass beide in Streit stehende Verhaltensweisen jeweils allein geeignet gewesen wären, den Schaden des Sponsors herbeizuführen. cc. Rechtmäßige Genehmigungsverweigerung durch Bundesoberbehörde – Rechtswidrige Zustimmungsverweigerung durch Ethik-Kommission Hat die Bundesoberbehörde ihre Genehmigung rechtmäßig verweigert, so kann die rechtswidrige Zustimmungsverweigerung der Ethik-Kommission hinweggedacht werden, ohne dass der Schaden des Sponsors entfiele. Die Entscheidung der EthikKommission ist mithin schon nicht ursächlich iSd condicio-sine-qua-non Formel. Nach der Formel des BGH, wonach zu prüfen ist, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln genommen hätten, und wie sich in diesem Falle die Vermögenslage des Geschädigten bei pflichtgemäßem Verhalten darstellen würde, lässt sich demzufolge konstatieren, dass die Ethik-Kommissionsentscheidung nicht ursächlich für den eingetretenen Schaden des Sponsors sein kann, weil sein Vorhaben jedenfalls an der Genehmigung der Bundesoberbehörde gescheitert wäre und seine Vermögenslage bei pflichtgemäßem Verhalten der Ethik-Kommission nicht günstiger ausgefallen wäre.1631 dd. Rechtswidrige Genehmigungserteilung durch Bundesoberbehörde – Rechtswidrige Zustimmungsverweigerung durch Ethik-Kommission Die Bundesoberbehörde kann ihre Genehmigung auch rechtswidrig erteilen, die Ethik-Kommission ihre Zustimmung dagegen rechtswidrig versagen. Dies ist der Fall, wenn die Ethik-Kommission fälschlicherweise Versagungsgründe nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG für geben hält, die Bundesoberbehörde fälschlicherweise keine Versagungsgründe nach § 42 Abs. 2 AMG angenommen hat. Die Ethik-Kommission ist nach der condicio sine qua non-Formel alleinursächlich für den Schaden des Sponsors. Darauf, dass sie bei rechtmäßigem Handeln der Bundesoberbehörde, also der rechtmäßigen Genehmigungsverweigerung, nicht ursächlich für den Schaden gewesen wäre, kann sich die Ethik-Kommission nicht berufen, weil ein solcher Einwand nicht die eigene Kausalität für den Schaden zu „neutralisieren“ vermag. Hiermit eng verzahnt, aber gleichwohl zu trennen, ist der Einwand, dass das Endergebnis, also die Nichtdurchführung der klinischen Prüfung, nach geltender Rechtslage 1630
Zur freilich im vorliegenden Kontext nur bedingt heranzuziehenden Rspr. bzgl. des Einvernehmens der Gemeinde nach § 36 BauGB vgl. BGHZ 118, 263 = NJW 1992, 2691, 2692; dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 115 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 597. 1631 Vgl. allg. hierzu auch Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 596.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
auch hätte rechtmäßig herbeigeführt werden können oder sogar müssen. Dies entspricht der Struktur nach dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, mit dem vorgetragen wird, dass zwar sowohl der Schaden als auch die Verletzung gegeben ist und auch der Schaden aus der Verletzung hervorgegangen ist, aber die Verletzung für den Schaden nicht erheblich gewesen ist, weil er bei Vermeidung jeder Verletzung ebenso hätte herbeigeführt werden können.1632 Die Erheblichkeit ist zwar deswegen gegeben, weil die Bundesoberbehörde tatsächlich ihre Genehmigung erteilt hat. Vorliegend steht aber die Frage im Raum, ob die Ethik-Kommission sich darauf berufen kann, dass das Endergebnis beider behördlicher Verfahren mit der geltenden Rechtslage übereinstimmt. Nach dem BGH handelt es sich bei dem Aspekt des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht um einen Teilaspekt des Kausalzusammenhangs, sondern um die nachfolgende Frage, inwieweit einem Schädiger die Folgen seines pflichtwidrigen Verhaltens bei wertender Betrachtung billigerweise zugerechnet werden können. Über die Erheblichkeit des Einwands entscheidet der Schutzzweck der Norm.1633 Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgemäß, dem Sponsor nur dann einen Schadensersatzanspruch gegen die Ethik-Kommission und/oder gegen die Bundesoberbehörde zuzugestehen, wenn feststeht, dass er einen Anspruch auf Durchführung der klinischen Prüfung nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG hat, was notwendigerweise das Nichtvorliegen von Versagungsgründen seitens der Ethik-Kommission (§ 42 Abs. 1 S. 7 AMG) und seitens der Bundesoberbehörde (§ 42 Abs. 2 S. 3 AMG) voraussetzt. Es erscheint nicht sachgerecht, die Haftung für EthikKommissionen für Schäden des Sponsors deswegen eingreifen zu lassen, weil er in der vorliegenden Konstellation von der Ethik-Kommission weniger, von der Bundesoberbehörde dagegen mehr erhalten hat, als er beanspruchen konnte und feststeht, dass die klinische Prüfung bei durchweg rechtmäßigem Handeln beider Behörden im Ergebnis hätte abgelehnt werden müssen. Nach hier vertretener Auffassung fehlt es mithin an der Schadenszurechnung. Eine andere Frage ist es, inwieweit sich dieser Einwand praktisch realisieren lässt, denn es wird grundsätzlich so liegen, dass sich der Sponsor nur gegen die rechtswidrige Versagung der Ethik-Kommission wendet bzw. wenden kann (§ 42 Abs. 2 VwGO), wenn er von der Bundesoberbehörde die Genehmigung zur Durchführung der klinischen Prüfung erhalten hat, mag diese auch rechtswidrig sein. Kommt das über den Amtshaftungsanspruch erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass die Versagung der zustimmenden Bewertung durch die Ethik-Kommission rechtswidrig gewesen ist oder steht bereits die Rechtswidrigkeit bindend fest (§ 121 VwGO) und wird nun eingewandt, dass Versagungsgründe für die Bundesoberbehörde nach § 42 Abs. 2 S. 3 AMG vorgelegen haben, so stellt sich die Frage, inwieweit das Gericht die verwaltungsgerichtlich nicht überprüfte Entscheidung der Bundesoberbehörde „zugrunde zu legen hat“, da diese über das Nichtvorliegen „ihrer“ Versagungsgründe bereits 1632 Instruktiv dazu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 186, 188; s.a. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 235. 1633 Vgl. BGHZ 96, 157, 172; NJW 1995, 2778, 2780; 1998, 1307, 1308; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 231; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatsahftungsrecht, § 9 Rn. 170; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 188.
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bestandskräftig entschieden hat. Hiermit ist die bereits erörterte1634 Frage nach der Tatbestands- und Bindungswirkung solcher bestandskräftiger Verwaltungsakte angesprochen, die nicht selbst der Rechtmäßigkeitskontrolle unterworfen werden. Die vorliegende Konstellation unterscheidet sich grundlegend von der derjenigen, in denen es um Schadensersatzansprüche des Versuchsteilnehmers gegen den Sponsor ging und die Frage zu beantworten war, inwieweit das Zivilgericht an die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission gebunden ist. Dort ist im Wesentlichen aus der Überlegung, dass in Anlehnung an § 25 Abs. 10 AMG und bei „Herabwanderung“ der §§ 40 ff. AMG auf die schadenskompensatorische Ebene eine Tatbestandswirkung mit Blick auf die Beschränkung der zustimmenden Bewertung auf den präventiven Vorsorgebereich zu verneinen ist. Vorliegend geht es aber gerade um diesen präventiven Vorsorgebereich, der hier mit Blick auf die Versagungsgründe des § 42 Abs. 2 S. 3 AMG von der Bundesoberbehörde wahrgenommen wird und es geht auch nicht um den Schutz eines Verfahrensunbeteiligten. Wenn der BGH in neueren Entscheidungen die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten dahingehend umschrieben hat, dass außer der Behörde sowie den Verfahrensbeteiligten iSv § 13 VwVfG auch alle anderen Behörden sowie grundsätzlich alle Gerichte die Tatsache, dass der Verwaltungsakt erlassen wurde, als „maßgeblich akzeptieren müssen“ und die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung sie „unbesehen, das heißt ohne dass sie die Rechtsmäßigkeit des Verwaltungsakts nachprüfen müssten oder dürften, zugrunde zu legen“ haben1635 , so spricht vieles dafür, auch eine Tatbestandswirkung der positiven Entscheidung der Bundesoberbehörde in der vorliegenden Konstellation anzunehmen. Dies führt im Ergebnis dazu, dass das über den Amtshaftungsanspruch erkennende Gericht die von der Bundesoberbehörde nach § 42 Abs. 2 S. 3 AMG festgestellte Genehmigungsfähigkeit des Antrags zugrunde zu legen hat und nicht abweichend hierüber entscheiden kann, sodass dem Einwand aus Sicht der Ethik-Kommission, dem Sponsor stünde kein Recht auf Durchführung der klinischen Prüfung nach § 40 Abs. 1 S. 2 2. Alt., 42 Abs. 2 S. 3 AMG zu, die positive Entscheidung der Bundesoberbehörde entgegensteht. c. Ergebnis Bei einer rechtswidrig versagten oder rechtswidrig verzögerten zustimmenden Bewertung hat der Sponsor einen Anspruch auf Ersatz von Schäden, die ihm aus dem endgültigen Ausbleiben oder der verzögerten Aufnahme der klinischen Prüfung entstanden sind. In den sachlichen Schutzbereich der Amtspflicht fallen in Anlehnung an die Rspr. grundsätzlich alle Nachteile, die bei pflichtgemäßem Handeln der EthikKommission vermieden worden wären, soweit ein innerer sachlicher Bezug zu den Amtspflichten besteht. Nach hier vertretener Auffassung ist auch der entgangene Gewinn zu ersetzen. Aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten und des Vorrangs 1634
Oben, § 5 B.II.10.c. BGHZ 158, 19 = JZ 2005, 251 m. Anm. Althammer (eigene Hervorhegung); BGH NJW-RR 2007, 398, 399 m.w. Nachw.; NJW-RR 2006, 913; NVwZ-RR 2008, 154, 156.
1635
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
des Primärrechtsschutzes (§ 839 Abs. 3 BGB) verlagert sich der Schaden grundsätzlich auf den Verzögerungsschaden iwS. Zu berücksichtigen ist weiterhin das Genehmigungsverhalten der Bundesoberbehörde. Bei der rechtmäßigen Genehmigungsversagung durch die Bundesoberbehörde handelt es sich um den einzigen Fall, der zur Verneinung der Ursächlichkeit zwischen der rechtswidrigen Zustimmungsverweigerung der Ethik-Kommission und dem Schaden des Sponsors führt. Scheitert das Vorhaben des Sponsors allein an der Ablehnung/Verzögerung der EthikKommission, so ist ihre Entscheidung alleinursächlich für den Schaden des Sponsors. Versagen Bundesoberbehörde und Ethik-Kommission jeweils rechtswidrig ihre Zustimmung/Genehmigung, ist eine gesamtschuldnerische Haftung gegeben. Hat die Bundesoberbehörde ihre Genehmigung rechtswidrig erteilt, die Ethik-Kommission ihre Zustimmung rechtswidrig versagt, scheitert der grundsätzlich mögliche Einwand, die Nichtdurchführung der klinischen Prüfung entspreche dem rechtmäßigen Ergebnis, an der Tatbestandswirkung der Entscheidung der Bundesoberbehörde. 5. Anspruchsinhalt Inhalt und Umfang des Schadensersatzes für Amtspflichtverletzungen richten sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 249 ff., 842 ff. BGB). Gewährt wird idR nur Schadensersatz in Geld, soweit ein Anspruch auf Naturalrestitution nur durch die Vornahme hoheitlichen Handelns bewirkt werden kann.1636 Anderenfalls hätten die Zivilgerichte die Möglichkeit, unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zur Vornahme von Amtshandlungen zu verurteilen und würden damit in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte eingreifen. Ferner kann auch die auf Art. 34 GG gestützte Staatshaftung nur auf das gerichtet sein, was der Amtsträger persönlich als Privatperson und damit unabhängig von seiner Organwalterstellung zu leisten vermag.1637 Über § 839 BGB, Art. 34 GG kann der Sponsor also vor dem Zivilgericht weder den Erlass noch die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes begehren, sondern nur diejenigen bereits erörterten Vermögensschäden, die bei ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Erteilung der zustimmenden Bewertung ausgeblieben wären und in den Schutzbereich der Amtspflicht fallen.1638 6. Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen Zu erörtern bleiben die Haftungsausschlüsse und -beschränkungen nach §§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 254 BGB. 1636 Vgl. BGHZ 34, 99, 104 ff.; 67, 92, 100; 78, 274, 276; 121, 367, 374; 137, 11, 26; Ossenbühl, Staatsahftungsrecht, S. 110; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 78; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 10; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 295; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 243. 1637 Einzelheiten hierzu bei Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 243; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 296 ff.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 10; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 371, jew. m.w. Nachw. 1638 Hierzu auch van der Sanden, Haftung, S. 223 f.
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a. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Ist eine nur fahrlässige Amtspflichtverletzung gegeben, greift das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ein. Von vornherein ausgeschlossen sind wegen des Prinzips der Einheit der öffentlichen Hand Ansprüche gegen andere Hoheitsträger, wie vor allem solche, die sich auf ein Fehlverhalten der Bundesoberbehörde gründen. Schaltet der Sponsor bei der Durchführung und Planung der klinischen Prüfung ein privatrechtlich organisiertes unabhängiges Auftragsforschungsinstitut ein, so beschränken mögliche vertragliche und deliktische Ansprüche die Amtshaftung für die Ethik-Kommission, wenn dieses für die Entstehung des Schadens beim Sponsor wenigstens schuldhaft mitursächlich gewesen ist. Zieht die Ethik-Kommission den Leiter der klinischen Prüfung als Beteiligten hinzu, hört sie diesen an (§ 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG) und macht dieser falsche oder widersprüchliche Angaben, die mitursächlich für die Verzögerung und/oder Ablehnung der klinischen Prüfung durch die Ethik-Kommission ist, so dürften aufgrund dieses Verhaltens vertragliche Ansprüche des Sponsors aus dem Prüfarztvertrag, aus c.i.c. sowie ggf. deliktische Ansprüche als möglich erscheinen, denen aber eher Seltenheit zuzuschreiben sein dürfte. Insgesamt ist festzuhalten, dass das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht eine annähernd haftungsentlastende Funktion zukommt, wie dies bei der Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer der Fall ist. Es dürfte dem Regelfall entsprechen, dass überhaupt keine Ansprüche gegen Dritte wegen der verzögerten Aufnahme oder des endgültigen Ausbleibens der klinischen Prüfung in Betracht kommen.1639 b. Eigenes Mitverschulden und Verschulden Dritter, § 254, 278 BGB Die Schadensersatzpflicht kann nach § 254 BGB bei schuldhafter Mitverursachung des Schadens durch den Geschädigten zu einer Minderung führen, die bereits nach der Rspr. des RG bis zu einem völligen Ausschluss des Schadensersatzes führen kann.1640 § 254 BGB ist trotz der speziellen Regelung des § 839 Abs. 3 BGB anwendbar.1641 Zu unterscheiden ist zwischen dem Mitverschulden des Sponsors und zwischen dem Einstehen für mitwirkendes Verschulden Dritter. aa. Eigenes Mitverschulden Ein Verschulden des Sponsors kann bereits bei Entstehung des Schadens mitgewirkt haben, § 254 Abs. 1 BGB. Das Mitverschulden ist auf den sachgemäßen Umgang mit dem eigenen Gut gerichtet.1642 Diejenige Sorgfalt, deren Außerachtlassen ein 1639
In diesem Sinne auch van der Sanden, Haftung, S. 216. Vgl. RGZ 162, 202, 208; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 584; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 89; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 203. 1641 Unstreitig, vgl. nur BGHZ 68, 142, 151, 108, 224, 230; NJW 1987, 2664, 2666; NJW 2007, 1063; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 89; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 226; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 81; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 247; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 72; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 202; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 35; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 24; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3548; Schlick, NJW 2008, 127, 133; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 371. 1642 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 571. 1640
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Mitverschulden begründen soll, umschreibt der BGH mit derjenigen, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt.1643 Ein mitwirkendes Verschulden kann im Bereich der Amtshaftung vorliegen, wenn der Geschädigte aus dem vorangegangenen Verhalten der Behörde erkennen konnte, dass diese von unzutreffenden oder fehlerhaften Voraussetzungen oder Vorstellungen ausgeht.1644 Der BGH hat auch das Postulat aufgestellt, dass nicht nur der Beamte als „Helfer des Staatsbürgers“ durch Belehrung und Aufklärung im Rahmen des Möglichen und Zulässigen behilflich sein soll, sondern auch der Staatsbürger im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens gehalten ist, im Rahmen des Zumutbaren das Seine zur Vermeidung von Schwierigkeiten zu tun, was z. B. zu Informationsobliegenheiten führen kann.1645 Ein mitwirkendes Verschulden bei der Entstehung des Schadens, d. h. des Verzögerungs- oder Ausfallschadens infolge verzögerter oder ablehnender Entscheidung der Ethik-Kommission, kann sich insbesondere aus der unzureichenden Wahrnehmung der Mitwirkungspflichten und -obliegenheiten ergeben. Erkennt der Sponsor, dass die Ethik-Kommission seinen Antrag missversteht, etwa indem sie unzutreffend davon ausgeht, dass die klinische Prüfung an Nichteinwilligungsfähigen durchgeführt werden soll, so können ihn auch im nicht vorgesehenen Rahmen Pflichten zur Ausräumung von Missverständnissen treffen. Er kann auch gehalten sein, neue medizinische Erkenntnisse bereits dem Antrag beizulegen oder während der Begutachtung unaufgefordert vorzulegen, wenn diese dazu dienen können, geäußerte oder zu erwartende Bedenken der EthikKommission zu zerstreuen. Auch Planungsdefizite können ein Mitverschulden des Sponsors begründen, z. B. wenn dieser den Beginn der Studie nach den Fristen der GCP-V berechnet hat und unmittelbar nach Erhalt der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission und der Genehmigung der Bundesoberbehörde mit der Prüfung begonnen werden sollte. Mit einer „verzögerten“ Entscheidung hat er schon nach §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG, 8 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 GCP-V zu rechnen. Das Mitverschulden des Antragsstellers bei Unterlagenprüfverfahren, bei denen die Sachverhaltsermittlungspflicht auf ihn verlagert wird, ist insgesamt eine nicht zu vernachlässigende Haftungsbeschränkung bei der Amtshaftung. Wenn allgemein davon ausgegangen wird, dass der Antragssteller bzw. der Bürger nicht klüger sein muss als die Behörde1646 , so hat man vorliegend in Rechnung zu stellen, dass es der Sponsor ist, der über das spezifische Sachwissen über seine klinische Prüfung verfügt und ihm demgemäß auch gesteigerte Pflichten treffen können; anders gewendet: Er kann von der Ethik-Kommission nicht verlangen, dass diese mit derselben Sorgfalt über seinen Antrag entscheidet, die er bei und vor der Antragsstellung aufgewandt hat. Bei Unterlagenprüfverfahren scheint sich vielmehr die Stellung der Behörde 1643 Vgl. BGH NJW 1987, 2664, 2666; Ossenbühl, Staatsahftungsrecht, S. 89; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 226. 1644 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 256. 1645 BGH NJW 1964, 195, 196; NJW 2007, 1063; dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 256. 1646 Vgl. BGH NVwZ-RR 1991, 171, 173: „Regelmäßig ist ein Schuldvorwurf gegen den Bürger nicht begründet, wenn er nicht klüger ist als die mit der Sache befaßten Beamten“; ferner BGHZ 108, 224, 230; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 89; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 253.
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als „Helfer des Staatsbürgers“ in eine „Hilfsbedürftige durch den Antragssteller“ zu verschieben. Diese Verschiebung wirkt sich auf der Ebene des Mitverschuldens aus und ist bei der Abwägung der Verursachungsanteile zu berücksichtigen, § 254 Abs. 1 a. E. § 254 Abs. 2 S. 1 BGB spricht die allgemein anerkannte Schadensabwendungsund -minderungspflicht in Bezug auf die Schadensfolgen an. Der Geschädigte hat drohende Schäden im Rahmen der Zumutbarkeit möglichst gering zu halten, zu verhüten und unnötige Kosten bei der Schadensbeseitigung zu vermeiden.1647 Ergeht eine ablehnende Bewertung der Ethik-Kommission oder verzögert sich diese, so treffen den Sponsor ebenfalls Schadensabwendungs- und -minderungspflichten in unterschiedlichem Ausmaß, bei deren Verletzung ein Mitverschulden gegeben sein kann. Obsiegt der Sponsor im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, so kann er z. B. im Amtshaftungsprozess nicht die Kosten für die verfallenen Prüfpräparate ersetzt verlangen, wenn er diese zumutbar anderenorts mit längerer Haltbarkeitsdauer hätte lagern können. Der Sponsor kann auch gehalten sein, von laufenden Verträgen zurückzutreten oder seine Zahlungsverpflichtungen zu reduzieren oder zu stunden.
bb. Unterlassenes „Ethik-Hoping“ als Mitverschuldenseinwand? Ein für Ethik-Kommissionen erörterungsbedürftiges Spezialproblem betrifft die Frage nach der Zulässigkeit des sog. „Ethik-Hopings“: Erhält der Sponsor von der für den Leiter der klinischen Prüfung zuständigen Ethik-Kommission eine negative Bewertung, so ist fraglich, ob er durch die Auswechslung des Leiters der klinischen Prüfung die Zuständigkeit einer anderen (federführenden) Ethik-Kommission herbeiführen und diese daraufhin unbeschadet der vorherigen ablehnenden Bewertung der vormals zuständigen Ethik-Kommission positiv entscheiden darf. Diese Frage ist bereits erörtert und unterschiedlich beantwortet worden.1648 Im vorliegenden Kontext wäre zu überlegen, ob ein unterlassenes Ethik-Hoping einen Mitverschuldenseinwand gegen den Sponsor begründet. Betroffen wäre hierdurch die Schadensabwendungsund -milderungspflicht, § 254 Abs. 2 S. 1 BGB. Entscheidet sich der Sponsor für eine Inanspruchnahme des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes gegen das ablehnende Votum, so könnte man ihm entgegenhalten, dass er nicht eine „Neuzuständigkeit“ einer anderen, möglicherweise „entscheidungsfreundlicheren“ Ethik-Kommission durch Wechsel des Leiters der klinischen Prüfung herbeigeführt hat. Eine positive Entscheidung wäre in diesem Fall grundsätzlich schon nach 60 Tagen (§ 42 Abs. 1 S. 9 AMG), im Falle einer monozentrischen klinischen Prüfung sogar schon nach 30 Tagen (§ 8 Abs. 2 GCP-V) zu erwarten.
1647
Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 563, 573; Oetker, in: MüKo/BGB, § 254 Rn. 77; Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 36. 1648 Ablehnend v. Dewitz, A&R 2008, 156 ff., 213 ff.; anders dagegen Taupitz/Rösch, in: FS Deutsch II, S. 647 ff., die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens durch die neue Ethik-Kommission für möglich halten und in der zustimmenden Bewertung die konkludente Rücknahme bzw. Widerruf der alten ablehnenden Bewertung sehen.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Unabhängig davon, ob man ein Ethik-Hoping für zulässig erachtet, so kann ein solches Unterlassen weder über den Mitverschuldenseinwand noch anderweitig geltend gemacht werden: In einer solchen Geltendmachung muss konsequenterweise die Erklärung enthalten sein, dass eine andere Kommission abweichend entscheiden würde. Hiermit negiert die Ethik-Kommission aber konkludent die Rechtmäßigkeit ihrer gefällten Entscheidung, weil jede Ethik-Kommission an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG) und nur dann eine andere Entscheidung erwartet werden kann, wenn die ablehnende Bewertung rechtswidrig ist. Der Verweis darauf, eine andere oder jede andere Ethik-Kommission hätte anders, „rechtmäßiger“ oder „besser“ entschieden, steht folglich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entgegen. Wird der Einwand gleichwohl erhoben, so ist er nach dem allgemeinen Grundsatz des venire contra factum proprium (§ 242 BGB) als unzulässig anzusehen. cc. Verschulden Dritter, §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278, 831 BGB Für das Mitverschulden Dritter hat der Geschädigte gem. § 254 Abs. 2 S. 2 BGB in entsprechender Anwendung des § 278 BGB einzustehen. Als Erfüllungsgehilfen kommen insbesondere die Prüfer in Betracht, aber auch je nach Fallgestaltung das hinzugezogene Auftragsforschungsinstitut. Auch sie können gegenüber der EthikKommission Missverständnisse hervorrufen oder es unterlassen, Missverständnisse auszuräumen. Die Frage danach, ob ein etwaiges Mitverschulden bei der Schadensentstehung mindernd zu berücksichtigen ist, hängt maßgeblich davon ab, ob § 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsfolgenverweisung oder als Rechtsgrundverweisung zu verstehen ist. Die h. M. versteht § 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsgrundverweisung, mit der Konsequenz, dass bereits vor Schadensentstehung zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger eine rechtliche Sonderverbindung bestanden haben muss.1649 Eine schuldrechtliche oder schuldrechtsähnliche Sonderbeziehung ließe sich vorliegend nur in dem zwischen Ethik-Kommission und Sponsor bestehenden Verwaltungsrechtverhältnis erblicken. Der BGH sieht jedoch in der bloßen Antragstellung im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens keine besondere Beziehung, die eine über das normale Verhältnis zwischen Behörde und Bürger hinausgehende Qualität zukommt1650 , was auch der hier vertretenen Auffassung entspricht.1651 Nach h. M. kommt mithin eine Zurechnung des Mitverschuldens über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB wegen fehlender Sonderverbindung bei der Schadensentstehung nicht in Betracht. Möglich bleibt jedoch § 831 BGB mit dem vorgesehenen Entlastungsbeweis. Begründet ein Fehlverhalten Dritter vertragliche oder deliktische Ansprüche des Sponsors, so können diese bereits über § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berücksichtig werden. 1649
Vgl. etwa BGHZ 73, 190, 192; 103, 338, 342; NVwZ-RR 1991, 171, 173; Oetker, in: MüKo/ BGB, § 254 Rn. 128; Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 49; HK-BGB/Schulze, § 254 Rn. 9; eingehend und m.w. Nachw. Hager, NJW 1989, 1640 ff.; aus der amtshaftungsrechtlichen Literatur: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 91 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 229; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 250; a.A. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 577. 1650 Vgl. BGH NVwZ-RR 1991, 171, 173. 1651 Oben, § 5 B.I.2.c.
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Der Sponsor muss sich aber nach Eintritt des schädigenden Ereignisses, also nach Nichterlass oder Verzögerung der zustimmenden Bewertung, das Mitverschulden Dritter in entsprechender Anwendung des § 278 BGB zurechnen lassen, denn hier besteht die von der h. M. geforderte rechtliche Sonderverbindung in Gestalt des Amtshaftungsanspruchs.1652 Unterlässt ein klinischer Prüfer die zumutbare Schadensabwendung und -minderung, lagert er also etwa die ihm bereits übergebene Prüfmedikation nicht ordnungsgemäß und haltbarkeitsfördernd, so hat der Sponsor sich dieses Verhalten über §§ 254Abs. 1 S. 2, 278 BGB zuzurechnen, soweit das schadensträchtige Verhalten nicht bereits selbst Schadensersatzansprüche des Sponsors gegen ihn begründet, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. c. Schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln, § 839 Abs. 3 BGB Während die Subsidiarität der Amtshaftung im Verhältnis zum Versuchsteilnehmer im Mittelpunkt der Haftungsentlastung steht, so nimmt eine ähnliche Funktion die schuldhafte Rechtsmittelversäumung nach § 839 Abs. 3 BGB ein. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. aa. Sinn und Zweck des § 839 Abs. 3 BGB An die Stelle der seit der Geltung des Art. 34 GG überholten Schutzfunktion, nämlich der Entlastung von leistungsschwachen Beamten1653 , sind zwei Funktionen getreten, die über den Schutz des leistungsschwachen Beamten hinausgehen. Zum einen handelt sich bei § 839 Abs. 3 BGB um eine Form des Mitverschuldens nach § 254 BGB und damit um eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben.1654 Der Umfang des Schadens soll nicht der Lohn einer Untätigkeit sein.1655 Der wesentliche Unterschied zu § 254 BGB besteht jedoch darin, dass jede Form der schuldhaften Schadensmitverursachung zum völligenAnspruchsverlust führt und keine Abwägung von Verursachungsbeiträgen stattfindet, wie sie in § 254 Abs. 1 a. E. vorgesehen ist. Dies führt zu der Alternative „Alles oder Nichts“.1656 Weiterhin dient 1652
Vgl. hierzu Palandt/Sprau, § 839 Rn. 55; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 229 a.E.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 92; 1653 Vgl. RGZ 96, 143, 148; Bettermann, JZ 1961, 482, 483; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 329 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 217; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 48. 1654 Allg. zum Mitverschulden als Unterfall von § 242 BGB vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 563. 1655 Vgl. BGHZ 56, 57, 63: „Diese Bestimmung geht - als besondere Ausprägung des § 254 BGB davon aus, daß (nach Treu und Glauben) nur demjenigen Schadensersatz zuerkannt werden kann, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maße für seine eigenen Belange einsetzt und damit den Schaden abzuwenden sich bemüht. Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich, gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Beamten oder dem Staat in Rechnung zu stellen“; ferner Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 92; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 329 f.. 1656 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 92 ff.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 329 f.; Schoch, Jura 1988, 648, 649; Detterbeck/WIndthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 55 f.
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§ 839 Abs. 3 BGB der Sicherung des Vorrangs des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes. Dem Geschädigten wird damit die Wahlmöglichkeit genommen, entweder gegen den rechtswidrigen Hoheitseingriff mit den ordentlichen Rechtsschutzmitteln vorzugehen oder diesen zu dulden und stattdessen Ersatz zu verlangen. Abwehrbare Schäden dürfen danach nicht klaglos hingenommen werden.1657 bb. Nichteinlegung von Rechtsmitteln durch den Sponsor Der Begriff des Rechtsmittels nach § 839 Abs. 3 BGB wird von der Rspr. weit ausgelegt. Erfasst werden alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, soweit sie sich gegen die eine Amtspflichtverletzung darstellende Handlung oder Unterlassung richten und sowohl deren Beseitigung oder Berichtigung als auch die Abwendung des Schadens zum Ziel haben und herbeizuführen geeignet sind.1658 Zu differenzieren ist vorliegend zwischen Rechtbehelfe gegen ablehnende und solche gegen verzögerte Ethik-Kommissionsvoten. (1) Rechtsbehelfe gegen ablehnende Ethik-Kommissionsvoten Die Versagung der zustimmenden Bewertung stellt als actus contrarius einen Verwaltungsakt dar. Hiergegen sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft, § 42 Abs. 1 VwGO.1659 Bei einer ablehnenden Entscheidung der Ethik-Kommission wird der Sponsor den Erlass der zustimmenden Bewertung begehren, sodass Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage zu erheben ist.1660 Hierbei handelt es sich auch um ein Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB, da unstreitig alle verwaltungsgerichtlichen Klagearten als Rechtsbehelfe nach § 839 Abs. 3 BGB anzusehen sind1661 und die Versagungsgegenklage vorliegend geeignet ist, den Schaden des Sponsors durch das Ausbleiben der klinischen Prüfung zu verhindern. Fraglich ist, ob vor Erhebung der Verpflichtungsklage ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, wie dies § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich vorsieht. Auch hierbei handelt es sich um ein Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB.1662 Soweit landesgesetzliche Regelungen keinen Ausschluss vorsehen (§ 68 Abs. 1 S. 2 1657
Vgl. BGHZ 98, 85, 91 f.; 113, 17, 21 f.; 138, 247, 251; NJW 1991, 1168, 1169; 2001, 1067, 1068; NVwZ 2002, 122, 123; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 217; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 92 f.; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 32; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 330; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 49; Schoch, Jura 1988, 648, 650. 1658 Vgl. BGHZ 28, 104, 106; VersR 1980, 649, 650; NJW-RR 2004, 706, 707; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 69; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 331. 1659 Vgl. nur Deutsch, MedR 2006, 411, 415; ders., in: Deutsch/Lippert, § 42 Rn. 7; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1067; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 30; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 228; van der Sanden, Haftung, S. 219 f. 1660 Wie hier v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 228; v. Dewitz, A&R 2008, 213, 218; van der Sanden, Haftung, S. 220 f.; Heil/Lützeler, in: Dieners/Reese, § 4 Rn. 62. 1661 Vgl. nur BGHZ 113, 17, 20; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 94; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 331; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 339. 1662 Vgl. nur Palandt/Sprau, § 839 Rn. 69; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 94.
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1. HS VwGO)1663 , ist ein Widerspruchsverfahren statthaft und demzufolge vorher durchzuführen. Ist die federführende Ethik-Kommission eine solche der Universität oder der Landesärztekammer, dürfte § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 VwGO anzuwenden sein, wonach in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde den Widerspruchsbescheid erlässt.1664 Vorläufiger Rechtsschutz1665 in Gestalt der Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO, also „zur Regelung eines vorläufigen Zustands“, dürfte dagegen grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Da die einstweiligeAnordnung ein Mittel des bloß vorläufigen Rechtsschutzes ist, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache nach ganz h. M. grundsätzlich unzulässig. Dies ist dann der Fall, wenn die einstweilige Anordnung einer vorläufigen Verurteilung in der Hauptsache gleichkommt.1666 Bei behördlichen Genehmigungserteilungen ist dies der Fall, sodass auch für Ethik-Kommissionen grundsätzlich von einer Vorwegnahme der Hauptsache auszugehen ist.1667 Ausnahmsweise gilt das Vorwegnahmegebot aber dann nicht, wenn der Antragssteller eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirken kann oder wenn ihm ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage ist.1668 Bevorstehende Rechtsänderungen, die zur Unzulässigkeit der klinischen Prüfung führen würden, sind jedenfalls kein zwingender Grund, die Vorwegnahme der Hauptsache zu rechtfertigen.1669 Denkbar sind aber eng begrenzte Ausnahmefälle, in denen der Sponsor Umstände darlegt, die zum vollständigen Wegfall des Interesses an der Durchführung der klinischen Prüfung führen, wenn nicht unverzüglich mit ihr begonnen wird, z. B. wenn es gerade darauf ankommt, vorbehandelte und bereits eingeschlossene Prüfungsteilnehmer weiter oder anders zu behandeln oder gar aus Gesundheitsgründen eine unverzögerte Fortsetzung der Studie zwingend geboten ist. 1663 Allg. dazu Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 68 Rn. 10 ff.; für EthikKommissionen v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 231 ff.; van der Sanden, Haftung, S. 219 f. 1664 In diesem Sinne v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 233; van der Sanden, Haftung, S. 220 m. Fn. 1104. 1665 Auch Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sind Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB, vgl. Papier, MüKo/BGB, § 839 Rn. 331; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 69. 1666 Vgl. nur BVerwGE 109, 258 = NJW 2000, 160, 161 f.; VGH Kassel, NVwZ-RR 2003, 814; Brühl, JuS 1995, 916, 919; Schrader, JuS 2005, 37, 38; Schenke, VerwProzR, Rn. 1034; ausf. Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 Rn. 141 m.w. Nachw. 1667 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 229; ebenso van der Sanden, Haftung, S. 221 mit der zusätzlichen Begründung, dass eine summarische Prüfung, wie sie vom Gericht im einstweiligen Rechtsschutz vorgenommen wird, nicht Einklang mit dem Schutz des Versuchsteilnehmers steht. Dem ist jedoch zu widersprechen, weil das sog. Fehlentscheidungsrisiko dem vorläufigen Rechtsschutz immanent ist; s. Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 Rn. 149 ff. 1668 Vgl. BVerfG DVBl. 2003, 257, 259; BVerwGE 109, 258 = NJW 2000, 160, 161 f.; Schenke, VerwProzR, Rn. 1034; Schoch, in: ders./Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 Rn. 142 f. m.w. Nachw. 1669 Vgl. VGH Kassel, NVwZ-RR 2003, 814 ff.: Bevorstehende Änderungen eines Bebauungsplans.
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Zu berücksichtigen hat man insbesondere mit Blick auf den vorläufigen Rechtsschutz, dass – ähnlich wie im Falle der Subsidiarität nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB – die Reichweite des Primärrechtsschutzes in einem antiproportionalen Verhältnis zur Amtshaftung steht: Je weiter der Primärrechtsschutz reicht, desto geringer kann im Einzelfall der Schadensersatzanspruch ausfallen. Greift der vorläufige Rechtsschutz durch, so verringert sich auch die Höhe des Verzögerungsschadens, den der Sponsor ansonsten bei einem längeren Verwaltungsprozess geltend machen könnte.
(2) Rechtbehelfe gegen verzögerte Ethik-Kommissionsvoten Hat eine Behörde über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so kann (Verpflichtungs-)Untätigkeitsklage erhoben werden, § 75 S. 1 2. Alt. VwGO. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB.1670 Was im Einzelfall als „angemessene Frist“ anzusehen ist, richtet sich zwar grundsätzlich nach der rechtlichen Komplexität und Reichweite der zu treffenden Entscheidung. Fachgesetzliche Sonderregelungen zur Dauer der angemessenen Frist sind indes möglich1671 und demzufolge auch in GCP-V zu erblicken, wonach die (federführende) EthikKommission idR innerhalb von höchstens 60 Tagen zu entscheiden hat, §§ 42 Abs. 1 S. 9 AMG, 8 Abs. 2 S. 1 GCP-V.1672 Zureichende Gründe sind ausschließlich solche, die mit der Rechtsordnung im Einklang stehen.1673 Sie können sich vorliegend insbesondere aus § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-V bei der Nachforderung zusätzlicher Informationen ergeben, die zur Fristhemmung führt.1674 Folglich ist die unberechtigte Nachforderung von Informationen kein zureichender Grund für die sachliche Nichtentscheidung innerhalb der gesetzlichen Bearbeitungsfrist. Die Untätigkeitsklage ist nach § 75 S. 2 VwGO nur zulässig, wenn eine Frist von drei Monaten seit dem Antrag verstrichen ist oder wenn bei Klageerhebung vor Ablauf der drei Monate besondere Umstände des Falles die Entscheidung der Behörde in kürzerer Frist gebieten. Es handelt sich um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung und nicht schon bei Klageerhebung vorliegen muss.1675 Da in aller Regel die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die drei Monate übersteigt, hat diese Sachurteilsvoraussetzung in der Praxis kaum Bedeutung; durch
1670 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 339; für Ethik-Kommissionen van der Sanden, Haftung, S. 222. 1671 Vgl. Brink, in: Posser/Wolff, § 75 Rn. 8; s.a. Weides/Bertrams NVwZ 1988, 673, 674. 1672 So auch Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 47; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 398. 1673 Vgl. BVerwG NJW 1991, 1180, 1181; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 75 Rn. 8. 1674 Ähnlich BVerwG NJW 1991, 1180, 1181: Nichtentscheidung über einen Arzneimittelzulassungsantrag innerhalb der vorgesehenen Frist des § 27 AMG. 1675 Vgl. BVerwGE 23, 135, 137; 66, 342, 344; Weides/Bertrams NVwZ 1988, 673, 674; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 75 Rn. 6 m.w. Nachw.
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Verstreichen der Frist während des Klageverfahrens kann „in die Zulässigkeit hineingewachsen“ werden1676 , soweit man nicht schon die Vorgaben der GCP-V und der Richtlinie 2001/20/EG auch für die Bestimmung der Frist für die Untätigkeitsklage heranzieht.1677 Da auch formlose Rechtsbehelfe nach st. Rspr. des BGH dem Rechtsmittelbegriff des § 839 Abs. 3 BGB unterfallen, kann auch eine unterlassene Erinnerung oder eine unterlassene (Dienstaufsichts-)Beschwerde den Amtshaftungsanspruch für verzögerte1678 Entscheidungen ausschließen.1679 cc. Kausalzusammenhang Zwischen der Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs und dem Eintritt des Schadens muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Ausreichend ist es, dass das Rechtsmittel zwar nicht zur Abwendung des gesamten Schadens, wohl aber zur Schadensminderung geeignet gewesen wäre. Hinsichtlich des abwendbaren Teils entfällt der Ersatzanspruch. Die Ersatzpflicht kann nach § 839 Abs. 3 BGB also nur verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsmittels den Eintritt des Schadens verhindert hätte.1680 Erforderlich ist demzufolge eine ähnliche Prüfung der Kausalität wie im Rahmen des § 839 Abs. 1 BGB. Es bedarf einer Feststellung über den hypothetischen Geschehensverlauf, wobei abzuschätzen ist, wie sich die Dinge bei Einlegung des Rechtsmittels entwickelt hätten. Beweispflichtig hierfür ist der Schädiger.1681 Klagt der Sponsor gegen die jeweils passiv legitimierte Körperschaft auf Schadensersatz aus Amtshaftung, ohne vorher ein Rechtmittel gegen das versagte oder verzögerte Ethik-Kommissionsvotum eingelegt zu haben, so hat diese zu beweisen, dass bei Inanspruchnahme statthafter Rechtsbehelfe der Schaden ganz oder teilweise hätte abgewandt werden können. Hierbei kommt es maßgeblich darauf an, welche Rechtsbehelfe im Einzelfall in Frage kamen und welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre. Dabei soll es nach der Rspr. des BGH insbesondere dann, wenn es nicht um die Anrufung eines Gerichts geht, sondern darum, ob eine Verwaltungsbehörde durch Gegenvorstellung oder Dienstaufsichtsbeschwerde zur Überprüfung ihres eigenen Handelns veranlasst werden sollte, nicht ohne 1676
Näheres hierzu bei Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 75 Rn. 6; Decker, in: Wolff/Decker, § 75 Rn. 6 u. 13, jew. m.w. Nachw. 1677 In diesem Sinne Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 47; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 398. 1678 Zur Beschwerde auch Deutsch, MedR 2006, 411, 415, der sie wegen der eingeschränkten Aufsicht über Ethik-Kommissionen für nicht zustimmende Entscheidungen für nicht gegeben hält; zur eingeschränkten Aufsicht über Ethik-Kommissionen bereits oben, § 2 C.I.3.c. 1679 Allg. dazu BGHZ 28, 104, 106; WM 1985, 336, 338; VersR 1985, 358, 359; NJW 1986, 1924; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 94; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 341; a.A. van der Sanden, Haftung, S. 218 f. 1680 Vgl. BGH NJW 2004, 1241, 1242; 1986, 1924 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 350; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 333; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 73. 1681 Vgl. BGH NJW 2004, 1241, 1242; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 95 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 351; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 222.
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weiteres wie bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung darauf ankommen, wie über den Rechtsbehelf richtigerweise hätte entschieden werden müssen.1682 Wird etwa geltend gemacht, dass der Sponsor gegen die verzögerte Ethik-Kommissionsentscheidung (Dienstaufsichts-)Beschwerde zur Abwendung des Verzögerungsschadens hätte einlegen können, so fehlt es am Kausalzusammenhang, wenn die Beschwerde die Ethik-Kommission tatsächlich nicht veranlasst hätte, früher über den Antrag zu entscheiden. Eine „größere Rolle“ soll die wirkliche Rechtslage spielen, wenn es um eine (hypothetische) gerichtliche Entscheidung geht, wobei auch die Rechtspraxis in Betracht gezogen werden soll, wenn eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung, wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, nicht ohne weiteres möglich ist.1683 Kommt das über den Amtshaftungsanspruch erkennende Gericht zu dem Schluss, dass die versagte Zustimmung der Ethik-Kommission amtspflichtwidrig gewesen ist, so wird jedoch regelmäßig ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden des Sponsors durch das Ausbleiben oder der Verzögerung der klinischen Prüfung und der Nichteinlegung einer Versagungsgegenklage, einer Untätigkeitsklage oder eines Widerspruchs bestehen.1684 Auf die unterlassene Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes muss sich der Sponsor nur dann verweisen lassen, wenn dieser nicht zur Vorwegnahme der Hauptsache geführt hätte oder ausnahmsweise Gründe vorliegen, die das Vorwegnahmeverbot durchbrechen.1685 dd. Verschulden Dem Geschädigten wird nicht aufgebürgt, zur Wahrung seiner Belange jeden ihn belastenden Hoheitsakt „auf Verdacht“ anzugreifen. Die Nichteinlegung eines Rechtsbehelfs muss auf Seiten des Verletzten vielmehr schuldhaft, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig, nicht erfolgt sein.1686 Ob der Verletzte es schuldhaft unterließ, ein Rechtsmittel einzulegen, beurteilt sich nach der Rspr. unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Es ist auf die Verhältnisse des Verkehrskreises abzustellen, dem der Verletzte angehört und mithin darauf, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen dieses Kreises verlangt werden muss.1687 Hiermit ist der objektiv typisierte Verschuldensmaßstab angesprochen, wie er auch für § 254 BGB anzuwenden ist, der ein Spiegelbild zum haftungsbegründenden Verschulden bildet.1688 Jeder kann von einem anderen nur dann Schadensersatz verlangen, wenn er für das eigene Gut die im Verkehr objektiv erwartete Sorgfalt aufgewendet
1682
Vgl. BGH NJW 2004, 1241, 1242; 2003, 1308, 1313; 1986, 1924; dazu auch Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 35 1683 Vgl. BGH NJW 2004, 1241, 1242; 2003, 1308, 1313; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 35; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3548. 1684 Wie hier im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 222. 1685 Hierzu auch BGHZ 130, 332, 338 f. 1686 Vgl. hierzu BGHZ 113, 17, 24; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 69. 1687 Vgl. BGHZ 113, 17, 24 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 334; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 224; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 345; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 71. 1688 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 565.
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hat.1689 Verlangt der BGH grundsätzlich, dass die Annahme einer Amtspflichtverletzung für den Betroffenen nahe gelegen haben muss und ihm nur dann ein Nichtstun vorgeworfen werden kann1690 , so hat man dieses Postulat unter besonderer Berücksichtigung des „Verschuldens gegen sich selbst“ zu sehen.1691 Der objektiv typisierte (Mit-) Verschuldensmaßstab bringt es mit sich, das äußere und das innere Verhalten des Sponsors mit demjenigen zu vergleichen, was im Verkehr im Hinblick auf die eigenen Güter erwartet wird.1692 Nach Auffassung des BGH kann der Bürger grundsätzlich auf Erklärungen des Beamten vertrauen und es kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nicht klüger ist als der Beamte.1693 Während der BGH hier zunehmend auf die subjektiv-individuelle Sorgfalt zu rekurrieren erscheint, so kann dies jedoch nicht im Verhältnis von Ethik-Kommission und Sponsor gelten, da es letzterer ist, der gegenüber der Kommission einen Kompetenzvorsprung hat. Es verhält sich in Fällen des Unterlagenprüfverfahrens, die auf die Nutzbarmachung der spezifischen Sachkompetenz des Antragsstellers ausgerichtet sind, grundsätzlich anders als im herkömmlichen Staat-Bürger-Verhältnis. Es kommt also von vornherein zu divergierenden Sorgfaltsmaßstäben. Dies wirkt sich auf die äußere Sorgfalt insoweit aus, als man den Umgang mit dem eigenen Gut erst dann als sachgemäß ansehen kann, wenn die eigene höhere Sorgfalt angewandt und nicht auf den niedrigeren Sorgfaltsmaßstab des anderen vertraut wird. Die Dimension des § 839 Abs. 3 BGB wird dann sichtbar, wenn man auch den entgangenen Gewinn des Sponsors in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung mit einbezieht.1694 Dem Sponsor den entgangenen Gewinn aus der fehlgeschlagenen Vermarktung zuzusprechen, verlangt die unbedingte Verfolgung der Vermarktungsinteressen und damit auch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen ablehnende Ethik-Kommissionsvoten. Hiermit ist der im Mitverschulden enthaltene Aspekt des Grundsatzes von Treu und Glauben angesprochen, der im Bereich des § 839 Abs. 3 BGB eine besondere Ausprägung erfahren hat. Ergeht eine ablehnende Bewertung der Ethik-Kommission, so ist davon auszugehen, dass der Sponsor bei Nichteinlegung von Rechtsmitteln nicht das von ihm geforderte Verhaltensprogramm zum sachgemäßen Umgang mit den eigenen Gütern und Interessen erfüllt. Es obliegt dem Sponsor darzulegen, dass er wegen Kenntnismangel oder Unzumutbarkeit von der Einlegung eines Rechtsmittels ausnahmsweise abgesehen hatte.1695 Die unterlassene Einlegung von Widerspruch und Verpflichtungsklage dürfte daher stets einen Verschuldensvorwurf des Sponsors begründen.1696 1689
Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 208. Vgl. nur BGHZ 28, 104, 106; NJW 1977, 1287, 1288; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 334; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 224. 1691 Zur speziellen Ausprägung des § 839 Abs. 3 BGB als „Verschulden gegen sich selbst“, vgl. BGHZ 113, 17, 22; 130, 332, 339. 1692 Zur Geltung der Unterscheidung von äußeren und inneren Elementen auch beim Mitverschulden Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 571. 1693 Vgl. nur BGHZ 113, 17, 25;130, 332, 339. 1694 Dazu oben, § 6 A.I.4.a.aa(2). 1695 Allg. dazu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 391 f. 1696 Im Ergebnis wie hier van der Sanden, Haftung, S. 222. 1690
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Anders könnte aber für die unterlassene Untätigkeitsklage zu entscheiden sein. Die Untätigkeitsklage stellt nachAnsicht des BGH das „stärkste, aber auch das letzte“ Rechtsmittel gegen nicht stattgegebene, aber auch nicht förmlich abgelehnte Anträge dar. Erinnerungen und Beschwerden seien billige und erfahrungsgemäß schnell wirkende Rechtsbehelfe gegen Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen. Demzufolge sei es nicht schuldhaft, wenn der Antragssteller nicht sogleich förmliche Rechtsmittel ergreift. Er könne auch versuchen, die Behörde im Verhandlungswege dazu zu bewegen, dem Antrag doch stattzugeben, ohne sich einem Verschulden nach § 839 Abs. 3 BGB auszusetzen. Vielfach ist die Untätigkeitsklage, die grundsätzlich erst drei Monate nach Antragstellung erhoben werden kann, auch gar nicht geeignet, den durch die verzögerliche Behandlung drohenden Schaden abzuwenden, weil die Klage auch bei sachgemäßer Behandlung in der Regel zu einer mindestens gleich langen Verzögerung führen wird.1697 Vorliegend ergibt sich auch nichts anderes, wenn man die angemessene Frist nach der GCP-V bestimmt und auch eine Verkürzung der Klagefrist für möglich hält (§ 75 S. 1 u. 2 VwGO), weil das längere verwaltungsgerichtliche Verfahren bestehen bleibt. Der Sponsor handelt grundsätzlich nicht schuldhaft, wenn er keine Untätigkeitsklage erhebt und bei der verzögerten Bearbeitung stattdessen auf formloseAbhilfemöglichkeiten bis hin zuVerhandlungen mit der Ethik-Kommission zurückgreift. ee. Rechtsfolgen und Ergebnis Der Sponsor hat gegen ablehnende Ethik-Kommissionsvoten die förmlichen Rechtsbehelfe der Versagungsgegenklage, ggf. mit vorherigem Widerspruch und in eng umgrenztenAusnahmefällen auch denAntrag nach § 123VwGO. Die Nichteinlegung von Widerspruch und/oder Versagungsgegenklage ist grundsätzlich als schuldhaft anzusehen. Unterlässt der Sponsor die Einlegung von Rechtsbehelfen, so entfällt nach § 839 Abs. 3 BGB (nur) derjenige Schaden, der mit der Einlegung hätte abgewandt werden können. Gegen Verzögerungen bei der Bearbeitung kann der Sponsor Untätigkeitsklage erheben. Greift der Sponsor nicht unverzüglich auf die Untätigkeitsklage zurück, sondern auf formlose Abhilfemöglichkeiten, so begründet dies nicht zwingend einen Verschuldensvorwurf.
7. Präjudizielle Wirkung verwaltungsgerichtlicher Urteile, § 121 VwGO Verwaltungsakte, die verwaltungsgerichtlich nicht überprüft worden sind und die Gegenstand einer Amtshaftungsklage sind, unterliegen nach ganz. h. M. vollständiger (zivil-)gerichtlicher Überprüfbarkeit.1698 Ist davon auszugehen, dass zumindest bei einer ablehnenden Bewertung der Ethik-Kommission der Sponsor sowohl mit Blick 1697 Vgl. BGHZ 15, 305, 312; VersR 1990, 656, 658; NVwZ 1992, 298, 292 f.; BayObLG, NVwZRR 1992, 534, 535; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 346 a.E.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 10 Rn. 70. 1698 S. bereits oben, § 5 B.II.10.c.aa.
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auf § 839 Abs. 3 BGB als auch zur Durchsetzung seiner eigenen Interessen Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben wird, so bleibt zu klären, welche Auswirkungen die rechtskräftige Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf den Prüfungsumfang des Zivilgerichts hat. Die in § 121 VwGO angesprochene Bindungswirkung der Beteiligten an eine rechtskräftige Entscheidung gilt nicht nur für die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern auch für Gerichte anderer Gerichtszweige in einem weiteren Verfahren zwischen den Beteiligten.1699 Nach gefestigter Rspr. des BGH und nahezu unbestrittener Auffassung binden verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in Streit stehenden Verwaltungsakts die Zivilgerichte. Bei einer Entscheidung über einen Amtshaftungsanspruch haben diese die bereits entschiedene Frage über die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts in der Reichweite ihrer Rechtskraft ohne eigene Sachprüfung als präjudiziell hinzunehmen. Die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung verhindert, dass der Verwaltungsakt erneut, auch inzident, von denselben Beteiligten zur Überprüfung gestellt werden kann.1700 Die amtshaftungsrelevante Vorfrage nach der Rechtsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der versagten zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission wird von der Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung umfasst, gleichgültig, ob ein klageabweisendes oder ein stattgebendes (Bescheidungs-)Urteil ergeht.1701 Bei einem klageabweisenden Urteil im verwaltungsgerichtlichen Vorprozess, welches die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der versagten zustimmenden Bewertung bestätigt, steht demzufolge auch für das über den Amtshaftungsanspruch entscheidende Zivilgericht bindend fest, dass die Versagung rechtmäßig gewesen ist. Dies verlagert die Haftung für Ethik-Kommissionen auf den Verzögerungsschaden i. w. S., also auf denjenigen, der bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Erteilung der zustimmenden Bewertung ausgeblieben wäre.
1699
Vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 Rn. 29; Kissel/Mayer, § 13 GVG Rn. 26; Lückemann, in: Zöller, § 13 GVG Rn. 33, jew. m.w. Nachw. 1700 Vgl. BGHZ 9, 329, 331; 15, 17, 19; 77, 338, 341; 90,4, 12; 93, 87, 91; 95, 28, 35; 103, 242, 245; 113, 17, 20; 134, 268, 273 f.; 118, 263, 268; 146, 153, 156; 161, 305, 309; NJW 2003, 3693, 3696; LKV 2008, 189; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 122 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 423; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 266; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 383; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 Rn. 29; Schrader, JuS 2005, 37, 38; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 23 f.; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 87; Schlick, NJW 2008, 127, 134; Kissel/Mayer, § 13 GVG Rn. 26; Randak, JuS 1992, 33, 34; Kollmann, DöV 1990, 189, 190. 1701 Vgl. zum Umfang der Bindungswirkung Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 11 Rn. 23 f.; eingehend Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 121 Rn. 50 ff. m.w. Nachw.; exemplarisch BGH LKV 2008, 189: „Auf Grund der Rechtskraft des der Kl. günstigen verwaltungsgerichtlichen Urteils steht auch für den vorliegenden Amtshaftungsanspruch fest, dass die ursprüngliche Ablehnung des Baugenehmigungsantrags der Kl. rechtswidrig gewesen ist“; für Ethik-Kommissionen auch van der Sanden, Haftung, S. 224 f.
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8. Passivlegitimation Für die Passivlegitimation gelten die Grundsätze, die bereits für den Versuchsteilnehmer herausgearbeitet wurden.1702 II. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff Der Sponsor könnte neben dem Anspruch aus Amtshaftung möglicherweise auch einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff haben. 1. Anspruchsgrundlage Der Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff soll rechtswidrige Beeinträchtigungen des durch Art. 14 GG geschützten Eigentums kompensieren, die unmittelbar durch hoheitliches Handeln verursacht werden und dem Eigentümer ein Sonderopfer auferlegen.1703 Seit dem Nassauskiesungs-Beschluss des BVerfG1704 stützt der BGH den enteignungsgleichen Eingriff nicht mehr auf einen Erst-RechtSchluss aus Art. 14 Abs. 3 GG, sondern auf den Aufopferungsgedanken in seiner richterlichen Ausformung (§§ 74, 75 EinlPrALR).1705 Der enteignungsgleiche Eingriff besitzt beim rechtswidrigenVollzug verfassungsgemäßer förmlicher Gesetze ein bedeutsames Anwendungsfeld, etwa wenn die Verwaltung – wie in der vorliegenden Konstellation – eine Genehmigung verzögert oder rechtswidrig nicht erteilt.1706 2. Anwendbarkeit neben und Vorteile gegenüber der Amtshaftung Der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff kann neben der Amtshaftung geltend gemacht werden. Er ist auch dann zu berücksichtigen, wenn die Klage nicht ausdrücklich auf den enteignungsgleichen Eingriff gestützt wird.1707 Die Haftung aus 1702
Oben, § 5 B.II.11. Vgl. BGHZ 117, 240, 252; 170, 260 = NJW 2007, 830, 833 m.w. Nachw. 1704 Vgl. BVerfGE 58, 300 ff., bes. S. 324; hierzu ausf. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 220 ff. 1705 Vgl. BGHZ 6, 270, 290; 90, 17, 31; 91, 20, 27 f.; 102, 350, 357; 111, 349, 352; 117, 240, 252; 122, 76, 77; Durner, JuS 2005, 900, 901; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 62 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 681 ff.; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 173 ff.; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 149 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 486; eingehend Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 214 ff. 1706 Vgl. nur BGH NVwZ-RR 2003, 403 ff.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 14 m.w. Nachw. 1707 Vgl. BGHZ 13, 88, 93 ff.; 136, 182, 184 f.; 146, 365, 371; 170, 260 = NJW 2007, 830, 833; NVwZ 2002, 124, 125; 2001, 1074, 1075; NVwZ-RR 2003, 403 ff; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 267; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 169; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 485; Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 17 Rn. 51; Brüning, JuS 2003, 2, 8. 1703
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enteignungsgleichem Eingriff ergänzt die als unzulänglich empfundene Amtshaftung für rechtswidrig-schuldlose Eingriffe.1708 Abgesehen von der Verschuldensunabhängigkeit ist er für den Sponsor der klinischen Prüfung deswegen vorteilhaft, weil er nicht an die persönliche Haftung des Beamten anknüpft. Die kommissionsinternen Kausalitätsfragen sowie die Frage nach der unterschiedlich ausfallenden Passivlegitimation bei den universitären Ethik-Kommissionen bleiben dem Sponsor hier erspart. Für Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff sind nach ganz h. M. gem. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO, § 13 GVG die Zivilgerichte zuständig.1709 3. Eingriff in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition Aufgrund der ursprünglichen Ableitung aus Art. 14 GG kommt eine Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff nur dann in Betracht, wenn eine Verletzung einer unter Art. 14 Abs. 1 GG fallende eigentumsrechtliche Rechtsposition vorliegt. Für den enteignungsgleichen Eingriff gilt demzufolge der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff.1710 Von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird nicht das Vermögen als solches, sondern alle eigentumsfähigen Positionen in ihrem konkreten Bestand, die dem Betroffenen bereits zustehen.1711 Bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten werden durch Art. 14 nicht geschützt.1712 Dies hat zu der Formel geführt, dass Art. 14 GG das Erworbene und damit das Ergebnis einer Betätigung, Art. 12 GG dagegen die Betätigung selbst schützt.1713 Fraglich ist vor diesem Hintergrund, welche durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Positionen des Sponsors durch eine ablehnende oder verzögerte Bewertung der Ethik-Kommission betroffen sein können. a. Nutzungsbefugnis über hergestellte (Prüf-)Arzneimittel Der Sponsor der klinischen Prüfung hat bei Nichtvorliegen von Versagungsgründen einen Anspruch auf rechtzeitige zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission, § 1708
Dazu Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 682; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 214 f. Vgl. BGHZ 90, 17, 31; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 40 Rn. 457; Kopp/Schenke, § 40 Rn. 61; Schenke, VerwProzR, Rn. 145; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 116; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 83; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 448; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 500. 1710 Vgl. BGHZ 72, 211, 218; 78, 41, 44; 84, 230, 232 f.; Durner, JuS 2005, 900, 901; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 693; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 157; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 26; 1711 Vgl. BVerfGE 72, 175, 193; 74, 129, 148; 91, 207, 220; 96, 375, 397; 108, 370, 384 NJW 2002, 2621, 2625; Jochum/Durner, JuS 2005, 220, 221. 1712 Vgl. BVerfGE 28, 119, 142; 68, 193, 222; 78, 205, 211 f.; 105, 252, 277; 94, 241, 258; 95, 173, 188; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 55; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 912. 1713 Vgl. BVerfGE 88, 366, 377: „Für die Abgrenzung zu Art. 12 Abs. 1 GG ist maßgeblich, daß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG das Erworbene, das Ergebnis einer Betätigung schützt, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst“; ferner BVerfGE 30, 292, 335; 84, 133, 157; 88, 366, 377; NJW 2008, 2409, 2410; Wittig, in: FS Müller, S. 575, 590. 1709
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42 Abs. 1 S. 7 AMG. Je nach Studientyp kann eine ablehnende oder verzögerte Entscheidung dazu führen, dass mit einer Zulassungsstudie, einer Zulassungsstudie für eine Indikationserweiterung oder mit einer sonstigen Studie (Unbedenklichkeitsstudie nach Zulassung, Therapieoptimierungsstudie) nicht oder nicht rechtzeitig begonnen werden kann, § 40 Abs. 1 S. 2 AMG. Betroffen ist der Sponsor dadurch jeweils in der Nutzungsbefugnis über bereits hergestellte (Prüf-)Arzneimittel. Fraglich ist, ob die dadurch beeinträchtigte Nutzungsmöglichkeit, das (Prüf-)Arzneimittel im Rahmen der beantragten klinischen Prüfung zu testen, unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fällt. Das wäre der Fall, wenn das (Prüf-)Arzneimittel als Rechtsposition iSd Art. 14 Abs. 1 GG anzusehen ist, Nutzungsbeeinträchtigungen am Grundrechtsschutz teilhaben und Art. 12 GG im vorliegenden Kontext nicht vorgeht.
aa. (Prüf-)Arzneimittel als Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG Zu den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositionen zählen alle einfachgesetzlich geschaffene Rechtspositionen, und zwar nicht nur das Sacheigentum, sondern auch alle privatrechtlich vermögenswerte Rechte.1714 Es dürfte keinen Zweifeln unterliegen, dass bereits hergestellte (Prüf-)Arzneimittel gleichgültig vom Zulassungsstatus im Eigentum des Herstellers stehen und bereits unter dem Gesichtspunkt des Sacheigentums Grundrechtsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG genießen.1715 Das (Prüf-)Arzneimittel als bloße Gewinnerwartung, Chance oder Erwerbsmöglichkeit aufzufassen, steht daher nicht nur der bestehende Schutz über das Sacheigentum entgegen, sondern auch, dass das (Prüf-)Arzneimittel bereits das Ergebnis einer Betätigung ist, nämlich der Arzneimittelentwicklung, und dass das abgelehnte oder verzögerte Ethik-Kommissionsvotum die Innehabung und Verwendung bereits vorhandener Vermögensgüter begrenzt.1716 Aus der Bestands- bzw. Objektbezogenheit des Art. 14 GG können über das Sacheigentum aber nur bereits hergestellte (Prüf-)Arzneimittel erfasst werden.
bb. Versagte und verzögerte Nutzungsmöglichkeit – Umfang des Eigentumsschutzes für Nutzungsmöglichkeiten und Verhältnis zu Art. 12 GG Der Eigentumsschutz des Art. 14 GG erstreckt sich nicht nur auf das „Haben“, sondern auch auf das „Ausnutzendürfen“ der Eigentumsposition entsprechend dem gesetzlich ausgestalteten Umfang. Geschützt ist nicht nur der Bestand, sondern
1714 Vgl. BVerfGE 70, 191, 199; 68, 193, 222; 83, 201, 208 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 55; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 39; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 7; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 21; Jochum/Durner, JuS 2005, 220, 221; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 901 ff. 1715 Vgl. insoweit auch BVerfG NJW 1995, 771 für ein (noch) nicht zugelassenes Arzneimittel; ferner Schenke, NJW 1996, 745, 754. 1716 Hierzu allg. BGHZ 111, 349, 357 f.; ferner Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 444.
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auch die Nutzung der zustehenden Position durch Gebrauch.1717 Mit dem Eigentumsschutz von Nutzungsmöglichkeiten ist freilich eine „dogmatisch noch weithin ungesicherte Materie“1718 angesprochen. Vorliegend stellt sich die Frage, ob der Grundrechtsschutz des Art. 14 GG die beeinträchtigte Nutzung der bereits hergestellten (Prüf-)Arzneimittel im Rahmen der beantragten klinischen Prüfung erfasst, was zunächst die Beantwortung der Frage bedarf, in welchem Umfang die Möglichkeit des Eigentümers, seinen Eigentumsgegenstand nutzen zu können, unter den Eigentumsschutz fällt.1719 Fraglich ist dies vor allem bei noch nicht realisierter Nutzung. Die teils untereinander divergierenden Auffassungen reichen von der generellen Nutzungsbefugnisse und potentiellen Nutzungsmöglichkeiten1720 über Nutzungen, die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten oder aufdrängen, die sich also zwingend oder folgerichtig aus den bisherigen Nutzungen ergeben1721 bis hin zur bereits „ins Werk“ gesetzten Eigentumsnutzung1722 .1723 Vorzugswürdig erscheint es, den Umfang der geschützten Nutzungsmöglichkeit ausschließlich gesetzesakzessorisch, d. h. anhand der einfachgesetzlichen Befugnis- und Nutzungsbündel zu bestimmen, da Art. 14 GG einen normgeprägten Schutzbereich aufweist. Einen verfassungsunmittelbaren Nutzungsschutz kann es folglich nicht geben, sodass sich nicht nur die „Innehabung“, sondern auch das „Ausnutzendürfen“ der Eigentumsposition nach den einfachgesetzlichen Regelungen bestimmt.1724 Dies dürfte im Übrigen auch der Rspr. des BVerfG entsprechen. Die Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie bemisst sich danach stets nach den Befugnissen, die dem Eigentümer nach den einschlägigen eigentumskonstituierenden Vorschriften des privaten und öffentlichen Rechts zustehen, m. a. W. „aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze bürgerlichen und öffentlichen Rechts“.1725 Für die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Bebauung eines Grundstücks entspricht es st. Rspr., dass diese so weit reicht, wie Gesetze keine Einschränkungen vorsehen. Geschützt wird also das Recht, ein 1717 Vgl. BVerfGE 53, 257, 290; 88, 366, 377; 101, 54, 75; 115, 97, 111; BGH NVwZ 2008, 348; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 45; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 19; Pieroth/Schlink, Grundrecht, Rn. 914. 1718 Vgl. Leisner, BB 1992, 73, 79 a.E.. 1719 Zum Eigentumsschutz von Nutzungsmöglichkeiten etwa Ossenbühl, in: FS Leisner, S. 689 ff.; eingehend Appel, NuR 2005, 427 ff., bes. S. 429 m.w. Nachw.; ders., Entstehungsschwäche, S. 139 ff. 1720 Vgl. Ossenbühl, in: FS Leisner, S. 689, 691; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 34; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 57 f., 69 f., Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 914; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 19; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 45. 1721 Vgl. BVerwGE 67, 84, 92, 94, 1, 14; BGHZ 60, 126, 131; 133, 271, 276. 1722 Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 21; a.A. etwa Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 45 m.w. Nachw. 1723 Zum Streitstand vgl. Appel, NuR 2005, 427, 429; s.a. Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 45 1724 Pointiert Appel, Entstehungsschwäche, S. 139 ff.; ders., NuR 2005, 427, 429 ff.; ähnlich Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 57 f.; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 45; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 21. 1725 Vgl. etwa BVerfGE 70, 191, 201; 74, 129, 148; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 21; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 44; ausführlicher Rechtsprechungsüberblick für Nutzungsmöglichkeiten bei Appel, NuR 2005, 427, 430 ff.
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„Grundstück im Rahmen der Gesetze zu bebauen“.1726 Bezogen auf die hiesige Konstellation bedeutet eine gesetzesakzessorische Bestimmung des Nutzungsumfangs, dass der Eigentumsschutz an den (Prüf-)Arzneimitteln von vornherein nur auf die Nutzung im Rahmen der Gesetze bezogen sein kann. Da dem Sponsor über § 42 Abs. 1 S. 7 AMG ein einfachgesetzlich subjektives Recht iSe Befugnis auf Nutzung von (Prüf-)Arzneimitteln im Rahmen solcher klinischer Prüfungen zugewiesen ist, die den Anforderungen der §§ 40 ff. AMG entsprechen, fällt jene Nutzungsmöglichkeit auch unter den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Nichts anderes gilt aber auch für die übrigen aufgeführten Auffassungen: Die Nutzung eines Arzneimittels im Rahmen einer klinischen Prüfung für dessen Zulassung, Indikationserweiterung, Verbesserung und/oder Bestätigung der Unbedenklichkeit ist eine folgerichtige und – kraft vorangegangener Arzneimittelentwicklung und Planung der klinischen Prüfung – auch bereits „ins Werk“ gesetzte Eigentumsnutzung. Vertritt man eine generelle Nutzungsbefugnis, so folgt der Eigentumsschutz im Ergebnis aus dem Sacheigentum am Arzneimittel und im Ergebnis aus der Natur der Sache selbst. Folglich ist davon auszugehen, dass trotz noch nicht realisierter Nutzung die Nutzungsmöglichkeit der bereits hergestellten (Prüf-)Arzneimittel im Rahmen der geplanten klinischen Prüfung unter den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG fällt.1727 Wegen der Anbindung des enteignungsgleichen Eingriffs an den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff ist für eine Entschädigung nur dann Raum, wenn ein Eingriff in Art. 14 GG vorliegt. Es erhebt sich aber vorliegend die Frage, ob die Nutzungsmöglichkeit von Prüfarzneimitteln im Rahmen klinischer Prüfungen nicht „eher“ dem Grundrecht des Art. 12 GG zuzuordnen ist. Die Parallele zwischen „Eigentumsnutzung“ und „Berufsausübung“ ist offensichtlich. Dies leitet über zu der Frage, in welchem Verhältnis Art. 12 GG und Art. 14 GG zueinander stehen.1728 Beide Grundrechte weisen einen besonders engen und funktionalen Zusammenhang auf, insbesondere im Rahmen unternehmerischer Betätigungen, wenn es um die Nutzung und Ausübung eigentumsrechtlich vermittelter Betätigungsfreiheiten geht.1729 Aus der objektbezogenen Gewährleistungsfunktion des Art. 14 Abs. 1 GG vollzieht sich die Abgrenzung zu Art. 12 GG in st. Rspr. nach der Bestimmung, ob der Akt der 1726
Vgl. BVerfGE 35, 263, 276 f.; 104, 1, 11; BVerwGE 106, 228, 234; dazu etwa Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 24; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 40; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 116. Zu den korrespondierenden Ansprüchen aus enteignungleichem Engriff bei versagter oder verzögerter (Bau-)Genehmigung vgl. BGHZ 65, 182, 188; 136, 182, 184; NJW 2007, 830, 833; NVwZ 2002, 124, 125; 2001, 1074, 1075; 1992, 1119, 1121. 1727 Auch das BVerfG hat in ähnlicher Weise Art. 14 GG für betroffen angesehen, als es um die damals erlaubte entgeltliche und im Zuge der 5. AMG-Novelle nur noch unentgeltlich mögliche Abgabe eines noch nicht zugelassenen Arzneimittels für eine klinische Prüfung ging, § 47 Abs. 1 Nr. 2 f) a.F.; vgl. BVerfG NJW 1995, 771 f. 1728 Eine Abgrenzung bedürfte es vorliegend dann nicht, wenn man mit einer in der Literatur vertretenen Auffassung den enteignungsgleichen Eingriff vom Eigentumsschutz „abkoppelt“ und auch das Berufsgrundrecht mit einbezieht, in diesem Sinne Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 244 ff.; Schoch, Jura 1989, 529, 534; Maurer, JZ 1991, 38, 39. Die Rspr. lehnt eine solche Möglichkeit jedoch strikt ab, vgl. nur BGHZ 132, 349, 355 f.; NJW 1994, 1468. Zur Diskussion auch Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 693 m.w. Nachw. 1729 Ausf. hierzu Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 130 ff. m.w. Nachw.
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öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit eingreift (Art. 12 GG) oder ob er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter begrenzt (Art. 14 GG). Bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten werden durch Art. 14 nicht geschützt. Art. 14 Abs. 1 GG schützt – zurückgehend auf Wittig1730 – das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung, Art. 12 Abs. 1 GG dagegen den Erwerb, die Betätigung selbst.1731 Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass ein Grundrecht gegenüber dem anderen logisch speziell ist. Aus den unterschiedlichen Garantiefunktionen von Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie lässt sich keine strikte, alternative Exklusivität ersehen.1732 Das BVerfG hat teilweise nach wertender Betrachtung eine normative Spezialität des Art. 12 GG angenommen, wenn die erwerbswirtschaftliche Betätigung dominierte.1733 Grundsätzlich ist jedoch von einer Idealkonkurrenz beider Grundrechte auszugehen1734 , die Scholz treffend dahingehend umschrieben hat, „dass beide Grundrechte dann nebeneinander zur Anwendung berufen sind, wenn die freie Nutzung eines Eigentumsrechts beruflichen Zwecken dient und in dieses Eigentumsrecht eingegriffen wird oder wenn in eine berufliche Tätigkeit eingegriffen wird, die funktionsnotwendig mit der Nutzung eines bestimmten Eigentumsrechts verbunden ist“.1735 Ein Fall der Idealkonkurrenz ist auch vorliegend anzunehmen. Eine negatives oder verzögertes Ethik-Kommissionsvotum tangiert sowohl die Durchführung der klinischen Prüfung und ist somit „tätigkeitsbezogen“; gleichermaßen ist das Votum aber auch „objektbezogen“ auf das Prüfarzneimittel, da es letztlich darum geht, durch die klinische Prüfung die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels festzustellen (§ 4 Abs. 23 S. 1 AMG), um es zur „Zulassungsreife“ zu führen, die wiederum Grundlage der späteren erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit ist. Zwischen Tätigkeitsund Objektbezug lässt sich vorliegend nicht unterscheiden und auch ist nach wertender Betrachtung weder Art. 14 GG noch Art. 12 GG Vorrang einzuräumen.1736
1730
Wittig, in: FS Müller, S. 575, 590. Vgl. BVerfGE 28, 119, 142; 30, 292, 344 f.; 31, 8, 32; 68, 193, 222; 78, 205, 211 f.; 84, 133, 157; 88, 366, 377; 105, 252, 277; 94, 241, 258; 95, 173, 188; NJW 2008, 2409, 2410; BGHZ 83,190, 194; 111, 349, 357 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 55; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 149; Pieroth/Schlink, Grundrecht, Rn. 912. 1732 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 222; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 146 f.; Nolte/Tams, JuS 2006, 130, 133 1733 S. etwa BVerfGE 30, 292, 334 f.; hierzu Nolte/Tams, JuS 2006, 130, 133; krit. Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 149 m.w. Nachw. in Fn. 481. Ferner BVerfG NJW 2008, 2409, 2410. 1734 Vgl. BVerfGE 8, 71, 79 ff.; 21, 150, 154 ff.; 105, 252, 278 f.; NJW 1993, 2599; 1995, 771; im Übrigen auch h.L., vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 222; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 146; Nolte/Tams, JuS 2006, 130, 133. 1735 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 147; ähnlich Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 222: „Sind die hoheitsrechtlichen Beschränkungen im Einzelfall sowohl tätigkeits- bzw. erwerbsbezogen als auch objektbezogen, so gelten die Grundrechtsgarantien der Art. 12 Abs. 1 und 14 nebeneinander“. 1736 Ähnlich: BVerfG NJW 1995, 771 für die entgeltlich Abgabe von Arzneimitteln zur klinischen Prüfung nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 f) AMG a.F. In der Einführung der Unentgeltlichkeit sah das BVerfG die Eigentums- und Berufsfreiheit gleichermaßen als betroffen an. 1731
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Kommen beide Grundrechte gleichermaßen zur Anwendung, so ist auch für den enteignungsgleichen Eingriff das Vorliegen einer eigentumsrelevanten Rechtsposition nach Art. 14 Abs. 1 GG zu bejahen. Dabei ist aufgrund der Objektbezogenheit zu berücksichtigen, dass nur bereits hergestellte und zur Verwendung im Rahmen der klinischen Prüfung bestimmte (Prüf-)Arzneimittel erfasst werden. b. Recht auf zustimmende Bewertung als Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG Weiterhin könnte das aus §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG einfachgesetzlich eingeräumte subjektiv-öffentliche Recht auf Durchführung und zustimmende Bewertung der klinischen Prüfung als Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG aufgefasst werden. Inwieweit subjektiv-öffentliche Rechte unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallen, ist bislang noch unklar.1737 Bedeutsam ist vor allem die Überlegung, dass bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt der behördlichen Genehmigung selbst keine konstitutive Wirkung zugeschrieben wird, sondern die Rechtsposition bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen kraft Gesetzes besteht. Die Gewährung der Rechtsposition hängt mithin – anders beim repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt – nicht davon ab, ob die Behörde ihrer Erteilungspflicht tatsächlich, d. h. gesetzesgetreu nachkommt.1738 Eigentumsschutz für öffentlich-rechtliche Rechtspositionen gewährt das BVerfG allerdings nur unter strengen Voraussetzungen. Erforderlich ist, dass der ein subjektiv-öffentliches Recht begründende Sachverhalt dem Einzelnen eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen eines Eigentümers entspricht und die so stark ist, dass ihre ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widersprechen würde. Hierfür wird grundsätzlich verlangt, dass die vermögenswerte öffentlich-rechtliche Rechtsposition für den Bürger ein Äquivalent eigener Leistung bildet und nicht überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht.1739 Der Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung wird vielfach als Bestandteil der verfassungskräftigen (Grund-)Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG angesehen1740 , aber auch weitere öffentlich-rechtliche Positionen werden vom BVerfG für Rechtspositionen iSd Art. 14 Abs. 1 GG gehalten, soweit sie mit derjenigen eines Eigentümers vergleichbar sind.1741 Teile der Literatur erkennen sowohl dem Rechtsanspruch als auch der bereits erteilten Genehmigung als solche die Eigentumsähnlichkeit wegen fehlender Verfügungsbefugnis über sie ab. 1737
Vgl. Starck, Freiheit, S. 207 ff.; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 61 ff.; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 11 ff.; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 170; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 155 ff. 1738 Vgl. hierzu Appel, NuR 2005, 427, 429. 1739 Vgl. BVerfGE 40, 65, 83; 72, 141, 153; 72, 175, 193; BGHZ 161, 305 = NJW 2005, 748, 750; s.a. Rinne/Schlick, NJW 2005, 3330 f. 1740 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 90; Appel, NuR 2005, 427, 429; wohl auch BVerfGE 58, 300, 348 f. 1741 Im Mittelpunkt stehen sozialversicherungsrechtliche Positionen, vgl. etwa BVerfGE 69, 272, 300 ff.; 100, 1, 33; dazu Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 28 ff.; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 11; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 61 ff.; ausf. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 174 ff.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 26, jew. m.w. Nachw. aus der Rspr.
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Zudem wird darauf hingewiesen, dass Erlaubnisse und Genehmigungen vom Staat gewährt und nicht vom Bürger erarbeitet werden.1742 Abgesehen vom Fall der Baugenehmigung weist auch die Rspr. in anderen Fällen staatlicher Genehmigungen und Erlaubnisse keine einheitliche Linie auf. Überwiegend geht es um die Einbeziehung bereits erteilter Genehmigungen.1743 Den Anspruch auf Erteilung einer Abbaubewilligung nach § 8 BBergG hat der BGH dagegen nicht als eigentumsrechtlich geschützt angesehen.1744 Vorliegend ist fraglich, ob die reine Rechtsposition des Sponsors aus §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG auf Erteilung der zustimmenden Bewertung als „eigentumsähnlich“ anzusehen ist. Stellt man auf das Kriterium der Leistungsäquivalenz ab, so ist zu konstatieren, dass der Sponsor sich die zustimmende Bewertung „nicht erarbeitet“ und sie insbesondere auch keine „Gegenleistung“ für die vorangegangene Arzneimittelentwicklung darstellt. Etwas anderes käme vorliegend nur dann in Betracht, soweit man das Recht auf zustimmende Bewertung – ähnlich wie bei der Baugenehmigung – als unmittelbaren Bestandteil der Eigentumsgarantie auffasst. Eine Auffassung unterscheidet dagegen zwischen der öffentlich-rechtlichen Rechtsstellung und dem eigentumsgeschützten Substrat und kommt so zu einer weitgehenden Relativierung des Schutzes öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen. Die Einschlägigkeit der Eigentumsgarantie folgt bereits aus dem privatrechtlichen Substrat selbst. Jedenfalls kann der Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte durch Zuordnung zur Eigentumsgarantie nicht erweitert werden.1745 So dürfte es sich auch hier verhalten: Eigentumsschutz vermittelt bereits das Prüfpräparat und die Eigentumsgarantie für den Rechtsanspruch auf zustimmende Bewertung kann nicht weiter reichen als das privatrechtliche Substrat, welches den Schutz letztendlich vermittelt. Im Ergebnis kann vorliegend dahinstehen, ob das subjektiv-öffentliche Recht aus §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG unter den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG fällt und damit taugliche Rechtsposition für einen enteignungsgleichen Eingriff sein kann. Es spricht jedoch vieles dafür, jene Rechtsposition des Sponsors wegen fehlender Leistungsäquivalenz nicht einzubeziehen. Für die erteilte Arzneimittelzulassung hat dies das BVerfG jedoch ausdrücklich offen gelassen.1746
c. Patent und Eigentumsschutz Das Patent für Arzneimittel hat eine große, aber auch zweischneidige Bedeutung. Gewährt wird dem Grunde nach ein umfassender Patentschutz für Arzneimittel. In
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In diesem Sinne etwa Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 64; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 13. Vgl. BGHZ 81, 21, 33 f. (Kassenarztzulassung); 97, 204, 209 (Anwaltszulassung); 108, 364, 371 (Taxikonzession); 161, 305 = NJW 2005, 748, 750 (Aufsuchungserlaubnis gem. § 7 BBergG). 1744 Vgl. BGHZ 161, 305 = NJW 2005, 748, 750. Zu berücksichtigen ist, dass dieser Fall spezifisch bergrechtlich geprägt ist; hierzu auch Rinne/Schlick, NJW 2005, 3330 f. 1745 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 159; ders., AöR 124 (1999), 1, 8; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 36;; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 30; Weber, AöR 91 (1966), 382, 400 f. 1746 Vgl. BVerfG NJW 1992, 735, 736. 1743
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Betracht kommen Sachpatente und Verfahrenspatente.1747 Mit der Patentschutzgewährung geht die Erwartung einher, den pharmazeutischen Unternehmer zum Wohle der Allgemeinheit zur Forschung und Entwicklung neuer Substanzen anzuregen. Auf der anderen Seite ist einer Monopolisierung zulasten des Allgemeinwohls entgegenzuwirken. Der Schutz des Patents darf nicht die wissenschaftliche Forschung durch Dritte behindern (§ 11 Nr. 2 PatG), aber auch die Patentierung medizinischer Heilverfahren, die ausschließlich oder überwiegend in der Hand des Arztes liegen, darf nicht zu einer (sittenwidrigen) Monopolisierung führen.1748,1749 Mit beiden Schutzaspekten kann auch die Ethik-Kommission konfrontiert sein: Eine rechtswidrige Versagung oder Verzögerung der zustimmenden Bewertung kann den Sponsor in seinem Patentrecht beeinträchtigen, was für einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff voraussetzt, dass das Patent als Rechtsposition iSd Art. 14 Abs. 1 GG anzusehen ist. Zum anderen kann sie mit einem Antrag auf zustimmende Bewertung einer Arzneimittelprüfung konfrontiert werden, die ein bereits von einem Dritten patentiertes Arzneimittel zu Gegenstand hat, in welches nun „hineingeforscht“ wird. Hier kann möglicherweise der Patentinhaber Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff geltend machen. Obgleich letztere Konstellation nicht zu der hier zu erörternden Anspruchskonstellation gehört, soll sie dennoch aufgrund des thematischen Zusammenhangs hier erfolgen. aa. Patent und patenfähige Erfindung als Rechtspositionen iSv Art. 14 Abs. 1 GG Nach der Rspr. des BVerfG ist das vom Urheber geschaffene Werk und die darin verkörperte Leistung als Eigentum iSd Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG anzusehen. Aus dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung erwächst dem Urheber die Befugnis, dieses „geistige Eigentum“ wirtschaftlich zu nutzen und in eigener Verantwortung darüber verfügen zu dürfen.1750 Diese Grundsätze sind vom BVerfG entsprechend für das Patentrecht und die patenfähige Erfindung herangezogen worden. Die patentfähige Erfindung wird zwar nicht als ausschließliches Recht am Erfindungsgedanken angesehen, gleichwohl soll es aber Schutzansprüche in der Person des Erfinders entstehen lassen und unter den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallen. Zu den konstituierenden Merkmalen des Patentrechts als Eigentum im Sinne der Verfassung gehören nach dem BVerfG die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der schöpferischen Leistung an den Patentinhaber im Wege privatrechtlicher Normierung und seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber verfügen zu können. Wie für den Urheber ist auch für den Patentinhaber nach dem Inhalt der Eigentumsgarantie 1747 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1418; Müller, Patentfähigkeit, S. 47 ff.; allg. zur Unterscheidung Bacher/Melullis, in: Benkard, § 1 Rn. 4; Osterrieth, Patentrecht, Rn. 123. 1748 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1419 f.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 534. 1749 Weiterführend zum Patentschutz für Arzneimittel Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1153, 1413 ff., bes. Rn. 1415, 1418 ff.; Deutsch, in: FS Erdmann, S. 263 ff.; Müller, Patentfähigkeit, passim.; zur neueren Rspr. im europäischen und deutschen Recht Beyerlein, PharmR 2009, 105 ff. 1750 BVerfGE 31, 229, 238 ff.; 49, 382, 392; NJW 2001, 1783, 1784; Grzeszick, ZUM 2007, 344, 347, 350 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 197; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 9; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 59.
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davon auszugehen, dass dieser einen Anspruch darauf hat, dass ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird, soweit nicht Gründen des gemeinen Wohls der Vorrang vor den Belangen des Patentinhabers zukommt.1751 Demzufolge ist auch das Patent oder die patentfähige Erfindung des Sponsors der klinischen Prüfung als Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG einzustufen.1752 Gewährt § 9 PatG dem Patentinhaber die Befugnis, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen und hat man hierzu folgerichtig auch die Nutzung im Rahmen einer (zulässigen) klinischen Prüfung zu zählen, so beeinträchtigt ein rechtswidrig versagtes oder verzögertes Ethik-Kommissionsvotum die Patentnutzung durch den Patentinhaber. Gleiches gilt auch für die vor Patenterteilung liegende Rechtsposition der patentfähigen Erfindung. Beide Positionen kommen als eigentumsrelevante Rechtsposition des Sponsors iSd Art. 14 Abs. 1 GG für einen enteignungsgleichen Eingriff in Betracht. Anders als beim Sacheigentum beschränkt sich der Eigentumsschutz nicht auf bereits hergestellte Prüfpräparate, sondern auf die (Aus-)Nutzung des Patents bzw. der patenfähigen Erfindung im Rahmen einer klinischen Prüfung.1753 bb. Das Versuchsprivileg des § 11 Nr. 2 PatG In der Praxis kommt es vor, dass sich eine klinische Prüfung auf eine bereits patentierte Erfindung erstreckt. Bei einem positivem Ethik-Kommissionsvotum wird demzufolge die Rechtsposition des Patentinhabers aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt, sodass eine Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff denkbar ist. Nach § 11 Nr. 2 PatG erstreckt sich die Wirkung des Patents jedoch nicht auf Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen. Diese Vorschrift stellt eine verfassungsgemäße Inhaltsbestimmung des Patentrechts nachArt. 14Abs. 1 S. 2 GG dar1754 und wird vom BGH weit ausgelegt.1755 Eine rechtmäßige Handlung zu Versuchszwecken soll danach unabhängig von der Motivation vorliegen; Untersuchungen und Erprobungen sowohl rein wissenschaftlicher Experimente als auch wirtschaftlich ausgerichteter Prüfungen sind von § 11 Nr. 2 PatG erfasst, die selbst dazu dienen dürfen, Daten für die arzneimittelrechtliche Zulassung zu gewinnen.1756 Das BVerfG sieht in § 11 Nr. 2 PatG nicht nur eine verfassungsgemäße Inhaltsbestimmung, sondern billigt auch diese weite Auslegung des BGH, trotz der erkannten Konkurrenzsituation, die zwischen dem Inhaber eines Erzeugnispatents und demjenigen eines Verwendungspatents entstehen kann.1757 Hierin werden 1751
Vgl. BVerfGE 36, 281, 290 f.; NJW 2001, 1783, 1784 ff.; Grzeszick, ZUM 2007, 344, 347, 351 a.E.; ausf. Fechner, Geistiges Eigentum, S. 140 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 198; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 9; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 60; s.a. BGHZ 47, 132, 136; entsprechend für den Urheber: BVerfGE 31, 229, 243. 1752 Wie hier Pramann, Publikationsklauseln, S. 95 u. S. 97; ferner Knothe, Zulassung, S. 181 ff. 1753 Ähnlich wie hier für die Arzneimittelzulassung Knothe, Zulassung, S. 181 ff. 1754 Vgl. BVerfG NJW 2001, 1783, 1784 f.; hierzu Sachs, JuS 2001, 914 ff. 1755 Vgl. BGHZ 130, 259 („klinische Versuche I“); 135, 217 („klinische Versuche II“). 1756 Vgl. BGHZ 135, 217, 226 f. 1757 Vgl. BVerfG NJW 2001, 1783, 1786.
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die Freiheit der Forschung und die Sozialbindung des Eigentums sichtbar, indem der Schutz des Patents nicht die Forschung zum Wohle der Allgemeinheit und zum Schutz vor neuen bzw. bislang unheilbaren Erkrankungen verhindern soll. Ein patentierter Arzneimittel-Wirkstoff kann bei klinischen Versuchen an Menschen also mit dem Ziel eingesetzt werden, Erfahrungen darüber zu sammeln, ob und gegebenenfalls in welcher Form er geeignet ist, bestimmte weitere Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Auch dürfen – wie es gerade bei Unbedenklichkeitsstudien nach Zulassung ohne pharmazeutische Beteiligung relevant ist – durch planmäßiges Vorgehen Erkenntnisse gewonnen werden, um eine bestehende Unsicherheit über die Wirkungen und die Verträglichkeit eines Arzneimittel-Wirkstoffs zu beseitigen.1758 Liegt eine rechtmäßige Handlung zu Versuchszwecken iSd § 11 Nr. 2 PatG vor, so stellt das positive Ethik-Kommissionsvotum eine verfassungsgemäße Konkretisierung des Inhalts und der Schranken des Eigentums iSd Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar, sodass Entschädigungsansprüche des Patentinhabers aus enteignungsgleichem Eingriff von vornherein ausscheiden. Etwas anderes kann sich nur in den sehr seltenen Fällen des Missbrauchs des Versuchsprivilegs ergeben, nämlich wenn der Versuch keinen Bezug zur technischen Lehre hat oder wenn Erprobungen in einem vom Versuchszweck nicht mehr zu rechtfertigenden großen Umfang vorgenommen wenn, sowie in dem Fall, wenn Versuche mit der Absicht durchgeführt werden, den Absatz des Erfinders mit seinem Produkt nachhaltig zu stören oder zu hindern.1759 d. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb In Betracht kommt auch die Beeinträchtigung des Rechts des Sponsors am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Obwohl das BVerfG bislang die Frage eher offen gelassen hat1760 , so entspricht es der st. Rspr. des BGH, des BVerwG und auch der h. L., dass das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unter den Eigentumsschutz des Art. 14 GG fällt1761 , wie es auch im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB als „sonstiges Recht“ anerkannt ist.1762 Geschützt wird die Substanz des Betriebes als Sach- und Rechtsgesamtheit, die nur dann berührt wird, wenn in die Sachund Rechtsgesamtheit als solche eingegriffen wird. Der Schutz beschränkt sich von 1758 Vgl. zum Versuchsprivileg des § 11 Nr. 2 PatG Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1421; Müller, Patentfähigkeit, S. 131 ff.; Grzeszick, ZUM 2007, 344; Holzapfel, GRUR 2006, 10 ff.; Kraßer, PatentR, § 33 IV b), Osterrieth, PatentR, Rn. 279; Scharen, in: Benkard, § 11 Rn. 6 ff. 1759 Vgl. BGHZ 135, 217, 231 f. 1760 Vgl. BVerfGE 51, 193, 221 f.; 68, 193, 222 f.; 105, 252, 278; NVwZ 2008, 772, 773. 1761 Vgl. BGHZ 81, 21, 33; 92, 34, 37; BVerwGE 62, 224, 226; Schoch, Jura 1990, 140, 142; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 95; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 10; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 26; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 132; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 159 ff. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 905; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 26; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 440; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 262; a.A. etwa Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 52. 1762 Vgl. jüngst BGHZ 164, 1 (Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung); ferner BGHZ 3, 270, 278 ff.; 8, 142, 144; NJW 2003, 1040, 1041; ausf. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 258 ff.; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 187 ff.
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vornherein auf betriebsbezogene Eingriffe. Danach muss sich der Eingriff gegen den Betrieb als solchen richten und darf nicht lediglich vom Gewerbebetrieb ablösbare Rechtspositionen beeinträchtigen.1763 Ein Eingriff ist etwa zu verneinen, wenn nur auf die Ausgestaltung eines Produkts Einfluss genommen wird, der Eigentümer aber nicht daran gehindert wird, von dem Gewerbebetrieb als solchen bestimmungsgemäß Gebrauch zu machen.1764 Von vornherein nicht betroffen ist der Schutzbereich des Art. 14 GG, wo durch hoheitliche Maßnahmen lediglich bloße Erwerbsmöglichkeiten, Gewinnaussichten, Chancen oder Hoffnungen des Gewerbetreibenden zerschlagen werden. Individuelle Erwerbstätigkeiten unterfallen ausschließlich Art. 12 GG.1765 Vor diesem Hintergrund ist die Betriebsbezogenheit des rechtswidrig nicht erteilten oder verzögerten Ethik-Kommissionsvotums zu verneinen. Der Sponsor erhält lediglich nicht die Möglichkeit, sein Arzneimittel in der konkreten klinischen Prüfung zu nutzen, sodass der Eingriff sich nicht gegen das Unternehmen als solches richtet. Beeinträchtigt wird nur eine ablösbare Rechtsposition, nämlich das in §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG verkörperte Recht auf Durchführung der klinischen Prüfung. Der Betrieb als solcher wird in seinem ungestörten Funktionieren aber nicht berührt.1766 Für Zulassungsstudien kommt hinzu, dass nur das Recht auf Fortsetzung des (Pharma-)Betriebs im bisherigen Umfang über Art. 14 Abs. 1 GG geschützt wird. Beabsichtigte Betriebserweiterungen, etwa nach erfolgreicher Testung und Zulassung das Unternehmen auf eine neue Vermarktung auszurichten, gehört in die Kategorie künftiger Chancen und Erwerbsmöglichkeiten.1767 Ein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt aber möglicherweise die Verwendung von bereits eingereichten Antragsunterlagen einer klinischen Prüfung für eine weitere klinische Prüfung dar, die von einem anderen Sponsor durchgeführt wird bzw. wurde. Sieht man in diesen Antragsunterlagen des Erstanmelders einen wesentlichen Bestandteil seines eingerichteten und ausgerichteten Gewerbebetriebs1768 , so kann die Verwertung der Erstunterlagen durch die Ethik-Kommission als Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen angesehen und als Eigentumsverletzung iSd Art. 14 Abs. 1 GG
1763 Vgl. BGHZ 29, 65, 74; 66, 388, 393; 69, 128, 139; 86, 152, 156; 11, 349, 356; NJW 2003, 1040, 1041; 2005, 673, 675; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 95 ff., 693; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 440; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 161; ferner Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 260; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 194. 1764 Vgl. BGHZ 111, 349, 359; krit. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 162. 1765 Vgl. BGHZ 45, 150, 155; 76, 387, 394; 98, 341, 351; 111, 349, 357; 132, 181, 187; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 100; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 444; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 26; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 194; krit. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 161 f.; Maurer, JZ 1996, 1124 f.; Schoch, Jura 1989, 529, 534. 1766 In diesem Sinne BGHZ 111, 349, 357; wie hier Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1072; für die Arzneimittelzulassung auch Knothe, Zulassung, S. 167 ff. 1767 S.a. BGHZ 132, 181, 187 m.w. Nachw.; a.A. Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 49 a.E.; wie hier für die Arzneimittelzulassung Knothe, Zulassung, S. 177. 1768 Vgl. Papier, NJW 1985, 12, 13; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 99; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 244.
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gewertet werden.1769 Eine Rechtsgrundlage, wie sie für die Bundesoberbehörde in § 24d AMG vorgesehen ist1770 , ist für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung nicht vorhanden.
4. Eingriffshandlung: Versagung und Verzögerung der zustimmenden Bewertung Als Eingriffshandlungen kommen alle konkreten hoheitlichen Maßnahmen in Betracht und damit auch Verwaltungsakte.1771 Die (rechtswidrige) Versagung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission erfüllt diese Voraussetzungen. Fraglich ist lediglich, ob auch die verzögerte Entscheidung den Tatbestand des Eingriffs erfüllt. Bleibt die Ethik-Kommission untätig, so liegt ein Fall des „Eingriffs durch Unterlassen“ vor. Nach der Rspr. des BGH erfüllt ein Unterlassen nur dann die Voraussetzungen des Eingriffs, wenn sich das Unterlassen ausnahmsweise als ein in den Rechtskreis des Betroffenen eingreifendes Handeln qualifizieren lässt. Erst die faktische Vorenthaltung oder förmliche Versagung soll ein solches qualifiziertes Unterlassen begründen.1772 In der Literatur wird dagegen ein tatbestandliches Unterlassen schon dann angenommen, wenn eine gesetzliche Pflicht zum Handeln besteht.1773 Nach letzterer Auffassung erfüllt das nicht fristgerecht abgegebene Votum den Eingriffstatbestand, aber auch der BGH dürfte vorliegend zu demselben Ergebnis kommen. So hat er einer verzögerten Bearbeitung einer nach geltendem Recht positiv zu bescheidenden Bauvoranfrage dieselbe „enteignende“ Wirkung zugesprochen, wie eine förmliche nach geltendem Recht widersprechende Ablehnung einer Baugenehmigung; auch sieht er in einer rechtswidrig verzögerten Eintragung im Grundbuch ein qualifiziertes Unterlassen.1774 Dem Sponsor wird ebenfalls durch Verletzung behördlicher Rechtspflichten zur fristgemäßen Entscheidung seine eigentumsgeschützte Nutzungsbefugnis vorenthalten, die nicht anders beurteilt werden 1769 Zur Problematik des „Erstanmelderschutzes“ vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1441 ff.; Deutsch, PharmR 1985, 44 ff.; Papier, NJW 1985, 12, 13; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 99; Koesel/Cyran, § 24a Anm. 1, 1a; Anker, in: Deutsch/Lippert, § 24a Rn. 1; Jänich, Geistiges Eigentum, S. 152 ff.; Müller, Patentfähigkeit, S. 92 ff.; aus der Rspr. OVG Berlin, PharmR 1988, 144 ff. 1770 Nach § 24d AMG wird der Bundesoberbehörde eine allgemeine Verwertungsbefugnis von Unterlagen zugestanden, die über das Zulassungsverfahren hinausgeht, vgl. Anker, in: Deutsch/Lippert, § 24d Rn. 1 1771 Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 27; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 253 ff.; Schoch, Jura 1990, 140, 144; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 158; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 451. 1772 Vgl. BGHZ 56, 40, 42; 102, 350, 364; 120, 124, 132; 170, 260 = NJW 2007, 830, 833; NVwZ 2002, 124, 125; VersR 1997, 1363, 1365; hierzu auch Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 161; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 92; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 28 ff. 1773 So vor allem Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 256 ff. 1774 Vgl. BGHZ 65, 182, 188 f.; NVwZ 1992, 1119, 1121; zur Grundbucheintragung: BGHZ 170, 260 = NJW 2007, 830, 833; treffend auch Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 697: Eingriffsgleiche Verkürzung des eigentumsrechtlichen Rechtskreises.
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kann, wie eine rechtswidrige Ablehnung der zustimmenden Bewertung, sodass auch iSd BGH von einem qualifizierten Unterlassen auszugehen ist.
5. Unmittelbarkeit Nachdem die Rspr. von der Finalität des Eingriffs abgerückt ist und um nicht in eine konturenlose Gefährdungshaftung hineinzulaufen, wird die Unmittelbarkeit zwischen Eingriff und Beeinträchtigung verlangt.1775 Die Rspr. bejaht dies, wenn der Eingriff zu schädigenden Auswirkungen führt, die für die konkrete Betätigung der Hoheitsgewalt typisch sind und aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme folgen. Es bedarf eines inneren Zusammenhangs, der unter wertender Berücksichtigung der Zurechnung von Verantwortungsbereichen und Risikosphären festzustellen ist.1776 Die Nichtnutzung der Eigentumspositionen stellt vorliegend eine typische Folge einer versagten oder verzögerten Zustimmung der Ethik-Kommission dar. Soweit im „Unmittelbarkeitskriterium“ entsprechend den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zur Schadenszurechnung auch Kausalitätsfragen zu berücksichtigen sind1777 , die nicht anders zu beurteilen sind wie bei derAmtshaftung1778 , so dürfte hier der richtige Platz sein, in die wertende Betrachtung das bereits für die Amtshaftung erörterte „Genehmigungsverhalten“ der Bundesoberbehörde mit einzubeziehen. Abweichungen zu den dort gefundenen Ergebnissen sind nicht ersichtlich.1779
6. „Sonderopfer“ Seit seinem Urteil vom 25. April 19601780 verzichtet der BGH auf die eigenständige Feststellung einer Sonderopferlage und begnügt sich mit der Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme. Mit der Feststellung, dass ein Eingriff rechtswidrig ist, steht gerade das dem enteignungsgleichen Eingriff Eigentümliche fest, dass das dem einzelnen durch den Eingriff auferlegte Opfer jenseits der gesetzlichen allgemeinen Opfergrenze liegt und damit ein entsprechend dem Gebot des Gleichheitssatzes
1775
Zu Einzelheiten Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 248 ff. m.w. Nachw. Vgl. BGHZ 102, 350, 358; 125, 19, 21; Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 162; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 31 f.; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 93; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 700 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 250; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 462. 1777 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 250. 1778 Vgl. BGHZ 159, 19 = NVwZ 2005, 358, 359: „Für einen neben der Haftung aus Amtspflichtverletzung zu prüfenden Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff gilt zur Kausalität dasselbe wie hinsichtlich der Amtshaftung“, s.a. Rinne/Schlick, NJW 2005, 3330, 3332 1779 Oben, § 6 A.I.4.b. 1780 Vgl. BGHZ 32, 208, 211 f. 1776
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zu entschädigendes Sonderopfer vorliegt.1781 Erforderlich ist jedoch, dass das Verwaltungshandeln materiell-rechtlich rechtswidrig ist. Leidet der Eingriff an rein formellen Fehlern, so wird eine Entschädigungspflicht nicht begründet, soweit das Handeln im Übrigen eine zulässige, d. h. materiell-rechtlich rechtmäßige Eigentumsbindung darstellt.1782 Nur die materiell-rechtlich rechtswidrige Versagung der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission indiziert demzufolge die Sonderopferlage. Ist die Versagung nur aus formellen Gründen rechtswidrig, lagen aber tatsächlich materiell-rechtliche Versagungsgründe nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG vor, so ist die Eigentumsbeeinträchtigung auf Seiten des Sponsors materiell rechtmäßig. Eine rechtswidrige Verzögerung der zustimmenden Bewertung stellt dann ein Sonderopfer iSd enteignungsgleichen Eingriffs dar, wenn eine positive Entscheidung der Ethik-Kommission früher, d. h. innerhalb der vorgesehenen Fristen, hätte ergehen müssen.1783
7. Vorrang des Primärrechtsschutzes Die Grundlage für den Vorrang verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes bildet der Nassauskiesungs-Beschluss des BVerfG, wonach die Eigentumsgarantie in erster Linie auf Bestandsschutz zielt.1784 Der BGH stützt den Vorrang des Primärrechtsschutzes auf § 254 BGB.1785 Danach ist der Geschädigte gehalten zu prüfen, ob der durch Verwaltungsakt erfolgte Eingriff in sein Eigentum rechtmäßig ist oder nicht. Bei begründeten Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts muss der Betroffene in der Regel die zulässigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe ergreifen, um den Schaden abzuwenden. Das Mitverschulden erstreckt sich dabei von vornherein nur auf diejenigen Schäden, die durch den Primärrechtsschutz überhaupt hätten vermieden werden können. Unterlässt der Betroffene dagegen eine zumutbare Schadensbeseitigung durch Rechtsbehelfe, so entfällt der Entschädigungsanspruch vollständig.1786 Da der BGH im Ergebnis dieselben Grundsätze 1781 Hierzu auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 258 f.; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 94; Schoch, Jura 1990, 140, 147; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 163; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 687. 1782 Vgl. BGHZ 58, 124, 127 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 34; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 163; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 259; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 94; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 433; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 76. 1783 In diesem Sinne wohl auch BGHZ 170, 260 = NJW 2007, 830, 834 für eine verzögerte Grundbucheintragung. 1784 BVerfGE 58, 300, 324; s.a. BVerfG NJW 2000, 1402. 1785 Das BVerfG hat es für denkbar angesehen, die den Vorrang des Primärrechtsschutzes strikt, ohne jede Abwägung zum Ausdruck bringende Vorschrift des § 839 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden, vgl. BVerfG NJW 2000, 1402 1786 Vgl. BGHZ 33, 136, 142; 90, 17, 33; 92, 34, 50; 113, 17, 23; 140, 285, 297; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 35 ff.; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn.
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anwendet wie für § 839 Abs. 3 BGB1787 , kann auf die obige Darstellung verwiesen werden1788 : Danach sind vor allem Widerspruch und Verpflichtungsklage gegen die versagte Zustimmung der Ethik-Kommission einzulegen. Die Untätigkeitsklage begründet nur ausnahmsweise ein Verschulden gegen sich selbst. Der bereits entstandene und durch Rechtmittel nicht abwendbare Verzögerungsschaden ist stets zu ersetzen.1789 Wie bei der Amtshaftung hat der enteignungsgleiche Eingriff vor allem für Verzögerungsschäden und Schäden trotz oder während der Verfolgung des Primärrechtsschutzes Bedeutung.1790 Ebenfalls zu berücksichtigen ist freilich auch ein anderweitiges Mitverschulden des Sponsors außerhalb der Nichtinanspruchnahme des Primärrechtsschutzes.
8. Anspruchsumfang Der enteignungsgleiche Eingriff gewährt keinen Schadensersatz wie der Amtshaftungsanspruch, sondern nur eine angemessene Entschädigung für den Substanzverlust oder die konkrete Nutzungsbeeinträchtigung, die sich nach dem Verkehrswert bestimmt. Ersatz des entgangenen Gewinns kann nicht verlangt werden.1791 Mit Blick auf die geschützten Rechtspositionen kann der Sponsor demzufolge (nur) eine Entschädigung für den „Substanzverlust“ verlangen, den er dadurch erlitten hat, dass er in der Nutzung der bereits hergestellten (Prüf-)Arzneimittel, seines Patents oder seiner patenfähigen Erfindung zeitweise oder endgültig behindert war. Entscheidend ist der jeweilige Verkehrswert und nicht die hypothetische Vermögensentwicklung.
9. Passivlegitimation und Folgen für den Amtshaftungsprozess Der enteignungsgleiche Eingriff ist ein Fall einer unmittelbaren staatlichen Unrechtshaftung1792 , die nicht wie die Amtshaftung an die persönliche Eigenhaftung des Beamten anknüpft.
164 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 260 ff.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 482; s.a. BVerfG NJW 2000, 1402. 1787 Vgl. ausdrücklich BGH VersR 1985, 492, 494. 1788 Oben, § 6 A.I.6.c. 1789 So auch BGHZ 90, 17, 33. 1790 Vgl. für den enteignungsgleichen Eingriff Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 496 a.E. 1791 Vgl. BGHZ 62, 96, 98 f.; 91, 243, 257; 170, 260 = NJW 2007, 830, 834; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 478; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 168 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 265; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 497; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 711; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 77 ff.; Durner, JuS 2005, 900, 902. 1792 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 682; Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 156 a.E.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 9.
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a. Der „begünstigte Hoheitsträger“ in der Rspr. des BGH Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, dass derjenige Hoheitsträger passiv legitimiert sein soll, dessen Organe den Eingriff vorgenommen haben.1793 Nach dieser Auffassung ist der jeweilige Träger der Ethik-Kommission ersatzverpflichtet, also, je nach Ansiedlung, die Kammer, die Universität oder das Land. Der BGH vertritt dagegen in st. Rspr., dass die Ersatzpflicht „nicht den eingreifenden Hoheitsträger, sondern den Begünstigten trifft“.1794 Das Begünstigungskriterium versagt dagegen in einer Vielzahl von Fällen rechtswidriger Eingriffe. Der BGH hält gleichwohl hieran fest, präzisiert das „Begünstigungskriterium“ allerdings in unterschiedlicher Weise. So sieht er eine bestimmte öffentliche Stelle als begünstigt an, wenn „ihre Aufgaben durch den Eingriff gefördert werden sollen“1795 oder sie sich „einer ihr obliegenden Aufgabe entledigt“1796 . Lässt sich ausnahmsweise eine Begünstigung überhaupt nicht feststellen, so stellt er zur Bestimmung der entschädigungspflichtigen Körperschaft auf den Aufgabenbereich ab, dem die rechtswidrige Handlung der staatlichen Organe zuzuordnen ist.1797 Überwiegend durchgesetzt hat sich in der Rspr., dass der Begriff der „Begünstigung“ nicht dahingehend verstanden werden soll, dass dem betroffenen Hoheitsträger unmittelbare Vorteile aus der den Eingriffstatbestand darstellenden Maßnahme zugeflossen sein müssen. Entschädigungspflichtig soll derjenige Hoheitsträger sein, „dessen Aufgaben wahrgenommen wurden oder dem die Vorteile des Eingriffs zugeflossen sind.“ So kann es ausreichend sein, dass mit der Maßnahme eigene Aufgaben des betroffenen Hoheitsträgers wahrgenommen worden sind.1798 Als unmittelbar begünstigt sieht der BGH idR nur die mit grundsätzlicher „Allzuständigkeit“ ausgestatteten Gebietskörperschaften an, also den Staat, und bei Eingriffen zur Erfüllung einer rein örtlichen Aufgabe auch die Gemeinden.1799 Diesen Grundsatz hat er in vereinzelten Entscheidungen dahingehend präzisiert, dass grundsätzlich der Staat für solche Eingriffe haftet, die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der überörtlichen Gemeinschaft erfolgt, und die Gemeinde dann in Frage kommt, wenn der Eingriff zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft dient.1800 Die Begünstigung der überörtlichen 1793
Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263 f.; ders., JZ 1997, 559, 560 f.; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 101; Engelhardt, NVwZ 1985, 621, 628. 1794 Vgl. BGHZ 11, 248, 256 sowie BGHZ 10, 255, 263; danach st. Rspr.; vgl. BGHZ 13, 81 f.; 23, 157, 169 f.; 26, 10, 12 f.; 40, 49, 52 f.; 60, 126, 142 f.; 76, 387, 396 f.; 87, 66, 80 f.; 90, 17, 20 f.; 134, 316, 322 f. 1795 BGHZ 90, 17, 20 f. ähnlich BGHZ 60, 126, 142 f. 1796 BGHZ 23, 157, 169 f. 1797 BGHZ 76, 387, 396 f. (Fluglotsenstreik). 1798 Vgl. BGHZ 134, 316, 322 f.; NJW 1962, 1673; 1976, 1840, 1841; 1980, 387; ähnlich bereits BGHZ 26, 10, 15 f.; hierzu auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263 f.; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 82; Kaspa, in: Geigel, Haftpflichtprozess, § 21 Rn. 64; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839 Rn. 127; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 101. 1799 Vgl. BGHZ 11, 248, 257 ff.; 13, 81 f.; 26, 10, 12 f.; 40, 49, 52 f.; JZ 1973, 630; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 709. 1800 Vgl. BGHZ 13, 81, 82; 40, 49, 52; JZ 1973, 630.
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staatlichen Gemeinschaft ist demzufolge als Regel anzusehen, während die Begünstigung einer kleineren Gemeinschaft innerhalb des Staates nur bejaht wird, wenn der Eingriff dieser Gemeinschaft unmittelbar zugute kommt, m. a. W. zumindest auch ihr Interesse durch den Eingriff unmittelbar gefördert wird.1801 Der BGH hat auch Hoheitsträger gesamtschuldnerisch haften lassen. Unerheblich ist, ob die neben dem „begünstigten“ Hoheitsträger haftende Körperschaft den rechtswidrigen Eingriff vorgenommen hat. Ihr muss aber „ein sonstiger besonderer Vorteil zugeflossen“ sein.1802 Angenommen wurde dies etwa zwischen Bauaufsichtbehörde und Gemeinde, wenn bei der Versagung einer Baugenehmigung die ablehnende Entscheidung auf Erwägungen der Bauaufsichtsbehörde und der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens beruht.1803 Ausnahmsweise erstreckt der BGH die Einstandpflicht auf Vermögensträger mit einem durch Spezialaufgaben begrenzten Aufgabenkreis. Diese sind dann unmittelbar „begünstigt“, wenn gerade die Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben den Eingriff oder das Opfer veranlasst hat, vorausgesetzt, es handelt sich um eine Stelle der öffentlichen Verwaltung.1804 Bejaht wurde dies etwa für einen Landschaftsverband1805 , einen Deichverband1806 , für einen Wasser- und Bodenverband1807 . Diese Rechtsprechung des BGH lässt sich nur vor dem Hintergrund der vorherigen reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu §§ 74, 75 EinlPrALR verstehen, die er im Wesentlichen übernommen hat.1808 Nach § 75 EinlPrALR hatte der Staat denjenigen zu entschädigen, der seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wurde. Daran anknüpfend stellte das RG den Grundsatz auf, dass in den Fällen, in denen der zum Besten des gemeinen Wohls erfolgende Eingriff nicht dem Staatsganzen, sondern nur einer im Staate stehenden engeren öffentlichen Gemeinschaft zugute kommt, dann auch nur diese engere Gemeinschaft zur Entschädigung verpflichtet sein soll.1809 b. Passivlegitimation der Aufgabenwahrnehmungskörperschaft, gesamtschuldnerische Haftung mit der „Vorteilszufließungskörperschaft“ Die angeführte Auffassung im Schrifttum, die auf den eingreifenden Hoheitsträger abstellt, wählt einen klaren Anknüpfungspunkt für die Passivlegitimation und verschiebt einen etwaigen „Vorteilszufluss“ für einen anderen Hoheitsträger in 1801
In diesem Sinne BGH JZ 1973, 630. Vgl. BGHZ 10, 255, 263; 11, 248, 258; 134, 316, 323; NJW 1962, 1673; 1975, 1880, 1881; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263 f. 1803 Vgl. BGHZ 134, 316, 322 f. = JZ 1997, 557, 558 f. m. Anm. Ossenbühl.; s.a. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 47; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 82. 1804 Vgl. BGHZ 26, 10, 12 f.; 40, 49, 52 f.; VersR 1976, 985, 987 m.w. Nachw. 1805 BGH VersR 1976, 985, 987. 1806 Hierzu m.w. Nachw. BGHZ 40, 49, 52 f. 1807 BGH, Urt. v. 13.12.1973 – Az. III ZR 204/71 – juris, Rn. 26. 1808 Vgl. BGHZ 10, 255, 263; 11, 248, 256. 1809 Vgl. RGZ 118, 22, 26 f. (Kirchengemeinschaft); s.a. RGZ 82, 77, 80; 135, 308, 311 f. 1802
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
das verwaltungsinterne Regress- und Ausgleichsverhältnis.1810 Das „Wirrwarr der Begünstigungsrechtsprechung“ lässt für Ethik-Kommissionen alle Möglichkeiten offen. Ist begünstigt iSd BGH sowohl der Hoheitsträger, dessen Aufgaben wahrgenommen wurden, als auch derjenige – möglicherweise als Gesamtschuldner –, dem die Vorteile des Eingriffs zugeflossen sind1811 , und stellt man für erstgenannte Konstellation auf die Kompetenzordnung ab1812 , so müsste konsequenterweise für die universitären und die kammerzugehörigen Kommissionen die Kammer bzw. die Universität, für die Kommissionen in unmittelbarer Trägerschaft des Landes folglich das Land passiv legitimiert sein. Die Haftung des Landes folgt dabei dem Grundsatz des BGH, dass grundsätzlich die Gebietskörperschaften passiv legitimiert sind. Die Haftung der Erstgenannten resultiert daraus, dass jene Spezialaufgaben in einem begrenzten Aufgabenkreis wahrnehmen und gerade die Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben, nämlich in Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben, den Eingriff veranlasst haben. Dass in einigen Bundesländern jene „Spezialaufgaben“ auf die unmittelbare Landesverwaltungsebene verlagert worden sind, dürfte unerheblich sein. Diese Sichtweise könnte sich nur dann ändern, wenn man den Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln den Selbstverwaltungscharakter abspricht. Doch selbst dies dürfte nichts an der Passivlegitimation der Universität und der Kammer ändern, soweit man den Blick – wie es der BGH vertritt – auf die konkrete Verwaltungszuständigkeit legt, selbst wenn die Aufgabenerfüllung über den betroffenen Personenkreis der engeren Gemeinschaft hinausgeht.1813 In allen beschriebenen Fällen entledigt sich der jeweilige Träger der Ethik-Kommission einer ihm obliegenden Aufgabe, die das „Sonderopfer“ beim Sponsor veranlasst. Neben der Aufgabenwahrnehmungskörperschaft kann aber auch eine weitere begünstigte Körperschaft (gesamtschuldnerisch) haften. So ist auch vorliegend eine gesamtschuldnerische Haftung in der jeweils gegenläufigen Richtung möglich, also dergestalt, dass neben der Universität und der Kammer als Träger der Ethik-Kommission und zuständige Stelle auch das jeweilige Land und – bei den Kommissionen der unmittelbaren Landesverwaltung – abhängig von der Belegenheit der Prüfstätte im universitären Bereich oder im Kammerbezirk, die jeweilige Kammer oder die jeweilige Universität neben dem Land haften. In der ersten Konstellation, die dadurch geprägt ist, dass eine „kleinere Gemeinschaft“ im Interesse der staatlichen Gemeinschaft handelt, hat der BGH vermehrt 1810
Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263 f.; ders., JZ 1997, 559 f.; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 101; Engelhardt, NVwZ 1985, 621, 628. 1811 Vgl. Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 44 Rn. 82; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 47; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 499.; Durner, JuS 2005, 900, 902. 1812 In diesem Sinne Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263; deutlich auch bei BGHZ 13, 81, 85 ff.: Haftung der Gemeinde bei Trümmerbeseitigungsmaßnahmen kraft gesetzlich zugewiesener Aufgabe trotz überörtlichen Bezugs; ferner BGHZ 13, 371, 372; 26, 10, 15; VersR 1976, 985, 987; NJW 1980, 387. 1813 So auch BGH VersR 1976, 985, 987 (Landschaftsverband); BGH, Urt. v. 13.12.1973 – Az. III ZR 204/71 – juris, Rn. 26; ähnlich für die Gemeinde BGHZ 13, 81, 85 ff.; 60, 126, 142 f.; s.a. Ossenbühl, JZ 1997, 559, 560: „Aufgabenträger“.
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auf die Aufgabenwahrnehmung abgestellt. Kennzeichnend war dabei in den entschiedenen Fällen, dass jeweils die Gemeinde verklagt war, die jedoch Aufgaben im überörtlichen Interesse wahrgenommen hat. Der BGH beließ es dabei, dass die Gemeinde zumindest auch eine öffentliche Aufgabe der eigenen örtlichen Gemeinschaft erledigte, die ihr darüber hinaus auch gesetzlich zugewiesen war, hielt jedoch eine Haftung des Staates für Aufopferungsansprüche neben der Gemeinde für möglich, soweit die Aufgabenerledigung auch zugunsten der überörtlichen Gemeinschaft erfolgte.1814 So dürfte auch hier zu entscheiden sein: Die kammerund universitätszugehörigen Ethik-Kommissionen erfüllen zuförderst Probanden-/ Patientenschutzaufgaben, die notwendigerweise über den Kreis der zu erledigenden Selbstverwaltungsaufgaben hinausgehen. Dies zeigt sich besonders deutlich in ihrer Funktion als Genehmigungsbehörde gegenüber „Nicht-Mitgliedern“ der Selbstverwaltung. Folglich ist davon auszugehen, dass neben der Universität bzw. der Kammer auch das Land haftet, weil die Ethik-Kommission auch im Interesse der „Arzneimittelüberwachung“ und damit über ihren Wirkungskreis hinaus tätig wird. Geht es um den Schluss von der überörtlichen Gemeinschaft auf eine kleinere Gemeinschaft innerhalb des Staates, so hat der BGH auch hier eine gesamtschuldnerische Haftung für möglich gehalten. Als Voraussetzung hat er dabei aber vornehmlich darauf abgestellt, ob der nicht eingreifenden Körperschaft ein „sonstiger besonderer Vorteil zugeflossen ist“.1815 So dürfte es auch für die Kommissionen liegen, die in unmittelbarer staatlicher Trägerschaft stehen. Die Kammer oder die Universität haften als nicht eingreifende Körperschaften dann, wenn ihnen ein sonstiger besonderer Vorteil zugeflossen ist. Der BGH hat dabei den Grundsatz aufgestellt, dass „die Begünstigung der überörtlichen staatlichen Gemeinschaft als die Regel anzusehen[ist], während die Begünstigung einer kleineren Gemeinschaft innerhalb des Staates nur bejaht werden kann, wenn der Eingriff dieser Gemeinschaft unmittelbar zugute kommt, also ihr – zumindest auch ihr – Interesse durch den Eingriff unmittelbar gefördert wird“. Erst recht gelte dies, wenn diese Gemeinschaft den Eingriff nicht selbst vorgenommen hat. Eine Begünstigung sei in diesem Falle nur anzunehmen, „wenn ihr eine Aufgabe abgenommen worden ist, die sie ohne den Eingriff mit ihren Mitteln noch zu bewältigen gehabt hätte, oder wenn ihr ein sonstiger besonderer Vorteil zugeflossen ist“1816 . Ossenbühl hat darauf hingewiesen, dass sich das „Vorteilszufließungskriterium“ iSd BGH kaum näher umschreiben und sich erst recht nicht prognostizieren lässt, welche Maßstäbe hierfür im Einzelfall Anwendung finden sollen.1817 Dabei ist auch offensichtlich, dass „Begünstigung“
1814
Vgl. BGHZ 13, 81, 86; 13, 371, 372; s.a. BGHZ 134, 316, 323. So BGH NJW 1975, 1880, 1881; ferner BGHZ 10, 255, 263; 11, 248, 258; NJW 1962, 1673; NJW 1976, 1840, 1841. 1816 BGH VersR 1973, 630. 1817 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 263: „Dieses zweite Unterkriterium, das sich als eigenes selbstständiges und nicht nur subsidiär geltendes Kriterium erweist, ist mit großen Unsicherheiten behaftet, weil nicht feststeht, welche Vorteile gemeint sind und wie der Geschädigte feststellen soll, ob und wem die Vorteile zugeflossen sind“. 1815
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
und „Vorteilszufluss“ bei rechtswidrigen Eingriffen der vorliegenden Art nicht passen.1818 Diese können daher nur angedeutet werden. In Betracht kommt etwa das (vermeintliche) Handeln zugunsten des Ansehens der Kammer, des Kammerbezirks und/oder der Universität, die Ersparnis von Aufsichtstätigkeiten und – vor allem für die Universitäten – von Organisations- und Verkehrssicherungspflichten. An diesen Beispielen wird deutlich, dass die „Begünstigung“ eher auf den rechtmäßigen Zugriff auf das Eigentum, also auf die Enteignung, zugeschnitten ist, und nicht auf rechtswidrige Eingriffe1819 , aber auch, dass die vorliegende Sachlage iSd BGH als nicht ausreichend einzustufen ist, neben der Gebietskörperschaft auch die Selbstverwaltungskörperschaften für passiv legitimiert zu erachten. Dieser Weg könnte dann beschritten werden, soweit man auch den Landeskommissionen – quasi spielbildlich zu den anderen Kommissionen – Aufgaben der Selbstverwaltung der Kammer und der Universität zuschreibt und nicht auf das Kriterium des „Vorteilszuflusses“, sondern der Aufgabenwahrnehmung zurückgreift. Hiergegen dürfte jedoch dem Grunde nach die Vorrangverpflichtung der eingreifenden Gebietskörperschaft sprechen. Insgesamt ist daher für Ethik-Kommissionen, die in Trägerschaft des Landes stehen, von einer alleinigen Haftung des Landes auszugehen, wobei ein haftungsrechtliches „Restrisiko“ für Kammer und Universität wegen des unwägbaren „Begünstigungsbzw. Vorteilszufließungskriteriums“ bestehen bleibt.
c. Folgen für den Amtshaftungsprozess Hat das über den Amtshaftungsanspruch entscheidende Gericht auch eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht zu ziehen, selbst wenn die Klage nicht ausdrücklich auf den enteignungsgleichen Eingriff gestützt wird, so kann dies freilich nur insoweit gelten, als auch die passiv legitimierte Körperschaft zugleich für die Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff passiv legitimiert ist. Dies ist für die kammerzugehörigen Ethik-Kommissionen und den Ethik-Kommissionen der unmittelbaren Landesverwaltung der Fall. Diskrepanzen können sich lediglich für die Ethik-Kommissionen ergeben, die in Trägerschaft einer Universität ohne eigene Dienstherrenfähigkeit stehen. In diesen Fällen ist grundsätzlich das Land als Anstellungskörperschaft passiv legitimiert und die Universität grundsätzlich nur für „dienstherrenlose“ Ethik-Kommissionsmitglieder. Befürwortet man jedoch wie vorliegend vertreten, eine gesamtschuldnerische Haftung von Universität und Land für den enteignungsgleichen Eingriff, so kommt es nicht zu einem Auseinanderfallen passiv legitimierter Körperschaften.1820
1818
Krit. insb. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 264; ders., JZ 1997, 559 u. 561, jew. m.w. Nachw. Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 264. 1820 Etwas anderes muss konsequenterweise diejenige Auffassung im Schrifttum annehmen, die nur auf den eingreifenden Hoheitsträger abstellt und etwaige „Begünstigungen“ dem Innenausgleich vorbehält. 1819
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10. Ergebnis Der Sponsor hat bei rechtswidriger Versagung oder rechtswidriger Verzögerung der zustimmenden Bewertung neben dem Anspruch aus Amtshaftung auch einen verschuldensunabhängigen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Er kann eine angemessene Entschädigung für die untersagte Nutzung der hergestellten (Prüf-)Arzneimittel, seines Patents oder seiner patentfähigen Erfindung verlangen. Wie bei der Amtshaftung gilt der Vorrang des Primärrechtsschutzes. Die Bestimmung der Passivlegitimation bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Nach hier vertretener Auffassung ist der jeweilige Träger der Ethik-Kommission als Aufgabenwahrnehmungskörperschaft passiv legitimiert, d. h. die Universität, die Kammer oder das Land. In Betracht kommt eine gesamtschuldnerische Haftung mit der nicht eingreifenden Vorteilszufließungskörperschaft. Nach hier vertretener Auffassung gilt dies nur für die kammer- und universitätszugehörigen Ethik-Kommissionen im Verhältnis zum Land, nicht dagegen für die umgekehrte Konstellation, also wenn Universität und Kammer nicht die Aufgabenwahrnehmungskörperschaften sind, sondern nur als Vorteilszufließungskörperschaften in Betracht kämen.
B. Ansprüche des Sponsors wegen fehlerhafter oder unterlassener Beifügung einer Nebenbestimmung durch die federführende Ethik-Kommission Komplexität verlangt administrative Flexibilität. Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt treten als Mittel der „Feinsteuerung“ in Erscheinung. Sie dienen dazu, den beabsichtigten Hautverwaltungsakt an die besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls anzupassen, können zum Schutze der Rechte Dritter mobilisiert werden, und schließlich helfen sie, den Antragssteller verhältnismäßig zu bescheiden, indem der Antrag nicht abgelehnt, sondern positiv mit einer Nebenbestimmung beschieden wird. Sie ermöglichen mithin eine einfache und zweckmäßige, dem Einzelfall gerecht werdende Entscheidung.1821 Im kooperativ ausgestalteten Verwaltungsrecht haben sich Nebenbestimmungen als flexible Instrumentarien erwiesen, die eine gewisse „Vertragsnähe“ aufweisen.1822 Stelkens hat dagegen auch auf die zunehmend sachwidrige Nutzung dieser Handlungsform aufmerksam gemacht, wenn sie als Mittel „zur Verdeckung mangelnder Entscheidungswilligkeit oder -sicherheit oder als Rechtfertigung dafür missbraucht werden, den Sachverhalt nicht richtig erforschen zu müssen oder bewusst im Unklaren belassen zu können. Dann 1821
Vgl. hierzu auch Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 2; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 5; Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 2; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 125. 1822 Vgl. Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 187 ff.; ferner Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 2 m.w. Nachw.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
entscheidet die Behörde über die Einhaltung allgemein- und/oder drittschützender Normen nicht mehr selbst, sondern verlagert eventuelle Risiken auf den Begünstigten oder Dritte“.1823 Letzteres ist für Ethik-Kommissionen zu relativieren: Setzen Ethik-Kommissionen gesetzlich zulässige Nebenbestimmungen ein, bedeutet dies für sie grundsätzlich ein Tätigwerden zugunsten des Patienten-/Probandenschutzes. Sie stellen nicht bloß das Nichtvorliegen von Versagungsgründen fest, sondern treten aus ihrer passiven Stellung heraus und gewähren dem Sponsor ein „Minus“, das sich auf Seiten des Patienten/Probanden als „Plus“ an Sicherheit erweisen kann. Im Rahmen mehrdimensionaler Rechtsverhältnisse ist die Nebenbestimmung ein Instrument zur Findung eines einzelfallgerechten Interessensausgleichs und eine im Ergebnis erfreuliche Abkehr vom „Alles-oder-Nichts-Prinzips“, wenn gerade, wie in der vorliegenden Konstellation, Nutzen und Risiken im Ungewissen liegen. Ob und in welchem Umfang Ethik-Kommissionen ihre zustimmende Bewertung de lege lata mit Nebenbestimmungen versehen können und inwieweit dies in der Praxis möglich ist, wurde im Zuge der 12. AMG-Novelle thematisiert.1824 Nachfolgend ist die haftungsrechtliche Relevanz rechtswidriger Nebenbestimmungen unter besonderer Berücksichtigung ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit und Praxisrelevanz zu erörtern.
I. Haftungsrechtliche Relevanz Belastende (rechtswidrige) Nebenbestimmungen, die die Ethik-Kommission ihrer zustimmenden Bewertung beifügen oder hätte beifügen können, gehören haftungsrechtlich in die Kategorie der rechtswidrigen Versagung der zustimmenden Bewertung, und zwar im Hinblick auf zwei Konstellationen: Dem Sponsor kann einmal weniger gewährt werden als er rechtlich beanspruchen kann. In diesem Fall wird das Recht des Sponsors auf auflagen- und bedingungsfreie zustimmende Bewertung verletzt. Zum anderen kann die Ethik-Kommission den Antrag ablehnend bewerten, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätte, eine positive Entscheidung mit einer (zulässigen) Nebenbestimmung zu versehen. Dieses Unterlassen kann wegen des Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip ermessensfehlerhaft1825 sein und ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen.1826 Klärungsbedürftig sind vor 1823
Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 5. Vgl. etwa Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1055; Deutsch, MedR 2006, 411, 415; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 183 f., 214 ff.; Pestalozza, NJW 2004, 3374, 3378 m. Fn. 41; ders., in: Dautert/Jorzig/Winter, Arzneimittelsicherheit, S. 19, 23 f.; ders., HFR 2007, 1, 11 ff.; van der Sanden, Haftung, S. 205 ff.; Rehmann, § 42 Rn. 6 a.E.; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 23 u. 48; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 399 ff.; Wölk, EthikMed 2002, 253, 264; Pramann, Publikationsklauseln, S. 136 ff., bes. S. 140 f. 1825 Die Entscheidung, ob eine Behörde die zustimmende Bewertung versagt oder ob sie sie mit einer Nebenbestimmung erteilt, steht im Ermessen der Behörde, vgl. Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 46a. 1826 Zu letzterem Gesichtspunkt van der Sanden, Haftung, S. 203 ff. 1824
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diesem Hintergrund der Umfang und die Befugnis der Ethik-Kommission zum Erlass von Nebenbestimmungen.
II. Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlass von Nebenbestimmungen durch Ethik-Kommissionen 1. Ermächtigungsgrundlage, § 36 VwVfG iVm § 42 Abs. 1 S. 7 AMG Nebenbestimmungen zu einem begünstigenden Verwaltungsakt bedürfen nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage. Umstritten ist zwar, ob § 36 VwVfG selbst die materiellrechtliche Ermächtigung der Behörde zum Erlass einer Nebenbestimmung enthält. Allgemein wird jedoch davon ausgegangen, dass zumindest § 36 VwVfG iVm der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlass des Hauptverwaltungsakts eine ausreichende Eingriffsgrundlage bildet.1827 Vorliegend ergibt sich für Ethik-Kommissionen damit eine Ermächtigung zum Erlass einer Nebenbestimmung zur zustimmenden Bewertung gegenüber dem Sponsor aus § 36 VwVfG iVm § 42 Abs. 1 S. 7 AMG. a. § 36 Abs. 1 VwVfG für gebundene Verwaltungsakte Für die rechtmäßige Beifügung einer Nebenbestimmung differenziert § 36 VwVfG zwischen drei Konstellationen: Gebundene Verwaltungsakte, auf die der Antragssteller einen Anspruch hat, dürfen mit Nebenbestimmungen nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschriften zugelassen sind (§ 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG) oder wenn durch sie sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG). Hauptanwendungsfall ist das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ermächtigt keine Spezialvorschrift zum Erlass einer Nebenbestimmung, so ist der Erlass also gleichwohl unter der Prämisse möglich, dass jene der Ausräumung anspruchshindernder Versagungsgründe dienen. Hierdurch wird der Behörde im Ergebnis ein Ermessen zugebilligt, indem sie zwischen der Ablehnung oder der positiven Entscheidung mit Nebenbestimmungen entscheiden kann.1828 Steht der Hauptverwaltungsakt im Ermessen der Behörde, so kann dieser gem. § 36 Abs. 2 VwVfG „unbeschadet des Absatzes 1“ unter Beachtung der allgemeinen Ermessensgrenzen mit Nebenbestimmungen versehen werden. Liegt es nämlich im Ermessen der Behörde, ob sie einen Verwaltungsakt erlässt, so soll 1827
Vgl. Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 39; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 966; Schnekenburger, NVwZ 2001, 648, 649; ähnlich für § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 120: „Generalermächtigung“; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 146; zum Themenkreis auch Schachel, Nebenbestimmungen, S. 86 ff. u. passim. 1828 Vgl. Wolff/Decker, § 36 Rn. 20; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 46a; ferner Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 966 f.; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 14.
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hierin auch die Befugnis enthalten sein, diesen mit einer Nebenbestimmung versehen zu können.1829 Der Erlass der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission steht nicht in ihrem Ermessen. Sie darf sie vielmehr nur dann versagen, wenn Ablehnungsgründe vorliegen, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG. Im Umkehrschluss hat sie also ihre zustimmende Bewertung zu erteilen, soweit Versagungsgründe nicht vorliegen. Dieses präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gewährt dem Sponsor einen Anspruch auf die zustimmende Bewertung. Es liegt mithin ein Fall des § 36 Abs. 1 VwVfG vor. Da weder im AMG noch in der GCP-V eine Befugnis zum Erlass einer Nebenbestimmung enthalten ist (§ 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG), wird davon ausgegangen, dass sich die Befugnis nur aus § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG ergeben kann. Mithin soll die Ethik-Kommission befugt sein, ihre zustimmende Bewertung insbesondere unter einer Bedingung oder einer Auflage erteilen zu können, wenn durch sie sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die zustimmende Bewertung erfüllt werden.1830 b. § 36 Abs. 2 VwVfG analog für Verwaltungsakte mit Beurteilungsspielraum? In der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Literatur wird jedoch teils eine direkte, teils eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 2 VwVfG auf solche Verwaltungsakte vertreten, hinsichtlich derer die Behörde einen Beurteilungsspielraum besitzt.1831 Folgt man dieser Auffassung unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums für Ethik-Kommissionen, so kann sie nicht nur Nebenbestimmungen zur Sicherung der tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlass der zustimmenden Bewertung erlassen (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG)1832 , sondern konsequenterweise darüber hinaus auch solche „nach pflichtgemäßem Ermessen“, soweit sich ihr Regelungsgehalt auf Tatbestandsvoraussetzungen beziehen, die ihrer Beurteilungsermächtigung unterliegen. Die Grenzen unzulässiger Nebenbestimmungen würden sich demzufolge nur aus § 36 Abs. 3 VwVfG und der Ermächtigungsgrundlage selbst ergeben. Es ist bereits auf die Strukturverwandtschaft und des fließenden Übergangs zwischen (Rechtsfolgen-)Ermessen und Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite hingewiesen worden.1833 Aus diesem Blickwinkel wäre die Anwendung des § 36 Abs. 2 1829 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 19 f.; Ruffert, in: Erischen/Ehlers, § 22 Rn. 14; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 133 ff.; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 966, 967; Bull/Mehde, Allg VerwR, § 18 Rn. 735 f. 1830 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 215; Pestalozza, HFR 2007, 1, 11; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 400; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 48; van der Sanden, Haftung, S. 205. 1831 Vgl. Wolff/Decker, § 36 Rn. 25; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 47; Detterbeck, Allg VerwR, § 10 Rn. 662; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 966, 967, jew. ohne Begründung und ohne weitere Nachw. 1832 § 36 Abs. 2 VwVfG findet „unbeschadet des Absatzes 1“ Anwendung, sodass § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG auch für Ermessensverwaltungsakte anwendbar ist, vgl. nur Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 47 a.E.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 133. 1833 Vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 15: „Ob ein administrativer Entscheidungsspielraum auf der Tatbestandseite einer Ermächtigungsnorm eingeräumt wird und daher die Gestalt eines Beurteilungsspielraums erhält, oder aber auf deren Rechtsfolgenseite eingeräumt wird
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VwVfG auch für Ethik-Kommissionen nur konsequent. Rechtfertigt sich aber § 36 Abs. 2 VwVfG vor dem Hintergrund, dass bei Ermessenverwaltungsakten die (Rechtsfolgen-)Gestaltungsfreiheit größer ist, weil es in ihrem Ermessen liegt, ob sie einen Verwaltungsakt erlassen will und ist sie aus diesem Grunde befugt, nach § 36 Abs. 2 VwVfG auch ein „Minus“ zu gewähren1834 , so passt trotz vorhandener Gemeinsamkeiten von Tatbestands- und Rechtsfolgenermessen die Regelung des § 36 Abs. 2 VwVfG nicht für Verwaltungsakte mit Beurteilungsspielraum: Der Erlass selbst liegt nicht im (Rechtsfolgen-)Ermessen der Behörde, wie präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt anschaulich belegen. Auch der Rechtfertigungsgedanke des § 36 Abs. 2 VwVfG geht für Beurteilungsspielräume ins Leere, denn während auf Rechtfolgenseite ein „Weniger“ gewährt werden kann, ist dies auf Tatbestandsseite nicht möglich. Für die Anwendung des § 36 Abs. 2 VwVfG besteht darüber hinaus auch kein Bedürfnis: Kann die Behörde bei gebundenen Verwaltungsakten nach § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG Nebenbestimmungen dann erlassen, wenn durch diese sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen (Tatbestands-)Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden, so nimmt der Beurteilungsspielraum hieran notwendigerweise schon Teil. Demzufolge richtet sich auch für Ethik-Kommissionen die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen ausschließlich nach § 36 Abs. 1 VwVfG. 2. Anwendbarkeit Taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass einer Nebenbestimmung ist § 36 VwVfG allerdings nur unter der Prämisse, dass § 36 VwVfG für Ethik-Kommission auch anwendbar ist, d. h. das Fachrecht keine Sonderbestimmungen enthält und sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen oder der Natur der Sache keine „Nebenbestimmungsfeindlichkeit“ ergibt. a. Kein Vorrang speziellerer Regelungen und kein Ausschluss durch (bewusste) Nichtregelung Weder das AMG noch die GCP-V ermächtigen zum Erlass einer Nebenbestimmung. Dem Schweigen des AMG und der auf ihr beruhenden GCP-V kann auch nicht entnommen werden, dass der allgemeine Rückgriff auf das VwVfG1835 oder speziell in Bezug auf § 36 VwVfG ausgeschlossen sein soll. Vielmehr sind nur die arzneimittelrechtlichen Besonderheiten regelt worden. Auch § 7 Abs. 2 Nr. 14 GCP-V und damit als Ermessensspielraum zu kennzeichnen ist, ist aus Sicht des ermächtigenden Rechtssetzers häufig kaum mehr als eine Frage der in concreto gewählten Gesetzesformulierung“; eingehend hierzu bereits oben, § 4 D.VII.3. 1834 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 20; Bull/Mehde, Allg VerwR, § 18 Rn. 726; Ruffert, in: Erischen/Ehlers, § 22 Rn. 14; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 134: „Wenn eine Behörde rechtsfehlerfrei eine Belastung ohne Einschränkung aussprechen, eine Begünstigung vollständig versagen könnte, kann sie auch eine bedingte oder befristete Belastung auferlegen oder eine mit Widerrufsvorbehalt versehene oder mit Auflagen verbundene Begünstigung gewähren“. 1835 Dazu bereits oben, § 4 D.VI.
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a. E. spricht für die Möglichkeit des Erlasses von Nebenbestimmungen nach allgemeinem VwVfG.1836 Hieraus folgt freilich noch nicht, dass jegliche Arten von Nebenbestimmungen zulässig sind. Sie müssen selbst wiederum im Lichte der geregelten arzneimittelrechtlichen Besonderheiten gesehen werden und dürfen weder dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage des § 42 Abs. 1 S. 7 AMG noch gegen eindeutige Regelungsintentionen des AMG und der GCP-V verstoßen, denn aus dem jeweiligen Fachrecht kann sich nach dem Zweck des Gesetzes ein Ausschluss für bestimmte Nebenbestimmungen ergeben.1837
b. Generelle oder partielle Nebenbestimmungsfeindlichkeit? Verwaltungsakte können „an sich“ nebenbestimmungsfeindlich sein. Die Unzulässigkeit von Nebenbestimmungen kann sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen, aus dem Zusammenhang und dem Zweck einer Rechtsvorschrift sowie aus der Natur der Sache ergeben. In der Rspr. ist dies vor allem für statutsverändernde Verwaltungsakte, wie etwa die Einbürgerung oder die Approbation, anerkannt.1838 Zustimmende Bewertungen von Ethik-Kommissionen sind jedoch weder statusverändernd, noch greift im immanenten Unsicherheitsbereich der klinischen Prüfung der Rechtsgedanke ein, dass gestaltende Wirkungen keine Unsicherheiten vertragen (§ 388 S. 2 BGB). Fraglich ist aber, ob sich aus dem Themenfeld der klinischen Prüfung und/oder der Eigenart der Tätigkeit von Ethik-Kommissionen eine Nebenbestimmungsfeindlichkeit ergibt. Teilweise ist vorgetragen worden, dass die Ethik-Kommission durch Hinzufügung von bestimmten Arten von Nebenbestimmungen ihre Aufgabe der Präventivkontrolle nicht mehr gerecht wird und auch einzelne Nebenbestimmungen aufgrund der „punktuellen Wirkung“ der zustimmenden Bewertung nicht zulässig sind.1839 Letzterer Gesichtspunkt hat sich mit Einführung des § 42a Abs. 4a AMG erledigt. Ersterer betrifft nicht die Nebenbestimmungsfeindlichkeit, sondern die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen im Einzelfall. Meuser/Platter verneinen zwar die Nebenbestimmungsfeindlichkeit, gehen jedoch über die Einzellfallerwägungen hinaus. Sie wollen einenAntrag auf klinische Prüfung auch an „kleinen Fehlern komplett scheitern“ lassen und sehen dies vom AMG als „bewusst in Kauf genommen“ an.1840 Dem ist zu widersprechen: Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Ethik-Kommissionen
1836
Wie hier für § 36 VwVfG auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 183 f., 214 ff.; Pestalozza, HFR 2007, 1, 11 f.; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 400; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 23 f., 48; Rehmann, § 42 Rn. 6; van der Sanden, Haftung, S. 203 f. 1837 Allg. hierzu BVerwG 104, 331, 334; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 9; s.a. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 21; Brenner, JuS 1996, 281, 282. 1838 Vgl. BVerwGE 27, 263, 266 (Einbürgerung); BVerwGE 108, 100, 103 f (Approbation); hierzu Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 5; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 9, jew. m.w. Nachw. aus der Rspr. 1839 Vgl. v. Kielmansegg, Verrechtlichung, S. 7 ff.; inhaltsgleich van der Sanden, Haftung, S. 205 ff. 1840 Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 400 f.
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und die §§ 40 ff. AMG von anderen Behörden mit einem anderen Normenprogramm derartig unterscheiden sollen.1841
3. Herstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für die zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG Wie ausgeführt darf die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen, wenn jene dazu dient, anspruchshindernde Versagungsgründe auszuräumen, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Der Zweck dieser Regelung besteht darin, in sachlich gerechtfertigten Fällen ausnahmsweise eine abschließende Sachentscheidung zu einem Zeitpunkt zu treffen, in dem noch nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.1842 § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG führt weder dazu, die Ermächtigung zum Erlass des Verwaltungsaktes zu relativieren, noch wird die Möglichkeit gewährt, auf gesetzliche Voraussetzungen verzichten zu dürfen.1843 Für eine rechtmäßige Beifügung einer Nebenbestimmung ist in der vorliegenden Konstellation also Voraussetzung, dass der Sponsor zum Zeitpunkt der Ethik-Kommissionsentscheidung wegen des Fehlens der anspruchsbegründenden Voraussetzungen (noch) keinen Anspruch auf die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission haben darf.
4. Keine Zweckwidrigkeit der Nebenbestimmung, § 36 Abs. 3 VwVfG Nebenbestimmungen stehen in einem akzessorisch-funktionalen Verhältnis zum Hauptverwaltungsakt.1844 § 36 Abs. 3 VwVfG ordnet an, dass eine Nebenbestimmung dem Zweck der Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen darf. Für diese Beurteilung maßgeblich sind die allgemeinen Gründsätze für die Ermessensausübung nach § 40 VwVfG iVm dem konkret einschlägigen Recht, das für den Hauptverwaltungsakt anzuwenden ist. Nebenbestimmungen haben folglich ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Rechtsmaterie zu finden, was nur dann der Fall ist, wenn die Nebenbestimmung im Einklang mit der materiellen Ermächtigung steht, die für den Hautverwaltungsakts anzuwenden ist.1845 Neben dem allgemeinen Kopplungsverbot stellen das ordnungsgemäß ausgeübte Entschließungs- und Auswahlermessen Grenzen zulässiger Nebenbestimmungen dar.1846 Die rechtmäßige Beifügung einer 1841
Wie hier im Ergebnis Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 48. Vgl. Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 44; Heitsch, DöV 2003, 367, 372; ausf. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 120 ff. 1843 Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 122 u. 124. 1844 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 147. 1845 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 46a u. 54 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 143 ff. 1846 Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 146; s.a. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 21. 1842
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Nebenbestimmung, die der Ausräumung von Versagungsgründen dienen soll (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG), steht daher für Ethik-Kommissionen zusätzlich unter der Prämisse, dass jene – als äußerste Grenze zulässiger Ermessenbetätigung – nicht dem Zweck der zustimmenden Bewertung zuwiderläuft, sich jene auch vor dem Hintergrund des AMG und der GCP-V rechtfertigen lässt und die Entscheidung, ob eine Nebenbestimmung statt Ablehnung der zustimmenden Bewertung (Entschließungsermessen) sowie die gewählte Art der Nebenbestimmung (Auswahlermessen) sich in den Grenzen zulässiger Ermessenausübung bewegt, also insbesondere auch verhältnismäßig ist. Von vornherein unzulässig wäre eine zustimmende Bewertung mit einer Nebenbestimmung anstatt Versagung der zustimmenden Bewertung, wenn die Ethik-Kommission die Nebenbestimmung zur Erleichterung ihrer Aufgabe wählt, etwa wenn sie sich nicht später nochmals mit dem Antrag beschäftigen will.1847 5. In Betracht kommende Arten von Nebenbestimmungen für Ethik-Kommissionsvoten Klärungsbedürftig ist, welche Arten von Nebenbestimmungen unter den zuvor genannten Prämissen die Ethik-Kommission ihrer zustimmenden Bewertung ermessensfehlerfrei und ohne im Einzelfall in Konflikt mit dem AMG und der GCP-V zu geraten, beizufügen befugt ist. § 36 Abs. 2 VwVfG zählt beispielhaft1848 die wichtigsten in Betracht kommenden Nebenbestimmungen auf. Sie gelten für § 36 Abs. 1 VwVfG gleichermaßen. a. Befristung, § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG Die Befristung des § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist angelehnt an § 163 BGB und bestimmt den zeitlichen Geltungsbereich des Verwaltungsaktes. Mit ihr kann bestimmt werden, dass die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes erst mit einem zukünftigen Zeitpunkt beginnen (aufschiebende Befristung) oder mit einem zukünftigen Zeitpunkt enden (auflösende Befristung) sollen.1849 Eine befristete zustimmende Bewertung erscheint für Ethik-Kommissionen nur insoweit in Betracht zu kommen, als sie die Wirksamkeit ihrer zustimmenden Bewertung an den Zeitpunkt des geplanten Studienendes knüpft. Eine derartige aufschiebende Befristung kann jedoch nicht dazu dienen, Versagungsgründe für die zustimmende Bewertung auszuräumen. Als Dauerverwaltungsakt1850 teilt das Ethik-Kommissionsvotum ferner die Dauer der klinischen Prüfung, die im Zeitpunkt der Antragsstellung nur vage angedeutet werden kann. Endet die Wirksamkeit der zustimmenden Bewertung mit dem Eintritt des 1847
Allg. hierzu Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 146. Str., vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 2; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 13; Brenner, JuS 1996, 281, 386; a.A. und für numerus clausus etwa Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 868. 1849 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 6; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 70 f.; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 868. 1850 Seit Einfügung des § 42a Abs. 4a AMG ist geklärt, dass die zustimmende Bewertung kein „einmaliger Türöffner“ ist. 1848
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bestimmten Zeitpunkts, so hat der Sponsor auch keine Möglichkeit, eine verlängerte Studiendauer anzuzeigen oder sich nach Maßgabe des § 10 GCP-V genehmigen zu lassen, sondern er müsste einen Neuantrag bei der Ethik-Kommission stellen, was der Intention des AMG und der GCP-V zuwiderläuft. Auch in den übrigen denkbaren Fällen erscheint eine Befristung mit Blick auf § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG weder zulässig noch praxisrelevant.1851 b. Bedingung, § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG Die Bedingung ist ein Instrument, um sich auf Unwägbarkeiten einzustellen.1852 Die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes werden von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht, und zwar entweder insofern, als die Rechtswirkungen mit dem Eintritt des Ereignisses eintreten (aufschiebende Bedingung) oder sie mit seinem Eintritt wegfallen (auflösende Bedingung). Unerheblich für die Annahme einer Bedingung ist, dass der Eintritt des zukünftigen Ereignisses vom Willen des Adressaten oder eines anderen abhängt (Potestativbedingung).1853 Gekennzeichnet ist die (aufschiebende) Bedingung im Gegensatz zur Auflage, dass der Verwaltungsakt ohne das Ereignis erst gar nicht wirksam (§ 43 Abs. 1 VwVfG) wird. Mit Bedingungseintritt tritt also ein Automatismus ein, der bei der Auflage gerade fehlt.1854 Ergeht die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission unter Beifügung einer aufschiebenden Bedingung, so darf, anders als bei der Auflage, ohne ihren Eintritt mit der klinischen Prüfung nicht begonnen werden. Die aufschiebende Bedingung ist für Ethik-Kommissionen eine ernstzunehmende und praxisrelevante Nebenbestimmung, weil sie anders als die Auflage in der Lage ist, dem Spagat zwischen verhältnismäßiger Bescheidung des Sponsors und dem Patienten-/Probandenschutz hinreichend Rechnung zu tragen. c. Widerrufsvorbehalt, § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG Als Unterfall der auflösenden Bedingung dient der Widerrufsvorbehalt (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) dazu, die spätere Bestandskraft des Verwaltungsakts unter Abschwächung des Vertrauensgrundsatzes erleichternd zu durchbrechen, § 49 Abs. 2 Nr. 1 1851
Diskutiert wird teilweise eine Befristung im Rahmen auslaufender Probandenjahresverträge; vgl. v. Kielmansegg, Verrechtlichung, S. 8 f. Hier erscheint aber nur eine auflösende Bedingung in Betracht zu kommen. 1852 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 140. 1853 Vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 6; Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 6; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 75 f.; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 19; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 868. 1854 Vgl. zur (schwierigen) Abgrenzung Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 34; Bull/Mehde, Allg VerwR, § 18 Rn. 723; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 868 f.; Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 10 ff.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 86; zurückgehend auf Savigny (System des heutigen römischen Rechts, Bd. III, 1840, S. 231) gilt: „Die Bedingung. . . suspendiert, zwingt aber nicht; der Modus (die Auflage) zwingt, suspendiert aber nicht“.
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VwVfG.1855 Der Vorbehalt des Widerrufs ist für Ethik-Kommissionen unzulässig: Die Widerrufsgründe für die zustimmende Bewertung sind in § 42a Abs. 4a AMG abschließend aufgezählt worden. Mit Hilfe des Widerrufsvorbehalts dürfen diese nicht erweitert werden und es ist auch keine Konstellation vorstellbar, in welcher ein Widerrufsvorbehalt der Herstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass der zustimmenden Bewertung dienen kann.1856 d. Auflage, § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG Die Auflage iSd § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG verpflichtet den Begünstigten zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen. Sie steht als eine eigene, selbstständig durchsetzbare und vollstreckbare (Sach-)Regelung neben dem Hauptverwaltungsakt; als akzessorische Nebenbestimmung ist sie jedoch von ihm abhängig.1857 Praxisrelevant ist die Auflage deshalb, weil sie „ein vorzügliches Instrument zur Verhaltenssteuerung“ darstellt, anders als die Bedingung nicht mit einem „groben Mechanismus“ arbeitet, für den Antragssteller verhältnismäßiger sein kann und einzelfallbezogene Reaktionsmöglichkeiten im Falle ihrer Nichtbeachtung eröffnet.1858 So sehr die Auflage auch an Praxisrelevanz für sonstige Behörden haben mag, für Ethik-Kommissionen dürfte sie grundsätzlich unzulässig sein, da die zustimmende Bewertung ohne Rücksicht darauf, ob die Auflage vom Sponsor erfüllt wird, sofort wirksam wird. Anders als die „schärfere“ Bedingung ist die Auflage folglich für die Sicherstellung probanden-/patientenschutzbezogener Voraussetzungen ungeeignet.1859 Entschließt sich die Ethik-Kommission, ihre zustimmende Bewertung mit einer Nebenbestimmung zu versehen, anstatt sie abzulehnen, so wird – rechtmäßige Ausübung des Entschließungsermessens vorausgesetzt – grundsätzlich nur die Beifügung einer aufschiebenden Bedingung im Hinblick auf das Auswahlermessen ermessensfehlerfrei sein, soweit es um die Erfüllung patienten-/probandenschutzbezogener Voraussetzungen geht. e. Auflagenvorbehalt, § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG Der Vorbehalt nachträglicher Auflagen und Änderungen oder Ergänzungen von Auflagen (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) gibt der Behörde die Befugnis, entsprechende 1855
Vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 6; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 78; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 868; Bull/Mehde, Allg VerwR, § 18 Rn. 721. 1856 Allg. hierzu Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 27, wonach es „schwer vorstellbar“ sei, inwieweit ein Widerrufsvorbehalt erforderlich sein kann, um die gesetzlichen Voraussetzungen für den Hauptverwaltungsakt zu schaffen. 1857 Vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 9; Bull/Mehde, Allg VerwR, § 18 Rn. 722; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 75 f.; Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 9; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 142; dort auch jeweils zur umstrittenen Frage, ob die Auflage ein selbstständiger Verwaltungsakt ist. 1858 Vgl. Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 142. 1859 So auch die überwiegende Auffassung, vgl. Pestalozza, HFR 2007, 1, 12; Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 401; v. Kielmansegg, Verrechtlichung, S. 9 f.; van der Sanden, Haftung, S. 207.
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Anordnungen nach Erlass des Verwaltungsaktes treffen zu können. Seine Funktion liegt in der Erhaltung des behördlichen Gestaltungsspielraums trotz verwaltungsaktlicher Festlegungen und kommt vor allem dann in Betracht, wenn die Auswirkungen einer Regelung noch nicht voll absehbar sind.1860 Entsprechend den Einschränkungen, die im Hinblick auf die Auflage im Verhältnis zur Bedingungen gelten, dürfte auch der Auflagenvorbehalt für Ethik-Kommission grundsätzlich unzulässig sein. Ebenso wie beim Widerrufsvorbehalt stellt sich aber auch die Frage, inwieweit ein Auflagenvorbehalt dazu bestimmt sein kann, anfängliche Versagungsgründe auszuräumen, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG.
6. Beurteilungsspielraum und „modifizierende Auflage“ In der Praxis stellt sich aufgrund der vielschichtigen und teils hochkomplexen Sachmaterien oft die Frage, ob sich die klinische Prüfung in dem ein oder anderen Bereich innerhalb der §§ 40 ff. AMG bewegt. Gelangt die Ethik-Kommission nach pflichtgemäßer Inanspruchnahme ihres Beurteilungsspielraums zu dem Ergebnis, dass die zustimmende Bewertung zu versagen ist, sieht sie aber einzelfallbezogene Möglichkeiten, durch welche Maßnahmen das Prüfvorhaben in den Vertretbarkeitsbereich der §§ 40 ff. AMG „hineingelangen“ kann, so wäre es durchaus „wünschenswert“, wenn sie anstatt die klinische Prüfung abzulehnen, in Form eines „Zusatzes“ zur positiven Entscheidung Versagungsgründe ausräumen und feinsteuernd eingreifen könnte. Kompromisslösungen durch staatlich neutrale Instanzen, die zwischen verschiedenen Belangen vermitteln, dürften gerade bei Risikoentscheidungen ein wesentliches Instrument der situationsangemessenen Regelung von Sachverhalten darstellen und gerade fördernd auf die Präventivtätigkeit einwirken. Bewerkstelligen ließe sich dies für Ethik-Kommissionen aber nur dadurch, dass sie auf den Inhalt des Forschungsvorhabens Einfluss nehmen, d. h. mittels einer modifizierenden Auflage1861 . Sie liegt dann vor, wenn eine beantrage Begünstigung so sehr abgewandelt wird, dass der Antrag im Ergebnis abgelehnt wird und die erfolgte Genehmigung ein aliud darstellt. Im Unterschied zur Auflage ist das zur Genehmigung stehende Vorhaben unmittelbar selbst betroffen, indem es modifiziert wird. Der Bürger erhält mithin nicht das, was er beantragt hat, sondern die Genehmigung bleibt hinter dem Antrag zurück (modifizierende Genehmigung).1862 Die überwiegende Auffassung in der Literatur sieht in der modifizierenden Auflage keine Neben- sondern eine Inhaltsbestimmung, für die § 36 VwVfG nicht anwendbar ist.1863 1860 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 38; Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR Bd. II, § 35 Rn. 143; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 869. 1861 Grdl. Weyreuther, DVBl. 1969, 295 ff.; DVBl. 1984, 365 ff. 1862 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 16; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 96. 1863 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 35; Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 16; Decker/Wolff, § 36 Rn. 46; Heitsch, DöV 2003, 367, 368; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 97 f.; Brüning, NVwZ 2002, 1081, 1082; Brenner, JuS 1996, 281, 285; Axer, Jura 2001, 748, 750; Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 10; Bull/Mehde, Allg VerwR, § 18 Rn. 724.
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Für Ethik-Kommissionen sind modifizierende Gestattungen in unzähligen Fallgestaltungen denkbar, etwa die zustimmende Bewertung mit der Maßgabe, die Patientenzahl zu erhöhen oder zu verringern, zusätzliche Begleituntersuchungen vorzunehmen, das Studiendesign zu ändern, etwa statt Placebo das Standardpräparat zu geben, die Prüfung randomisiert durchzuführen, ein doppelblindes Design zu wählen oder gar zur Erhöhung der wissenschaftlichen Bedeutung das Prüfpräparat noch unter einem anderen Gesichtspunkt zu prüfen. In derartigen Fällen stimmt der Antrag des Sponsors nicht mit dem Inhalt der zustimmenden Bewertung überein, sondern das Prüfvorhaben wird modifiziert genehmigt. Der Ethik-Kommission steht es jedoch nicht zu, das Prüfvorhaben nach ihren Vorstellungen abzuändern oder zu verbessern. Als Genehmigungsbehörde hat sie dem Sponsor die autonome Gestaltung des Prüfvorhabens zu überlassen.1864 Insoweit wäre es denkbar, dass sich die Unzulässigkeit modifizierender Gestattungen bereits (stillschweigend) aus dem AMG selbst ergibt.1865 Die modifizierende Genehmigung ist aber grundsätzlich schon wegen eines fehlenden Antrags rechtswidrig (§ 22 Nr. 2 VwVfG). Der Fehler kann jedoch dadurch geheilt werden, dass der Antrag nachträglich, ggf. auch konkludent, gestellt wird.1866 Der Sponsor kann also wählen, ob er sein Prüfvorhaben anhand der erteilten inhaltlich beschränkten zustimmenden Bewertung ausrichtet oder Verpflichtungsklage1867 auf Erteilung einer uneingeschränkten zustimmenden Bewertung erhebt. Jedenfalls hat er sich nicht von der Ethik-Kommission ein Prüfvorhaben aufdrängen zu lassen, das nicht seinen Intentionen entspricht. Der Beurteilungsspielraum der Ethik-Kommissionen korreliert mithin nicht mit der Befugnis, das Prüfvorhaben nach eigenen Wertmaßstäben abzuändern bzw. zu modifizieren.1868
7. Ausgewählte praxisrelevante Anwendungsbereiche Praxisrelevant ist die Beifügung einer Nebenbestimmung dann, wenn die klinische Prüfung in einigen und relativ unwesentlichen Punkten nicht im Einklang mit den §§ 40 ff. AMG steht, vorausgesetzt, aufgrund jener Punkte ermangelt es an der Genehmigungsfähigkeit des Antrags, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass nur die Bedingung und die Auflage 1864
Wir hier Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 401; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 48. Fachrechtlich kann die Erteilung einer Genehmigung mit modifizierender Gestattung ausgeschlossen sein, vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 97. 1866 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 12 Rn. 16; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 97; Decker/Wolff, § 36 Rn. 45. 1867 Bei Inhaltsbestimmungen wie bei der modifizierten Auflage kommt nur eine Verpflichtungsklage auf „modifizierungsfreie Genehmigung“ und keine isolierte Anfechtungsklage in Betracht, vgl. nur BVerwGE 69, 37, 39; NVwZ 1984, 371, 372; Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867, 871; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 95. 1868 Zum gleichen Ergebnis käme man auch dann, soweit man für Beurteilungsspielräume § 36 Abs. 2 VwVfG anwendet, denn der inhaltsmodifizierende Charakter der EthikKommissionsentscheidung bleibt bestehen. 1865
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zulässige und praxisrelevante Nebenbestimmungen sind. Anhand der einzelnen Versagungsgründe seien nachfolgend einige praxisrelevante Anwendungsbereiche für Nebenbestimmungen herausgegriffen und erörtert.
a. Unterlagenunvollständigkeit, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG Die Ethik-Kommission kann nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG ihre zustimmende Bewertung versagen, wenn die vorgelegten Unterlagen nach Ablauf einer dem Sponsor gesetzten angemessenen Frist zur Ergänzung unvollständig sind. Die Probleme, die aus jener Unterlagennachforderung mit gleichzeitiger Ablehnungsbefugnis und aus der fehlenden Übereinstimmung zwischen dem AMG und der GCP-V resultieren, sind bereits erörtert worden.1869 Fraglich ist, ob der Ethik-Kommission über § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG die Befugnis zuzugestehen ist, die klinische Prüfung positiv mit einer Nebenbestimmung zu bescheiden, anstatt sie wegen Unterlagenunvollständigkeit abzulehnen. Vor Erlass einer Auflage oder einer Bedingung ist die Inanspruchnahme der Unterlagennachforderung binnen angemessener Frist als zwingend anzusehen, denn erst dann, wenn der Sponsor Unterlagen innerhalb der gesetzten Frist nicht beibringt, besteht überhaupt ein Versagungsgrund, dessen Ausräumung mittels einer Nebenbestimmung nach § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG zulässig wäre.1870 Der praktische Anwendungsbereich dürfte daher äußerst gering sein. Er beschränkt sich auf solche Unterlagen, die innerhalb einer angemessenen Frist vom Sponsor nicht beigebracht werden oder nicht beigebracht können, weil ihre Erstellung längere Zeit beansprucht. Für jene Fälle besteht prinzipiell die Möglichkeit einer Auflage oder einer aufschiebenden Bedingung. Jedoch sind auch hier erhebliche Restriktionen für den Gebrauch von Nebenbestimmungen angezeigt. Soweit man mit der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass die gesetzliche Frist von 14 Tagen nach § 8 Abs. 1 GCP-V nur Anhaltspunkt für die Angemessenheit der behördlichen Frist nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 AMG ist und diese auch verlängert werden kann (§ 31 Abs. 7 VwVfG), dürfte grundsätzlich zunächst eine Fristverlängerung in Betracht kommen. Mit dieser Vorgehensweise wird gewährleistet, dass die Ethik-Kommission über einen vollständigen Antrag entscheidet und nicht über einen unvollständigen, dem fehlende Unterlagen nach positiver Votierung nachgeliefert werden. Ist die Unterlagenbeschaffung nicht innerhalb angemessener Frist möglich, so dürfte das Entschließungsermessen idR zur Ablehnung des Antrags tendieren, ggf. mit dem Hinweis an den Sponsor, dass bei Unterlagenbeschaffung der Antrag als neugestellt behandelt wird. Besteht eine Korrelation zwischen der Unterlagenbeibringungspflicht und des Nachweises der Tatbestandvoraussetzungen der §§ 40 ff. AMG, so dürfte jedenfalls grundsätzlich das Auswahlermessen zugunsten einer aufschiebenden Bedingung auf Null reduziert sein, denn bei dem schwächeren
1869 1870
Oben, § 5 B.II.5.e.cc(2). Unklar Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 400.
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Institut der Auflage könnte die klinische Prüfung beginnen, ohne dass die Einhaltung der §§ 40 ff. AMG seitens der Ethik-Kommission sichergestellt worden wäre.1871 b. Nichteinhaltung des Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ungeeignetheit der klinischen Prüfung für den Wirksamkeitsnachweis, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG Im Rahmen des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG sind Nebenbestimmungen iSd § 36 VwVfG nicht vorstellbar. Etwaige Zusätze können im hiesigen Kontext nur die Intention verfolgen, eine nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis geplante klinische Prüfung durch Einflussnahme auf Durchführung und Design zu verbessern. Insoweit kommen nur modifizierende Gewährungen in Betracht, z. B. dergestalt, dass die Ethik-Kommission die zustimmende Bewertung mit der (inhaltlichen) Einschränkung gewährt, die klinische Prüfung für ein statistisch aussagekräftigeres Ergebnis an einem größeren Patientenkollektiv durchzuführen oder das Vorhaben nicht blind sondern doppelblind auszuführen. Der Ethik-Kommission steht es aber nicht zu, den Antrag durch konkrete Einflussnahme auf das Prüfvorhaben „zu retten“ oder dem Sponsor eine inhaltlich modifizierte klinische Prüfung „aufzudrängen“.1872 c. Risiko-Nutzen-Relationen, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG Gleiches ist anzunehmen für die Risiko-Nutzen-Relation nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG. Auch hier sind nur solche Nebenbestimmungen denkbar, die konkret in das Prüfvorhaben gestaltend eingreifen, wie z. B. einzelne Begleituntersuchungen zu unterlassen oder zur Sicherung des Wohlergehens vorzunehmen, mit einer anderen Dosierung des Prüfmedikaments zu beginnen, die Dauer der Placebobehandlung zu verkürzen oder gänzlich auf Placebo zu verzichten. Nicht selten kommt es dagegen vor, dass in einer klinischen Prüfung die Phasen I und II kombiniert werden, bei einer erstmaligen Verwendung des Prüfpräparats aus Sicht der Ethik-Kommission ein zu großes Patientenkollektiv eingeschlossen werden soll oder eine klinische Prüfung über mehrere Jahre vorgenommen wird. In diesen Fällen erscheint es angebracht, den Sponsor über eine Auflage zur Mitteilung über die Ergebnisse der Zwischenauswertung anzuhalten oder eine Zwischenauswertung aufzuerlegen1873 , wenn die Ethik-Kommission die klinische Prüfung ansonsten wegen fehlender Nutzenprognostizierung oder unverhältnismäßig großen Risiken für die betroffenen Personen komplett ablehnend bewerten müsste. 1871 Wie hier im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 207; Pestalozza, HFR 2007, 1, 12. Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 400 halten Nebenbestimmungen im hiesigen Kontext für ausgeschlossen, weil das AMG und die GCP-V ein „autonomes Fristenregime“ schaffen wollte; dagegen und wie hier Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 48. 1872 Wie hier Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 401; Kloesel/Cyran, § 42 Anm. 48. 1873 Die Auferlegung einer Zwischenauswertung ist nicht als eine modifizierende Gestattung anzusehen, soweit nur bereits gesammelte Daten ausgewertet werden. Inhaltsmodifizierenden Charakter bekommt eine derartige Auflage erst dann, wenn der Sponsor angehalten wird, zusätzliche Begleitund Kontrolluntersuchungen für die Zwischenauswertung vorzunehmen.
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d. Einwilligung und Aufklärung, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 Praxisrelevanz für Nebenbestimmungen kommt vor allem der Aufklärungsunterlage zu. Der derzeitige Inhalt der Ethik-Kommissionsvoten reicht von Formulierungsvorschlägen über zusätzliche Aufnahmen von Neben- und Wechselwirkungen, der Nervenschädigung bei Blutentnahmen bis hin zu Angaben über die Probandenversicherung und die Aushändigung der Versicherungsbedingungen. Nebenbestimmungen kommen hier nur dann in Betracht, wenn die Versuchsteilnehmer nicht hinreichend über Wesen, Bedeutung, Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung aufgeklärt werden (§ 40 Abs. 2 AMG) und die Kommission infolgedessen ihre Zustimmung versagen müsste, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Missverständliche Formulierungen erfüllen diese Voraussetzung nicht und eröffnen nur die Möglichkeit für unverbindliche Hinweise. Erst dann, wenn die Aufklärung den gesetzlichen Erfordernissen nicht standhält, ist eine Nebenbestimmung statt Ablehnung der klinischen Prüfung in Betracht zu ziehen. Da es sich hier immer um solche Fehler handelt, deren Beseitigung schnell möglich ist, dürfte das Entschließungsermessen der Ethik-Kommission für eine positive Entscheidung mit Nebenbestimmung gegen Null tendieren, denn es erscheint grob unverhältnismäßig, den Antrag nur deswegen negativ zu bescheiden, weil etwa die Nervenschädigung bei der Blutentnahme fehlt.1874 Da es sich bei dem Prinzip der Einwilligung nach Aufklärung um ein zentrales Rechtfertigungselement medizinischer Forschung handelt, kommt nur eine aufschiebende Bedingung in Betracht.1875 e. Geeignetheit von Prüfeinrichtung, angemessene Qualifikation der Prüfer, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 Ebenfalls von besonderer Praxisrelevanz ist der Ausschluss ungeeigneter Prüfeinrichtungen bei multizentrischer Prüfung und einzelner unangemessen qualifizierter Prüfer, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5. Das AMG ist anders als die GCP-V nicht auf die Gegebenheiten bei multizentrischen Prüfungen eingestellt, sodass dem Wortlaut nach die gesamte mulizentrische klinische Prüfung abgelehnt werden müsste, sobald nur eine Prüfeinrichtung oder ein Prüfer unzureichend qualifiziert ist. Bei klinischen Prüfungen, die über mehrere Prüfstätten verfügen, erscheint dies jedoch unverhältnismäßig. Auch die Richtlinie 2001/20/EG geht ausdrücklich davon aus, dass trotz einer einzigen Stellungnahme „nicht ausgeschlossen ist, dass die Prüfung in bestimmten Prüfstellen abgelehnt wird“.1876 Hier kommt eine zustimmende Bewertung mit der aufschiebenden Bedingung in Betracht, dass einzelne 1874
A.A. Meuser/Platter, PharmR 2005, 395, 401. Dies wird in der Praxis bereits stillschweigend so gehandhabt: Der Sponsor übermittelt der Ethik-Kommission grundsätzlich die geänderte Patienteninformation und macht die eingefügten „Änderungswünsche“ der Kommission kenntlich. Diese bestätigt dem Sponsor, dass nunmehr keine Bedenken gegen das Prüfvorhaben bestehen. 1876 So Erwägungsgrund (8) der Richtlinie 2001/20/EG; hierzu auch v. Dewitz, A&R 2008, 156, 157. 1875
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Prüfer und/oder Prüfeinrichtungen von der multizentrischen klinischen Prüfung ausgeschlossen werden.1877 Kommt der Sponsor dem nach, so kann er später, wenn er einen Ersatz für die ausgeschlossenen Prüfer und/oder Prüfeinrichtungen gefunden hat, die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission nach § 10 Abs. 4 GCP-V einholen. Vor diesem Hintergrund dürften sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen für eine positive Entscheidung mit aufschiebender Bedingung auf Null reduziert sein. Gleiches gilt aber auch für die umgekehrte Konstellation, nämlich wenn die zustimmende Bewertung wegen des anfänglichen Vorliegens einer fehlenden Eignung und Qualifikation von Prüfer und/oder Prüfstätte (§ 42a Abs. 4a S. 1 Alt. 1, 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG) oder bei dessen nachträglichem Eintritt (§ 42a Abs. 4a S. 1 Alt. 2 Nr. 1 AMG) zurückzunehmen bzw. zu widerrufen ist. Hier erscheint es grob unverhältnismäßig, die klinische Prüfung alleinig wegen eines einzelnen unqualifizierten Prüfers gänzlich zum Erliegen zu bringen. f. Probandenversicherung, § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG Fraglich ist, wie die Ethik-Kommission mit zum Jahresende auslaufenden oder befristeten Probandenversicherungen umzugehen hat. Auch hier kommen Nebenstimmungen in Betracht, deren Zulässigkeit jedoch davon abhängt, dass die Ethik-Kommission berechtigt wäre, den Antrag ablehnend zu bewerten, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Mit einer auch befristeten oder zum Jahresende auslaufenden Probandenversicherung erfüllt der Sponsor aber die Vorgaben des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG zum Zeitpunkt des Erlasses der zustimmenden Bewertung. Nach umstrittener aber überwiegender Auffassung in der verwaltungsrechtlichen Literatur ermächtigt § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG nur zu solchen Nebenbestimmungen, die sicherstellen sollen, dass die Anspruchsvoraussetzungen einmalig erfüllt werden, und nicht zu solchen, die sicherstellen, dass die Anspruchsvoraussetzungen auch erfüllt bleiben.1878 Eine Ausnahme soll aber dann in Betracht kommen, wenn Tatbestandsmerkmal der anspruchsbegründenden Norm ist, dass die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen auf Dauer gesichert sein muss oder aber durch eine Nebenbestimmung Voraussetzungen für einen überschaubaren Zeitraum und für bereits hinreichend konkretisierte Erfordernisse sichergestellt werden.1879 Mit dem Passus des § 40 Abs. 1 S. 3 AMG („wenn und solange“) wird das Erfordernis aufgestellt, dass die Voraussetzungen der §§ 40 ff. AMG über den gesamten Zeitraum der klinischen Prüfung vorliegen müssen. Seit Einfügung des § 42a Abs. 4a AMG ist das Ethik-Kommissionsvotum auch nicht mehr als „einmaliger Türöffner“ zu verstehen und das Nichtbestehen einer „ordnungsgemäßen Probandenversicherung“ berechtigt die Ethik-Kommission zum 1877
Für eine (aufschiebende) Bedingung wohl auch v. Dewitz, A&R 2008, 213. BVerwGE 60, 269, 276 Heitsch DÖV 2003, 367, 369; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 45; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 122; Ruffert in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 22 Rn. 14; a.A. etwa Brenner, JuS 1996, 281, 282. 1879 Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn. 123; Kopp/Ramsauer, § 36 Rn. 45. 1878
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Widerruf ihrer erteilten zustimmenden Bewertung, § 42a Abs. 4a Nr. 2 AMG. Damit kann aber auch der Ethik-Kommission nicht (mehr) die Befugnis abgesprochen werden, Nebenbestimmungen zu erlassen, die auf die Sicherstellung zukünftiger Erfordernisse ausgerichtet sind. Ist eine Probandenversicherung nur befristet oder läuft sich zum Jahresende aus1880 , so kommt hier eine auflösende Bedingung für den Fall der Nichtverlängerung der Probandenversicherung in Betracht.1881 g. Publikationsklauseln in Forschungsverträgen und Forschungsprotokollen Ethik-Kommissionen beschäftigen sich teilweise auch mit den Publikationsklauseln in den Forschungsverträgen und Forschungsprotokollen1882 , die sich oftmals als sittenwidrig nach § 138 BGB erweisen, weil die Publikation durch den Forscher vom Willen des Sponsors abhängig gemacht wird (sog. Maulkorbklausel).1883 Die Sittenwidrigkeit folgt aus der verfassungsrechtlichen Wertung anhand der Grundrechte des Forschers aus Art. 2, 5 Abs. 3, 12, 14 GG.1884 Da die Ethik-Kommission aber nicht die Befugnis hat, die klinische Prüfung wegen Vorhandenseins einer „Maulkorbklausel“ ablehnend zu bewerten, ist ihr auch die Erteilung einer Nebenbestimmung nicht möglich, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG.1885
8. Haftungsrechtliche Konsequenzen Versieht eine Behörde eine Genehmigung mit belastenden Nebenbestimmungen, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen, so stellt dies nach st. Rspr. eine Verletzung eine dem Antragsteller gegenüber obliegende Amtspflicht dar.1886 Somit verletzen auch vorliegend Ethik-Kommissionsmitglieder ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, wenn sie den Sponsor mit einer Nebenbestimmung bescheiden, für die die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, also insbesondere dann, wenn die Ethik-Kommission fälschlicherweise von Versagungsgründen ausgeht 1880
Oftmals verlängert sich die Probandenversicherung aber auch stillschweigend um ein weiteres Jahr. In diesem Fall darf die Ethik-Kommission davon ausgehen, dass fortwährender Versicherungsschutz für die gesamte Dauer der klinischen Prüfung vorhanden sein wird. 1881 Wie hier im Ergebnis auch vor Einführung des § 42a Abs. 4a AMG v. Kielmansegg, Verrechtlichung, S. 8, der dann, soweit das Ethik-Kommissionsvotum als aufhebbarer Dauerakt zu qualifizieren wäre, „keine grundsätzlichen Bedenken“ gegen eine auflösende Bedingung sieht. 1882 Krit. zu dieser Praxis Felder, PharmR 2007, 226, 228 f.; dagegen Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 55: „Die Prüfung von Publikationsklauseln obliegt den Ethik-Kommissionen“. 1883 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 949; Deutsch, in: GS Frohn, S. 37 ff.; ders., in: FS Müller, S. 201, 202, 205; Pramann, Publikationsklauseln, bes. S. 65 ff. u. passim; Laufs, in: Laufs/Kern, § 130 Rn. 55. 1884 Mittelbare Drittwirkung der Grundrechte; s.a. Art. 6 EGBGB. Eingehend zum Themenkomplex Pramann, Publikationsklauseln, bes. S. 88 ff. u. passim. 1885 A.A. Pramann, Publikationsklauseln, S. 136 ff., der gleichwohl eine Auflage für möglich hält. 1886 BGH WM 1973, 724, 727; NVwZ 1986, 961 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 573.
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(§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG) oder Nebenbestimmungen unabhängig vom Vorliegen von Versagungsgründen erlässt. Unzulässig und mithin amtspflichtwidrig ist auch der Erlass einer modifizierenden Gestattung. Bewertet die Ethik-Kommission in der umgekehrten Konstellation die klinische Prüfung zutreffend wegen Vorhandenseins von Versagungsgründen ablehnend, hätte sie aber die Möglichkeit gehabt, die klinische Prüfung positiv mit einer zulässigen Nebenbestimmung zu bescheiden, kann eine Verletzung der Amtspflicht zu rechtmäßigem – genauer: ermessensfehlerfreiem – Verhalten vorliegen, wenn sich die gänzliche Ablehnung der zustimmenden Bewertung als unverhältnismäßig erweist1887 . Wie ausgeführt kommt dies etwa in Betracht, wenn die Ethik-Kommission die gesamte klinische Prüfung wegen einzelnen unqualifizierten Prüfern oder unangemessen qualifizierten Prüfeinrichtungen oder gar wegen fehlenden Hinweises auf einzelne Risiken in der Aufklärungsunterlage ablehnt und nicht auf eine aufschiebende Bedingung zurückgreift. Hat der Sponsor einen Anspruch auf eine auflagen- und bedingungsfreie zustimmende Bewertung, so kommt auch eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht.1888 Auch für Nebenbestimmungen und belastende Inhaltsbestimmungen gilt freilich der Vorrang der Primärrechtsschutzes (§§ 839 Abs. 3, 254 BGB). Je nach Fallkonstellation kommt eine vorherige isolierte Anfechtungsklage oder eine Verpflichtungsklage in Betracht.1889
III. Ergebnis Die Ethik-Kommission kann ihrer zustimmenden Bewertung eine Nebenbestimmung beifügen, vorausgesetzt, dass jene dazu dient, anspruchshindernde Versagungsgründe auszuräumen, § 36Abs. 1Alt. 2 VwVfG. Ermessensfehlerfrei ist grundsätzlich nur die Beifügung einer Bedingung, § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. Sie kommt insbesondere in Betracht, wenn die Aufklärungsunterlage nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG), Prüfeinrichtungen und/oder Prüfer wegen Ungeeignet oder unangemessener Qualifikation auszuschließen sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG) oder ein fortwährender Versicherungsschutz für die Prüfteilnehmer sichergestellt werden soll (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG). Unterlässt die Ethik-Kommission ermessenfehlerhaft die Beifügung einer Nebenbestimmung oder versieht sie ihre zustimmende Bewertung mit einer belastenden Nebenbestimmung, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen, kommt eine Haftung aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff in Betracht. Der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes gilt für Nebenbestimmungen gleichermaßen, §§ 839 Abs. 3, 254 BGB. 1887
Hierzu van der Sanden, Haftung, S. 203 ff. Allg. dazu BGH NVwZ 1986, 76, 78. 1889 Auf die Darstellung des Streitstandes im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen Neben- und Inhaltsbestimmungen sei an dieser Stelle verzichtet, eingehend zur Thematik Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867 ff., 966 ff. 1888
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C. Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor In Betracht kommt bei multizentrischen klinischen Prüfungen auch eine Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor. I. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Schließt die federführende Ethik-Kommission aufgrund der Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission Prüfer und/oder Prüfstätte von der klinischen Prüfung aus, obwohl die ausgeschlossenen Prüfer angemessen qualifiziert und/oder die Prüfstätte geeignet sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG), so liegt hierin eine Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht. Die Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission handeln grundsätzlich nicht schuldhaft, da sie auf die ordnungsgemäße Bewertung der lokal-sachverständigeren Kommission vertrauen dürfen. In Anlehnung an die Rspr. des BGH obliegt aber auch den Mitgliedern der beteiligten EthikKommissionen gegenüber dem Sponsor als Antragssteller die Amtspflicht, die lokalen Gegebenheiten ordnungsgemäß zu bewerten. Bei schuldhafter Falschbewertung stehen dem Sponsor Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung zu.1890 Der Schaden des Sponsors kann in der verzögerten Aufnahme der klinischen Prüfung bestehen, in der verzögerten Rekrutierung des erforderlichen Patienten-/Probandenguts oder in den Kosten für eine Neurekrutierung von Prüfern und/oder Neueinschluss weiterer Prüfstätten. Der nach § 839 Abs. 3 BGB geltende Vorrang des Primärrechtsschutzes gegen den Ausschluss von Prüfern und/oder Prüfstätten kann ausschließlich gegenüber der federführenden Ethik-Kommission wahrgenommen werden. II. Enteignungsgleicher Eingriff Fraglich ist, ob dann, wenn die beteiligte Ethik-Kommission eine fehlerhaft negative Bewertung nach § 8 Abs. 5 GCP-V abgibt oder sie ihre Bewertung nicht fristgerecht übermittelt, Entschädigungsansprüche des Sponsors aus enteignungsgleichem Eingriff bestehen. 1. Problemstellung Negativbewertungen beteiligter Ethik-Kommissionen können dazu führen, dass die klinische Prüfung von der federführenden Ethik-Kommission insgesamt (rechtswidrig) abgelehnt wird oder, soweit Prüfer/Prüfstelle von der beteiligten EthikKommission negativ bewertet werden, die zustimmende Bewertung mit einer 1890
Die Ausführungen zur Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer gelten entsprechend, § 5 C.III.1.
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rechtswidrigen Nebenbestimmung versehen wird. Werden Prüfer und/oder Prüfstelle von der federführenden Ethik-Kommission von der klinischen Prüfung ausgeschlossen, so stellt dies einen Eingriff iSd Enteignungstatbestands dar. Betroffen ist die Nutzungs- und Verfügungsbefugnis über hergestellte Arzneimittel bzw. die Ausnutzung des Patents oder der patenfähigen Erfindung als Rechtsposition iSd Art. 14 Abs. 1 GG. Kraft gesetzlich eingeräumter Befugnis ist diese Nutzung auch im Hinblick auf die konkrete Nutzung in der vorgesehenen Prüfeinrichtung geschützt, § 40 Abs. 1 S. 2, S. 3 Nr. 5, § 8 Abs. 5 GCP-V. Anerkannt ist, dass auch Mitwirkungsakte von Behörden beim Erlass mehrstufiger Verwaltungsakte einen Eingriff begründen können.1891 Fraglich ist, ob auch die fehlerhafte Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission nach § 8 Abs. 5 GCP-V selbst oder zusammen mit der Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission die Voraussetzungen für einen enteignungsgleichen Eingriff erfüllt.
2. Unmittelbarer Eingriff? Behördliche Mitwirkungsakte, die Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff begründen können, hat der BGH in erster Linie für das Einvernehmen der Gemeinde angenommen. So kann eine rechtswidrige Versagung oder Verzögerung des Einvernehmens eine Haftung der Gemeinde, gesamtschuldnerisch mit dem Träger der Bauaufsichtsbehörde, auslösen.1892 Eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff kommt dann nicht in Betracht, wenn die Gemeinde rechtswidrig ihr Einvernehmen nach § 36 BauGB erteilt, da die Einvernehmenserteilung keine Bindungswirkung entfaltet.1893,1894 Der BGH nimmt einen mit Außenwirkung ausgestatteten Eingriff nur dann an, wenn die Entscheidung der beteiligten Stelle für die federführende Behörde verbindlich ist. Liegt seitens der beteiligten Stelle nur eine unverbindliche Stellungnahme vor, so hat er Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Ermangelung eines unmittelbaren Eingriffs abgelehnt.1895 Vor diesem Hintergrund können weder die (rechtswidrige) Negativbewertung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen (Prüfer/Prüfeinrichtung) noch darüber hinausgehende rechtswidrige Hinweise und/oder Empfehlungen an die federführende Ethik-Kommission durch die nur beteiligte Ethik-Kommission als Eingriffshandlung 1891
Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 691. Vgl. BGHZ 65, 182, 188 f.; 118, 253, 255; 118, 263, 274; 134, 316, 322 f. = JZ 1997, 557, 558 f. m. Anm. Ossenbühl; entsprechend BGH VersR 1986, 372, 373 f. für die Verweigerung einer erforderlichen Zustimmung der Kreisverwaltung für den Abbau von Lava. 1893 Vgl. BGHZ 99, 262, 272 ff. 1894 Zusammenfassend Wurm, in: FS Boujong, S. 687, 697 f.; Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Rn. 131 1895 Vgl. BGH NVwZ 1992, 913, 914 für eine unverbindliche Stellungnahme der Wasserwirtschaftsbehörde im Rahmen kommunaler Bauleitplanung; s.a. BGHZ 99, 262, 272 ff.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 691; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 253 m. Fn. 63. 1892
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iSd Enteignungstatbestands gewertet werden. Rein rechtlich bindet die Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission die federführende Ethik-Kommission nicht. Letztere bleibt für die nur im Benehmen mit den beteiligten Ethik-Kommissionen ergehende (rechtswidrige) Endentscheidung im Äußerverhältnis zum Sponsor allein verantwortlich. Dem steht die faktische Verbindlichkeit der Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission kraft ihrer Ortskunde nicht entgegen. Während für die verschuldensabhängige Amtshaftung ein Bedürfnis für die Ausweitung der Haftung auf beteiligte Stellen bestehen kann, wenn die federführende Behörde die Stellungnahme der zuarbeitenden Stelle ohne schuldhaft zu handeln ihrer Entscheidung zugrunde legen kann, so ist ein solches Bedürfnis für den nur auf angemessene Entschädigung ausgerichteten verschuldensunabhängigen enteignungsgleichen Eingriff nicht gegeben. Aufgrund fehlender rechtlicher Verbindlichkeit für die federführende Ethik-Kommission ist die Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission aus Sicht des enteignungsgleichen Tatbestands als Verwaltungsinternum einzustufen und nicht als Eingriff iS aktueller Rechtsverletzung.1896 3. Überwindung durch Begünstigung? Ein nur intern am Entscheidungsprozess beteiligter Hoheitsträger kann im Außenverhältnis gleichwohl passiv legitimiert sein, wenn er als „begünstigter“ Hoheitsträger anzusehen ist.1897 Der BGH hat dies im Verhältnis der Bauaufsichtsbehörde und der rechtswidrigen Versagung des Einvernehmens der Gemeinde angenommen. Als Eingriff wertet der BGH nicht erst die förmliche Versagung der Baugenehmigung. Ein Eingriff iSd Enteignungstatbestands liege vielmehr schon in dem Zeitpunkt vor, in dem die Bauaufsichtsbehörde bei ordnungsgemäßer Bearbeitung die Baugenehmigung erteilt haben würde, davon aber wegen der Verweigerung des Einvernehmens Abstand genommen habe. Obwohl im Außenverhältnis allein die Bauaufsichtsbehörde handele und nur sie durch die Versagung oder Verzögerung der Bauerlaubnis in die Rechtsposition des Eigentümers eingreife, könne die Gemeinde dennoch als Begünstigte iSd Enteignungsrechts angesehen werden, „da der Eingriff in ihrem (planerischen) Interesse erfolgt ist“.1898 In den Fällen, in denen die ablehnende Endentscheidung der Bauaufsichtsbehörde sowohl auf der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens als auch auf eigenen Erwägungen der Bauaufsichtsbehörde beruhe, können beide nebeneinander als Gesamtschuldner des Entschädigungsanspruchs wegen enteignungsgleichen Eingriffs haften, § 840 BGB.1899 Mit dieser Rspr. wird im Ergebnis für die Passivlegitimation der Gemeinde ein Eingriff nicht für erforderlich gehalten.1900 1896
Vgl. auch BGH NVwZ 1992, 913 f.; allg. dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 253. Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 253. 1898 Vgl. BGHZ 65, 182, 188 f.; 118, 253, 255; 134, 316, 323 = JZ 1997, 557, 558 f. m. Anm. Ossenbühl; Wurm, in: FS Boujong, S. 687, 698. 1899 Vgl. BGHZ 188, 253, 262; 134, 316, 323 = JZ 1997, 557, 558 f. m. Anm. Ossenbühl. 1900 Vgl. Ossenbühl, JZ 1997, 559, 560; ders., Staatshaftungsrecht, S. 253. 1897
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Folgt man dem, so wäre es unerheblich, ob die Bewertung der beteiligten EthikKommission als Eingriff im enteignungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist. Als ausreichend, aber auch als zwingend erforderlich anzusehen hätte man demgemäß, dass sich die federführende Ethik-Kommission die Bewertung der beteiligten Kommission „zu eigen macht“ und die Versagung oder eingeschränkte Erteilung der zustimmenden Bewertung der federführenden Ethik-Kommission als Konkretisierung der ablehnenden Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission zu werten ist. Es erscheint aber fraglich, ob diese vom BGH aufgestellten Grundsätze auch auf rechtlich unverbindliche Mitwirkungsakte Anwendung finden. Mit der deliktsrechtlichen Gesamtschuldnerschaft beugt der BGH der Gefahr vor, dass im Haftpflichtprozess die in Anspruch genommenen Körperschaften die Verantwortlichkeit auf die jeweils andere abwälzen könnten. Versagt die Gemeinde ihr Einvernehmen rechtswidrig, so soll sie nicht geltend machen dürfen, die Versagung sei für die Ablehnung nicht ursächlich geworden, da die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde auch bei einer Zustimmung nicht anders ausgefallen wäre. Umgekehrt soll die Bauaufsichtsbehörde, die die Ablehnung zusätzlich auf eigene, ebenfalls rechtswidrige Erwägungen gestützt hat, dem Schadensersatzbegehren nicht entgegenhalten dürfen, sie hätte ohnehin nicht anders entscheiden können, weil sie an die Verweigerung des Einvernehmens gebunden gewesen sei.1901 Eine solche Konstellation kann nur dann gegeben sein, wenn ein verbindlicher Mitwirkungsakt vorliegt. Ferner spricht für diese Sichtweise, dass der BGH bislang unverbindliche und den Eingriffstatbestand nicht erfüllende unverbindliche Stellungnahmen zuarbeitender Stellen nicht mit dem Kriterium des „begünstigten Hoheitsträgers“ überwunden hat.1902 Bei Unverbindlichkeit des Mitwirkungsaktes, also solchen, die keine „Handlungsblockade“ für die federführende Behörde begründen, ist davon auszugehen, dass eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff nicht in Betracht kommt.1903 4. Ergebnis Ein Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff kommt aufgrund der fehlenden rechtlichen Bindungswirkung der Bewertung der beteiligten EthikKommission nicht in Betracht.
D. Haftung für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor aufgrund fehlerhaft zustimmender Bewertung Fraglich ist, ob auch eine Haftung für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor in Betracht kommt, wenn diese rechtswidrig ihre zustimmende Bewertung erteilt und der Sponsor im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit mit der 1901
Vgl. BGHZ 118, 253, 261. Vgl. BGHZ 146, 365 = NVwZ 2001, 1074; NVwZ 1992, 913 f.; 1903 Ebenso Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 691; s.a. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 253 m. Fn. 63; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 328. 1902
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Studie beginnt und schließlich infolge der Durchführung der klinischen Prüfung einen Schaden erleidet. Grundlage der Haftung ist in diesem Fall das durch das rechtswidrige Kommissionsvotum veranlasste eigene Verhalten des Sponsors, der von der rechtswidrig erteilten zustimmenden Bewertung Gebrauch macht und im Vertrauen auf das Nichtvorliegen von Versagungsgründen seine klinische Prüfung ins Werk setzt.
I. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG In Betracht kommen Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG.
1. Amtspflichtverletzung Die vorliegende Haftungskonstellation findet ihren Hauptanwendungsbereich im Baurecht. Nach st. Rspr. gehört es zu den Amtspflichten einer Baugenehmigungsbehörde auch gegenüber dem antragsstellenden Bauherrn, keine rechtswidrigen Baugenehmigungen zu erteilen, die gegen die einschlägigen bauplanungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Vorschriften verstoßen.1904 Dieser Grundsatz trifft jedoch auch auf andere Genehmigungsbehörden zu1905 und ist folglich auch für Ethik-Kommissionen anzuwenden.1906 Mithin begründet die Erteilung einer zustimmenden Bewertung, die wegen des Vorliegens von Versagungsgründen nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG rechtmäßig hätte versagt werden müssen, eine Amtspflichtverletzung.
2. Drittgerichtetheit a. Personeller Schutzbereich Als Genehmigungs- bzw. Zustimmungsempfänger gehört der Sponsor zum Kreise der geschützten Dritten.1907
1904 Vgl. BGHZ 60, 112, 115 ff.; 109, 380, 393; 122, 317, 320; 144, 394, 396; 149, 50, 52; NJW 2001, 3054; 2008, 2502, 2503; dazu de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1040; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 579; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839 Rn. 68; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 65. 1905 Vgl. de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1040; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 135; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 154: „Nicht nur auf dem Gebiet des Baugenehmigungsverfahrens, sondern für alle Arten präventiver Erlaubnisse besteht die Amtspflicht, keine rechtswidrigen Genehmigungen zu erteilen, dem Genehmigungsempfänger gegenüber“. 1906 Vgl. wie hier van der Sanden, Haftung, S. 208 ff. 1907 Allg. dazu Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 154.
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b. Sachlicher Schutzbereich und dessen Erweiterung durch das Kriterium des Vertrauensschutzes Die vorliegende Haftung steht und fällt mit der Beantwortung der Frage, ob der geltend gemachte Schaden in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fällt. aa. In Betracht kommende Schäden des Sponsors Schäden, die dem Sponsor durch Aufnahme einer solchen klinischen Prüfung entstehen können, für die Ablehnungsgründe nach § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG bei Zustimmungserteilung vorlagen, können vielfältig sein. Herausgegriffen und nachfolgend erörtert seien die folgenden, die als praxisrelevant einzustufen sind: An erster Stelle stehen die Planungs- und Investitionskosten für die Durchführung der klinischen Prüfung, wie z. B. Laborkosten, Prüfarzthonorare, Kosten des Studienmanagements, Herstellungs- sowie Lagerungskosten für die Prüfpräparate, zusammengefasst also alle Aufwendungen, die ohne die Durchführung der klinischen Prüfung und nach Erhalt einer rechtmäßigen ablehnenden Bewertung nicht angefallen wären. Ebenfalls möglich ist bei Zulassungsstudien das Abstellen auf die gescheiterte Arzneimittelzulassung. Wird diese seitens der zuständigen Bundesoberbehörde deswegen versagt, weil die durchgeführten klinischen Prüfungen mängelbehaftet waren, etwa die therapeutische Wirksamkeit nicht nachgewiesen werden konnte (§ 22 Abs. 2 Nr. 4 AMG), so kann dies (auch) darauf zurückzuführen sein, dass die von der Ethik-Kommission zustimmend bewertete klinische Prüfung nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach und/oder die klinische Prüfung zum Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis ungeeignet war (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 AMG). Resultieren können die Schäden des Sponsors aber auch und vor allem daraus, dass die Ethik-Kommission später wegen des Vorliegens anfänglicher Versagungsgründe ihre zustimmende Bewertung rechtmäßig zurücknehmen muss (§ 42a Abs. 4a S. 1 AMG) oder der Sponsor die klinische Prüfung selbst stoppen oder abbrechen muss. Und schließlich kann das Vermögen des Sponsors durch Schadensersatzansprüche geschädigter Versuchsteilnehmer belastet werden, die sich auf die Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG berufen. Eng hiermit verbunden ist die unzureichende Probandenversicherung, wenn der Sponsor mit solchen Schadensersatzansprüchen geschädigter Versuchsteilnehmer konfrontiert wird, die beim Bestehen einer angemessenen Probandenversicherung ausgeblieben wären. bb. Das Kriterium des Vertrauensschutzes und dessen Anwendbarkeit für Ethik-Kommissionen Fraglich ist, ob derartige Schäden vom sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung erfasst werden. Anders als bei der Haftung wegen rechtswidriger Versagung der zustimmenden Bewertung kann sich der Sponsor gegenüber der EthikKommission nicht auf die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte berufen, weil er von der Ethik-Kommission eine zwar rechtswidrige, gleichwohl aber seinem Antrag entsprechende zustimmende Bewertung erhalten hat. Ihm fehlt zudem die
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Beschwer, sodass er auch nicht iSd § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt wäre. Der BGH stellt bei rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakten zur inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks auf das Vertrauen ab, das die Maßnahme begründen soll.1908 Über diesen „Umweg“ werden reine Vermögensschäden in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung einbezogen, die der Geschädigte durch eigenes, aber behördlich vermitteltes Verhalten erlitten hat.1909 (1) Grundlagen Der BGH hat das Kriterium des Vertrauens zunächst nur auf das Baugenehmigungsverfahren angewandt1910 , anschließend jedoch auf weitere Verfahren, insbesondere auf das atomrechtliche Genehmigungsverfahren1911 , übertragen. Hintergrund dieser Rspr. ist die Einsicht gewesen, dass sich die Bedeutung der Baugenehmigung nicht auf die Erklärung beschränkt, dass öffentlich-rechtliche Hindernisse dem Vorhaben nicht entgegenstehen, sondern mit ihr gleichzeitig das Verbot, ohne Genehmigung zu bauen, aufgehoben wird. Bekommt der Bauherr nunmehr die Möglichkeit mit dem Bau entsprechend der Genehmigung zu beginnen, so wird für ihn gleichzeitig ein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass er nunmehr davon ausgehen darf, dass der der Baugenehmigung entsprechenden Durchführung seines Bauvorhabens öffentlich-rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen und dass er dementsprechend wirtschaftlich disponieren kann. Mit der in ihr liegenden rechtsverbindlichen Feststellung der Unbedenklichkeit des Bauvorhabens unter allen öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten dient die Baugenehmigung auch dem Zweck, für den Bauherrn eine Vertrauensgrundlage dahin zu bilden, dass er den geplanten Bau der Genehmigung gemäß durchführen kann, ohne Gefahr zu laufen, dadurch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Widerstreit zu geraten; „er soll wissen, wie er bauen und seine weiteren Dispositionen treffen darf, ohne in die Gefahr zu geraten, ein unzulässiges Bauvorhaben durchzuführen“.1912 Die Pflicht der Baugenehmigungsbehörde geht nach Auffassung des BGH „zumindest auch dahin, dem Bauherrn eine möglichst verläßliche Grundlage für seine weiteren Dispositionen zu geben“1913 und er soll „nicht in die Gefahr gebracht werden, einen vorschriftswidrigen Bau auszuführen, der keinen Bestand haben kann und unter Umständen wieder beseitigt werden muß“1914 . 1908
Vgl. nur BGHZ 144, 394, 397; 123, 191, 198; NJW 2009, 1207, 1208; NVwZ 2003, 376, 377. Instruktiv de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1040; ferner Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 170; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 119 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 65. 1910 Vgl. BGHZ 60, 112, 116 f. 1911 Vgl. BGHZ 134, 268, 279 ff. (Mülheim-Kärlich). 1912 Vgl. BGHZ 60, 112, 116 ff. (Zitat: S. 118). 1913 Vgl. BGHZ 60, 112, 117; ferner BGHZ 144, 394, 397. 1914 Vgl. BGHZ 109, 380, 394; ferner BGHZ 122, 317, 322 m.w. Nachw.; OLG Celle NVwZ-RR 1999, 422 1909
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Insoweit stellt die Baugenehmigung eine ausreichende Verlässlichkeitsgrundlage dafür dar, unmittelbar mit der Verwirklichung des konkreten Bauvorhabens beginnen zu können und zu diesem Zwecke auch konkrete Aufwendungen für die Planung und Durchführung des Vorhabens zu tätigen.1915 Scheitert das Vorhaben an solchen Gründen, die schon zur Versagung der Genehmigung hätten führen müssen, sind grundsätzlich die im Vertrauen auf die Richtigkeit der Genehmigung getätigten Aufwendungen ersatzfähig.1916 (2) Vertrauensschutzintention der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission Es stellt sich vorliegend zunächst die Frage, ob der Sponsor sich wegen der später als nutzlos erweisenden Planungs- und Investitionskosten auf die ihm gegenüber bestehende vertrauensschutzbegründende Wirkung des Ethik-Kommissionsvotums berufen kann. Bis heute ist weitestgehend ungeklärt, auf welcher Grundlage überhaupt ein Vertrauenstatbestand hergeleitet werden soll. Der BGH verortet die Vertrauensschutzproblematik bei der Frage nach dem Schutzzweck der Amtspflicht, wobei ungeklärt ist, ob das Kriterium des Vertrauensschutzes ein eigenständiges oder ein die Schutzzweck der Amtspflicht konkretisierendes Merkmal ist.1917 Richtet sich nach der Rspr. des BGH „die inhaltliche Bestimmung und sachliche Begrenzung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks nach dem Vertrauen, das die Maßnahme begründen soll“ und soll die Baugenehmigung eine Vertrauensgrundlage für den Bauherrn begründen, so wird die vertrauensschutzbegründende Wirkung eher unterstellt als hergeleitet. Aber selbst eine Herleitung, etwa aus dem Schutzzweck präventiver Genehmigungsverfahren, den Genehmigungsempfänger vor Vermögenseinbußen zu schützen, aus der Regelungswirkung des Verwaltungsakts oder aus einem Näheverhältnis zur Behörde erweisen sich selbst für sonstige Behörden als unzureichend.1918 Für Ethik-Kommissionen folgt dies schon daraus, dass sie nach § 3 Abs. 2c GCP-V nur die Aufgabe haben, den Schutz der Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen von Versuchsteilnehmern zu sichern und diesbezüglich Vertrauen der Öffentlichkeit zu schaffen. Der Sponsor der klinischen Prüfung wird nicht erwähnt. Der BGH ist insbesondere in seiner Mülheim-Kärlich-Entscheidung von einer besonderen Amtspflicht ausgegangen, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen1919 , die auch Eingang in die Literatur gefunden hat.1920 Strittig ist zwar 1915 Vgl. BGHZ 134, 268, 276 f.; NJW 2009, 1207, 1208; hierzu auch Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 122; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839 Rn. 68; ausf. zur Entwicklung der Rspr. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 20 ff.; Küch, Vertrauensschutz, S. 25 ff. 1916 Vgl. BGHZ 122, 317, 322 f. 1917 Vgl. hierzu Küch, Vertrauensschutz, S. 44 f. m.w. Nachw.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 121; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 52 f. 1918 Ausf. hierzu Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 34 ff., 40 ff., 47; Küch, Vertrauensschutz, S. 93 f. 1919 Vgl. BGHZ 134, 268, 277; ferner bereits BGHZ 60, 112, 117. 1920 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 79; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 49 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 245.
§ 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung
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geblieben, ob diese Amtspflichtverletzung einen eigenständigen Begründungsansatz für eine Vertrauenshaftung darstellt oder nur das Merkmal der Drittgerichtetheit der Amtspflicht iSe eigenständigen Merkmals erweitert.1921 Jedenfalls lässt sich aber für Ethik-Kommissionen feststellen, dass auch sie die Amtspflicht gegenüber dem Sponsor trifft, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände durch eine fehlerhaft positive Bewertung zu schaffen.1922 Aufschlussreich für die vorliegende Fragestellung ist insbesondere, dass der BGH im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren eine dem Baugenehmigungsverfahren vergleichbare Situation sieht. Auch und gerade im atomrechtlichen Anlagegenehmigungsverfahren sei der Antragssteller schon wegen des außergewöhnlichen Umfangs der für solche Anlagen erforderlichen Investitionen auf das Vertrauen auf die Richtigkeit und Verlässlichkeit der Entscheidung der Genehmigungsbehörde angewiesen und die Einstandpflicht der verantwortlichen Genehmigungsbehörde solle nicht schon deshalb entfallen, weil auf der Antragsseite energiewirtschaftliche Unternehmen stünden, die über umfangreiche atomrechtliche Kenntnisse und große Erfahrungen auf dem Gebiet verfügen.1923 Ebenso verhält es sich aber auch im Verhältnis zwischen Sponsor und Ethik-Kommission, sodass trotz der Ungewissheiten, resultierend aus einer fehlenden handfesten dogmatischen Begründung eines Vertrauenstatbestands, davon auszugehen ist, dass die Rspr. die Ethik-Kommission einer Vertrauenshaftung für fehlerhaft erteilte zustimmende Bewertungen unterwerfen würde. Zu prüfen ist, ob auch die übrigen Voraussetzungen für eine Vertrauenshaftung gegeben sind. (3) Geeignetheit der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission für eine Verlässlichkeitsgrundlage Klärungsbedürftig ist zunächst, ob die zustimmende Bewertung der EthikKommission sich abstrakt überhaupt dafür eignet, einen Vertrauenstatbestand dahingehend zu schaffen, dass der Sponsor nunmehr davon ausgehen darf, dass Versagungsgründe für die klinische Prüfung nicht mehr entgegenstehen und er nunmehr sein Prüfvorhaben wie geplant ins Werk setzen, insbesondere dementsprechend wirtschaftlich disponieren kann. (a) Kein numerus clausus von Vertrauensgrundlagen und erforderlicher Erklärungsgehalt Der BGH hat Vertrauenstatbestände vornehmlich im Baurecht angenommen, sie aber – wie erörtert – auch auf andere Verfahren, insbesondere auf das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, übertragen. In der Literatur wird hieraus die Konsequenz gezogen, dass als Vertrauensgrundlage alle begünstigenden Verwaltungsakte in Betracht kommen, die im Rahmen einer präventiven Eröffnungskontrolle ergehen, denn 1921 Zur Diskussion Küch, Vertrauenshaftung, S. 46 ff.; Fellenberg, Vertrauensschutz, S. 48; de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1040. 1922 Im Ergebnis wie hier van der Sanden, Haftung, S. 210 ff. 1923 Vgl. BGHZ 134, 268, 277 ff.
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auch und gerade hier obliegt es der Genehmigungsbehörde, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen.1924 Voraussetzung ist allein die Aussage, dass dem geplanten Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen.1925 Auch Ethik-Kommissionen werden im Rahmen einer Präventivkontrolle tätig, indem sie das Nichtvorliegen solcher Ablehnungsgründe feststellen, die in ihre Prüfungskompetenz fallen. In einem positiven Ethik-Kommissionsvotum ist die Erklärung enthalten, dass das Prüfvorhaben im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen steht (§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–2, Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4 und § 41 AMG). Sie hebt – gemeinsam mit der für überwiegend andere Erfordernisse zuständigen Bundesoberbehörde – das den Sponsor treffende präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt auf (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG). Hierdurch wird dem Sponsor die Möglichkeit eröffnet, mit der klinischen Prüfung zu beginnen. Folglich kommt die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission als Vertrauenstatbestand gegenüber dem Sponsor in Betracht. (b) Eignung als Vertrauenstatbestand trotz Risikoverwaltungstätigkeit Fraglich ist aber, ob eine solche Eignung auch vor dem Hintergrund der Risikoverwaltungstätigkeit der Ethik-Kommissionen anzunehmen ist, die durch die offene Entscheidungssituation, kognitiven Vorverlagerungen und Wahrscheinlichkeitsurteilen gekennzeichnet ist. Aufgrund des erhöhten Fehlerrisikos von Risikoentscheidungen wird teilweise die Eignung alsVerlässlichkeitsgrundlage fürVermögensdispositionen geleugnet.1926 Diese Auffassung verkennt jedoch den thematischen Zusammenhang, der sich vorliegend darbietet, denn es geht nicht um eine Verlässlichkeitsgrundlage schlechthin, wie die Differenzierung zwischen Widerruf und Rücknahme zeigt. Die entschädigungslose und unbedingte Widerrufsmöglichkeit anfänglich rechtmäßig erteilter Genehmigungen, ohne dass sich der Genehmigungsinhaber auf ein etwaiges Vertrauen in den Bestand der Genehmigung berufen kann, ist ein prägendes Kennzeichen von Risikoentscheidungen1927 und auch für Ethik-Kommissionen niedergeschrieben worden (§ 42a Abs. 4a AMG). Das Vertrauen fehlt deswegen, weil die Arzneimittelsicherheit und der Schutz der Prüfungsteilnehmer unbedingten Vorrang haben.1928 Es geht vorliegend aber nicht um ein Vertrauen in die Beständigkeit des Verwaltungsakts trotz nachträglich eintretender Umstände, oder gar darum, dass solche Umstände ausbleiben, sondern allein darum, dass zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstanden. Die gegenteilige Auffassung vermengt die bei Risikoentscheidungen naturgemäß nicht bestehende Erfolgsgarantie mit der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten 1924 Vgl. Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 121; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 245; Küch, Vertrauensschutz, S. 39 f. u. S. 97; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 52 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 79 u. 135; Krohn, in: FS Boujong, S. 573. 1925 Vgl. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 88; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 245. 1926 S. etwa Küch, Vertrauensschutz, S. 178 f., 184, 208. 1927 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 302 ff. 1928 Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 303.
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bzw. derjenigen, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen. Nimmt die Ethik-Kommission rechtmäßig ihre zustimmende Bewertung wegen fahrlässig nicht erkannter anfänglicher Versagungsgründe zurück (§ 42a Abs. 4a AMG), so lässt sich das Vertrauen der Sponsors in das Nichtvorliegen von Versagungsgründen nicht aus der Natur der Unwägbarkeiten klinischer Prüfungen verneinen, wenn die EthikKommission bei ordnungsgemäßer Rechtsanwendung zum gegenteiligen Ergebnis hätte kommen müssen. Fellenberg hat diesbezüglich auch treffend hervorgehoben, dass allein wegen der Komplexität und Fehlerträchtigkeit ein Vertrauenstatbestand nicht ausgeschlossen werden kann.1929 Auch der Erwägung, dass eine Vertrauenshaftung schon deswegen ausscheiden müsse, weil der Genehmigungsempfänger über die größere Sachkenntnis verfüge1930 , hat der BGH eine klare Absage erteilt.1931 Hierdurch wird auch keine Einstandpflicht des Staates für Risikoverwirklichungen begründet. Der BGH hat diesbezüglich stets betont, dass die Vertrauensgrundlage nicht weitergehen kann, als der mit ihr bezweckte Vertrauensschutz: „Der Umfang schutzwürdigen Vertrauens in eine (rechtswidrige) Genehmigung geht nicht weiter als der nach allgemeinen Grundsätzen zu ermittelnde Inhalt derselben“1932 . Die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission teilt insoweit notwendigerweise die Unwägbarkeiten klinischer Prüfungen und eignet sich von vornherein nicht für eine Erfolgsgarantie. Es geht vorliegend aber nicht um Investitionen des Sponsors im Vertrauen auf eine erfolgreiche Prüfungsdurchführung, sondern um ein Vertrauen dahingehend, dass zumindest zum Zeitpunkt der Entscheidung der Ethik-Kommission öffentlich-rechtliche Hindernisse nicht entgegenstanden. Dass die §§ 40 ff. AMG nicht den Zweck haben, das Vermögen des Sponsors zu schützen, ist unschädlich. Auf den Schutzzweck präventiver Genehmigungsverfahren lässt sich ohnehin nicht zur Begründung vonVertrauenstatbeständen abstellen, weil die Kontrollnormen nicht den Zweck verfolgen, das Vermögen des Genehmigungsempfängers zu schützen.1933 Die Einführung des Vertrauenstatbestandes dient gerade dazu, den Schutzweck der Amtspflicht auf das Vermögen des Genehmigungsempfängers zu erweitern. Demzufolge ist auch vorliegend davon auszugehen, dass allein aus der Tatsache der Tätigkeit der Ethik-Kommissionen im Bereich der Risikoverwaltung ein Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens in das Nichtbestehen von Ablehnungsgründen nicht angezeigt ist.1934
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Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 112. In diesem Sinne Küch, Vertrauensschutz, S. 178 f., 208. 1931 BGHZ 134, 268, 279: „. . . die Einstandspflicht der verantwortlichen Genehmigungsbehörde entfällt nicht ohne weiteres deshalb, weil auf der Antragstellerseite energiewirtschaftliche Unternehmen stehen, die über umfangreiche atomrechtliche Kenntnisse und große Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen“; treffend Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 113: Der Vertrauenstatbestand setzt keine „Asymmetrie der Erkenntnismöglichkeiten“ voraus. 1932 Vgl. BGHZ 134, 268, 295 f. 1933 Vgl. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 35 ff., 113. 1934 Wie hier Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 111 ff.; für Ethik-Kommissionen im Ergebnis auch van der Sanden, Haftung, S. 210 ff., der die Risikoverwaltungstätigkeit der Ethik-Kommissionen aber nicht thematisiert. 1930
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Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass das Ethik-Kommissionsvotum für den Sponsor keine verschuldensentlastende Wirkung gegenüber Schadensersatzansprüchen von Versuchsteilnehmern zukommt.1935 Beide Konstellationen sind strikt voneinander zu trennen: Vorliegend ist unmittelbar und ausschließlich das Verhältnis der Behörde zum Genehmigungsempfänger betroffen. In der anderen Situation geht es um die Hineinverlagerung des EthikKommissionsvotums in die schadensersatzrechtliche Sekundärebene im Drittverhältnis und diesbezüglich um die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt des Sponsors gegenüber den Versuchsteilnehmern. Es kommt also zu einem gespaltenen Vertrauensschutz im Hinblick auf unterschiedlich betroffene Rechtsgüter und Rechtsverhältnisse. (4) Schaffung eines Vertrauenstatbestands („Verlässlichkeitsgrundlage“) Eignet sich das Ethik-Kommissionsvotum demzufolge abstrakt für eine Verlässlichkeitsgrundlage, so ist in concreto die Schaffung eines Vertrauenstatbestands erforderlich. Hiefür reicht grundsätzlich ein hoheitliches Verhalten, das dem Staat zuzurechnen ist und objektiv als Verlässlichkeitsgrundlage geeignet ist. Dies lässt sich jedenfalls dann bejahen, wenn ein Akt erlassen wurde, an den die Behörde gebunden ist und den sie nicht ohne weiteres aufheben oder ändern kann. Hier korreliert der Vertrauenstatbestand mit der Bindung des Staates. Für die Bindungswirkung reicht allein die Wirksamkeit des Verwaltungsakts aus.1936 Gleiches gilt demzufolge auch für die zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission: Sie ist wie erörtert objektiv für eine Verlässlichkeitsgrundlage geeignet und begründet kraft ihrer Bindung einen Vertrauenstatbestand, für den allein die Wirksamkeit der zustimmenden Bewertung ausreichend ist. (5) Nach außen manifestierte Vertrauensbetätigung Der Betroffene muss weiterhin im Vertrauen auf den Bestand des begünstigten Verwaltungsakts sein Vorhaben ins Werk gesetzt haben. Ersatzfähig sind demzufolge nur solche Schäden, die durch das enttäuschte Vertrauen angefallen sind, wie z. B. nunmehr nutzloseAufwendungen in Form von Planungs- und Investitionskosten.1937 Das Vertrauen des Sponsors in das Nichtvorliegen von Versagungsgründen manifestiert sich vorliegend schon allein durch die Aufnahme der klinischen Prüfung. (6) Schutzwürdigkeit des Vertrauens und dessen Durchbrechung Richtungsweisende Bedeutung kommt der Schutzwürdigkeit des Vertrauens zu. 1935
S. oben, § 5 B.II.10.d. Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 134; Stein/Itzel/Schwall, Amtsund Staatshaftungsrecht, Rn. 123. 1937 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 137; Küch, Vertrauensschutz, S. 149; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 125; de Witt/Burmeister, NVwZ 1992, 1039, 1041. 1936
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(a) Grundlagen Die Frage danach, ob der Betroffene schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen durfte, ist (nunmehr)1938 eine Frage des objektiven Tatbestands und nicht erst eine Frage des Mitverschuldens (§ 254 BGB).1939 Nach Auffassung des BGH findet der amtshaftungsrechtliche Vertrauensschutz bereits auf objektiver Tatbestandsebene und nicht erst im Rahmen des mitwirkenden Verschuldens nach § 254 BGB seine Grenzen dort, „wo bereits nach allgemeinem Verwaltungsrecht grundsätzlich von vornherein jeder Vertrauensschutz für den Adressaten des Verwaltungsakts ausscheidet“. Darf der Bürger grundsätzlich von der Rechtmäßigkeit der Verwaltung ausgehen und demgemäß darauf vertrauen, dass die Behörden das ihnen Obliegende richtig und sachgemäß tun, so ist „solches Vertrauen[ist] jedoch in dem Maß nicht schutzwürdig, in dem der Bürger selbst erkennt oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der erteilte Verwaltungsakt geltendes Recht verletzt“1940 . Dies soll sich aber nicht ausschließlich nach objektiven Kriterien bestimmen. Die Reichweite des durch das Amtshaftungsrecht jeweils im Einzelfall gewährten Vermögensschutzes hängt vielmehr davon ab, „ob der Betroffene nach der gegebenen konkreten Situation in schutzwürdiger Weise auf die Richtigkeit und Verbindlichkeit der behördlichen Erklärung vertrauen und diese zur Grundlage für die in Rede stehende Disposition machen durfte. Ist dies nach Lage des konkreten Falles überhaupt zu verneinen, so liegt der geltend gemachte Schaden – in Form fehlgeschlagener Aufwendungen – von vornherein außerhalb des Schutzbereichs der möglicherweise verletzten Amtspflicht der tätig gewordenen Beamten und außerhalb des von § 839 Abs. 1 BGB gewährten Vermögensschutzes“1941 . Die Rspr. greift zurück auf den Rechtsgedanken des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG, der selbst dann zu Anwendung gelangen soll, wenn das Fachrecht hiervon Abweichungen vorsieht.1942 Aufgrund der „subjektiven (Ein-)Färbung“ können demzufolge besondere Sach- und Fachkenntnisse sowie auch nachträglich eintretende besondere Umstände die Schutzwürdigkeit des Vertrauens entfallen lassen.1943 Der BGH verneint die Schutzwürdigkeit des Vertrauens bei subjektiven Kenntnissen und sich aufdrängenden Erkenntnismöglichkeiten insbesondere dann, wenn die Genehmigung mit solchen Mängeln behaftet ist, die ihre entschädigungslose Rücknahme rechtfertigen, vor allem wenn der Betroffene
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Anders noch BGHZ 105, 52, 59; zur Entwicklung der Rspr. vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 123. 1939 Erstmals BGHZ 117, 83, 90; klarstellend BGHZ 134, 268, 283 f. seitdem st. Rspr., vgl. nur BGHZ 149, 50, 53; s.a. BGH NVwZ 2008, 926 ff.; hierzu Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 124; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 123 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 147; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 22; ausf. Küch, Vertrauensschutz, S. 48 ff., 209 ff.; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 115 ff., jew. m.w. Nachw. 1940 Vgl. BGHZ 134, 268, 283 f. 1941 Vgl. BGHZ 134, 298, 295. 1942 Vgl. BGHZ 134, 268, 284 (dort: §§ 17, 18 AtG). 1943 Vgl.Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 127.
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die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 1–3, Abs. 3 S. 2 VwVfG).1944 Der BGH geht hier aber mit Zurückhaltung vor: Führt ein Architekt ein Bauvorhaben unter Verstoß gegen § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB durch, so scheitert die Schutzwürdigkeit der Vertrauens nicht schon deshalb, weil ein Architekt hierüber über genügende Sachkunde verfügen muss1945 und selbst die Einstandspflicht einer verantwortlichen Genehmigungsbehörde im atomrechtlichen Anlagegenehmigungsverfahren „entfällt nicht ohne weiteres deshalb, weil auf der Antragstellerseite energiewirtschaftliche Unternehmen stehen, die über umfangreiche atomrechtliche Kenntnisse und große Erfahrung auf diesem Gebiet verfügen“1946 . Nicht geduldet hat BGH den Einwand der größeren Sachnähe und der Sachkompetenz sowie eines etwaigen Wissensvorsprungs des Genehmigungsempfängers, soweit sich die Fehlbeurteilung auf öffentlich-rechtliche Vorschriften und deren richtige Anwendung bezieht. Das „Rechtsanwendungsrisiko“ soll in die Sphäre der Behörde fallen und kann nicht deswegen auf den Bürger verlagert werden, weil dieser über bessere rechtliche Erfahrungen verfüge. Hier sei eine Lösung über § 254 BGB anzustreben.1947 Eine gänzliche Abkehr von der Mitverschuldenslösung über § 254 BGB hat der BGH also nicht eingeschlagen. Liegen keine Gründe vor, die ein Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs bereits auf Tatbestandsebene rechtfertigen, so ist auf die Abwägung des § 254 BGB zurückzugreifen.1948 Die Schutzwürdigkeit ist aber dort eindeutig zu verneinen, wenn trotz gewissenhafter und sorgfältiger Prüfung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung drohende Gefahren nicht erkennbar waren. Gefahrenpotenziale, die bei Einhaltung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs nicht erkennbar waren, können keine Entschädigungspflicht allein deshalb auslösen, weil der gewünschte Erfolg nicht eingetreten sei. Sie fallen in den Risikobereich des Genehmigungsempfängers.1949 (b) Konsequenzen für den Sponsor Hieraus folgt, dass für den Sponsor ein schutzwürdiges Vertrauen in das Nichtvorliegen von Versagungsgründen von vornherein dann ausgeschlossen ist, wenn die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission mit solchen Fehlern behaftet ist, die der Sponsor kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es ist auf den für das Amtshaftungsrecht anzuwendenden § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG abzustellen und nicht auf die abweichende Vorschrift des § 42a Abs. 4a AMG. Allein die Tatsache, dass der Sponsor über Spezialwissen verfügt, rechtfertigt keinen Totalverlust des 1944 Vgl. BGHZ 134, 268, 284; 149, 50, 52 ff.; NVwZ 2004, 638 f.; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3544 f.; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 117 ff. 1945 Vgl. BGH NVwZ 2004, 638; hierzu Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3544 f. 1946 Vgl. BGHZ 134, 268, 279. 1947 Vgl. BGHZ 149, 50, 54 ff.; ferner BGH NVwZ 2008, 926 f. 1948 Vgl. BGHZ 149, 50, 54 ff.; NVwZ 2008, 926 f.; 2004, 638, 639; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 147. 1949 Vgl. BGHZ 123, 191, 199; s.a. BGHZ 149, 50, 52 ff.
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Amtshaftungsanspruchs, sondern die Anwendung des § 254 BGB. Hervorzuheben ist gerade für Ethik-Kommissionen, dass die Schaffung einer Verlässlichkeitsgrundlage nicht iSe öffentlich-rechtlichen Garantie für die gefahrlose Durchführung des Forschungsvorhabens verstanden werden kann. Ausschließlich solche Umstände, die bei Anlegung eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs erkennbar waren, führen zu einer – ggf. unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB gemilderten – Einstandspflicht, sodass keine Haftung für das immanente Forschungsrisiko begründet wird.1950 cc. Folgen für die Schadenspositionen des Sponsors: Kongruenz von Vertrauen und Schaden nach Schutzzweckerwägungen Selbst unter der Prämisse, dass sich die zustimmende Bewertung als Verlässlichkeitsgrundlage eignet und auch keine Gründe vorliegen, die die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Sponsors in Anlehnung an § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG entfallen lassen, führt dies nicht zu einer Einstandspflicht jeglicher kausaler Vermögensschäden. Der BGH hat betont, dass die Eignung der jeweiligen behördlichen Erklärung als Vertrauensgrundlage nicht weitergehen kann, als der mit ihr bezweckte Vertrauensschutz. Der Umfang schutzwürdigen Vertrauens in eine (rechtswidrige) Genehmigung geht demzufolge nicht weiter als der nach allgemeinen Grundsätzen zu ermittelnde Inhalt derselben. Subjektive Vorstellungen des Genehmigungsempfängers über einen weitergehenden Inhalt der Genehmigung erweitern den Schutzbereich der Amtspflicht, keinen rechtswidrigen Verwaltungsakt zu erlassen, nicht und begründen mithin als solche grundsätzlich keine Amtshaftung.1951 Die Vertrauensgrundlage wird also durch das behördliche Prüfungsprogramm begrenzt und rein tatsächliche Risiken der Durchführung des genehmigten Vorhabens, die sich auch unabhängig von der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen materialisiert hätten, werden vom Vertrauen nicht erfasst.1952 So stellen auch Ethik-Kommissionen nur die öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeit des Forschungsvorhabens fest. Hieraus folgt zunächst, dass gegen den Sponsor gerichtete Schadensersatzansprüche geschädigter Versuchsteilnehmer nicht zum Kreise der ersatzfähigen Vermögensschäden zu zählen sind. Es gehört nicht zu den Aufgaben der EthikKommissionen, aber auch nicht zu den Aufgaben sonstiger Kontrollbehörden, den Genehmigungsempfänger vor Schadensersatzansprüchen bei Fremdschädigungen zu schützen bzw. freizustellen.1953 Entsprechendes gilt für die unzureichende Probandenversicherung, denn es ist nicht das Ziel, den Sponsor durch eine angemessene Probandenversicherung vor der Inanspruchnahme Dritter zu schützen. 1950
Wie hier für Ethik-Kommissionen van der Sanden, Haftung, S. 213. Vgl. BGHZ 134, 268, 295 f. 1952 Vgl. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 101 ff., 107 f. 1953 Vgl. BGH NJW 1965, 200, 201; Versen, Haftung, S. 150; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 191; für die Arzneimittelzulassung Knothe, Zulassung, S. 165; für Ethik-Kommissionen Kreß, EthikKommissionen, S. 175 ff.; a.A. (wohl) v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 161 f., die sogar auch Schadensersatzansprüche dann für möglich halten, wenn die klinische Prüfung infolge (kommissionsvotengemäßer) Schädigung der Probanden/Patienten nicht mehr fortgesetzt werden kann. 1951
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Es verbleiben die beträchtlichen Planungs- und Investitionskosten des Sponsors. Fraglich ist, ob sämtliche im Vertrauen auf eine erfolgreiche Arzneimittelzulassung getätigten Kosten, die sich später bei erfolgloser Zulassung als Vermögensschäden niederschlagen, ersatzfähig sind, also etwa dergestalt, dass Ablehnungsgründe für die klinische Prüfung vorlagen, die gleichzeitig als Ablehnungsgründe für eine Arzneimittelzulassung in Betracht kommen. In diesem Fall wären sämtlich aufgewandte Kosten, die dem Sponsor bis zum Zeitpunkt der versagten Zulassung angefallen sind, ersatzfähig, also insbesondere auch Kosten für die folgenden klinischen Prüfungen. Dies ist jedoch zu verneinen: Das Ethik-Kommissionsvotum bezieht sich ausschließlich auf die konkrete klinische Prüfung, die durchgeführt werden soll, zumal die §§ 40 ff. AMG auch für nicht zulassungsbezogene Studien Anwendung finden. Kraft dieser inhaltlichen Beschränkung kann der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission nicht der Erklärungsgehalt zugemessen werden, dass auch der ein oder andere Versagungsgrund für die Arzneimittelzulassung nicht vorliegt, bzw. nicht vorliegen wird. Subjektive Vorstellungen des Sponsors über einen weitergehenden Inhalt der zustimmenden Bewertung sind in Anlehnung an den BGH1954 ungeeignet, den Schutzbereich derAmtspflicht zu erweitern. Folglich verbleiben aber die Planungs- und Investitionskosten für die konkret zustimmend bewertete klinische Prüfung ersatzfähig, soweit es nicht wegen Täuschung oder Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis an der Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Sponsors ermangelt und soweit nicht die tatsächlichen Risiken sondern die Rechtsanwendungsrisiken betroffen sind.
3. Verschulden und Kausalität Für das Verschulden – hier: die schuldhafte Verletzung der Amtspflicht, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen bzw. kein rechtswidriges Kommissionsvotum zu erlassen – und für die Kausalität gelten die bereits herausgestellten Grundsätze, die in der vorliegenden Konstellation nicht anders zu bewerten sind.
4. Haftungsausschlüsse und Beschränkungen a. Subsidiarität des Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Dass der Sponsor gegen dritte Personen Ersatzansprüche für seinen erlittenen Vertrauensschaden hat, dürfte nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, etwa wenn dem klinischen Prüfer das Vorliegen von Versagungsgründen aufgefallen ist oder später auffällt. Praxisnäher dürften Ansprüche des Sponsors gegen das Auftragsforschungsinstitut sein, soweit dieses vertraglich zur Stellung des Antrags bei der zuständigen Ethik-Kommission verpflichtet ist. Zu Erfüllung dieser Vertragspflicht 1954
Vgl. BGHZ 134, 268, 295 f.
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reicht es nicht aus, dass die zustimmende Bewertung tatsächlich erteilt wurde. Erforderlich ist vielmehr, dass sie rechtmäßig und nicht rücknehmbar erteilt wird.1955 b. Vorrang des Primärrechtsschutzes, § 839 Abs. 3 BGB Für die Inanspruchnahme des „klassischen“ verwaltungsgerichtlichen und/oder behördlichen Primärrechtsschutzes fehlt es an der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, sodass Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sowie Widerspruch nicht in Betracht kommen.1956 Diskutiert wird aber in den „Vertrauensschutzfällen“, ob ein nachträglicher Änderungsantrag ein maßgebliches Rechtsmittel in den Fällen einer rechtswidrig erteilten Genehmigung ist. Für den Sponsor der klinischen Prüfung besteht eine solche Möglichkeit über § 10 GCP-V. Sieht man in einem Änderungsantrag ein taugliches Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB1957 , so führt vorliegend dessen Nichtgebrauch zu einem gänzlichen Ausschluss solcher Schäden, die durch einen nachträglichen Änderungsantrag hätten vermieden werden können. Da nur die schuldhafte Nichteinlegung schadet, ist freilich Voraussetzung, dass der Sponsor das Vorliegen von Versagungsgründen wenigstens fahrlässig übersehen hat. Dies wird regelmäßig erst nach Aufnahme der klinischen Prüfung der Fall sein. Qualifiziert man dagegen den Änderungsantrag nicht als Rechtsmittel iSd § 839 Abs. 3 BGB, so wird dessen schuldhafte Nichteinlegung über § 254 BGB berücksichtigt, mit der Folge, dass der Sponsor seines vollständigen Schadensersatzanspruchs nicht automatisch verlustig geht.1958 Wird der Vermögensschaden durch einen behördlichen Aufhebungsakt herbeigeführt, so sind jedoch Widerspruch und Anfechtungsklage statthaft.1959 Der Sponsor hat gegen die Rücknahme der zustimmenden Bewertung durch die EthikKommission verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Versäumt er schuldhaft die Einlegung von Widerspruch und Anfechtungsklage, so kann er Planungs- und Investitionskosten von der Ethik-Kommission dann nicht ersetzt verlangen, soweit diese sich bei erfolgreicher Anfechtungsklage bzw. erfolgreichem Widerspruch nicht als nutzlos erwiesen hätten. c. Mitverschulden, § 254 BGB Ein besonderes Augenmerk ist in der vorliegenden Fallgestaltung auf das Mitverschulden des Sponsors nach § 254 BGB zu legen. Liegen keine Gründe vor, die 1955 Ähnlich für das Verhältnis von Bauherr und Architekt BGH NVwZ 1992, 911, 912; hierzu auch Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 586. 1956 Vgl. BGHZ 122, 317, 324; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 211; de Witt/Burmeister, NwVZ 1992, 1039, 1040; Küch, Vertrauensschutz, S. 226. 1957 So etwa de Witt/Burmeister NVwZ 1992, 1039, 1043 f.; Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 212. 1958 Für § 254 BGB Küch, Vertrauensschutz, S. 227; nahestehend Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 94 f. 1959 Vgl. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 211.
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zu einem Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs aufgrund fehlender Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Sponsors führen, so verlagert sich die Prüfung auf die Mitverschuldensebene. Hier sind die größere Sachnähe, die bessere Sachkompetenz, der Wissensvorsprung aber auch etwaige vorhandene Rechtskenntnisse des Sponsors gegenüber der Ethik-Kommission zu berücksichtigen.1960 Es ist aufgrund der Tatsache, dass die Ethik-Kommission nur zur nachvollziehenden Amtsermittlung verpflichtet ist und selbst auf die besondere Sachkompetenz des Sponsors im Wege des Unterlagenprüfverfahrens angewiesen ist, kein Fall denkbar, in dem nicht auch ein Mitverschulden des Sponsors die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens und mithin die Schadensersatzpflicht schmälert. Es stellt sich im Einzelfall also nicht die Frage, ob ein Mitverschulden vorliegt, sondern nur, wie hoch dieses anzusetzen ist. Da gerade dem Sponsor die Einhaltung der §§ 40 ff. AMG obliegt und er teilweise schon selbst Bewertungen über die Einhaltung der §§ 40 ff. AMG vorzunehmen hat, wird der Mitverschuldensanteil stets über dem Verschuldensanteil der Ethik-Kommissionsmitglieder liegen, der bis zum gänzlichen Ausschluss der Haftung reichen kann. Nicht ausgeschlossen ist ferner eine Zurechnung des Mitverschuldens von Erfüllungsgehilfen des Sponsors (§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB), soweit der Amtshaftungsanspruch bereits entstanden ist und soweit das Mitverschulden nicht schon selbst Schadensersatzansprüche des Sponsors begründet, die über § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Berücksichtigung finden.
5. Ergebnis Es besteht auch eine Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor, wenn diese rechtswidrig ihre zustimmende Bewertung erteilt und der Sponsor im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit mit der Studie beginnt. Grundlage der Haftung ist das Kriterium des Vertrauensschutzes. Eine Risiko- und Gefährdungshaftung wird hierdurch nicht begründet. Bereits auf Tatbestandsebene scheidet ein Vertrauensschutz aus, wenn in Anlehnung an § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG eine Sachlage gegeben ist, die eine entschädigungslose Rücknahme der zustimmenden Bewertung rechtfertigen würde. Ersatzfähig sind (nur) die Planungs- und Investitionskosten im Hinblick auf die konkrete klinische Prüfung. Für den Vorrang des Primärrechtsschutzes (§ 839 Abs. 3 BGB) kommt ein nachträglicher Änderungsantrag (§ 10 GCP-V) in Betracht, Anfechtungs- und Verpflichtungsklage dann, wenn der Vermögensschaden durch einen behördlichen Aufhebungsakt herbeigeführt worden ist. Auf der Ebene des Mitverschuldens sind die besonderen Rechtsund Sachkenntnisse des Sponsors zu berücksichtigen. Der Mitverschuldensanteil überwiegt grundsätzlich den Verschuldensanteil der Ethik-Kommissionsmitglieder.
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Allg. dazu Vgl. BGHZ 149, 50, 54 ff.; NVwZ 2008, 926 f.; 2004, 638, 639
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II. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff scheiden in der vorliegenden Konstellation aus, weil das positive Ethik-Kommissionsvotum keinen Eingriff in Rechtspositionen iSd Art. 14 GG begründet.1961
E. Haftung für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor aufgrund fehlerhafter Aufhebung der zustimmenden Bewertung Dem Sponsor könnten auch Schadensersatzansprüche zustehen, wenn die federführende Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung fehlerhaft aufhebt.
I. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Gem. § 42a Abs. 4a 1. HS AMG hat die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung zurückzunehmen, wenn sie nachträglich davon Kenntnis erlangt, dass ein Versagungsgrund nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG vorgelegen hat. Zu widerrufen hat sie ihre (ursprünglich rechtmäßige) zustimmende Bewertung, wenn nachträglich ein oder mehrere Widerrufsgründe eintreten, § 42 Abs. 4a 2. HS Nr. 1–4 AMG. Die vorliegende Haftungskonstellation ist dadurch gekennzeichnet, dass eine anfänglich rechtmäßige und später auch nicht rechtswidrig gewordene zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission vorliegt, sie aber gleichwohl die zustimmende Bewertung aufhebt. Ethik-Kommissionsmitglieder verletzen ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, wenn sie irrtümlich vom Vorliegen anfänglicher Versagungsgründe ausgehen und infolgedessen ihr (rechtmäßiges) Votum rechtswidrig und damit amtspflichtwidrig zurücknehmen. Entsprechendes gilt für den rechtswidrigen Widerruf, wenn irrtümlich vom Eintritt nachträglicher Widerrufsgründe ausgegangen wird.1962 Rücknahme und Widerruf führen dazu, dass die klinische Prüfung nicht fortgesetzt werden kann (§ 42a Abs. 4a S. 2 iVm Abs. 4 AMG). Es handelt sich um belastende Verwaltungsakte, die in das subjektiv-öffentliche Recht des Sponsors auf Durchbzw. Weiterführung der begonnenen klinischen Prüfung eingreifen. Zudem ist er jeweils iSd § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Demzufolge bestehen die beschriebenen Amtspflichten auch ihm gegenüber (personelle Drittrichtung). Der jeweils vom Sponsor in der vorliegenden Aufhebungskonstellation geltend gemachte Schaden muss auch vom Schutzzweck der verletzten Amtspflicht umfasst sein. Es muss gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der 1961
Vgl. allg. dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 453. Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 208. Näheres zu Rücknahme und Widerruf bereits bei der Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer, § 5 D.
1962
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rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden.1963 Lässt der BGH für den Fall der amtspflichtwidrigen Verweigerungen solcher Genehmigungen, auf die der Antragssteller einen Anspruch hat, grundsätzlich alle Nachteile in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen, die bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde vermieden worden wären und ist der Geschädigte so zu stellen, wie wenn sein Gesuch rechtzeitig und zutreffend beschieden worden wäre, soweit ein innerer sachlicher Bezug zu den Amtspflichten besteht1964 , so hat man diese Grundsätze auch in der vorliegenden Konstellation für solche Schäden anzuwenden, die dem Sponsor durch den unberechtigten Widerruf oder der unberechtigten Rücknahme der zustimmenden Bewertung entstehen. Je nach Sachlage sind folglich Schäden erfasst, die dem Sponsor durch die verzögerte Fortsetzung, durch den Studienstopp und/oder -abbruch entstehen, bis hin zum entgangenen Gewinn. Hervorzuheben ist, dass Widerruf und Rücknahme belastendeVerwaltungsakte darstellen und demzufolge Widerspruch und Anfechtungsklage statthaft sind, deren schuldhafte Nichteinlegung zum Ausschluss solcher Schäden führt, die durch die Einlegung hätten vermieden werden können, § 839 Abs. 3 BGB. Der zu ersetzende Schaden beschränkt sich daher grundsätzlich nur auf den Verzögerungsschaden i. w. S., da Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (§ 42a Abs. 4a S. 2 iVm Abs. 3 S. 3 AMG). II. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff Ferner hat der Sponsor der klinischen Prüfung einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Er wird, ebenso wie bei der anfänglichen Versagung der klinischen Prüfung, durch einen rechtswidrigen Widerruf oder einer rechtswidrigen Rücknahme der zustimmenden Bewertung in seiner über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums(weiter)nutzungsbefugnis (Prüfarzneimittel, Patent bzw. patenfähige Erfindung) beeinträchtigt. Es gelten die dort beschriebenen Besonderheiten, also dass für die Bejahung eines Sonderopfers Rücknahme oder Widerruf materiell rechtswidrig sein müssen und dass der Anspruch nur auf angemessene Entschädigung für den Substanzverlust oder die konkrete Nutzungsbeeinträchtigung gerichtet ist. Ferner findet der Vorrang des Primärrechtsschutzes über § 254 BGB Anwendung und passiv legitimiert ist der begünstigte Hoheitsträger. War bei der Frage des Anspruchs auf Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff wegen rechtswidriger Versagung der zustimmenden Bewertung zu erörtern, ob auch subjektiv-öffentliche Rechte als Rechtspositionen anzusehen sind, so stellt sich vorliegend die Frage, ob öffentlich-rechtliche Genehmigungen unter den Eigentumsschutz fallen. In diesem Fall wäre es möglich, die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission als geschützte Rechtsposition iSv Art. 14 Abs. 1 GG anzusehen. Das BVerfG hat dies für die Arzneimittelzulassung ausdrücklich offen gelassen und darauf hingewiesen, dass subjektiv-öffentliche Rechte dem Eigentumsschutz unterliegen können, wenn sie sich als Äquivalent eigener Leistung erweisen und nicht 1963 1964
Vgl. BGHZ 125, 258, 269; NJW 2009, 1207, 1208. BGHZ 125, 258; 269 f.; LKV 2008, 189 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 578.
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vorwiegend auf staatlicher Gewährung beruhen.1965 Selbst wenn man dies für die zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission annehmen würde, so ergibt sich jedoch kein inhaltlich weitergehender Schutz im Verhältnis zu demjenigen, der bereits über das „Eigentumssubstrat“ vermittelt wird.1966
F. Ansprüche von klinischen Prüfern Neben den Ansprüchen des Sponsors der klinischen Prüfung kommen auch solche von klinischen Prüfern in Betracht, die imAuftrag des Sponsors die klinische Prüfung durchführen. I. Ansprüche aufgrund fehlerhafter Versagung der zustimmenden Bewertung 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG In Betracht kommt wiederum die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG. a. Amtspflichtverletzung Versagt die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung gegenüber dem Sponsor, obwohl Ablehnungsgründe nach § 42 Abs. 1 S. 7 AMG nicht vorlagen, liegt eine Verletzung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten vor. b. Drittgerichtetheit Diese Amtspflicht besteht unzweifelhaft dem Sponsor als Genehmigungs- bzw. Zustimmungsempfänger gegenüber. Der klinische Prüfer ist jedoch weder Zustimmungsempfänger noch – abgesehen von dem Fall, dass er selbst die Sponsorfunktion ausübt – tauglicher Antragssteller und auch kein Verfahrensbeteiligter iSd § 13 VwVfG.1967 Der Verwaltungsakt der Ethik-Kommission, adressiert an den Sponsor der klinischen Prüfung, hat gegenüber dem klinischen Prüfer allerdings belastende Drittwirkung, indem dieser infolge der Ablehnung der klinischen Prüfung daran gehindert wird, sich wissenschaftlich durch die Teilnahme an dem Forschungsprojekt zu betätigen. 1965 Vgl. BVerfG NJW 1992, 735, 736; ferner zur Thematik Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 28 ff.; Jarass/Pieroth, Art. 14 Rn. 11; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 61 ff.; ausf. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 174 ff., jew. m.w. Nachw. aus der Rspr. 1966 Vgl. BVerfG NJW 1992, 735, 736: „Ob das hier der Fall ist, kann offen bleiben, denn der grundrechtliche Bestandsschutz kann inhaltlich jedenfalls nicht weiter gehen als die öffentlichrechtlich hier durch die Zulassung - eingeräumte Position“. Hierzu auch bereits oben, § 6 A.II.3.b. 1967 Zum Verfahrensbeteiligten wird der klinische Prüfer dann, wenn die Ethik-Kommission ihn hinzuzieht, § 13 Abs. 2 VwVfG. Hierdurch wird er jedoch nicht „Dritter“ iSd § 839 Abs. 1 BGB, vgl. BGH NVwZ 2008, 670; NJW 1994, 2091, 2092 f.
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aa. Personeller Schutzbereich Allein aus einer belastenden Drittwirkung folgt jedoch noch nicht, dass die Amtspflicht zur ordnungsgemäßen, d. h. zustimmenden Bewertung im Falle fehlender Ablehnungsgründe auch dem klinischen Prüfer gegenüber besteht. Voraussetzung ist vielmehr, dass der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte zum geschützten Personenkreis zu zählen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, gerade die Interessen des Geschädigten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäftes ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäftes geschützt oder gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet.1968 Im Gegensatz zum Sponsor kann sich der klinische Prüfer weder auf ein subjektivöffentliches Recht auf Durchführung und/oder Beteiligung an der klinischen Prüfung berufen, noch auf eine ihm gegenüber bestehende öffentlich-rechtlichen Sonderbeziehung. Vorliegend ist also zu klären, ob die ablehnende Bewertung sich gegenüber dem klinischen Prüfer nur „mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt“, oder ob sich aus der Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass die Belange des klinischen Prüfers geschützt und gefördert werden sollen. Allein erhebliche wirtschaftliche Interessen an einer positiven Entscheidung reichen jedenfalls nicht aus, einen Dritten in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung einzubeziehen.1969 Liegt eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts vor, das sich aus einer drittschützenden Norm ergibt, so begründet auf der Ebene des Primärrechtsschutzes die Schutznormtheorie einen Individualschutz, der mit dem Drittschutz im Rahmen der Amtshaftung korrespondiert.1970 Für den klinischen Prüfer ist eine solche drittschützende Norm jedoch nicht ersichtlich. Insoweit ist aber ein Rückgriff auf Grundrechte des klinischen Prüfers möglich und damit in erster Linie auf die Forschungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG. Der Schutzbereich der Forschungsfreiheit ist sowohl in personeller als auch in sachlicher Hinsicht eröffnet; insbesondere fällt auch die industriegeförderte Zweck-, Drittmittel- und Auftragsforschung unter den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG.1971 Ferner kommt das Grundrecht der Berufsfreiheit in Betracht, Art. 12 GG. Aus dieser grundrechtlichen Wertung wird auf die
1968 Vgl. BGHZ 56, 40, 45; 106, 323, 331; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 127; hierzu bereits oben, § 5 B.II.3.c.bb(2). 1969 Vgl. BGH NJW 1994, 2091, 2093. 1970 Vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 105. 1971 Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 5 Rn. 96; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 101; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 355; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3 Rn. 98; Pernice, in: Dreier, Art. 5 Abs. 3 Rn. 30 a.E.; ferner Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 918; Pramann, Publikationsklauseln, S. 92.
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Klagebefugnis des klinischen Prüfers nach § 42 Abs. 2 VwGO geschlossen.1972 Soll die Drittbezogenheit der Amtspflicht grundsätzlich mit dem verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutz korrespondieren1973 , so ließe sich hieraus für den klinischen Prüfer auch auf die Drittgerichtetheit der Amtspflicht schließen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es neben dem Schutz der Prüfungsteilnehmer seit jeher die ureigenste Natur des Amtsgeschäfts der Ethik-Kommissionen war, den Forscher zu schützen.1974 Vor der Einführung der spezifischen Antragsbefugnis des Sponsors war es unbestritten, dass der Forscher zum Kreise der geschützten Dritten zu zählen ist.1975 Hieran dürfte sich aber auch durch die 12. AMG-Novelle nichts geändert haben, zumal die Zuständigkeiten der federführenden und beteiligten Ethik-Kommissionen vom Sitz des Prüfers abhängig gemacht werden (§§ 42 Abs. 1 S. 1 AMG, 7 Abs. 1 S. 4 GCP-V) und nicht nur der Sponsor, sondern auch der einzelne Prüfer ein erhebliches Interesse an einer rechtmäßigen Begutachtung haben. Für die abgelehnte Baugenehmigung hat der BGH grundsätzlich aus Gründen der Personenbezogenheit der Ablehnung nur den Antragssteller zum Kreise der ersatzberechtigten Dritten gezählt, Ausnahmen aber dann zugelassen, wenn ein am (Baugenehmigungs-)Verfahren nicht beteiligter Dritter eine solche Rechtsstellung innehatte, die ihrem sachlichen Gehalt nach der eines Bauherrn gleichkam bzw. dieser der eigentliche Träger des Interesses an der Verwirklichung des Vorhabens gewesen ist.1976 Zwar erscheint fraglich, ob diese speziell für das Baugenehmigungsverfahren entwickelten Grundsätze verallgemeinerungsfähig und vorliegend übertragbar sind. Konstatieren lässt sich aber, dass das „Interessenminus“ gegenüber dem Sponsor an einer erfolgreichen Vermarktung des Arzneimittels durch ein „Interessenplus“ des Prüfers an wissenschaftlicher Betätigung ausgeglichen wird. So hielt es auch Kreß auf dem Boden der damaligen und heute noch im Bereich des § 15 MBO-Ä geltenden Rechtslage für einen unangebrachten „bloßen Formalismus“, die Industrie allein deswegen nicht zum Kreise der geschützten Dritten zu zählen, nur weil diese nach den einschlägigen Verfahrensordnungen nicht antragsbefugt sei.1977 Es spricht vieles dafür, den Sponsor und die von ihm mit der Durchführung des Forschungsvorhabens beauftragten Prüfer als „einheitliches Ganzes“ zu behandeln. 1972
Für Klagebefugnis des (nicht antragsstellenden) Prüfers v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 228. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass es umstritten ist, ob unmittelbar auf Grundrechte zur Begründung subjektiv-öffentlicher Rechte zurückgegriffen werden kann, wenn die einschlägig einfachgesetzlichen Normierungen ein solches nicht begründen; vgl. hierzu Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 11 Rn. 14; Maurer, Allg VerwR, § 8 Rn. 10; s.a. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 106 f. 1973 Vgl. BGHZ 125, 258, 268; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 129 a.E.; Wurm, JA 1992, 1, 2; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 133; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 114 ff. 1974 S. oben, § 2 B. 1975 Vgl. nur Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 47; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 170 f. 1976 Vgl. BGH NJW 2091, 2092 f. m.w. Nachw.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 575 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 65. 1977 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 178 ff.
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Allgemein wird daher auch davon ausgegangen, dass der Forscher im gleichen Maße wie der Sponsor der klinischen Prüfung in den personellen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fällt.1978 Weiterhin nimmt das Normenprogramm der EthikKommission ausdrücklich in § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG auf den klinischen Prüfer Bezug, dessen Qualifikation die Ethik-Kommission für die klinische Prüfung festzustellen hat. Für die universitären und kammerzugehörigen Ethik-Kommissionen dürfte dieses Ergebnis im Übrigen bereits aus ihrer Stellung und Ansiedlung folgen, da sie berufbezogene Interessen der Universitätsbzw. Kammermitglieder zu schützen und zu fördern haben.1979 bb. Sachlicher Schutzbereich Fraglich ist, ob auch der konkret geltend gemachte Schaden in den sachlichen Schutzbereich der verletzten Amtspflicht fällt. Das ist der Fall, wenn gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Der Schaden des klinischen Prüfers liegt grundsätzlich im entgangenen Prüfarzthonorar und der entgangenen Forschungstätigkeit mit anschließender Publikationsmöglichkeit. (1) Prüfarzthonorar Ob das entgangene Prüfarzthonorar unter dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) vom Schutzzweck der Amtspflichtverletzung erfasst ist, erscheint fraglich. Zu bejahen wäre dies dann, wenn das Interesse des Prüfers an der Beteiligung am wissenschaftlichen Forschungsprojekt nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts der Ethik-Kommission geschützt werden soll und auch Vermögenseinbußen in Form des entgangenen Gewinns (Prüfarzthonorar) hierunter fallen. Lässt der BGH für den Fall pflichtwidriger Verweigerungen und/oder Verzögerungen von Genehmigungen grundsätzlich alle Nachteile in den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fallen, die bei pflichtgemäßem Handeln der Behörde vermieden worden wären und ist vorliegend von einer gleichwertigen Interessenlage von Sponsor und Prüfer auszugehen, so ist kein Grund ersichtlich, das konkrete Interesse an der Beteiligung am wissenschaftlichen Forschungsprojekt als nicht geschützt anzusehen. Einen anderen Weg könnte man nur unter Berücksichtigung der „gespaltenen Drittbezogenheit“ einschlagen und den Prüfer gerade in seinem Belang an wissenschaftlicher Betätigung als nicht geschützt ansehen. Hiergegen streitet jedoch nicht nur, dass gerade die Forschungstätigkeit des Prüfers im Vordergrund 1978 Vgl. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 159: „Prüfer wie Sponsoren haben deshalb einen Anspruch auf zustimmende Bewertung, wenn dem Versuch keine rechtlichen Gründe entgegenstehen“, u. S. 163; Sander, Erl. § 42 Anm. 9: „Aber die Amtspflichten der Ethik-Kommissionen bestehen daneben auch dem Sponsor und Prüfer gegenüber“; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069, 1072; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 163. 1979 S.a. zur Haftung einer Handwerkskammer gegenüber ihren Mitgliedern BGH NVwZ-RR 2001, 441.
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steht und für Ethik-Kommissionen klar erkennbar ist, sondern auch die Funktion der Ausschusskontrolle. Das Prüfarzthonorar bildet gewissermaßen die wirtschaftliche Kehrseite der wissenschaftlichen Betätigung.1980 Voraussetzung für dessen Ersatzfähigkeit ist jedoch, dass ein innerer sachlicher Bezug zu den Amtspflichten der EthikKommissionsmitgliedern besteht. An einem solchen inneren sachlichen Bezug ließ der BGH etwa das Provisionsinteresse eines vom Grundstückseigentümer beauftragten Architekten scheitern. Dieses sei nicht vom Schutzbereich der Amtspflichtverletzung zur rechtzeitigen und zutreffenden Erteilung einer Baugenehmigung erfasst, weil es am Bezug zur baulichen Nutzbarkeit fehlte. Die Vertragsparteien haben es nicht in der Hand, durch Vertragsgestaltungen den Schutzbereich der Amtspflichten der Bauaufsichtsbehörde uferlos dahin zu erweitern, dass jedes beliebige Vermögensinteresse darunter fällt.1981 So liegt es hier jedoch nicht. Das Prüfarzthonorar ist Gegenleistung für die geleistete Prüfertätigkeit und unmittelbar mit der Durchführung der klinischen Prüfung verbunden.1982 Nach alledem fällt das entgangene Prüfarzthonorar in Form des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) auch in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung.1983 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Prüfervergütung vor allem bei universitären Prüfärzten aufgrund der §§ 331 ff. StGB auf ein Drittmittelkonto der Universität überwiesen wird. Diese werden von der Universität verwaltet und der (Prüf-)Arzt hat idR keinen direkten Zugriff auf die Mittel.1984 Von der jeweils passiv legitimierten Körperschaft kann der Prüfarzt daher keine Schadensersatzleistung für das entgangene Prüferhonorar an sich selbst, sondern nur auf sein Drittmittelkonto bei der Universität verlangen. (2) Entgangene Publikationsmöglichkeit Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Interesse des Prüfers an der Beteiligung am wissenschaftlichen Forschungsprojekt des Sponsors vom Schutzbereich der Amtspflichtverletzung erfasst ist und demzufolge grundsätzlich solche Schäden ersatzfähig sind, die ihm durch das Ausbleiben der klinischen Prüfung entstehen. 1980 Überwiegend wird auch die Einwerbung von Drittmitteln als vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erfasst angesehen, vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 370 m.w. Nachw. 1981 Vgl. BGHZ 125, 258, 269 f.; s.a. BGH NJW 2009, 1207, 1209; dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 578. 1982 Vgl. zur „Unmittelbarkeit“ auch BGH NJW 2009, 1207, 1208. 1983 Zu ersetzten ist nach § 252 BGB derjenige Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Wird der Prüfer gestaffelt nach seiner Patientenzahl und abgeschlossenen Abschlussvisiten bezahlt, kommt es demzufolge darauf an, wie viele Patienten er hätte rekrutieren können und wie viele hiervon die klinische Prüfung auch beenden ohne vorzeitig auszuscheiden. 1984 Vgl. zum Themenkreis BGHSt 47, 295, 303 ff.; NStZ 2003, 171 ff.; OLG Köln, NStZ 2002, 35 ff.; Lippert, VersR 2000, 158 ff.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 464 f.; Bannenberg, in: Wabnitz/Janovsky, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Rn. 78 ff.
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Hervorzuheben ist hier die entgangene Publikationsmöglichkeit. Zum Kernbereich der wissenschaftlichen Forschung gehört die Bewertung und Verbreitung der Forschungsergebnisse.1985 Gerade für den medizinischen Forscher hat die mit der Teilnahme am Forschungsprojekt eröffnete Möglichkeit einer Publikation der Studienergebnisse herausragende Stellung. Sie stellt sich als „krönenden Abschluss eines Forschungsprojekts“1986 dar, ist gewichtiges Mittel der beruflichen Qualifikation und mithin für die persönliche Karriere des Wissenschaftlers von großer Bedeutung.1987 Untermauert wird dies durch den sog. Impact-Factor (IF).1988 Nicht selten hängt auch die Gewährung öffentlicher Drittmittel von der Anzahl der Publikationen ab. Entsteht dem klinischen Prüfer durch die entgangene Publikationsmöglichkeit ein Schaden, so wird dieser grundsätzlich im sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung liegen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass das Publikationsrecht oftmals vertraglich zwischen Sponsor und klinischem Prüfer eingeschränkt wird. Der Prüfer hat oftmals nicht das Recht zur sofortigen, alleinigen und/oder teilweisen Publikation. Hieran hat sich auch die Schadensberechnung zu orientieren. Etwas anderes gilt aber dort, wo die Publikationsvereinbarung sittenwidrig ist, § 138 BGB.1989 In diesem Falle hat der Prüfer grundsätzlich ein uneingeschränktes Veröffentlichungsrecht.1990
1985
Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 361; deutlich Pernice, in: Dreier, Art. 5 Abs. 3 Rn. 28: „Wer über seine Forschungsergebnisse nicht informiert, gehört ebenso wenig zur scientific community, wie derjenige, welcher relevante Ergebnisse anderer nicht zur Kenntnis nimmt“, u. Rn. 30; s.a. Pramann, Publikationsklauseln, S. 92 f.; BVerfGE 35, 79, 113; OLG Braunschweig, GRUR-RR 2006, 178, 179. 1986 Vgl. Stengel/Bauwens/Ekkernkamp, DÄBl. 2005, A-495. 1987 Vgl. Davidoff et. al., The Lancet 2001, 854 ff.; Oehm/Lindner, DÄBl. 2002, A-1489; eingehend Pramann, Publikationsklauseln, S. 7 ff., 61 ff., 91 f. m.w. Nachw. 1988 Näheres hierzu bei Pramann, Publikationsklauseln, S. 61 f. m.w. Nachw. 1989 Ausführlich hierzu Pramann, Publikationsklauseln, S. 65 ff., 85 ff., 107 ff. 1990 Nach Pramann, Publikationsklauseln, S. 99 ist keine Gesamtnichtigkeit sondern Teilnichtigkeit des (Prüfarzt-)Vertrages anzunehmen, weil die Publikationsabrede „nur eine kleine Nebenbestimmung zum Vertrag über die Durchführung einer klinischen Studie“ sei und auch der übrige Teil des Vertrages „ohne weiteres für sich genommen bestehen bleiben“ könne. Führt man sich aber vor Augen, dass die Publikationsabrede der Sicherung des Patents bzw. der patentfähigen Erfindung dient und bei Veröffentlichung der Erfindung eine wirtschaftliche Verwertung nicht mehr möglich ist, mithin die Investition in Forschung und Weiterentwicklung vergebens war (vgl. Pramann, Publikationsklauseln, S. 59 f.), so ist es vor diesem Hintergrund eher fraglich, ob tatsächlich nur eine Teilnichtigkeit nach § 139 BGB in Frage kommt. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Sponsor unter Preisgabe seiner Erfindung den Vertrag auch ohne den nichtigen Teil, also die Publikationsabrede, vorgenommen hätte. Bejaht man eine Gesamtnichtigkeit, so hat der Prüfer gegen den Sponsor weder einen Anspruch auf Teilnahme am Forschungsprojekt noch den Vergütungsanspruch. Für bereits geleistete Forschungstätigkeiten kann aber Aufwendungsersatz vom Sponsor über gesetzliche Ansprüche (§§ 677 ff., 812 ff. BGB) gefordert werden.
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c. Verschulden und Kausalität Für das Verschulden und die Kausalität gelten die für den Sponsor bereits herausgestellten Grundsätze, die für den klinischen Prüfer nicht anders zu beurteilen sind. d. Haftungsausschlüsse und –beschränkung aa. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Bei nur fahrlässiger Amtspflichtverletzung greift wie für den Sponsor und den Versuchsteilnehmer das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ein. Anderweitige Ersatzansprüche für Schäden, die der klinische Prüfer durch die entgangene wissenschaftliche Betätigung, insbesondere für das entgangene Prüfarzthonorar und die entgangene Publikationsmöglichkeit, sind auf Ausnahmekonstellationen beschränkt. Hat der Sponsor gegen das beauftrage Auftragsforschungsinstitut Schadensersatzansprüche wegen des Ausbleibens oder der Verzögerung der klinischen Prüfung, so dürfte dies auch gegenüber dem klinischen Prüfer anzunehmen sein, soweit man dem Vertrag zwischen Sponsor und dem Auftragsforschungsinstitut Schutzwirkung für den klinischen Prüfer zuschreibt. bb. Schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln, § 839 Abs. 3 BGB Dem Grunde nach besteht die Möglichkeit einer (Dritt-)Verpflichtungsklage des klinischen Prüfers, gerichtet auf Erlass der zustimmenden Bewertung gegenüber dem Sponsor. Wegen der Verletzung der Forschungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG ist der klinische Prüfer auch klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO.1991 Fraglich ist jedoch, ob die Nichteinlegung von Rechtsmitteln seitens des klinischen Prüfers auch als schuldhaft zu bewerten ist. Die Prüfung, ob der Verletzte es schuldhaft unterließ, ein Rechtsmittel einzulegen, beurteilt sich nach der Rspr. unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Es ist auf die Verhältnisse des Verkehrskreises abzustellen, dem der Verletzte angehört und mithin darauf, welches Maß an Umsicht und Sorgfalt von Angehörigen dieses Kreises verlangt werden muss.1992 Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Sponsor als Antragssteller regelmäßig Rechtsmittel gegen die ablehnenden und verzögerten Voten der Ethik-Kommission einlegen wird. Hierauf darf der klinische Prüfer auch grundsätzlich vertrauen, weil beide ein Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens haben. Unterlässt der klinische Prüfer die Einlegung von Rechtmitteln, so gereicht ihm dies im Rahmen von § 839 Abs. 3 BGB nicht zum Nachteil, wenn er auf die ordnungsgemäße Rechtsmitteleinlegung durch den Sponsor vertrauen darf.1993 Konsequenterweise greift § 839 Abs. 3 BGB 1991
Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 228. Vgl. BGHZ 113, 17, 24 f.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 334; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 224; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 345; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 71. 1993 Etwas anderes gilt dann, wenn der Prüfer seitens der beteiligten und federführenden EthikKommission als nicht hinreichend qualifiziert angesehen (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG) wird, er von 1992
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auch dann nicht ein, wenn der Sponsor es schuldhaft unterlässt, gegen die ablehnende Bewertung der Ethik-Kommission vorzugehen.1994 Da hiervon aber idR nicht auszugehen ist und wie erörtert die Amtshaftung nur bei erfolgreicher Klage vor dem Verwaltungsgericht als praxisrelevant einzustufen ist, verlagert sich der Schaden grundsätzlich nur auf den Verzögerungsschaden iwS, also vorliegend auf die verzögerte Überweisung des Prüfarzthonorars und der verzögerten Publikation.
cc. Mitverschulden, § 254 BGB Ein Mitverschulden des klinischen Prüfers bei der Schadensentstehung ist wie erörtert denkbar, wenn die Ethik-Kommission ihn zur Entscheidungsfindung hinzuzieht und er unzureichende oder fehlerhafte Angaben tätigt.
e. Ergebnis Auch der klinische Prüfer hat Amtshaftungsansprüche, wenn die federführende Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung rechtswidrig nicht erteilt. Zu den ersatzfähigen Schäden zählen insbesondere das entgangene Prüfarzthonorar und die entgangene Publikationsmöglichkeit. Unter Berücksichtigung des § 839 Abs. 3 BGB wird grundsätzlich nur ein Verzögerungsschaden in Betracht kommen.
2. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff Ansprüche des klinischen Prüfers aus enteignungsgleichem Eingriff kommen, soweit der klinische Prüfer lediglich beteiligter an einem Forschungsprojekt eines Dritten ist, nicht in Betracht. Zwar ist es durchaus denkbar, dass in der Person des klinischen Prüfers Urheberrechte und Recht an Daten und Ergebnissen entstehen, die als Rechtspositionen über Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden.1995 Vor Beginn der klinischen Prüfung sind dies jedoch bloße Interessen, Chancen und Verdienstmöglichkeiten, die nicht über Art. 14 Abs. 1 GG erfasst werden.1996
der klinischen Prüfung ausgeschlossen und das Forschungsprojekt dann ohne ihn begonnen wird. Hier kann der Prüfer nicht darauf vertrauen, dass der Sponsor in seinem Interesse Rechtsmittel einlegt. 1994 Eine etwaige Zurechnung des Verschuldens des Sponsor über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB scheitert schon daran, dass der Sponsor nicht Verrichtungsgehilfe des Prüfarztes ist. Wird zwischen Sponsor und Prüfer vertraglich vereinbart, dass der Sponsor die Interessen des Prüfarztes wahrnehmen soll, so fehlt es jedenfalls an der rechtlichen Sonderverbindung zwischen Prüfer und Ethik-Kommission zum Zeitpunkt der Amtspflichtverletzung. 1995 Hierzu ausf. Pramann, Publikationsklauseln, S. 34 ff.; s.a. Lippert, in: FS Deutsch II, S. 359 ff. 1996 Hierzu bereits oben, § 6 A.II.3.a.bb.
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II. Ansprüche wegen unberechtigtem Ausschluss von der klinischen Prüfung Eng mit der soeben erörterten Konstellation verbunden, gleichwohl aber getrennt zu behandeln ist der Fall, dass die (federführende) Ethik-Kommission rechtswidrig den Prüfer und/oder die Prüfstätte von der klinischen Prüfung ausschließt, weil ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG nicht vorliegen. Bei monozentrischen Prüfungen ist nur der Ausschluss eines oder mehrerer Prüfer denkbar, bei multizentrischen klinischen Prüfungen dagegen zusätzlich auch der komplette Ausschluss von Prüfeinrichtungen. Dies geschieht durch eine zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission an den Sponsor, verbunden mit der aufschiebenden Bedingung, dass einzelne Prüfer und/oder Prüfstätten von der klinischen Prüfung ausgeschlossen werden. Für die vorliegende Konstellation ist kennzeichnend, dass der Sponsor mit der klinischen Prüfung ohne die ausgeschlossenen Prüfer bzw. derjenigen, die in einer Prüfstätte tätig geworden wären, beginnen kann. Bei multizentrisch durchgeführten klinischen Prüfungen kommt auch eine Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission in Betracht. 1. Haftung für die federführende Ethik-Kommission aus Amtshaftung, § 839 Abs. 1, Art. 34 GG Die (federführende) Ethik-Kommission ist zum Erlass einer Nebenbestimmung nur dann berechtigt, wenn diese dazu dient, Versagungsgründe nach §§ 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1–3 AMG auszuräumen, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Liegt kein Versagungsgrund vor, hätte der Sponsor mithin einen Anspruch auf eine uneingeschränkte („nebenbestimmungsfreie“) zustimmende Bewertung, so ist die Nebenbestimmung rechtswidrig.1997 Ebenso liegt es mit einer aufschiebenden Bedingung, die den Ausschluss von Prüfern und/oder Prüfstätten vorsieht, wenn der Versagungsgrund des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG nicht vorliegt, Prüfer und Prüfstätte mithin für die klinische Prüfung hinreichend qualifiziert und geeignet sind. Die (federführende) Ethik-Kommission verletzt bei einer gleichwohl unter einer aufschiebenden Bedingung erteilten zustimmenden Bewertung ihre Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten, die ihr auch und gerade gegenüber den ausgeschlossenen Prüfern obliegt. Entscheidende Bedeutung kommt dem schon thematisierten Verschulden zu.1998 Bei monozentrischen Prüfungen und bei multizentrischen Prüfungen für diejenigen Prüfer, die in den Zuständigkeitsbereich der federführenden Ethik-Kommission fallen, gelten die allgemeinen Grundsätze. Teilt die beteiligte Ethik-Kommission bei multizentrisch durchgeführter klinischer Prüfung der federführenden EthikKommission mit, dass die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen gegeben sind und setzt sich die federführende Kommission hierüber nach eigener Prüfung hinweg, so 1997 1998
Ausf. dazu oben, § 6 B.II. Oben, § 5 C.II.3.
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hat sie ebenfalls ihre Entscheidung alleinig zu vertreten. Hier dürfte das negative Prüfungsergebnis der beteiligten Ethik-Kommission allerdings für das Verschulden der federführenden Kommission den Charakter einer Indizwirkung zukommen, wenn sich nachträglich herausgestellt, dass die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen vorlagen, sie sich also über die ortsnähere Ethik-Kommission hinweggesetzt hat. Ganz anders liegt es aber für den Regelfall, dass die Ethik-Kommission die lokale Stellungnahme der beteiligten Ethik-Kommission zum Anlass nimmt, die seitens der beteiligten Kommission negativ bewerteten Prüfer und/oder Prüfstätte von der klinischen Prüfung auszuschließen. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass die beteiligte Ethik-Kommission einen eigenständigen Prüfauftrag erfüllt und das Votum wegen der gesteigerten örtlichen Sachkompetenz für die federführende Ethik-Kommission faktisch bindend ist, so handeln die Ethik-Kommissionsmitglieder grundsätzlich nicht schuldhaft, wenn sie auf die ordnungsgemäße und bessere Bewertung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen vertrauen dürfen. Hier wird es also dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission vorhanden sind, am Verschulden fehlen und ein Amtshaftungsanspruch scheidet folglich aus. Scheitert der Amtshaftungsanspruch nicht am Verschulden oder liegt einer der zuerst genannten Fälle vor, so ist zunächst der Vorrang des Primärrechtsschutzes zu beachten, § 839 Abs. 3 BGB. Anders als bei der gänzlichen Versagung der zustimmenden Bewertung kann sich der Prüfer vorliegend nicht darauf verlassen, dass der Sponsor auf eine uneingeschränkte zustimmende Bewertung vor dem Verwaltungsgericht klagt, wenn er die aufschiebende Bedingung hinnimmt und ggf. nach Ersatz für die ausgeschlossenen Prüfer bzw. Prüfstätten sucht. Der Prüfer muss selbst Rechtsmittel gegen die ihn belastende Nebenbestimmung einlegen, dessen schuldhafte Unterlassung zumAusschluss derAmtshaftung führt. Vorliegend ist die isolierte (Dritt-)Anfechtungsklage gegen die aufschiebende Bedingung der federführenden Ethik-Kommission statthaft.1999 Die Höhe des Schadensersatzanspruchs aber auch der Umfang des nach § 839 Abs. 3 BGB in Anspruch zu nehmenden Rechtsschutzes wird durch die Ausgestaltung im Prüfarztvertrag wesentlich (mit-)bestimmt. Der Prüfarztvertrag kann selbst unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen worden sein, dass die Ethik-Kommission den Prüfer als hinreichend qualifiziert erachtet. Tritt diese Bedingung infolge des Kommissionsvotums nicht ein, so hat der Prüfer ein erhebliches Interesse daran, ein positives Ethik-Kommissionsvotum zu erhalten. Erhält er dieses nach erfolgreicher Klage und kann er infolgedessen seine Prüfertätigkeit aufnehmen, so ist ihm der Schaden zu ersetzen, der ihm durch die verspätete positive Bewertung entstanden ist, was insbesondere bei einer Honoraraufteilung nach Studienvisiten relevant wird. Verweigert der Sponsor dem klinischen Prüfer auch nach der positiven Bewertung die Mitwirkungen oder hat er ggf. schon weitere Prüfzentren bzw. Prüfer rekrutiert (§ 10 Abs. 4 GCP-V), so kann der Prüfer einen vertraglichen Schadensersatzanspruch
1999
Zum umstrittenen Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen Hufen/Bickenbach, JuS 2004, 867 ff., für aufschiebende Bedingungen bes. S. 871
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gegen den Sponsor haben, um dessen Höhe die Schadensersatzpflicht aus Amtshaftung zu mindern ist, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Ist zwischen Prüfer und Sponsor die Möglichkeit einer vorzeitigen Vertragskündigung im Falle einer negativen Bewertung von Prüfer und/oder Prüfstätte vorgesehen, so hat der Prüfer grundsätzlich kein Interesse mehr an einer positiven Entscheidung der Ethik-Kommission, wenn die Teilnahmemöglichkeit für ihn nicht mehr besteht. Hier kommt folglich auch § 839 Abs. 3 BGB nicht zur Anwendung, weil ein Schaden, der durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abgewandt werden könnte, nicht vorliegt. Jeweils ist aber zu betonen, dass weder der Sponsor noch der Prüfer sich vertraglich gegen eine fehlerhafte Bewertung der Ethik-Kommission absichern müssen.2000 2. Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission aus Amtshaftung, § 839 Abs. 1, Art. 34 GG Es könnte eine Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission aus Amtshaftung gegenüber dem von der federführende Ethik-Kommission ausgeschlossenen Prüfern bestehen. Voraussetzung hierfür wäre die Verletzung einer den ausgeschlossenen Prüfern gegenüber bestehenden Amtspflicht. Eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten liegt in der unzutreffenden Bewertung über die Geeignetheit/Qualifiziertheit von Prüfer/Prüfstätte, gerichtete an die federführende EthikKommission. Wie ausgeführt handelt es sich hierbei in Anlehnung an die Rspr. des BGH auch um drittgerichtete (Außen-)Amtspflichten trotz des verwaltungsinternen Vorgangs. Hierdurch wird die Haftungslücke geschlossen, die durch das fehlende Verschulden der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission durch das Vertrauen in die Bewertung der lokal-sachverständigeren Kommission ohne korrespondierende Haftung jener Kommission entstehen würde.2001 Folglich verletzen auch die Ethik-Kommissionsmitglieder der beteiligten Ethik-Kommission eine gegenüber den lokalen Prüfern bestehenden Amtspflicht, wenn sie die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen fälschlich gegenüber der federführenden Ethik-Kommission als nicht gegeben bewerten. Soweit dies auch schuldhaft geschieht, hängt die Schadensersatzverpflichtung im Wesentlichen von der schuldhaften Nichteinlegung von Rechtsmitteln ab, § 839 Abs. 3 BGB. Hier ist zu berücksichtigen, dass Rechtsmittel gegen den Verwaltungsakt bzw. die Nebenbestimmung ausschließlich gegenüber der federführenden Ethik-Kommission gegeben sind. III. Ansprüche wegen fehlerhaft zustimmender Bewertung Es ist auch der Frage nachzugehen, ob eine Haftung für die federführende und/oder die beteiligte Ethik-Kommission in Betracht kommt, wenn fehlerhaft das Vorliegen vonVersagungsgründen verneint und eine fehlerhafte zustimmende Bewertung erteilt 2000 2001
Allg. hierzu BGH LKV 2008, 189, 190; NVwZ 1992, 1119, 1121. Oben, § 5 C.III.1.
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wird. Einen Schaden kann der klinische Prüfer vor allem durch Schadensersatzansprüche von geschädigten Versuchsteilnehmern erleiden, aber auch durch solche des Sponsors wegen fehlerhaft durchgeführter Prüfung. Weiterhin können Planungs- und Investitionskosten sich als nutzlos erweisen, etwa durch eine rechtmäßige Rücknahme der zustimmenden Bewertung oder aufgrund seines nachträglichen Ausschlusses von der klinischen Prüfung wegen anfänglich fehlender Qualifikation. Hiermit ist wiederum das Problem der Schaffung eines Vertrauenstatbestands aufgeworfen, und zwar vorliegend gegenüber dem klinischen Prüfer. Die bereits für den Sponsor entwickelten Grundsätze sind nur in einigen Bereichen zu relativieren.2002 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Schadensersatzansprüche können sich auch hier aus Amtshaftung ergeben. a. Amtspflichtwidrige Schaffung eines Vertrauenstatbestands Ethik-Kommissionsmitglieder verletzten ihre Amtspflicht, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen, wenn ein zustimmendes Ethik-Kommissionsvotum trotz vorhandener Versagungsgründe ergeht und mithin fehlerhaft festgestellt wird, dass die klinische Prüfung sich im Einklang mit den §§ 40 ff. AMG befindet. b. Drittgerichtetheit aa. Personeller Schutzbereich Bei positiven Entscheidungen pflegt der BGH den Kreis der geschützten Personen weit zu ziehen. Zum geschützten Personenkreis sollen all diejenigen Personen gehören, die im berechtigten, schutzwürdigen Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung unmittelbar die Verwirklichung des konkret geplanten Vorhabens in Angriff nehmen wollen und zu diesem Zweck konkrete Aufwendungen tätigen.2003 Auch der klinische Prüfer vertraut auf den Bestand der zustimmenden Bewertung und beginnt mit seiner Prüfertätigkeit, nachdem der Sponsor das positive EthikKommissionsvotum erhalten hat, sodass er ebenso wie der Sponsor zum geschützten Personenkreis zu zählen ist. bb. Sachlicher Schutzbereich: Reichweite des Vertrauenstatbestands für den klinischen Prüfer Fraglich ist, wie weit der sachliche Schutzbereich der Amtspflichtverletzung für den klinischen Prüfer reicht. Bei rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakten ist zur inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Haftung unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks auf das Vertrauen abzustellen, das die 2002
Eingehend dazu oben, § 6 D. Vgl. BGHZ 122, 317, 322; NJW 1994, 2091, 2092; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 65; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 579; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 147, jew. zur Baugenehmigung; übertragend auf andere Genehmigungsverfahren Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 99 f. 2003
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Maßnahme begründen soll.2004 Es ist bereits dargelegt worden, dass das EthikKommissionsvotum sich abstrakt und konkret für eine Verlässlichkeitsgrundlage eignet. Das Vertrauen des Prüfers in den Bestand des begünstigenden Verwaltungsakts manifestiert sich durch dieAufnahme der Prüfertätigkeit. Schutzwürdig ist dieses Vertrauen des Prüfers in Anlehnung an die Rspr. des BGH dann, wenn keine Sachlage gegeben ist, die einen Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs bereits auf objektiver Tatbestandsebene rechtfertigt, was sich nach § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG bestimmt. Im Übrigen kann der Bürger von der Rechtmäßigkeit der Verwaltung ausgehen und auf dessen richtiges und sachgemäßes Handeln vertrauen. Schutzwürdiges Vertrauen des Prüfers ist demzufolge zu verneinen, wenn er etwa arglistig getäuscht hat, den Verwaltungsakt durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt hat, etwa im Falle gefälschter Lebensläufe (§ 7 Abs. 3 Nr. 7 GCP-V), oder die Rechtswidrigkeit der zustimmenden Bewertung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Ist eine solche Sachlage nicht gegeben, so stellt sich daneben aber noch die Frage, welche konkreten Schadenspositionen im Einzelfall erfasst sind. Erörtert seien die nachfolgenden. (1) Schadensersatzansprüche geschädigter Versuchsteilnehmer Die Erklärung der Ethik-Kommission, dass das Vorhaben im Einklang mit den Vorschriften der §§ 40 ff. AMG steht, schützt den Prüfer nicht vor Schadensersatzansprüchen geschädigter Versuchsteilnehmer, die aus der Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG resultieren. Der Zweck des Bewertungsverfahrens vor den EthikKommissionen besteht nicht darin, den durch die Forschung letztlich Begünstigten das Risiko von Schadensersatzansprüchen abzunehmen, mögen diese Ansprüche auch aus einer Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG resultieren. Anderenfalls würde auch die Wertung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB unterlaufen werden.2005 (2) Speziell: Schäden im Zusammenhang mit der eigenen fehlenden Qualifikation, § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG Als besonders klärungsbedürftig erweisen sich solche Schäden, die der Prüfer durch seine eigene fehlende Qualifikation erleidet. Denkbar sind auch hier Schadensersatzansprüche geschädigter Versuchteilnehmer, die jedoch wie soeben ausgeführt außerhalb des Schutzzwecks stehen. Darüber hinaus kann es aber dazu kommen, dass der Prüfer nachträglich von der Ethik-Kommission von der klinischen Prüfung ausgeschlossen wird2006 oder der Sponsor vorzeitig den Prüfarztvertrag kündigt2007 und er infolgedessen bereits gezahlte (Teil-)Vergütungen zurückfordert oder gar Schadensersatzansprüche geltend macht, z. B. wegen Nichteineinhaltung des Prüfplans, 2004
Vgl. nur BGHZ 144, 394, 397; 123, 191, 198; NJW 2009, 1207, 1208; NVwZ 2003, 376, 377. Ausdrücklich für den Forscher Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 175 ff. 2006 Vgl. § 42a Abs. 4a S. 1 Alt. 1 iVm § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG. Die Ethik-Kommission handelt dagegen grob unverhältnismäßig, wenn sie die gesamte Prüfung durch Rücknahme ihrer zustimmenden Bewertung nur deshalb zum Erliegen bringt, weil ein einziger Prüfer nicht hinreichend qualifiziert war. 2007 Hierzu auch Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 464. 2005
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
durch fehlerhaften Einschluss oder fehlerhafter Randomisierung der Prüfteilnehmer und/oder unkorrekter Aufzeichnungen von Daten oder wegen Nichteinhaltung von gesetzlichen Anforderungen. Fraglich ist, ob aufgrund der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission der klinische Prüfer von seiner eigenen hinreichenden Qualifikation für die klinische Prüfung ausgehen kann (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG) und diesbezüglich das Vertrauen des klinischen Prüfers schutzwürdig ist. Es handelt sich bei der „Qualifiziertheit“ iSd § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG um die Beurteilung persönlicher Voraussetzungen, wie § 4 Abs. 25 AMG anschaulich belegt.2008 Der Schwerpunkt liegt demzufolge auf der Kenntnis und der Beurteilung tatsächlicher Umstände. In derartigen Fällen lässt sich konstatieren, dass die Behörde zwar eine fehlerhafte rechtliche Einschätzung vornimmt, aber keine fehlerhafte Vorstellungen über das rechtliche Anforderungsprofil erzeugt.2009 So hielt der BGH auch die Eingangsuntersuchung für die Fahrgastbeförderung nicht als taugliche Verlässlichkeitsgrundlage für den Gesundheitszustand des Bewerbers.2010 Richtigerweise ist vor diesem Hintergrund aber zu differenzieren: Die Ethik-Kommission nimmt dem Prüfer nicht das Risiko ab, dass dieser sich auch tatsächlich für die Durchführung der klinischen Prüfung eignet. Der klinische Prüfer kann auf der Grundlage des Ethik-Kommissionsvotums also nicht davon ausgehen, dass er die rechtlichen Anforderungen einhalten und/oder keine Prüfplanverstöße begehen wird. Anders ist aber dann zu entscheiden, wenn sich das konkrete Rechtsanwendungsrisiko materialisiert, die Ethik-Kommission den Prüfer also nachträglich von der klinischen Prüfung deswegen ausschließt, weil sie erkannt hat, dass sie bei der anfänglichen Begutachtung einen rechtlich fehlerhaften Maßstab angelegt hat oder eine dritte Behörde aufgrund des anfänglichen Nichtvorliegens der rechtlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG interveniert.2011 Ist in Anlehnung an § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG ein Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs zu verneinen, so verlagert sich die Prüfung auf die Mitverschuldensebene. Der Schaden des Prüfers kann durch die Vertragsgestaltung mit dem Sponsor maßgeblich beeinflusst werden. Er kann etwa in seitens des Sponsors nicht vergüteten Planungs- und Investitionskosten beruhen, auf die der Prüfarzt nach seines Ausschlusses von der Studie keinen Anspruch mehr hat, z. B. weil er für prüfbedingte Leistungen nach Patienten bezahlt wird, die die klinische Prüfung komplett durchlaufen haben. Den Schutz vor Schadensersatzansprüchen des Sponsors hat man ebenso wie bei Schadensersatzansprüchen geschädigter Versuchsteilnehmer zu verneinen, da das Bewertungsverfahren vor den Ethik-Kommissionen, ebenso wie sonstige präventive
2008
§ 4 Abs. 25 AMG: „Erfahrungen in der Patientenbetreuung“ Treffend Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 160. 2010 Vgl. BGH NJW 1994, 2415, 2417; s.a. OVG Hamburg, NJW 2002, 2123, 2125 für den Fall der rechtswidrigen Feststellung von Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen; zu beiden Entscheidungen auch Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 159 ff. 2011 So vorgesehen etwa für die Bundesoberbehörde betreffend die Prüfeinrichtung: § 42a Abs. 1 S. 1 iVm § 42Abs. 2 S. 3 Nr. 4AMG. Denkbar ist aber auch ein Einschreiten der Überwachungsbehörden, § 68 AMG. 2009
§ 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung
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Kontrollverfahren, nicht dazu bestimmt ist, Schutz vor Fremdschädigungen zu gewähren. Gleiches dürfte aber auch gelten, wenn der Sponsor den klinischen Prüfer von der Studie nachträglich ausschließt. Hier materialisiert sich das Vertragsrisiko, dessen Übernahme durch die Ethik-Kommission nicht bezweckt ist. (3) Ungeeignetheit der klinischen Prüfung für eine Publikation Für den Sponsor der klinischen Prüfung ist bereits dargelegt worden, dass das EthikKommissionsvotum keine Garantie für ein erfolgreiches Gelingen der klinischen Prüfung gibt, insbesondere nicht attestiert wird, dass sich mit der klinischen Prüfung die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels tatsächlich nachweisen lässt. Dies muss auch für den wissenschaftlich interessierten Prüfer gelten: Ist sein Interesse eher auf die anschließende Publikation des Forschungsprojekts ausgerichtet, so gibt die Ethik-Kommission auch hier keine Gewähr dafür, dass mit der klinischen Prüfung wissenschaftlich relevante Forschungsergebnisse erzielt werden. In fehlgeschlagenen oder hinter den Erwartungen zurückbleibenden Forschungsergebnissen materialisieren sich die tatsächlichen, forschungsimmanenten Risiken, für die eine Haftungsübernahme nicht besteht. cc. Planungs- und Investitionskosten Ersatzfähig bleiben dagegen wie für den Sponsor der klinischen Prüfung Planungsund Investitionskosten, die sich als nutzlos erweisen, vorausgesetzt, dass die Nutzlosigkeit nicht auf tatsächlichen Umständen beruht. Diese fallen jedoch idR sehr gering aus, weil die Aufwendungen des Prüfers grundsätzlich komplett seitens des Sponsors ersetzt werden.2012 c. Verschulden und Kausalität Für das Verschulden – hier: die schuldhafte Verletzung der Amtspflicht, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen bzw. kein rechtswidriges Kommissionsvotum zu erlassen – und für die Kausalität gelten die bereits herausgestellten Grundsätze, die in der vorliegenden Konstellation nicht anders zu bewerten sind. d. Haftungsausschlüsse und –beschränkungen aa. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bestehen vorliegend grundsätzlich nur in vertraglichen Ansprüchen gegen den Sponsor auf Ausgleich verauslagter Kosten für die Studiendurchführung. Eine Verpflichtung des Sponsors gegenüber dem klinischen Prüfer besteht dagegen weder zur tatsächlichen noch zur rechtmäßigen und nicht rücknehmbaren Einholung des Ethik-Kommissionsvotums. 2012
Vgl. zu einzelnen Honorarvereinbarungen in Prüfarztverträgen Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 463 f.
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Anders könnte dann zu entscheiden sein, wenn der Sponsor ein Auftragforschungsinstitut einschaltet. Hier sind Ansprüche nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht ausgeschlossen. bb. Vorrang des Primärrechtsschutzes, § 839 Abs. 3 BGB Wie für den Sponsor ermangelt es dem klinischen Prüfer an der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, wenn die Ethik-Kommission eine zwar rechtswidrige, gleichwohl aber inhaltlich dem Antrag des Sponsors entsprechende zustimmende Bewertung erteilt. Wird er persönlich durch Hoheitsakt von der klinischen Prüfung ausgeschlossen, ist jedoch die Anfechtungsklage statthaft, dessen schuldhafte Nichteinlegung zum Ausschluss der hierdurch vermeidbaren Schäden führt, § 839 Abs. 3 BGB. Wird die gesamte klinische Prüfung gestoppt, so kann der Prüfer idR darauf vertrauen, dass der Sponsor die notwendigen Schritte hiergegen einleitet. cc. Mitverschulden, § 254 BGB Liegen keine Gründe vor, die zu einem Totalverlust des Amtshaftungsanspruchs aufgrund fehlender Schutzwürdigkeit des Vertrauens des klinischen Prüfers führen, so verlagert sich die Prüfung auf die Mitverschuldensebene. Ebenso wie beim Sponsor sind hier die größere Sachnähe, die bessere Sachkompetenz, ein Wissensvorsprung aber auch vorhandene Rechtskenntnisse des klinischen Prüfers über § 254 Abs. 1 BGB abwägend zu berücksichtigen.
2. Ansprüche aus Amtshaftung bei multizentrischer klinischer Prüfung Bewertet die federführende Ethik-Kommission den klinischen Prüfer auf der Grundlage der Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission fehlerhaft positiv, so fehlt es grundsätzlich an einer schuldhaftenAmtspflichtverletzung. Die Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission im Falle einer fehlerhaften negativen Bewertung des Prüfers kann zur Schließung der Haftungslücken im Falle einer fehlerhaft positiven Bewertung nicht anders ausfallen. Insoweit dürfte auch der beteiligten Ethik-Kommission die Amtspflicht gegenüber dem klinischen Prüfer obliegen, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen.
G. Besonderheiten bei klinischen Prüfungen ohne pharmazeutische Beteiligung Das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) greift unabhängig davon ein, ob ein pharmazeutisches Unternehmen die Sponsorfunktion übernimmt. Es gilt gleichermaßen für Prüfärzte, Universitäten und für die pharmazeutische Industrie. Zum Schluss sei daher in Grundzügen auf die derzeit noch
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weitgehend ungeklärten Problemlagen eingegangen, die dann entstehen, wenn die Sponsorfunktion nicht durch ein pharmazeutisches Unternehmen, sondern durch einen Prüfarzt oder die Universität selbst ausgeübt wird. Die nachfolgende Darstellung konzentriert sich auf die Klärung, inwieweit die bereits erörterte Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber Sponsoren aus der pharmazeutischen Industrie übertragbar ist.
I. Prüfarzt als Sponsor Übt ein Prüfarzt die Sponsorfunktion für eine klinische Prüfung aus (Investigator Initiated Trial), so ergeben sich für die Haftung keine bedeutsamen Änderungen. Unabhängig von der Zugehörigkeit des Sponsors ist stets diejenige Ethik-Kommission zuständig, die nach Landesrecht für den Prüfer bzw. bei multizentrischer Prüfung für den Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung zuständig ist (§ 42 Abs. 1 S. 1 u. 2 AMG). Regelmäßig ist der Sponsor aber auch Leiter der klinischen Prüfung.2013 Je nach Ausgestaltung des jeweiligen Landesrechts kann für ihn die Ethik-Kommission des Landes oder die bei der jeweiligen Ärztekammer oder Universität gebildete Ethik-Kommission zuständig sein. Als Antragssteller im Verfahren vor den EthikKommissionen entfalten die Amtspflichten der Ethik-Kommissionsmitglieder in ihren jeweiligen Ausprägungen in gleicher Weise Wirkung, wie gegenüber einem Sponsor aus der pharmazeutischen Industrie. Er ist in gleicher Weise in den personellen und sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung einbezogen, sodass auch hier einer Haftung für ablehnende, verzögerte, zustimmend bewertete oder aufgehobene Voten nach § 839 BGB, Art. 34 GG besteht.2014 Die Haftungsausschlüsse und -beschränkungen (§§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, 254 BGB) gelten gleichermaßen. Auch Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff kommen in Betracht, soweit durch ein ablehnendes oder später rechtswidrig aufgehobenes EthikKommissionsvotum in Rechtspositionen des Forschers eingegriffen wird, die unter den Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallen. Anders als bei Studien der pharmazeutischen Industrie, bei denen der Prüfarzt nur ein beteiligtes Forschungsglied ist, können Studien, bei denen der Forscher selbst die Sponsorfunktion ausübt, bereits in der Person des Forschers entstandene Urheber- und Patentrechte zum Gegenstand haben, die über Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden. Handelt es sich um eine Diensterfindung, so sind jedoch die Beschränkungen des ArbnErfG zu beachten, die für verfassungsgemäß erachtet werden und auf den normgeprägten Schutzbereich des Art. 14 GG durchschlagen.2015 2013
S.a. BT-Drs. 15/2109, S. 26: „Auch der in Absatz 25 definierte Prüfer, Hauptprüfer oder Leiter der klinischen Prüfung kann Sponsor sein“. 2014 Dem steht nicht entgegen, dass der Prüfer auch Beamter sein kann, denn auch Beamte sind Dritte iSd § 839 BGB, vgl. nur BGHZ 34, 375, 378; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 186; wie hier auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 170 ff. 2015 Bei einer Diensterfindung besteht nach dem ArbnErfG eine Pflicht zur Vorlage an den Arbeitgeber, der das Recht an sich ziehen kann. Der Forscher verliert alle Recht und bekommt
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II. Universität als Sponsor Weitaus schwieriger zu beurteilen ist die Rechtslage, wenn die Universität selbst die Sponsorfunktion ausübt. Hier tritt sie an die jeweiligen Ethik-Kommissionen als „Quasi-Bürger“2016 heran und begehrt die zustimmende Bewertung für diejenige klinische Prüfung, für die sie die Sponsorfunktion übernimmt. Die Haftung für die jeweilige Ethik-Kommission hängt hier entscheidend von den Zuständigkeitsregelungen ab.
1. Zustimmungserteilung durch eine Ethik-Kommission in unmittelbarer Trägerschaft des Landes oder durch eine Ethik-Kommission der Kammer a. Verwaltungsaktqualität: Maßnahmen zwischen Hoheitsträgern Übt eine Universität die Sponsorfunktion aus, so ist nur sie antragsbefugt, § 42 Abs. 1 S. 1 AMG. Dies führt nicht immer zu einer Zuständigkeit der „hausinternen“ Ethik-Kommission. So ist etwa in Berlin für Arzneimittelstudien stets die EthikKommission des Landes zuständig.2017 Ist der Leiter der klinischen Prüfung kein Hochschulmitglied, so ist idR die Zuständigkeit der Ethik-Kommission der Landesärztekammer begründet.2018 Hier stehen sich also verschiedene Hoheitsträger gegenüber. Fraglich ist, ob die Handlungsform des Verwaltungsaktes auch zwischen Hoheitsträgern Anwendung findet2019 , also ob die Ethik-Kommission des Landes oder die Ethik-Kommission der Kammer gegenüber der antragsstellenden Universität qua Verwaltungsakt entscheiden. Dies ist in der vorliegenden Konstellation eindeutig zu bejahen und folgt nicht nur aus dem praktischen Bedürfnis nach einer Verwaltungsaktsentscheidung zur Aufhebung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt: Die Ethik-Kommission des Landes oder der Kammer werden – im übrigen ebenso wie die zuständige Bundesoberbehörde – hoheitlich iSd § 35 S. 1 VwVfG gegenüber der antragsstellenden Universität tätig. Auch die Außenwirkung iSd § 35 S. 1 VwVfG liegt nach ganz h. M. zumindest dann vor, wenn eine Behörde gegenüber einem von ihr verschiedenen Rechtsträger eine Maßnahme trifft. Die einen Vergütungsanspruch. Für an einer Hochschule tätige Personen gilt die spezielle Regelung des § 42 ArbnErfG. Vgl. weiterführend hierzu und zur Verfassungsmäßigkeit BGH GRUR 2008, 150 ff. („selbststabilisierendes Kniegelenk“); OLG Braunschweig, GRUR-RR 2006, 178, 179 m.w. Nachw.; Fleuchaus/Braitmayer, GRUR 2002, 653 ff.; Böhringer, NJW 2002, 952 ff.; Sellnick, NVwZ 2002, 1340 ff.; Falck/Schmaltz, GRUR 2004, 469 ff.; Pramann, Publikationsklauseln, S. 53 ff.; Lippert, in: FS Deutsch II, S. 359 ff. 2016 Begriff nach Kisker, Insichprozeß, S. 47 ff. 2017 Vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin; § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Ethik-Kommission des Landes Berlin. 2018 Diese Konstellation ist eher theoretischer Natur, da die Universität grundsätzlich die Leitung der klinischen Prüfung auf ein Mitglied der Universität überträgt. 2019 Vgl. eingehend zu Verwaltungsakten zwischen Hoheitsträgern die neuere Untersuchung von Jungkind, Verwaltungsakte, bes. S. 29 ff., 36 ff. u. passim.
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Außenwirkung von Maßnahmen, die sich gegen einen Verwaltungsträger richten, ist nämlich dann unstreitig gegeben, wenn jene auf der Grundlage einer Norm ergeht, die die Behörde auch zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Maßnahme also in dieser oder ähnlicher Form auch gegenüber einem Bürger hätte erlassen werden können und in diesem Falle Außenwirkung hätte.2020 Die zustimmende Bewertung auf der Grundlage des § 42 Abs. 1 AMG ergeht in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gegenüber einem externen Sponsor und ist (nunmehr) unstreitig als Verwaltungsakt zu qualifizieren. Nichts anderes gilt demgemäß auch für die antragsstellende Universität iSe „Quasi-Bürgers“. b. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Für die Haftung für Ethik-Kommissionen könnten auch hier die Grundsätze der Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG eingreifen. aa. Juristische Personen des öffentlichen Rechts als „Dritte“ iSd § 839 BGB: Die sog. „Verzahnungstheorie“ des BGH Voraussetzung ist zunächst, dass die (antragsstellende) Universität überhaupt Dritte iSd § 839 BGB ist. Dass Dritte iSd Amtshaftungsrechts auch grundsätzlich der Staat oder sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts sein können, ist in der Rechtsprechung des BGH und nach ganz h. L. anerkannt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der für die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte der geschädigten Körperschaft bei Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist. Wirken hingegen der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst.2021 Es muss also eine „Gegnerschaft in der Interessenwahrnehmung“2022 bestehen und keine Verzahnung der verschiedenen Verwaltungsträger dergestalt, dass 2020
Vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 185 ff., bes. Rn. 186 f. u. 189, m.w. Nachw. aus der Rspr.; ausf. Jungkind, Verwaltungsakte, bes. S. 29 ff., 36 ff. u. passim. 2021 So die sog. „Zwar-Aber-Rechtsprechung des BGH (Begriff nach v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 70). Vgl. grdl. BGHZ 26, 232, 234; danach st. Rspr., vgl. nur BGHZ 27, 210, 211; 60, 371, 372; 87, 253, 255; 116, 312, 315; 148, 139, 145 f.; 153, 198 = NJW 2003, 1318, 1319; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 272 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 69 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 187; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 54; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 174; eingehend Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 175 ff., 425 f., 470 ff., bes. S. 475 ff.; ders., DVBl. 2003, 22 ff., v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62 ff., bes. S. 69 ff.; ders., DöV 2002, 67 f. 2022 Treffend Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 70; ferner Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 162; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 187, jew. m.w. Nachw.
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ihre Beziehung untereinander dem Bürger als ein Internum erscheint.2023 Als Grundrechtsträger der Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)2024 tritt die Universität an die Ethik-Kommission des Landes oder der Kammer mit dem Antrag auf zustimmende Bewertung der klinischen Prüfung als „Quasi-Bürger“2025 heran, für die sie die Sponsorfunktion übernimmt. Bei negativer Bewertung seitens der Ethik-Kommission kann die klinische Prüfung von der Universität nicht durchgeführt werden (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG). Gegen die ablehnende Entscheidung sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft, weil gegenüber der Universität qua Verwaltungsakt entschieden wird. Es handelt sich hier also um das typische Verhältnis einer „Gegnerschaft“, wie es zwischen dem Beamten (Ethik-Kommissionsmitglied) und seinem Dienstherrn (Land/Kammer) einerseits und dem Staatsbürger (Sponsor) andererseits charakteristisch ist.2026 In Einzelfällen ist es denkbar, dass in der Ethik-Kommission des Landes oder der Kammer Mitglieder der (antragsstellenden) Universität mitwirken. Dies ändert aber nichts daran, dass auch diese Mitglieder drittgerichtete Amtspflichten gegenüber der („eigenen“) Universität verletzen können. Zwar ist für drittgerichtete Amtspflichten dort kein Raum, wo der fehlsam handelnde Beamte zumindest auch Funktionen der geschädigten Körperschaft wahrnimmt. In diesem Fall kann er keine drittgerichteten Amtspflichten, sondern nur beamtenrechtliche Innenpflichten verletzen, für die die dienstrechtliche Innenhaftung gegeben ist.2027 Universitäre EthikKommissionsmitglieder verletzen aber bei Mitwirkung in einer Ethik-Kommission der Kammer oder des Landes niemals Innenpflichten gegenüber der eigenen Universität. Eine etwaige „Aufgaben- und Wahrnehmungskorrelation“ entsteht von vornherein nur durch den Antrag der Universität bei der Ethik-Kommission des Landes oder der Kammer. Bei den so begründeten Pflichten handelt es sich aber ausschließlich um solche „im Gegnerschaftsverhältnis“ als typische Außenpflichten. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Begutachtung der klinischen Prüfung folgt sowohl für die universitären als auch für die universitätsfremden Mitglieder aus dem (Dienst-)Verhältnis zum Land bzw. zur Kammer, im Verhältnis zur Universität aus der Antragsstellung (relative Amtspflichten im Außenverhältnis) und für die universitären Ethik-Kommissionsmitglieder weder bereits noch zusätzlich aus dem 2023
Zu dieser sog. „Verzahnung“ vgl. ausf. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 175 ff., 425 f., 470 ff., bes. S. 475 ff.; ders., DVBl. 2003, 22 ff.; v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 69 ff.; ders., DöV 2002, 67 f. 2024 Vgl. BVerfGE 15, 256, 262; 85, 360, 384; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 408; Pernice, in: Dreier, Art. 5 Abs. 3 Rn. 21 u. 35; Trute, Forschung, S. 366. 2025 Zur in diesem Zusammenhang vorgenommenen Unterscheidung von „Fiskalschäden“ und „spezifischen Verwaltungsträgerschäden“ vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 94 ff.; v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 66 f. 2026 Allgemein wird angenommen, dass Selbstverwaltungskörperschaften im Verhältnis zum Staat grundsätzlich als Dritte iSd Amtshaftungsrechts anzusehen sind; vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 274 a.E.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 162; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 26. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies nur zwischen den Ethik-Kommissionen der Länder und der Universität und nicht auch – in den seltenen Fällen – zwischen der Universität und der Ethik-Kommission der Kammer gelten soll. 2027 Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 272 f.; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 473 ff.
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Innenverhältnis zur Universität. Folglich verletzen die universitären Mitglieder einer universitätsfremden Ethik-Kommission ebenso eine drittgerichtete Amtspflicht im Außenverhältnis zur „eigenen Universität“ wie die sonstigen Mitglieder ohne universitäre Anbindung. Zu einer sog. Verzahnung kommt es freilich dann, wenn bei multizentrischer Versuchsdurchführung die Ethik-Kommission der Universität die Stellung als beteiligte Ethik-Kommission inne hat. In diesem Falle wirken zwei staatliche Stellen kooperativ zusammen und erscheinen als „Teil eines einheitlichen Ganzen“.2028 Gleichwohl hat man aber zu berücksichtigen, dass die Universität die Funktion des antragsstellenden Sponsors ausübt und damit kein Fall einer „administrativen Funktionseinheit“2029 gegeben ist. Auch in verwaltungsrechtlichen Kooperationsverhältnissen kann eine geschädigte öffentlich-rechtliche Körperschaft „Dritte“ iSd § 839 Abs. 1 BGB sein. Als wesentliches Indiz hierfür ist der Primärrechtsschutz anzusehen. Kommt primärer Rechtsschutz zum Zuge, so kann wegen des rechtsstaatlichen Zusammenhangs von Primär- und Sekundärrechtsschutzes auch auf die Dritteigenschaft iSd Amtshaftungsrecht geschlossen werden.2030 So verhält es sich vorliegend aber gerade. Das „Antragsstellungsverhältnis“ wird nicht dadurch zunichte gemacht, dass es der federführenden Ethik-Kommission obliegen kann, „im Benehmen“ mit der universitären Ethik-Kommission über die lokalitätsbezogenen Voraussetzungen zu entscheiden. Das „Antragsstellungsverhältnis“ als typisches Gegnerschaftsverhältnis mutiert hierdurch nicht zum einem Verhältnis einer administrativen Funktionseinheit, durch welches die Universität weder ihrer Dritteigenschaft noch ihres primären Rechtsschutzes gegen das abschließende Votum der federführenden Ethik-Kommission verlustig gehen könnte, weil sie Adressat einer hoheitlichen Maßnahme bleibt.2031 Etwas anderes gilt aber nach hier vertretener Auffassung nur und ausschließlich dann, wenn der Universität durch die negative Bewertung von Prüfer und/oder Prüfstelle durch die „eigene“ Ethik-Kommission in ihrer Stellung als beteiligte Ethik-Kommission (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 iVm § 8 Abs. 5 GCP-V) deswegen ein Schaden entsteht, weil die federführende Ethik-Kommission auf Grundlage dieser Bewertung Prüfer und/oder Prüfstelle von der klinischen Prüfung ausschließen. Obliegt die ordnungsgemäße Bewertung der lokalitätsbezogenen Voraussetzungen den Ethik-Kommissionsmitgliedern der beteiligten Ethik-Kommission als drittgerichtete Amtspflicht gegenüber externen Sponsoren, so greift hier gegenüber der eigenen Universität nur die Innenhaftung ein; die Universität ist nur in diesem Fall nicht „Dritte“, sondern „Zweite“.2032
2028 Zum grundsätzlichen Ausschluss der Amtshaftung bei kooperierenden Verwaltungsträgern v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 80 ff. 2029 v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 81. 2030 So vor allem für die vorliegende Konstellation v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 85 f. 2031 s.a. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 470 ff., bes. S. 477 f., der für sog. Fiskalschäden stets die Dritteigenschaft des geschädigten Hoheitsträgers bejaht; ebenso v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 91 ff. 2032 Dies entspricht der Konstellation der Zustimmungserteilung durch die „universitätseigene“ Ethik-Kommission; hierzu sogleich.
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bb. Drittgerichtete Amtspflichten Da zwischen der Universität und den Ethik-Kommissionen der Länder bzw. der Kammer ein dem Staat-Bürger-Verhältnis vergleichbares „Gegnerschaftsverhältnis“ durch die Antragseinreichung begründet wird, ist für die Frage der Drittrichtung der Amtspflichten auf die allgemeinen Kriterien abzustellen, wie sie zwischen Bürger und Staat gelten2033 , und wie sie für den Sponsor der klinischen Prüfung bereits erörtert wurden. Die Universität ist als Antragssteller nicht anderes zu behandeln, sodass dieselben für den industriellen Sponsor geltenden Haftungsgrundsätze der (Außen)Haftung nach § 839 BGB Anwendung finden. Auch sind die Haftungsausschlüsse und -beschränkungen (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB) zu berücksichtigen.2034 cc. Geltung des Art. 34 GG Es ist bereits gezeigt worden, dass für die Ethik-Kommissionsmitglieder der EthikKommissionen der Länder das Land, und für die Ethik-Kommissionsmitglieder der Kammer die Kammer einzustehen haben, Art. 34 GG.2035 Die Haftungsüberleitungsnorm greift nach ganz h. M. – anders als die Grundrechte der Verfassung – auch dann ein, wenn sich zwei Hoheitsträger gegenüberstehen, da Art. 34 GG die Haftung nicht nur überleitet, sondern auch erweitert und absichert.2036 Im – wie vorliegenden – hoheitlichen Bereich sind § 839 BGB und Art. 34 GG iSe einheitlichen und ausschließlichen Haftungstatbestands untrennbar „verschmolzen“.2037 Unterschiede im Verhältnis zur Haftung gegenüber Privaten sind also nicht zu verzeichnen. c. Enteignungsgleicher Eingriff? Fraglich ist, ob auch ein enteignungsgleicher Eingriff durch verzögerte oder ablehnende Ethik-Kommissionsvoten in Frage kommt. Praxisrelevant wird dies gerade unter Berücksichtigung des ArbnErfG: Macht ein Forscher eine patentfähige Diensterfindung und nimmt der Arbeitgeber diese (beschränkt oder unbeschränkt) in Anspruch (§§ 5, 6 ArbnErfG), so geht das Recht an der Erfindung auf die Hochschule über (§ 7 ArbnErfG). Hat nun die klinische Prüfung die patentfähige oder bereits 2033
Allg. hierzu Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 484 ff., bes. S. 487, 489 f. Zur Geltung der Haftungsausschlüsse und -beschränkungen (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB) auch zwischen Hoheitsträgern vgl. nur Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 499. 2035 S. oben, § 5 B.II.11. 2036 Vgl. nur Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 272 m.w. Nachw.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 174; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 162; v. Komorowski, DöV 2002, 67, 68 f.; ausf. ders., VerwArch 93 (2002), 62, 71 ff., 80 ff.; a.A. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 425 ff., der Art. 34 GG nicht im Verhältnis zwischen Hoheitsträgern für anwendbar hält (deutlich S. 431: „Hoheitsträger können sich niemals auf Art. 34 Satz 1 GG berufen“) und so zu einer persönlichen Haftung der Amtswalter nach § 839 BGB gelangt; s.a. ders., DVBl. 2003, 22, 30. 2037 So vor allem v. Komorowski, DöV 2002, 67, 68 sowie die h.M., vgl. nur Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 6; a.A. für das Verhältnis zwischen Hoheitsträgern Stelkens, DVBl. 2003, 22, 30 f. 2034
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patentierte Erfindung zum Gegenstand, für die die Universität als Sponsor und gleichzeitiger Rechtsinhaber auftritt, so käme – wie bereits anderenorts dargelegt2038 – ein enteignungsgleicher Eingriff in Betracht.
aa. Aktivlegitimation der Universität Dies gilt freilich nur unter der Prämisse, dass die Universität auch aktivlegitimiert ist. Leitet man den enteignungsgleichen Eingriff ausArt. 14 GG her, so istVoraussetzung, dass die Universität als öffentlich-rechtliche Körperschaft sich auch auf Art. 14 GG berufen kann. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich nicht grundrechtsfähig. Das BVerfG hat die Grundrechtsfähigkeit nur in eng umgrenzten Aufnahmefällen bejaht, nämlich dann, soweit es sich um solche juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt, die von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgabe her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind, wie etwa für Universitäten (nur) im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG.2039 Mit Blick auf Art. 14 GG hat das BVerfG die Grundrechtsfähigkeit von Gemeinden und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wobei für letztere eine Grundrechtsfähigkeit für Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bejaht wird2040 , abgelehnt.2041 Gerade für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten hat das BVerfG entschieden, dass die Verwertung geistigen Eigentums in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie gehört, auf die sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht berufen können.2042 Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass in entsprechender Weise auch für Universitäten zu entscheiden ist. Der BGH und ein großer Teil des Schrifttums knüpfen die Anspruchsberechtigung aus enteignungsgleichem Eingriff aber nicht an die Grundrechtsträgerschaft. Trotz Ableitung aus Art. 14 GG liege die Ausgestaltung des enteignungsgleichen Eingriffs nach Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen im Einzelnen auf der Ebene des einfachen Rechts.2043 Nach Auffassung des BGH sind daher auch ausländische juristische Personen Anspruchsberechtigte, obwohl sie nicht Träger von Grundrechten sind, Art. 19 Abs. 3 GG.2044 Hieraus wird teilweise auf die Aktivlegitimation
2038
Oben, § 6 A.II. BVerfGE 15, 256, 262; 85, 360, 384; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 3 Rn. 408; Pernice, in: Dreier, Art. 5 Abs. 3 Rn. 21 u. 35; Trute, Forschung, S. 366. 2040 Vgl. BVerfGE 31, 314, 321 f.; 78, 101, 102. 2041 Vgl. BVerfGE 61, 82, 105; NVwZ 2008, 778 f. (Gemeinde); BVerfGE 78, 101, 102 f. (öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten). 2042 BVerfGE 78, 101, 102 f. 2043 Vgl. BGHZ 76, 375, 384; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 264; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 708; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 499; Detterbeck/ Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 48; v. Komorowski, DöV 2002, 67, 73. 2044 Vgl. BGHZ 76, 375, 386; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 264; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 708; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 499; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 48. 2039
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öffentlich-rechtlicher Körperschaften geschlossen.2045 Stelkens hat dagegen dargetan, dass das Urteil des BGH zu ausländischen juristischen Personen sich nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts übertragen lässt, weil die Interessenlage grundverschieden sei. Zudem sei „kaum nachvollziehbar“, warum hinsichtlich der Aktivlegitimation nicht auf Art. 14 GG abzustellen ist, zur Bestimmung, ob ein Eingriff in das Eigentum vorliegt, dagegen der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff des Art. 14 GG gelten soll.2046 Wie richtigerweise zu entscheiden ist, bleibt überaus fraglich; Gerichtsentscheidungen zum Themenkreis der Aktivlegitimation von Hoheitsträgern im Bereich des enteignungsgleichen Eingriffs fehlen.2047 Dabei sind im hiesigen Kontext vor allem die Neuerungen zu berücksichtigen, die das ArbnErfG mit sich bringt. Nach der Neuregelung des § 42 ArbnErfG gelten für Erfindungen der an einer Hochschule Beschäftigten dieselben Bestimmungen wie im privaten und sonstigen öffentlichen Dienst. Die Hochschulen bekommen das Recht, Erfindungen der an ihrer Hochschule Beschäftigten unbeschränkt in Anspruch nehmen zu dürfen; es gehen alle Rechte an der Diensterfindung auf die Hochschulen über.2048 Hiermit ist ein Einstieg in ein „Hochschulpatentwesen“2049 geebnet worden, das verfassungsrechtlich, und zwar nicht nur mit Blick auf Art. 5 Abs. 3 GG, nicht unberücksichtigt bleiben kann. Während der damalige Verzicht der Hochschulen auf die Anmeldung und Verwertung von Patenten in der Vergangenheit durch die Erwägung legitimiert wurde, dass es keine Aufgabe der Hochschulen sei, wettbewerblich und gewinnorientiert am Markt tätig zu sein, war es gerade das Anliegen der Novellierung des ArbnErfG, das Patentwesen an den Hochschulen dadurch zu beleben, dass diesen nunmehr die rechtlichen Möglichkeiten eingeräumt werden, Erfindungen an sich zu ziehen und wirtschaftlich zu verwerten.2050 Diese Kehrtwende muss aber auch und gerade dort berücksichtig werden, wo Universitäten als Sponsoren klinischer Prüfungen auftreten und die Erfindungen ihrer Beschäftigten dadurch verwerten, testen und in Anspruch nehmen. 2045 So etwa Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 264; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 499; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 48; v. Komorowski, DöV 2002, 67, 73. 2046 Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 432 ff. (deutlich S. 436: „Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich dementsprechend niemals auf die Anspruchsinstitute des enteignungs- und aufopferungsgleichen Eingriffs und ihre spezialgesetzlichen Konkretisierungen berufen“); ebenso OLG Saarbrücken, NVwZ 1995, 202, 205; wohl auch Kapsa, in: Geigel, Haftpflichtprozess, § 21 Rn. 62. 2047 Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 432; s. aber OLG Saarbrücken, NVwZ 1995, 202, 205. 2048 Nach § 7 Abs. 1 ArbnErfG gehen mit der Inanspruchnahme alle vermögenswerten Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über. Fehlt es der Hochschule an einer Dienstherrenfähigkeit, so müssten bei genauerer Betrachtung die Erfinderrechte auf die Länder übergehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten allerdings die Hochschulen die Möglichkeit erhalten, die Erfindungen zur Verwertung an sich zu ziehen, vgl. BT-Drs. 14/5975, S. 2 f. Zu diesen Diskrepanzen weiterführend Reetz, WissR 41 (2008), 206, 223. 2049 Böhringer, NJW 2002, 952, 954; s.a. Sellnick, NVwZ 2002, 1340: „Paradigmenwechsel“. 2050 Vgl. hierzu Falck/Schmaltz, GRUR 2004, 469; Sellnick, NVwZ 2002, 1340, jew. m.w. Nachw.
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Das BVerfG hat eine Grundrechtfähigkeit der Gemeinden aber auch dort abgelehnt, wo diese außerhalb des Bereichs der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung tätig werden. Gleichzeitig hat es aber darauf hingewiesen, dass die Gemeinden gerade nicht wie diejenigen Körperschaften, für die eine Grundrechtsfähigkeit anerkannt ist, „Sachwalter“ von individuellen Grundrechten ihrer Mitglieder sind. Weiterhin hat es eine „grundrechtstypische Gefährdungslage“ verneint, da sie nicht in gleicher Weise wie eine Privatperson gefährdet und damit auch nicht „grundrechtsschutzbedürftig“ seien.2051 Dies scheint für den vorliegenden Bereich der Hochschulen aber anders zu liegen: Die wettbewerbliche und gewinnorientierte Tätigkeit von Hochschulen ist nunmehr durch das ArbnErfG intendiert. Die Umsetzung der neuen Aufgaben verlangt von den Hochschulen eine effiziente Patentund Verwertungsinfrastruktur.2052 Weiterhin treffen die Hochschulen insbesondere unter Berücksichtigung der besonderen Vergütungsregelung in § 42 Nr. 4 ArbnErfG gegenüber ihren Beschäftigen eine Fürsorgepflicht zu einer wirtschaftlich möglichst effektiven und sinnvollen Verwertung.2053 Auch die „grundrechtstypische Gefährdungslage“ lässt sich dann nicht leugnen, wenn die Universität die Zulassung einer klinischen Prüfung begehrt, die eben jene in Anspruch genommene (patentierte oder patentfähige) Erfindung zum Gegenstand hat. Hier besteht in gleicher Weise wie gegenüber sonstigen Anspruchsstellern die „Situation des Gewaltunterworfenenseins“2054 . Die Bejahung einer Grundrechtsfähigkeit der Hochschulen auch für Art. 14 GG würde die notwendige Kehrseite der durch das ArbnErfG geschaffenen Neuerungen und Verpflichtungen darstellen, indem das privatrechtliche Eigentum auch dem Grundrechtsschutz unterstellt wird. bb. Fazit Festzuhalten ist, dass sich auch ohne eine Grundrechtsfähigkeit im Hinblick auf Art. 14 GG mit der angeführten Auffassung ein Anspruch auf Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff begründen ließe. Lehnt man dies ab, so ist eine Entschädigung ohne Grundrechtsfähigkeit nicht möglich. Es erscheint aber nicht ausgeschlossen, aufgrund der veränderten Stellung der Hochschulen diesen neben Art. 5 Abs. 3 GG auch eine Grundrechtsfähigkeit nach Art. 14 GG einzuräumen. d. Ergebnis Ist für eine Studie, für die die Universität selbst die Sponsorfunktion übernimmt, die Ethik-Kommission des Landes oder die Ethik-Kommission der Kammer zuständig, so gelten im Hinblick auf die Amtshaftung dieselben Grundsätze, wie sie für den Sponsor aus der pharmazeutischen Industrie bereits herausgearbeitet worden sind. 2051 Vgl. Vgl. BVerfGE 61, 82, 105 ff.; NVwZ 2008, 778 f; zum Ganzen auch Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 206 ff. m.w. Nachw. 2052 Vgl. Weyand/Haase, GRUR 2007, 2007, 28, 35. 2053 In diese Richtung Post/Kuschka, GRUR 2003, 494, 495 ff. 2054 Fuß, DVBl. 1958, 739, 740.
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Hat die „eigene“ universitäre Ethik-Kommission die Stellung als beteiligte EthikKommission, so richten sich die Haftungsansprüche nach Innenhaftungsgrundsätzen. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff sind dann nicht ausgeschlossen, soweit man für die Aktivlegitimation keine Grundrechtsfähigkeit verlangt oder – verneinendenfalls – der Universität neben Art. 5 Abs. 3 GG auch eine Grundrechtsfähigkeit im Hinblick auf Art. 14 GG zubilligt. 2. Zustimmungserteilung durch die „eigene“ Ethik-Kommission De lege lata liegt es für solche klinischen Prüfungen, für die die Universität als Sponsor auftritt, grundsätzlich2055 so, dass die Zuständigkeit der „eigenen“ EthikKommission begründet ist, sei es, dass im Falle monozentrischer Versuchsdurchführung die klinische Prüfung durch eigene Prüfer vorgenommen oder dass die Leitung bei multizentrischer Versuchsdurchführung durch einen eigenen universitären Prüfer wahrgenommen wird. a. Problemstellung Kennzeichnend für die vorliegende Thematik ist, dass die Ethik-Kommission als Behörde demjenigen Verwaltungsträger zugehört, der bei ihr den Antrag auf zustimmende Bewertung der klinischen Prüfung stellt. Trotz des verwaltungsorganisationsrechtlichen Zusammenfallens besteht ein unabweisbares Bedürfnis dafür, das Verwaltungsverfahren vor den Ethik-Kommissionen in gleicher Weise durchzuführen, wie es auch für Privatpersonen durchzuführen ist. Foerster hat treffend darauf hingewiesen, dass überall dort, wo die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zur Erlangung einer Genehmigung oder einer Erlaubnis vorgesehen ist, schon wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch bei öffentlich-rechtlicher Beteiligung durchzuführen ist. Die praktische Notwendigkeit folgt hier schon daraus, dass auch den Staat die Bindungen und Verpflichtungen aus dem materiellen Recht treffen und auch der Bürger erwartet, „daß das Netz von Vorschriften. . . nicht etwa dort durchlässig wird, wo die öffentliche Hand selbst betroffen ist“2056 . So verhält es sich auch vorliegend: Die Universität ist dem präventivenVerbot mit Erlaubnisvorbehalt in gleicher Weise unterworfen wie private Sponsoren. Die Entbehrlichkeit eines Verfahrens vor den Ethik-Kommissionen lässt sich nicht dadurch herleiten, dass das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für die Universität iSe Konfusion von Berechtigung und Verpflichtung entfällt. Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen dient dem Schutz der (potentiellen) Versuchsteilnehmer und gerade sie erwarten, dass derselbe Sicherheitsstandard durch das Verfahren vor einer Ethik-Kommission zugrunde gelegt wird, wie es bei klinischen Prüfungen externer Sponsoren der Fall ist. Weiterhin 2055 Voraussetzung ist freilich, dass der universitären Ethik-Kommission auch die Begutachtungsaufgaben nach dem AMG übertragen worden sind. Hieran fehlt es etwa in Berlin, vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin; § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Ethik-Kommission des Landes Berlin. 2056 Foerster, NuR 1981, 47 f.
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wird die Durchführung einer klinischen Prüfung ohne zustimmende Bewertung einer Ethik-Kommission und ohne zwischen Durchführenden zu unterscheiden, schlechthin unter Strafe gestellt, § 96 Nr. 11 AMG. Die Problemkreise, die durch den Antrag der Universität bei der „eigenen“ Ethik-Kommission auf zustimmende Bewertung der klinischen Prüfung entstehen, lassen sich mit den Schlagworten des „In-Sich-Verfahrens“, des „In-Sich-VA“ und des „In-Sich-Prozesses“ umschreiben. b. In-Sich-Verfahren Die Universität wäre nur dann berechtigt, den Antrag bei der bei ihr errichteten Ethik-Kommission zu stellen, soweit man ein sog. „In-Sich-Verfahren“ für zulässig erachtet. Von einem In-Sich-Verfahren wird üblicherweise dann gesprochen, wenn die Behörde, die am Verfahren beteiligt ist und die Behörde, die das Verfahren durchführt, demselben Verwaltungsträger (derselben Körperschaft des öffentlichen Rechts) angehören.2057 Zum Kreise der In-Sich-Verfahren sind aber auch solche Verfahren zu zählen, in denen der Verwaltungsträger – wie vorliegend – selbst als Antragssteller vor der „eigenen“ Behörde auftritt.2058 Verneint man die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens, so könnte die Universität de lege lata zulässigerweise klinische Prüfungen nur dann durchführen, wenn sie die Leitung der klinischen Prüfung auf einen Prüfer überträgt, für den die Zuständigkeit einer Ethik-Kommission in anderer Trägerschaft begründet ist (§ 42 Abs. 1 S. 1 u. 2 AMG). Einem In-Sich-Verfahren steht zunächst nicht die Beteiligtenfähigkeit entgegen.2059 Die Ethik-Kommission ist als selbstständige Behörde nach § 11 Nr. 3 VwVfG beteiligtenfähig. Für die Universität folgt die Beteiligtenfähigkeit aus § 11 Nr. 1 VwVfG. Letztere zählt, im Gegensatz zur Ethik-Kommission als federführende Behörde2060 , als Antragssteller zu den Beteiligten nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG. Bedenken bereitet, dass Behörden transitorisch für den Rechtsträger handeln, dem sie angehören und ihre Entscheidungen für und gegen den Rechträger wirken.2061 Auch die Frage nach einer Interessenskollision drängt sich auf, denn abgesehen von der Reichweite der „Zurechnungskette“ erscheint eine „Entscheidung in eigener Sache“ vorzuliegen, wenn die Universität den Antrag bei der „eigenen“ Ethik-Kommission stellt. Das BVerfG hat allerdings schon früh entschieden, dass der Grundsatz, dass „niemand in eigener Sache Richter sein kann“, für Verwaltungsbehörden im einfachen Verwaltungsverfahren nicht anwendbar ist. Es sei auch kein rechtsstaatliches 2057
So Foerster, NuR 1981, 47. Vgl. Kopp/Ramsauer, § 13 Rn. 56 f. 2059 S.a. Foerster, NuR 1981, 47, 49. 2060 Vgl. allg. Kopp/Ramsauer, § 13 Rn. 10. 2061 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 11 Rn. 14. Verfolgt man den hier vorgeschlagenen rechtlichen Ansatz einer Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen weiter, so handelt es sich im Ergebnis zumindest aus verwaltungsorganisationsrechtlicher Perspektive nicht um ein „In-Sich-Verfahren“ in klassischer Hinsicht, weil die Ethik-Kommission nicht als Zurechnungsdurchgangspunkt fungiert und ihre zustimmende oder ablehnende Bewertung mithin nicht für und gegen die Universität als übergeordnetes Funktionssubjekt wirkt. Dazu unten, § 16. 2058
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Prinzip erkennbar, das einer Entscheidung über eigene Anträge und Rechtsbehelfe entgegenstünde. Hervorgehoben hat es, dass gerade bei kommunalen Behörden, „in deren Hand Selbstverwaltungs- und staatliche Auftragsangelegenheiten vereinigt sind,[werden] häufig in die Lage kommen, über eigene Anträge zu entscheiden. Auch die vielfältige Gliederung der Verwaltung nicht nur in verschiedene Behörden, sondern innerhalb der Behörden in verschiedene Abteilungen, und die Wahrnehmung fiskalischer Interessen und hoheitlicher Funktionen durch die gleiche Stelle müssen unausweichlich zu solchen Entscheidungen führen“.2062 In Anlehnung an diese Rspr. ist gegen ein In-Sich-Verfahren auch vor Ethik-Kommissionen nichts einzuwenden. Indizwirkung für die Zulässigkeit von In-Sich-Verfahren gibt zudem § 20 Abs. 1 Nr. 5 2. HS VwVfG, wonach der Ausschlussgrund für Personen, die gegen Entgelt bei einem Beteiligten beschäftigt sind, dann nicht gelten soll, wenn deren Anstellungskörperschaft Beteiligte ist. Hierdurch wird verhindert, dass ganze Behörden deswegen „lahmgelegt werden“, weil die Anstellungskörperschaft Beteiligte im Verwaltungsverfahren ist. Die Bediensteten sollen nicht von einerAufgabenwahrnehmung gegenüber ihrer eigenen Anstellungskörperschaft ausgeschlossen werden.2063 Ethik-Kommissionsmitglieder sind demzufolge nicht allein deswegen vom Verfahren auszuschließen, weil die eigene Universität – vorliegend als Antragssteller, § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG – beteiligt ist.2064 Aus der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 5 2. HS VwVfG lassen sich insoweit Rückschlüsse auf die verwaltungsverfahrensrechtliche Zulässigkeit von In-Sich-Verfahren ziehen2065 , was im Übrigen auch durch die Diskussion um die Zulässigkeit eines sog. In-Sich-Verwaltungsaktes im Ergebnis bestätigt wird. c. In-Sich-Verwaltungsakt Die Universität selbst ist Adressat der zustimmenden oder ablehnenden Bewertung der Ethik-Kommission. Fraglich ist demnach, ob die Entscheidung der „eigenen“ Ethik-Kommission auch ihr gegenüber – wie bei externen Sponsoren – als Verwaltungsakt zu werten ist. Allein klärungsbedürftig erweist sich hier das Kriterium der Außenwirkung, § 35 S. 1 VwVfG. Das Bedürfnis nach einer Entscheidung qua Verwaltungsakt kann zum einen darin gesehen werden, dass die Universität auf diesen für rechtmäßiges Handeln angewiesen ist und für ihre Tätigkeit als Sponsor die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit des Vorhabens in Form eines Verwaltungsakts 2062
Vgl. BVerfGE 3, 377, 380 f.; dazu auch Foerster, NuR 1981, 47, 49 f.; ferner BVerfG NJW 2004, 1648. 2063 Vgl. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 20 Rn. 38; Kopp/Ramauer, § 20 Rn. 28. 2064 Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 5 2. HS VwVfG hat man auch auf EthikKommissionsmitglieder zu erstrecken, die das Land und nicht die Universität als Anstellungskörperschaft haben. Anderenfalls wäre nur die Funktionsfähigkeit der Ethik-Kommissionen sichergestellt, die einer Universität mit Dienstherreneigenschaft zugeordnet sind, was der Intention des § 20 Abs. 1 Nr. 5 2. HS zuwiderläuft. 2065 In diesem Sinne Foerster, NuR 1981, 47, 50: „Die Bundes- und Landesgesetzgeber gehen damit insoweit von der Zulässigkeit eines Insich-Verfahrens bereits aus“; ebenso Kopp/Ramsauer, § 13 Rn. 56 f.
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anzustreben ist.2066 Durchschlagend dürfte indes die Überlegung sein, dass sich die Ethik-Kommission zugunsten des Patienten-/Probandenschutzes auch dem allgemeinen VwVfG bedienen muss, um die Lücken des AMG und der GCP-V zu schließen, die jeweils nur die arzneimittelspezifischen Besonderheiten normiert haben. Dies setzt jedoch voraus, dass ein Verwaltungsverfahren iSd § 9 VwVfG vorliegt. Nach § 9 VwVfG liegt ein Verwaltungsverfahren iSd VwVfG aber nur bei einer „nach außen wirkende(n) Tätigkeit“ einer Behörde vor, „die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes“ gerichtet ist. Verneint man die Außenwirkung der Ethik-Kommissionsentscheidung (§ 35 S. 1 VwVfG), so könnte nur auf eine analoge Anwendung des VwVfG zurückgegriffen werden. Gerade aus der Perspektive der Bürgers – hier: des Versuchsteilnehmers – ist kaum nachvollziehbar, warum eine Behörde in der einen Situation bestandskräftige und rechtsverbindliche Entscheidungen fällen kann, in der anderen Situation dagegen nicht, obwohl aus der betroffenen Bürgersicht weder ein qualitativer noch ein quantitativer Unterschied besteht.2067 Transparenz und Gleichbehandlung fordern daher die Entscheidungsform desVerwaltungsaktes; und zwar erst recht dann, wenn ein Genehmigungsverfahren dem Schutze Dritter dient und ohne Verwaltungsaktsentscheidung das Schutzniveau entweder herabgesenkt wird oder für dessen Aufrechterhaltung auf die unsichere Methode der Analogie zurückgegriffen werden muss. Die Differenzierung zwischen Sponsor und Ethik-Kommission nach materiellem Recht muss insoweit auch das Verfahrensrecht Rechnung tragen.2068 Die ganz überwiegende Auffassung erkennt die Form des sog. „In-SichVerwaltungsaktes“ an.2069 Die Außenwirkung ist danach dann zu bejahen, wenn eine vergleichbare Maßnahme, wie sie gegenüber dem eigenen Rechtsträger ergangen ist, auch gegenüber einem Privaten hätte ergehen können.2070 Dabei ist zu betonen, dass der vorliegende Fall grundverschieden ist zu denjenigen „In-SichVerfahren“, in denen eine Maßnahme einer erlassenden Behörde gegen eine andere Behörde desselben Rechtsträgers ergeht. Vorliegender Adressat des (vermeintlichen) Verwaltungsakts ist der Rechtsträger selbst, der in seiner Eigenschaft als selbstständige juristische Person betroffen ist.2071 Vorliegend tritt auch die Universität
2066
In diesem Sinne Foerster, NuR 1981, 47, 50: „unabweisbares Bedürfnis“ für die Entscheidung durch Verwaltungsakt auch gegenüber dem eigenen Rechtsträger; ebenso OVG Münster, NVwZ 1992, 186. 2067 Nahestehend Foerster, NuR 1981, 47, 50. 2068 So auch OVG Münster, NVwZ 1992, 186 für das Baugenehmigungsverfahren, wenn die Gemeinde von der ihr zugehörigen Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung begehrt. 2069 VGH München, NuR 2005, 783, 784; OVG Münster, NVwZ 1992, 186; NVwZ-RR 1999, 365, 366; VGH Kassel, NVwZ-RR 2003, 345 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 190 m.w. Nachw.; Jungkind, Verwaltungsakte, S. 46 ff. m.w. Nachw.; Foerster, NuR 1981, 47, 50; Fittschen, VerwArch 83 (1992), 165, 184 f.; s.a. BVerwGE 101, 47 ff.; NVwZ 1998, 737; einschränkend Janßen, in: Obermayer, § 35 Rn. 115. 2070 So Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 190. 2071 Dies hervorhebend Jungkind, Verwaltungsakte, S. 47.
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„ihrer“ Ethik-Kommission in ihrer Eigenschaft als eigenständiger Rechtsträger gegenüber und begehrt die zustimmende Bewertung der klinischen Prüfung, für die sie die Sponsorfunktion übernimmt. Die zustimmende oder ablehnende Bewertung der Ethik-Kommission trifft die Universität folglich nicht in ihrer Eigenschaft als übergeordnetes Funktionssubjekt, sondern in ihrer Eigenschaft als eigenständiger Rechtsträger und „Wahrheitssuchende“, die sie nicht von anderen externen privaten Sponsoren klinischer Prüfungen unterscheidet. Demnach lässt sich mit der überwiegenden Auffassung in Rspr. und Literatur auch eine Außenwirkung und mithin eine Entscheidung durch (In-Sich-)Verwaltungsakt bejahen2072 , was auch den angeführten praktischen Bedürfnissen Rechnung trägt, zumal die zuständige Bundesoberbehörde auch gegenüber der Universität durch Verwaltungsakt entscheidet.
d. In-Sich-Prozess Von Bedeutung ist aber daran anknüpfend die Frage, ob die Universität gegen die Entscheidung der Ethik-Kommission auch mittels Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vorgehen kann. Dies wird unter dem Blickwinkel des sog. In-Sich-Prozesses diskutiert und überwiegend einheitlich beantwortet. Das BVerwG hat hervorgehoben, dass der In-Sich-Prozeß“ nicht um seiner selbst willen ausgeschlossen sei. Zwar gelte im Zivilprozess der Grundsatz des „Zweiparteiensystems“. Dieser Grundsatz könne aber nicht ohne weiteres auf den Verwaltungsprozess übertragen werden. Körperschaften des öffentlichen Rechts seien zwar rechtsbegrifflich Einheiten; aber mit Rücksicht auf ihre Gliederung in verschiedene Organe und auf den horizontalen und vertikalen Behördenaufbau sowie infolge der in der öffentlichen Verwaltung bestehenden Weisungsbefugnisse und Weisungsfreiheiten seien der Einheitlichkeit der Willensbildung in der Körperschaft Grenzen gesetzt. Hieraus könne sich sogar „in bestimmten Konstellationen ein Bedürfnis für die Zulassung von Insichprozessen ergeben“.2073 An der Klagebefugnis scheitert vorliegend eine Klage jedenfalls nicht, weil die Universität als Adressat des Verwaltungsakts und in ihrer Eigenschaft als Sponsor der klinischen Prüfung („Quasi-Bürger“) in ihrem Recht auf zustimmende Bewertung (§§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 S. 7 AMG) und als Grundrechtsträger des Art. 5 Abs. 3 GG in ihrer Forschungsfreiheit betroffen sein kann. Die Zulässigkeit eines In-Sich-Prozesses bestimmt sich nach der Rspr. des BVerwG auch nicht nach der Beteiligtenfähigkeit (§ 61 Nr. 3 VwGO), weil die Vorschriften über die Beteiligtenfähigkeit „keinen weiteren Erkenntniswert“ für die hier zu beurteilende
2072
In diese Richtung für Ethik-Kommissionen wohl auch v. Dewitz, A&R 2008, 156, 159 f. Vgl. BVerwG NJW 1974, 1836 f.; ferner BVerwGE 45, 207, 210; 101, 47 50; NJW 1992, 927; VGH München NuR 2005, 783, 784; BSGE 39, 260, 263; MedR 2004, 636, 637; so auch die h.L., vgl. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 42 Abs. 2 Rn. 102; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 190; Jungkind, Verwaltungsakte, S. 48 m. Fn. 145; Foerster, NuR 1981, 47. 2073
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Frage liefern.2074 Nach h. M. sind jedoch Einschränkungen beim Rechtsschutzbedürfnis vorzunehmen. Dieses fehlt grundsätzlich dann, wenn der Kläger sein Ziel auf andere Weise einfacher, schneller oder effizienter erreichen könnte2075 und ist bei In-Sich-Prozessen dann zu verneinen, wenn die Beteiligten im Verhältnis von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zueinander stehen oder einer gemeinsamen Entscheidungsspitze unterstellt sind und durch sie der Streit hätte ausgeräumt werden können. Kann jene zwischen den Beteiligten verbindlich entscheiden, so fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis und ein In-Sich-Prozess ist unzulässig.2076 EthikKommission und Universität stehen sich weder im Verhältnis von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde gegenüber, noch ist eine gemeinsame Entscheidungsspitze ersichtlich, die den Rechtsstreit beilegen kann. Ethik-Kommissionsmitglieder werden unabhängig und weisungsfrei tätig, was mit einer erheblich eingeschränkten Staats- und Behördenaufsicht einhergeht. Die hierdurch entstehende staatsferne ist ein wesentliches Prinzip und Strukturmerkmal von Ethik-Kommissionen, in das nicht ohne erheblichen Konturen- und Funktionsverlust eingegriffen werden kann. Das Rechtsschutzbedürfnis der Universität für einen (In-Sich-)Prozess entfällt daher nicht nur2077 , sondern weist geradezu auf eine gerichtliche Klärung hin: Als Sponsor besteht ein erhebliches Bedürfnis dafür, eine zustimmende Bewertung einer Ethik-Kommission zu erhalten. Dieses Bedürfnis folgt nicht nur aus der rechtlichen Notwendigkeit (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG), sondern auch aus Gründen des Patienten-/Probandenschutzes. Ein positives, unabhängig und weisungsfrei zustande gekommenes Ethik-Kommissionsvotum ist ein wesentliches Kennzeichen jeder medizinischen Forschungstätigkeit am Menschen und stellt gleichzeitig eine unverzichtbare ethische Zulässigkeitsvoraussetzung dar2078 , die durch andere staatliche Stellen nicht ersetzt werden kann. Für Anfechtungs- und Verpflichtungsklage besteht mithin ein Rechtsschutzbedürfnis der Universität, sodass auch ein In-Sich-Prozess für zulässig zu erachten ist. e. Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder gegenüber ihrer „eigenen“ antragsstellenden Universität Die Haftung von Ethik-Kommissionsmitgliedern universitärer Ethik-Kommissionen nach Amtshaftungsgrundsätzen gegenüber der „eigenen“ antragsstellenden Universität bereitet Schwierigkeiten, da es nunmehr darum geht, aus den vorgenannten 2074
Vgl. BVerwGE 45, 207, 208; BSG MedR 2004, 636, 637. Ausführlich Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Vor § 40 Rn. 74 ff. m.w. Nachw. 2076 Vgl. BVerwGE 45, 207, 209; NJW 1992, 927; BSGE 39, 260, 263; MedR 2004, 636, 637; VGH München NuR 2005, 783, 784; VG Aachen, NJOZ 2006, 793, 796; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 Rn. 190; Kopp/Schenke, § 63 Rn. 7; Foerster, NuR 1981, 47. 2077 Vgl. auch instruktiv BSG MedR 2004, 636, 637: Zulässiger In-Sich-Prozess einer KZÄV gegen ihren weisungsfreien Disziplinarausschuss. 2078 Vgl. B Nr. 15 der Deklaration von Helsinki: „The research protocol must be submitted for consideration, comment, guidance and approval to a research ethics committee before the study begins”. 2075
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Prämissen („In-Sich-Verfahren“, „In-Sich-Verwaltungsakt“, „In-Sich-Prozess“) die haftungsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. aa. Problemstellung Die entscheidungserhebliche Frage lässt sich dahingehend formulieren, ob die antragsstellende Universität als übergeordnetes Funktionssubjekt der EthikKommission und der in ihr waltenden Mitglieder als Dritte iSd § 839 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Hiermit wird augenscheinlich der Bereich der beamtenrechtlichen Innenhaftung betreten. Ist die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG offensichtlich auf das Staat-Bürger-Verhältnis zugeschnitten, lässt sich die Amtshaftung aber auch auf das „unverzahnte Gegnerschaftsverhältnis“ zwischen zwei Verwaltungsträgern übertragen, so ist ebenso offensichtlich, dass es jedenfalls nicht für das Verhältnis von Dienstherrn und Beamten „zugeschnitten“ ist. Hier könnte vielmehr die persönliche beamtenrechtliche Innenhaftung eingreifen. bb. Amtshaftung oder Innenhaftung? Fraglich ist, ob auch in der vorliegenden Konstellation die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG eingreift. Dies ist bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung dann der Fall, wenn die Universität als Dritte iSd § 839 Abs. 1 BGB anzusehen wäre. Wie bereits ausgeführt können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts Dritte iSd Amtshaftungstatbestands sein. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen eines „Gegnerschaftsverhältnisses“, welches der BGH wie angesprochen dahingehend präzisiert, dass der für die haftpflichtige Behörde tätig gewordene Beamte der geschädigten Körperschaft bei Erledigung seiner Dienstgeschäfte in einer Weise gegenübertritt, wie sie für das Verhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn einerseits und dem Staatsbürger andererseits charakteristisch ist. Wirken aber der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammen, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen, dann können jene Pflichten, die dem Beamten im Interesse der Förderung des gemeinsam angestrebten Ziels obliegen, nicht als drittgerichtete Amtspflichten angesehen werden, deren Verletzung außenrechtliche Amtshaftungsansprüche der geschädigten Körperschaft auslöst.2079 Eine sog. Verzahnung lässt sich nicht ohne weiteres mit dem Hinweis begründen, dass die Universität ihr Forschungsvorhaben durch ihre eigenen Mitglieder begutachten lässt. Stehen wie im Regelfall die Hochschullehrer im Dienste des Landes, ist mithin das Land als Dienstherr (Anstellungskörperschaft) anzusehen, so treten Ethik-Kommissionsmitglied (Beamter) und das Land (Dienstherr) bei der Begutachtung des Forschungsantrags der Universität gegenüber, wie es im Ergebnis auch bei externen privaten Sponsoren klinischer Prüfungen der Fall ist. Vor allem 2079
Oben, § 6 G.II.1.b.aa.
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wirken die Universität und das Land bei der zustimmenden oder ablehnenden Bewertung der von der Universität eingereichten klinischen Prüfung nicht als „Teil eines einheitlichen Ganzen“ iSe kooperativen „administrativen Funktionseinheit“2080 zusammen, da die Universität gegenüber den Landesbeamten der universitären EthikKommission als „Quasi-Bürger“ gegenübertritt. Folgt man dieser Argumentation und hält man aufgrund der hoheitlichen Tätigkeit auch Art. 34 GG zwischen Hoheitsträgern für anwendbar, so bestünden Schadensersatzansprüche der Universität bei schuldhafter, d. h. mindestens fahrlässiger Amtspflichtverletzung der beamteten Ethik-Kommissionsmitglieder aus § 839 BGB, Art. 34 GG gegenüber dem Land als Anstellungskörperschaft, wobei auch die amtshaftungsspezifischen Haftungsausschlüsse und -beschränkungen (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB) Anwendung fänden.2081 Gleichwohl wird man die Dritteigenschaft zu verneinen und die Universität lediglich als „Zweite“ anzusehen haben, denn die hier vorliegende Konstellation entfernt sich anders als in den bereits erörterten Fällen, in denen dasVotum gegenüber der Universität von einer Ethik-Kommission des Landes oder der Kammer erlassen wird, vom vergleichbaren Gegnerschaftsverhältnis als typisches Staat-Bürger-Verhältnis und nähert sich dem typischen Fall der Innenhaftung an. Die beamtenrechtliche Innenhaftung unterscheidet sich von der in § 839 BGB geregelten Außenhaftung dadurch, dass der Dienstherr im ersten Fall Einfluss, im letzten Fall keinen vergleichbaren Einfluss auf die Schadensursache hat. In Innenhaftungsfällen liegt es also grundsätzlich so, dass der Geschädigte die Voraussetzungen für seine Schädigung geschaffen hat, er also insbesondere durch die fehlerhafte Aufgabenerfüllung eines bestimmten Amtswalters nur deswegen geschädigt werden kann, weil dieser ihn selbst mit der Durchführung einer bestimmten Aufgabe betraut und die Rahmenbedingungen für seine Tätigkeit gegeben hat.2082 Die vom BGH angewandte „Verzahnungstheorie“ hat Stelkens mit der Zurechenbarkeit der Schadensursache präzisiert: Dort, wo eine Zurechnung vorhanden sei, kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts nur „Zweite“, bei fehlender Schadenszurechnung dagegen „Dritte“ iSd § 839 Abs. 1 BGB sein. Maßgeblich ist, dass die Schädigung zumindest auch dem geschädigten Hoheitsträger zuzurechnen ist.2083 Art und Weise der schädigenden Begutachtungstätigkeiten der Ethik-Kommissionsmitglieder werden aber vorliegend gerade durch die Universität selbst und nicht durch das Land als Anstellungskörperschaft bestimmt. Weiterhin liegt generell die Begutachtungstätigkeit der universitären Ethik-Kommission im Interesse der Universität, die hier in ihrer Eigenschaft als Sponsor selbst geschädigt wird.2084 In Anlehnung an die von Stelkens vorgenommene Differenzierung lässt sich eine Schadensursachenzurechnung der Universität nicht in Abrede stellen. 2080
v. Komorowski, VerwArch 93 (2002), 62, 81. Zur Geltung der Haftungsausschlüsse und -beschränkungen (§ 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB) auch zwischen Hoheitsträgern vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 499. 2082 Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 473 f. 2083 Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 470 ff., bes. S. 473 f., 477 ff. 2084 Zur einzelnen Schadenszurechnungskriterien Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 474 f. 2081
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Zweites Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung
Weiterhin kommt der Innenhaftung Vorrang gegenüber der Außenhaftung zu2085 und es lässt sich auch auf die Verzahnungstheorie des BGH ohne nach der von Stelkens vorgeschlagenen Schadenszurechnung abstellen, denn universitäre Ethik-Kommissionsmitglieder als Beamte im Landesdienst, das Land und die Universität sind in der vorliegenden Konstellation so eng miteinander „verzahnt“, dass „ihre Beziehungen zueinander dem Außenstehenden wie etwas Zusammengehöriges, als ein Teil einer einheitlichen Verwaltungsorganisation erscheinen“2086 . Freilich ist hiermit eine Abkehr vom Grundsatz der einheitlichen Behandlung vom primären und sekundären Rechtsschutz verbunden. Die vorliegende Ausnahme des In-SichVerwaltungsakts ist jedoch als nicht hinreichender Grund dafür anzusehen, um vom Grundsatz des Vorrangs der Innenhaftung abzuweichen. Zur Innenhaftung gelangt man auch in den Fällen, in denen die Universität eigene Dienstherrenfähigkeit hat, denn hier ist unmittelbar das Verhältnis vom beamteten universitären Ethik-Kommissionsmitglied zur Universität als Dienstherr betroffen. Dritteigenschaft iSd § 839 Abs. 1 BGB kann der Universität hier offensichtlich nicht zukommen2087 ; die Innenhaftung besteht gerade für den Fall, dass der Dienstherr unmittelbar geschädigt wird. Gleichwohl ändert sich nichts an der Verwaltungsaktqualität der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission, was gleichzeitig bestätigt, dass der Grundsatz der ergänzenden Funktion des Amtshaftungsrechts im Verhältnis zum primären Rechtsschutz nicht absolut gesetzt werden kann. cc. Ergebnis Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB, Art. 34 GG scheiden in der vorliegenden Konstellation aus. Es finden vielmehr die Grundsätze der beamtenrechtlichen Innenhaftung Anwendung. Für beamtete Ethik-Kommissionsmitglieder gilt § 48 BeamtStG (§ 46 BRRG). Danach haben Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, § 48 S. 1 BeamtStG. Haben mehrere Beamtinnen oder Beamte gemeinsam 2085 Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 273: „Schädigt der Beamte nicht seine Anstellungskörperschaft (Dienstherrnkörperschaft), sondern eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts, dann ist diese dennoch nicht „Dritte“ iS des Amtshaftungsrechts, wenn der Beamte zugleich (auch) deren Aufgaben wahrgenommen hat, die geschädigte Körperschaft mithin „Funktionskörperschaft“ des schädigenden Amtsträgers gewesen ist.“ 2086 Vgl. BGH DVBl. 1974, 592, 593: „Die Anwendung des § 839 BGB scheidet aus, wenn die verschiedenen Behörden so eng miteinander verbunden oder ihre Aufgaben derart verzahnt sind, daß ihre Beziehungen zueinander dem Außenstehenden wie etwas Zusammengehöriges, als ein Teil einer einheitlichen Verwaltungsorganisation erscheinen“; s.a. den vergleichbaren Fall in BGHZ 60, 371 ff.: Eine Gemeinde, die den Sachaufwand der Schule zu tragen hat, ist nicht „Dritte“ iSd Amtshaftungsrechts, wenn ein zum Land im Beamtenverhältnis stehender Lehrer im Rahmen seiner Lehrtätigkeit das im Eigentum der Gemeinde stehende Schulgebäude beschädigt; hierzu auch Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 54; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 174; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 189; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 274. 2087 Anderenfalls käme es hier bei hoheitlichem Handeln der Ethik-Kommissionsmitglieder (InSich-Verwaltungsakt) zu einer Konfusion, Art. 34 GG.
§ 6 Haftung für Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung
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den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner, § 48 S. 2 BeamtStG. Für die in universitären Ethik-Kommissionen ebenfalls ehrenamtlich mitwirkenden Mitglieder, die keine Dienstaufgaben wahrnehmen, findet § 46 BeamtStG analog Anwendung.2088 f. Haftung für beteiligte Ethik-Kommissionen im Verhältnis zur Universität als Sponsor Wegen fehlender „Verzahnung“ bzw. wegen fehlender Schadenszurechnung ist die Universität im Verhältnis zu den beteiligten Ethik-Kommissionen „Dritte“ iSd Amtshaftungsrechts. Erleidet sie deswegen einen Schaden, weil die Prüfer und/oder Prüfstellen einer multizentrischen Studie durch die beteiligte Ethik-Kommission unzutreffend ablehnend bewertet werden, bestehen Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB, Art. 34 GG gegenüber der jeweils passiv legitimierten Körperschaft. Die Interessenlage ist insoweit identisch mit derjenigen, wenn für die Universität als Sponsor die Zuständigkeit einer anderen federführenden Ethik-Kommission begründet ist als die „eigene“. g. Ergebnis Ist für eine klinische Prüfung, für die die Universität die Sponsorfunktion übernimmt, die Zuständigkeit der „eigenen“ Ethik-Kommission begründet, so handelt es sich um ein zulässiges „In-Sich-Verfahren“. Die zustimmende oder ablehnende Bewertung stellt ein „In-Sich-Verwaltungsakt“ dar; Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen die Voten der „eigenen“ Ethik-Kommission können im Wege eines zulässigen „In-Sich-Prozesses“ erhoben werden. Die Universität ist nicht Dritte iSd Amtshaftungsrechts. Die Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder bestimmt sich nach Innenhaftungsgrundsätzen. Für beamtete Hochschulmitglieder greifen die beamtenrechtlichen Innenhaftungsvorschriften ein. Für nicht verbeamtete EthikKommissionsmitglieder bzw. solche, die keine Dienstaufgaben wahrnehmen, sind die beamtenrechtlichen Innenhaftungsvorschriften analog heranzuziehen. Die Haftung für die beteiligten Ethik-Kommissionen bei multizentrischen Prüfungen folgen den Grundsätzen der Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG.
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Genaueres hierzu noch unten, § 13.
Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Medizinprodukten
Medizinprodukteprüfungen am Menschen nehmen vor den Ethik-Kommissionen im Verhältnis zu Arzneimittelprüfungen keinen gleichwertigen Stellenwert ein.1 Die klinische Prüfung von Medizinprodukten ist in den §§ 19 ff. MPG geregelt, die eine erstaunliche Parallelität zu den §§ 40 ff. AMG aufweisen.2 Nicht einheitlich geregelt war dagegen die Beteiligung der Ethik-Kommissionen. Die 4. MPG-Novelle3 hat aber nunmehr auch in diesem Bereich die Parallelität zum AMG vollzogen. Vor diesem Hintergrund sei sich nachfolgend auf die wesentlichen Grundzüge beschränkt.
§ 7 Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten und die Stellung der Ethik-Kommissionen Vor Erlass des Medizinproduktegesetzes war der Verkehr mit Medizinprodukten uneinheitlich und zersplittert geregelt: Einige Produkte fielen unter das Arzneimittelgesetz, andere etwa unter die Medizingeräteverordnung. Für viele Produkte war das AMG allerdings zu streng. Hinzu kam eine juristische Grauzone für Produkte/Stoffe, die weder als typischeArzneimittel noch als klassische medizinische Geräte einzustufen waren.4 Das Gesetz über Medizinprodukte vom 2.8.1994, dessen Notwendigkeit sich aus dem für unbefriedigend gehaltenen Rechtszustand ergab, ist durch eine Reihe europäischer Richtlinien veranlasst worden. Die Rahmenbedingungen ergeben 1 So geht aus einer Umfrage bei 20 Ethik-Kommissionen hervor, dass im Jahre 2002 durchschnittlich 94,5 Anträge Arzneimittelprüfungen betrafen und nur 11 Anträge Medizinprodukteprüfungen. Im Jahre 2003 waren es durchschnittlich nur 9 Anträge mit Medizinprodukten, 102 Anträge betrafen dagegen Arzneimittelprüfungen; vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 43. 2 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 20 Rn. 4 f.; krit. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1640. 3 Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften v. 29.07.2009, BGBl. 2009 I Nr. 48, 2326. 4 Vgl. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1610; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 18 f.; Anhalt/Dieners, in: dies., Medizinprodukterecht, § 2 Rn. 6 ff.
M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
sich insbesondere aus der Richtlinie 90/385/EWG über aktiv implantierbare medizinische Geräte, aus der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte und aus der Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika.5
A. Überblick Das MPG findet Anwendung auf Medizinprodukte und deren Zubehör, wobei das Zubehör als eigenständiges Medizinprodukt behandelt wird, § 2 Abs. 1 MPG. Der Zentralbegriff des Medizinprodukts wird in § 3 Nr. 1 MPG erläutert.6 Medizinprodukte dienen der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten (§ 3 Nr. 1a MPG), der Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen (§ 3 Nr. 1b MPG), der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs (§ 3 Nr. 1c MPG) oder der Empfängnisregelung (§ 3 Nr. 1d MPG). Das Produkt muss zur Anwendung beim Menschen bestimmt sein und einer der in § 3 Nr. 1 a–d MPG genannten Zwecke dienen. Entscheidend ist – anders als im AMG – die subjektive Zweckbestimmung des Herstellers.7 Im Einzelfall entscheidungserheblich ist ferner die bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper: Sie darf nicht durch pharmakologisch oder immunologisch wirkende Mittel noch durch Metabolismus erreicht werden, § 3 Nr. 1 a. E. Der bestimmungsgemäße Wirkungsmechanismus wird negativ umschrieben, womit zugleich die Abgrenzung zu Arzneimitteln vollzogen wird. Medizinprodukte wirken im Gegensatz zuArzneimitteln physikalisch, wobei die Wirkungsweise gleichwohl in pharmakologischer, immunologischer oder metabolischer Weise iSe Hilfs- bzw. Nebenfunktion unterstützt werden darf.8 Die Abgrenzung, die zugleich sicherstellt, dass es kein Produkt mit doppelter Einordnung gibt (§ 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG)9 , bereitet in der Praxis freilich Schwierigkeiten, zumal von der Einordnung die Zulassungspflicht nach dem AMG und damit zusammenhängend auch das Bedürfnis nach klinischen Prüfungen abhängt.10
5
Vgl. Diener/Lützeler, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 1 Rn. 1 f.; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 17; Deutsch, NJW 1995, 752 f.; Rehmann, in: Rehmann/Wagner, Einf. Rn. 2. 6 Vgl. hierzu weiterführend Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1617 ff. 7 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel, § 3 Rn. 10; Rehmann, in: Rehmann/Wagner, § 3 Rn. 1; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 43 f.; Schorn, § 3 Rn. 16; s.a. OVG BW, PharmR 2008, 285. 8 Vgl. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1618; Anhalt, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 3 Rn. 3 ff.; Rehmann, in: Rehmann/Wagner, § 3 Rn. 1 ff. 9 Vgl. Kloesel/Cyran, § 2 Anm. 92. 10 Vgl. aus der (jüngeren) Rspr.: VG Braunschweig, MPJ 2004, 29 (Zwei-Kammer-BeutelInfusionssystem bestehend aus jeweils einem Beutel gefüllt mit Natriumchloridlösung und Natriumhydrogencarbonat als zulassungspflichtiges Arzneimittel); VG Köln, MPJ 2006, 200 (Pflaster
§ 7 Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten
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Unterfällt das Produkt dem MPG, so unterliegt es zwar keiner Zulassungspflicht, für dessen Inverkehrbringen/Inbetriebnahme ist aber erforderlich, dass es mit dem CE-Kennzeichen versehen ist, § 6 Abs. 1 MPG.11 Das CE-Kennzeichen ist die zentrale Voraussetzung für die Verkehrsfähigkeit des Medizinprodukts. Nach § 6 Abs. 2 MPG dürfen Medizinprodukte nur dann mit der CE-Kennzeichnung versehen werden, wenn die Grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllt sind und das für das Medizinprodukt vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist. Welche Grundlegenden Anforderungen zu erfüllen sind, ergibt sich aus § 7 MPG, der direkt ins EG-Recht verweist. Für die Frage, welches Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen ist, beurteilt sich nach der MPV, die jedoch im Wesentlichen nur (Rück-)Verweisungen auf die europäischen Richtlinien enthält. Entscheidend ist jeweils, ob es sich um aktiv implantierbare Medizinprodukte, um In-vitro-Diagnostika oder um sonstige Medizinprodukte handelt; hinzu treten Klassifizierungsregeln für In-vitro-Diagnostika sowie für die sonstigen Medizinprodukte nach der potentiellen Gefährlichkeit (Klassen I, IIa, IIb oder III).12
B. Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten Soweit nach § 6 Abs. 2 MPG vorgesehen ist, dass Medizinprodukte die Grundlegenden Anforderungen nach § 7 MPG, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllen müssen und das für das Medizinprodukt vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden ist, so ist erforderlich, dass die Zweckbestimmung vor jener Überprüfung feststeht.13 Die medizinische Zweckbestimmung obliegt zwar einerseits dem Hersteller. Andererseits sieht § 19 MPG vor, dass die Eignung des Medizinprodukts für den vorgesehenen Verwendungszweck grundsätzlich durch eine klinische Bewertung anhand von mit aufgebrachter Paste zur Erregung der Kälterezeptoren in der Haut als Arzneimittel), bestätigt durch OVG NRW, GesR 2007, 435 = PharmR 2008, 83; OLG Frankfurt, GesR 2007, 162 (Hyaluronsäure-Natrium-Fertigspritzen zur intraartikulären Anwendung bei Gelenkerkrankungen ist Medizinprodukt); aus der (umfangreichen) Literatur: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1618, 1623; Hobusch/Ochs, MedR 2009, 15, 16 f.; Kloesel/Cyran, § 2Anm. 92 ff.; Dettling, PharmR 2006, 578 ff.; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 40 ff.; ausf. zur Abgrenzung von Medizinprodukten zu Arzneimitteln, Lebensmitteln und Kosmetika Anhalt, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 3 Rn. 3 ff. 11 Zu Ausnahmen vgl. Wagner, in: Rehmann/Wagner, § 6 Rn. 2. 12 Vgl. im Einzelnen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1630 ff.; Wabnitz, Medizinprodukte, S. 14 ff.; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 52 ff.; 130 ff., 134 ff., 143 ff., 152 ff.; ausf. zur Einteilung und Klassifizierung Frankenberger, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 4 Rn. 3 ff.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 75 f.; ferner Wagner, in: Rehmann/Wagner, § 13 Rn. 3 ff.; Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 43 Rn. 3; zur Wahl des Konformitätsverfahrens Edelhäuser, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 5 Rn. 22 ff. 13 Vgl. Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 1.
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Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
klinischen Daten zu belegen ist. Der Hersteller kann den Zweck also frei bestimmen; für den von ihm bestimmten Zweck muss das Medizinprodukt aber geeignet sein.14 I. Klinische Prüfung als Bestandteil der klinischen Bewertung, § 19 MPG Nach den europäischen und deutschen Bestimmungen ist für alle15 Medizinprodukte der Nachweis zu führen, dass sie für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sind und sie die merkmals- und leistungsrelevanten Anforderungen erfüllen.16 Anders als das AMG eröffnet das MPG die Möglichkeit einer klinischen Bewertung von Medizinprodukten, was nicht zwingend zur Durchführung einer klinischen Prüfung führt. Nach § 19 Abs. 1 MPG ist die Eignung von Medizinprodukten für den vorgesehenen Verwendungszweck durch eine klinische Bewertung anhand von klinischen Daten zu belegen, soweit nicht in begründeten Ausnahmefällen andere Daten ausreichend sind. Die klinische Bewertung schließt die Beurteilung von unerwünschten Wirkungen sowie die Annehmbarkeit des in den Grundlegenden Anforderungen der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG genannten Nutzen/Risiko-Verhältnisses ein. Bei klinischen Daten handelt es nach § 3 Nr. 25 MPG um Sicherheits- oder Leistungsangaben, die aus der Verwendung eines Medizinproduktes hervorgehen. Sie können herrühren aus einer klinischen Prüfung des betreffenden Medizinproduktes (§ 3 Nr. 25a MPG), aus klinischen Prüfungen oder sonstigen in der wissenschaftlichen Fachliteratur wiedergegebenen Studien über ein ähnliches Produkt, dessen Gleichartigkeit mit dem betreffenden Medizinprodukt nachgewiesen werden kann (§ 3 Nr. 25b MPG), oder aus veröffentlichten oder unveröffentlichten Berichten über sonstige klinische Erfahrungen entweder mit dem betreffenden Medizinprodukt oder einem ähnlichen Produkt, dessen Gleichartigkeit mit dem betreffenden Medizinprodukt nachgewiesen werden kann (§ 3 Nr. 25c MPG). Die Eignung von In-vitro-Diagnostika für den vorgesehenen Verwendungszweck ist nach § 19 Abs. 2 MPG durch eine Leistungsbewertung anhand geeigneter Daten zu belegen. Sie stützt sich auf Daten aus der wissenschaftlichen Literatur, die die vorgesehene Anwendung des Medizinproduktes und die dabei zum Einsatz kommenden Techniken behandeln, sowie einen schriftlichen Bericht, der eine kritische Würdigung dieser Daten enthält (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 MPG), oder auf die Ergebnisse aller Leistungsbewertungsprüfungen oder sonstigen geeigneten Prüfungen 14
Vgl. Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 45 Rn. 8; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 292; Schorn, § 19 Rn. 5, § 20 Rn. 4. 15 Vgl. Schorn, § 20 Rn. 8 sowie Erwägungsgrund (8) der Richtlinie 2007/47/EG: „Im Hinblick auf die technischen Innovationen und die Entwicklung internationaler Initiativen ist es nötig, die Bestimmungen über die klinische Bewertung zu stärken, indem zum einen präzisiert wird, dass klinische Daten in der Regel für alle Produkte, ungeachtet ihrer Einstufung, erforderlich sind, und zum anderen die Möglichkeit eröffnet wird, die Daten über klinische Prüfungen zentral in der europäischen Datenbank zu erfassen“; ferner BT-Drs. 16/12258, S. 21. 16 Vgl. Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 5; Schorn, § 20 Rn. 4; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 293.
§ 7 Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten
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(§ 19Abs. 2 Nr. 2 MPG).Auf Leistungsbewertungen können nach § 24 MPG die Vorschriften über die klinische Prüfung (§§ 20–23b MPG) entsprechende Anwendung finden. Die klinische Prüfung ist mithin ein Unterfall bzw. Teil der klinischen Bewertung.17 Die Notwendigkeit der Durchführung einer klinischen Prüfung ergibt sich jedenfalls dann, wenn das vorhandene Erkenntnismaterial für die klinische Bewertung unzureichend ist18 , aber auch in weiteren Fällen, etwa bei implantierbaren Medizinprodukten und bei Produkten der Klasse III.19 Zweck der klinischen Prüfung nach dem MPG ist es, den Nachweis darüber zu erbringen, dass die Produktleistung bei normalen Einsatzbedingungen den jeweiligen Leistungsdaten entsprechen, bei normalen Einsatzbedingungen auftretende unerwünschte Nebenwirkungen zu ermitteln und zu beurteilen, ob diese unter Berücksichtigung der vorgegebenen Leistungen Risiken und ob diese iSd Grundlegenden Anforderungen unvertretbare Risiken darstellen.20 II. Anwendungsbereich der §§ 20–23b MPG Die §§ 20 ff. MPG finden Anwendung auf klinische Prüfungen sowie auf Leistungsbewertungsprüfungen unter den Voraussetzungen des § 24 MPG. Anders als das AMG wird die klinische Prüfung im Gesetz nicht definiert. Die überwiegende Auffassung nimmt sie – entsprechend der Norm DIN EN 450 bzw. der weitestgehend identischen Norm DIN EN ISO 14155-1 – in Bezug mit jeder systematischen Untersuchung an Versuchspersonen, die vorgenommen wird, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit eines bestimmten Medizinprodukts unter normalen Anwendungsbedingungen zu überprüfen.21 Kennzeichnend ist auch hier – im Gegensatz zu (individuellen) Heilversuchen – die systematische Determination des individuellen Behandlungsgeschehens, um über den Einzelfall hinausgehende Erkenntnisse zu gewinnen.22 § 23b MPG enthält Ausnahmen vom Anwendungsbereich der §§ 20-23a MPG. Sie finden keine Anwendung, wenn eine klinische Prüfung mit Medizinprodukten durchgeführt wird, die die CE-Kennzeichnung tragen dürfen, es sei denn, diese Prüfung hat eine andere Zweckbestimmung des Medizinproduktes zum Inhalt oder es 17
Vgl. Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 6; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 296; Schorn, § 20 Rn. 4; Rehmann, in: Rehmann/Wagner, § 20 Rn. 1; Osieka, Humanforschung, S. 312. 18 Vgl. Schorn, § 19 Rn. 5; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 295 f. 19 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , Vor § 19 Rn. 2, § 20 Rn. 1; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1639; ausf. Überblick bei Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 15 ff.; Schwarz, Klinische Prüfungen, S. 81 f. 20 Vgl. Schorn, § 20 Rn. 7. 21 Vgl. Schorn, § 20 Rn. 6; Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 34; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 294 f.; Zuck, in: Quaas/Zuck, Medizinrecht, § 45 Rn. 11; Osieka, Humanforschung, S. 312. 22 Ausf. dazu oben, § 1 B.III.3 u. § 4 C.I.2.a.
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Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
werden zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen durchgeführt. Entscheidungserheblich ist im Einzelfall, ob sich das Vorhaben innerhalb des bereits in einem abgeschlossenen Konformitätsbewertungsverfahrens belegten Umfang und mithin innerhalb der geprüften Zweckrichtung hält und keine zusätzlichen Interventionen vorgesehen sind. Anderenfalls finden die §§ 20 ff. MPG ohne Ausnahme vollumfänglich Anwendung.23
C. Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen und ihre Stellung bei der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten Ethik-Kommissionen haben im Bereich der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten eine interessante, vielseitige und die Wogen hochschlagen lassende Entwicklung hinter sich, die sich mit der 4. MPG-Novelle geglättet haben dürften.
I. Bereichsspezifische Entwicklung In der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14.6.1993 über Medizinprodukte24 war in Art. 15 vorgesehen, dass der Hersteller mit den betreffenden klinischen Prüfungen nach Ablauf einer Frist von sechzig Tagen beginnen darf, es sei denn, die zuständigen Behörden haben ihm innerhalb dieser Frist eine auf Gründe der öffentlichen Gesundheit oder der öffentlichen Ordnung gestützte gegenteilige Entscheidung mitgeteilt. Vor Ablauf der Frist durfte der Hersteller beginnen, sofern die betreffende EthikKommission eine befürwortende Stellungnahme zu dem Prüfungsplan abgegeben hat. § 17 Abs. 6 MPG a. F. sah insoweit vor: Mit der klinischen Prüfung darf erst dann. . . begonnen werden, nachdem sie der zuständigen Behörde. . . angezeigt worden ist und eine zustimmende Stellungnahme einer Ethikkommission zu dem Prüfplan vorliegt. (. . . ) Soweit keine zustimmende Stellungnahme einer Ethikkommission zu dem Prüfplan vorliegt, kann der Hersteller mit der betreffenden klinischen Prüfung nach Ablauf einer Frist von 60 Tagen nach der Anzeige gemäß Satz 1 beginnen, es sei denn, die zuständigen Behörden haben ihm innerhalb dieser Frist eine auf Gründe der öffentlichen Gesundheit oder der öffentlichen Ordnung gestützte gegenteilige Entscheidung mitgeteilt.
Für Ethik-Kommissionen wurde in § 17 Abs. 7 a. F. die Regel aufgestellt, dass eine im Geltungsbereich dieses Gesetzes tätige Ethik-Kommission unabhängig, interdisziplinär besetzt und bei der zuständigen Bundesoberbehörde registriert sein muss. Dadurch, dass § 17Abs. 6 a. F. nur von der Stellungnahme einer (registrierten) EthikKommission sprach, wurde der Weg der „Zweigleisigkeit“ der Ethik-Kommissionen 23 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 23b Rn. 3; Schwarz/Wachenhausen, in: Anhalt/Dieners, Medizinprodukterecht, § 6 Rn. 90 f.; Schorn, § 23 Rn. 2 f.; Rehmann, in: Rehmann/Wagner, § 23 Rn. 1, 3; 24 ABl. L 169 v. 12.7.1993, S. 1–43.
§ 7 Grundlagen der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten
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geebnet, indem nach dem MPG sowohl öffentlich-rechtliche als auch freie EthikKommissionen die erforderliche Stellungnahme abgeben durften, während im AMG von einer nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommission gesprochen wurde. Auch die Musterberufsordnung enthielt die Pflicht, sich vor einer öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommission beraten zu lassen. Diese viel kritisierte Diskrepanz, die auch die Gerichte beschäftigte25 , ist nunmehr durch die 4. MPG-Novelle beseitigt worden.26
II. Rechtslage bis zum 20.3.2010 Nach der bis zum 20.3.2010 maßgeblichen Rechtslage hat der Auftraggeber die klinische Prüfung der zuständigen Behörde (lediglich) anzuzeigen, § 20 Abs. 6 S. 1 MPG. Mit der klinischen Prüfung darf nach der Anzeige begonnen werden, wenn eine zustimmende Stellungnahme einer unabhängigen und interdisziplinär besetzten sowie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte registrierten Ethikkommission vorliegt, § 20 Abs. 7 S. 1 MPG. Soweit eine zustimmende Stellungnahme einer Ethikkommission nicht vorliegt, kann mit der betreffenden klinischen Prüfung nach Ablauf einer Frist von 60 Tagen begonnen werden, es sei denn, die zuständige Behörde hat innerhalb dieser Frist eine auf Gründe der öffentlichen Gesundheit oder der öffentlichen Ordnung gestützte gegenteilige Entscheidung mitgeteilt, § 20 Abs. 7 S. 4 MPG. In § 20 Abs. 8 S. 1 MPG sind die von der Ethik-Kommission zu prüfenden Voraussetzungen näher umschrieben. Zu beraten und zu prüfen hatte sie: – Die ärztliche Vertretbarkeit der klinischen Prüfung anhand einer Risiko-NutzenAbwägung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 MPG) – Qualifikation des Prüfleiters (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 MPG) – Biologische Sicherheitsprüfung, Nachweis zur technischen Sicherheit (§ 20 Abs. 1 Nr. 5, 6 MPG) – Prüferinformation (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 MPG) – Vorhandensein eines Prüfplans nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse (§ 20 Abs. 1 Nr. 8 MPG) – Bestehen einer Probandenversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 MPG) – Besondere Voraussetzungen der klinischen Prüfung an Minderjährigen (§ 20 Abs. 4 Nr. 1–3 MPG) und an Schwangeren oder Stillenden (§ 20 Abs. 5 MPG) Die überwiegende Auffassung sah in der Stellungnahme der Ethik-Kommission keinen Verwaltungsakt, sondern eine bloße Empfehlung, da ihre Zustimmung für 25 Vgl. VG Stuttgart, NJW 2002, 529 m. Bspr. Deutsch (S. 491) u. Graf (S. 1774) = MedR 2002, 159 m. Bspr. Böse (S. 244) sowie das nachgehende Urteil des VGH Mannheim NJW 2003, 983 m. Bspr. Deutsch (S. 949) = MedR 2003, 109 m. Anm. Taupitz (S. 117) u. Bspr. Dähne (S. 164) = NVwZ 2003, 1009. 26 Vgl. zur bereichsspezifischen Entwicklung im MPG Deutsch, NJW 1995, 752, 753 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1644 ff.; Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 20 Rn. 29; Wölk, Risikovorsorge, S. 153 ff.
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Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
den Beginn der klinischen Prüfung keine zwingende Voraussetzung darstellte.27 Konsequenterweise ist auch die Anwendung des VwVfG abgelehnt worden.28
III. Änderungen durch die 4. MPG-Novelle: Angleichung an die Arzneimittelprüfung Die mit Wirkung zum 21.3.2010 inkrafttretende 4. MPG-Novelle29 , die vornehmlich der Umsetzung der Richtlinie 2007/47/EG dient30 , vollzieht neben zahlreichen weiteren tiefgreifenden Änderungen31 vor allem eine grundlegende Neugestaltung der klinischen Prüfung mit Medizinprodukten. Es war das Ziel, die Medizinprodukteprüfung an die Arzneimittelprüfung und an die Vorgaben der Richtlinie 2001/20/EG anzupassen.32 Gleichzeitig wurden die Aufgaben der Ethik-Kommissionen „auf das Machbare reduziert“.33 Das „Herzstück“ der 4. MPG-Novelle ist in § 20 Abs. 1 S. 1 MPG zu erblicken. Danach darf eine klinische Prüfung eines Medizinprodukts erst begonnen werden, „wenn die zuständige Ethik-Kommission diese nach Maßgabe des § 22 zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde diese nach Maßgabe des § 22a genehmigt hat“. Damit steht die klinische Prüfung im MPG ebenso wie die Arzneimittelprüfung (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG) nunmehr auch unter einem Verbot mit doppeltem Erlaubnisvorbehalt. Die Ethik-Kommission entscheidet eigenständig und unabhängig von der Bundesoberbehörde über die in ihre Kompetenz fallenden Prüfungsinhalte, sodass sie nunmehr wie bei der Arzneimittelprüfung als Genehmigungsbehörde tätig wird. Ihre Bewertung ist ein Verwaltungsakt iSv § 35 VwVfG34 , 27
Vgl. Rehmann, in: Rehmann/Wagner, § 20 Rn. 22; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, EthikKommissionen, S. 240; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 321; Schorn, § 20 Rn. 47; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 115 ff. 28 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 240; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 121. 29 Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vorschriften v. 29.7.2009, BGBl. 2009 I Nr. 48, 2326. 30 Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinien 90/385/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte und 93/42/EWG des Rates über Medizinprodukte sowie der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten, ABl. L 247 v. 21.9.2007, S. 21. 31 Vgl. zur 4. MPG-Novelle Bauer, PharmR 2009, 158 ff.; Lücker, MPJ 2009, 112 ff.; Schorn, MPJ 2009, 163 ff. 32 Vgl. BT-Drs. 16/12258, S. 21, 29 f. 33 Hintergrund war vor allem die Tatsache, dass Ethik-Kommissionen schon nach mehreren Tagen eine positive Stellungnahme aussprachen, obwohl die sicherheitstechnische Überprüfung (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 MPG) bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung mehrere Wochen in Anspruch nimmt. Vgl. BT-Drs. 16/12258, S. 29 f. (Zitat: S. 30). 34 Vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 20 Rn. 29 a.E, § 22 Rn. 11 a.E.; ausdrücklich auch BT-Drs. 16/12258 S. 30: „Die positive Bewertung ist somit ein Verwaltungsakt“;
§ 8 Haftung
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was auch die unmittelbareAnwendung des LVwVfG nach sich zieht. Einzelheiten des Verfahrens vor den Ethik-Kommissionen werden von der MPKPV35 , insbesondere durch § 5 MPKPV, geregelt. Auch eine Rücknahme- und Widerrufsbefugnis ist nach dem Vorbild des § 42a Abs. 4a AMG eingeführt worden, § 22b Abs. 5 MPG. Eine weitere grundlegende Änderung ist in § 22 Abs. 1 S. 1 MPG enthalten. Der Sponsor der klinischen Prüfung, der nunmehr übereinstimmend mit § 4 Abs. 24 AMG in § 3 Abs. 23 MPG definiert wird36 , hat die zustimmende Bewertung der EthikKommission bei der nach Landesrecht für den Prüfer zuständigen Ethik-Kommission zu stellen, § 22Abs. 1 S. 1 MPG. Damit ist das Konzept der Registrierung aufgegeben und den privaten Ethik-Kommissionen eine Absage erteilt worden.37
§ 8 Haftung Legt man die seit der 4. MPG-Novelle geltende Rechtslage zugrunde, so sind Abweichungen zur Haftung für Ethik-Kommissionen bei ihrer Tätigkeit nach dem AMG nur in Nuancen zu verzeichnen, was auch der Vergleich des § 42 Abs. 1 AMG mit dem fast inhaltsgleichen § 22 MPG zeigt.
A. Amtshaftung gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer Wie bei der Arzneimittelprüfung kommen für geschädigte Versuchteilnehmer Amtshaftungsansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG hauptsächlich für die fehlerhaft zustimmende Bewertung und/oder Nichtintervention in die laufende klinische Prüfung in Betracht. Anknüpfungspunkt ist die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten bzw. die Amtspflicht zur fehlerfreien Beurteilungsausübung, begleitet von der Amtspflicht zur verfahrensfehlerfreien Entscheidung. Die Ethik-Kommission hat ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn ein oder mehrere der in § 22 Abs. 3 Nr. 1–3 MPG aufgeführten Versagungsgründe vorliegen. Die ersten beiden Ablehnungsgründe entsprechen nahezu wörtlich dem § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 1 u. 2 AMG. § 22 Abs. 3 Nr. 3 MPG verweist – ebenso wie § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG – nahezu vollständig auf die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für klinische Prüfungen, nämlich auf § 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 1–4, 7–9, Abs. 4, 5 35 Verordnung über klinische Prüfungen von Medizinprodukten (MPKPV) v. 10.05.2010, BGBl I 2010, 555. 36 Zu Unstimmigkeiten Koyuncu, MPJ 2009, 200 ff. Der Prüfer ist in § 3 Nr. 24 MPG, ebenfalls in Anlehnung an § 4 Abs. 25 AMG, definiert. 37 Mit der Beschränkung auf öffentlich-rechtliche Ethik-Kommissionen soll die Qualität ihrerArbeit verbessert und angeglichen werden. Die Registrierung brachte keinen Qualitätsnachweis und damit keinen Sicherheitsgewinn für die Versuchsteilnehmer, vgl. BT-Drs. 16/12258 S. 30; hierzu auch Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 20 Rn. 29.
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Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
sowie auf § 21 MPG. Eine inhaltliche Identität mit den arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist insoweit zu verzeichnen für die ärztliche Vertretbarkeit gemessen an der Risiko-Nutzen-Abwägung (§ 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 MPG), für die (schriftliche) Einwilligung nach Aufklärung über Wesen, Bedeutung und Tragweite der klinischen Prüfung (§ 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 2 MPG), für das Verbot klinischer Prüfungen an gerichtlich oder behördlich Verwahrten (§ 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 3 MPG), für die Geeignetheit der Prüfeinrichtung und die angemessene Qualifikation des Prüfers (§ 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 MPG), für die Prüfarztinformation (§ 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 7 MPG), für das Erfordernis einer Probandenversicherung (§ 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 9, Abs. 3 MPG)38 sowie für klinische Prüfungen an Minderjährigen (§ 20 Abs. 4 MPG).39 Eine inhaltliche Entsprechung mit § 42a Abs. 4a AMG findet die Rücknahme und der Widerruf der zustimmenden Bewertung nach § 22b Abs. 5 MPG. Die Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer bei fehlerhaft zustimmender Bewertung und/oder bei Nichtaufhebung der erteilten zustimmenden Bewertung (§ 22bAbs. 5 MPG) vollzieht sich hier nach denselben für die Arzneimittelprüfung aufgezeigten Grundsätzen der Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG. Das MPG weist jedoch auch nach der 4. MPG-Novelle in einigen Fällen erhebliche, den praktischen Bedürfnissen nicht Rechnung tragende Unklarheiten auf. Dies betrifft zum einen das Schweigen zur Kategorie der gruppennützigen Forschung40 , die im AMG sogar für einschlägig erkrankte Minderjährige, freilich unter strengen Voraussetzungen, zulässig ist (§ 41 Abs. 2 Nr. 2a–d AMG). Auch die besonderen Schutzvorschriften für klinische Prüfungen an Einwilligungsunfähigen nach § 41 Abs. 3 AMG, insb. die geringeren Belastungsschwellen sowie die sich aus § 41 Abs. 3 Nr. 3 iVm § 40 Abs. 4 Nr. 2 AMG ergebenden Anforderungen finden im MPG keine Entsprechung41 , was unverständlich ist, diente die 4. MPG-Novelle doch gerade der Angleichung an die Richtlinie 2001/20/EG.42 Insgesamt weist das MPG für (placebo-) kontrollierte Versuche erhebliche Lücken auf.43 Für Ethik-Kommissionsmitglieder wirken sich diese rechtlichen Zweifelsfragen haftungsrechtlich insoweit aus, als es an einer Amtspflichtverletzung, zumindest jedoch am Verschulden fehlt,
38 Zur Probandenversicherung bei klinischen Prüfungen mit Medizinprodukten vgl. Gaidzik, KliFoRe 2006, 80 ff.; ders., VersR 2009, 1449. 39 Nicht von haftungsrechtlicher Relevanz sind die in § 20 Abs.1 S. 4 Nr. 1a und Nr. 8 MPG vorgesehenen Voraussetzungen, die keine Entsprechung im AMG finden. Während der § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AMG nicht in § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG aufgeführt wird, so hat die Ethik-Kommission nach § 22 Abs. 3 Nr. 3 iVm § 20 Abs.1 S. 4 Nr. 1a MPG zu prüfen, ob ein den Anforderungen entsprechender Sponsor vorhanden ist. Der in § 20 Abs.1 S. 4 Nr. 8 MPG aufgeführte Prüfplan ist bereits Gegenstand der Ethik-Kommissionsprüfung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 MPG. 40 S.a. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 21 Rn. 2 a.E. 41 S.a. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 278. 42 Vgl. BT-Drs. 16/12258 S. 29. 43 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1640; zur klinischen Prüfung mit Medizinprodukten an Minderjährigen und Einwilligungsunfähigen Wachenhausen, MPJ 2008, 211 ff.
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wenn sie mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar entschieden haben und von vernünftigen sachgemäßen Überlegungen ausgegangen sind.44 Anders als im AMG wird vom MPG das heikle Themenfeld der klinischen Prüfung an Schwangeren und Stillenden aufgegriffen. Sie darf nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen durchgeführt werden, deren Überprüfung den Ethik-Kommissionen obliegt, § 22 Abs. 3 Nr. 3 iVm § 20 Abs. 5 MPG. Die Prüfung ist nur bei einem konkreten Behandlungsbezug zulässig (§ 20 Abs. 5 Nr. 1, 2 MPG) und strikt subsidiär (§ 20 Abs. 5 Nr. 4 MPG).45 Für das ungeborene Kind dürfen ferner keine unvertretbaren Wirkungen zu erwarten sein, § 20 Abs. 5 Nr. 3 MPG. Die Ethik-Kommission wird in diesem Bereich stets Sachverständige beizuziehen oder Gutachten anzufordern haben, soweit sie nicht selbst über spezifische Kenntnisse auf diesem Bereich verfügt.46 Aus haftungsrechtlicher Sicht relevant ist vor allem, dass nicht nur Schwangere und Stillende, sondern auch das ungeborene Kind vom personellen Schutzbereich der Amtspflicht erfasst werden, da nach § 20 Abs. 5 Nr. 3 MPG in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf die schutzwürdigen Belange ungeborener Kinder Rücksicht zu nehmen ist. Bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung findet die Subsidiarität der Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung. Die §§ 20 ff. MPG nehmen dieselbe Stellung ein wie die §§ 40 ff. AMG: Sie stellen vertragliche Nebenleistungs- und Schutzpflichten aus dem Probanden-/Studienvertrag dar, konkretisieren Verkehrssicherungspflichten (§ 823 Abs. 1 BGB) und haben Schutzgesetzcharakter iSd § 823 Abs. 2 BGB.47 Bei ihrer schuldhaften Verletzung kommen demzufolge Ansprüche aus Vertrag und/oder unerlaubter Handlung gegen den Sponsor, den Prüfer und/oder die Forschungsstätte in Betracht, was ebenso wie bei der Arzneimittelprüfung zu einer Parallelisierung des Pflichtengefüges mit den Ethik-Kommissionen führt. Die für Medizinprodukte nach dem ProdHG eingreifende Gefährdungshaftung48 findet jedoch keine Anwendung auf Medizinprodukte in klinischen Prüfungen, denen (noch) die Verkehrsfähigkeit fehlt, da das Produkt durch die Abgabe zur klinischen Prüfung nicht in den Verkehr gebracht wird, § 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHG.49 Materialprüfungen 44
Allg. dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 207. Hierzu auch Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 20 Rn. 28. 46 Abzustellen ist hier entweder auf § 22 Abs. 1 S. 7 MPG oder auf § 22 Abs. 1 S. 6 MPG mit einer Ermessenreduzierung auf Null. 47 Zur Schutzgesetzqualität der §§ 20 f. MPG vgl. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , § 20 Rn. 29, § 21 Rn. 6; Hoxhaj, Medizintechnikhaftung, S. 210 f.; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 388. 48 Ausf. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1668; Deutsch, in: Deutsch/Lippert/ Ratzel/Tag2 , Anh. § 40 Rn. 16 ff.; Jenke, Haftung, S. 157 ff.; Knoche, VersR 2005, 1614 ff.; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 357 ff. 49 Interpretatorisch kann § 3 Abs. 11a MPG herangezogen werden, wonach die Abgabe von Medizinprodukten zum Zwecke der klinischen Prüfung nicht als Inverkehrbringen gilt; vgl. Gaidzik, KliFoRe 2006, 80, 82; ders., VersR 2009, 1449, 1451 f. Zu berücksichtigen ist aber, dass spezialgesetzliche Definitionen über das Inverkehrbringen anderen Zwecken als der Haftungsbegründung oder -entlastung zu dienen bestimmt sind, vgl. Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 29; Wagner, in: MüKo/BGB, § 1 ProdHG Rn. 28. 45
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Drittes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
und Qualitätskontrollen vor der Entscheidung über den Vertrieb sind nicht als ein Inverkehrbringen einzustufen. Das ProdHG findet vielmehr Anwendung auf Produkte, deren Entwicklungsprozess abgeschlossen ist. Diese Sichtweise findet auch eine Stütze in § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG, denn es wäre ein Bruch in der gesetzlichen Systematik, würde man dem Hersteller die Beweislast für die Verwirklichung des Entwicklungsfehlers auferlegen, wenn es in klinischen Prüfungen gerade darum geht, Entwicklungsfehler an einer kleinen Patientenzahl aufzudecken, um sie von einer größeren Patientenzahl fernzuhalten.50
B. Haftung gegenüber dem Sponsor und dem klinischen Prüfer Auch für die Haftung gegenüber dem Sponsor und dem klinischen Prüfer sind Abweichungen zur bereits erörterten Haftung unter Zugrundelegung der Rechtslage seit der 4. MPG-Novelle nicht zu verzeichnen. Möglich ist eine Haftung für fehlerhaft ablehnende Bewertungen, für die fehlerhafte Beifügung von Nebenbestimmungen, für die rechtswidrige Aufhebung der zustimmenden Bewertung sowie für eine fehlerhaft positive Bewertung aus Amtshaftung und/oder aus enteignungsgleichem Eingriff. Interessant ist, dass auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur 4. MPGNovelle von einer bestehenden Haftung für Ethik-Kommissionen ausgeht; und zwar auch gegenüber dem Sponsor der klinischen Prüfung: Darüber hinaus bietet nur diese Konstruktion[gemeint: hoheitliches Handeln], die im Arzneimittelbereich schon immer bestand, eine ausreichende Gewähr dafür, dass die Haftung für Fehler der Ethik-Kommissionen sowohl gegenüber den Patienten als auch gegenüber den Sponsoren zufriedenstellend geregelt ist.51
Dies entspricht der bereits für die Arzneimittelprüfung angenommenen Einbeziehung des Sponsors in den personellen Schutzbereich und der Haftung u. a. für den entgangenen Gewinn.52
50 Ausf. dazu und wie hier Stock, Probandenschutz, S. 161 ff.; Gaidzik, KliFoRe 2006, 80, 82; ders., VersR 2009, 1449, 1451 f.; s.a. Kullmann, ProdHG, § 1 Rn. 31 f. sowie EuGH NJW 2006, 825, 826: „Im Licht dieser Erwägungen ist ein Produkt als i.S. von Art. 11 der Richtlinie in den Verkehr gebracht anzusehen, wenn es den vom Hersteller eingerichteten Prozess der Herstellung verlassen hat und in einen Prozess der Vermarktung eingetreten ist, in dem es in ge- oder verbrauchsfertigem Zustand öffentlich angeboten wird“; a.A. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , Anh § 40 Rn. 19; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1643; Deutsch, PharmR 2001, 346, 348; Hart, MedR 1997, 51, 56; Kage, Medizinproduktegesetz, S. 367 f. m.w. Nachw. 51 BR-Drs. 172/09 S. 45; BT-Drs. 16/12258 S. 30. 52 S.a. Deutsch, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag2 , Anh § 40 Rn. 43; a.A. Krüger, VersR 2009, 1048 ff.
Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen in ihrer forschungsmedizinischen Beratungsfunktion
Die bislang für Ethik-Kommissionen erörterten Themenfelder der klinischen Prüfung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten sind vom Gesetzgeber einer bereichsspezifischen Regelung zugeführte (Forschungs-)Gebiete. Sie stellen nur einen Ausschnitt aus dem umfassend zu verstehenden Themenfeld der (bio-)medizinischen Forschung am Menschen dar.1 Historisch betrachtet sind Ethik-Kommissionen keine staatlichen Genehmigungsbehörden, sondern der jeweiligen Selbstverwaltung zuzuordnende beratende „Forschungskommissionen“2 . Die Konsultation einer Ethik-Kommission vor jedem medizinischen Forschungsvorhaben gehört zum allgemeinem (fahrlässigkeitsvermeidenden) Sorgfaltsstandard. Die Deklaration von Helsinki hatte die Einschaltung einer Ethik-Kommission für jedes (bio-)medizinische Forschungsvorhaben bereits im Jahre 1975 vorgesehen.3 Heutzutage wird sie über die Berufsordnungen (§ 15 MBO-Ä), teilweise auch über die Heilberufe- und Kammergesetze der Länder direkt, sowie über universitätsinterne Beschlüsse oder Satzungen sichergestellt. In den überwiegenden Fällen wird die Ethik-Kommission rein beratend tätig. Eng mit ihrer rein beratenden Funktion verbunden ist die Aufgabe der EthikKommission nach der StrlSchV und der RöntgenV. Es handelt sich hier um den dritten bereichsspezifisch geregelten Bereich medizinischer Forschung am Menschen, der jedoch, was die Beteiligung der Ethik-Kommission anbelangt, den beiden anderen Bereichen „hinterherhinkt“. Dort ist die Stellungnahme einer beim Bundesamt für Strahlenschutz registrierten Ethik-Kommission als Genehmigungsvoraussetzung formuliert worden, §§ 24 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2 RöntgenV. Es handelt sich um einen rein informatorischen Akt, welcher der Vorbereitung der Genehmigungsentscheidung dient. Beide Themenbereiche, also die allgemeine „Forschungsberatung“ und die Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV sind nachfolgend zu erörtern. 1
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 929; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 144 a.E. 2 Vgl. Luf, in: FS Krejci II, S. 1969, 1973; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 999. 3 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1002. Heute ist die Konsultation einer EthikKommission in B Nr. 15 der DvH geregelt. M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
§ 9 Berufsethische und berufsrechtliche Beratung A. Grundlagen Die Dimension der von Ethik-Kommissionen der Ärztekammern und Universitäten wahrzunehmenden „Forschungsberatung“ ist an bunterVielfalt kaum zu übertreffen.4 Sie nehmen Anteil am Einfallsreichtum medizinischer Forscher. Aufgrund des Fehlens eines allgemeinen deutschen Forschungsgesetzes nehmen Ethik-Kommissionen außerhalb bereichsspezifischer Normierungen einen hohen Stellenwert iSe „selbstverwalteten Forschungskontrolle“ ein. Sie gleichen durch ihre Beratungstätigkeit im Ergebnis das Defizit fehlender spezifischer Regelungen aus. I. Ethik-Kommissionen außerhalb bereichsspezifischer Normierungen Trotz der Parallelität von berufsrechtlicher Pflichtberatung (§ 15 MBO-Ä) und den den Ethik-Kommissionen nach dem AMG und dem MPG zugewiesenen staatlichen Kontroll- und Überwachungsfunktionen, liegt der Schwerpunkt der EthikKommissionstätigkeit bei ihrer rein beratenden Tätigkeit auf Forschungsvorhaben, die nicht den bereichsspezifischen Regelungen unterfallen. 1. Rechtsgrundlagen Bei der berufsrechtlichen Beratungspflicht nach § 15 MBO-Ä handelt es sich um eine Ethik-Kommissionstätigkeit, die auf die Deklaration von Helsinki aus dem Jahre 1975 zurückgeht.5 § 15 Abs. 1 MBO-Ä bestimmt insoweit: Ärztinnen undÄrzte müssen sich vor der Durchführung biomedizinischer Forschung am Menschen – ausgenommen bei ausschließlich epidemiologischen Forschungsvorhaben – durch eine bei der Ärztekammer oder bei einer Medizinischen Fakultät gebildeten Ethik-Kommission über die mit ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen beraten lassen. Dasselbe gilt vor der Durchführung gesetzlich zugelassener Forschung mit vitalen menschlichen Gameten und lebendem embryonalen Gewebe.
In den Grundszügen sind die letztlich für den Arzt verbindlichen und auf der Grundlage der jeweiligen Heilberufe- und Kammergesetze der Länder erlassenen Berufsordnungen inhaltsgleich. Unterschiede bestehen insoweit, als vielfach 4 Sie reicht von der Beschäftigung mit Forschungsvorhaben, in denen unter physiologischer Simulation von Schwerelosigkeit die Verringerung des Muskel- und Knochenschwunds durch ein Vibrationsmuskeltrainingsgerät an Probanden getestet wird (Vgl. die „Berliner BedRest-Studie“, Seger, DÄBl. 2004, A-3004) oder solche, in denen die Auswirkungen der Staub-Partikelbelastung der Luft an Patienten mit leichtem saisonalem allergischem Asthma getestet werden über schwierige und neuartige chirurgische Verfahren bis hin zu Sprachheilpädagogen, die mit an Sprachauffälligkeiten leidenden Kindern zu Forschungszwecken „Puppentheater“ spielen. 5 Dazu bereits oben, § 2 A.III.
§ 9 Berufsethische und berufsrechtliche Beratung
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epidemiologische Forschungsvorhaben vorlagepflichtig sind, soweit sie personenbezogene Daten betreffen und statt von biomedizinischer Forschung (missverständlich) von „klinischer Versuche“ gesprochen wird.6 Teilweise enthalten die Heilberufe- und Kammergesetze selbst eine Konsultationspflicht des Arztes zur Einschaltung einer Ethik-Kommission. In den meisten Ländern besteht dagegen lediglich eine Ermächtigung zur näheren Ausgestaltung der Konsultationspflicht in der Berufsordnung.7 Da sich die Berufsordnungen ausschließlich an Ärzte als Kammermitglieder richten, im Bereich der Hochschule medizinische Forschungsvorhaben am Menschen aber auch durch Nicht-Ärzte durchgeführt werden, die den ärztlich durchgeführten Forschungsvorhaben in Intensität und Gefährlichkeit nicht nachstehen, besteht auch für (nichtärztliche) Hochschulmitglieder eine Pflicht, das Forschungsvorhaben der universitätseigenen Ethik-Kommission vorzulegen, wodurch der Träger der Forschungsinstitution zugleich seinen Verkehrssicherungspflichten nachkommt. Vor diesem Hintergrund wird die Konsultationspflicht nicht nur personell auf NichtÄrzte erweitert, sondern oftmals ist die positive Zustimmung der Ethik-Kommission zum Forschungsvorhaben erforderlich.8 Nachfolgend soll zugunsten des größten gemeinsamen Nenners von dem Leitbild der berufsrechtlichen Beratung nach § 15 Abs. 1 MBO-Ä ausgegangen werden. 2. Die „beratende Stellungnahme“ mit faktischer Verbindlichkeit § 15 MBO-Ä verlangt eine berufsethische und berufsrechtliche Beratung. Der berufsrechtliche Aspekt der Forschungsberatung orientiert sich an den rechtlichen Vorgaben, die für das jeweilige Forschungsvorhaben zu beachten sind. Für den berufsethischen Aspekt wird überwiegend auf die ärztliche Berufsethik sowie auf die Deklaration von Helsinki zurückgegriffen.9 Obwohl der Wortlaut des § 15 Abs. 1 MBO-Ä dies nahelegt, so erschöpft sich die Tätigkeit der Ethik-Kommission nicht nur in der Beratung des Forschers. Letztlich für den Forscher entscheidend ist die Haltung der Ethik-Kommission zum Forschungsvorhaben.10 Übereinstimmend mit der DvH11 ergehen auch im Rahmen der rein beratenden Tätigkeit der EthikKommission ablehnende oder befürwortende Stellungnahmen. Nach den Satzungen 6
Vgl. den Überblick bei Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 MBO-Ä. Hierzu v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 126 f.; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 77; s.a. ders., Standesordnungen, S. 748 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 114 f. 8 Vgl. hierzu Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1006, 1013; Deutsch, MedR 1995, 483, 485 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 89 f.; Gödicke, MedR 2008, 636, 640; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 123 f. 9 Vgl. Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 44 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 119 f. 10 S.a. Trute, Forschung, S. 166 f. 11 Vgl. B Nr. 15 DvH: „The research protocol must be submitted for consideration, comment, guidance and approval to a research ethics committee before the study begins”[eigene Hervorhebung]. 7
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Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
und Geschäftsordnungen werden sie grundsätzlich nach mündlicher Verhandlung, ggf. nach persönlicher Anhörung des Forschers, mit Stimmenmehrheit gefasst.12 Rein äußerlich unterscheidet sich die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen nach § 15 MBO-Ä insoweit nicht von derjenigen nach dem AMG/MPG. Der entscheidende Unterschied liegt aber darin, dass die Voten der Ethik-Kommissionen, die auf der Grundlage der Berufsberatung ergehen, rechtlich unverbindlich sind und nicht alsVerwaltungsakte iSd § 35 VwVfG angesehen werden können.13 Gleichwohl ist in der Literatur die faktische Verbindlichkeit der Stellungnahmen in den Vordergrund gerückt worden. Die „genehmigungsähnliche Wirkung“14 folgt aus einer Gesamtbetrachtung der mittelbaren Folgen: Zum einen sind es die steigenden Haftungsrisiken des Forschers, wenn er entgegen der ablehnenden Stellungnahme oder entgegen den Hinweisen der Ethik-Kommission sein Forschungsvorhaben durchführt15 , was nicht zuletzt die strenge Behandlungs- und Aufklärungsfehlerhaftung des BGH für außerhalb des Standards stehende Heilmethoden eindrucksvoll bestätigt.16 Weiterhin verlangen medizinische Fachzeitschriften, insbesondere die begehrten internationalen Journale, beinahe ausnahmslos die Vorlage eines positiven Ethik-Kommissionsvotums17 und auch Fördermittel werden von der Zustimmung einer Ethik-Kommission abhängig gemacht.18 Nicht zuletzt ist die „zwangsläufige Kettenreaktion“19 durch ein Negativvotum darauf zurückzuführen, dass das
12 Exemplarisch: § 5 Abs. 2, 6, 7 des Statuts der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg (Stand: 22. Juli 2006); s.a. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1051; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 47 ff.; Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 MBO-Ä Rn. 33. 13 Vgl. nur Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 MBO-Ä Rn. 37; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 121 a.E.; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 111 ff., Wölk, Risikovorsorge, S. 162; ders., EthikMed 2002, 252, 255; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 69 ff.; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 77; Fröhlich, Forschung, S. 159 f.; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 126 f.; neuerdings auch BSG, juris, Urt. v. 23.4.2009, Az. B 9 VJ 1/08 R, Rn. 51, MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399. 14 Wölk, EthikMed 2002, 252, 255. 15 Vgl. zum Haftungsrisiko Rupp, UTR 12 (1990), 23, 41 f.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 95 ff.; Schröder, VersR 1990, 243, 253; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 39 ff.; Tiedemann, ZRP 1991, 54, 58; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 137 f.; BSG, juris, Urt. v. 23.4.2009, Az. B 9 VJ 1/08 R, Rn. 51, MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399; s.a. Schwamberger, RdM 2007, 132 ff. 16 BGHZ 168, 103 = NJW 2006, 2477 (Robodoc); BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767 (Heilversuch); BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774 (Racz-Methode); zusf. Vogeler, MedR 2008, 697 ff.; ausf. hierzu jüngst Schneider, Neue Behandlungsmethoden, passim. 17 Vgl. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 34; Pfeiffer, VersR 1991, 613, 615; ders., VersR 1994, 1377, 1379; Schenke, NJW 1991, 2313, 2315; Gramm, WissR 32 (1999), 209, 215 f.; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 137; s.a. B Nr. 30 der Deklaration von Helsinki: „Reports of research not in accordance with the principles of this Declaration should not be accepted for publication”. 18 Vgl. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 34; Wölk, EthikMed 2002, 252, 255; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 137. 19 Sobota, AöR 121 (1996), 229, 246.
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Forschungsvorhaben mit einem „Makel des Unethischen“ behaftet ist.20 Trotz der rechtlichen Unverbindlichkeit führt ein negatives Ethik-Kommissionsvotum im Ergebnis zu einer faktischen Forschungssperre.21
3. Verfahren Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen in ihrer rein beratenden Tätigkeit ist im Wesentlichen in den Satzungen und Geschäftsordnungen der Ethik-Kommissionen näher geregelt worden. Fraglich ist, ob auch das LVwVfG Anwendung findet. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Ethik-Kommission im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens tätig wird, was dann der Fall ist, wenn es sich bei der Forschungsberatung iSd § 15 MBO-Ä um eine nach außen wirkende Tätigkeit einer Behörde handelt, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist, § 9 VwVfG. Die Anwendbarkeit für die Ethik-Kommission scheitert weder an der fehlenden Behördeneigenschaft, da sie als organisatorisch verselbstständigtes Organ im Verhältnis zum anstragstellenden Forscher nach außen tätig wird22 , noch an einer fehlenden öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit, da ihre Einschaltung sowie ihre Tätigkeit auf der Grundlage von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts erfolgt.23 Wie erörtert stellt das auf der Grundlage des § 15 MBO-Ä ergehende Votum aber keinen Verwaltungsakt dar und auch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt nicht vor.24 Vielmehr ist ein Fall des schlichten Verwaltungshandelns gegeben.25 Hieraus folgt, dass die §§ 9 ff. VwVfG, aber auch die §§ 89 ff. VwVfG, die ebenfalls ein Tätigwerden innerhalb eines Verwaltungsverfahrens verlangen (§ 88 VwVfG), zumindest direkt keine Anwendung finden.26 Anerkannt ist jedoch, dass für die Fälle des schlichten Verwaltungshandelns einzelne Bestimmungen des VwVfG ihrem Rechtsgedanken entsprechend angewandt werden können, soweit sie Ausdruck des Grundsatzes der guten Verwaltung sind.27 Die Bedeutung der analogen Heranziehung dürfte indes als gering einzuschätzen sein, da die jeweiligen Satzungen der Ethik-Kommissionen ein dem VwVfG angenähertes Verfahren 20
Vgl. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 167; Sobota, AöR 121 (1996), 229, 245 f. Doppelfeld, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 341, 346 weist insoweit darauf hin, dass kein Fall bekannt ist, im dem ein Forscher trotz eines Negativvotums sein Forschungsvorhaben durchgeführt hat. 22 Vgl. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 108 ff.; Sobota, AöR 121 (1996), 229, 239 f.; s.a. Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 84 f. 23 Vgl. Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 110. 24 Zu Letzterem ausf. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 71 f. 25 Vgl. nur Sobota, AöR 121 (1996), 229, 241; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 127. 26 Vgl. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 90 ff. 27 Vgl. Kopp/Ramsauer, Einf Rn. 50; ausf. Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 238 ff.; für Ethik-Kommissionen auch Bork, Ethik-Kommissionen, S. 93 f. 21
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beinhalten. Im Übrigen verweisen die Satzungen fast ausnahmslos auf die ergänzende Anwendung des VwVfG.28 4. Verhältnis zum AMG und zum MPG Die Frage, in welchem Verhältnis die berufsrechtliche Beratungspflicht zur zustimmenden Bewertung nach dem AMG/MPG steht, dürfte – im Anschluss an das Urteil der VG Stuttgart29 und des nachgehenden Urteils des VGH Mannheim30 – mittlerweile als geklärt anzusehen sein. Obwohl sich beide Urteile mit der sich seit der 4. MPG-Novelle nicht mehr stellenden Frage der Konkurrenz zwischen den öffentlichrechtlichen und den privaten Ethik-Kommissionen beschäftigten, so hat der VGH Mannheim richtigerweise betont, dass zwischen der Berufsberatung und der klinischen Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten zu differenzieren ist: Im ersten Fall handelt es sich um eine wirkliche ergebnisoffene Beratung zur Schärfung des Urteilsvermögens, im letzten Fall dagegen um ein ergebnisgerichtetes Verfahren, das auf die Abgabe einer Stellungnahme im staatlichen Aufsichtsverfahren gerichtet ist.31 Gleichzeitig ist aber hervorgehoben worden, dass sich beide Tätigkeiten „in großem Umfang überschneiden und in ihrer jeweiligen sachlichen Kernfrage decken“32 . Wird bei der Ethik-Kommission von einem Sponsor ein Antrag auf zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG oder § 22 MPG n. F. gestellt, so bleibt aufgrund der Parallelität die berufsrechtliche Verpflichtung des Prüfarztes, sich von einer EthikKommission beraten zu lassen (§ 15 MBO-Ä), bestehen.33 Dies führt jedoch nicht zu einer „Doppeltätigkeit“ der Ethik-Kommissionen. Nach derzeitiger Praxis wird der Arzt mit einem Votum nach dem AMG oder dem MPG zugleich auch berufsrechtlich beraten; inhaltlich betrachtet werden von der Ethik-Kommission nach dem AMG und dem MPG – wenn überhaupt – nur über die berufsrechtliche Beratungspflicht hinausgehende Aspekte geprüft.34 Teilweise ist auch vorgesehen, dass die Konsultationspflicht des Arztes entfällt, wenn ein Votum einer Ethik-Kommission nach dem 28
Vgl. nur § 10 der Satzung der Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (Stand: 13.07.2005). 29 VG Stuttgart, NJW 2002, 529 m. Bspr. Deutsch (S. 491) u. Graf (S. 1774) = MedR 2002, 159 m. Bspr. Böse (S. 244). 30 VGH Mannheim, NJW 2003, 983 m. Bspr. Deutsch (S. 949) = MedR 2003, 109 m. Anm. Taupitz (S. 117) u. Bspr. Dähne (S. 164) = NVwZ 2003, 1009. 31 Vgl. VGH Mannheim, NJW 2003, 983, 984 f., freilich auf der Grundlage der damaligen Rechtslage. 32 VGH Mannheim, NJW 2003, 983, 985; neuerdings auch BSG, juris, Urt. v. 23.4.2009, Az. B 9 VJ 1/08 R, Rn. 46 ff., MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399. 33 Vgl. Gödicke, MedR 2008, 636, 638 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 261. 34 Vgl. Gödicke, MedR 2008, 636, 638 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1051; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 53; Dähne, MedR 2003, 164, 165 f.; Böse, MedR 2002, 244, 247; ähnlich BSG, juris, Urt. v. 23.4.2009, Az. B 9 VJ 1/08 R, Rn. 49.
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AMG oder dem MPG vorliegt.35 Diese Rechtslage dürfte auch derjenigen in den Ländern entsprechen, die von der Parallelität der berufsrechtlichen Beratungspflicht und der zustimmenden Bewertung nach dem AMG und dem MPG aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten kein Gebrauch machen können.36 Von einer parallelen Aufgabenerfüllung wird auch dann, soweit dies nicht bereits gesondert geregelt ist, ausgegangen, wenn die Ethik-Kommission im Verfahren nur als beteiligte EthikKommission auftritt. Mit der Entscheidung der federführenden Ethik-Kommission wird zugleich die berufsrechtliche Beratungspflicht des lokalen Prüfarztes erfüllt.37
II. Medizinische Forschung außerhalb bereichsspezifischer Normierungen Der Hauptanwendungsbereich der berufsrechtlichen Beratung nach § 15 MBO-Ä liegt nach den vorstehenden Ausführungen auf Forschungsvorhaben, die nicht den präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt nach den §§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F. unterfallen. Für jene Forschungsvorhaben bestehen jedoch keine forschungsbezogene Regelungen. Die Ethik-Kommission darf aber auch bei ihrer beratenden Tätigkeit keine eigenen Normen aufstellen, sondern sie hat ihre rechtliche Begutachtung an vorhandenen (berufs-)rechtlichen Maßstäben auszurichten.38
1. „Rosinenanalogie“ – Die Diskussion über die analoge Anwendung der bereichsspezifischen Normierungen Anders als etwa in Frankreich, wo durch das nach den beiden Senatoren benannte Gesetz („Loi Huriet-Sérulscat“) vom 20.12.1988 die biomedizinische Forschung am Menschen umfassend geregelt worden ist39 bestehen in Deutschland nur für die klinische Prüfung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie für die Anwendung radioaktiver Stoffe, ionisierender Strahlen und Röntgenstrahlungen bereichsspezifische Regelungen.40 Diese Sachlage hat zu der Frage geführt, ob die 35 Vgl. § 1 Abs. 3 des Statuts der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg: „Die berufsrechtliche Beratungspflicht entfällt, wenn ein Votum einer Ethikkommission nach dem AMG oder MPG vorliegt“; dazu auch Gödicke, MedR 2008, 636, 639. 36 Vgl. etwa § 2 Abs. 3 der Satzung für die Ethik-Kommission bei der Ärztekammer Berlin: „Zu einem Vorhaben, dessen Zulässigkeitsvoraussetzungen durch Gesetz oder Rechtsverordnung besonders geregelt sind, berät die Kommission den Arzt nicht gemäß Absatz 1 Nr. 1 oder 2“. 37 Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 193. 38 Vgl. Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 43 ff.; Laufs/Reiling, Ethik-Kommissionen, S. 20; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 119. 39 Ausf. hierzu Jung, Zulässigkeit biomedizinischer Versuche, passim; Osieka, Humanforschung, S. 110 ff.; Mémeteau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 39 ff. 40 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 932; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 13; dazu bereits oben, § 1 B.II.
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spezialgesetzlichen Vorschriften nicht wenigstens analog zur Anwendung gebracht werden können.41 Von vornherein ausgeschlossen ist es, Forschungsvorhaben außerhalb der bereichsspezifischen Normierungen in analoger Anwendung der §§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F. unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zu stellen und sie demzufolge von der Genehmigung der Bundesoberbehörde und der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission abhängig zu machen. Soweit im Strafrecht im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB ein umfassendes Analogieverbot besteht, im Privatrecht dagegen grundsätzlich die Analogie zur Rechtsfortbildung allgemein anerkannt ist42 , ist die Analogiefähigkeit von Normen des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts zwar unklar und strittig.43 Nach der Rspr. des BVerfG verstößt jedoch eine analoge Anwendung gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen für einen hoheitlichen Eingriff gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m dem Rechtsstaatsprinzip, denn die Verwaltungsbehörden stehen nicht über dem Gesetz und können neue Eingriffstatbestände nicht durch eine analoge Anwendung gesetzlicher Ermächtigungsgrundlagen schaffen.44 Aber selbst wenn man eine analogiefreundlichere Haltung einnimmt und nicht das strikte Analogieverbot des BVerfG bei hoheitlich belastenden Eingriffen teilt45 , so würde die analoge Anwendung der §§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F. aber jedenfalls zu einem Grundrechtseingriff in Art. 5 Abs. 3 GG führen, der nach dem Vorbehalt des Gesetzes einer Ermächtigungsgrundlage bedarf, für die die Analogiebasis quasi als Ersatz für eine Ermächtigungsgrundlage bei derartig schwerwiegenden Belastungen nicht ausreichend ist.46
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Für eine analoge Anwendung etwa: Deutsch, NJW 1995, 3019, 3022; Bork, NJW 1985, 654, 655; Laufs, VersR 1978, 385, 388; Kern, MedR 1991, 66, 70; Kollhosser/Kubillus, JA 1996, 339, 343; Peter, Forschung, S. 104; nahestehend Hart, MedR 1994, 94, 95. Dagegen und für die entsprechende Anwendung allgemeiner (Forschungs-)Grundsätze: Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 13; Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 Rn. 3; Osieka, Humanforschung, S. 323; Taupitz, JZ 2003, 109, 110; ders., in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 141 f.; Taupitz/Fröhlich, VersR 1997, 911, 912; Taupitz/Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 410 f.; Eck, Zulässigkeit, S. 140 f.; Sprecher, Medizinische Forschung, S. 182 f.; Fröhlich, Forschung, S. 125; nahestehend Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 932. 42 Insbesondere mit Blick auf § 1 Entwurf des BGB 1888, vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 152. m.w. Nachw. 43 Zum Streitstand jüngst Beaucamp, AöR 134 (2009), 83 ff.; Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139 ff.; ferner Gern, DöV 1985, 558 ff.; ders., NVwZ 1995, 1145, 1147 ff.; 44 BVerfG, NJW 1996, 3146; zust. Konzak, NVwZ 1997, 872 ff. 45 Vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 158; Schwabe, DVBl. 1997, 352 f.; Ehlers, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 2 Rn. 8; ders., Verw 31 (1998), 53, 79; zurückhaltend auch Gern, DöV 1985, 558, 562 f.; ders., NVwZ 1995, 1145, 1147 ff.; zusammenfassend Beaucamp, AöR 134 (2009), 83, 89 ff. m.w. Nachw. 46 Dazu allg. Beaucamp, AöR 134 (2009), 83, 99 ff.; wie hier auch Osieka, Humanforschung, S. 323.
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Es kann demzufolge nur darum gehen, die Spezialvorschriften im Forscher – Patienten-/Probanden-Verhältnis analog anzuwenden und die berufsrechtliche Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen auf eben jene analog anzuwenden Vorschriften zu erstrecken. Ein zulässiger Analogieschluss setzt voraus, dass das Gesetz eine Lücke47 aufweist, die mit den Mitteln der Auslegung nicht beseitigt werden kann und jene Lücke sich als planwidrig erweist. Weiterhin ist die tatbestandliche Vergleichbarkeit erforderlich: Der nicht geregelte Sachverhalt muss mit dem geregelten in den für die rechtliche Bewertung maßgebenden Hinsichten iSe „Ähnlichkeitsverhältnisses“ übereinstimmen.48 Versteht man unter einer Gesetzeslücke eine „planwidrige Unvollständigkeit“49 des Gesetzes, die sich nicht in einer bewussten Negativentscheidung des Regelungsgebers gegen die Erstreckung der gesetzlichen Regelung auf den nichtgeregelten Fall darstellen darf50 , so folgt jene bereits aus dem Umstand, dass allgemeine gesetzliche Vorschriften zur Forschung am Menschen fehlen. In den bereichsspezifischen Normierungen lässt sich nicht eine bewusste Negativentscheidung erblicken51 , denn die Spezialvorschriften werden maßgeblich durch europäische Vorgaben beeinflusst.52 Man wird auch nicht davon ausgehen können, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen die Normierung patienten-/probandenschützender Forschungsstandards entschieden hat, die Forschungsstandards in den bereichsspezifischen Normierungen aber stetig anzuheben. Zur Lückenfeststellung ist im Wege teleologischer und historischer Auslegung vielmehr der gesetzgeberische Plan entscheidend, vor allem der Grundsatz der Gleichbehandlung des Gleichartigen.53 Selbst wenn man zum Zeitpunkt des Erlasses des AMG und des MPG noch eine bewusste Negativentscheidung erblicken würde, so dürfte jene bewusste Entscheidung aber im jetzigen Zeitpunkt der Rechtserkenntnis im Widerspruch zu einem gewandelten Verständnis stehen54 , insbesondere vor dem Hintergrund der 12. AMG- und der 4. MPG-Novelle, die beide zu einer erheblichen Verbesserung des Patienten-/Probandenschutzes beigetragen haben. Als überaus fraglich erweist sich jedoch die tatbestandliche Vergleichbarkeit. Die Überprüfung nach Gemeinsamkeiten folgt keiner formal-logischen Gedankenoperation, sondern einer Methode wertenden Denkens: Es ist zu prüfen, ob dem geregelten und dem ungeregelten Sachverhalt ein vergleichbarer Grundgedanke (ein 47 Die Gesetzeslücke dient der Absteckung der Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung; vgl. ausf. Canaris, Lücken im Gesetz, S. 17 f., 35 ff.; ferner Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff. bes. 194 f. 48 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202 ff.; Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139 142 ff.; Gern, DöV 1985, 558 ff.; Beaucamp, AöR 134 (2009), 83, 84 ff. 49 Grdl. Elze, Lücken im Gesetz, S. 3 ff.; vgl. ferner Bydlinski, Methodenlehre, S. 473. 50 Vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 142 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff. 51 In diese Richtung aber Taupitz, JZ 2003, 109, 110; Taupitz/Fröhlich, VersR 1997, 911, 912. 52 Wie hier Osieka, Humanforschung, S. 322 f.; Peter, Forschung, S. 101 f. 53 Ausf. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194 ff., 220 f. 54 In diesem Fall kann eine Analogie sogar geboten sein; vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 143.
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„genus proximum“55 ) zugrunde liegt und die verbleibenden Unsicherheiten nach Art und Schwere eine Analogie nicht ausschließen.56 Dies kann sich vor allem aus einem vergleichbaren Rechtsschutzziel, einer parallelen Interessenlage der Beteiligten oder einer sonstigen strukturellen Ähnlichkeit ergeben.57 Sowohl bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten als auch bei sonstigen Forschungsvorhaben wird die individuelle Behandlungssituation durch eine vorab festgelegte ärztliche Leistung zugunsten eines Wissenschaftsgewinns determiniert. Eine parallele Interessenlage besteht insoweit, zumal klinische Prüfungen nach den Spezialvorschriften nur einen Ausschnitt aus dem umfassenden Gebiet der (bio-)medizinischen Forschung darstellen.58 Eine solche Sichtweise könnte jedoch nur eine Gesamtanalogie59 rechtfertigen, die jedoch von vornherein ausscheidet.60 Die Spezialvorschriften sind speziell auf ihren Regelungsbereich bezogen: Für allgemeine Forschungsvorhaben, die kein Arzneimittel oder Medizinprodukt zum Gegenstand habe, lässt sich keine voraussichtliche Bedeutung des Arzneimittels/Medizinprodukts für die Heilkunde prognostizieren (§§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 MPG n. F.), eine zweijährige Erfahrung des Forschers in der klinischen Prüfung von Arzneimitteln/Medizinprodukten (§§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG, 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 MPG n. F.) ist für anderweitige Forschungsvorhaben sinnlos, und auch die Analogie zur Abschlussverpflichtung einer Probandenversicherung (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG, 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 9 MPG n. F.) kann sich im Einzelfall als Übermaß darstellen.61 In der Literatur wird daher vorgeschlagen, nur solche Vorschriften analog anzuwenden, in denen ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt.62 Für eine derartige Einzelanalogie hätte man demzufolge die tatbestandliche Vergleichbarkeit auf die Einzelnorm zu beziehen, was jedoch ebenfalls mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. Man wird sich im Einzelfall nur die „Rosinen herauspicken“ können, was dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht Rechnung trägt. Zudem sind das AMG und das MPG im Hinblick auf Anwendungsverbote und beschränkungen nicht deckungsgleich.63 Bei den Spezialvorschriften handelt es sich vielmehr um die Konkretisierung allgemeiner Grundsätze, die für die Patienten-/ Probandenschutzbedürfnisse speziell ausgeformt wurden. Handelt es sich bei der Analogie um eine Kombination aus induktiven und deduktiven Schlüssen, indem vom Besonderen über das Allgemeine zum Besonderen geschlossen wird64 , so 55
Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 144. Vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 143; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202. 57 Vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 144 f., 58 Vgl. Deutsch, NJW 1995, 3019, 3022; Peter, Forschung, S. 101; Osieka, Humanforschung, S. 322 f.; Kollhosser/Kubillus, JA 1996, 339, 343. 59 Allg. hierzu Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 204. 60 Bork, NJW 1985, 654, 655 hält eine „Rechtsanalogie“ dagegen für möglich. 61 So im Ergebnis auch Osieka, Humanforschung, S. 323. 62 Vgl. Bork, NJW 1985, 654, 655; Laufs, VersR 1978, 385, 388; Kern, MedR 1991, 66, 70; Kollhosser/Kubillus, JA 1996, 339, 343. 63 S.a. Taupitz, JZ 2003, 109, 110; Eck, Zulässigkeit, S. 139. 64 Vgl. Schmidt, VerwArch 97 (2006), 139, 140 u. 148. 56
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können die Spezialvorschriften allenfalls dazu dienen, die speziell ausgeformten Forschungsgrundsätze sichtbar zu machen. Ebenso wie die in den bereichsspezifischen Normierungen auf die konkreten Belange konkretisierten Grundsätze bedarf es auch für nicht geregelte Fälle medizinischer Forschung einer Konkretisierung auf das Themenfeld des konkreten Forschungsvorhabens. Die überwiegende Auffassung geht daher mit Recht davon aus, dass keine Analogie zu den bereichsspezifischen Normierungen zu ziehen ist, sondern die allgemein und international anerkannten Forschungsgrundsätze neben denjenigen der ärztlichen Behandlung aus den allgemeinen Vorschriften des Zivil-, Straf- und öffentlichen Rechts Anwendung finden, die überwiegend auch in den Spezialvorschriften einen konkretisierten Niederschlag gefunden haben.65
2. Bedeutung der Deklaration von Helsinki Aufgrund einer fehlenden allgemeinen Regelung medizinischer Forschungsvorhaben am Menschen erlangen die internationalen Regelungen an Bedeutung. Als wesentliche Richtlinie wird heute die Deklaration von Helsinki66 angesehen, die die ärztliche Standesauffassung zur Humanforschung widerspiegelt und als „Leitlinie vertretbaren Versuchshandelns“67 anzusehen ist. Die letzte Fassung stammt von Oktober 2008 (Seoul).68 Nach § 15 Abs. 4 MBO-Ä haben alle Ärztinnen und Ärzte bei der Forschung am Menschen die in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes niedergelegten ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen zu beachten.69 Die Deklaration von Helsinki ist damit über das Berufs- und Standesrecht in deutsches Recht inkorporiert worden, sodass die Wahrung ihrer Prinzipien eine direkte Berufspflicht darstellt.70 Alle derzeit tätigen berufsrechtlich beratenden Ethik-Kommissionen arbeiten auf der Grundlage der Deklaration von Helsinki.71 65 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 13; Osieka, Humanforschung, S. 323; Taupitz, JZ 2003, 109, 110; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 141 f.; Taupitz/Fröhlich, VersR 1997, 911, 912; Taupitz/Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 410 f.; Eck, Zulässigkeit, S. 140 f.; Sprecher, Medizinische Forschung, S. 182 f.; Fröhlich, Forschung, S. 125; nahestehend Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 932. 66 Hierzu bereits oben, § 1 B.I. 67 Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 167. 68 Vgl. hierzu Wiesing/Parsa-Parsi, DÄBl. 2009, A-503 ff.; Mayer, DÄBl. 2008, A-2362. 69 Soweit ersichtlich haben alle Ärztekammern § 15 Abs. 4 MBO-Ä in die jeweilige Berufsordnung (wieder) übernommen, s.a. Straßburger, MedR 2006, 462, 463. 70 Vgl. Ratzel/Lippert, MedR 2004, 525, 533; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 7; zur damaligen Streichung des § 15 Abs. 2 MBO-Ä vgl. Richter/Bussar-Maatz, DÄBl. 2005, A-730 ff.; Lippert, MedR 2003, 681 ff.; ausf. zum Ganzen Straßburger, MedR 2006, 462 ff. 71 Nach der Mustersatzung des Arbeitskreise Medizinischer Ethik-Kommissionen wird in § 2 Abs. 3 nur auf „nationale und internationale Empfehlungen“ verwiesen, wozu jedoch die Deklaration von Helsinki unstreitig zu zählen ist. Die Satzungen der einzelnen Ethik-Kommissionen sehen dagegen überwiegend einen direkten, statischen oder dynamischen Verweis auf die Deklaration von Helsinki vor. Exemplarisch: § 1 der Satzung der Medizinischen Hochschule Hannover: „Sie
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Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
Für Nichtärzte, auf die die Konsultationspflicht ausgeweitet wird, entfaltet die Deklaration von Helsinki mithin mittelbare Wirkung72 und ihre Beachtung lässt sich zur fahrlässigkeitsvermeidenden Sorgfalt zählen.
3. Anerkannte Grundsätze und Prüfungsumfang der Ethik-Kommissionen Auch die nur berufsberatende Ethik-Kommission darf bei ihrer Tätigkeit keine eigenen Normen aufstellen. Ihre ethische und rechtliche Beratung hat sie anhand der vorhandenen (berufs-)rechtlichen Maßstäbe auszurichten. Nach hier vertretener Auffassung kommen als Prüfungsmaßstab nicht die bereichspezifischen Regelungen in Betracht, wohl aber die allgemein und international anerkannten Forschungsgrundsätze, die überwiegend auch in den Spezialvorschriften enthalten und die die Deklaration von Helsinki für jede Art von Forschungsvorhaben am Menschen formuliert hat. Die allgemeinen Forschungsstandards wird man aber nicht nur als ärztliche Berufspflichten aufzufassen haben. Ihre Einhaltung iSe Verhaltensprogramms73 gehört zur fahrlässigkeitsvermeidenden (äußeren) Sorgfalt. Von einem Forscher wird nicht die übliche „Heilbehandlungssorgfalt“ verlangt, sondern die „versuchseigentümliche Sorgfalt“74 , die der BGH neuerdings für das individuell-therapeutische Erprobungshandeln (unscharf) mit dem Begriff der „Vorsicht“ in Bezug genommen hat.75 Über die objektiv-typisierte Sorgfalt wird man die allgemeinen Grundsätze medizinischer Forschung am Menschen auch für Nichtärzte anzuwenden haben, soweit man ihre Einhaltung zur Sorgfalt des besonderen Verkehrskreises zählen kann. Ausgehend vom medizinischen (Forschungs-)Eingriff 76 lassen sich insoweit folgende Grundsätze erblicken: – Unterscheidung von therapeutischer und rein wissenschaftlicher Forschung: Die Unterscheidung zwischen den beiden Grundtypen des rein wissenschaftlichen und des therapeutischen Versuchs ist ein allgemein anerkannter Grundsatz, die bereits in den Reichsrichtlinien von 1931 vorhanden war.77 Therapeutische Forschung, arbeitet auf der Grundlage der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes in der jeweils geltenden Fassung sowie der geltenden Gesetze“ (Stand: 13.07.2005). Hierzu auch Straßburger, MedR 2006, 462, 464. 72 S.a. Lippert, MedR 2003, 681, 682; ders./Ratzel, MedR 2004, 525, 533; Für „Appellfunktion“ Taupitz, MedR 2001, 277, 279; Wölk, Risikovorsorge, S. 180; zur Diskussion Lilie, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 349 ff. 73 Zur Sorgfalt als Verhaltensprogramm vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 379; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 135. 74 Treffend Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 50. 75 Vgl. BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2774, 2775; dazu Vogeler, MedR 2008, 697, 706; Schneider, Neue Behandlungsmethoden, S. 143 ff. 76 Vgl. Taupitz/Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 410 f.; Taupitz/Frölich, VersR 1997, 911, 912. 77 Richtlinien für neuartige Heilbehandlungen und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen, DMW 1931, 509; dazu bereits oben, § 1 A.III.3.b.
§ 9 Berufsethische und berufsrechtliche Beratung
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die die Gesundheit des Patienten zu fördern vermag, und solche, die nicht der Heilbehandlung dienen, unterliegen zwar denselben Regeln; jedoch besteht für die rein wissenschaftliche Forschung ein höheres Legitimationsbedürfnis durch den paternalistischen und den individualistischen Rechtfertigungsansatz.78 – Risiko-Nutzen-Abwägung, ärztliche Vertretbarkeit: Nach der DvH muss jedem Versuch am Menschen eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vorausgehen (B 18); die Bedeutung des Versuchsziels muss die Risiken und die Belastungen überwiegen (B 21). Dieses Postulat ist als ein allgemeiner Rechtsgrundsatz und als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips für jedes medizinische Forschungsvorhaben anerkannt und findet daher auch außerhalb der bereichspezifischen Normierungen (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG, § 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 MPG n. F.) Anwendung.79 – Einwilligung nach Aufklärung: Das Erfordernis des informed consent bei der ärztlichen Heilbehandlung findet unstreitig in gesteigertem Umfang80 als zweites wesentliches Grundprinzip bei jeglichen medizinischen Forschungsvorhaben Anwendung. Auch die DvH verlangt u. a. die Aufklärung über Ziele, Risiken und Nutzen des Versuchs (B 24).81 – Versuchsprotokoll: Nach der DvH muss die Planung und die Durchführung des Versuchs in einem Versuchsprotokoll (research protocol) niedergelegt werden (B 14). Dieser Prüfplan bildet die Grundlage des kontrollierten Vorgehens und muss als Mindestvoraussetzung dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen. Er muss die Ein- und Ausschlusskriterien aufzählen, Angaben über die Zahl der Versuchsteilnehmer enthalten sowie die Fragestellung und die diesbezüglichen statistischen Berechnungen anführen.82 Nur wer eine ordentliche Versuchsplanung vornimmt, genügt seinen Sorgfaltspflichten.83
78
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 922; Deutsch, NJW 2001, 857, 858; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 69 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 40, 54; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 143 f.; ders./Brewe/Schelling, in: Taupitz, Menschenrechtsübereinkommen, S. 409, 412 ff.; hierzu bereits oben, § 1 B.IV.1. 79 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 939; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 43 ff.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 45 ff.; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 66 f.; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 279 f.; Taupitz, in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 147 80 Vgl. zu den bereits gesteigerten Anforderungen beim individuell-therapeutischem Erprobungshandeln BGHZ 168, 103 = NJW 2006, 2477 (Robodoc); BGHZ 172, 1 = NJW 2007, 2767 (Heilversuch); BGHZ 172, 254 = NJW 2007, 2774 (Racz-Methode); zusf. Vogeler, MedR 2008, 697 ff.; ausf. Schneider, Neue Behandlungsmethoden, passim. 81 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 940 ff.; Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 46 f., 72,; Rosenau, in: Deutsch/Taupitz, Forschungsfreiheit, S. 63, 67 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 49 f.; Fischer, Medizinische Versuche, S. 7 ff. 82 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 938; Fischer, Medizinische Versuche, S. 20 f. 83 Vgl. Fischer, Medizinische Versuche, S. 20 f.
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– Versuchsdurchführung lege artis: Eng hiermit verbunden ist das Postulat, dass nicht nur die Konzeption, sondern auch die Durchführung dem wissenschaftlichen Stand entsprechen muss.84 – Qualifizierter Versuchsleiter, Geeignetheit der Einrichtung: Die ausreichende Qualifikation des Versuchsleiters, wie sie neben den §§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG, 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 MPG n. F. auch die DvH (Nr. B 16) fordert85 , und die Geeignetheit der Einrichtung im Hinblick auf die Versuchszwecke und -gefahren, etwa die Ausstattung für Wiederbelebungsmaßnahmen86 , sind allgemeine Aspekte des Organisations- und Übernahmeverschuldens und bei medizinischen Forschungsvorhaben nicht nur gleichermaßen, sondern über das übliche Maß hinaus zu beachten. – Verbot medizinischer Forschung an verwahrten Personen: Alle bereichsspezifischen Normierungen untersagen die Forschung an Personen, die auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt sind.87 Aufgrund dieser Übereinstimmung erscheint eine analoge Anwendung zwar möglich und geboten. Ein zwingendes Bedürfnis besteht hierfür aber nicht, da die Verbotsvorschriften von der unwiderlegbaren Vermutung ausgehen, dass sie kraft des besonderen Gewaltverhältnisses nicht über die hinreichende Freiheit verfügen, ihren Willen unbeeinflusst zu bilden88 , sodass ihre Einwilligung mangels Freiwilligkeit und/oder Willensmängeln auch ohne Verbotsvorschrift jedenfalls unwirksam wäre. Auf jene allgemeinen Grundsätze als rechtliche Vorgaben für allgemeine, d. h. außerhalb der bereichsspezifischen Normierungen stehende Forschungsvorhaben hat sich auch die Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen nach § 15 MBO-Ä zu orientieren.89
84
Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 51. Die wissenschaftlich qualifizierte Person ist schon vom Nürnberger Codex gefordert worden; vgl. Deutsch, Recht der klinischen Forschung, S. 130; ders., NJW 1978, 570, 575. 86 Vgl. Weiss v. Solomon, Cour Supérieur de Québec v. 23.2.1989, 48 C.C.L.T. 280. 87 Vgl. §§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG, 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 3 MPG n.F.; 88 Abs. 1 S. 3 StrlSchV, 28d Abs. 1 S. 2 RöntgenV. 88 Dazu bereits oben, § 5 B.II.4.f. 89 Ebenso Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 117 f.; im Ergebnis auch Lipp, in: Laufs/ Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 120 f.; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 44 f. 85
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B. Haftung Die Haftung für Ethik-Kommissionen bei ihrer rein beratenden Tätigkeit, die in der Literatur schon behandelt worden ist90 , folgt den Grundsätzen der schon behandelten Haftung bei ihrer Genehmigungstätigkeit nach dem AMG und dem MPG.91
I. Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer Die Einschaltung einer Ethik-Kommission beruht auf einer Konsultationspflicht und nicht auf einer privatautonomen Entscheidung. Für den geschädigten Versuchsteilnehmer kommen demzufolge vertragliche Schadensersatzansprüche i. V. m den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte nicht in Betracht92 , wohl aber Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839, Art. 34 GG.
1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG a. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes Ethik-Kommissionsmitglieder sind auch dann, wenn sie den Forscher nur berufsethisch und berufsrechtlich beraten, taugliche „amtshaftungsauslösende“ Personen, da sie jedenfalls als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne einzustufen sind.93 Fraglich ist, ob sie auch im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit nach § 15 MBO-Ä in Ausübung eines öffentlichenAmtes handeln, Art. 34 S. 1 GG. Das öffentlicheAmt ist funktionell als hoheitlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Tätigkeitsbereich zu verstehen. Entscheidend ist, ob jemand mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben betraut und in diesem Zusammenhang tätig wird, also sein Amt nach Maßgabe des öffentlichen Rechts ausübt oder die Tätigkeit dem Privatrecht zuzuordnen ist.94 Dies ist unstreitig 90 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch, MedR 2006, 411, 415 f.; ders., in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 67, 75 ff.; ders./Lippert, EthikKommission, S. 67 ff.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 174 f.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, § 130 Rn. 47 ff.; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734 ff.; Scheffold, EthikKommissionen, passim; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 77 ff.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 133 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 135 ff.; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 85 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 170 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 168 ff.; Weißauer, MMW 1979, 551 ff. m. Replik Barnikel, MMW 1979, 767. 91 Für die kommissionsinternen Problemlagen, also die Einzelhaftung bei Kollegialentscheidungen, die Kausalität bei Gremienentscheidungen sowie für das Verschulden ergeben sich vorliegend keine Abweichungen. 92 Vgl. Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 153 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 131 ff.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 171. 93 Vgl. nur Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 135 ff. 94 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 12; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 26; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 143
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dann der Fall, wenn öffentliche Aufgaben in Form des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden.95 Sowohl die universitären als auch die kammerzugehörigen Ethik-Kommissionen werden auf der Grundlage der Heilberufe- und Kammergesetze, der Hochschulgesetze sowie auf der Grundlage von Satzungen tätig. Dass das auf der Grundlage ihrer beratenden Tätigkeit ergehende Votum keine Verwaltungsaktqualität besitzt, ist für die Ausübung eines öffentlichen Amtes unschädlich, soweit – wie vorliegend – die Verhaltensweise auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruht.96,97 b. Amtspflichtverletzung Amtspflichten als persönliche Verhaltenspflichten des Beamten in Bezug auf seine Amtsführung ergeben sich aus allen denkbaren Rechtsquellen, also neben der Verfassung und den Gesetzen, auch aus Rechtverordnungen, Satzungen, allgemeinen Rechtsgrundsätzen sowie aus Verwaltungsvorschriften.98 Sie entstehen nach h. M. im Innenverhältnis zwischen Amtswalter und Dienstherr.99 Im Hinblick auf § 15 MBO-Ä werden Ethik-Kommissionsmitglieder in die Kommission berufen, um den Forscher über die mit seinem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen zu beraten und diesbezüglich zu dem Vorhaben eine Stellungnahme abzugeben. Die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verlangt von den Ethik-Kommissionsmitgliedern insbesondere, die rechtlichen und ethischen Vorgaben für das jeweilige Forschungsvorhaben ordnungsgemäß zu prüfen. Der Prüfungsumfang bei Forschungsvorhaben außerhalb der bereichsspezifischen Normierungen erstreckt sich auf die Einhaltung der allgemeinen Vorschriften des Zivil-, Straf- und öffentlichen Rechts sowie auf die erörterten allgemeinen Grundsätze medizinischer Forschungseingriffe.100 Vor allem die Ausrichtung der Beratungstätigkeit nach der Deklaration von Helsinki folgt nicht nur aus der Tatsache, dass ihre Beachtung für den ärztlichen Forscher eine Berufspflicht darstellt (§ 15 Abs. 4 MBO-Ä), sich also die Berufsberatung notwendigerweise (auch) auf sie beziehen muss, sondern auch daraus, dass Ethik-Kommissionen gemäß ihren Satzungen auf der Grundlage der Deklaration von Helsinki arbeiten. Ihre Beachtung ist für 95
Vgl. BGHZ 116, 312, 314; 129, 23, 24; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 24 ff. 96 Vgl. allg. dazu Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 28; Vergleichbar BGH NVwZ-RR 2001, 441: Haftung der Handwerkskammern aus fehlerhafter Mitgliedsberatung nach Amtshaftungsgrundsätzen. 97 Für Ethik-Kommissionen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1067; Kreß, EthikKommissionen, S. 142; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 163; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 174; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 154; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 174. 98 Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 191, 193 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 41 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 110; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 56 f. 99 Dazu bereits oben, § 5 B.II.3.b. 100 Hierzu auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 144; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 119 ff.
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Ethik-Kommissionsmitglieder mithin eine Amtspflicht.101 In der Literatur werden die Amtspflichten von Ethik-Kommissionsmitgliedern insoweit auch umfassend verstanden: Ihnen obliegt es, das Forschungsvorhaben in medizinischer, ethischer und rechtlicher Hinsicht zu begutachten.102 (1) Abgabe einer fehlerhaft positiven Stellungnahme Die Ethik-Kommission gibt auch bei ihrer Tätigkeit nach § 15 MBO-Ä eine abschließende positive oder negative Stellungnahme ab. Im Falle einer positiven Stellungnahme ergeht sie grundsätzlich mit dem Inhalt, dass nach Auffassung der Kommission gegen das Forschungsvorhaben keine berufsethischen und berufsrechtlichen Bedenken bestehen. Hält das Forschungsvorhaben aber nicht denjenigen Anforderungen stand, die an einen ordnungsgemäß geplanten Versuch zu stellen sind, überwiegen also etwa die Risiken gegenüber dem Nutzen, ist keine oder nur eine unzureichende Aufklärung des Versuchsteilnehmers vorgesehen, enthält das Versuchsprotokoll Planungs- und Durchführungsmängel, wird nicht nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis geforscht, wird bei der Behandlung des Patienten der medizinische Standard unterschritten, ist der Versuchsleiter unzureichend für das Forschungsvorhaben qualifiziert oder ist die Prüfeinrichtung ungeeignet und ergeht gleichwohl eine uneingeschränkt positive Stellungnahme, mit der das Forschungsvorhaben für berufsethisch und berufsrechtlich unbedenklich erklärt wird, so begründet dies eine Amtspflichtverletzung der (positiv votierenden) Kommissionsmitglieder.103 (2) Fehlerhafte Beratung und Hinweise Anders als in ihrer genehmigenden Funktion gegenüber einem Sponsor bei der klinischen Prüfung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten steht für EthikKommissionen im Rahmen des § 15 MBO-Ä die Beratung des Forschers im Vordergrund. Nicht selten beschränken sich daher Ethik-Kommissionen nicht nur auf dieAbgabe einer positiven oder negativen Stellungnahme, sondern geben gleichzeitig schriftliche oder mündliche Hinweise, die vom Forscher grundsätzlich bedingungslos umgesetzt werden.104 Sie betreffen die unterschiedlichsten Themenfelder und reichen von Formulierungsvorschlägen für die Patienteninformation über zusätzlich 101
Wie hier im Ergebnis auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 144. Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 144; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 176; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 85 f.; Taupitz, in: Dute/Faure/Koziol, Biomedical Research, S. 151, 174. 103 Im Ergebnis wie hier Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 144 ff.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 82 f.; Deutsch, NJW 1981, 614, 617; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 85 f.; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 176. 104 Hierzu auch Gramm, WissR 32 (1999), 209, 215 f. sowie BSG, juris, Urt. v. 23.4.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, Rn. 51 a.E., MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399. 102
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vorzunehmende oder im Umfang herabzusetzende Begleit- und Kontrolluntersuchungen bis hin zu (bio-)statistischen Verbesserungen, etwa die Probandenanzahl herauf- oder herabzusetzen. Gibt die Ethik-Kommission Hinweise und Hilfestellungen, so müssen diese richtig, klar, unmissverständlich und vollständig erteilt werden105 , und zwar unabhängig davon, ob eine Pflicht oder eine Befugnis zur Erteilung besteht.106 Fehlerhafte Hinweise begründen demzufolge ebenso eine Amtspflichtverletzung wie eine fehlerhaft positive Stellungnahme. (3) Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften Aus der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten folgt die Pflicht, die Vorschriften über die Zuständigkeit, die Form und das Verfahren einzuhalten. Dies betrifft zum einen die Einhaltung der Verfahrens- und Geschäftsordnungen, die für die Ethik-Kommissionsmitglieder verfahrensrechtliche Pflichten begründen und zugleich Amtspflichten darstellen.107 Zum anderen findet das jeweilige VwVfG auf die Beratungstätigkeit nach § 15 MBO-Ä zwar nicht direkt, wohl aber diejenigen Vorschriften entsprechende Anwendung, die Ausdruck des Grundsatzes der guten Verwaltung sind.108 Bedeutsam für die Beratungstätigkeit aus haftungsrechtlicher Sicht sind: – Untersuchungsgrundsatz und Sachverhaltsermittlung: Die §§ 24, 26 VwVfG sind Ausdruck des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und finden auch auf schlicht-hoheitliche Tätigkeiten Anwendung.109 Die aus § 24 Abs. 1 VwVfG folgende Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen beschränkt sich für Ethik-Kommissionen allerdings grundsätzlich auf die Überprüfung der vom Antragssteller vorgelegten Unterlagen (Grundsatz der nachvollziehenden Amtsermittlung). Nach pflichtgemäßem Ermessen kann sie sich zur Ermittlung des Sachverhalts den Beweismitteln des § 26 VwVfG bedienen110 ; fehlt es der Kommission an ausreichendem Sachverstand, so kann für die Hinzuziehung externen Sachverstands eine (Verfahrens-) Ermessensreduzierung auf Null vorliegen.111 – Ordnungsgemäße Beschlussfassung: Die gewählte Form der Beschlussfassung (mündliche Beratung, Aktenumlaufverfahren) und die Besetzung der Kommission muss der Bedeutung und der Komplexität des Forschungsvorhabens Rechnung 105 St. Rspr., vgl. nur BGHZ 117, 83, 87 f.; NJW-RR 1994, 213, 216 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 122 m.w. Nachw.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 150 106 Vgl. BGH NVwZ 1986, 76; Paladt/Sprau, § 839 Rn. 41; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 150. 107 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 144. 108 Vgl. Kopp/Ramsauer, Einf Rn. 50; für Ethik-Kommissionen Bork, Ethik-Kommissionen, S. 93 f. 109 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 24 Rn. 4, § 26 Rn. 4; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, §12 Rn. 11, § 13 Rn. 24; für Ethik-Kommissionen Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 145 f.; Bork, EthikKommissionen, S. 134 ff. 110 Wie hier Bork, Ethik-Kommissionen, S. 136 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 146; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 176 f. 111 Der in den §§ 42 Abs. 1 S. 6 AMG, 22 Abs. 1 S. 6 MPG n.F. zum Ausdruck kommende Grundsatz dürfte sich auch auf das Ermessen nach § 26 VwVfG auswirken.
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tragen.112 Die Stellungnahme der Ethik-Kommission muss Ausdruck des Willens der Kommission sein. Erforderlich ist also die Beschlussfähigkeit, die sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der demokratischen Grundregel des § 90 Abs. 1 S. 1 VwVfG bestimmt. Die §§ 20, 21 VwVfG finden entsprechende Anwendung. c. Drittgerichtetheit Die Amtspflichten der Ethik-Kommissionsmitglieder, den Forscher im Hinblick sein Forschungsvorhaben zutreffend zu beraten, das Forschungsvorhaben unter medizinischen, ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten zu begutachten, keine unzutreffenden Hinweise abzugeben sowie die einschlägigen Verfahrensgrundsätze einzuhalten, müssten auch gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer bestehen. Während die Drittgerichtetheit der Amtspflichten bei der Arzneimittelprüfung vornehmlich über die drittschützenden Normen der §§ 40 ff. AMG vermittelt wurde, so steht vorliegend die besondere Natur des Amtsgeschäfts im Vordergrund. Im uneingeschränkten Mittelpunkt auch der nur beratenden Ethik-Kommissionstätigkeit steht der Schutz der Prüfungsteilnehmer. Ethik-Kommissionsmitglieder beraten zwar nur den Forscher, zugleich dient ihre Begutachtungstätigkeit aber auch und gerade dazu, das Selbstbestimmungsrecht der (potentiellen) Versuchsteilnehmer zu wahren und nur ärztlich und wissenschaftlich vertretbare Forschungsprojekte positiv zu bewerten. Aufgrund der unmittelbaren Auswirkungen ihrer Begutachtungstätigkeit auf die potentiellen Versuchsteilnehmer hat sie in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf ihre schutzwürdige Interessen Rücksicht zu nehmen.113 Die Amtspflichten zur ordnungsgemäßen Begutachtung des Forschungsvorhabens bestehen folglich auch und gerade gegenüber den Versuchsteilnehmern.114 Die Amtspflicht, richtige, klare, unmissverständliche und vollständige Auskünfte und Hinweise zu erteilen besteht zwar grundsätzlich nur gegenüber demjenigen, in dessen Interesse oder auf dessenAntrag sie erteilt wird. Der BGH bejaht die Drittrichtung aber auch gegenüber solchen Personen, die nach der Natur des Amtsgeschäfts durch die Auskunft berührt werden, auch wenn sie am (Verwaltungs-)Verfahren nicht beteiligt sind.115 Beziehen sich fehlerhafter Auskünfte, Hinweise und/oder Raterteilungen auf solche Aspekte, die sich auf das Wohlergehen der Patienten/Probanden auswirken, so haben die Ethik-Kommissionsmitglieder auch und gerade auf die 112 Eingehend zur Beschlussfassung Bork, Ethik-Kommissionen, S. 139 ff.; zum Aktenumlaufverfahren und weiteren Aspekten bereits oben, § 5 B.II.5. 113 Der BGH hat für dieAmtshaftung einer Handwerkskammer aufgrund fehlerhafter Mitgliedsberatung im Hinblick auf ein zu erstellendes Wertgutachten über ein zu veräußerndes Betriebsgrundstück ebenso entschieden. Kaufinteressenten fallen in der gleichen Weise in den Schutzbereich der Amtspflicht, wie ein Käufer, der in den Schutzbereich eines vom Verkäufer abgeschlossenen Gutachtenvertrages über den Wert der Kaufsache einbezogen sein kann; vgl. BGH NVwZ-RR 2001, 441. Nicht anders verhält es sich für die Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen. 114 Unstreitig, vgl. nur Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 146 ff.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 82 f.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 138; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 87; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 175 f.; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 158. 115 Vgl. BGHR BGB § 839 Abs 1 S 1 Dritter 34; BGH VersR 1986, 1082; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 153.
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Interessen und Gefahren für die Prüfungsteilnehmer in qualifizierter und individualisierter Weise Rücksicht zu nehmen. Dies ist nicht der Fall, wenn etwa lediglich die statistische Berechnung nach einer neueren Methode durchgeführt werden soll, zu bejahen aber dann, wenn die Ethik-Kommission nahelegt, den Versuch doppelblind durchzuführen oder die Begleituntersuchungen auszuweiten. Die Nichteinhaltung von Verfahrensanforderungen begründet zwar eine Amtspflichtverletzung. Das von den Ethik-Kommissionsmitgliedern einzuhaltende Verfahren dient jedoch im Wesentlichen nur der richtigen interdisziplinären Entscheidungsfindung. Der geschädigte Versuchsteilnehmer kann sich nicht allein darauf berufen, dass die Ethik-Kommission Sachverständige hätte anhören müssen oder ein Ethik-Kommissionsmitglied von der Beratung hätte ausgeschlossen werden müssen. Erforderlich ist eine Rückkopplung auf die Prüfungsinhalte, die zusammen mit einem Verfahrensfehler gleichzeitig das erforderliche Verschulden begründen können116 , so etwa, wenn in ärztlich unvertretbarer Weise bei Frühgeborenen zu Forschungszwecken ein Katheter gelegt werden soll und sie auf die Hinzuziehung externen Sachverstands verzichtet, obwohl sie keinen Fachverstand auf dem Gebiet der Pädiatrie besitzt oder der anwesende Pädiater selbst der Antragssteller ist. Ob und inwieweit der konkret geltend gemachte Schaden in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fällt, ist ausführlich für die Arzneimittelprüfung aufgezeigt worden117 und auch für die beratende Tätigkeit nicht anders zu beurteilen. Während die jeweilige Reichweite der Amtspflichten bei der Arzneimittelprüfung maßgeblich über die Schutznormen der §§ 40 ff. AMG bestimmt wird, stehen vorliegend die allgemeinen Grundsätze im Vordergrund. Entscheidend ist jeweils die hinter der Amtspflicht stehende Rechtspflicht. d. Beurteilungsspielraum? Mangels einer gesetzlichen „Rechtserzeugungsermächtigung“118 steht den EthikKommissionen bei ihrer rein beratenden Tätigkeit ein Beurteilungsspielraum nicht zu. Dies folgt schon daraus, dass in einer Beratung keine Letztentscheidungsbefugnis gesehen werden kann. Darüber hinaus lassen die jeweiligen Rechtsgrundlagen nicht erkennen, in welchem Umfang den Ethik-Kommissionen ein Handlungsspielraum eingeräumt wird. Die in den Satzungen, teilweise aber auch in den Heilberufe- und Kammergesetzen selbst enthaltenen Konsultationspflichten beauftragen die Ethik-Kommissionen nicht mit einem verbindlichen Gesetzesvollzug. Leistet der Gesetzgeber außerhalb der bereichsspezifischen Normierungen keinen Konkretisierungs- und Individualisierungsbeitrag für die medizinische Forschung am Menschen, so kann schon nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine auch durch Auslegung zu gewinnende Delegation an die Verwaltung nicht stattfinden.119 116
Ebenso Bork, Ethik-Kommissionen, S. 116; hierzu bereits oben, § 5 B.II.6.c.bb(6). Ausf. oben, § 5 B.II.4. 118 Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 34. zur normativen Ermächtigungslehre oben, § 4 D.VII.3.b. 119 Zu normativer Ermächtigung und Vorbehalt des Gesetzes vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 10 Rn. 34. 117
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e. Verschulden Die bereits herausgestellten Grundsätze des Organisationsverschuldens und des entindividualisierten (Kommissions-)Verschuldens gelten für die berufsständische Beratung gleichermaßen.120 f. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität Stellungnahmen und Hinweise auf der Grundlage des § 15 MBO-Ä sind grundsätzlich rechtlich unverbindlich.121 Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Durchführung des Forschungsvorhabens bleibt dem Forscher vorbehalten. Insoweit ist fraglich, ob das fehlerhafte Votum iSd condicio sine qua non-Formel überhaupt ursächlich für den Schaden des Versuchsteilnehmers ist. Während Barnikel noch die Auffassung vertreten hat, dass zwischen der fehlerhaften Beratung und dem Schaden noch die eigenverantwortliche Entscheidung des Forschers liege122 , so besteht heute Einigkeit darüber, dass die Stellungnahme der Ethik-Kommission als (wenigstens mit-)ursächlich anzusehen ist, denn der Forscher macht die Durchführung seines Forschungsvorhabens von der positiven Stellungsnahme abhängig.123 Es sind zudem die Haftungsrisiken, die Versagung von Fördermittel, die Unmöglichkeit einer anschließenden Publikation der Forschungsergebnisse sowie der „Makel des Unethischen“, die dem Forscher eine Durchführung des Forschungsvorhabens entgegen einer ablehnenden Stellungnahme der Ethik-Kommission faktisch unmöglich machen.124 Weiterhin sieht die Deklaration von Helsinki in ihrer aktuellen Fassung die Zustimmung einer Ethik-Kommission für jedes Forschungsvorhaben vor.125 Das fehlerhaft-positive Ethik-Kommissionsvotum sowie die vom Forscher umgesetzten fehlerhaften Hinweise können vor diesem Hintergrund nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Schädigung des Versuchsteilnehmers entfiele. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Schutzzweck der Amtspflicht auch Auswirkungen auf die Beweislastverteilung haben kann, wie dies der BGH bei der Verletzung von Beratungspflichten annimmt. Hat ein zur Beratung Verpflichteter seine Beratungspflicht verletzt und steht weiterhin fest, dass dann, wenn der sachgemäße Rat gegeben und befolgt worden wäre, der Schaden vermieden worden wäre, dann ist der Berater 120
Oben, § 5 B.II.6. Anders kann dies bei der Forschung durch Hochschulmitglieder sein, wenn das intra-universitäre (Satzungs-)Recht die Zustimmung der Ethik-Kommission verlangt; vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1006; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 124; Gödicke, MedR 2008, 636, 640; s.a. Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 82. 122 Barnikel, MMW 1979, 767. 123 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 151 f.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 139; Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 182; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 79, 86; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 83 f.; Stock, Probandenschutz, S. 169 f.; Osieka, Humanforschung, S. 353 m. Fn. 1003; im Ergebnis auch Deutsch, in: Toellner, Ethik-Kommission, S. 67, 76. 124 Zur genehmigungsgleichen Wirkung der beratenden Stellungnahme oben, § 9 A.I.2. 125 B Nr. 15: „approval“; hierzu auch Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 109. 121
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dafür beweispflichtig, dass der Beratene sich nicht an seinen Rat gehalten hätte.126 Die Führung eines solchen Beweises wird den Ethik-Kommissionsmitgliedern nicht möglich sein. Der Zurechnungszusammenhang wird auch nicht – wie erörtert – durch die eigenverantwortliche Entscheidung des Forschers unterbrochen, soweit zwischen der Fehlberatung des Forschers und dem Schaden noch ein innerer Zusammenhang besteht und sich die Fehlbegutachtung noch im Schaden fortsetzt.127 g. Subsidiarität der Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anderweitige Ersatzansprüche des geschädigten Versuchsteilnehmers iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bestehen in den vertraglichen und deliktischen Ansprüchen gegen den Forscher sowie in den Ansprüchen gegen den Träger der Forschungsstätte. Auch im Rahmen des § 15 MBO-Ä ist kein Fall denkbar, in dem nicht auch ein Begutachtungsfehler der Ethik-Kommission mit einer vertraglichen oder deliktischen Haftung des Forschers gegenüber dem Versuchsteilnehmer zusammenfällt. Vom Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgenommen sind dagegen die deliktischen Ansprüche nach § 839 BGB gegen verbeamtete Forscher sowie die Ansprüche gegen den öffentlich-rechtlichen Träger der Forschungsstätte.128 h. Auswirkung der Ethik-Kommissionsberatung auf das Verschulden des Forschers Für die subsidiäre Geltung der Amtshaftung für Ethik-Kommissionen ist der Einfluss ihres Beratungsergebnisses auf das Verschulden des Forschers von richtungsweisender Bedeutung. aa. Durchführung des Forschungsvorhabens ohne ordnungsgemäße Ethik-Kommissionsbeteiligung Die Nichteinschaltung einer Ethik-Kommission entgegen § 15 MBO-Ä begründet gegenüber dem Forscher grundsätzlich einen Verschuldensvorwurf129 , da ohne eine Begutachtung des Forschungsvorhabens durch eine Ethik-Kommission nicht der erforderliche Umgang mit den Gefahren für die Rechtsgüter der Patienten/Probanden gesetzt wird (äußere Sorgfalt). Die innere Sorgfalt kann aber infolge der Nichterkennbarkeit des Sorgfaltsgebots entfallen, etwa dann, wenn seitens des Vorsitzenden der Ethik-Kommission der unzutreffende Hinweis erfolgt, das Forschungsvorhaben ist nach § 15 MBO nicht beratungspflichtig. Auf diese Auskunft darf der Forscher grundsätzlich vertrauen, was aber gleichzeitig zu einer Haftung des Vorsitzenden wegen unrichtiger Auskunftserteilung nach § 839, Art. 34 GG führen kann. 126 Vgl. BGHZ 61, 118, 122; 64, 46, 51; 72, 92, 106; VersR 1985, 265; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 279. 127 Wie hier Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 182 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 154. Zu weiteren Einzelheiten der Zurechnungsunterbrechung bereits oben, § 5 B.II.7.c.bb(3). 128 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 184 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 155 ff.; näheres hierzu bereits oben, § 5 B.II.9.a.bb. 129 Ebenso Bork, Ethik-Kommissionen, S. 78.
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bb. Durchführung des Forschungsvorhabens gemäß dem Votum und den Hinweisen der Ethik-Kommission Im vorliegenden Kontext bedeutsamer ist dagegen die Frage nach der verschuldensentlastenden Wirkung des auf der Grundlage des § 15 MBO-Ä ergehenden Votums der Ethik-Kommission. Bringt dieses zum Ausdruck, dass aus Sicht der Kommission gegen das Forschungsvorhaben keine berufsethischen und berufsrechtlichen Bedenken bestehen, so stellt sich die Frage, ob bei Durchführung des Forschungsvorhabens entsprechend der (fehlerhaften) Stellungnahme der Ethik-Kommission der Forscher sich bei Behandlungs-, Versuchsplanungs- und/oder Versuchsdurchführungs- sowie Aufklärungsfehlern gegenüber Schadensersatzansprüchen des Versuchsteilnehmers auf fehlendes Verschulden berufen kann. Welche Auswirkungen die nur beratende Tätigkeit der Ethik-Kommission und ihr abschließendes Votum auf die Verschuldenshaftung des Forschers haben, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.130 Eine verschuldensentlastende Wirkung wird vor allem dort in Betracht gezogen, wo die Ethik-Kommission oder zumindest einzelne ihrer Mitglieder über besondere und bessere Erkenntnismöglichkeiten und Erfahrungen verfügen als der Forscher selbst. In diesem Falle soll der Forscher auf das (sachverständigere) Kommissionsvotum vertrauen dürfen.131 Mit Blick auf Einwilligung und Aufklärung, aber auch in Bezug auf weitere juristische Fragen, wird vermehrt auf einen Rechtsirrtum abgestellt, der z. T. in Anlehnung an die „Kollegialgerichtsrechtsprechung“, vor allem aber aus dem Gedanken der Einholung eines „Rechtsrats“, für entschuldigt angesehen wird.132 Überwiegende Einigkeit besteht darin, dass das Votum dann nicht entschuldigt, wenn der Arzt die Fehlerhaftigkeit hätte erkennen können oder müssen, weil er selbst über die besseren Erkenntnismöglichkeiten verfügt.133 Gleichzeitig werden aber auch Extrempositionen vertreten, nämlich ein genereller Verschuldensausschluss für den Forscher134 und keinerlei verschuldensentlastende Wirkung des Kommissionsvotums.135 Die für die vorliegende Entscheidung rechtlich maßgeblichen Aspekte sind für die klinische Prüfung von Arzneimitteln bereits herausgestellt worden136 : Betroffen ist die innere Sorgfalt und im Zentrum steht der Vertrauensgrundsatz, wobei das 130
Zum Meinungsstand auch schon oben, § 5 B.II.10.d.bb. So vor allem Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 114 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 79 ff.; Stock, Probandenschutz, S. 82; für Verschuldensentlastung im Bereich klinischer Arzneimittelprüfungen auch nach der 12. AMG-Novelle van der Sanden, Haftung, S. 149 ff. 132 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 117 ff.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 135 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 79 f; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 100 f.; 105 ff.; zur Kollegialgerichtsrechtsprechung allg. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 412 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 211 ff. 133 Vgl. Wenckstern, Arzneimittelprüfung, S. 55 f.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 114 f.; Czwalinna, Ethik-Kommissionen, S. 138; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 80; Scheffold, EthikKommissionen, S. 100 f.; 105 ff.; Kollhosser, in: Toellner, Ethik-Kommissionen, S. 79, 84. 134 Vgl. etwa Weißauer, MMW 1979, 551, 555 f.; Gamerschlag, NJW 1982, 684, 685 f. 135 Vgl. v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2736; Sander, PharmInd 1988, 145, 150; Graf, NJW 2002, 1774, 1776. 136 Oben, § 5 B.II.10.d.bb. 131
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Vertrauendürfen nicht auf das Ausbleiben einer Rechtsgutsverletzung, sondern allein auf das ordnungsgemäße Verhalten der Ethik-Kommissionsmitglieder gerichtet ist. Tritt die Ethik-Kommission in ihrer genehmigenden Funktion bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln (§ 42 Abs. 1 AMG) und Medizinprodukten (§ 22 MPG n. F.) auf, so ist für eine verschuldensentlastende Wirkung ihrer zustimmenden Bewertung kein Raum. Ihre Tätigkeit ist ausschließlich auf Zustimmung und nicht auf Beratung gerichtet, sie hebt ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt auf, vollzieht mithin lediglich eine wertende Abschlusskontrolle und entscheidet demzufolge nur nach Beweislastgrundsätzen und unterliegt der ganzen Strenge des Vorbehalt des Gesetzes. Ganz anders liegt es aber, wenn sie den Forscher im Hinblick auf sein Forschungsvorhaben (nur) berät. Bedenken können mit dem Forscher in einem offenen (Wissenschafts-)Diskurs erörtert werden. Während es den Ethik-Kommissionen in ihrer genehmigenden Tätigkeit verwehrt ist, eigene Risikominimierungskonzepte zu postulieren, so ist ihre beratende Tätigkeit gerade darauf ausgerichtet, dem Forscher bei seiner Suche nach der Wahrheit professionelle Hilfestellungen zu geben, ihn aber gleichzeitig vor (probanden-/patientennachteiligem) Übereifer zu schützen.137 Dieses Leitbild einer neutralen, offenen und nicht entscheidungsbezogenen Forschungsberatung durch ein professionell-pluralistisches Gremium138 bietet dem Grunde nach, entsprechend der Einholung einer Rechts- bzw. medizinischen Forschungsauskunft, Raum für eine Verschuldensentlastung.139 Bei genauerer Betrachtung bleibt für die Entschuldigung des Forschers durch ein Ethik-Kommissionsvotum nur ein schmaler Anwendungsbereich. Der Irrtum über tatsächliche oder rechtliche Bewertungen wird durch die Aufwendung der inneren Sorgfalt vermieden.140 Auch die innere Sorgfalt ist objektiv typisierend zu bestimmen und auf die Erbringung der äußeren Sorgfalt bezogen. Man hat sich soweit wie möglich anzustrengen, um die Situation zu erkennen und würdigen zu können.141 Nur dann, wenn der Irrtum bei Aufwendung des Sorgfaltsstandards unvermeidbar war, ist er entschuldigt.142 Der BGH hat nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen einen Schuldvorwurf bei Äußerungen orts- und fachkundiger Behörden entfallen lassen143 , es aber im übrigen bei dem Grundsatz belassen, dass der Genehmigungs-/ Äußerungsempfänger für sein Vorhaben voll verantwortlich bleibt.144 Von ihm sei 137
Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1027. Auch der VGH Mannheim hatte die Unterschiede zwischen der ergebnisgerichteten staatlichen Kontrollaufgabe und der ergebnisoffenen Beratung zur Schärfung des Urteilsvermögens nach § 15 MBO-Ä herausgestellt, vgl. VGH Mannheim, NJW 2003, 983, 984 f. m. Bspr. Deutsch (S. 949) = MedR 2003, 109 m. Anm. Taupitz (S. 117) u. Bspr. Dähne (S. 164) = NVwZ 2003, 1009. 139 Nach Trute, Forschung, S. 166 sind Ethik-Kommissionen in ihrer rein beratenden Tätigkeit eine Form der professionellen Selbstkontrolle und fungieren insoweit als institutionelle Stützung individueller Verantwortlichkeiten. 140 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 148; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 409. 141 Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.139; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 388. 142 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 409. 143 Vgl. BGH VersR 1967, 859, 861; 1976, 776, 777. 144 Vgl. BGHZ 85, 375, 380; VersR 1977, 543, 545; 1979, 768, 769; NJW 1977, 763, 764; s.a. v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2736. 138
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weder eine geringere Sorgfalt als von einem (Fach-)Beamten zu fordern145 , noch wird er von seinen Pflichten zur eigenverantwortlichen (Über-)Prüfung enthoben.146 Vielmehr müssen diejenigen Kenntnisse vorausgesetzt werden, die die jeweilige Tätigkeit erfordert.147 Ergeht eine positive Stellungnahme der Ethik-Kommission mit dem Inhalt, dass aus Sicht der Kommission dem Forschungsvorhaben berufsethische und berufsrechtliche Bedenken nicht entgegenstehen, so tritt nicht per se eine Änderung der Schadenszurechnung ein. Für Behandlungs-, Versuchsplanungs- und/oder Versuchsdurchführungs- sowie Aufklärungsfehler bleibt der Forscher dann verantwortlich, soweit jene Fehler bei Aufwendung des Sorgfaltsmaßstabs des besonderen Verkehrskreises erkennbar und vermeidbar waren.148 Ethik-Kommissionen können niemals dazu dienen, die Fachunkenntnis des Forschers durch eine Expertenberatung auszugleichen. Die mangelhafte Ichbeschaffenheit des Forschers entlastet nicht, sondern erforderlich ist das äußere und innere Verhalten, das im (besonderen) Verkehr verlangt wird.149 Erst dort, wo schwierige Fragestellungen zu beantworten sind und der Forscher erkennbar auf die Hilfe einer Expertenmeinung angewiesen ist, etwa wenn es um Placebostudie in der Chirurgie, um Verlängerungen von Narkosezeiten oder um (Placebo-)Studien an besonders zu schützenden Patientengruppe geht, handelt der Forscher innerlich sorgfältig, wenn nach der objektiv-typisierten Sorgfalt von ihm mehr als die Vorlage des Forschungsvorhabens an eine Ethik-Kommission nicht zu verlangen war.150 Gerade in diesen Bereichen erfüllen Ethik-Kommissionen eine den Forscher unterstützende Aufgabe im Hinblick darauf, ob er eine Prüfungsplanung gewählt hat, die sich als ethisch, medizinisch und rechtlich vertretbar erweist. Aber auch hier sind Einschränkungen zu machen: Voraussetzung ist, dass der Forscher seinen eigenen Sorgfaltsanforderungen genügt, insbesondere die Ethik-Kommission vollständig und richtig informiert.151 Es müssen ferner Umstände auf das Vertrauen und seine Anerkennung hinweisen152 und die Annahme der Richtigkeit des Kommissionsvotums darf selbst nicht auf Fahrlässigkeit beruhen. Daran fehlt es, wenn die Ethik-Kommission erkennbar personell unterbesetzt und deswegen nicht in der Lage ist, das Forschungsvorhaben unter dem fragwürdigen Aspekt zu würdigen.153 Ferner ist von einem gewissenhaften Forscher zu verlangen, dass er die Kommission ausdrücklich auf die Problemlagen seines Forschungsvorhabens hinweist. Zwischen dem Forscher und den Ethik-Kommissionsmitgliedern besteht keine Kongruenz in der Sorgfaltsdichte. Der Forscher kann nicht erwarten, dass sich die Kommission 145
Vgl. BGH VersR 1977, 543, 545. Vgl. BGHZ 85, 375, 380; VersR 1979, 768, 769. 147 Vgl. BGH NJW 1977, 763, 764. 148 So auch Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 106 f. 149 Zur subjektiv-individuellen und objektiv-typisierten Sorgfalt vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 402 ff. 150 In diese Richtung auch Bork, Ethik-Kommissionen, S. 80 f. 151 Vgl. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 80; Eser/Koch, DMW 1982, 443, 444. 152 Dazu auch allg. Deutsch, in: Duttge, Perspektiven des Medizinrechts, S. 69, 75. 153 So auch Eser/Koch, DMW 1982, 443, 444 f.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 105; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 117. 146
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in gleicher Intensität mit dem Forschungsvorhaben beschäftigt. Ergeht eine uneingeschränkt positive Stellungnahme der Kommission, ohne dass der Forscher die besonders zu begutachtenden Aspekte hervorgehoben hat, so kann er nicht erwarten, dass die Kommission ihren professionell-pluralistischen Wissenschaftsdiskurs gerade auf die nur bei intensiver Beschäftigung erkennbaren Problemlagen erstreckt hat. Rückausnahmen sind jedoch dann angezeigt, wenn die Kommission sich nicht oder nicht nur nach einer nachvollziehenden Amtsermittlung auf die berufsethische und berufsrechtliche Unbedenklichkeitserklärung beschränkt, sondern aktiv-gestaltend tätig wird, d. h. konkrete Hinweise erteilt, konkret auf Einzelheiten des Forschungsvorhabens Bezug nimmt oder Einzelheiten des Vorhabens professionell-pluralistisch in kooperativer Form mit dem Forscher unmittelbar berät. i. Passivlegitimation Für die Passivlegitimation gelten die bereits für die universitären und die kammerzugehörigen Ethik-Kommissionen herausgestellten Grundsätze.154 2. Ergebnis Dem geschädigten Versuchsteilnehmer stehen bei einer Fehlberatung des Forschers Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG zu. Die Abgabe einer fehlerhaft positiven Stellungnahme oder die Erteilung von fehlerhaften Hinweisen begründen eine Amtspflichtverletzung. Diese bestehen auch gegenüber den (potentiellen) Versuchsteilnehmern. Der Zurechnungszusammenhang wird durch die eigenverantwortliche Entscheidung des Forschers nicht unterbrochen. Bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung findet das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung. Gegenüber dem Versuchsteilnehmer kann sich der Forscher nur in Ausnahmefällen verschuldensentlastend auf das positive Ethik-Kommissionsvotum berufen. II. Haftung gegenüber dem Forscher Die Haftung für eine fehlerhafte Beratung ist auch hier janusköpfig: Sie besteht sowohl gegenüber geschädigten Versuchsteilnehmern als auch gegenüber dem Forscher.155 1. Ansprüche aus Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Für den durch das Verhalten der Ethik-Kommissionsmitglieder geschädigten Forscher kommen zunächst Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG in Betracht. 154 155
Oben, § 5 B.II.11. Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069.
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a. Amtspflichtverletzungen Die Amtspflicht zur rechtmäßigen Begutachtung des Forschungsvorhabens kann von den Ethik-Kommissionsmitgliedern gegenüber dem Forscher auf verschiedene Weise verletzt werden. aa. Fehlerhaft ablehnende Stellungnahme oder unberechtigte Zurückweisung Ethik-Kommissionsmitglieder verletzen ihre Amtspflichten, wenn sie für das vorgelegte Forschungsvorhaben eine negative Stellungnahme abgeben, obwohl das Forschungsvorhaben die rechtlichen Vorgaben einhält. Entsprechendes gilt für den Fall, wenn die Ethik-Kommission den Antrag fehlerhaft zurückweist, etwa weil sie sich nicht für örtlich zuständig hält oder weil sie das Forschungsvorhaben als nicht beratungspflichtigen Heilversuch einstuft und deswegen ihre sachliche Zuständigkeit für nicht gegeben ansieht. Schließlich ist es möglich, dass sie den Antrag wegen Unvollständigkeit unzutreffend zurückweist.156 bb. Verzögerte Bearbeitung Anträge sind nach st. Rspr. nicht nur ordnungsgemäß, sondern auch rechtzeitig mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten und bei abgeschlossener Prüfung ohne Verzögerung zu bescheiden.157 Während sich jene Amtspflicht bei der Arzneimittelund Medizinprodukteprüfung auf die zustimmende Bewertung innerhalb der vorgesehenen Fristen bezieht, so bestehen für Ethik-Kommissionen außerhalb der genannten Bereiche grundsätzlich keine vorgegebenen Zeiträume. Wann die Amtspflicht zur Entscheidung binnen angemessener Frist verletzt wird, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Zeit für eine sachgerechte Entscheidung muss der Behörde jedenfalls gewährt werden, sodass schwierige Fragen, die ggf. nur unter Hinzuziehung von Sachverständigen entschieden werden können, den Vorwurf einer amtspflichtwidrigen Verzögerung entfallen lassen können.158 cc. Fehlerhaft positive Stellungnahme Ethik-Kommissionsmitglieder verletzten auch dann ihre Amtspflichten, wenn sie eine fehlerhaft positive Stellungnahme abgeben oder unrichtige Auskünfte erteilen. Relevant wird diese Haftungskonstellation dann, wenn der Forscher nach Erhalt einer positiven Stellungnahme sein Forschungsvorhaben, ggf. in der von der EthikKommission angeregten und geänderten Form, in Angriff nimmt, Planungs- und 156
Hierzu auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 170. Vgl. nur. BGHZ 15, 305, 309, 30, 19, 26; NVwZ 1984, 332, 333; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 49 m.w. Nachw.; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 21; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 130; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 217; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 76. 158 Vgl. BGH VersR 1982, 497, 498; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 119; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 130 ff.; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 217, jew. m.w. Nachw.; wie hier auch Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 171. 157
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Investitionskosten sich aber später deswegen als nutzlos erweisen, weil das Forschungsvorhaben rechtlich bedenklich ist und vom Klinikträger, einer staatlichen Überwachungsbehörde oder vom Forscher selbst abgebrochen werden muss. Hiermit ist die für die Haftung bei derArzneimittelprüfung bereits erörterte159 Amtspflicht angesprochen, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen, die im Ergebnis in gleicher Weise auf die nur beratende Tätigkeit der Ethik-Kommissionen übertragbar ist. Betroffen ist der Ersatz solcher Vermögensschäden des Forschers, die er im Vertrauen auf das positive Beratungsergebnis aufgewandt hat. Unabhängig von der Frage, ob man in der auf der Grundlage des § 15 MBO-Ä ergehenden Stellungnahme der Ethik-Kommission einen den Forscher begünstigenden Hoheitsakt erblickt, so eignen sich nach der Rspr. jedenfalls auch behördlicheAuskünfte als Vertrauenstatbestand.160 Die positive Stellungnahme der Ethik-Kommission ergeht mit dem Inhalt, dass gegen das Forschungsvorhaben keine berufsethischen und berufsrechtlichen Bedenken bestehen, sodass sich das Beratungsergebnis nach seinem Erklärungsgehalt als Vertrauensgrundlage für die Aufnahme des Vorhabens eignet. Soweit das Vertrauen auch schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG), sind Planungs- und Investitionskosten des Forschers ersatzfähig, die er im Vertrauen auf das Beratungsergebnis getätigt hat.161 Vertrauensdefizite, die nicht bereits einen Vertrauensschutz per se ausschließen, sind nach der Rechtsfolgenlösung des BGH im Rahmen des Mitverschuldens zu berücksichtigen. b. Drittgerichtetheit Als Antragssteller gehört der Forscher unstreitig zum geschützten Personenkreis der genannten Amtspflichten.162 In den sachlichen Schutzbereich der Amtspflicht zur ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Begutachtung fallen grundsätzlich alle Nachteile, die bei pflichtgemäßem Handeln vermieden worden wären. Hierzu zählen Studienänderungs- und Rückabwicklungskosten sowie derVerlust von Fördergeldern und der entgangene Gewinn.163 Wird eine fehlerhaft positive Stellungnahme abgegeben, so fallen in den sachlichen Schutzbereich nur Planungs- und Investitionskosten, die der Forscher im Vertrauen auf die berufsethische und berufsrechtliche Unbedenklichkeit seines Forschungsvorhabens aufgewandt hat. Nicht ersatzfähig sind Schäden, die ihm aus Schadensersatzverpflichtungen gegenüber den Versuchsteilnehmern entstehen.164 159
Oben, § 6 D. Vgl. BGHZ 117, 83, 87 ff.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 9 Rn. 134 f.; ausf. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 63 ff.; Küch, Vertrauensschutz, S. 113 ff. 161 Die Vertrauenshaftung für fehlgeschlagene Planungs- und Investitionskosten ist strikt zu trennen von dem Vertrauensgrundsatz im Rahmen der verschuldensentlastenden Wirkung des Kommissionsvotums: Erstere Konstellation betrifft Vermögensdispositionen, letztere die zu erbringenden Sorgfaltspflichten gegenüber den Versuchsteilnehmern. 162 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 67; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 170 ff. 163 Für die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 67; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 172 ff. 164 Dazu ausf. bereits oben, § 6 D.I.2.b.cc. 160
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c. Verschulden Für das Verschulden der Kommissionsmitglieder und das Organisationsverschulden gelten die herausgestellten Grundsätze.165
d. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität Die verzögerte Bearbeitung des Antrags durch die Ethik-Kommissionsmitglieder ist iSd condicio sine qua non-Formel ursächlich für den Verzögerungsschaden des Forschers, da er ohne eine Beratung durch eine Ethik-Kommission sein Forschungsvorhaben nicht aufnehmen darf, § 15 Abs. 1, Abs. 4 MBO-Ä i. V. m. B Nr. 15 DvH. Aufgrund der „genehmigungsgleichen“ Wirkung166 sind auch positive und negative Stellungnahmen der Ethik-Kommission für Verzögerungs- und Ausfallschäden sowie für Planungs- und Investitionskosten ursächlich. Im Übrigen trifft den Beratungspflichtigen, der seine Beratungspflicht verletzt hat, die Beweislast, dass der Beratene sich nicht an den Rat gehalten hätte, soweit feststeht, dass dann, wenn der sachgemäße Rat gegeben und befolgt worden wäre, der Schaden vermieden worden wäre.167 Der Zurechnungszusammenhang wird auch durch die eigenverantwortliche Entscheidung des Forschers, das Forschungsvorhaben nicht entgegen oder ohne ein befürwortendes Ethik-Kommissionsvotum durchzuführen, nicht unterbrochen, da zwischen der fehlerhaften oder verzögerten Stellungnahme ein innerer Zusammenhang besteht, der sich im Schaden des Forschers fortsetzt.
e. Schuldhafte Nichteinlegung von Rechtsmitteln, § 839 Abs. 3 BGB Fraglich ist, ob gegen verzögerte oder ablehnende Stellungnahmen von EthikKommissionen Rechtsmittel gegeben sind, die zur Abwendung des Verzögerungsoder Ausfallschadens geeignet sind. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nach § 40 VwGO eröffnet.168 Anfechtungs- und Verpflichtungsklage scheiden jedoch aus, da das auf der Grundlage des § 15 MBO-Ä ergehende Votum der EthikKommission keinen Verwaltungsakt darstellt.169 Beschäftigt sich die Kommission nicht mit demAntrag oder zögert sie ihre Stellungnahme hinaus, so ist in diesen Fällen die allgemeine Leistungsklage, gerichtet auf Begutachtung des Antrags, statthaft.170
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Oben, § 5 B.II.6. Oben, § 9 A.I.2. 167 Vgl. BGHZ 61, 118, 122; 64, 46, 51; 72, 92, 106; VersR 1985, 265; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 279. 168 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1067; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 57; Deutsch, NJW 1981, 614, 616; ders., VersR 1989, 429, 432; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 102; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 162 f. 169 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1067; Deutsch, NJW 1981, 614, 616; ders., VersR 1989, 429, 432; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 102. 170 Vgl. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 101 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 173; Stamer, EthikKommissionen, S. 176. 166
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Die nach h. M. auch für die allgemeine Leistungsklage zu verlangende Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog171 ) ergibt sich bereits aus § 15 MBO-Ä selbst, wonach mit der statuierten Pflicht zur Forschungsberatung auch ein entsprechender Leistungsanspruch auf Begutachtung korrelieren muss.172 Fraglich ist der Rechtsschutz gegen solche Ethik-Kommissionsvoten, die das Forschungsvorhaben fehlerhaft negativ bewerten. Auch hier kommt die allgemeine Leistungsklage in Betracht, doch ist die für die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) erforderliche Verletzung subjektiver Rechte zweifelhaft. Hier kommt nur ein Rückgriff auf Grundrechte des Forschers, insb. auf Art. 5 Abs. 3 GG, in Betracht. Es stellt sich aber die Frage, ob dasVotum der Ethik-Kommission trotz seiner rechtlichen Unverbindlichkeit Eingriffscharakter hat. Nicht nur final-unmittelbare hoheitliche Rechtsakte können den Eingriffstatbestand erfüllen, sondern auch faktisch-mittelbare Maßnahmen, die die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten faktisch beeinträchtigen, einschränken oder unmöglich machen, selbst wenn es sich nur um unbeabsichtigte (nichtfinale) Folgen des staatlichen Verhaltens handelt.173 Das Beratungsergebnis der Ethik-Kommission hat einen faktisch erheblichen Einfluss auf die Durchführung des Forschungsvorhabens. Ablehnende oder eingeschränkt zustimmende Voten führen in der Praxis dazu, dass das Forschungsvorhaben entweder nicht oder nach Auffassung der Ethik-Kommission durchgeführt wird. Auch nur rein beratende Ethik-Kommissionsvoten wirken grundrechtsgestaltend iSe „zwangsläufigen Kettenreaktion“174 ; zwischen der Mitteilung des Beratungsergebnisses und einer Genehmigung bestehen insoweit marginale, im Ergebnis nur formale Unterschiede. Einem Grundrechtseingriff in die Forschungsfreiheit lässt sich nicht entgegenhalten, dass die faktischen Zwänge, das Vorhaben nicht oder nicht wie geplant durchzuführen, auf einem Verhalten oder zu erwartenden Verhalten Dritter beruhen – etwa der Versagung von Fördergeldern oder der Publikation – oder auf dem eigenverantwortlichen Verhalten des Forschers175 , denn sowohl Grundrechtsbeeinträchtigungen, die durch eine private Entscheidung Dritter (mit-)verursacht werden176 , als auch veranlasste Selbstbeeinträchtigungen177 erfüllen den Tatbestand eines Grundrechtseingriffs, soweit – wie vorliegend jeweils der Fall – es sich um eine gewöhnliche, naheliegende 171 Vgl. BVerwGE 36, 192, 199; 100, 262, 271; Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 11 Rn. 28. 172 Subjektiv öffentliche Rechte können sich auch aus Satzungen ergeben, vgl. etwa Huber, Konkurrenzschutz, S. 226. Wie hier Lebich, Haftung angestellter Ärzte, S. 71; im Ergebnis auch Bork, Ethik-Kommissionen, S. 106, der jedoch auf die Verletzung von Grundrechten (Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG) abstellt und Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 176, die auf Art. 5 Abs. 3 GG zurückgreift. 173 Vgl. nur Zippelius/Würtenberger, Staatsrecht, § 19 Rn. 26, 28 f.; Dreier, in: ders., Vorb. Rn. 125 ff.; Sachs, in: ders., Vor Art. 1 GG Rn. 83 ff., Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 150 f.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 GG Rn. 42 ff., jew. m.w. Nachw.; für Ethik-Kommissionen ausf. Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 128 ff., 135 ff., 140 ff. 174 Instruktiv Sobota, AöR 121 (1999), 229, 245 f. (Zitat: S. 246). 175 So aber Bork, Ethik-Kommissionen, S. 100. 176 Vgl. Dreier, in: ders., Vorb. Rn. 125; Sachs, in: ders., Vor Art. 1 GG Rn. 89 f. 177 Vgl. Sachs, in: ders., Vor Art. 1 GG Rn. 93.
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und voraussehbare Reaktion handelt.178 Dementsprechend liegt in einem ablehnenden oder nur eingeschränkt zustimmenden (beratenden) Ethik-Kommissionsvotum ein tatbestandlicher (faktischer) Grundrechtseingriff in die Forschungsfreiheit179 , sodass auch die für die allgemeine Leistungsklage erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) vorliegt.180 Aus amtshaftungsrechtlicher Sicht führt diese Sichtweise freilich dazu, dass der Forscher die auf einem inhaltlich fehlerhaftem oder verspätetem Votum beruhenden Schaden nicht ersetzt verlangen kann, die durch Erhebung der allgemeinen Leistungsklage vermieden worden wären, § 839 Abs. 3 BGB. 2. Enteignungsgleicher Eingriff Hat das beratungspflichtige Forschungsvorhaben bereits in der Person des Forschers entstandene Urheber- und Patentrechte zum Gegenstand181 , so könnten bei einer ablehnenden oder nur eingeschränkt zustimmenden Stellungnahme der EthikKommission auch Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht kommen. Voraussetzung ist, dass eine hoheitliche Maßnahme unmittelbar eine rechtswidrige Beeinträchtigung einer als Eigentum geschützten Rechtsposition bewirkt.182 Urheber- und Patentrechte sowie die patenfähige Erfindung gehören zum Eigentum iSd Art. 14 Abs. 1 GG.183 Über Art. 14 Abs. 1 GG wird auch die Eigentumsnutzung und damit auch die Nutzung im Rahmen eines medizinischen Versuchs erfasst. Als Eingriffshandlungen kommen alle hoheitlichen Maßnahmen 178
Ebenso Sobota, AöR 121 (1999), 229, 245; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 167. Einen Grundrechtseingriff nicht nur in der Konsultationspflicht (§ 15 MBO-Ä), sondern auch in der Entscheidung der Ethik-Kommission selbst sehen etwa Sobota, AöR 121 (1999), 229, 242 ff., bes. S. 245 f.; Gramm, WissR 32 (1999), 209, 216, der dies als „überwiegend anerkannt“ bezeichnet; Trute, Forschung, S. 167; Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 167; Hohnel, Deklaration von Helsinki, S. 135 ff., bes. S. 138 a.E.: „Sofern eine öffentlich-rechtliche Ethik-Kommission und damit ein staatlicher Entscheidungsträger das negative Votum ausgesprochen hat, stellen die festgestellten Konsequenzen einer Negativbewertung im Ergebnis eine staatliche Einwirkung auf den Prozess der Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse dar. Damit liegt ein mittelbar-faktischer Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG vor“. 180 Wie hier Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 164 ff., bes. S. 167; wohl auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1067.; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommission, S. 56 f.; Deutsch, NJW 1981, 614, 616; ders., VersR 1989, 429, 432; ders., VersR 1995, 121, 124; a.A. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 173 f. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 109 ff.; die die allgemeine Leistungsklage an der fehlenden Klagebefugnis scheitern lassen, sowie Tiedemann, ZRP 1991, 54, 59, der überhaupt kein Rechtsmittel für gegeben hält. Unklar BSG, juris, Urt. v. 23.4.2009, Az. B 9 VJ 1/08 R, Rn. 51: „. . . die Stellungnahmen der Ethik-Kommissionen haben insoweit also den Charakter unverbindlicher Gutachten, die vor den Verwaltungsgerichten unanfechtbar sind“. 181 Zu beachten sind die Besonderheiten, die aus dem ArbnErfG resultieren können. 182 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 GG Rn. 37; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 88. Ausf. dazu bereits oben, § 6 A.II.3. 183 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 244; dazu bereits oben, § 6 A.II.3.c.aa. 179
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in Betracht, die eine Eigentumsbeeinträchtigung bewirken können. Erfasst wird insbesondere auch das schlichte Hoheitshandeln184 , wozu die Tätigkeit der EthikKommissionen auch in ihrer rein beratenden Funktion zu zählen ist.185 Als Eingriffe iSd Enteignungstatbestands kommen zeitlich verzögerte186 , ablehnende oder eingeschränkte Stellungnahmen in Betracht, die – wie ausgeführt – faktisch dazu führen, dass der Forscher sein Forschungsvorhaben nicht oder nicht wie geplant beginnen bzw. durchführen kann. Da der Eingriff keine Finalität des staatlichen Verhaltens voraussetzt187 , steht dem nicht entgegen, dass das Ethik-Kommissionsvotum rechtlich unverbindlich ist. Eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff ist jedoch nicht für jede in Ausübung öffentlicher Gewalt verursachte rechtswidrige Beeinträchtigung des Eigentums gegeben. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition muss vielmehr durch eine hoheitliche Maßnahme unmittelbar beeinträchtigt worden sein.188 Verlangt man hierfür, dass sich zwischen den Eingriff und die Eigentumsbeeinträchtigung keine weiteren Umstände schieben dürfen, so ließe sich ein Eingriff iSd Enteignungstatbestands nur für das (qualifizierte) Unterlassen der Beratung bejahen, da ohne eine Beratung das Forschungsvorhaben nicht begonnen werden darf, nicht jedoch für die übrigen Fälle, da der Forscher unabhängig vom Ausgang der Beratung rechtlich an der Versuchsdurchführung und damit auch an der Nutzung der Eigentumspositionen nicht gehindert wird. Der BGH versteht jedoch die Unmittelbarkeit nicht als ein rein formales Kriterium. Vielmehr geht er von der jeweiligen Eigenart der hoheitlichen Maßnahme aus und fragt danach, ob diese eine Gefahrenlage geschaffen hat, die zu den in Rede stehenden schädigenden Auswirkungen geführt hat. Erforderlich ist ein innerer Zusammenhang der Folgen mit der Maßnahme dergestalt, dass sich in der Eigentumsbeeinträchtigung eine besondere Gefahr ausgewirkt hat, die in der hoheitlichen Maßnahme angelegt war. Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit ist also ein Kriterium für die wertende Zurechnung der Schadensfolgen nach Verantwortungsbereichen und Risikosphären.189 Die entscheidungserhebliche Frage ist also, ob zwischen dem negativem Votum der Ethik-Kommission und dem Abstandnehmen vom Forschungsvorhaben, welches 184 Vgl. etwa BGH NVwZ 1992, 1119 (faktische Bausperre); Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 27; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 254 m.w. Nachw. 185 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1067; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 154. 186 Nach der Rspr. des BGH dürfte die unerlassene Beratung als ein tatbestandliches qualifiziertes Unterlassen anzusehen sein, da der Forscher einen Anspruch auf Begutachtung seines Forschungsvorhabens hat. 187 Ausf. u. m.w. Nachw. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 248 ff.; ferner Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 93. 188 Vgl. BGHZ 125, 19, 21; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 GG Rn. 47; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 31; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 431. 189 Vgl. BGHZ 131, 163, 166 f.; 125, 19, 21; 92, 34, 41; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 248 ff., bes. S. 250; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 GG Rn. 47; Maurer, Allg VerwR, § 27 Rn. 93; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 31 f.; Baldus/Grzeszick/Wienhues, Staatshaftungsrecht, Rn. 431.
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die Urheber- und Patentrechte des Forschers zum Gegenstand hat, ein innerer Zusammenhang besteht und in der Beeinträchtigung der Eigentumspositionen sich ein typisches Risiko verwirklicht hat, welches in der ablehnenden Stellungnahme der Ethik-Kommission angelegt war. Es liegt in der Eigenart der nur beratenden Tätigkeit von Ethik-Kommissionen, dass ihreVoten zwar einerseits rechtlich unverbindlich sind, andererseits aber kraft Eintretens einer „zwangsläufigen Kettenreaktion“190 für den Forscher faktisch iSe genehmigungsgleichen Wirkung verbindlich sind. Eine ablehnende Stellungnahme führt in der Praxis zu einer „faktischen Forschungssperre“. Dass der Forscher das Beratungsergebnis zugrunde legt und dieser dem fehlerhaften Votum folgt, stellt mithin auch keine untypische Gefahr dar. Es wäre nicht einzusehen, einen Zurechnungszusammenhang deswegen zu negieren, weil der Forscher die Möglichkeit hätte, sich über das Beratungsergebnis hinwegzusetzen, wenn das typische Risiko der Befolgung des Ethik-Kommissionsvotums sich im konkreten Fall in der Nichtdurchführung des Versuchs verwirklicht. Die Befolgung des Ethik-Kommissionsvotums lässt sich auch nicht in den ausschließlichen Verantwortungsbereich und in die Risikosphäre des Forschers einordnen, denn dieser nimmt nicht aus autonomen Motiven von seinem Forschungsvorhaben Abstand.191 Auch die Unmittelbarkeit der Eingriffswirkung liegt demzufolge vor. Das Sonderopfer des Forschers ergibt sich aus der fehlerhaften bzw. verzögerten Stellungnahme der Ethik-Kommission, da ihm ein Opfer zugemutet wird, welches anderen Forschern nicht auferlegt wird, weil ein gesetzmäßiges Handeln der EthikKommission einen Eingriff ausgeschlossen hätte.192 Der Anspruch richtet sich ausschließlich auf den Ausgleich des erlittenen Sonderopfers, also in erster Linie auf den (Verkehrs-)Wert der entzogenen Substanz bzw. des (vorübergehenden) Nutzungsentgangs der Urheber- und Patenrechte. Erfasst sind aber auch Folgeschäden, die als erzwungene und unmittelbare Folgen der Substanzbeeinträchtigung hinzukommen, etwa Rechtsberatungs- und Gutachterkosten.193 Zu berücksichtigen ist, dass über § 254 BGB analog der Vorrang des Primärrechtsschutzes gilt, sodass Nachteile des Forschers, die im Wege des Rechtsschutzes gegen den Verletzungsakt in zumutbarer Weise hätten vermieden werden können, nicht über den enteignungsgleichen Eingriff liquidiert werden können. Auch hier kommt insoweit die allgemeine Leistungsklage in Betracht. Passivlegitimiert ist der durch den Eingriff unmittelbar begünstigte Hoheitsträger. Dies ist sowohl der Hoheitsträger, dessen Aufgaben wahrgenommen wurden, als auch der Hoheitsträger, dem die Vorteile des Eingriffs zugeflossen sind. Zur Leistung sind demzufolge die Universität oder die Kammer als Aufgabenwahrnehmungskörperschaften verpflichtet. Sieht man in der Wahrnehmung der „Forschungsberatung“
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Sobota, AöR 121 (1999), 229, 245 f. (Zitat: S. 246). Zu diesem Aspekt auch Stamer, Ethik-Kommissionen, S. 167. 192 Das Sonderopfer folgt aus der Rechtswidrigkeit des staatlichen Eigentumseingriffs, vgl. Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 33. 193 Vgl. im Einzelnen Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 GG Rn. 48 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 266; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 43. 191
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den Schutz der Versuchsteilnehmer an erster Stelle stehend194 und zieht man hieraus richtigerweise die Konsequenz, dass Ethik-Kommissionen staatliche Aufgaben wahrnehmen195 , mithin nicht nur der kleinere Kreis der Hochschul- und Kammermitglieder Begünstigte sind, so wird man auch das Land als Vorteilszufließungskörperschaft als passivlegitimiert erachten müssen. AufgabenwahrnehmungsundVorteilszufließungskörperschaft haften in dieser Konstellation als Gesamtschuldner.196
3. Ergebnis Für den durch das Verhalten der Ethik-Kommissionsmitglieder geschädigten Forscher kommen Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG in Betracht, wenn die Ethik-Kommission eine fehlerhafte Stellungnahme abgibt oder der Antrag verzögert bearbeitet wird. Gegen verzögerte oder ablehnende Stellungnahmen ist die allgemeine Leistungsklage gegeben, deren schuldhafte Nichteinlegung über § 839 Abs. 3 BGB zum Ausschluss der Ersatzpflicht für solche Schäden führt, die durch Erhebung der allgemeinen Leistungsklage hätten vermieden werden können. Weiterhin kommen Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht, wenn der Forscher infolge der Stellungnahme faktisch an der Nutzung entstandener Urheber- und Patentrechte gehindert wird.
III. Haftung bei Abgrenzungsfragen zum AMG/MPG 1. Problemstellung Ein medizinisches Forschungsvorhaben am Menschen ist nach § 15 MBO-Ä stets beratungspflichtig, nicht notwendigerweise aber (zusätzlich) gemäß den bereichsspezifischen Regelungen genehmigungspflichtig. Kaum eine andere Thematik dominiert die Praxis der Ethik-Kommissionstätigkeit wie diejenige nach der Abgrenzung zwischen den Forschungsvorhaben, die unter einem präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stehen (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F.), und solchen, die (nur) der reinen Beratungspflicht nach § 15 MBO-Ä unterliegen. Fehleinordnungen durch den Forscher und schließlich auch durch die Ethik-Kommission können weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen197 , wobei der eindeutige Schwerpunkt auf der Reichweite des AMG liegt.198 Die eigentliche Problematik 194
Unstreitig, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1026. Vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 222; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 146. 196 Vgl. zur überaus schwierig festzustellenden Passivlegitimation bereits oben, § 6 A.II.9. 197 Dazu auch Gödicke, MedR 2008, 636, 639 f. 198 Nach dem Bericht der Bundesregierung zu Erfahrungen mit dem Verfahren der Beteiligung von Ethik-Kommissionen bei klinischen Prüfungen stellt die zu treffende Einordnung von 195
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der Abgrenzungsfrage liegt in dem Patienten-/Probandenschutzgefälle: Während für die klinische Prüfung mit Arzneimitteln und nunmehr auch mit Medizinprodukten ein umfassendes parallelisiertes Verwaltungsverfahren mit vorgesehener Genehmigung/zustimmender Bewertung und gleichzeitiger Statuierung einer umfangreichen Unterlagenbeibringungspflicht sowie einer Pflicht zum Abschluss einer Probandenversicherung vorgesehen ist, bleiben solche Forschungsvorhaben, die nicht unter die bereichsspezifischen Normierungen fallen, hinter diesem Schutzniveau zurück. Auf der anderen Seite ist die Erfüllung jenes kostenintensiven und zeitaufwendigen Schutzniveaus, welches beträchtliche organisatorische Anstrengungen erfordert, seitens des Forschers ohne Beteiligung der pharmazeutischen Industrie faktisch ausgeschlossen, zumindest jedoch erheblich erschwert. Im Mittelpunkt steht die abzuschließende Probandenversicherung, deren Versicherungsprämie oftmals von einem Forscher nicht aufzubringen ist. In der Praxis liegt es idR so, dass der Forscher einen Antrag auf (alleinige) Beratung seines Vorhabens einreicht, § 15 MBO-Ä. Die von der Ethik-Kommission vorzunehmende Prüfung, nämlich ob der Antrag nur beratungspflichtig und nicht nach den bereichsspezifischen Normierungen genehmigungspflichtig ist, verlangt eine medizinische und juristische an Unwägbarkeiten kaum zu übertreffende Prüfung: Das AMG und das MPG findet Anwendung auf Arzneimittel bzw. Medizinprodukte. Problematisch ist vor allem die Abgrenzung des Arzneimittels zu anderen nicht dem AMG unterfallenden Mitteln199 , vor allem zu sog. Nahrungsergänzungsmitteln.200 Ist ein Arzneimittel/Medizinprodukt Gegenstand des Forschungsvorhabens, so stellt sich weiterhin die Frage, ob eine Sachlage gegeben ist, für die die §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG n. F. auch Anwendung finden.201 Weiterhin werden unter bestimmten Voraussetzungen Forschungsvorhaben vom Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG ausgenommen, nämlich dann, wenn eine klinische Prüfung mit Medizinprodukten durchgeführt wird, die nach den §§ 6 und 10 MPG die CE-Kennzeichnung tragen dürfen, es sei denn, diese Prüfung hat eine andere Zweckbestimmung des Medizinproduktes zum Inhalt oder es werden zusätzlich invasive oder andere belastende Untersuchungen durchgeführt (§ 22b MPG n. F). Für den Bereich der Arzneimittelprüfung fallen sog. nichtinterventionelle Prüfungen aus dem Anwendungsbereich der §§ 40 ff. AMG (§ 4 Abs. 23 S. 2 AMG). Gerde im Hinblick auf den nichtinterventionellen Charakter sind Unwägbarkeiten vorprogrammiert, etwa wenn es nur um zusätzliche Blutabnahmen geht, studienbedingte Interventionen mit Interventionen der ärztlichen Routine verbunden werden oder gar auf erforderliche studienbedingte
AMG- und Nicht-AMG-Studien ein „grundsätzliches Problem“ der derzeitigen Tätigkeit von Ethik-Kommissionen dar, vgl. BT-Drs. 16/7703, S. 7; s.a. Gödicke, MedR 2008, 636, 639 f. 199 Die Bandbreite reicht in der Praxis von Knoblauchkapseln über Zimtpräparate bis hin zum Einsatz von Vulkanstein zu Dopingzwecken. 200 Zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln BVerwG NVwZ 2008, 439 ff.; Müller, NVwZ 2007, 543 ff.; Hüttebräuker/Müller, NVwZ 2008, 1185 ff.; zur Problematik im vorliegenden Kontext Gödicke, MedR 2008, 636, 639 f. 201 Ausf. zur Reichweite des AMG und zum Begriff der klinischen Prüfung oben, § 4 C.I.
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Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
Begleituntersuchungen verzichtet wird, um das Forschungsvorhaben außerhalb des genehmigungsbedürftigen Anwendungsbereichs zu halten.
2. Ausgangslage Ausgangspunkt der Haftung ist die Amtspflicht der Ethik-Kommissionsmitglieder, einen nur auf Beratung gerichteten Antrag dahingehend zu überprüfen, ob das Forschungsvorhaben tatsächlich nur nach § 15 MBO-Ä beratungspflichtig ist. Dies folgt für Ethik-Kommissionen daraus, dass sie den Forscher berufsrechtlich zu beraten haben. Fällt ein Forschungsvorhaben unter die §§ 40 ff. AMG, §§ 20 ff. MPG n. F., so muss der Forscher darauf hingewiesen werden, dass das Vorhaben nach derzeitigem Stand wegen eines bestehenden präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, § 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F.) unzulässig ist. Zwar bestünde zumindest für solche Kommissionen, die sowohl die berufsständische Beratung als auch die Aufgaben nach dem AMG/MPG wahrnehmen, die Möglichkeit, den Antrag auf Beratung in einen Antrag auf zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG/§ 22 MPG n. F. umzudeuten, § 140 BGB analog.202 Abgesehen davon, dass ein auf Beratung nach § 15 MBO-Ä gerichteter Antrag niemals zugleich die Voraussetzungen für eine zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG/§ 22 MPG n. F. erfüllen wird, eine Umdeutung also nur dazu führen würde, dass die zustimmende Bewertung abgelehnt werden müsste, so lässt sich das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt nicht ohne die Genehmigung der Bundesoberbehörde aufheben.
3. Haftung gegenüber dem Forscher Eine Haftung für eine fehlerhafteAbgrenzung zwischen genehmigungs- und (nur) beratungspflichtigen Forschungsvorhaben kommt praxisnah für zwei Fallgestaltungen in Betracht: Zum einen kann der Forscher fehlerhaft auf die zusätzliche Genehmigungspflichtigkeit hingewiesen werden, sodass das Forschungsvorhaben seitens der Ethik-Kommission (unverbindlich) nach § 15 MBO-Ä ablehnend bewertet wird, und zum anderen kann der Hinweis auf das Eingreifen des präventivenVerbots mit Erlaubnisvorbehalt unterbleiben, sodass das Vorhaben (unverbindlich) nach § 15 MBO-Ä positiv bewertet wird. a. Fehlerhafter Hinweis auf die bereichsspezifische Genehmigungspflichtigkeit mit ablehnender Stellungnahme Ergeht gegenüber dem Forscher eine negative Stellungnahme, weil nach Auffassung der Kommission das Forschungsvorhaben unter einem präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, § 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F.), 202
Allg. dazu OVG Münster, NVwZ 1990, 676 f.; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 18.
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ist das Forschungsvorhaben aber tatsächlich nur beratungspflichtig nach § 15 Abs. 1 MBO-Ä, so begründet dies eine Verletzung eine dem Forscher gegenüber bestehende Amtspflicht. Im Hinblick auf die Kausalität der Stellungnahme trotz ihrer grundsätzlichen rechtlichen Unverbindlichkeit gelten die bereits angesprochenen Grundsätze gleichermaßen, wobei zu berücksichtigen ist, dass gerade die (fehlerhafte) Negativbeurteilung in den hochsensiblen Bereichen der Abgrenzungsfragen nicht nur aus Gründen der gesteigerten Haftungsrisiken, sondern vor allem aufgrund einer drohenden Strafbarkeit des Forschers nach § 96 Nr. 11 AMG/§ 41 Nr. 4 MPG n. F. zu einer faktischen Verbindlichkeit führt. In der Praxis führt eine solche negative Stellungnahme seitens der Ethik-Kommission deshalb auch zu einer „faktischen Forschungssperre“. Der Forscher hat nach § 839 BGB, Art. 34 GG einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die fehlerhafte Stellungnahme der Ethik-Kommission entstanden ist, sowie einen Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Freilich findet auch in der vorliegenden Haftungskonstellation der Grundsatz vom Vorrang des Primärrechtsschutzes Anwendung, § 839 Abs. 3 BGB, § 254 BGB analog. b. Unterbliebener Hinweis auf die bereichsspezifische Genehmigungspflichtigkeit mit zustimmender Stellungnahme Erklärt die Ethik-Kommission das Vorhaben für berufsrechtlich unbedenklich, obwohl gegen das Forschungsvorhaben nach den bereichsspezifischen Regelungen ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingreift, so begründet dies ebenfalls eine Amtspflichtverletzung. Mit dieser Haftungskonstellation ist wiederum die Vertrauenshaftung angesprochen, also die Amtspflicht, keine ungesicherten Vertrauenstatbestände zu schaffen. Die berufsrechtliche Unbedenklichkeitserklärung der Ethik-Kommission begründet ein Vertrauen des Forschers dahingehend, dass gegen das Forschungsvorhaben keine rechtlichen Einwände bestehen, und zwar auch und gerade dahingehend, dass das Vorhaben „genehmigungsfrei“ durchgeführt werden kann. Soweit das Vertrauen schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG analog), kann der Forscher solche Schäden ersetzt verlangen, die er durch das berechtigte aber später enttäuschte Vertrauen auf die rechtliche Unbedenklichkeit seines Forschungsvorhabens erlitten hat. c. Verschulden der Ethik-Kommissionsmitglieder Die Frage nach der juristischen Abgrenzung zwischen beratungs- und genehmigungspflichtigen Forschungsvorhaben darf nicht zu der Annahme verleiten, dass nur dem juristischen Ethik-Kommissionsmitglied ein Verschuldensvorwurf treffen kann. Auch von nicht-juristischen Ethik-Kommissionsmitgliedern fordert der objektiv-typisierte Sorgfaltsstandard, dass jedes Ethik-Kommissionsmitglied die zur Führung seines Amtes notwendigen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzt oder sich verschafft203 , wobei freilich von einem Juristen mehr verlangt wird. 203
So für Ratsmitglieder BGHZ 106, 323, 329 f.
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Die Abgrenzungsfragen stehen zudem nicht außerhalb der pluralistischen Entscheidungsfindung. Vielmehr ist auch hier der professionell-interdisziplinäre Diskurs von entscheidender Bedeutung. Kommt es für die Annahme einer Arzneimitteleigenschaft entscheidend auf pharmakologische Wirkungen an, so ist ein Rückgriff auf pharmakologischen Sachverstand erforderlich, und für die Beurteilung einer nichtinterventionellen Prüfung kann es entscheidend auf den derzeit üblichen Standard ankommen. Bezugspunkt des Verschuldens ist im vorliegenden Themenkomplex ausschließlich die Verkennung der Reichweite des jeweiligen präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Gerade im hiesigen Kontext der „juristischen Grauzonen“ sind aber die Einschränkungen zu berücksichtigen, die das Verschulden bei unrichtiger Gesetzesauslegung betreffen. Während eine schuldhafte Amtspflichtverletzung jedenfalls dann vorliegt, wenn die Auslegung gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes verstößt oder aber die rechtlichen Zweifelsfragen höchstrichterlich geklärt sind, so kann ein Verschulden des Beamten entfallen, wenn die objektiv unrichtige Auslegung eine Vorschrift betrifft, deren Inhalt zweifelhaft sein kann oder durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt worden ist.204 Erweist sich die Rechtsauffassung wenigstens für objektiv vertretbar, so muss, um den Schuldvorwurf zu beseitigen, die subjektive Komponente der sorgfältigen rechtlichen und tatsächlichen Prüfung hinzutreten.205 Höchstrichterliche Entscheidungen sind zu dem vorliegenden Themenkomplex noch nicht ergangen.206 Verstößt die Entscheidung der Ethik-Kommission nicht gegen den klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, so muss also eine fehlerhafte Abgrenzung nicht zwangsläufig ein Verschulden begründen, zumal Entscheidungen der Ethik-Kommissionen durch juristischen Fachverstand begleitet werden. 4. Amtshaftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer Erleidet ein Versuchsteilnehmer bei Durchführung eines genehmigungspflichtigen (§ 42 Abs. 1 AMG/§ 22 MPG n. F.), von der Ethik-Kommission aber nur dem § 15 MBO-Ä unterstellten Forschungsvorhaben einen Schaden, so kommen auch hier Amtshaftungsansprüche in Betracht. a. Schuldhafte Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht Die Amtspflicht, den Forscher auf die berufsrechtlichen Bedenken aufgrund der Genehmigungspflichtigkeit seines Forschungsvorhabens hinzuweisen und eine ablehnende Stellungnahme abzugeben, obliegt den Ethik-Kommissionsmitgliedern auch 204 Vgl. RGZ 107; 118, 120; 133, 137, 142; 135, 110, 116; BGHZ 30, 19, 22; NJW 1995, 2918, 2920 205 Vgl. BGHZ 30, 19, 22; 119, 365, 369; NJW 1984, 168, 169; NJW 1994, 3158, 3159; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 74. Zum Themenkreis ausf. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 204 ff. 206 Vgl. aber VG Ansbach, juris, Bschl. v. 06.04.2009, Az. AN 16 S 08.01751, betreffend eine Nicht-interventionelle Prüfung bei nicht zulassungspflichtigen Arzneimitteln.
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und gerade gegenüber den (potentiellen) Versuchsteilnehmern, da sich die Abgrenzungsfrage unmittelbar auf die Anwendung der patienten-/probandenschützenden Vorschriften und auf das vom Forscher einzuhaltende Patienten-/Probandenschutzniveaus bezieht (§§ 40 ff. AMG, §§ 20 ff. MPG n. F.).207 Bezugspunkt des Verschuldens ist auch hier ausschließlich die Verkennung der Reichweite des jeweiligen präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. b. Ursächlichkeit und Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens Die Amtspflichtverletzung ist für sämtliche studienbedingte Schäden des Versuchsteilnehmers iSd condicio sine qua non-Formel ursächlich, denn hätte die Ethik-Kommission den Forscher rechtmäßig beraten, ihn also darauf hingewiesen, dass gegen sein Vorhaben ein (präventives) Verbot besteht, dann wäre die Studie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht durchgeführt worden. Fraglich ist, ob eine Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten in Betracht kommt. Jener Einwand kann für die Zurechnung der Schadensfolgen beachtlich sein.208 Es wird geltend gemacht, dass sich der Schaden gleichermaßen bei rechtswidrigem und rechtmäßigem Verhalten ereignet hätte, der Schaden also bei Vermeidung jeder Verletzung ebenso eingetreten wäre.209 Die Beweislast hierfür trägt der Schädiger.210 Ob und inwieweit der Einwand beachtlich ist, entscheidet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm.211 Fraglich ist, ob geltend gemacht werden kann, dass sich die studienbedingten Schädigungen auch dann ereignet hätten, wenn das Forschungsvorhaben das jeweilige Genehmigungsverfahren ordnungsgemäß durchlaufen hätte. Dagegen bestehen jedoch sowohl rechtliche als auch tatsächliche Bedenken. Zum einen ist überaus fraglich, ob nach dem Schutzzweck der Normen, die das jeweilige präventive Verbot beinhalten (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, § 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F.), ein solches Vorbringen beachtlich ist. Anzunehmen wäre dies dann, wenn man in der Durchführung des besonders statuierten Genehmigungsverfahrens nur eine unwesentliche oder untergeordnete Förmlichkeit erblickt. Die §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG schützen jedoch Leben, Körper und Gesundheit der Versuchspersonen. Beide Genehmigungsverfahren dienen dem Schutz verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter, ihre Nichtbeachtung wird strafrechtlich sanktioniert (§ 96 Nr. 11 AMG/§ 41 Nr. 4 MPG n. F.) und sie sind gerade auf die Interessenlagen der klinischen Prüfung von Medizinprodukten und Arzneimitteln ausgerichtet, was auch und erst recht die jeweils vorgesehene Genehmigung der Bundesoberbehörde bestätigt.212 Abgesehen von der 207
Auf den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung sei ausnahmsweise erst nach Feststellung des Kausalzusammenhangs eingegangen. 208 Vgl. BGHZ 96, 157, 171 ff.; 120, 281, 285 f.; NJW-RR 1997, 562, 563 f.; NJW 2000, 1206, 1207. 209 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 186, 188; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 72. 210 Vgl. nur Palandt/Grüneberg, Vor § 249 Rn. 66; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 76. 211 Vgl. BGHZ 96, 157, 173; NJW 2000, 1206, 1207; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 188. 212 Zu den für die Beachtlichkeit des Einwands des rechtmäßigenAlternativverhaltens anzulegenden Kriterien vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 188, 193; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 75; instruktiv Österr OGH, EvBl 1981/20 S. 599 = EUGRZ 1981, 573 = JBl 1982,259 sowie RGZ 169, 353, 358.
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Beachtlichkeit des Einwands nach dem Schutzzweck der Norm muss bezweifelt werden, dass der Schaden auch bei Vermeidung jeder Verletzung eingetreten wäre, denn es ist faktisch ausgeschlossen, einen nach § 15 MBO-Ä eingereichten Antrag nach den bereichsspezifischen Normierungen rechtmäßigerweise zustimmend zu bewerten und diesbezüglich wird auch der Beweis nicht zu führen sein, dass die Bundesoberbehörde eben jenen Antrag genehmigt hätte. c. Sachlicher Schutzbereich Erforderlich ist freilich, dass der Schaden des Versuchsteilnehmers auch in den sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung fällt, was dann der Fall ist, wenn gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Abzustellen ist unmittelbar auf den Schutzzweck der präventiven Verbote mit Erlaubnisvorbehalt, die Rechtsverstöße zulasten von Versuchsteilnehmern im Vorfeld verhindern sollen. Insoweit lässt sich konstatieren, dass einerseits studienbedingte Schädigungen von Versuchsteilnehmern vermieden werden sollen, andererseits aber, dass solche Schäden, in denen sich dasjenige Risiko nicht realisiert, vor dem die §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG schützen sollen, außerhalb des Schutzzwecks stehen. Allerdings erfährt der sachliche Schutzbereich insoweit eine Relativierung, als die präventiven Verbote mit Erlaubnisvorbehalt nicht nur dazu dienen, studienbedingte Schäden zu vermeiden, sondern es soll auch durch eine Probandenversicherung Vorsorge dafür getroffen werden, dass der Studienteilnehmer auch dann einen Ersatz seiner erlittenen Schäden erhält, wenn kein anderer für den Schaden haftet (§§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8 AMG, 20 Abs. 1 S. 4 Nr. 9 MPG). Der Leistungsumfang der jeweils nach den bereichsspezifischen Normierungen abzuschließenden Probandenversicherung hat insoweit Einfluss auf den Schutzbereich der Amtspflichtverletzung: Es sind jedenfalls solche Schäden des Versuchsteilnehmers zu ersetzen, die eine Probandenversicherung übernommen hätte.213 d. Anderweitige Ersatzmöglichkeiten, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Vorrangig bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist der Forscher, der entgegen dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt sein Forschungsvorhaben durchführt, § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. In Betracht kommen Schadensersatzansprüche wegen vertraglicher Nebenleistungs- und Schutzpflichtverletzungen (§ 280Abs. 1 BGB), deliktischeVerkehrssicherungspflichtverletzungen (§ 823 Abs. 1) und die Verletzung von Schutzgesetzen (§ 823 Abs. 2 BGB). Fraglich ist, ob gerade in den „juristischen Grauzonen“ der Abgrenzungsfragen der Forscher sich verschuldensentlastend auf die Ethik-Kommissionsberatung berufen kann. Auch hier sind die bereits herausgestellten Grundsätze anzuwenden. Der Irrtum über tatsächliche oder rechtliche Bewertungen wird durch die Aufwendung der 213
Ähnlich Gödicke, MedR 2008, 636, 639; s.a. Deutsch, in: FS Schreiber, S. 43, 46.
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inneren Sorgfalt vermieden.214 Es kommt darauf an, ob bei Aufwendung des Sorgfaltsstandards der Irrtum über die Genehmigungspflichtigkeit vermeidbar war. Von einem Forscher ist zu verlangen, dass er Kenntnis über die rechtlichen Rahmenbedingungen besitzt, wozu auch die Reichweite der präventiven Verbote zu zählen ist. Erst dort, wo die Rechtslage in besonderem Maße unklar ist und die Klärung von einem Forscher nicht zu erwarten ist, kann der Irrtum unvermeidbar sein, wenn von ihm mehr als eine Beratung vor einer Ethik-Kommission nicht verlangt wird. Da der Forscher selbst verpflichtet ist, die Rechtslage sorgfältig zu prüfen, ist als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass er die Kommission über die sich stellende Abgrenzungsfrage hinweist und seinen besonderen Beratungsbedarf hervorhebt. Anderenfalls liegt eine Sorgfaltspflichtverletzung vor, da von einem Forscher bei sich stellenden schwierigen Rechts- und Forschungsfragen mehr zu verlangen ist, als das Forschungsvorhaben ohne Problemfokussierung nur der Ethik-Kommission vorzulegen, in der Hoffnung, diese werde das Problem selbst erkennen.
§ 10 Tätigkeit von Ethik-Kommissionen nach der Strahlenschutz- und Röntgenverordnung Nach dem ALARA-Prinzip215 , das auf die grundlegenden Leitlinien der Internationalen Strahlenschutzkommission216 aus dem Jahre 1977 zurückgeht217 , sind alle Strahlenexpositionen kraft der nicht widerlegbarenAuffassung, dass jede Strahlendosis Schäden bewirken kann, so gering wie möglich zu halten.218 Nicht nur im Rahmen der ärztlichen Routine sind diesbezügliche Abwägungen zu treffen219 , sondern auch im Rahmen der medizinischen Forschung. Dass Risiken für Studienteilnehmer gering zu halten sind, entspricht zwar dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; für Strahlenexpositionen besteht jedoch ein bereichsspezifisches Bedürfnis für eine legislative Steuerung.
A. Grundlagen Wer zum Zwecke der medizinischen Forschung radioaktive Stoffe, ionisierende Strahlen oder Röntgenstrahlen anwendet, bedarf der Genehmigung (§ 23 Abs. 214
Vgl. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 148; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 409. ALARA = As Low As Reasonably Achievable. 216 International Commission on Radiological Protection (ICRP). 217 Recommendation of the International Commission on Radiological Protection, IRCP Publication 26 (1977), Nr. 12. 218 Hierzu auch Kiefer, Radiologie, S. 125 f. 219 Vgl. etwa Uffmann/Schaefer-Prokop/Neitzel, Der Radiologe 2008, 249 ff.: Abwägung von Dosisbedarf und Bildqualität in der digitalen Radiographie. 215
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1 StrlSchV, § 28a Abs. 1 RöntgenVO), für deren Erteilung das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig ist (§ 23 Abs. 2 StrlSchV, § 28a Abs. 2 RöntgenV). I. Anwendungsbereich: Medizinische Forschung Die Genehmigungspflicht bezieht sich ausschließlich auf die medizinische Forschung. Sie wird nach §§ 3 Abs. 2 Nr. 14 StrlSchV, § 2 Nr. 8 RöntgenV in Bezug genommen mit der Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung bzw. Röntgenstrahlung am Menschen, soweit sie der Fortentwicklung der Heilkunde oder der medizinischen Wissenschaft und nicht in erster Linie der Untersuchung oder Behandlung des einzelnen Patienten dient.220 Die Anwendung im Rahmen individueller Heilversuche unterliegt folglich nicht der Genehmigungspflicht.221 Die StrlSchV und die RöntgenV finden unabhängig davon Anwendung, ob das Forschungsvorhaben weiteren bereichsspezifischen Genehmigungspflichten unterliegt. Werden radioaktive Stoffe, ionisierende Strahlen oder Röntgenstrahlen im Rahmen einer klinischen Prüfung mit Arzneimitteln oder Medizinprodukten eingesetzt, so bedarf es neben der zustimmenden Bewertung der Ethik-Kommission und der Genehmigung der Bundesoberbehörde (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG n. F.) auch der Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz222 , denn klinische Prüfungen, auch solche mit therapeutischem Nutzen, dienen niemals in erster Linie der Untersuchung oder der Behandlung.223 Im Übrigen ist ein Gleichlauf mit der berufsständischen Beratung nach § 15 MBO-Ä zu verzeichnen, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Begriff der „(bio-)medizinischen Forschung“ iSd § 15 MBO-Ä anders zu beurteilen ist, als derjenige iSd §§ 3 Abs. 2 Nr. 14 StrlSchV, § 2 Nr. 8 RöntgenV. II. Überblick über die gesetzlichen Regelungen 1. Systematik Der StrlSchV und der RöntgenV liegt eine vom AMG und MPG verschiedene Systematik zugrunde. Während klinische Prüfungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten unter einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt stehen und die seitens des Sponsors einzuhaltenden Voraussetzungen als Versagungsgründe für die zustimmende Bewertung/Genehmigung konzipiert sind, stellt die StrlSchV und die RöntgenV Genehmigungsvoraussetzungen (§§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV) auf. Dies verdeutlicht auch der Wortlaut der einschlägigen Vorschriften: Die Genehmigung nach §§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV „darf nur erteilt werden, wenn“, die 220
In § 2 Nr. 8 RöntgenVO wird zusätzlich die Zahnheilkunde genannt. Vgl. Kemmer, Strahlenschutzverordnung, S. 173; Wölk, Risikovorsorge, S. 157 f.; Schmatz/ Nöthlichs/Bayer/Pottschmidt/Weber, § 23 StrlSchV Anm. 1. 222 Vgl. nur v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 261; Sander, Erl. § 40 Anm. 14; Ewen/Holte, Strahlenschutzverordnung, S. 94. 223 Ausf. und wie hier Taupitz/Krpic-Mocilar, VersR 2003, 533, 535 ff.; Sander, Erl. § 40 Anm. 14. 221
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zustimmende Bewertung/Genehmigung nach den §§ 42 Abs. 1 S. 7, Abs. 2 S. 3 AMG, 22 Abs. 3, 22a Abs. 3 MPG n. F. dagegen „darf nur versagt werden, wenn“. Auf die Erteilung der Genehmigung nach §§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV besteht kein Rechtsanspruch, wenn die Voraussetzungen vorliegen, wie im Übrigen der Vergleich mit § 9 StrlSchV zeigt.224 Wie das AMG und das MPG enthalten auch die StrlSchV und die RöntgenV besondere Schutz-, Aufklärungs-, Mitteilungs- und Berichtspflichten sowie Anwendungsverbote und -beschränkungen für einzelne Personengruppen (§§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV). Während die Nichteinhaltung von Schutzvorschriften im AMG und MPG Versagungsgründe für die zustimmende Bewertung/Genehmigung darstellen und die Hauptaufgabe der Ethik-Kommission gerade in der Prüfung der patienten-/probandenschutzbezogenen Voraussetzungen liegt, fallen jene in der StrlSchV und der RöntgenV nicht unter die Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV. Von den Ethik-Kommissionen wird lediglich eine Stellungnahme zum Studienplan als Genehmigungsvoraussetzung verlangt. Nachfolgend ist ein kurzer Überblick über die gesetzlichen Regelungen zu gegeben.225 a. Genehmigungsvoraussetzungen, §§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV Das Bundesamt für Strahlenschutz darf seine Genehmigung nur unter bestimmten und (überaus) strengen Voraussetzungen erteilen. Neben der sogleich zu erörternden Stellungnahme einer Ethik-Kommission (§§ 24 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2 RöntgenV) orientieren sich die übrigen Voraussetzung für die Genehmigungserteilung strikt am Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend dem ALARA-Prinzip. Der gewohnte paternalistische Rechtfertigungsansatz, nämlich dass die strahlenbedingten Risiken gemessen an der voraussichtlichen Bedeutung der Forschungsergebnisse ärztlich gerechtfertigt sein müssen, (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1c StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1c RöntgenV) wird erst an dritter Stelle genannt. Im Vordergrund steht der Subsidiaritätsgrundsatz: Für das beantrage Forschungsvorhaben muss ein zwingendes Bedürfnis bestehen (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1a StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a RöntgenV). Die Anwendung von radioaktiven Stoffen, ionisierender Strahlung oder Röntgenstrahlung darf ferner nicht durch eine Untersuchungs- oder Behandlungsart ersetzt werden können, die keine Strahlenexposition (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1b StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1b RöntgenV) oder eine geringere Strahlenexposition (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1d StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1d RöntgenV) verursacht und sie darf nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht weiter herabgesetzt werden können, ohne den Zweck des Forschungsvorhabens zu gefährden (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1e StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1e RöntgenV). Die Anzahl der Probanden muss zudem auf das notwendige Maß beschränkt worden sein (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1g RöntgenV). Weiterhin werden spezifische Voraussetzungen für die angemessene 224
Vgl. Schmatz/Nöthlichs/Bayer/Pottschmidt/Weber, § 24 StrlSchV Anm. 4.2. Weiterführender Überblick bei Wölk, Risikovorsorge, S. 157 ff.; ferner Ewen/Holte, Strahlenschutzverordnung, S. 88 ff.; Kemmer, Strahlenschutzverordnung, S. 172 ff.; s.a. Osieka, Humanforschung, S. 317 ff. 225
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Qualifikation des Prüfers und für die Geeignetheit der Prüfeinrichtung aufgestellt (§§ 24 Abs. 1 Nr. 3, 4, 7 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 3, 4, 7 RöntgenV).226 Für die Genehmigungserteilung ist auch erforderlich, dass die Vorsorge für die Erfüllung gesetzlicher Schadensersatzverpflichtungen getroffen wurde (§§ 24 Abs. 1 Nr. 5 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 5 RöntgenV). Nach § 91 StrlSchV soll § 24 Abs. 1 Nr. 5 StrlSchV aber dann keine Anwendung finden, soweit die Vorgaben der AtDeckV durch die Vorsorge zur Erfüllung gesetzlicher Schadenersatzverpflichtungen nach den entsprechenden Vorschriften des Arzneimittelgesetzes oder des Medizinproduktegesetzes dem Grund und der Höhe nach erfüllt sind.227 Besteht also eine Probandenversicherung, so tritt die strahlenschutzrechtliche Deckungsvorsorge zurück, soweit hiermit keine Schlechterstellung des Patienten/Probanden verbunden ist.228 Aufgrund der zahlreichen Ausschlüsse und Haftungsbeschränkungen genügt nach derzeitigem Stand eine Probandenversicherung gem. dem AMG/MPG aber nicht den Anforderungen der atomrechtlichen Deckungsvorsorge229 , sodass eine Zusatz-Strahlenhaftpflichtversicherung abgeschlossen werden muss. b. Besondere Schutzvorschriften, §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV Die StrlSchV und die RöntgenV beinhalten besondere Schutz-, Aufklärungs-, Mitteilungs- und Berichtspflichten sowie Anwendungsverbote und -beschränkungen für einzelne Personengruppen, die überwiegend an das AMG und das MPG angelehnt sind und im Hinblick auf den Einsatz von radioaktiven Stoffen, ionisierender Strahlen oder Röntgenstrahlen präzisiert werden. Dies betrifft zum einen die Einholung der schriftlichen Einwilligung nach Aufklärung des Probanden/Patienten über Art, Bedeutung, Tragweite und Risiken der Anwendung der radioaktiven Stoffe oder ionisierenden Strahlung bzw. Röntgenstrahlung (§§ 87 StrlSchV, 28c RöntgenV). Anwendungsverbote und -beschränkungen bestehen für schwangere und stillende Frauen sowie für verwahrte Personen (§§ 88 Abs. 1 StrlSchV, 28d Abs. 1 RöntgenV) als auch für Personen, bei denen in den vergangenen zehn Jahren radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung bzw. Röntgenstrahlung zu Forschungs- oder Behandlungszwecken angewendet wurden und für Personen, die das 50. Lebensjahr nicht vollendet haben (§§ 88 Abs. 2, 3 StrlSchV, 28d Abs. 2, 3 RöntgenV). Für die Forschung an geschäftsunfähigen und beschränkt geschäftsfähigen Personen ist erforderlich, dass das Forschungsziel anders nicht erreicht werden kann, die Anwendung gleichzeitig zur Untersuchung oder Behandlung angezeigt ist und der gesetzliche Vertreter oder der Betreuer nach entsprechender Aufklärung seine Einwilligung gegeben hat (§§ 88 Abs. 4 StrlSchV, 28d Abs. 4 RöntgenV). 226
Ausf. hierzu Ewen/Holte, Strahlenschutzverordnung, S. 92. Für die RöntgenV gilt dies ebenso, da § 91 StrlSchV insoweit nur deklaratorische Bedeutung zukommt, vgl. Taupitz/Krpic-Mocilar, VersR 2003, 533, 535, 539 f. 228 Vgl. Ewen/Holte, Strahlenschutzverordnung, S. 268; Kemmer, Strahlenschutzverordnung, S. 227; Osieka, Humanforschung, S. 319; Sander, Erl. § 40 Anm. 14. 229 Ausf. hierzu Taupitz/Krpic-Mocilar, VersR 2003, 533 ff. 227
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2. Die Stellungnahme der Ethik-Kommission, §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 92 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2, 28g RöntgenV Das Bundesamt für Strahlenschutz darf die Genehmigung nach § 23 StrlSchV bzw. § 28a RöntgenV nur dann erteilen, wenn eine Stellungnahme einer EthikKommission zum Studienplan vorliegt, §§ 24 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2 RöntgenV. Beide Verordnungen regeln in einer gesonderten Vorschrift, dass die Ethik-Kommission unabhängig, interdisziplinär besetzt und bei der zuständigen Bundesoberbehörde registriert sein muss, §§ 92 StrlSchV, 28g RöntgenV. Erforderlich ist also keine Stellungnahme einer öffentlich-rechtlichen EthikKommission, sondern auch eine auf privater Initiative gegründete Ethik-Kommission kann eine Stellungnahme abgeben, soweit sie beim Bundesamt für Strahlenschutz registriert ist.
a. Bedeutung der Stellungnahme Die Aufgabe der Ethik-Kommission besteht darin, den Studienplan mit den erforderlichen Unterlagen nach ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten mit mindestens fünf Mitgliedern mündlich zu beraten und innerhalb von drei Monaten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, §§ 92 S. 2 StrlSchV, 28g S. 2 RöntgenV. Die §§ 92 StrlSchV, 28g RöntgenV sind nahezu wörtlich an den Inhalt des § 20 Abs. 8 MPG a. F. angelehnt. Anders als § 20 Abs. 7 MPG a. F. wird jedoch keine zustimmende Stellungnahme verlangt. Die StrlSchV und die RöntgenV beschränken sich auf eine Beratung nach „ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten“ und belassen es bei einer einfachen Stellungnahme. Sie kann also auch negativ ausfallen, ohne dass dies zwangsweise die Genehmigungsversagung nach sich zieht.230 Die Letztentscheidungskompetenz liegt ausschließlich beim Bundesamt für Strahlenschutz. Die Stellungnahme der Ethik-Kommission im Verfahren nach der StrlSchV und der RöntgenV hat demzufolge eine rein verwaltungsinterne Bedeutung; nur bei der Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz handelt es sich um einen (mehrstufigen) Verwaltungsakt.231 Das Bundesamt für Strahlenschutz als federführende Behörde hat jedoch die Stellungnahme der Ethik-Kommission sachgerecht zu würdigen.232 Es handelt sich also um einen reinen informatorischen Akt zur Vorbereitung der Entscheidung über die Genehmigungserteilung233 und damit um eine „schwache“ Beteiligungsform, wie sie auch sonst bei Verwaltungsverfahren mit vielschichtigen
230 Vgl. Wölk, Risikovorsorge, S. 159; Taupitz, Biomedizinische Forschung, S. 81; ders., in: Deutsch/Schreiber/Spickhoff/Taupitz, Klinische Prüfung, S. 139, 148; v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 179, 254 ff.; anders wohl Lippert, in: Ratzel/Lippert, § 15 Rn. 18. 231 Vgl. nur v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 254; allg. hierzu Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR I, § 45 Rn. 62; Weidemann, VR 2000, 95. 232 Allg. dazu Weidemann, VR 2000, 95. 233 Ebenso Wölk, Risikovorsorge, S. 159: „Informationsbasis“
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Interessenlagen zum internen Willensbildungsprozess und zur Verwaltungskoordination vorgesehen sind, um eine effektive und effiziente Aufgabenerfüllung zu gewährleisten.234 b. Prüfungsumfang Überaus fraglich ist, welche „ethischen und rechtlichen Gesichtspunkte“ die EthikKommission zu prüfen hat. Trotz der fast wörtlichen Übereinstimmungen weisen die RöntgenV und die StrlSchV in diesem Punkt Unstimmigkeiten auf: Nach der RöntgenV hat die Ethik-Kommission den Studienplan nach § 28b Abs. 1 Nr. 1 mit den erforderlichen Unterlagen nach ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (§ 28g RöntgenV); die StrlSchV enthält eine gleichlautende Formulierung (§ 92 StrlSchV), nimmt jedoch nicht auf die entsprechende Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV Bezug. Aus beiden Verordnungen geht nicht eindeutig hervor, ob die Ethik-Kommission sich nur auf einen Teil der vom Bundesamt für Strahlenschutz zu prüfenden Genehmigungsvoraussetzungen beschränken soll, wie dies die RöntgenV nahelegt, ob ein parallelisierter Prüfauftrag angestrebt wird, wie dies die StrlSchV nahelegt und ob zusätzlich die jeweiligen besonderen Schutzvorschriften (§§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV) von der Ethik-Kommission geprüft werden sollen. Aufschlussreich ist insoweit die Richtlinie 97/43/EURATOM, die mit der StrlSchV und der RöntgenV in deutsches Recht umgesetzt wurde235 , wonach „medizinische Expositionen zu biomedizinischen und medizinischen Forschungszwecken von einer nach einzelstaatlichen Verfahren eingesetzten Ethik-Kommission und/oder von den zuständigen Behörden geprüft werden“ müssen236 . Nach der amtlichen Begründung soll die Stellungnahme der Ethik-Kommission sicherstellen, „dass das Forschungsvorhaben neben der Genehmigungsbehörde durch ein unabhängiges Gremium geprüft wird“237 . Hieraus lässt sich der Schluss ziehen, dass eine „Doppelprüfung“ angestrebt wird238 , wobei die Letztentscheidungskompetenz beim Bundesamt für Strahlenschutz liegt und die Stellungnahme der Ethik-Kommission nur eine (wichtige) Entscheidungsgrundlage darstellt.239 Die Ethik-Kommission hat ihre ethische und rechtliche Überprüfung nach §§ 92 StrlSchV, 28g RöntgenV daher auf die Genehmigungsvoraussetzungen zu beziehen. Da in beiden Verordnungen nur von einer Stellungnahme zum Studienplan gesprochen wird, hat die EthikKommission sich auf jene Genehmigungsvoraussetzungen zu beschränken, sodass sie im Ergebnis nur einen Teil der Genehmigungsvoraussetzungen prüft (§§ 24 Abs. 234 Allg. hierzu Püttner, Verwaltungslehre, § 18 Rn. 6, 9 f., 16; Pünder, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 13 Rn. 43. 235 Hierzu auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 84. 236 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie 97/43/Euratom des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition. 237 So die amtliche Begründung zur StrlSchV, S. 28 (eigene Hervorhebung). 238 So auch Wölk, Risikovorsorge, S. 159. 239 S.a. Schmatz/Nöthlichs/Bayer/Pottschmidt/Weber, § 24 StrlSchV Anm. 1.3.
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1 Nr. 1 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1 RöntgenV). Eine solche Sichtweise entspricht dem § 28g RöntgenV mit seinem Verweis (nur) auf § 28b Abs. 1 Nr. 1 RöntgenV. Es ist nicht ersichtlich, warum die StrlSchV ohne einen entsprechenden Verweis hiervon abweichen soll. Ferner lässt sich ein solches Verständnis auch auf eine systematisch Auslegung beider Verordnungen stützen, denn die erforderliche Stellungnahme der Ethik-Kommission ist selbst Genehmigungsvoraussetzung (§§ 24 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2 RöntgenV), die gleich hinter den Voraussetzungen für den Studienplan genannt wird. Man wird sich aber die Frage stellen müssen, inwieweit Ethik-Kommissionen überhaupt dazu in der Lage sind, jene spezifischen Voraussetzungen sachgerecht würdigen zu können, etwa wenn es darum geht, ob die Strahlenexposition nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht weiter herabgesetzt werden kann, ohne den Zweck des Forschungsvorhabens zu gefährden, §§ 24 Abs. 1 Nr. 1e StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1e RöntgenV. Da es sich bei der Stellungnahme der Ethik-Kommission nur um eine schwache Beteiligungsform handelt und noch nicht einmal eine positive Entscheidung verlangt wird, erscheint es interessengerecht, die Prüfung der Ethik-Kommission lediglich auf eine summarische Prüfung der strahlenspezifischen Voraussetzungen zu beschränken. Für andere Genehmigungsvoraussetzungen, die die Ethik-Kommissionen eigenständig auch anderenorts prüfen, wird man dagegen eine intensivere Begutachtung oder Teilbegutachtung verlangen dürfen, etwa für die Frage, ob die Anzahl der Probanden auf das notwendige Maß beschränkt worden ist (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1g RöntgenV) oder im Hinblick auf den Teilaspekt der voraussichtlichen Bedeutung des Forschungsvorhabens für die Heilkunde, §§ 24 Abs. 1 Nr. 1c StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1c RöntgenV. Aus den vorstehenden Überlegungen folgt zugleich, dass sich die Stellungnahme der Ethik-Kommission nicht auf die besonderen Schutzvorschriften der §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV beziehen kann: Weder für das Bundesamt für Strahlenschutz noch für die Ethik-Kommission wird auf jene Vorschriften Bezug genommen. Es handelt sich nach der Konzeption beider Verordnungen nicht um Genehmigungsvoraussetzungen.
B. Haftung Fraglich ist, ob und inwieweit auch eine Haftung gegenüber Forschern/Prüfern, Sponsoren und/oder Versuchsteilnehmern besteht, wenn die Ethik-Kommission nach der StrlSchV und der RöntgenV tätig wird. Auszugehen ist von zwei praxisnahen Prämissen: Zum einen wird eine Ethik-Kommission grundsätzlich nicht ausschließlich auf der Grundlage der StrlSchV und der RöntgenV tätig werden. Bei derjenigen Ethik-Kommission, die ihre Stellungnahme gem. der StrlSchV oder der RöntgenV abgibt, wird es sich auch um diejenige handeln, die der Forscher zur berufsethischen und berufsrechtlichen Beratung nach § 15 MBO-Ä angerufen hat240 und/oder 240
So wohl auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 255.
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– im Fall einer klinischen Prüfung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten – um diejenige, bei der der Sponsor den Antrag auf zustimmende Bewertung nach §§ 42 AMG, 22 MPG n. F. gestellt hat. Zum anderen bleibt aufgrund dieser Tatsachen für eine mögliche Haftung privater Ethik-Kommissionen faktisch kein Raum, zumal zu erwarten ist, dass die Konzeption der Registrierung auch für den Bereich der StrlSchV/RöntgenV aufgegeben werden wird.241 I. Haftung bei Forschungsvorhaben ohne gleichzeitige Genehmigungspflichtigkeit nach AMG/MPG Forschungsvorhaben mit radioaktiven Stoffen, ionisierender Strahlen oder Röntgenstrahlen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG n. F. unterliegen zum einen der Genehmigungspflicht nach der StrlSchV/RöntgenV, zum anderen der berufsethischen und berufsrechtlichen Beratungspflicht, § 15 MBO-Ä. 1. Verhältnis der berufsrechtlichen Beratungspflicht (§ 15 MBO-Ä) zur Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV Beide Aufgaben der Ethik-Kommission, also die berufsrechtliche Beratung nach § 15 MBO-Ä und die Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV, stehen gleichberechtigt nebeneinander und müssen parallel erfüllt werden.242 Während bei dem Tätigwerden der Ethik-Kommission nach dem AMG/MPG der Forscher durch die zustimmende Bewertung zugleich „mitberaten“ wird, da inhaltlich betrachtet von der zustimmenden Bewertung über die berufsrechtliche Beratung hinaus zusätzliche Aspekte Berücksichtigung finden243 , so lässt sich ein solches Verhältnis vorliegend nicht erkennen. Die nach der StrlSchV/RöntgenV abzugebende Stellungnahme bezieht sich nur auf die Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 24 Abs. 1 Nr. 1a–g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a–g RöntgenV, die strahlenschutzspezifisch sind und nur die Risiko-Nutzen-Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeits- und Subsidiaritätsprinzip konkretisieren. Man wird insoweit eine Subtraktionsmethode anzuwenden haben: Die berufsrechtliche Beratung bezieht sich auf solche allgemeinen Forschungsaspekte, die nicht von der Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV und von der Letztentscheidungskompetenz des Bundesamtes für Strahlenschutz erfasst werden. Auszuklammern sind folglich sämtliche Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 24 StrlSchV, 28b RöntgenV. Die StrlSchV und die RöntgenV enthalten selbst besondere Schutz- und Aufklärungspflichten sowie Anwendungsverbote und 241 Zu diesem Schluss verleitet die Gesetzesbegründung zur 4. MPG-Novelle, vgl. BT-Drs. 16/12258, S. 30. 242 So auch die amtliche Begründung zur StrlSchV, S. 85: „Ob und inwieweit bei der konkreten Durchführung an der jeweiligen Einrichtung auf Grund anderer Vorschriften, z.B. des ärztlichen Standesrechts, eine weitere Ethikkommission einzubinden ist, bleibt von dieser Vorschrift unberührt“; ferner v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 261; Ewen/Holte, Strahlenschutzverordnung, S. 269. 243 Oben, § 9 A.I.4.
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-beschränkungen (§§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV). Jene Schutzvorschriften sind nicht – wie im AMG/MPG – als Versagungsgründe bzw. als Genehmigungsvoraussetzungen konzipiert. Prüft die Ethik-Kommission nach § 15 MBO-Ä die rechtlichen Vorgaben, die für das jeweilige Forschungsvorhaben einschlägig sind244 , so hat sie ihre Beratungstätigkeit nach den §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV auszurichten, zumal es sich hier um die Konkretisierung allgemeiner Grundsätze für medizinische Forschungseingriffe handelt, die an strahlenschutzspezifischen Aspekten nicht über das hinausgeht, was von einer Ethik-Kommission auch ohne Fachkenntnis auf dem Gebiet des Strahlenschutzes verlangt werden kann. Mit den §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV wird also die berufsrechtliche Beratung „geflutet“. Nicht ausgeschlossen ist es aber, dass noch darüber hinausgehende Aspekte von der Ethik-Kommission zu prüfen sind, die nicht ihren konkretisierten Niederschlag in der StrlSchV und der RöntgenV gefunden haben, etwa die allgemeine245 Qualifikation und Geeignetheit des Forschers und der Forschungseinrichtung.
2. Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG Für die Haftung gegenüber dem Forscher und dem geschädigten Versuchsteilnehmer finden auch hier die bereits konkretisierten Grundsätze derAmtshaftungAnwendung. Zu Unterscheiden ist zwischen der Stellungnahme der Ethik-Kommission gem. der StrlSchV/RöntgenV und der Beratung nach § 15 MBO-Ä. a. Haftung für fehlerhafte Stellungnahmen nach der StrlSchV/RöntgenV aa. Amtspflichtverletzung Die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verlangt von den EthikKommissionsmitgliedern, den Studienplan mit den erforderlichen Unterlagen nach ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten mit mindestens fünf Mitgliedern mündlich zu beraten und innerhalb von drei Monaten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, §§ 92 StrlSchV, 28g RöntgenV. Die Abgabe einer inhaltlich falschen Stellungnahme begründet eine Amtspflichtverletzung. bb. Drittgerichtete Amtspflichten trotz innerbehördlicher Beteiligung? Fraglich ist, ob jene Amtspflicht auch gegenüber dem Forscher und/oder den Versuchsteilnehmern besteht. Bei ihrer Tätigkeit nach der StrlSchV/RöntgenV hat die Stellungnahme der Ethik-Kommission nur interne Bedeutung; die Letztentscheidungsbefugnis über die Genehmigungsvoraussetzungen liegt ausschließlich beim Bundesamt für Strahlenschutz. Die Fälle, in denen eine für die Sachentscheidung 244
Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 120. In der StrlSchV und der RöntgenV werden für die Qualifikation und die Geeignetheit nur strahlenschutzspezifische Voraussetzungen angeführt, die in die Letztentscheidungskompetenz des Bundesamtes für Strahlenschutz fallen, §§ 24 Abs. 1 Nr. 3, 4, 7 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 3, 4, 7 RöntgenV. 245
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zuständige Behörde zur Vorbereitung einer Entscheidung die Stellungnahme einer anderen Behörde einholt, ohne dass jene Stellungnahme für die federführende Behörde bindend ist, gehören in die Kategorie der „Beteiligung ohne Bindungswirkung“. Die federführende Behörde bleibt im Außenverhältnis allein verantwortlich.246 Es kommt zwischen dem Bundesamt für Strahlenschutz und der Ethik-Kommission zu keiner Verantwortungsteilung. Der BGH hatte es bei unverbindlichen Stellungnahmen zunächst bei der alleinigen Amtshaftung der federführenden Behörde belassen. Die die unverbindliche Stellungnahme abgebende Behörde trete nicht „in eine unmittelbare drittgerichtete Beziehung“ zu Außenstehenden; sie verletze nur behördeninterne, nicht jedoch nach außen gerichtete Pflichten.247 Nach neuerer Rspr. ist eine Haftung auch der zuarbeitenden Behörde trotz rein innerbehördlicher Beteiligung aber dann möglich, wenn durch sie die tatsächliche Beurteilungsgrundlage für die abschließende Entscheidung geschaffen wird und jene ihr überlegenes Fachwissen in die zu treffende Entscheidung einbringt. Dann gewinnt ihre Mitwirkung im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität, sodass sie ebenso wie die nach außen tätig werdende Behörde gehalten ist, bei der Ausübung des Amtsgeschäfts auch die Interessen betroffener Bürger zu wahren.248 Durch diese Rspr. schließt der BGH die Haftungslücke, die entstehen würde, wenn die Amtshaftung der federführenden Behörde am fehlenden Verschulden scheitert, weil sie auf die Stellungnahme der Fachbehörde vertrauen durfte.249 So liegt es bei der Arzneimittelprüfung für die beteiligte Ethik-Kommission im Hinblick auf die Qualifikation/Geeignetheit des lokalen Prüfers und der lokalen Prüfeinrichtung, da jene ihren überlegenen ortskundigen Sachverstand in die Entscheidung einbringt und die federführende Ethik-Kommission auf die lokale Bewertung vertrauen darf.250 Inwieweit aber der Stellungnahme der Ethik-Kommission im Verhältnis zum Bundesamt für Strahlenschutz eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität zuzuschreiben ist, erscheint zweifelhaft. Zu verneinen dürfte dies jedenfalls für alle strahlenschutzbezogenen Aspekte sein, denn die Ethik-Kommission kann diesbezüglich keine tatsächliche Beurteilungsgrundlage für eine abschließende Entscheidung treffen. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist gerade im Hinblick auf jene Aspekte die Fachbehörde. Ethik-Kommissionen als „Forschungskommissionen“ könnten jedoch im Hinblick auf allgemeine forschungsbezogene Belange ein überlegenes Fachwissen durch ihre Stellungnahme einbringen. Eine solche Sichtweise legt auch der Referentenentwurf über eine „Erste Verordnung zur Änderung strahlenschutzrechtlicher Verordnungen“ vom 23. März 2007 nahe. Vorgesehen ist, in einem neuen Absatz 246
Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 72; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn.
44. 247
Vgl. BGH NVwZ 1991, 707, 708 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 72. Vgl. BGHZ 146, 365 = NVwZ 2001, 1074 f.; NVwZ 2006, 245, 246 f.; NVwZ-RR 2003, 401 f.; dazu Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 72; Grzeszick; in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 21; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 44. 249 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 72; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 44. 250 Oben, § 5 C.II.3. 248
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das Genehmigungsverfahren bei Forschungsvorhaben an geschäftsfähigen einschlägig erkrankten Personen und bei denen die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung nicht selbst Gegenstand des Forschungsvorhabens ist, deutlich zu erleichtern. Die neue Regelung soll es dem Bundesamt für Strahlenschutz erlauben, vom Nachweis des überwiegenden Teils der Genehmigungsvoraussetzungen abzusehen. Voraussetzung hierfür ist u. a. die zustimmende Stellungnahme einer Ethik-Kommission. Ihr kommt nach der Begründung „eine besondere Bedeutung zu, weil die Genehmigungsbehörde nur bei Zweifeln an den Darlegungen des Antragstellers oder einem ablehnenden Votum der Ethikkommission weitere Nachweise anfordern und die Genehmigungsvoraussetzungen eingehend prüfen wird“251 . Auch de lege lata sind die Ausführungen des Referentenentwurfs für die sich hier stellende Frage von Bedeutung: Danach sei die Prüfung des zwingenden Bedürfnisses hinsichtlich der bisherigen Forschungsergebnisse und der medizinischen Erkenntnisse aus fachlicher Sicht zentraler Bestandteil der Bewertung durch die Ethikkommission, insbesondere im Hinblick auf Forschungsvorhaben, bei denen die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung nur als Mittel dient, um bestimmte klinische oder wissenschaftliche Ergebnisse zu überprüfen. „Eine beim Bundesamt für Strahlenschutz registrierte Ethikkommission deckt auf Grund ihrer interdisziplinären Zusammensetzung die gesamte Breite der medizinischen Wissenschaft und Heilkunde ab und ist damit hervorragend geeignet, diese Prüfung durchzuführen. Gerade in den Fällen, in denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung im Rahmen eines Forschungsvorhabens lediglich zur Begleitdiagnostik angewendet werden, stellt die Prüfung des zwingenden Bedürfnisses für die Genehmigungsbehörde einen großen fachlichen und damit zeitlichen Aufwand dar, da die für die Prüfung des zwingenden Bedürfnisses erforderliche Kernkompetenz bei derartigen Forschungsvorhaben nicht im Bereich der nuklearmedizinischen oder strahlentherapeutischen Anwendung selbst liegt, sondern in einem der vielen möglichen Teilgebiete aus dem weiten Bereich der klinischen oder wissenschaftlichen Forschung (Rheumatologie, Psychiatrie, Neurologie, klinische Neurophysiologie, klinische Molekularbiologie, Endokrinologie, Kardiologie, Onkologie, etc.)“252 .
Konstatieren lässt sich vor diesem Hintergrund, dass die Ethik-Kommission kraft ihrer professionell-interdisziplinären Besetzung auf dem Gebiet der medizinischen Wissenschaft und der Heilkunde im Verhältnis zum Bundesamt für Strahlenschutz den Rang einer sachverständigen Fachbehörde besitzt. Das Bundesamt für Strahlenschutz und die Ethik-Kommission wirken insoweit arbeitsteilig zusammen. Die Ethik-Kommission bringt ihr forschungsmedizinisches Fachwissen durch ihre Stellungnahme ein und gleicht dadurch die fehlende Fachkompetenz des Bundesamtes für Strahlenschutz aus. Ihre Beteiligung hat iSd Rspr. des BGH daher im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität, weil sie im Hinblick auf allgemeine forschungsmedizinische Belange die tatsächliche Beurteilungsgrundlage für die abschließende Entscheidung schafft. Anzunehmen ist dies für das „zwingende Bedürfnis“ des Forschungsvorhabens wegen bislang fehlenden medizinischen Erkenntnissen (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1a StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a RöntgenV), da die Ethik-Kommission gegenüber dem Bundesamt für Strahlenschutz 251 Vgl. die Begründung des Referentenentwurfs über eine „Erste Verordnung zur Änderung strahlenschutzrechtlicher Verordnungen“ vom 23. März 2007, S. 49. 252 Vgl. die Begründung des Referentenentwurfs über eine „Erste Verordnung zur Änderung strahlenschutzrechtlicher Verordnungen“ vom 23. März 2007, S. 49.
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aufgrund ihrer professionell-pluralistischen Besetzung einen Kompetenzvorsprung besitzt. Aber auch für weitere Teilaspekte der Genehmigungsvoraussetzungen wird man entsprechend zu entscheiden haben, soweit im Einzelfall der allgemeine forschungsmedizinische Sachverstand dominiert, etwa für den Teilaspekt der voraussichtlichen Bedeutung der Forschungsergebnisse für die Fortentwicklung der Heilkunde oder der medizinischen Wissenschaft (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1c StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1c RöntgenV), oder ob die Anzahl der Probanden auf das notwendige Maß beschränkt wird (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1g RöntgenV). Die hier vorgeschlagene Differenzierung zwischen strahlenspezifischen Belangen und interdisziplinär beratungsbedürftigen medizinischen Forschungsaspekten lässt sich vor dem Hintergrund rechtfertigen, dass das Bundesamt für Strahlenschutz bei der Entscheidung über die Genehmigungsvoraussetzungen nicht ermessensfehlerhaft handelt, wenn es für die Beurteilung von Fragen der medizinischen Wissenschaft und Heilkunde nicht auf ein einzelnes Sachverständigengutachten zurückgreift (§ 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG), sondern sich auf die interdisziplinäre Stellungnahme der Ethik-Kommission beschränkt. Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegen folglich gegenüber dem Forscher und den (potentiellen) Versuchsteilnehmern drittgerichtete Amtspflichten, da die Stellungnahme der Ethik-Kommission im Hinblick auf forschungsmedizinische Belange im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität besitzt. cc. Die weiteren Voraussetzungen Im Übrigen finden die bereits für die Haftung gegenüber dem Versuchsteilnehmer und dem Forscher aufgezeigten Grundsätze Anwendung. Erforderlich ist, dass der jeweilige Schaden vom sachlichen Schutzbereich der Amtspflichtverletzung erfasst wird. Für den Versuchsteilnehmer bestimmt sich der Schutzbereich nach den von der Ethik-Kommission fehlerhaft positiv beurteilten Genehmigungsvoraussetzungen. Dienen etwa die §§ 24 Abs. 1 Nr. 1a StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a RöntgenV dazu, Strahlenexpositionen in der medizinischen Forschung vollständig zu vermeiden, soweit für das beantragten Forschungsvorhaben kein zwingendes Bedürfnis besteht, so wird man alle strahlenbedingten Schädigungen vom Schutzbereich als erfasst anzusehen haben; nicht erfasst sind etwa Behandlungsfehler des Forschers, z. B. nicht lege artis durchgeführte Begleituntersuchungen. In den sachlichen Schutzbereich fallen auch die Schäden des Forschers, die bei pflichtgemäßem Handeln der Ethik-Kommissionsmitglieder vermieden worden wären, also insbesondere die „Forschungsausfallschäden“ bei negativer Stellungnahme, entgangener Gewinn eingeschlossen, sowie bei positiver Stellungnahme Planungs- und Investitionskosten, soweit das Vertrauen auf das Vorliegen der von der Ethik-Kommission geprüften Genehmigungsvoraussetzungen schutzwürdig ist.253 Sind sowohl die 253 Die vom BGH entwickelten Kriterien zur Amtshaftung beteiligter Behörden bei der Versagung eines Genehmigungsanspruchs sind auch auf Vertrauensschutzkonstellationen übertragbar, vgl. Fellenberg, Vertrauenshaftung, S. 172 f.
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strahlenschutzspezifischen Voraussetzungen vom Bundesamt für Strahlenschutz schuldhaft fehlerhaft beurteilt worden, als auch die allgemeinen forschungsbezogenen Belange von der Ethik-Kommission, so ist eine gesamtschuldnerische Haftung der jeweils passivlegitimierten Körperschaften gegeben, § 840 BGB. Für den geschädigten Versuchsteilnehmer ist § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten, wobei freilich Ansprüche, die aus einem Fehlverhalten des Bundesamts für Strahlenschutz resultieren, keine anderweitigen Ersatzansprüche darstellen. Für den Forscher greift der Vorrang des Primärrechtsschutzes ein (§ 839 Abs. 3 BGB). Bei einer Genehmigungsversagung durch das Bundesamt für Strahlenschutz ist die Verpflichtungsklage auf Erlass der Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz mit ggf. indirekter Überprüfung der Stellungnahme der Ethik-Kommission statthaft. Für ein isoliertes Vorgehen gegen inhaltlich fehlerhafte Stellungnahmen der EthikKommission fehlt es an der Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), da es sich nur um einen innerbehördlichen Akt handelt.254 b. Haftung für fehlerhafte Voten nach § 15 MBO-Ä Wie erörtert unterliegt ein Forschungsvorhaben auch dann der berufsrechtlichen Beratung durch die Ethik-Kommission nach § 15 MBO-Ä, wenn es nach der StrlSchV/RöntgenV genehmigungspflichtig ist und die Ethik-Kommission auf der Grundlage der StrlSchV/RöntgenV eine Stellungnahme abgibt. Der Prüfungsumfang ihrer Beratungstätigkeit erstreckt sich auf die rechtlichen Vorgaben, die für das jeweilige Forschungsvorhaben zu beachten sind und die nicht der Letztentscheidungskompetenz des Bundesamtes für Strahlenschutz unterliegen, also auf die allgemeinen Grundsätze medizinischer Forschungseingriffe, die u. a. in den §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV konkretisiert worden sind. Kennzeichnend für jene Aspekte ist, dass die Ethik-Kommission bei ihrer Überprüfung nicht in ein Verwaltungsverfahren eingebunden ist. Während sie bei der Prüfung der §§ 24 Abs. 1 Nr. 1a–g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a–g RöntgenV nur eine Stellungnahme abgibt, drittgerichtete Amtspflichten grundsätzlich durch die Letztentscheidungskompetenz des Bundesamtes für Strahlenschutz determiniert werden und ihre Beteiligung nur im Hinblick auf allgemeine forschungsbezogene Belange über eine innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität zukommt, so obliegen den Ethik-Kommissionsmitgliedern bei der Beratung nach § 15 MBO-Ä drittgerichtete Amtspflichten gegenüber den (potentiellen) Versuchsteilnehmern und den antragsstellenden Forschern. Es finden die für die Beratungstätigkeit aufgezeigten Haftungsgrundsätze nach § 839 BGB, Art. 34 GG in gleicher Weise Anwendung, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich nach hier vertretener Auffassung die Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen maßgeblich auf die besonderen Schutzvorschriften der §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV bezieht. Eine Haftung kann sich demzufolge sowohl auf die Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV als auch auf die fehlerhafte Berufsberatung beziehen, etwa dann, wenn die Ethik-Kommission in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Bundesamt für Strahlenschutz fehlerhaft ein zwingendes Bedürfnis für 254
Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 256 f.
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das Forschungsvorhaben annimmt (§ 92 i. V. m § 24 Abs. 1 Nr. 1a StrlSchV) und gleichzeitig der Forscher nicht auf die fehlende Aufklärung des Versuchsteilnehmers hingewiesen wurde (§ 15 MBO-Ä i. V. m § 87 Abs. 1 StrlSchV). Die vorstehende Differenzierung und die diesbezügliche Haftung rechtfertigt sich auch aus der Überlegung, dass eine Ethik-Kommission nicht notwendigerweise parallel tätig wird, was etwa dann anzunehmen ist, wenn die berufsberatende Ethik-Kommission nicht beim Bundesamt für Strahlenschutz registriert ist. II. Haftung bei klinischen Prüfungen mit gleichzeitiger Genehmigungspflichtigkeit nach AMG/MPG In entsprechender Anwendung der vorstehenden Grundsätze sind auch diejenigen Fälle zu lösen, bei denen eine Genehmigungspflichtigkeit nach dem AMG oder dem MPG hinzutritt. Bei Arzneimittel- und Medizinprodukteprüfungen, für die das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingreift (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 2 MPG n. F.) und die zugleich studienbedingte Strahlenbelastungen enthalten, können – je nach landesgesetzlicher Ausgestaltung – für eine Ethik-Kommission drei Zuständigkeiten bestehen; nämlich zum einen für die Abgabe der zustimmenden Bewertung nach §§ 42 Abs. 1 AMG, 22 MPG n. F., zum anderen für die Abgabe einer Stellungnahme gem. §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 92 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2, 28g RöntgenV, und schließlich für die Beratung nach § 15 MBO-Ä. Daneben bedarf es der Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde (§§ 42 Abs. 2 AMG, 22a MPG n. F.) sowie der Genehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz (§§ 23 StrlSchV, 28a RöntgenV).255 Jede der genannten Behörden nimmt ihre Aufgaben eigenständig wahr. Durch diese überaus komplexe Parallelisierung wird gewährleistet, dass das Forschungsvorhaben zum Schutze der Versuchspersonen an den jeweils einschlägigen bereichsspezifischen Voraussetzungen durch die entsprechenden (Fach-)Behörden genehmigt bzw. zustimmend bewertet wird. Die Haftung für Ethik-Kommissionen bei der Abgabe ihrer zustimmenden Bewertung nach dem AMG/MPG richtet sich nach denselben bereits dargelegten und unmodifizierten Grundsätzen, unabhängig davon, ob das Forschungsvorhaben der zusätzlichen Genehmigungspflicht nach der StrlSchV oder der RöntgenV unterliegt. Nach derzeitiger Praxis wird mit der zustimmenden Bewertung der EthikKommission nach dem AMG/MPG der Forscher auch zugleich nach § 15 MBO-Ä beraten.256 Man könnte der Auffassung sein, dass mit der zustimmenden Bewertung auch zugleich die für die Genehmigungserteilung durch das Bundesamt für Strahlenschutz erforderliche Stellungnahme einer Ethik-Kommission zum Studienplan vorliegt (§§ 24 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2 RöntgenV) und hierin auch die Beratung nach „ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten“ iSd §§ 92 StrlSchV, 28g RöntgenV enthalten ist. Dies ist jedoch eindeutig zu verneinen, da 255 256
S.a. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 261. Oben, § 9 A.I.4.
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in der zustimmenden Bewertung nach dem AMG/MPG nicht die Aspekte der §§ 24 Abs. 1 Nr. 1a–g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a–g RöntgenV enthalten sind. Der Ethik-Kommission steht es auch nicht zu, die Aspekte der StrlSchV/RöntgenV in ihre zustimmende Bewertung nach dem AMG/MPG mit einfließen zu lassen, da sie bei ihrer Genehmigungstätigkeit dem strikten Vorbehalt des Gesetzes unterliegt. Sie kann ihre zustimmende Bewertung ausschließlich von den abschließend aufgezählten Versagungsgründen des AMG/MPG anhängig machen. Von einer beim Bundesamt für Strahlenschutz registrierten Ethik-Kommission, die zugleich für die Erteilung der zustimmenden Bewertung zuständig ist, sind also zwei Voten erforderlich. Fraglich ist weiterhin, ob die Erfüllung der berufsrechtlichen Beratung durch die zustimmende Bewertung nach dem AMG/MPG auch bei Hinzutreten der StrlSchV/RöntgenV aufrechterhalten werden kann. Dies hat man ebenfalls zu verneinen, denn während die Vorgaben des AMG/MPG über die berufsrechtliche Beratung nach § 15 MBO-Ä hinausgehen, in jeder zustimmenden/ablehnenden Bewertung also zugleich eine (Mit-)Beratung der berufsrechtlichen Belange liegt257 , treten bei der StrlSchV/RöntgenV Voraussetzungen hinzu, die vom AMG/MPG nicht vollumfänglich erfasst werden. Dies wird besonders deutlich, soweit man die besonders statuierten Schutzpflichten der §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV in die berufsrechtliche Beratung nach § 15 MBO einfließen lässt. Zulässig dürfte es aber sein, dass sich die Ethik-Kommission nur auf solche Aspekte beschränkt, die nicht bereits durch das AMG/MPG abgedeckt werden, also etwa auf die Prüfung der besonderen strahlenschutzspezifischen Anwendungbeschränkungen der StrlSchV/RöntgenV. Bei einem dreiteiligen Tätigwerden der Ethik-Kommission hat man sich für die Amtshaftung also drei hypothetisch tätig werdende Ethik-Kommissionen vorzustellen. Es sind für die Amtshaftung dieselben bereits erörterten Grundsätze anzulegen: Eine Haftung für die fehlerhafte Stellungnahme zu den Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 24 Abs. 1 Nr. 1a–g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a–g RöntgenV ist nur ausnahmsweise gegeben. Daneben steht die Haftung für die zustimmende Bewertung nach dem AMG/MPG bei einer fehlerhaften Begutachtung der AMG/MPG-Vorschriften, sowie für eine fehlerhafte Berufsberatung, insbesondere für eine fehlerhafte Begutachtung der besonderen Schutzpflichten der §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV. III. Enteignungsgleicher Eingriff Fraglich ist, ob der Forscher/Sponsor auch einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff hat. Ein solcher Entschädigungsanspruch besteht für die Versagung der zustimmenden Bewertung nach dem AMG/MPG258 und auch kraft ihrer „genehmigungsgleichen Wirkung“ für das ablehnende Votum nach § 15 MBO-Ä.259 Tritt für das Forschungsvorhaben eine Genehmigungspflicht nach der StrlSchV/RöntgenV 257
Vgl. Gödicke, MedR 2008, 636, 638 f. Oben, § 9 A.II. 259 Oben, § 9 B.II.2. 258
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Viertes Kapitel: Haftung für Ethik-Kommissionen
hinzu, so gelten die herausgestellten Grundsätze gleichermaßen: Hat etwa die Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung nach dem AMG/MPG rechtswidrig versagt und das Bundesamt für Strahlenschutz ebenfalls die Genehmigung rechtswidrig nicht erteilt, so ist eine gesamtschuldnerische Haftung der jeweils begünstigten Hoheitsträgern gegeben. Entsprechendes gilt für Forschungsvorhaben, die nur der Genehmigungspflicht nach der StrlSchV/RöntgenV unterliegen und gleichzeitig nach § 15 MBO-Ä beratungspflichtig sind. Der Eingriff beruht hier auf dem negativen Votum nach § 15 MBO-Ä. Klärungsbedürftig ist an dieser Stelle lediglich, ob auch die fehlerhaft ablehnende Stellungnahme der Ethik-Kommission auf der Grundlage der StrlSchV/RöntgenV die Voraussetzung für einen enteignungsgleichen Eingriff erfüllen kann. Dies ist deswegen fraglich, weil die Ethik-Kommission hier – anders als in den vorstehenden Fällen – nur als eine im Genehmigungsverfahren beteiligte Behörde auftritt und die Letztentscheidungskompetenz der seitens der Ethik-Kommission geprüften Aspekte (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1a–g StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1a–g RöntgenV) beim Bundesamt für Strahlenschutz liegt. Nach der Rspr. des BGH können aber auch reine Mitwirkungsakte von Behörden die Voraussetzungen eines Eingriffs erfüllen, soweit die Entscheidung der beteiligten Stelle für die zur Endentscheidung im Außenverhältnis zuständige Behörde verbindlich ist.260 Hieran fehlt es jedoch, da die Stellungnahme der Ethik-Kommission als informatorischer Akt ohne rechtliche Bindungswirkung einzustufen ist. Nur vorbereitende und nicht verbindliche Stellungnahmen erfüllen nicht die Voraussetzungen eines enteignungsgleichen Eingriffs.261
C. Ergebnis Eng mit ihrer forschungsmedizinischen Beratungsfunktion verbunden ist die Aufgabe der Ethik-Kommission nach der StrlSchV und der RöntgenV. Sie besteht darin, den Studienplan mit den erforderlichen Unterlagen nach ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten mit mindestens fünf Mitgliedern mündlich zu beraten und innerhalb von drei Monaten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, §§ 92 S. 2 StrlSchV, 28g S. 2 RöntgenV. Die Letztentscheidungskompetenz liegt ausschließlich beim Bundesamt für Strahlenschutz. Die Stellungnahme der Ethik-Kommission im Verfahren nach der StrlSchV und der RöntgenV hat rein verwaltungsinterne Bedeutung. Die Ethik-Kommission hat ihre ethische und rechtliche Überprüfung nach §§ 92 StrlSchV, 28g RöntgenV auf einen Teil der Genehmigungsvoraussetzungen (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1 RöntgenV) zu beziehen. Forschungsvorhaben mit radioaktiven Stoffen, ionisierender Strahlen oder Röntgenstrahlen außerhalb des 260 Vgl. BGHZ 65, 182, 188 f.; 99, 262, 273; 118, 253, 255; 118, 263, 266; VersR 1986, 372, 374; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 GG Rn. 691; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 253 m. Fn. 63. 261 Vgl. BGH NVwZ 1992, 913 f. Eine Überwindung durch die „Begünstigungsrechtsprechung“ kommt nicht in Betracht. Zur vergleichbaren Situation bei der beteiligten Ethik-Kommission bereits oben, § 6 C.II.
§ 10 Tätigkeit von Ethik-Kommissionen
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Anwendungsbereichs der §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG n. F. unterliegen zum einen der Genehmigungspflicht nach der StrlSchV/RöntgenV, zum anderen der berufsethischen und berufsrechtlichen Beratungspflicht, § 15 MBO-Ä. Für die Haftung gegenüber dem Forscher und dem geschädigten Versuchsteilnehmer finden auch hier die bereits konkretisierten Grundsätze der Amtshaftung Anwendung. Zu Unterscheiden ist zwischen der Stellungnahme der Ethik-Kommission gem. der StrlSchV/RöntgenV und der Beratung nach § 15 MBO-Ä. Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegen bei der Abgabe ihrer Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV gegenüber dem Forscher und den (potentiellen) Versuchsteilnehmern drittgerichtete Amtspflichten, da die Stellungnahme im Hinblick auf forschungsmedizinische Belange im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität besitzt. Auf die daneben zu erfüllenden Beratung nach § 15 MBO-Ä finden die für die Beratungstätigkeit aufgezeigten Haftungsgrundsätze nach § 839 BGB, Art. 34 GG in gleicher Weise Anwendung, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen maßgeblich auf die besonderen Schutzvorschriften der §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV bezieht. Bei Arzneimittel- und Medizinprodukteprüfungen, für die das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingreift (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 2 MPG n. F.) und die zugleich studienbedingte Strahlenbelastungen enthalten, können – je nach landesgesetzlicher Ausgestaltung – für eine Ethik-Kommission drei Zuständigkeiten bestehen. Bei einem dreiteiligen Tätigwerden der Ethik-Kommission hat man sich für die Amtshaftung drei hypothetisch tätig werdende Ethik-Kommissionen vorzustellen. Die fehlerhaft ablehnende Stellungnahme der Ethik-Kommission auf der Grundlage der StrlSchV/RöntgenV erfüllt nicht die Voraussetzung für einen enteignungsgleichen Eingriff.
Fünftes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Verkehrssicherungspflicht
Die an den Universitäten bzw. medizinischen Fakultäten errichteten EthikKommissionen unterscheiden sich nicht von jenen der Landesärztekammern. Sie erfüllen gleichermaßen die berufsrechtliche Beratung nach § 15 MBO-Ä für ärztliche Hochschulmitglieder.1 Die universitären Ethik-Kommissionen sind jedoch zusätzlich unter dem besonderen Aspekt der Verkehrssicherungspflichten zu betrachten. Es gilt der Grundsatz, dass derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.2 Krankenhäuser, insbesondere Universitätskliniken als „Hauptschauplätze“ medizinischer Forschungsvorhaben am Menschen, sind verkehrssicherungspflichtig dafür, dass Patienten/Probanden nur dann den Gefahren des Forschungsvorhabens ausgesetzt werden, wenn geeignete Maßnahmen zur Gefahrenkontrolle und Schadensvermeidung getroffen wurden; und zwar unabhängig davon, ob Eigenforschung oder Drittmittelforschung betrieben wird.3 Die Errichtung und Kontrolle medizinischer Forschungsvorhaben durch eine (institutionelle) EthikKommission werden als geeignete und zumutbare Maßnahmen angesehen, um die gesteigerte Organisationsverantwortung zur Gefahrvermeidung und -eindämmung
1
Vgl. Gödicke, MedR 2008, 636, 637. Vgl. BGHZ 121, 367, 375; NVwZ 2006, 1084, 1085; NJW-RR 2003, 1459; 2006, 469, 470; NJW 2004, 1449, 1450; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 330; Spickhoff, in: Soergel, § 823 Rn. 17; Wagner, in: MüKo/BGB, § 823 Rn. 241; v. Bar, Verkehrspflichten, S. 43; zur Entwicklung der Verkehrs(sicherungs)pflichten ders., JZ 1979, 332 ff. 3 Vgl. Deutsch, MedR 1995, 483, 484 f.; ders., in: Lippert/Eisenmenger, Forschung am Menschen, S. 33, 39; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 123; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 36 ff.; Lebich, Haftung angestellter Ärzte, S. 201; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 152 f.; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 141 f.; Mayer, Produktverantwortung, S. 625; Grupp, in: Furkel/Jung, Bioethik und Menschenrechte, S. 125, 138 f. 2
M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Fünftes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Verkehrssicherungspflicht
zu erfüllen.4 An den Universitäten wird daher die für die ärztlichen Mitglieder bereits über § 15 MBO-Ä bestehende Konsultationspflicht regelmäßig auf alle Mitglieder erstreckt. Um bedenkliche Forschungsvorhaben tatsächlich zu verhindern, wird teilweise das positive Votum zur Voraussetzung erhoben.5 Ist keine Organisation zur Prüfung und Kontrolle der klinischen Forschung geschaffen worden, begründet dies eine Verletzung von Organisations- und Verkehrssicherungspflichten.6 Wird die universitäre Ethik-Kommission entweder ausdrücklich oder konkludent mit der Wahrnehmung der Verkehrspflicht im Hinblick auf die medizinische Forschung betraut7 , so muss, soweit man vom derzeit überwiegend anzutreffenden Bild universitärer Ethik-Kommissionen ausgeht, also von der Zuständigkeit sowohl für die staatliche Forschungsaufsicht als auch der „selbstverwalteten“ Forschungskontrolle, die haftungsrechtliche Betrachtung differenzierter ausfallen, ohne dass allerdings Auswirkungen in der Sache zu verzeichnen sind. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass eine Deckungsgleichheit des spezialgesetzlichen Prüfungsauftrags der Ethik-Kommission mit den Organisations- und Verkehrssicherungspflichten eines Klinkträgers bestehen können. Muss etwa durch hinreichende Organisation die Aufklärung der Patienten sichergestellt werden, darf einem Ungeeigneten keine Aufgabe übertragen werden, die dieser nicht erfüllen kann, müssen medizinische Geräte einwandfrei funktionieren und durch geschultes Personal bedient werden8 , so deckt sich dies mit § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 3 AMG, wonach die betroffene Person insbesondere durch einen Arzt aufzuklären ist, und mit § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG, wonach Prüfer und Prüfstätte geeignet bzw. angemessen qualifiziert sein müssen.9 Zum anderen muss sichergestellt werden, dass die Ethik-Kommission die ihr übertragene Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen kann. Dieser haftungsrechtliche Aspekt ist bereits für das Organisationsverschulden bei der Amtshaftung angesprochen worden. Weitergehende Pflichten zur Organisation sind auch unter Berücksichtigung der Verkehrssicherungspflichten nicht erkennbar, insbesondere dann nicht, wenn man annimmt, dass die Besetzung der Ethik-Kommission den Hauptforschungsbereichen der Universität Rechnung tragen muss.10 Insoweit kommt es zu einer janusköpfigen Aufspaltung der Organisationspflichten: Die Ethik-Kommission
4
Vgl. Deutsch, MedR 1995, 483, 485 f.; ders., in: FS Bydlinski, S. 105, 117; ders./Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 21 f., 48; Bork, EthikKommissionen, S. 38 f.; Lebich, Haftung angestellter Ärzte, S. 203 a.E.; Scheffold, EthikKommissionen, S. 144; Laufs/Reiling, Ethik-Kommissionen, S. 17; Mayer, Produktverantwortung, S. 625 f. 5 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XIII Rn. 124; s.a. Gödicke, MedR 2008, 636, 640. 6 Vgl. Deutsch, MedR 1995, 483, 486; ders./Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Scheffold, EthikKommissionen, S. 144. 7 Vgl. auch Deutsch, MedR 1995, 483, 486. 8 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 375, 386, 407 ff. 9 Krit. diesbezüglich zum Berliner Modell Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 954 a.E. 10 Dazu oben, § 5 B.II.6.a.bb(2).
Fünftes Kapitel: Ethik-Kommissionen und Verkehrssicherungspflicht
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muss als Behörde im Rahmen ihrer staatlichen Forschungsaufsicht nicht nur als „Verwaltungsapparat“ fehlerfrei funktionieren, sondern auch aus dem Gesichtspunkt, dass mit der fehlerfreien Funktion eigene, direkt gegenüber dem Versuchsteilnehmer obliegende Verkehrssicherungspflichten des Trägers erfüllt werden. Soweit sich „Heilbehandlungs- und Ethik-Kommissionsorganisator“ decken, könnte man der Auffassung sein, dass über die Verkehrssicherungs- und Organisationspflichtenerfüllung durch Ethik-Kommissionen der haftungsrechtliche Weg in das Privatrecht geebnet wird, da sowohl die Heilbehandlung als auch die „Forschungsbehandlung“ ihre Grundlagen auf einem zivilrechtlichen Vertrag haben. Bei einem multifunktionalen Tätigwerden universitärer Ethik-Kommissionen würde diese Sichtweise dazu führen, dass entweder bei ausschließlicher Verkehrssicherungspflichtenerfüllung oder bei Deckungsgleichheit von (privatrechtlicher) Verkehrssicherungspflicht und hoheitlichem Normenvollzug neben die Amtshaftung eine privatrechtliche Haftung tritt. In der Literatur besteht jedoch Einigkeit darüber, dass sich die Haftung für Ethik-Kommissionen auch unter Berücksichtigung dieser Sichtweise nach § 839 BGB, Art. 34 GG richtet. Universitäre Ethik-Kommissionen sind öffentlich-rechtlich eingerichtet und werden öffentlich-rechtlich organisiert. Die Verkehrssicherungspflichten werden idR dadurch erfüllt, dass über das universitäre Satzungsrecht allen Mitgliedern die Vorlage des Forschungsvorhabens als Pflicht auferlegt wird. Und schließlich muss der privatrechtliche Charakter der Heilund Forschungsbehandlung nicht mit demjenigen der Planungs- und Kontrolltätigkeit identisch sein.11 Allerdings darf diese Sichtweise nicht dazu verleiten, dass die von der Universität auch bei der medizinischen Forschung gegenüber den Patienten/Probanden privatrechtlich einzuordnen Verkehrssicherungspflichten durch Übertragung auf die öffentlich-rechtlich organisierte Ethik-Kommission nunmehr öffentlich-rechtlich wahrgenommen werden. Die öffentlich-rechtliche Einbindung universitärer Ethik-Kommissionen bei der Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten befreit nur vom Vorwurf der fehlerhaften Organisation des Forschungsbetriebs. Gegenüber den Patienten/Probanden bleibt der privatrechtliche Charakter bestehen.12
11 Vgl. Deutsch, MedR 1995, 483, 486; ders./Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1069; Grupp, in: Furkel/Jung, Bioethik und Menschenrechte, S. 125, 138 f.; Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 152 f. u. 154 f.; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2738 f.; Bork, Ethik-Kommissionen, S. 67 f. u. 81 ff.; Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 140 ff. 12 So auch Bork, Ethik-Kommissionen, S. 68.
Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder
Mit der Frage nach den Regress- und Ausgleichsansprüchen ist zugleich die Frage nach der endgültigen Schadenstragung angesprochen. Die Haftungskette kann bis zur persönlichen Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder hinunterreichen. Aufgrund der umfänglichen Geltung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB im Verhältnis zum Versuchsteilnehmer und des eingeschränkten Anwendungsbereichs jenes Verweisungsprivilegs bei der Haftung gegenüber dem Sponsor und dem Prüfer ist nachfolgend zunächst zwischen beiden Haftungskonstellationen zu differenzieren. Daran anschließend ist die persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder zu erörtern.
§ 11 Regressansprüche bei Versuchsteilnehmerschädigungen A. Ausgangslage Sowohl bei nur fahrlässigen als auch vorsätzlichen Amtspflichtverletzungen seitens der Ethik-Kommissionsmitglieder ist praxisnah davon auszugehen, dass ein vorrangiger Rückgriff auf die Amtshaftung aus einem Fehlverhalten der EthikKommissionsmitglieder grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Da auch das Ethik-Kommissionsvotum keinen Einfluss auf die (Verschuldens-)Haftung der primär zum Schadensersatz Verpflichteten besitzt (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB), kommt der Haftung für Ethik-Kommissionen im Außenverhältnis zum Versuchsteilnehmer lediglich die Funktion einer „Ausfallhaftung“ zu. Vorrangig haften der Sponsor, der klinische Prüfer/Forscher und die Forschungsstätte in privater Trägerschaft. Möglich ist auch eine vorrangige Haftung des pharmazeutischen Unternehmens aus § 84 AMG. Fraglich ist, inwieweit diese Primärverpflichteten Ausgleichsansprüche gegenüber den Haftungskörperschaften der Ethik-Kommissionsmitglieder geltend machen können.
M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
B. Ansprüche der Primärverpflichteten Werden die Primärverpflichteten auf Schadensersatz seitens des Versuchsteilnehmers in Anspruch genommen, so sind zunächst jeweils eigene Ansprüche aus Amtshaftung denkbar. Es ist aber dargelegt worden, dass der sachliche Schutzbereich der Amtspflichtverletzung nicht darauf gerichtet ist, die nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB primär zum Schadensersatz Verpflichteten vor der Inanspruchnahme Dritter zu schützen. Ausgleichsansprüche kommen aber gleichwohl im Anwendungsbereich des § 426 BGB in Betracht. Hat ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt, so hat er einen Anspruch auf Ausgleich des Geleisteten, soweit die Leistung über den Anteil hinausgeht, den der leistende Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu den anderen Gesamtschuldnern zu tragen hat, § 426 Abs. 1 BGB.1 Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers nicht unter; sie erlischt nur im Ausmaß der vom zahlenden (Gesamt-)Schuldner intern zu tragenden Quote. Im Übrigen bleibt der Anspruch für die Zwecke des Rückgriffs erhalten und geht kraft Gesetzes auf den leistenden Gesamtschuldner im Ausmaß seiner Ausgleichsberechtigung nach § 426 Abs. 1 BGB über, § 426 Abs. 2 S. 1 BGB.2 Beide Ansprüche stehen selbstständig nebeneinander.3 Zu berücksichtigen ist, dass der selbstständige Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 2 BGB nicht erst mit der Befriedigung des Gläubigers, sondern mit der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses entsteht, mit der Konsequenz, dass der mithaftende Gesamtschuldner schon vor seiner eigenen Leistung an den Gläubiger von den anderen Gesamtschuldnern verlangen kann, ihren Anteilen entsprechend an der Befriedigung des Gläubigers mitzuwirken und dadurch so zu handeln, dass es später nicht mehr zu einem Ausgleich im Wege des Rückgriffs nach § 426 Abs. 2 BGB zu kommen braucht.4 Ausgleichansprüche nach und Mitwirkungsansprüche zur Befriedigung des geschädigten Versuchsteilnehmers bestünden gegenüber den für die Ethik-Kommission haftenden Körperschaften nur unter der Voraussetzung einer gesamtschuldnerischen Haftung mit den Primärverpflichteten. Grundsätzlich könnte dies nach § 840 Abs. 1 BGB der Fall sein. Dem steht jedenfalls nicht entgegen, dass die Haftung der Primärverpflichteten sich nur oder zusätzlich auf Vertrag gründet, da die Rspr. § 840 BGB auch in Kombinationsfällen vertraglicher und deliktischer Haftung anwendet.5
1
Vgl. Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 426 Rn. 4; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 4; Bydlinski, in: MüKo/BGB, § 426 Rn. 23. 2 Sog. bestärkende Legalzession, vgl. Bydlinski, in: MüKo/BGB, § 426 Rn. 38; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 426 Rn. 16; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16. 3 BGHZ 20, 371, 374; NJW 1981 681 f.; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 426 Rn. 16; Palandt/Grüneberg, § 426 Rn. 16; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 201. 4 Vgl. BGHZ 114, 117, 122; NJW-RR 2006 1718; NJW 1986, 978; HK-BGB/Schulze, § 426 Rn. 3; Bydlinski, in: MüKo/BGB, § 426 Rn. 12; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, § 426 Rn. 3. 5 Vgl. Wagner, in: MüKo/BGB, § 840 Rn. 9 m.w. Nachw.; wie hier für Ethik-Kommissionen auch van der Sanden, Haftung, S. 231 f.
§ 11 Regressansprüche bei Versuchsteilnehmerschädigungen
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I. Regressansprüche innerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Bedenken gegen das Vorliegen einer Gesamtschuldnerschaft resultieren jedoch aus der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB.
1. Grundsatz Das Nichteingreifen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit ist negatives Tatbestandsmerkmal des Amtshaftungsanspruchs. Kann der Verletzte auf andere Weise Ersatz seines Schadens verlangen, ist ein Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen.6 Die ganz h. M. zieht hieraus die Konsequenz, dass Mitschädiger aufgrund der Subsidiarität der Amtshaftung keine Ausgleichsansprüche nach §§ 840 Abs. 1, 426 BGB erhalten, weil die ersatzverpflichtete Körperschaft von vornherein aufgrund des Verweisungsprivilegs aus dem Gesamtschuldverhältnis ausscheidet.7 Die für die Fehler der Ethik-Kommission haftenden Körperschaften nehmen folglich nicht am Gesamtschuldnerausgleich teil, soweit der Anwendungsbereich der § 839 Abs. 1 S. 2 BGB reicht. Die Primärverpflichteten haften also, ohne dass sie Ausgleichs- und Mitwirkungsansprüche zur Befriedigung des geschädigten Versuchsteilnehmers gegenüber den für die Ethik-Kommission haftenden Körperschaften geltend machen könnten.
2. Lösung über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld? Diesem Ergebnis ist man in der (damaligen) Literatur teilweise dadurch entgegengetreten, dass auf die interne Haftung die in der Rspr. entwickelten Grundsätze zur gestörten Gesamtschuld herangezogen wurden. Das gesetzliche Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB soll danach ausschließlich im Außenverhältnis zum Geschädigten, nicht jedoch beim Schadensausgleich im Regresswege Anwendung finden.8 Folgt man dieser Auffassung, so kann der geschädigte Versuchsteilnehmer gleichwohl nicht direkt den Ersatz seiner Schäden von den für die Ethik-Kommissionen 6 Vgl. BGHZ 37, 375, 378; 113, 164, 167; NJW 1996, 3208, 3209; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 7; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 32 a.E.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78 f.; Rinne/Schlick, NJW 2005, 3541, 3547; Sandkühler, JA 2001, 414, 420; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 299; Reiner, in: Bamberger/Roth, § 839 Rn. 81; Palandt/Sprau, § 839 Rn. 54. 7 Vgl. BGHZ 28, 297, 301; 31, 148, 151; 37, 375, 380; 61, 351, 356 f.; 91, 48, 51; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 191; Lörler, JuS 1990, 544, 548; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 34; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 305 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 35; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 202. 8 Vgl. Waldeyer, NJW 1972, 1249, 1252 f.; Keuk, AcP 168 (1968), 175, 192 f.; Hanau, VersR 1967, 516, 521 f.; Schwendy, AcP 179 (1979), 367 ff.; Hohenester, NJW 1962, 1140, 1142; zu dieser Konzeption auch Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 305.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
haftenden Körperschaften verlangen; er muss sich vielmehr auf die anderweitigen Ersatzmöglichkeiten verweisen lassen. Es bestehen jedoch im Innenverhältnis zwischen den dann nur im Außenverhältnis Primärverpflichteten anteilsmäßige Regressansprüche gegen die jeweiligen haftenden Körperschaften, §§ 840 Abs. 1, 426 BGB.9 Diese Auffassung kann weder überzeugen, noch steht sie im Einklang mit der (ganz) hL10 und der Rspr. des BGH11 . Zu berücksichtigen ist zum einen, dass der BGH § 839 Abs. 1 S. 2 BGB zunehmend im Außenverhältnis zum Geschädigten teleologisch reduziert hat. Ausschließlich jene von der Rspr. vorgenommene eingeschränkte Geltung im Außenverhältnis kann überzeugen. Anderenfalls wäre die Nichtgeltung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB im Innenverhältnis begründungspflichtig. Die Subsidiaritätsklausel hätte dann allenfalls noch den Zweck, die Haftungskörperschaften vor dem Insolvenzrisiko der Mitschädiger zu schützen. Die Reduzierung auf eine solche Zweckrichtung wird kaum vertretbar sein. Weiterhin bezweckte § 839 Abs. 1 S. 2 BGB die Entschlusskraft und die Tatfreunde des Beamten zu fördern. Die Ängstlichkeit vor der Haftung mit seinem Vermögen sollte ihm genommen werden.12 Auch nach Einführung der Haftungsüberleitung auf den Staat besteht ein solcher Zweck insoweit fort, als bei grob fahrlässiger Amtspflichtverletzung die Subsidiarität eingreift. Bei Nichtgeltung der Subsidiaritätsklausel bestünde bei grober Fahrlässigkeit dann die Rückgriffsmöglichkeit, Art. 34 S. 2 GG.13 Diese eindeutige und unstreitige Zweckrichtung, nämlich der Schutz des Beamten, darf aber nicht über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld „durchkreuzt“ werden.14 Mit der ganz h. M. ist eine „Eliminierung“ des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB im Innenverhältnis über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld abzulehnen. II. Regressansprüche außerhalb des Anwendungsbereichs des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB findet nur bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung Anwendung. Fällt den Ethik-Kommissionsmitgliedern 9 So van der Sanden, Haftung, S. 231 ff., 240 f., der für Ethik-Kommissionen die Geltung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB im Innenverhältnis über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld in Anlehnung an die erörterte Auffassung ausschließt und so im Ergebnis zu einer umfänglichen Haftung für Ethik-Kommissionen gelangt. 10 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 78 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 191; Lörler, JuS 1990, 544, 548; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 34; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 305 f.; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 35; Stein/Itzel/Schwall, Amtsund Staatshaftungsrecht, Rn. 202. 11 Vgl. BGHZ 28, 297, 301; 31, 148, 151; 37, 375, 380; 61, 351, 356 f.; 91, 48, 51. 12 Vgl. BGHZ 13, 88, 100; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 79; Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 10 Rn. 7; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 260; Coester-Waltjen, Jura 1995, 368, 370 f. 13 Auf diese Sachlage hinweisend Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 88; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 260. 14 So auch Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 306.
§ 11 Regressansprüche bei Versuchsteilnehmerschädigungen
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vorsätzliches Handeln zur Last, so haften die passiv legitimierten Körperschaften gesamtschuldnerisch mit den sonst Primärverpflichteten im Außenverhältnis zum Versuchsteilnehmer.15 Da es grundsätzlich zu einer vorrangigen Inanspruchnahme der sonst Primärverpflichteten seitens des geschädigten Versuchsteilnehmers kommt, reduziert sich die Haftung auf die Regressansprüche. Sponsoren, klinische Prüfer, Forscher und/oder die Forschungsstätte haben demzufolge Ausgleichs- und Mitwirkungsansprüche gegen die Kammer, die Universität oder das Land, § 840 Abs. 1, 426 BGB.
C. Ansprüche von Sekundärverpflichteten Sind für den Schaden mehrere Beamte verschiedener Körperschaften verantwortlich, so besteht eine Gesamtschuldnerschaft zwischen den jeweiligen Haftungskörperschaften, § 840 Abs. 1 BGB. Fällt beiden Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so findet § 839 Abs. 1 S. 2 BGB wegen des Grundsatzes der Einheit der öffentlichen Hand keine Anwendung.16 Zu einer gesamtschuldnerischen Haftung kann es kommen, wenn bei der fehlerhaften Beurteilung von Prüfer und/oder Prüfstätte die Mitglieder der beteiligten und diejenigen der federführenden Ethik-Kommission eine schuldhafte Amtspflichtverletzung begehen. Gleiches gilt für die Amtshaftung der Bundesoberbehörde, im Übrigen aber auch für all diejenigen, die sich nicht haftungsentlastend nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB auf die Haftung des jeweils anderen berufen können. Hier entsteht also eine sekundäre-gesamtschuldnerische Haftung, die immer dann zum Zuge kommt, wenn eine Haftung von tatsächlich Primärverpflichteten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausscheidet, sei es, dass Primärverpflichtete überhaupt nicht vorhanden sind oder der Geschädigte von den Primärverpflichteten keinen vollständigen Ersatz seines Schadens in voller Höhe ersetzt bekommen hat. Kommt es unter dieser Prämisse zu einer Inanspruchnahme der für Ethik-Kommissionen haftenden Körperschaft(en), könnenAusgleichs- und Mitwirkungsansprüche gegen weitere gesamtschuldnerisch haftende Körperschaften bestehen, § 840 Abs. 1, 426 BGB.
D. Ergebnis Bei der Regresshaftung für Ethik-Kommissionen bei Versuchsteilnehmerschädigungen kommt § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entscheidende Bedeutung zu. Die Auffassung, die die Subsidiarität der Amtshaftung über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld ausschalten möchte, kann nicht gefolgt werden. Zwischen Primär- und Sekundärschuldnern besteht keine gesamtschuldnerische Haftung. Vielmehr kommt es bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung zu einer Aufspaltung in eine Gesamtschuld erster 15
Hierzu auch Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 191. Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 76; Grzeszick, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 43 Rn. 34 a.E.; s.a. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 115 f.. 16
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Ordnung und eine Gesamtschuld zweiter Ordnung. Wird zulässigerweise eine sekundär haftende Körperschaft in Anspruch genommen, so können Mitwirkungsund Ausgleichsansprüche gegenüber ebenfalls sekundär haftenden Körperschaften bestehen. Gesamtschuldnerisch haften diejenigen Körperschaften, die sich nicht gegenüber der anderen auf § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berufen können. Haftet die Körperschaft dagegen aufgrund einer vorsätzlichen Amtspflichtverletzung, so hat sie keine Regressansprüche gegen Körperschaften, die nur aus fahrlässiger Amtspflichtverletzung haften würden.
§ 12 Regressansprüche bei Schädigungen von Sponsoren und/oder Prüfern/Forschern Bei der Haftung gegenüber dem Sponsor und/oder dem klinischen Prüfer/Forscher bestehen nur in Ausnahmefällen nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Primärverpflichtete. Grundsätzlich beschränken sich die Schadensersatzansprüche auf die Haftungskörperschaften, die für Amtspflichtverletzungen der Mitglieder von federführenden und beteiligten Ethik-Kommissionen sowie fürAmtspflichtverletzungen der Bundesoberbehörde einzustehen haben. Die jeweils passiv legitimierten Körperschaften haften gegenüber dem Sponsor als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BGB. Haftet die Universität oder die Kammer gegenüber dem Sponsor aus enteignungsgleichem Eingriff, besteht nach hier vertretener Auffassung eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Land als „Vorteilszufließungskörperschaft“.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder Besteht eine Schadensersatz- und/oder Regressverpflichtung der jeweiligen Haftungskörperschaften, so können für den dadurch entstehenden (Haftungs-)Schaden auch die Ethik-Kommissionsmitglieder persönlich einzustehen haben. Nachzugehen ist der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ethik-Kommissionsmitglieder persönlich für den Schaden der Haftungskörperschaften in Anspruch genommen werden können.
A. Vorbemerkungen Art. 34 S. 2 GG erlaubt den haftungsrechtlichen Rückgriff, wenn der Amtsträger vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Amtspflichtverletzung begangen hat (sog. Rückgriffsvorbehalt). Beim (Innen-)Regress geht es um denjenigen mittelbaren Schaden, der dem Dienstherrn dadurch entstanden ist, dass er einem Dritten Schadensersatz leisten muss (Haftungsschaden). Die durch Art. 34 S. 1 GG bewirkte befreiende
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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Schuldübernahme führt folglich nicht zu einer endgültigen Haftungsfreistellung des Amtsträgers; er wird durch Art. 34 S. 1 GG lediglich vor einer Inanspruchnahme im Außenverhältnis durch den geschädigten Bürger geschützt. Die Regressmöglichkeit der Haftungskörperschaft darf im Anwendungsfall des Art. 34 GG nur im Falle vorsätzlicher und grob fahrlässiger Amtspflichtverletzung genommen werden. Die Innenhaftung betrifft dagegen die unmittelbare Schädigung des Dienstherrn (Eigenschaden).17 Für Innenhaftung und Innenregress gelten dieselben Vorschriften. Der Beamte haftet gegenüber dem Dienstherrn nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, unabhängig davon, ob eine unmittelbare oder mittelbare Schädigung vorliegt und unabhängig davon, ob er im hoheitlichen oder fiskalischen Bereich gehandelt hat.18 Für Beamte im statusrechtlichen Sinne, die im Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung in einem Bundesbeamtenverhältnis stehen, gilt § 75 Abs. 1 BBG (§ 78 Abs. 1 BBG a. F.).19 Dem § 78 BBG a. F. entsprach inhaltsgleich der § 46 BRRG und damit auch den Landesbeamtengesetzen.20 Entsprechend den geänderten Gesetzgebungszuständigkeiten durch die Föderalismusreform (Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG) wurde das bisherige Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) durch das Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) weitgehend abgelöst. Es regelt die Statusrechte und -pflichten der Beamten nach Art. 33 GG, und zwar diejenigen der Beamtinnen und Beamten, die bei den Ländern, Gemeinden und anderen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in einem Dienst- und Treuverhältnis stehen (§ 1 BeamtStG). Es gilt unmittelbar, bedarf also keiner Umsetzung durch Landesrecht.21 Nachfolgend ist zu differenzieren zwischen verbeamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern, deren Mitwirkung in einer Ethik-Kommission Dienstaufgabe ist, und nicht verbeamteten Mitgliedern bzw. solchen, die außerhalb ihres Beamtenverhältnisses in einer Ethik-Kommission tätig sind.
B. Ansprüche gegen Beamte im statusrechtlichen Sinne Der Schadensersatzanspruch gegen verbeamtete Ethik-Kommissionsmitglieder, deren Mitwirkung in einer Ethik-Kommission Dienstaufgabe ist, richtet sich nach § 46 BeamtStG. Die Regelungen in den Beamtengesetzen über die Pflicht des 17
Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 119; Reinert, in: Bamberger/Roth, § 839 Rn. 105; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 369; Stein/Itzel/Schwall, PraxishandbuchAmts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 250; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 385; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 299 f.; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 39 f. 18 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 119 f.; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 38 ff.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 3; Battis, § 75 BBG Rn. 11; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 386; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 252; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 202. 19 Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 16. 20 Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 68; Reich, § 46 BeamtStG Rn. 1. 21 Zum Beamtenstatusgesetz vgl. Dillenburger, NJW 2009, 1115 ff.; Battis, NVwZ 2009, 812 ff:; Wolff, NVwZ 2009, 632 ff.; Reich, BeamtStG, Einf. Rn. 1 ff.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Beamten, dem Dienstherrn einen rechtswidrig und schuldhaft zugefügten Schaden zu ersetzen, ist abschließend.22 Weitergehende Ansprüche gegen verbeamtete Ethik-Kommissionsmitglieder kommen insoweit nicht in Betracht.
I. Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 48 BeamtStG Nach § 48 S. 1 BeamtStG haben Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamtinnen oder Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, so haften sie als Gesamtschuldner, § 48 S. 2 BeamtStG.
1. Anwendungsbereich Die Grundlage der Haftung stellt das Beamtenverhältnis dar. Voraussetzung ist, dass zum Zeitpunkt der Schadensverursachung ein wirksames aktives Beamtenverhältnis besteht. Auf die Art des Beamtenverhältnisses kommt es nicht an.23 Das BeamtStG normiert die Statusrechte und -pflichten von allen Beamten mit Ausnahme der Bundesbeamten.24 Eine etwaige Haftung von verbeamteten EthikKommissionsmitgliedern richtet sich demzufolge nach § 48 BeamtStG, sei es, dass sie im Landesdienst oder unmittelbar im Dienste der Hochschule stehen.
2. Dienstpflichtverletzung Der Beamte muss eine ihm obliegende Pflicht aus dem Beamtenverhältnis objektiv verletzt haben. a. Problemstellung: Kollegialentscheidung und Einzelhaftung im Innenverhältnis Auch der Regress hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem Haftungsrecht eine Kollegialhaftung wesensfremd ist: Es haften nicht alle für einen und einer für alle, sondern jeder nur für individuelles Fehlverhalten. Der einstimmig oder nur von der Mehrheit der Kommissionsmitglieder gefasste Beschluss stellt nicht nur im Verhältnis zu Dritten, sondern auch im Verhältnis zum Dienstherrn eine Art „Barriere“ zwischen Schaden und individueller (Einzel-)Zurechnung dar. Für die 22 vgl. BVerwGE 52, 255, 256 f.; NJW 1999, 3727, 3728; 2006, 3225, 3226; Battis, § 75 BBG Rn. 3; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 4; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 40 f.; Reich, § 48 BeamtStG Rn. 1. 23 Vgl. Beckmann, Haftung des Beamten, S. 100 f.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 16; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 310. 24 Vgl. Dillenburger, NJW 2009, 1115.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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Amtshaftung gegenüber Dritten ist das rechtswidrige Kommissionsvotum der äußerliche Haftungsanknüpfungspunkt. Es verkörpert die amtspflichtwidrig abgegebenen Einzelstimmen der Mehrheit der Kommissionsmitglieder und das Erfordernis des (Einzel-)Verschuldens kann über die Entindividualisierung des Verschuldens überwunden werden. Es reicht aus, dass der gesamte Haftungstatbestand einschließlich des Verschuldens in der Person mindestens eines Amtswalters verwirklicht ist. Auf die kommissionsinternen Beratungsvorgänge kommt es nicht an. Der Grundsatz des entindividualisierten (Kommissions-)Verschuldens hat nur im Verhältnis zwischen dem mit den Gegebenheiten des „Verwaltungsapparats“ nicht vertrauten Bürger zum Staat, nicht jedoch im Verhältnis Dienstherr – Beamter seine Berechtigung. Dass, was dem geschädigten Dritten im Außenverhältnis erspart geblieben ist, nämlich den konkret schulhaft-amtspflichtwidrig Handelnden zu benennen, ist Aufgabe des Innenregresses. Insoweit kommt der bereits herausgestellten Differenzierung zwischen der in professionell-pluralistischen Gremien im Vordergrund stehenden verhaltensbezogenen Pflicht zum berufsgemäßem Einzelverhalten und der erfolgsbezogenen Pflicht zum rechtmäßigen Abstimmungsverhalten auf der Grundlage des professionell-inderdisziplinären Beratungsvorgangs entscheidende Bedeutung zu.25 b. Grundlagen Bei seiner konkreten Tätigkeit hat der Beamte die geltenden Rechtsvorschriften zu beachten. Unter einer Amtspflicht iSd § 839 BGB wird die persönliche Verhaltenspflicht des Beamten in Bezug auf seine Amtsführung verstanden. Die h. M. geht davon aus, dass Amtspflichten im Innenverhältnis entstehen. Es besteht insoweit keine Kongruenz zwischen (Innen-)Amtspflichten und (Außen-)Rechtspflichten. Mit der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten wird jedoch konstruktiv das Innenverhältnis mit den Vorgaben des Außenrechtsverhältnisses „geflutet“; es besteht im Ergebnis eine (Innen-)Pflicht zur Amtsführung im Einklang mit den Außenrechtssätzen.26 Der Beamte ist folglich auch im Innenverhältnis zu rechtmäßigem Verhalten nach außen verpflichtet. Verletzt der Beamte Amtspflichten gegenüber dem Bürger, so stellt dies zugleich eine objektive Verletzung seiner Pflichten im Verhältnis zum Dienstherrn dar.27 Anders als bei § 839 BGB obliegen alle Dienstpflichten dem Dienstherrn gegenüber; auf eine etwaige Drittgerichtetheit kommt es nicht an.28 Konstatieren lässt sich demzufolge, dass beamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern die ordnungsgemäße Begutachtung von Forschungsanträgen nach den einschlägigen Rechtsvorschriften auch im Innenverhältnis zum Dienstherrn obliegt und eine Fehlbegutachtung eine Dienstpflichtverletzung darstellt. 25
Zum Ganzen bereits oben, § 5 B.II.2. Hierzu oben, § 5 B.II.3.b. 27 Vgl. nur Beckmann, Haftung des Beamten, S. 116; Sommer/Konert/Sommer, § 86 NBG Rn. 3; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 18; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 312 u. 314; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 108. 28 Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 314; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 115 f.: „Für die Auslösung der vermögensrechtlichen Haftung des Beamten im Innenverhältnis zum Dienstherrn ist das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung notwendige, aber auch hinreichende Bedingung“. 26
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
c. Ethik-Kommissionsspezifische Betrachtung Aus der Natur der Ethik-Kommissionstätigkeit folgt, dass die Stimmen der EthikKommissionsmitglieder sich nicht als fachspezifisch abgrenzbarer Anteil am Entscheidungsinhalt darstellen lassen. Sie ist vielmehr auf das gesamte Forschungsvorhaben bezogen, basierend auf der vorangegangenen interdisziplinären Beratung. Es sind zwei (Dienst-)Pflichten, die die Tätigkeit der Ethik-Kommissionsmitglieder charakterisieren, nebeneinander bestehen und von jedem Ethik-Kommissionsmitglied parallel zu erfüllen sind; nämlich die verhaltensbezogene Pflicht zum berufsgemäßem Einzelverhalten während des interdisziplinären Beratungsvorgangs und die erfolgsbezogene Pflicht zum rechtmäßigen Abstimmungsverhalten. Die objektive Verletzung auch nur einer dieser beiden Pflichten kann zum Schadensersatz gegenüber dem Dienstherrn führen. aa. Berufsgemäßes Einzelverhalten (verhaltensbezogene Dienstpflichtverletzung) In professionell-pluralistisch besetzten Kollegialorganen rückt anders als in einseitig ausgerichteten (Fach-)Gremien der Vertrauensgrundsatz in den Mittelpunkt der kommissionsinternen Verhaltenspflichten, denn das Kennzeichen des interdisziplinären Diskurses ist die fachspezifisch reflektierendeAbwägung ohne gleichartig korrespondierender Fachkompetenz der anderen Mitglieder und fehlender ad hoc Kontrolle der Richtigkeit der jeweils getätigten Äußerungen. Dem Vertrauensgrundsatz innerhalb der Kommission wird dadurch genüge getan, dass jedes Ethik-Kommissionsmitglied bei der interdisziplinären Beratung diejenige Sorgfalt bei der Begutachtung der Forschungsanträge an den Tag legt, die von ihm nach dem jeweiligen Verkehrskreis erwartet werden kann.29 Die Pflicht zum berufsgemäßen Einzelverhalten während des interdisziplinären Diskurses und des Vertretbarkeitsfindungsprozesses entspricht der für Mitglieder von Kollegialorganen angenommenen Pflicht, dass mit einer bloßen Stimmenthaltung nicht der Verantwortung genügend Rechnung getragen wird, sondern dass das fachspezifische Für und Wider mit Nachdruck darzulegen ist.30 Jene Pflicht lässt sich einerseits als eine besondere Ausprägung der Dienstpflicht zu rechtmäßigem Verhalten auffassen, also auf einen rechtmäßigen Beschluss hinzuwirken, andererseits basiert sie auch auf der besonderen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses, denn die Berufung eines Fachmanns in eine Ethik-Kommission erfolgt mit dem vordergründigen Zweck, dass jener seinen Fachverstand in die Kommission einbringt. Werden fachspezifische Bedenken nicht vorgetragen oder wird sich gar fehlerhaft geäußert, liegt eine Dienstpflichtverletzung vor. Folglich kann auch dem „lautlos“ pflichtgemäß Votierenden eine Dienstpflichtverletzung vorgeworfen werden. 29 In diese Richtung auch Mayer, Produktverantwortung, S. 619; Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 127 f., wobei Letzterer die Stimmangabe des Kommissionsmitglieds als abgrenzbaren Anteil an der Gesamtentscheidung qualifiziert. 30 Vgl. Fleischer, BB 2004, 2645, 2651 m.w. Nachw.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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bb. Rechtswidriges Abstimmungsverhalten (erfolgsbezogene Dienstpflichtverletzung) Ebenso wie das rechtswidrige Kommissionsvotum im Verhältnis zu Außenstehenden den Haftungsanknüpfungspunkt bildet, so kann es auch im Verhältnis zum Dienstherrn neben der soeben erörterten verhaltensbezogenen Dienstpflicht die Grundlage des Innenregresses bilden, wobei sich der Dienstherr nicht auf den Grundsatz der Verschuldensentindividualisierung berufen kann. Die Dienstpflichtverletzung resultiert hier unmittelbar aus der Pflicht zum rechtsmäßigen Verhalten; genauer: der (Innen-)Pflicht zur Amtsführung im Einklang mit den Außenrechtssätzen. Für Ethik-Kommissionsmitglieder folgt hieraus das Gebot, die positive oder negative Stimmabgabe anhand der einschlägigen Vorschriften auszurichten. 3. Verschulden Die Haftung besteht nur, wenn der Beamte seine Dienstpflicht schuldhaft verletzt hat. Nach heutiger Gesetzeslage wird nicht nur der Rückgriff (Art. 34 S. 2 GG), sondern die Haftung des Beamten schlechthin auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt, §§ 75 BBG, 48 BeamtStG. a. Bezugspunkt Nach nahezu unbestrittener Auffassung muss sich das Verschulden ausschließlich auf die Pflichtverletzung beziehen, nicht dagegen auf die Folgen der Pflichtverletzung oder gar auf den Schaden.31 Die Folgen dieses verkürzten Verschuldens sind bereits anderenorts ausführlich dargelegt worden und im Verhältnis zum Dienstherrn nicht anders zu beurteilen.32 b. Insbesondere: Grobe Fahrlässigkeit Die Dienstpflicht muss mindestens grob fahrlässig verletzt worden sein. Anders als bei der Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG kommt der Abgrenzung zwischen Vorsatz und grober Fahrlässigkeit keine richtungweisende Bedeutung zu. Insoweit sei sich nachfolgend auf die Feststellung der groben Fahrlässigkeit beschränkt. aa. Grundlagen Der Begriff der groben Fahrlässigkeit im beamtenrechtlichen Haftungsbereich ist der gleiche, wie er auch sonst in anderen Bereichen zugrunde gelegt wird.33 31 Vgl. BGH VersR 1980, 924, 925; BVerwGE 69, 334, 336; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 22; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 125 ff.; Battis, § 75 BBG Rn. 8; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 316; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 833 ff.; allg. zum Bezugspunkt des qualifizierten Verschuldens Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 93; 32 S. oben, § 5 B.II.6.c.aa. 33 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 389.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Grob fahrlässig handelt nach st. Rspr. des BGH, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Es handelt sich um eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1 BGB erheblich übersteigt.34 Ausgangspunkt bildet also der besonders schwere Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt 35 , die auch bei der groben Fahrlässigkeit objektiv zu bestimmen ist.36 Die erforderliche Sorgfalt – sowohl die innere als auch die äußere37 – ist normativ, sozialbezogen und objektiv typisierend definiert. Es wird die nach den Umständen gebotene Sorgfalt verlangt (normativ) und es kann nur das verlangt werden, was nach dem jeweiligen Verkehrskreis erwartet wird (Sozialbezogenheit). Maßgeblich ist dabei der objektiv typisierte Standard im besonderen Verkehrskreis.38 In besonders hohem Maße wird die erforderliche Sorgfalt dann außer Acht gelassen, wenn ein „Überschuss an Nicht-Sorgfalt gegenüber der Fahrlässigkeit schlechthin“ gegeben ist.39 Für die beamtenrechtliche Haftung wird für die Annahme grober Fahrlässigkeit weiterhin die subjektive Vorwerfbarkeit gefordert40 , wie dies auch überwiegend anderenorts für die grobe Fahrlässigkeit grundsätzlich anerkannt ist.41 Beurteilungsgrundlage können folglich auch individuelle Kenntnisse, Erfahrungen und die Einsichtsfähigkeit des Handelnden sein. Subjektive Umstände können sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten wirken.42
34
Vgl. BGHZ 89, 153, 161; NJW 1992, 3235, 3236; zu weiteren Formeln der Rspr. vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 422; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 94; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 277 Rn. 2; Schneider, Verschuldensprinzip, S. 385 ff., jew. m.w. Nachw.; für die Haftung des Beamten etwa Battis, § 75 BBG Rn. 8; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 25; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 830. 35 Vgl. Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 154 f.; ders., Haftungsrecht, Rn. 423; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 155 f.; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 93. 36 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 425. 37 Ausf. hierzu Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 385 ff. 38 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 376 ff.; ders., JZ 1997, 1030 ff.; ders., JZ 2002, 588, 589; ders./Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 189; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 140 ff. 39 In diesem Sinne Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 423. 40 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 426; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 156; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 318; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 132 f. m.w. Nachw.; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 830 f. 41 Vgl. BGHZ 119, 147, 149; NJW 1992, 3235, 3236: „subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung“;Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 104 ff.; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 277 Rn. 3; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 426; ders./Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 156; HK-BGB/Schulze, § 276 Rn. 19; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 132 f. 42 Vgl. Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 830 f.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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bb. Bestimmung der schuldhaft Handelnden Für Ethik-Kommissionsmitglieder bereitet die Feststellung des qualifizierten Verschuldens mitunter Schwierigkeiten. In Bezug auf § 839 BGB wird die erforderliche Sorgfalt am Maßstab des „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten“ bestimmt, der die zur Führung seines Amtes erforderlichen Rechts- und Verwaltungskenntnisse besitzt oder sich verschafft.43 Der hiermit anzustrebende Vergleich des konkret handelnden Ethik-Kommissionsmitglieds mit einem „durchschnittlichen EthikKommissionsmitglied“ kann deswegen nicht überzeugen, weil es das Ziel von professionell-pluralistisch besetzten Kollegialorganen ist, mehr als nur durchschnittlich zu handeln. Erreicht wird dies dadurch, dass Mitglieder verschiedenster Verkehrskreise an einer interdisziplinären Beratung teilnehmen und aus dieser Verkehrskreisvereinigung eine pluralistische Vertretbarkeitsentscheidung gefällt wird.44 Während es bei der übergeleiteten Beamtenhaftung im Außenverhältnis zur Begründung des Schadensersatzanspruches unerheblich ist, welche Mitglieder welcher Fachrichtungen auf welche Art und Weise schuldhaft gehandelt haben, ist eine solche Entindividualisierung im Bereich der Innenhaftung nicht angezeigt. Für Ethik-Kommissionsmitglieder lässt sich kein einheitlicher Sorgfaltsmaßstab aufstellen. Vielmehr ist eine Verschuldensprüfung anhand der verschiedenen Fachkreise vorzunehmen, sodass unterschiedliche Sorgfaltsmaßstäbe zur Anwendung gelangen. Es bedarf also einer kommissionsinternen Verantwortungsabgrenzung.45 Unter besonderer Berücksichtigung der den Kommissionsmitgliedern anzulastenden Dienstpflichtverletzungen und der im Vordergrund stehenden inderdisziplinären Beratung dürfte die nachfolgende Prüfung zur Bestimmung der schuldhaft Handelnden und damit Rückgriffsverpflichteten anzulegen sein: Ausgangspunkt bildet der haftungsbegründende Mangel, also derjenige, der den Dienstherrn im Außenverhältnis zu Dritten zum Schadensersatz verpflichtet. Jener Mangel ist fachbereichsspezifisch zuzuordnen. So obliegt es etwa in erster Linie dem Mediziner, die ärztliche Vertretbarkeit der klinischen Prüfung zu bewerten (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG), der Pharmakologe hat das Toxizitätspotential des Arzneimittels zu eruieren, insbesondere hat er zu prüfen, ob die Vorgaben des § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 u. 7 AMG erfüllt werden, der Biostatistiker muss prüfen, ob die klinische Prüfung zum Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis geeignet ist, dem Kinderarzt obliegt die Prüfung der §§ 40 Abs. 4, 41 Abs. 2 AMG und der Jurist hat in erster Linie die diesbezügliche Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen, etwa dass nicht unberechtigt zusätzliche Informationen angefordert werden, die Beweislastgrundsätze bei der endgültigen Entscheidung eingehalten werden, nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen gegen Placebo getestet wird, die Anforderungen an die Versicherung erfüllt werden, die Aufklärung des Versuchsteilnehmers ordnungsgemäß erfolgt und nicht zuletzt, dass klinische Prüfungen nach § 4 Abs. 23 AMG nicht nur nach § 15 MBO-Ä beraten werden.
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Vgl. BGHZ 106, 323, 329 f.; 139, 200, 203; NVwZ 1986, 504, 505; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 198; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 24. 44 Hierzu bereits oben, § 5 B.II.6.c.bb(1). 45 Wie hier van der Sanden, Haftung, S. 248; Mayer, Produktverantwortung, S. 619; im Ergebnis auch Scheffold, Ethik-Kommissionen, S. 127 f.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Diese Zuordnung kann auch unterschiedlich ausfallen und auch dazu führen, dass mehrere Ethik-Kommissionsmitglieder in Betracht kommen, so etwa der Jurist und der Mediziner, wenn es darum geht, ob eine Placebokontrolle trotz vorhandener Standardtherapie ausnahmsweise zulässig ist oder ob die Patienteninformation eine hinreichende Aufklärung über Risiken enthält. Sodann ist zu klären, ob denjenigen Ethik-Kommissionsmitgliedern, in deren fachspezifische Verantwortung der Mangel nach ihrem Berufsbild fällt, bei der interdisziplinären Beratung diejenige Sorgfalt haben walten lassen, die man von einem Ethik-Kommissionsmitglied mit der entsprechenden Fachrichtung hätte erwarten können. Angesprochen ist also das berufsgemäße Einzelverhalten während des Vertretbarkeitsfindungsprozesses. Das ist dann der Fall, wenn der Fachmann das fachspezifische Für und Wider erläutert und Bedenken mit Nachdruck kundgetan hat.46 Fehlt es hieran, so ist zu prüfen, ob der fachspezifische Mangel grob fahrlässig nicht erkannt oder grob fahrlässig verschwiegen wurde. Erfüllt der Fachmann seinen Verhaltensanforderungen und hat er amtspflicht- bzw. dienstpflichtgemäß votiert, scheidet er aus dem Kreise der Rückgriffsschuldner aus. Hieran schließen sich nun Fehler im Abstimmungsverhalten an, die auf das Engste mit der Erfüllung/Nichterfüllung des berufsgemäßen Einzelverhaltens des jeweiligen Fachmanns verbunden sind: – Hat der Fachmann schuldhaft seine Verhaltensanforderungen während der interdisziplinären Beratung nicht erfüllt und gleichzeitig amtspflicht- bzw. dienstpflichtpflichtwidrig abgestimmt, so kann dies die Annahme grober Fahrlässigkeit nahelegen. Den übrigen, in Bezug auf den Mangel sachunverständigen Kommissionsmitgliedern, wird weder ein qualifizierter noch ein einfacher Verschuldensvorwurf angelastet werden können, wenn der Fachmann das fachspezifische Für und Wider der Kommission entweder vorenthalten oder sich fehlerhaft geäußert hat (horizontaler fachspezifischer Vertrauensgrundsatz).47 – Hat der Fachmann seine Verhaltensanforderungen während der interdisziplinären Beratung erfüllt, so kann den übrigen Kommissionsmitgliedern aber bei amtspflicht- bzw. dienstpflichtwidriger Votierung ein qualifiziertes Verschulden angelastet werden, da sie in diesem Falle über den später schadensersatzauslösenden Mangel entweder Kenntnis, zumindest aber ein konkretes Gefährdungsbewusstsein besaßen. – Gewissermaßen präjudizielle Bedeutung für die Annahme grob fahrlässigen Verhaltens der übrigen Kommissionsmitglieder hat das Abstimmungsverhalten des Fachmanns selbst: Votiert dieser trotz mit Nachdruck dargelegten Bedenken amtspflicht- bzw. dienstpflichtwidrig, so lässt sich hieraus für die übrigen Mitglieder der Schluss ziehen, dass die fachspezifischen Bedenken wohl entweder 46 Vgl. Mayer, Produktverantwortung, S. 619: „So obliegt es den Medizinern und Pharmakologen, Nutzen und Risiken der Prüfung aus medizinisch-pharmakologischer Sicht zu eruieren und den Nichtmedizinern klar und deutlich darzulegen“. 47 Ebenso Meyer, Produktverantwortung, S. 619: „Unter Berücksichtigung des Ressortprinzips dürfen sich die einzelnen Kommissionsmitglieder dabei prinzipiell auf die Situationsbewertung des jeweiligen Fachkollegen verlassen, sofern sich diese nicht als evident fehlerhaft darstellt“.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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nicht so gravierend waren, um eine Entscheidung in eine andere Richtung zu rechtfertigen, oder aber, dass auf der Grundlage des interdisziplinären Diskurses die gefällte Entscheidung im Gesamtkontext sich als fachspezifisch vertretbar erweist. Grob fahrlässiges Verhalten kann hier grundsätzlich nur den Fachmann selbst treffen, soweit die übrigen Mitglieder auf die Sachkunde des Fachmanns vertrauen durften. – Anders liegt es freilich bei durchweg rechtmäßigem Handeln des Fachmanns, also wenn dieser zusätzlich rechtmäßig votiert hat. Hier liegt die Annahme grober Fahrlässigkeit der übrigen, den Fachmann überstimmenden und durch den Fachmann aufgeklärten Mitgliedern nahe, entweder aus dem Gedanken des (groben) Übernahmeverschuldens48 , oder wenn in dem Abstimmungsverhalten gleichzeitig ein Beiseiteschieben der fachspezifischen Bedenken liegt, obgleich es jedem Ethik-Kommissionsmitglied hätte einleuchten müssen, dass die Entscheidung in die andere Richtung unter keinen Umständen mehr vertretbar ist. Zu berücksichtigen ist, dass es auch Entscheidungsmängel geben kann, die sich entweder nicht konkret oder nicht abstrakt fachbereichsspezifisch zuordnen lassen. – Zu den ersten Fällen zählen Mängel, die aus einem Organisationsverschulden herrühren können, also wenn die Ethik-Kommission nicht über ausreichend Fachverstand verfügt oder die Ethik-Kommission über den später schadensersatzbegründenden Aspekt ohne Hinzuziehung externen Sachverstands (sachunverständig) entschieden hat. Ein Verschulden kann hier nur in dem Abstimmungsverhalten der Mitglieder gesehen werden, wenn diese trotz erkannter Gefährlichkeit einer Abstimmung ohne Fachverstand das Forschungsvorhaben gleichwohl bescheiden und sich damit leichtfertig über die erkannte Gefahr hinwegsetzen. Zählt man die gesetzlich geregelten Fälle über die Hinzuziehung externen Fachverstands (§ 42 Abs. 1 S. 6 AMG) zu den elementaren Verhaltenspflichten, führt ein Verstoß grundsätzlich zur Annahme grob fahrlässigen Verhaltens49 , wobei ein Organisationsverschulden im Hinblick auf eine ungenügende Rekrutierung von Ethik-Kommissionsmitgliedern über das Mitverschulden Berücksichtigung finden kann.50 – Zu abstrakt nicht fachbereichsspezifisch zuzuordnenden Mängel zählen solche, für die ein Bedürfnis nach Zuordnung nicht besteht, weil bereits ein pflichtgetreu handelndes durchschnittliches Ethik-Kommissionsmitglied den Mangel hätte erkennen können und anders gehandelt hätte, etwa wenn überhaupt keine Aufklärung des Versuchsteilnehmers vorgesehen ist oder eine Arzneimittelzulassungsstudie der Phase II nach der Rechtsauffassung des Antragsteller nur nach § 15 MBO-Ä beraten werden soll. Sodann gibt es auch grob unverständige Entscheidungen, z. B. wenn eine klinische Prüfung mit dem lang erwarteten neuen 48
Zum groben Übernahmeverschulden vgl. Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 277 Rn. 3; zu diesem Gedanken für professionell- pluralistische Gremien bereits oben, § 5 B.II.6.c.bb(5). 49 Zu Verstößen gegen elementare Verhaltenspflichten vgl. Grüneberg, in: Bamberger/Roth, § 277 Rn. 4; Grundmann, in: MüKo/BGB, § 276 Rn. 99. 50 Dazu sogleich.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Impfstoff gegen die „Schweinegrippe“ wegen des Fehlens der voraussichtlichen Bedeutung für die Heilkunde abgelehnt wird. Festzuhalten ist, dass Ethik-Kommissionsmitgliedern auch außerhalb ihres Fachbereichs ein qualifiziertes Verschulden treffen kann und die kommissionsinterne (Fach-)Verantwortungsabgrenzung nicht absolut geltend kann, sondern in erster Linie der Feststellung dient, ob den sachunverständig Votierenden durch den Fachmann ein hinreichend konkretes Gefährdungsbewusstsein vermittelt wurde. cc. Differenzierung zwischen verhaltens- und erfolgsbezogener Dienstpflichtverletzung Für die Feststellung eines qualifizierten Verschuldens ist die genaue Benennung und Charakterisierung der Dienstpflichtverletzung erforderlich.51 Der Rückgriff des Dienstherrn hängt nach den vorstehenden Ausführungen entscheidend von der fachspezifischen Zuordnung des haftungsbegründenden Mangels im Außenverhältnis ab. Jedem Ethik-Kommissionsmitglied obliegt zum einen die aktive Mitwirkung an der Entscheidungsfindung, und zum anderen, dass auf der Grundlage des interdisziplinären Diskurses reflektierend ordnungsgemäß über das Forschungsvorhaben abgestimmt wird, also dass etwa kein Forschungsvorhaben zustimmend bewertet wird, welches nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften steht und kein Forschungsvorhaben ablehnend bewertet wird, welches die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Die spezifische mängelbezogene Betrachtungsweise führt zu einer beweglichen Handhabung primärer Verantwortlichkeiten, indem je nach Art des schadensersatzbegründenden Mangels die Mitglieder in passiv-sachunverständige und aktiv-sachverständige eingeteilt werden: Ersteren kann, wenn sie für den Entscheidungsmangel nach ihrem Berufsbild nicht zuständig sind, sie also diesbezüglich sachunverständig und auf die Worte des Fachmanns vertrauen müssen, nur die fehlerhaft reflektierende Abstimmung über das Forschungsvorhaben vorgeworfen werden. Bei dem konkret für den Mangel nach seinem Berufsbild zuständigen Fachmann tritt eine zusammenhängende Bündelung zweier Dienstpflichten ein, also die Aufklärung über das fachspezifische Für und Wider des Forschungsvorhabens und die anschließende ordnungsgemäße reflektierende Abstimmung. Aufschlussreich und zu interessensgerechten Ergebnissen für die Feststellung eines qualifizierten Verschuldens der Ethik-Kommissionsmitglieder führt die Übertragung der Diskussion über das Verhältnis der Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 S. 1 zur Verschuldensvermutung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.52 So hat Spickhoff anschaulich hervorgehoben, dass je erfolgsbezogener eine Pflicht formuliert wird, desto größer der Gegenstand des Verschuldens wird, und je konkret-verhaltensbezogener man eine Pflicht fasst, umso weniger letztlich für die Verschuldensvermutung übrig bleibt.53 Die Dienstpflicht, sich während der interdisziplinären Beratung so zu 51
Vgl. Beckmann, Haftung des Beamten, S. 133. Dazu auch bereits oben, § 5 B.II.9.b.ee(4)(c) m.w. Nachw. 53 Spickhoff, in: Lorenz, Karlsruher Forum, S. 163, 164 a.E.; ders., NJW 2002, 2530, 2532 f.; so auch Deutsch, JZ 2002, 588, 590 f.; Stadler, in: Jauernig, § 280 Rn. 20; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1890; s.a. Ahrens, in: Lorenz, Karlsruher Forum, S. 7, 42 ff. 52
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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verhalten, wie es dem Berufsbild entspricht, weist einen reinen Verhaltensbezug auf. Das einzelne fachverständige Ethik-Kommissionsmitglied schuldet hier keinen Erfolg, insbesondere keinen rechtmäßigen Beschluss, sondern eine Verhaltenserwartung, nämlich die Aufklärung über das fachspezifische Für und Wider der klinischen Prüfung. Hier fallen im Ergebnis Dienstpflichtverletzung und die zu erbringende objektiv erforderliche Sorgfalt zusammen. Für die Annahme grober Fahrlässigkeit muss die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden sein, was nach der Rspr. dann der Fall ist, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte, also einem Sachkundigen sofort in den Sinn gekommen wäre.54 Vergleichsmaßstab ist der objektiv typisierte Standard im besonderen Verkehrskreis und hinzutreten muss eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Anders liegt es bei der rechtswidrigen Stimmabgabe bzw. der Beteiligung an einem rechtswidrigen Beschluss. Die Stimmabgabe bezieht sich nicht wie erörtert auf einen fachspezifisch abgrenzbaren Anteil an der Gesamtentscheidung, sondern auf das gesamte Forschungsvorhaben und mithin auch auf Aspekte, die nicht in die eigene Fachkompetenz fallen. Die Pflicht ist hier erfolgsbezogen, sodass dem qualifizierten Verschulden ein breiter und bedeutsamer Anwendungsbereich zukommt. Der Verstoß gegen die die Dienstpflichtverletzung begründenden Normen muss weder für die konkret Fachverständigen noch für die Fachunverständigen ein (qualifiziertes) Verschulden begründen. Entscheidungserheblich ist die Erkenntnis der möglichen Tatbestandsverwirklichung, gemessen am Maßstab der objektiven Typisierung.55 Für den Fachverständigen liegt die Annahme eines Verschuldens folglich näher. Er darf kein Forschungsvorhaben zustimmend bewerten, das aus fachlicher Sicht unter keinen denkbaren Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der Fachansichten der anderen Mitglieder mehr vertretbar ist. Für die übrigen fachunverständigen Kommissionsmitglieder kann sich ein Verschuldensvorwurf ausschließlich daraus ergeben, dass sie auf der Grundlage der interdisziplinären Beratung fehlerhaft über das Forschungsvorhaben abgestimmt haben. Es kommt wie dargelegt zum einen darauf an, in welchem Maße sie infolge der fachspezifischen Aufklärung Kenntnis über die mögliche Tatbestandsverwirklichung haben. Die objektive Typisierung ist insoweit bedeutsam, als das Abstimmungsverhalten reflektierend erfolgt, also unter Berücksichtigung der geführten interdisziplinären Beratung und unter Einbeziehung des eigenen Fachverstands. Zum anderen ist das Abstimmungsverhalten des Fachmanns selbst gewichtig: Stimmt das reflektierende Abstimmungsverhalten mit den vorgetragenen Bedenken überein, wird hierdurch zumAusdruck gebracht, dass eine anderslautende Entscheidung fachlich unvertretbar ist. Wurden die Kommissionsmitglieder von dem Fachmann nachdrücklich aufgeklärt, so kann in einer in die andere Richtung als vom Fachmann vorgeschlagenen Entscheidung grundsätzlich ein Verschulden erblickt werden. Als grob fahrlässig kann das Abstimmungsverhalten dann anzusehen sein, wenn in dem Abstimmungsverhalten gleichzeitig ein Beiseiteschieben der fachspezifischen Bedenken liegt, 54 55
Zu Letzterem BGH NJW 1998, 814, 815. Dazu allg. Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn. 136; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 388.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
obgleich es jedem Ethik-Kommissionsmitglied nach der eingehenden fachlichen Erläuterung hätte einleuchten müssen, dass die Entscheidung in die andere Richtung unter keinen Umständen mehr vertretbar ist, sowie dann, wenn ein Angehöriger der nicht fachbetroffenen Berufsgruppe unter Würdigung des vorgetragenen Für und Wider genauso wie der Fachmann hätte entscheiden müssen, eine anderslautende Entscheidung mithin ein schwerer Verstoß gegen die „eigene“ zu erbringende objektiv erforderliche Sorgfalt darstellt. c. Ergebnis Obwohl sich die Stimme der Ethik-Kommissionsmitglieder auf das gesamte Forschungsvorhaben bezieht, ist auf der Ebene des Verschuldens eine nach Fachbereichen zu differenzierende Verantwortung vorzunehmen. Anknüpfungspunkt ist der haftungsbegründende Mangel im Außenverhältnis, der fachbereichspezifisch zuzuordnen ist. Nur dem Fachmann, der den Mangel nach seinem Berufsbild hätte erkennen können, kann ein Verschulden treffen, wenn die übrigen Mitglieder den Mangel ohne eine fachspezifische Aufklärung nicht erkennen konnten. Nur den fachunverständigen Mitgliedern kann ein Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn der Fachmann dienstpflichtgemäß über das fachliche Für und Wider aufgeklärt hat und dienstpflichtgemäß votiert hat. Da die Pflicht zum rechtmäßigen Abstimmungsverhalten erfolgsbezogen ist, bleibt für das Verschulden ein breiter Anwendungsbereich. 4. (Mittelbarer) Schaden des Dienstherrn Weitere Voraussetzung des Regressanspruchs gegen den Beamten ist ein Schaden des Dienstherrn. Der Begriff des Schadens entspricht demjenigen des Zivilrechts und ist demnach der Unterschied zwischen der bestehenden Güterlage des Dienstherrn und dem für den Dienstherrn vorteilhafteren Zustand, der ohne die Dienstpflichtverletzung bestehen würde.56 Sowohl der unmittelbare Schaden (Eigenschaden) als auch der mittelbare Schaden (Haftungsschaden) werden erfasst.57 Im Bereich der Rückgriffshaftung geht es ausschließlich um den Haftungsschaden, welcher dem Dienstherrn dadurch entsteht, dass durch die Dienstpflichtverletzung ein Dritter geschädigt wird und der Dienstherr im Außenverhältnis für jenen Schaden einzutreten hat.58 Erfasst sind vorliegend zunächst sämtliche Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer, Sponsor und/oder Prüfer, soweit der Dienstherr im Außenverhältnis in Anspruch genommen worden ist („Amtshaftungsregress“). Zu den mittelbaren 56
Vgl. BVerwG DöV 1999, 645; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 139 ff. 57 Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43a; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 370; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 838; Reich, § 48 BeamtStG Rn. 6. 58 Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 370; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 118 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 385; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 43a; Battis, § 75 BBG Rn. 11.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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Schäden zählen freilich auch solche, die der Dienstherr aufgrund der Mitwirkungsund Ausgleichsverpflichtung im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs erleidet. Der Dienstherr kann aber aufgrund einer Dienstpflichtverletzung der EthikKommissionsmitglieder auch aus enteignungsgleichem Eingriff haften. Leistet der Dienstherr eine entsprechende Entschädigung, so kann er ebenfalls den ihn durch jene Entschädigungsleistung entstehenden Schaden ersetzt verlangen.59 Während der Dienstherr im Außenverhältnis verschuldensunabhängig haftet, ist der Rückgriff gegen Beamte im statusrechtlichen Sinne freilich auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Zwar könnte man der Auffassung sein, dass dem enteignungsgleichen Eingriff keine Bedeutung zuzumessen ist, weil bei einer grob fahrlässigen Dienstpflichtverletzung idR eine Haftung im Außenverhältnis wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung begründet sein wird. Zudem gewährt die Amtshaftung einen Schadensersatzanspruch, der enteignungsgleiche Eingriff dagegen nur einen Entschädigungsanspruch. Entscheidende Bedeutung ist jedoch dem Umstand zuzumessen, dass für beide Ansprüche eine unterschiedliche Passivlegitimation im Außenverhältnis bestehen kann60 , was sich folglich auch auf den Rückgriff auswirkt.
5. Zurechnung des Schadens: Haftungsausfüllende Kausalität Der Schaden des Dienstherrn muss kausal auf der Pflichtverletzung des Beamten beruhen. Im Bereich des Rückgriffsanspruchs ist die Pflichtverletzung des Beamten dann kausal iSd condicio sine qua non-Formel, wenn durch das Verhalten des Beamten ein Dritter geschädigt worden ist, der Dienstherr zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet ist und ohne die Pflichtverletzung die Ersatzpflicht ausgeblieben wäre.61 Zu fragen ist danach, wie sich bei pflichtgemäßer Amtsführung die Vermögenslage des Dienstherrn entwickelt hätte.62 Je nach Anknüpfungspunkt für den Regressanspruch fällt die Kausalitätsprüfung unterschiedlich aus: Fällt ausschließlich dem Fachmann eine grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung zu Last, weil er es entweder unterlassen hat, die fachunverständigen Mitglieder über das fachspezifische Für und Wider aufzuklären oder hat er grob fahrlässig eine falsche Vorstellung bei den sachunverständigen Mitgliedern erzeugt, so kommt es im ersten Fall darauf an, ob bei ordnungsgemäßer Fachaufklärung die fachunverständigen Mitglieder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ordnungsgemäß abgestimmt hätten, und im letztgenannten Fall ist zu fragen, ob ohne die Fehlvorstellung ein rechtmäßiger Beschluss ergangen wäre. Entscheidungserheblich ist also, ob dem Fachmann ein ergebniskausaler oder eine ergebnisneutrale (grobe) 59 Vgl. Quantz, VersR 2004, 1244, 1246 f. Dass auch die Entschädigungsleistung aus enteignungsgleichem Eingriff zu einer Rückgriffshaftung führen kann, findet in der Literatur nur beiläufig Berücksichtigung, vgl. etwa Battis, § 75 BBG Rn. 6; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 304 m. Fn. 11. 60 Zur unterschiedlichen Passivlegitimation auch BGHZ 13, 88, 105 f. 61 Vgl. Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 839 f.; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 322; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 45. 62 Vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 322; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 44a.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Liegt die grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung ausschließlich oder zusätzlich in dem rechtswidrigen Abstimmungsverhalten, so gelten die für Gremienentscheidungen bereits dargelegten Kausalitätsgrundsätze.63 Dass der Dienstherr aufgrund einer Dienstpflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, ist keine fernliegende Möglichkeit, sodass auch der Adäquanzzusammenhang vorliegt.64
6. Gesamtschuldnerische Haftung Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner, § 48 BeamtStG.65 Eine Haftung auf den vollen Schaden ist danach schon allein dann begründet, wenn sich feststellen lässt, dass der Schaden zumindest auch durch die vorsätzliche oder grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung adäquat verursacht worden ist. Es bedarf folglich keiner „gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung“, wie dies § 830 Abs. 1 S. 1 BGB vorsieht, sondern es genügt die „gemeinsame Verursachung“; nicht erforderlich ist mithin die gemeinsame Begehung der Dienstverletzung.66 Lässt man mit der hier vertretenen Auffassung auch die fahrlässige Mittäterschaft unter § 830 Abs. 1 S. 1 BGB fallen, so ergeben sich für Ethik-Kommissionsmitglieder aber keine Unterschiede im Verhältnis zur gesamtschuldnerischen Haftung nach § 48 BeamtStG. Der von dem Dienstherrn in Anspruch Genommene kann von den anderen schadensverursachenden Beamten einen im Sinne des § 254 BGB bemessenen Ausgleich verlangen.67 Ist mehreren Beamten eine Dienstpflichtverletzung vorzuwerfen, fällt einem oder mehreren aber kein qualifiziertes Verschulden zur Last, so ist der Anspruch des Dienstherrn nach den Grundsätzen zur gestörten Gesamtschuld um diejenige Quote zu kürzen, die auf den privilegierten Schädiger entfällt.68 Dies führt auch für Ethik-Kommissionsmitglieder zu interessensgerechten Ergebnissen. Handelt ein oder handeln mehrere Fachmänner grob fahrlässig, ein anderer dagegen nur fahrlässig, so ist die Haftung um denjenigen Faktor zu kürzen, der auf den privilegierten Kollegen entfällt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Ethik-Kommissionsvoten pluralistische Mehrheitsbeschlüsse verschiedenster Fachrichtungen sind und über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld das Fehlverhalten eines Mitglieds einer anderen Fachrichtung zulasten des Dienstherrn, nicht dagegen zu Lasten der fachfremden Mitglieder geht. 63
Oben, § 5 B.II.7.b; zur gesamtschuldnerischen Haftung nach § 48 S. 2 BeamtStG sogleich. Hierzu auch Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 45; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 840 65 Vgl. Battis, § 75 BBG Rn. 11, der die angeordnete gesamtschuldnerische Haftung analog auf den Rückgriffsanspruch anwendet. 66 Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 39; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 261 f.; Battis, § 75 BBG Rn. 10; Sommer/Konert/Sommer, § 86 NBG Rn. 15. 67 Vgl. Reich, § 48 BeamtStG Rn. 7; Sommer/Konert/Sommer, § 86 NBG Rn. 16. 68 Vgl. ausf. Beckmann, Haftung des Beamten, S. 262 ff. m.w. Nachw. 64
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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II. Rechtsfolgen 1. Ersatz des Schadens Der Beamte ist zum vollen Ersatz des aus der schuldhaften Dienstpflichtverletzung entstandenen Schadens verpflichtet. Haften mehrere Ethik-Kommissionsmitglieder gesamtschuldnerisch, so könnte der Dienstherr nach § 421 BGB die Leistung „nach seinem Belieben“ von jedem ganz oder zu einem Teil fordern. Nach ganz überwiegender Auffassung tritt aus Gründen der Fürsorgepflicht an die Stelle des „Beliebens“ das pflichtgemäße Ermessen. Zwar soll nicht das Ausfallrisiko zu Lasten des Dienstherrn gehen, nach pflichtgemäßem Ermessen kann er aber verpflichtet sein, bereits eine Schadensteilung im Außenverhältnis nach Verantwortungsbeiträgen vorzunehmen. Die Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn führt dazu, die Beamten nicht nach „seinem Belieben“ auf Ersatz des gesamten Schadens in Anspruch zu nehmen, sondern nach Verursachungs- und Verschuldensanteilen, die im Rahmen des zumutbaren aufzuklären sind.69
2. Gesetzlicher Forderungsübergang Leistet der Beamte dem Dienstherrn Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch insoweit auf den Beamten über, § 75 Abs. 3 BGB (§ 78 Abs. 3 BBG a. F.).70 Es handelt sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang, auf den die Regelung des § 412 BGB analogAnwendung findet. Der Beamte wird Inhaber der Forderung und kann sie im eigenen Namen gegenüber dem Dritten geltend machen.71
III. Mitverschulden des Dienstherrn, § 254 BGB analog Ein besonderes Augenmerk ist auf das Mitverschulden des Dienstherrn zu richten.
69 Vgl. BVerwG NVwZ 1983, 222, 223; OVG Münster NJW 1989, 2561, 2562; NVwZ 1992, 597, 598; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 39a; eingehend Beckmann, Haftung des Beamten, S. 264 ff. m.w. Nachw.; s.a. Battis, § 75 BBG Rn. 10; Simianer, ZBR 1993, 33, 47. 70 Auch § 46 Abs. 3 BRRG sah einen entsprechenden gesetzlichen Forderungsübergang vor. Die Regelung ist jedoch in das BeamtStG nicht übernommen worden, da der Übergang von Ersatzansprüchen nicht den Statuspflichten zugeordnet wurde, vgl. BT-Drs. 16/4027, S. 34; dazu auch Reich, § 48 BeamtStG Rn. 1 a.E. Entsprechende Regelungen sind aber in den Beamtengesetzen der Länder zu finden, auf die zurückzugreifen ist; vgl. § 51 Abs. 2 NBG: „Leistet die Beamtin oder der Beamte dem Dienstherrn nach § 48 BeamtStG Ersatz und hat dieser einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so geht der Ersatzanspruch insoweit auf die Beamtin oder den Beamten über.“ 71 Vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 67; Battis, § 75 BBG Rn. 23; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 201.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
1. Grundlagen Der in § 254 BGB enthaltende Gedanke des Mitverschuldens findet auch im öffentlichen Recht72 und im Rahmen der Beamtenhaftung Anwendung.73 Hat bei der Schadensentstehung ein Mitverschulden des Dienstherrn, insbesondere ein Organisationsverschulden, mitgewirkt, so findet dieses grundsätzlich anspruchsmindernd Berücksichtigung. Das Mitverschulden des Dienstherrn bedarf jedoch einer differenzierenden Betrachtung, nämlich insoweit, als zum einen ein Organisationsverschulden „Rückwirkung“ auf das qualifizierte Verschulden der Beamten haben kann, und zum anderen ist das Mitverschulden von der gesamtschuldnerischen Haftung abzugrenzen.
2. Organisationsverschulden Gründet sich die Haftung im Außenverhältnis ausschließlich oder zumindest auch auf einem Organisationsverschulden, so lässt sich der Regressanspruch des Dienstherrn gegenüber den Ethik-Kommissionsmitgliedern in beiden Fällen nicht bereits aufgrund eines fehlenden Kausalzusammenhangs ausschließen, da wenigstens die Dienstpflicht zu rechtmäßigem Verhalten verletzt sein wird. Das mitwirkende Verschulden des Dienstherrn kann sich aber unmittelbar auf das Verschulden der Kommissionsmitglieder auswirken, was besonders deutlich wird, wenn die EthikKommission wegen nicht ausreichender Rekrutierung von Mitgliedern entweder stets an den Grenzen ihrer Beschlussfähigkeit entscheiden muss oder es unterlassen wurde, die Ethik-Kommission mit genügendem Sachverstand auszustatten. Hat die Ethik-Kommission ein rechtswidriges Votum erteilt und liegt der haftungsauslösende Mangel im Außenverhältnis ausschließlich oder überwiegend auf einem Gesichtspunkt, für dessen Erkennbarkeit oder Zuständigkeit sich kein EthikKommissionsmitglied nach dem typisierten Sorgfaltsmaßstab finden lässt, so wird es grundsätzlich an jeglichem Verschulden, zumindest aber an einem qualifizierten Verschulden fehlen. Fälle eines qualifizierten Verschuldens mit anspruchsmindernder Berücksichtigung eines Organisationsverschuldens sind aber gleichwohl denkbar, etwa wenn die Ethik-Kommission ohne Hinzuziehung eines Kinderarztes (§ 42 Abs. 1 S. 6 AMG) fehlerhaft entscheidet. In solchen Fälle hängt die Annahme eines qualifizierten Verschuldens von der schwere des Organisationsverschuldens ab, vorliegend insbesondere davon, ob die Ethik-Kommission öfter über klinische Prüfungen mit Minderjährigen zu entscheiden hat und die unterlassene Rekrutierung eines auf dem Fache vertrauten Mitglieds einem „Schlendrian“Vorschub leistet.74 Als 72
Vgl. Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 5. Vgl. nur BVerwGE BVerwGE 34, 123,130 ff.; 50, 102, 108 f.; 56, 315, 322; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 841 f.; Palandt/Grüneberg, § 254 Rn. 5; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 272 f.; Battis, § 75 BBG Rn. 13; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 49; Simianer, ZBR 1993, 33, 47. 74 Allg. hierzu Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 845. 73
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schwerwiegend ist ein Organisationsverschulden stets dann anzusehen, wenn die Rekrutierung solcher Mitglieder unterlassen wurde, auf die die Ethik-Kommission in jeder Sitzung angewiesen ist, also auf ärztlichen, juristischen, biometrischen und – für Arzneimittelstudien – pharmakologischen Sachverstand. Eng hiermit verbunden sind die Fälle der Überlastung und Überforderung, die ein qualifiziertes Verschulden, idR aber bereits jegliches Verschulden ausschließen.75
3. Mitverschulden anderer Personen: Abgrenzung zur gesamtschuldnerischen Haftung Hat bei der Schadensentstehung ein Verschulden Dritter mitgewirkt, so hat der Geschädigte für dieses nach § 254 Abs. 2 S. 2 BGB in entsprechender Anwendung des § 278 BGB einzustehen. Nach § 48 S. 2 BeamtStG reicht für eine gesamtschuldnerische Haftung aber bereits die gemeinsame Schadensverursachung aus. Fraglich ist, ob sich vor diesem Hintergrund die in Anspruch genommenen Beamten auf ein mitwirkendes Verschulden anderer berufen können. Nach inzwischen gefestigter Rspr. ist für die beamtenrechtliche Haftung von einem grundsätzlichen Vorrang der gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen, denn die spezialgesetzlich angeordnete gesamtschuldnerische Haftung ist nicht auf die Fälle des bewussten und gewollten Zusammenwirkens beschränkt, sondern betrifft alle Fälle, in denen mehrere Beamte, wenn auch jeder für sich, schuldhaft eine adäquat ursächliche Bedingung zum Eintritt des Schadens gesetzt haben. Könnten die in Anspruch genommenen Beamten den Dienstherrn über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB auf ein mitwirkendes Verschulden anderer Beamter verweisen, so würde nicht nur der Zweck der speziellen Regelung unterlaufen, sondern der Staat wäre auch schlechter gestellt, als bei schuldhafter Schadenszufügung durch einen einzigen Beamten. Gleichwohl sind bei einer Schadensverursachung durch mehrere Beamte Ausnahmen von diesem Grundsatz anerkannt, nämlich dann, wenn ein Beamter durch eine schuldhafte Verletzung seiner Dienstpflicht dem Dienstherrn einen Schaden zufügt und ein zweiter Beamter diesen Schaden dadurch schuldhaft mitverursacht, dass er eine Dienstpflicht vernachlässigt, zu deren Erfüllung namens des Dienstherrn – z. B. auf Grund der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht – er gerade gegenüber dem in erster Linie den Schaden verursachenden Beamten verpflichtet ist. In einem solchen Fall hat sich der Dienstherr das mitwirkende Verschulden des zweiten Beamten nach den in den §§ 278, 254 BGB niedergelegten allgemeinen Rechtsgrundsätzen anzurechnen.76 Gleiches kann etwa dann möglich sein, wenn sich der zweite Beamte in einer gegenüber dem in Anspruch genommenen Beamten „in untergeordneter Stellung“ befunden hat Vgl. BGHZ 170, 260 = NJW 2007, 830, 831; Ossenbühl, JZ 2007, 690; Plog/Wiedow/Beck/ Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 49; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 845; Simianer, ZBR 1993, 33, 43 76 Vgl. zu diesen Grundsätzen BVerwGE 34, 123, 131 f.; 50, 102, 108 f.; 56, 315, 322; 106, 272, 278 f.; BGHZ 135, 341, 351 f.; OVG Münster, ZBR 1975, 54, 57; Battis, § 75 BBG Rn. 13; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 274 f.; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 842 f.; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 331; s.a. bereits RGZ 95, 344, 347. 75
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und sich der Dienstherr dieser Personen zur Erfüllung irgendwelcher ihm gegenüber dem regresspflichtigen Beamten obliegenden Pflichten bediente.77 InAnspruch genommenen Ethik-Kommissionsmitgliedern ist es schon vor diesem Hintergrund von vornherein verwehrt, sich auf ein mitwirkendes Verschulden eines anderen Ethik-Kommissionsmitglieds zu berufen.78 Für Ethik-Kommissionen wird man aber in Anlehnung an die Rspr. zwei Fälle anzunehmen haben, in denen eine Berufung auf mitwirkendes Verschulden Dritter in Betracht kommt, für welches der Dienstherr nach §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB analog einzustehen hat: Zum einen betrifft dies die Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission. Finden für sie bei Pflichtverletzungen die beamtenrechtlichen Vorschriften direkt oder kraft Verweisung Anwendung79 , so ist eine gesamtschuldnerische Haftung mit den Ethik-Kommissionsmitgliedern deswegen zu verneinen, weil der ordnungsgemäße Betrieb der Geschäftsstelle gerade darauf gerichtet ist, den EthikKommissionsmitgliedern eine fehlerfreie Begutachtung der Anträge zu ermöglichen. Werden Anträge oder zusätzlich eingehende Informationen verzögert oder unvollständig an die Ethik-Kommissionsmitglieder weitergeleitet und ist aufgrund dieser Umstände nicht bereits ein grob fahrlässiges Verhalten der Mitglieder ausgeschlossen, so hat der Dienstherr für das mitwirkende Verschulden der Mitarbeiter der Geschäftsstelle über §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB einzustehen.80 Zum anderen sind die §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB auf Dienstspflichtverletzungen des Vorsitzenden der Ethik-Kommission anzuwenden. Als Fachvertreter obliegt es ihm zunächst ebenso wie den übrigen Mitgliedern, sich in die Meinungsbildung einzubringen (berufsgemäßes Einzelverhalten) und rechtmäßig über das Forschungsvorhaben abzustimmen. Im Hinblick auf jene Dienstpflichtverletzungen haftet er gesamtschuldnerisch mit den übrigen Mitgliedern, § 48 S. 2 BeamtStG. Dem Vorsitzenden obliegen jedoch zusätzlich Dienstpflichten, die gegenüber den EthikKommissionsmitgliedern zur fehlerfreien Begutachtung der Anträge zu erfüllen sind. Bei der Verletzungen jener Pflichten handelt es sich um konkrete Organisationspflichtverletzungen, z. B. wenn der Vorsitzende nicht für ausreichenden Sachverstand in der Sitzung sorgt, etwa wenn er es unterlässt, den Kinderarzt zu laden oder dessen Stellvertreter, Sitzungstage nicht frühzeitig angekündigt werden, die Ordnung in der Sitzung nicht gewährleistet wird oder die Leitung Mängel aufweist (§ 89 VwVfG), etwa wenn aus Zeitgründen keine ausreichende Erörterung derAnträge möglich ist oder einzelne Mitglieder nicht zu Wort kommen oder die für jeden Tagespunkt von Amts wegen festzustellende Beschlussfähigkeit fehlt.81 Kennzeichnend für die vorstehenden Pflichten ist, dass sie darauf gerichtet sind, den Ethik-Kommissionsmitgliedern 77
Speziell hierzu BVerwGE 50, 102, 108 f.; Taupitz, in: FS Deutsch I, S. 825, 843 f. Hat das Ethik-Kommissionsmitglied ebenfalls grob fahrlässig gehandelt, so haftet es nach § 48 S. 2 BeamtStG ebenfalls gesamtschuldnerisch. Liegt dagegen nur einfache Fahrlässigkeit vor, so finden die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld Anwendung. 79 Vgl. § 3 Abs. 6 und 7 TVöD sowie § 3 Abs.7 TV-L. 80 In diese Richtung auch v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 162. 81 Allg. hierzu Kopp/Ramsauer, § 89 Rn. 9 f., § 90 Rn. 3 f.; s.a. Bork, Ethik-Kommissionen, S. 154 ff. 78
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eine ordnungsgemäße Amtsausübung zu gewährleisten, insbesondere sichergestellt wird, dass die einzelnen Fachvertreter überhaupt ihre Dienstpflichten zur Erörterung des fachspezifischen Für und Wider sowie zur ordnungsgemäßen Abstimmung über das Forschungsvorhaben erfüllen können. Für derartige Organisationsmängel hat der Dienstherr nach §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB analog einzustehen. Der Regressanspruch ist folglich um den Anteil des Organisationsverschuldens des Vorsitzenden der Ethik-Kommission stets, d. h. unabhängig vom Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens, zu kürzen.82 Liegt seitens des Vorsitzenden ein grobes Organisationsverschulden vor, so kann dieser selbst gegenüber dem Dienstherrn regresspflichtig sein.
IV. Ersatzberechtigter Dienstherr Der Schadensersatzforderung kann nur von dem Dienstherrn erhoben werden, dessen Aufgaben der Beamte bei der Dienstpflichtverletzung wahrgenommen hat, § 48 S. 1 BeamtStG.
1. „Amtshaftungsregress“ Die Bestimmung des nach den Innenhaftungsnormen ersatzberechtigten Dienstherrn entspricht weitgehend dem nach außen nach Art. 34 GG ersatzverpflichteten Dienstherrn. Ersatzberechtigt ist also idR der Anstellungsdienstherr.83 Für den Amtshaftungsregress gegenüber den beamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern, deren Mitwirkung in einer Ethik-Kommission Dienstaufgabe ist, besteht ein Gleichlauf zwischen der Passivlegitimation im Außenverhältnis und der Aktivlegitimation im Innenverhältnis: Im Außenverhältnis haftet das Land als Anstellungskörperschaft, ausnahmsweise auch die Universität als Anstellungskörperschaft, soweit sie über eine eigene Dienstherrnfähigkeit verfügt. Hat die jeweilige Anstellungskörperschaft aufgrund einer Amtspflichtverletzung der beamteten Ethik-Kommissionsmitglieder Schadensersatz an den Geschädigten nach § 839 BGB, Art. 34 GG geleistet oder ist sie als Gesamtschuldner wegen einer Amtspflichtverletzung der beamteten Ethik-Kommissionsmitglieder von der im Außenverhältnis leistenden Anstellungskörperschaft in Anspruch genommenen worden, so ist jene jeweils auch im Innenverhältnis regressberechtigt, die Ethik-Kommissionsmitglieder, die im Dienste der Anstellungskörperschaft stehen, regressverpflichtet. 82
Beckmann, Haftung des Beamten, S. 276 f. hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass sich die Frage der Abgrenzung zwischen einer gesamtschuldnerischen Haftung und des Mitverschuldens dann nicht stellt, soweit man den Dienstherrn für verpflichtet ansieht, eine Schadensteilung nach Verursachungs- und Verschuldensanteilen vorzunehmen. 83 Vgl. BVerwGE 24, 225, 231; NVwZ 1985, 904, 905; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 37; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 507 f.; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 157.
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2. Regress beim enteignungsgleichen Eingriff Zu bislang noch ungeklärten Regresskonstellationen, und zwar nicht nur für Ethik-Kommissionsmitglieder, kommt es dann, wenn eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff gegenüber dem Bürger besteht. Für Ethik-Kommissionen ist dies etwa dann der Fall, wenn die zustimmende Bewertung gegenüber dem Sponsor rechtswidrig abgelehnt wird. Bei dem enteignungsgleichen Eingriff handelt es sich nicht um eine übergeleitete Beamtenhaftung, was übrigens einem Regress wegen grob fahrlässiger Dienstpflichtverletzung nicht im Wege steht84 , sondern um einen Fall einer unmittelbaren Staatshaftung. Passivlegitimiert ist unabhängig von der Stellung der handelnden Amtswalter der begünstige Hoheitsträger. Für universitäre und kammerzugehörige Ethik-Kommissionen haften nach hier vertretener Auffassung die Universität oder die Kammer85 als Aufgabenwahrnehmungskörperschaft, jeweils gesamtschuldnerisch mit dem Land als Vorteilszufließungskörperschaft, für EthikKommissionen in unmittelbarer Trägerschaft des Landes dagegen nur das Land.86 Es kommt folglich nicht zu einem Gleichlauf der Passivlegitimation mit dem Amtshaftungsanspruch im Außenverhältnis.87 Zu unterscheiden ist zwischen zwei Fallkonstellationen: Zum einen kann eine Entschädigungsleistung im Außenverhältnis allein auf der Grundlage des enteignungsgleichen Eingriffs beruhen, entweder weil die Voraussetzungen für den weitergehenden Amtshaftungsanspruch nicht vorliegen oder nicht bewiesen werden können. Der enteignungsgleiche Eingriff ist hier also haftungsbegründend im Außenverhältnis. Erfolgt im Außenverhältnis eine Schadensersatzleistung auf der Grundlage eines Amtshaftungsanspruchs, so können gleichzeitig die Voraussetzungen für eine Entschädigung aus enteignungsgleichen Eingriff vorliegen. Der enteignungsgleiche Eingriff tritt hier nur verdeckt in Erscheinung, über den im Außenverhältnis grundsätzlich nicht rechtskräftig entschieden wird.
a. Enteignungsgleicher Eingriff als leistungsbegründend im Außenverhältnis In den hier relevanten Fallkonstellationen, begrenzt auf die Haftung beamteter Ethik-Kommissionsmitglieder88 , wird es grundsätzlich so liegen, dass Amtshaftungsansprüche gegenüber der Anstellungskörperschaft geltend gemacht werden. Sind Schadensersatzansprüche nach § 839 BGB, Art. 34 GG unbegründet, so hat das Gericht Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff auch dann zu berücksichtigen, wenn die Klage nicht ausdrücklich auf den enteignungsgleichen
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Vgl. Quantz, VersR 2004, 1244, 1246 f. In den kammerzugehörigen Ethik-Kommissionen wirken grundsätzlich keine Beamte mit, zumindest nicht solche, die Dienstaufgaben wahrnehmen. Auf die Regressansprüche gegen sie ist noch gesondert einzugehen. 86 Einzelheiten dazu oben, § 6 A.II.9. 87 Dazu bereits BGHZ 13, 88, 105 a.E. 88 Zu den übrigen Ethik-Kommissionsmitgliedern sogleich. 85
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Eingriff gestützt wird.89 Ist die Anstellungskörperschaft das Land und richtet sich der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff gegen einen rechtswidrigen Akt einer Ethik-Kommission in unmittelbarer Trägerschaft des Landes, so kann das Land unter den Voraussetzungen des § 48 BeamtSt als Anstellungsdienstherr Rückgriff bei den (beamteten) Ethik-Kommissionsmitgliedern nehmen. Werden erfolglos Ansprüche aus Amtshaftung wegen Amtspflichtverletzungen beamteter Ethik-Kommissionsmitglieder der universitären Ethik-Kommission gegenüber dem Land als Anstellungskörperschaft geltend gemacht, so kann das Land als begünstigter Hoheitsträger („Vorteilszufließungskörperschaft“) aus enteignungsgleichem Eingriff passivlegitimiert sein. Es besteht im Außenverhältnis nach hier vertretener Auffassung eine gesamtschuldnerische Haftung mit der Universität als Aufgabenwahrnehmungskörperschaft. Leistet das Land eine Entschädigung, bestehen Ausgleichsansprüche gegen die Universität, § 426 BGB analog.90 Für die auf das Land entfallende Haftungsquote bestehen unter den Voraussetzungen des § 48 BeamtStG Regressansprüche gegen die beamteten Ethik-Kommissionsmitglieder. Fraglich ist der Regressanspruch der Universität in Höhe ihrer Haftungsquote gegenüber den beamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern. Der BGH und Teile der Literatur sind der Auffassung, dass dem Innenverhältnis die Funktionstheorie zugrunde liegt. Maßgeblich ist, für welchen Dienstherrn der Beamte im Einzelfall tätig geworden ist.91 Der BGH hält es ausdrücklich für die Annahme der Dienstherreneigenschaft für irrelevant, ob unmittelbare beamtenrechtliche Beziehungen bestehen.92 Danach wäre es möglich, die Universität im Hinblick auf ihre Haftungsquote im Verhältnis zu den im Landesdienst stehenden Ethik-Kommissionsmitgliedern für ersatzberechtigt nach § 48 BeamtStG anzusehen. Die ganz überwiegende Auffassung geht jedoch zutreffend davon aus, dass an der Anstellungskörperschaft grundsätzlich festzuhalten ist, insbesondere auf ein bestehendes Beamtenverhältnis im Verhältnis zum geschädigten Dienstherrn für die Berufung auf die beamtenrechtlichen Innenhaftungsvorschriften nicht verzichtet werden kann. Wird nicht die Anstellungskörperschaft geschädigt, so greifen die Grundsätze der Drittschadensliquidation ein.93 So dürfte auch vorliegend zu entscheiden sein. Insoweit 89 Vgl. BGHZ 13, 88, 93 ff.; 136, 182, 184 f.; 146, 365, 371; 170, 260 = NJW 2007, 830, 833; NVwZ 2002, 124, 125; 2001, 1074, 1075; NVwZ-RR 2003, 403 ff; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 267; Wielandt, in: Dreier, Art. 14 Rn. 169; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 485; Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 17 Rn. 51; Brüning, JuS 2003, 2, 8. 90 Für den Ausgleich zwischen mehreren für ihre Beamte gesamtschuldnerisch haftenden öffentlichrechtlichen Körperschaften gelten die §§ 840, 426 BGB, vgl. BGHZ 9, 65, 66 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 77. 91 Vgl. BGHZ 60, 371 ff.: Ansprüche einer Stadt gegen den im Landesdienst stehenden Oberstudienrat; ferner BGH VersR 1956, 657, 658; Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 272; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 156 ff. 92 Vgl. BGH VersR 1956, 657, 658 93 Vgl. im Einzelnen BVerwG 24, 225, 231; 120, 370 = NVwZ 2004, 1273; 1985, 904, 905; NJW 1995, 978; OVG Koblenz NVwZ-RR 2005, 477 ff. (Drittschadensliquidation zwischen einem kommunalen Schulträger und einer im Dienste des Landes stehenden Lehrkraft); Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 507 ff.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 46 ff.; Battis, § 75 BBG Rn. 13.
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ist die auf die Universität entfallende Haftungsquote vom Land als Anstellungsdienstherr unter den Voraussetzungen des § 48 BeamtStG gegenüber den beamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern im Drittinteresse zu liquidieren. b. Amtshaftungsregress mit „verkapptem“ enteignungsgleichem Eingriff Nur scheinbar schwieriger liegt die Rechtslage, wenn im Außenverhältnis das Land aus Amtshaftung für Amtspflichtverletzungen beamteter Ethik-Kommissionsmitglieder einer universitären Ethik-Kommission haftet, gleichzeitig aber die Voraussetzungen für eine Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff vorliegen. Der Entschädigungsumfang beim enteignungsgleichen Eingriff bestimmt sich nach Umfang und Höhe nach dem Wert des entzogenen Objekts und bleibt damit grundsätzlich hinter dem Umfang des Schadensersatzanspruchs aus Amtshaftung zurück.94 Dies steht jedoch einer gesamtschuldnerischen Haftung von Land und Universität für die zu leistende Entschädigung nicht entgegen, denn eine Gesamtschuldnerschaft verlangt nicht, dass alle Verantwortlichen in gleicher Höhe haften. Vielmehr besteht eine gesamtschuldnerische Haftung in der Höhe des von allen übereinstimmend geschuldeten Betrags („Teil-Gesamtschuldnerschaft“).95 Soweit sich der Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung und der Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff decken, besteht demzufolge ein gesamtschuldnerische Haftung von Land und Universität. Im Hinblick auf den Regress gegenüber den Ethik-Kommissionsmitgliedern wirkt sich dies jedoch nicht aus: Sie sind unabhängig von der Geltendmachung der Ausgleichsansprüche im Verhältnis zum Land unter den Voraussetzungen des § 48 BeamtStG zum vollen Ersatz verpflichtet, sei es, dass das Land den „Amtshaftungsregress“ geltend macht oder – nach vollzogenem Gesamtschuldnerausgleich – das Land die auf die Universität entfallende Haftungsquote im Drittinteresse liquidiert. V. Durchsetzung Der Amtshaftungsregress kann nach Art. 34 S. 3 GG ausschließlich vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Der Erlass eines Leistungsbescheids ist unzulässig.96 Art. 34 S. 3 GG findet nur dann Anwendung, soweit der Dienstherr tatsächlich nach § 839 BGB, Art. 34 GG in Anspruch genommen wurde und tatsächlich dem Geschädigten aufgrund jener Vorschriften Ersatz geleistet hat.97 Insoweit dürfte der ordentliche Rechtsweg auch dann gegeben sein, wenn ein Fall der Anspruchskonkurrenz vorliegt, soweit nur im Außenverhältnis aufgrund eines 94
Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 265 f. Vgl. BGHZ 85, 375, 387, Bydlinski, in: MüKo/BGB, § 421 Rn. 5; Palandt/Sprau, § 840 Rn. 3; HK-BGB/Staudinger, § 840 Rn. 13. 96 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 120 f.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 61 a.E., 65; Battis, § 75 BBG Rn. 20; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 340; Sommer/Konert/Sommer, § 86 NBG Rn. 22; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 301 f. 97 Vgl. Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 396; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 66. 95
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Amtshaftungsanspruchs geleistet wurde. Für Rückgriffsansprüche außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 34 S. 3 GG ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Sie können nach ganz überwiegender Auffassung durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden.98
VI. Sonderfälle: Innenhaftung verbeamteter Kommissionsmitglieder Die Haftung von Ethik-Kommissionsmitgliedern reduziert sich nicht auf den Amtshaftungsregress. Relevant sind vor allem solche Schadensfälle, für die die Amtshaftung wegen fehlender Dritteigenschaft iSv § 839 BGB nicht gegeben ist. Wie bereits ausgeführt können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts Dritte iSd Amtshaftungstatbestands sein. Voraussetzung hierfür ist allerdings nach Auffassung des BGH das Vorliegen eines „Gegnerschaftsverhältnisses“, welches dann nicht vorliegt, wenn der Dienstherr des Beamten und eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung einer ihnen gemeinsam übertragenen Aufgabe gleichsinnig und nicht in Vertretung einander widerstreitender Interessen derart zusammenwirken, dass sie im Rahmen dieser Aufgabe als Teil eines einheitlichen Ganzen erscheinen.99 In diesen Fällen greift vielmehr die Innenhaftung ein.100 Entgegen der Funktionstheorie lässt sich der Grundsatz aufstellen, dass dann, soweit ein Hoheitsträger nicht Dritter iSd § 839 Abs. 1 BGB, sondern nur „Zweiter“ ist, die beamtenrechtliche Innenhaftung iVm den Grundsätzen der Drittschadensliquidation Anwendung findet. Für die Innenhaftung und den Innenregress gelten dieselben Vorschriften. Der Beamte haftet gegenüber dem Dienstherrn nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, unabhängig davon, ob eine unmittelbare oder mittelbare Schädigung vorliegt und unabhängig davon, ob er im hoheitlichen oder fiskalischen Bereich gehandelt hat.101 Gewissermaßen zwischen den Kategorien des Innenregresses und der Innenhaftung angesiedelt ist der vom BSG102 entschiedene Fall zur Impfschadensregelung des § 60 IfSG. Das BSG hielt es für möglich, den durch den Sponsor der Impfstudie 98 Vgl. Battis, § 75 BBG Rn. 21 f.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 61 a.E.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 396. 99 Vgl. BGHZ 26, 232, 234; 27, 210, 211; 60, 371, 372; 87, 253, 255; 116, 312, 315; 148, 139, 145 f.; 153, 198 = NJW 2003, 1318, 1319; eingehend Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 175 ff., 425 f. Ausf. dazu oben, § 6 G.II.1.b.aa, m.w. Nachw. 100 Vgl. Papier, in: MüKo/BGB, § 839 Rn. 273. 101 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 119 f.; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 38 ff.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 3; Battis, § 75 BBG Rn. 11; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 386; Stein/Itzel/Schwall, Amts- und Staatshaftungsrecht, Rn. 252; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 202. 102 BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, MedR 2010, 580 m. Anm. Deutsch = GesR 2010, 42 m. Anm. Koyuncu = NVwZ-RR 2010, 399; vorgehend LSG Schleswig-Holstein, juris, Urt. v. 24.07.2007, Az: L 2 Vj 37/06; SG Schleswig, Urt. v. 07.06.2006, Az: S 13 VJ 26/04; dazu bereits oben, § 2 D und § 5 B.IV.5.
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erzeugten Rechtsschein einer öffentlichen Impfempfehlung in der zur Aufklärung des Versuchsteilnehmers verwendeten Patienteninformation dem zuständigen Gesundheitsministerium nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Anknüpfungspunkt hierfür war u. a. ein „Versagen der Ethik-Kommission“, die der irreführenden Patienteninformation pflichtwidrig nicht entgegengetreten war.103 In Betracht kommt hier eine Haftung der (verbeamteten) Ethik-Kommissionsmitglieder, je nach Anstellungsverhältnis ggf. iVm den Grundsätzen der Drittschadensliquidation, gegenüber der zur Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes verpflichteten Stelle, wenn dem Anschein der öffentlichen Empfehlung (grob) fahrlässig nicht entgegengetreten wurde, § 48 BeamtStG. Stellt die Universität als Sponsor der klinischen Prüfung den Antrag auf zustimmende Bewertung nach § 42 Abs. 1 AMG bei der „universitätseigenen“ Ethik-Kommission, so ist die Universität nicht als Dritte iSd Amtshaftungsrechts anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie nicht über eigene Dienstherrnfähigkeit verfügt. Hier greift vielmehr die Innenhaftung ein.104 Bei fehlender eigener Dienstherrenfähigkeit kann die Universität – anders als nach der Funktionstheorie – den ihr durch die Fehlbegutachtung entstandenen Schaden nicht selbst geltend machen. Ersatzberechtigter Dienstherr ist das Land als Anstellungskörperschaft, welches den Schaden der Universität im Drittinteresse gegenüber den grob fahrlässig handelnden (beamteten) Ethik-Kommissionsmitgliedern geltend machen kann. Diese Sonderkonstellation führt allerdings bei genauerer Betrachtung zu untragbaren Divergenzen von Außen- und Innenhaftung. Es darf nicht aus den Augen gelassen werden, warum sich vorliegend die Frage nach einer Innenhaftung der Ethik-Kommissionsmitglieder überhaupt stellt: Sie resultierte daraus, dass die Universität selbst als Sponsor der klinischen Prüfung auftritt und den Antrag auf zustimmende Bewertung bei ihrer „eigenen“ Ethik-Kommission stellt. Auf die Innenhaftung war deshalb abzustellen, weil die Universität im Verhältnis zu „ihren“ Kommissionsmitgliedern nicht „Dritte“ ist. Betrachtet man die Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder im Verhältnis zu „Dritten“ nach der übergeleiteten Amtshaftung (§ 839, Art. 34 GG), so trifft jene in vergleichbarer Weise ebenfalls nur eine persönliche Haftung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Doch zeigen sich auch erhebliche Divergenzen: Die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG mit anschließender Regressmöglichkeit tritt nur bei der Verletzung drittgerichteter Amtspflichten ein, im Innenverhältnis genügt dagegen die Dienstpflichtverletzung. Weiterhin ist im Außenverhältnis bei nur fahrlässiger Amtspflichtverletzung das Fehlen anderweitiger Ersatzmöglichkeiten (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) haftungsbegründende Voraussetzung und auch die Nichtinanspruchnahme von Primärrechtsschutz (§ 839 Abs. 3 BGB) bewirkt eine nicht zu vernachlässigende Minimierung des Regressrisikos beim Handeln im Außenverhältnis. Für die beamtenrechtliche Innenhaftung fehlt es dagegen an derart einschränkenden Voraussetzungen, sodass die
103 104
Vgl. BSG, juris, Urt. v. 23.04.2009, Az: B 9 VJ 1/08 R, Rn. 42 ff., 54 ff. Ausf. dazu oben, § 6 G.II.2.e.bb.
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Innenhaftung eher zum Zuge kommt als der Innenregress beim Handeln im Außenverhältnis. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die Innenhaftung nur deswegen strenger ausfallen soll als der Innenregress, weil die Universität wegen „Verzahnung“ nicht „Dritte“ iSd Amtshaftungstatbestands sein kann. Diesen Divergenzen dürfte man, um nicht zu untragbaren Wertungswidersprüchen zu kommen, dadurch Rechnung zu tragen haben, dass man den Vorrang des Primärrechtsschutzes nach § 839 Abs. 3 BGB als Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes über § 254 BGB105 auch im Innenverhältnis in Form des erörterten „In-Sich-Prozesses“ anwendet. Über § 254 BGB wird auch ein Organisationsverschulden angerechnet. Haben die Kommissionsmitglieder nur grob fahrlässig gehandelt, kann über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn eine vorrangige Inanspruchnahme Dritter erreicht werden, wodurch § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Rechnung getragen wird. Die fehlende Drittgerichtetheit kann über das allgemein anerkannte Kriterium des Schutzzwecks der Norm Berücksichtigung finden. Insgesamt wird man aber wohl, soweit eine Annäherung von Innenhaftung und Innenregress durch diese Einschränkungen nicht erreicht werden kann, generell auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn abzustellen und die Überlegung anzustellen haben, ob eine Haftung der Kommissionsmitglieder im Wege des Regresses bei einer hypothetischen Außenhaftung gegeben wäre. Den Divergenzen zwischen Innen- und Außenhaftung kann in der vorliegenden Konstellation nur so hinreichend Rechnung getragen werden.
C. Ansprüche gegen die weiteren Ethik-Kommissionsmitglieder Klärungsbedürftig ist die persönliche Haftung der weiteren Ethik-Kommissionsmitglieder.
I. Problemstellung Angesprochen sind hiermit in erster Linie „dienstherrenlose“ Ethik-Kommissionsmitglieder und verbeamtete Ethik-Kommissionsmitglieder, die unter Herauslösung aus der Organisation ihrer Anstellungskörperschaft in einer Ethik-Kommission tätig werden. Universitäre Ethik-Kommissionen setzen sich aus Richtern, Anwälten, frei praktizierenden Ärzten, „Laien“, aber auch aus sonstigem Hochschulpersonal zusammen. Kennzeichnend für diese Mitglieder ist, dass sie keine kraft eines Beamtenverhältnisses obliegende (Selbst-)Verwaltungsaufgabe wahrnehmen. Die Mitwirkung in der universitären Ethik-Kommission gehört anders als bei den verbeamteten Hochschullehrern nicht zur Dienstaufgabe; sie werden vielmehr ausschließlich ehrenamtlich tätig. Auch der Richter, für den die entsprechende Anwendung des BBG/BeamtStG angeordnet wird (§§ 46, 71 DRiG), verletzt bei fehlerhafter 105
Der Vorrang des Primärrechtsschutzes ist für den enteignungsgleichen Eingriff über § 254 BGB anerkannt.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Begutachtung einer klinischen Prüfung keine Dienstpflichten aus dem Beamtenverhältnis im Verhältnis zu seinem Dienstherrn. Mitglieder der Ethik-Kommissionen der Kammern sind grundsätzlich durchweg entweder „dienstherrenlos“ oder nehmen trotz Beamtenstatus keine Dienstaufgaben wahr. Für die Haftung gegenüber Dritten ist dies irrelevant, da die übergeleitete Amtshaftung auch für ehrenamtlich Tätige Anwendung findet („Beamte im haftungsrechtlichen Sinne“).106 Für die Passivlegitimation ist jeweils auf diejenige Körperschaft abzustellen, die das Mitglied in die Ethik-Kommission berufen hat. Insoweit stellt sich die Frage, nach welchen Vorschriften sich der Innenregress aber auch eine mögliche Innenhaftung richtet.
II. Verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis (Hüttenbrink) Für Ethik-Kommissionsmitglieder, die nicht nach den beamtenrechtlichen Vorschriften haften, käme eine Haftung aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis in Betracht. Auf dieses hat vor allem Hüttenbrink für Schadensersatzansprüche der Selbstverwaltungskörperschaften gegen ihre (nicht verbeamteten) Organwalter zurückgegriffen. Ein derartiges Verhältnis soll durch den Akt der Berufung in das Amt entstehen. Dieses Organwalterverhältnis qualifiziert er als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis und gelangt so zu einer Anwendung der Regelungen des allgemeinen Schuldrechts107 , aus dem sich insbesondere Schadensersatzansprüche aus pFV (§ 280 BGB) ergeben können.108 Diese Auffassung ist auf Ethik-Kommissionen übertragen worden109 und hat auch van der Sanden in seiner neueren Untersuchung für den Innenregress herangezogen.110 Zwischen der Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis und derjenigen nach § 48 BeamtStG bestehen zwar insoweit Ähnlichkeiten, als in beiden Fällen die „Pflichtverletzung“ Haftungsanknüpfungspunkt ist und sich damit Dienstpflichten und „Vertragspflichten“ aus dem Organwalterverhältnis decken. Doch zeigen sich teilweise erhebliche Divergenzen zur beamtenrechtlichen Haftung, was einer analogen Heranziehung des § 280 BGB im Ergebnis entgegensteht: So bezieht sich Art. 34 GG nur auf den Amtshaftungsregress und nur für jenen Regress ließe sich vorliegend eine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vertreten. Schuldet die Haftungskörperschaft im Außenverhältnis zumindest auch eine Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, so ist der Innenregress durch Art. 34 S. 2 GG für nicht unter die beamtenrechtlichen Vorschriften fallenden Amtswalter nicht auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt, während dies für beamtete Kommissionsmitglieder unabhängig von Art. 34 S. 2 GG durchweg
106 Vgl. nur Kopp/Ramsauer, § 84 Rn. 11; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 81 Rn. 6 m.w. Nachw. 107 Hierzu auch bereits oben, § 5 B.I.2. 108 Hüttenbrink, Schadensersatzansprüche, S. 23 ff., 69 ff., 87 ff.; ders., DVBl. 1981, 989 ff. 109 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 182 f. 110 van der Sanden, Haftung, S. 247 f.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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der Fall ist, § 48 BeamtStG.111 Es besteht aber Einigkeit darüber, dass ehrenamtlich Tätige im Innenverhältnis nicht strenger haften dürfen.112 Vermeiden ließe sich dieses Ergebnis nur durch eine weitere Analogie, etwa indem Art. 34 GG im Wege einer Gesamtanalogie generell auf den staatlichen Innenhaftungsbereich übertragen wird113 oder durch eine Heranziehung der im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich, wobei bei letzterer Variante eine den beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechende Haftungsprivilegierung deswegen nicht erreicht werden kann, weil bereits für die normale Fahrlässigkeit eine nach den Umständen angemessene Schadensaufteilung erfolgt.114 Das BVerwG steht einem Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 3 GG ebenfalls skeptisch gegenüber und lehnte eine persönliche Haftung eines Mitglieds des studentischen Sprecherrats auf Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung ab. Zwar sei es durchaus unter dem Aspekt des Art. 20 Abs. 3 GG nicht von vornherein ausgeschlossen, bei Einzelfragen, zu denen eine spezielle Regelung fehlt, auf allgemeine Rechtsgrundsätze zurückzugreifen. Ein solcher Rückgriff setze allerdings voraus, dass diese allgemeinen Rechtsgrundsätze geeignet und ausreichend sind, gerade auch diejenigen Besonderheiten zu erfassen, die den fraglichen Regelungszusammenhang kennzeichnen. Fehlen spezialgesetzliche Regelungen, so muss für den Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze der Nachweis geführt werden, dass diese sich in den fraglichen Regelungszusammenhang einpassen und die Besonderheiten dieses Regelungszusammenhangs erfassen.115 Fehlt es für ehrenamtlich tätige Ethik-Kommissionsmitglieder an einer gesetzlichen Regelung wesentlicher Haftungsvoraussetzungen, so erscheint der Rückgriff auf eine Haftung nach § 280 BGB analog nicht nur schwer begründbar, sondern sie müsste auch andererseits über Analogien wiederum eingeschränkt werden, um interessengerechte Ergebnisse zu erzielen. Dies scheint rechtsstaatlichen Grundsätzen aber nicht zu genügen.
III. § 48 BeamtStG – Analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften Möglich und geboten erscheint für ehrenamtlich tätige Kommissionsmitglieder eine analoge Heranziehung der beamtenrechtlichen Haftungsvorschriften, wie sie auch in der verwaltungsrechtlichen Literatur für die Innenhaftung und den Innenregress 111
Dazu auch Quantz, VersR 2004, 1244, 1247. Unstreitig, vgl. Kopp/Ramsauer, § 84 Rn. 12; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 81 Rn. 6; Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 503 f.; ders., DVBl. 1998, 300, 301 ff., 304 ff.; Henneke, in: Knack, Vor § 81 Rn. 9 . 113 In diese Richtung Stelkens, DVBl. 1998, 300, 304 ff.; ders., Verwaltungshaftungsrecht, S. 505 f. 114 BAG NZA 1999, 141, 143; Schwab, NZA-RR 2006, 449, 450; Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, S. 6 ff.; Otto/Schwarze/Krause, Haftung des Arbeitnehmers, § 9 Rn. 181 ff. 115 BVerwGE 101, 51 = NJW 1996, 2669 f.; zu dieser Entscheidung Stelkens, DVBl 1998, 300 ff. 112
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
vertreten wird.116 Während sich zwar einerseits vertreten ließe, dass dort, wo Haftungsnormen für ehrenamtliche Organwalter fehlen, das Gesetz gerade keine Haftung gewollt habe, zumindest nicht gegenüber dem „eigenen Hoheitsträger“117 , so ist andererseits die Haftung ein (zulässiges) „Mittel zur Disziplinierung“118 . Beide Aspekte geraten vorliegend in Widerstreit zueinander. Für Ethik-Kommissionen besteht jedoch ein unabweisbares Bedürfnis dafür, ihre Mitglieder einer einheitlichen Haftung zu unterwerfen, insbesondere einen Gleichlauf mit der Haftung verbeamteter Kommissionsmitglieder anzustreben, und für eine Haftung bei grober Fahrlässigkeit. Das Haftungsrecht besitzt eine präventivverhaltenssteuernde Funktion119 , die über die verfassungsrechtlich verbürgte beschränkte Rückgriffshaftung (§ 34 S. 2 GG) eine besondere Ausprägung erfahren hat. Über die (Rückgriffs-)Haftung muss gewährleistet werden, dass die Mitglieder die ihnen obliegenden und jeweils nebeneinander zu erfüllenden Pflichten in gleichem Maße sorgfältig nachkommen. Der „eingerissene Schlendrian“ eines Mitglieds darf insoweit je nach Status des pflichtwidrig Handelnden nicht zu unterschiedlichen Haftungsfolgen führen. Als unbefriedigend wäre vor allem der Umstand einzustufen, wenn ein Ethik-Kommissionsmitglied im Falle grober Fahrlässigkeit nach § 48 BeamtStG regresspflichtig wäre, der gesamtschuldnerische Rückgriff aber an einer fehlenden Haftung des Ehrenamtlichen scheitert. Obgleich man hier die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld heranziehen könnte, so erscheint die fehlende Haftung bei grob fahrlässigem Verhalten des Ehrenamtlichen nicht gerechtfertigt. Divergierende Haftungsmaßstäbe wären ein „Fremdkörper“ im pluralistischen Entscheidungsfindungsprozess; in einem auf Gegenseitigkeit angelegten Fachgremium darf weder ein Mitglied bevorzugt noch im Verhältnis zu anderen benachteiligt werden. In dem verzweigten Ethik-Kommissionssystem, insbesondere bei der Zusammenarbeit von beteiligter und federführender Ethik-Kommission, besteht ein Bedürfnis nach einer Gleichheit des von Ethik-Kommissionen anzulegenden Standards.120 Es wäre auch mit der besonderen Struktur der Ethik-Kommissionen, insbesondere seit der 12. AMG- und 4. MPG-Novelle, nicht vereinbar, wenn nicht wenigstens für grobe Fahrlässigkeit ein Rückgriff in Betracht kommt. Anderenfalls würde in einer Genehmigungsbehörde einem „Schlendrian“ Vorschub geleistet, der in Anbetracht der in Rede stehenden Rechtsgüter von Probanden/Patienten, aber
116 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 83 Rn. 12; Henneke, in: Knack, Vor § 81 Rn. 9 f.; Ule/Laubinger, § 13 Rn. 14 ff.; Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 81 Rn. 6; Borgs, in: Meyer, § 81 Rn. 20 f.; Seegmüller, in: Obermeyer, § 81 Rn. 34 f. 117 Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 503 f. 118 Vgl. BVerwGE 101, 51 = NJW 1996, 2669 f. 119 Vgl. zur Präventionsfunktion des Haftungsrechts Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 17; Brüggemeier, Prinzipien des Haftungsrechts, Rn. 3 ff.; Wagner, in: MüKo/BGB, Vor § 823 Rn. 34 f.; ders., AcP 206 (2006), 352, 363 f.; Larenz, SchuldR AT, § 27 I, S. 423 f. 120 Vgl. zu diesem Aspekt auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1061.
§ 13 Ansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder
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auch im Hinblick auf den Spagat zwischen Innovationsförderung und -verhinderung vermieden werden muss.121 Den Bedenken, die das BVerwG122 gegenüber einer analogen „Haftungsbegründung“ geäußert hat, lässt sich wie folgt begegnen: Das BVerwG hat sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob etwaige Schadensersatzansprüche auch aus §§ 823 ff. BGB folgen könnten.123 Das allgemeine Deliktsrecht gilt zu Lasten aller Privatpersonen auch gegenüber jedem Hoheitsträger und findet auch in öffentlichrechtlichen Sonderverbindungen Anwendung, soweit öffentliches Recht dem nicht entgegensteht. Dienstherrn/Arbeitgeber können folglich Schadensersatzansprüche nach §§ 823 ff. BGB gegenüber ihren Amstwaltern geltend machen.124 Dass die Vorschriften des allgemeinen Deliktsrechts ausgeschlossen sein sollen, ist vorliegend nicht erkennbar; erst recht kommt wegen fehlender Dritteigenschaft § 839 Abs. 1 BGB nicht zum Zuge.125 Dass das allgemeine Deliktsrecht auch im hoheitlichen Bereich nicht ausgeschlossen sein kann, bestätigt die Überlegung, dass es grob unverständlich wäre, Hoheitsträgern/Dienstsherrn/Arbeitgebern den Schutz vor vorsätzlich sittenwidrigen Schädigungen (§ 826 BGB) zu entziehen.126 Bei Nichtexistenz spezialgesetzlicher Vorschriften findet also das allgemeine Deliktsrecht Anwendung. Ehrenamtliche Organwalter haften insoweit nach Maßgabe der §§ 823 ff. BGB gegenüber „ihrem Hoheitsträger“127 , und zwar außerhalb der Fälle eines Amtshaftungsregresses (§ 34 S. 2 GG) für jede Fahrlässigkeit. Die analoge Anwendung des § 48 BeamtStG führt also nicht zu einer Haftungsbegründung, sondern lediglich zu einer situationsangemessenen Haftungsmodifizierung der bereits bestehenden deliktischen Haftung nach den allgemeinen Vorschriften und im Hinblick auf den Verschuldensgrad zu einer Haftungsprivilegierung. Die Regelungen über die Haftung nur für vorsätzliche oder grob fahrlässige Dienstpflichtverletzungen im internen Verwaltungsbereich, deren Anwendung auch auf einem privatrechtlichem 121 Diese auf die präventiv-verhaltenssteuernde Funktion des Haftungsrechts schauende Betrachtungsweise ist auch für die in den USA tätigen IRBs neuerdings abgestellt worden; vgl. Beasley, 36 N. KY. L. Rev. (2009), 45, 65: “In this respect, lawsuits naming an IRB or its members as defendants are desirable outcomes because they will promote more careful reviews and more responsible decision-making by IRBs, will serve as a check against IRBs’ unrestrained power, and will generate public attention likely leading to positive changes in the regulatory oversight of IRBs. In light of the examples of Jesse Gelsinger, Ellen Roche, and the Grimes case, we can no longer allow IRB members to escape the consequences of misconduct” 122 BVerwGE 101, 51 = NJW 1996, 2669 f. 123 Vgl. Stelkens, DVBl. 1998, 300, 304 ff. 124 Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 504 ff.; ders., DVBl. 1998, 300, 301 ff., 304 ff.; im Ergebnis auch Hüttenbrink, Schadensersatzansprüche, S. 149 ff., 161 ff., 170 ff.: Anspruchskonkurrenz zwischen pFV aus dem Organwalterverhältnis und den §§ 823 ff. BGB. 125 Nicht nachzuvollziehen ist § 10 Abs. 3 der Satzung der Ethik-Kommission bei der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz (Stand: 15.04.2006): „Wird durch ein Mitglied der Ethik-Kommission der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht, so kann die Landesärztekammer in entsprechender Anwendung des § 839 BGB gegenüber diesem Mitglied Rückgriff nehmen“. 126 So auch Stelkens, DVBl. 1998, 300, 304 ff. 127 Vgl. Stelkens, DVBl. 1998, 300, 304 ff.; ders., Verwaltungshaftungsrecht, S. 503 f.
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Vertrag oder einem Tarifvertrag beruhen kann128 , bringen einen allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck. Die Regelungen finden für den Ehrenbeamten Anwendung129 und Rspr. sowie h. L. haben sich auch nicht davor gescheut, die beamtenrechtlichen Vorschriften analog im vermeintlichen, also nicht zustande gekommenen Beamtenverhältnis, anzuwenden. Auch dem nicht wirksam Berufenen werden die beamtenrechtlichen Haftungsbeschränkungen zugestanden.130 Die sonst gegebene Haftung nach allgemeinem Deliktsrecht, wie sie früher in solchen Fällen vertreten wurde131 , wird abgelehnt. Einer analogen Anwendung auf ehrenamtliche EthikKommissionsmitglieder kann insoweit nicht entgegengehalten werden, dass die beamtenrechtlichen Vorschriften auf die vorgegebenen Besonderheiten des vorliegenden Regelungszusammenhangs nicht „passen“; ansonsten müsste man auch die Haftung der verbeamteten Kommissionsmitglieder wegen Verstoßes gegen Art. 20 Abs. 3 GG für nicht gegeben erachten. In diesem Falle käme aber wiederum das allgemeine Deliktsrecht zur Anwendung. Die hier vertretene analoge Anwendung des § 48 BeamtStG entspricht vom Ergebnis her gesehen weitgehend der in der Literatur für Ethik-Kommissionsmitglieder vertretenen Auffassung zur Anwendung des § 280 BGB analog auf das Organwalterverhältnis.132 Der Vorteil der hier vorgeschlagenen und auch in der verwaltungsrechtlichen Literatur vertretenen Analogie gewährleistet jedoch ein Ausschluss des allgemeinen Deliktsrechts133 , die generelle Begrenzung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit auch außerhalb eines Amtshaftungsregresses und damit eine gebotene haftungsrechtliche Gleichbehandlung. Folglich gelten dieselben Haftungsgrundsätze, wie sie für die verbeamteten Ethik-Kommissionsmitglieder dargelegt wurden.
IV. Ersatzberechtigter Dienstherr Die Ersatzberechtigung im Innenverhältnis entspricht nach hier vertretener Auffassung der Passivlegitimation für den Amtshaftungsanspruch im Außenverhältnis. Vorliegend ist dies die Körperschaft, die das Mitglied in die Ethik-Kommission berufen hat. Dies sind grundsätzlich die Kammer oder die Universität selbst, ausnahmsweise aber auch das Land. Ebenso wie bei der direkten Anwendung des § 48 BeamtStG können geschädigte „zweite“ Hoheitsträger ihren Schaden nicht
128
Vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 505 f. Vgl. BVerwGE 100, 280, 283. 130 Vgl. BVerwG 100, 280 ff.; zur Diskussion Beckmann, Haftung des Beamten, S. 103 ff. 131 Zu dieser Auffassung Beckmann, Haftung des Beamten, S. 104 m.w. Nachw. 132 Vgl. Kreß, Ethik-Kommissionen, S. 182 f. van der Sanden, Haftung, S. 247 f. 133 Die §§ 823 ff. BGB wären neben der Haftung aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis anzuwenden, vgl. Hüttenbrink, Schadensersatzansprüche, S. 149 ff., 161 ff., 170 ff. 129
§ 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen
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selbst, sondern nur über den Anstellungsdienstherrn – vorliegend: der anvertrauende Dienstherr – im Drittinteresse liquidieren.134
D. Gesamtschuldnerische Haftungskonstellationen Vor allem für die universitären Ethik-Kommissionen kann es dazu kommen, dass sowohl die verbeamteten Hochschullehrer als auch die „dienstherrenlosen“ Mitglieder amtspflichtwidrig handeln und sowohl die Universität als auch das Land im Außenverhältnis passivlegitimiert sind. Universität und Land haften als Gesamtschuldner. Für den Innenregress haften bei grober Fahrlässigkeit die „dienstherrenlosen“ Mitglieder gegenüber der Universität als Gesamtschuldner, § 48 S. 2 BeamtStG analog, die verbeamteten Kommissionsmitglieder im Verhältnis zu ihrer Anstellungskörperschaft dem Land ebenfalls gesamtschuldnerisch. Wird eine der beiden Körperschaften auf Ersatz des gesamten Schadens in Anspruch genommen, so bestehen zwei Möglichkeiten des Schadensausgleichs: Zum einen kann auf die gesamtschuldnerischen Ausgleichsansprüche zurückgegriffen werden, § 426 BGB. Der Innenregress vollzieht sich dann innerhalb der beiden „Gesamtschuldnerkreise“. Zum anderen besteht die Möglichkeit, die der leistenden Körperschaft gegenüber haftenden Mitglieder auf Ersatz der Haftungsquote in Anspruch zu nehmen und die auf die andere Körperschaft entfallende Haftungsquote über eine Schadensliquidation im Drittinteresse bei den weiteren grob fahrlässig handelnden Mitgliedern zu verlangen. Besteht im Außenverhältnis eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff, so haftet je nach Ansiedlungsort die Universität oder die Kammer, jeweils gesamtschuldnerisch mit dem Land. Regressansprüche gegenüber den EthikKommissionsmitgliedern bestehen in Höhe der jeweiligen Haftungsquoten unter den Voraussetzungen des § 48 BeamtStG, wobei die jeweilige Aktivlegitimation zu beachten ist: Das Land kann Rückgriff bei den im Landesdienst stehenden verbeamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern der Universität nehmen, der Schaden der Universität ist bei den verbeamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern durch das Land im Drittinteresse zu liquidieren. Entsprechendes gilt für die „dienstherrenlosen“ Mitglieder in umgekehrter Richtung. Die Kammer kann bei „ihren“ Mitgliedern Regress nehmen; der Schaden des Landes ist im Drittinteresse zu liquidieren.
§ 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen In der Praxis sind vor allem seit der 12. AMG-Novelle neben dem „Berliner Sonderweg“, also die Bildung einer Ethik-Kommission in unmittelbarer staatlicher 134
Insoweit vergleichbar auch Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 523 ff. für die Haftung von Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zu „zweiten“ Hoheitsträgern.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
Trägerschaft, Haftungsbeschränkungsmodelle diskutiert worden, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Haftungsrisiken der Ärztekammern.135
A. Zulässigkeit sondergesetzlicher Haftungsbeschränkungen In seinem Beschluss zur Anrufung des Vermittlungsausschusses v. 14.05.2004 ist seitens des Bundesrates (erfolglos) vorgeschlagen worden, dem § 42 Abs. 1 AMG folgenden Satz anzufügen: Die Haftung der Mitglieder der nach Landesrecht zuständigen Ethik-Kommission und der Körperschaft, in deren Dienst sie stehen, wird auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.
Begründet wurde jene Haftungsbeschränkung mit der Wandlung der EthikKommission zu einer genehmigenden Instanz und den Haftungsrisiken gegenüber dem Sponsor. Vor allem im Interesse der Beibehaltung der Handlungsfähigkeit der beitragsfinanzierten Landesärztekammern wurde eine Haftungsbeschränkung für angebracht gehalten.136 Ausweislich des vorgeschlagenen Gesetzeswortlauts sollten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, denn sowohl die übergeleitete (mittelbare) Staatshaftung als auch die beamtenrechtliche Eigenhaftung wollte man auf grobe Fahrlässigkeit beschränken. Obwohl eine entsprechende gesetzliche Haftungsbeschränkung für die Haftung von Ethik-Kommissionen nicht vorgesehen ist, stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Regelung de lege ferenda. Es entspricht nahezu einhelliger Auffassung, dass der Umfang der Haftungsübernahme durch sondergesetzliche Haftungsausschlüsse und -beschränkungen modifiziert werden kann, denn Art. 34 S. 1 GG spricht davon, dass bei der Verletzung drittgerichteter Amtspflichten die Verantwortlichkeit nur grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft trifft.137 Nach der Rspr. des BGH sind aber an die die Staatshaftung beschränkenden oder ausschließenden Regelungen erhöhte Anforderungen zu stellen und mithin nur in Ausnahmefällen zulässig. Sie dürfen nicht willkürlich getroffen werden, müssen auf sachgerechten Erwägungen beruhen und sich schließlich an der Grundentscheidung der Verfassung ausrichten.138 Teilweise 135
Dazu zuletzt van der Sanden, Haftung, S. 250 ff.; Gödicke, MedR 2004, 481 ff. Vgl. Beschluss des Bundesrats zur Anrufung des Vermittlungsausschusses v. 14.05.2004, BRDrs. 287/04, S. 6; hierzu auch Gödicke, MedR 2004, 481, 482. 137 Vgl. BVerfGE 61, 149, 199 f.; BGHZ 99, 62, 64; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 237 f.; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 34 Rn. 105; Wieland, in: Dreier, Art. 34 Rn. 56; Bonk, in: Sachs, Art. 34 Rn. 88 u. 100; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 96 f.; HK-BGB/Staudinger, § 839 Rn. 44; Wurm, in: Stadudinger, § 839 Rn. 353; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 230; krit. Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 38. 138 Vgl. BGHZ 99, 62, 64; 62, 372, 377 f.; 25, 231, 237; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 240; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 34 Rn. 105; Wieland, in: Dreier, Art. 34 Rn. 56; Bonk, in: Sachs, Art. 34 Rn. 88 u. 100; Maurer, Allg VerwR, § 26 Rn. 38; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 96 f.; Vinke, in: Soergel, § 839 Rn. 230. 136
§ 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen
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wird eine Beschränkung der Haftung auf qualifiziertes Verschulden und eine erhebliche Einschränkung des Haftungsumfangs als nicht mit der durch Art. 34 GG gewährleisteten Mindestgarantie vereinbar angesehen.139 Obgleich eine gesetzliche Regelung140 für Ethik-Kommissionen betreffend die Haftungsüberleitung bei fehlender bundesrechtlicher Regelung durch den Landesgesetzgeber aus kompetenzrechtlicher Sicht zulässig wäre (Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG)141 , so lassen sich keine Gründe finden, die eine Haftungsbeschränkung verfassungsrechtlich rechtfertigen könnten. Weder der alleinige Schutz vor einer Haftung noch die Einsparung öffentlicher Mittel sind als gewichtige sachliche Gründe anzusehen.142 Soweit man nicht bereits eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit generell für unzulässig hält, so darf der Geschädigte bei einer Begrenzung der staatlichen Einstandspflicht nicht schutzlos gestellt werden, was sich im Ergebnis nur durch eine persönliche Haftung des hoheitlich handelnden Organwalters sicherstellen ließe.143 Die persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder für jede Fahrlässigkeit ist aber unter keinen Umständen gerechtfertigt. Dies wäre aber auch die Konsequenz, soweit eine landesgesetzliche Regelung zu der vorliegenden Thematik ergehen würde: Sie kann ausschließlich den Gewährleistungsbereich des Art. 34 GG modifizieren. Abweichende Regelungen für die persönlichen Haftung des Beamten, etwa der Ausschluss für leichte Fahrlässigkeit, kann kompetenzrechtlich allein der Bund treffen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG)144 , sodass bei zulässiger Haftungsübernahmebeschränkung und ggf. rechtswidriger persönlicher Haftungseinschränkung eine persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder für jede Fahrlässigkeit gegeben wäre.145 Festzuhalten ist, dass sich die vom Bundesrat vorgeschlagene Haftungsbegrenzung nur durch eine bundesgesetzliche Regelung verwirklichen ließe. Bei einer 139 Vgl. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 34 Rn. 30; Papier, in: Maunz/Düring, Art. 34 Rn. 240; nahestehend BGHZ 61, 7, 14 f. 140 Haftungsausschlüsse und -beschränkungen können nur durch ein förmliches Gesetz bestimmt werden, vgl. nur Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 242. Etwaige Regelungen in Satzungen, z.B. in der Berufsordnung oder in der Satzung für die Ethik-Kommission selbst wären unzulässig, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1070; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 67. 141 Ebenso Gödicke, MedR 2004, 481, 484; van der Sanden, Haftung, S. 252. 142 Wie hier Gödicke, MedR 2004, 481, 485; van der Sanden, Haftung, S. 253 f.; wohl auch Fischer, in: FS Deutsch II, S. 151, 164. 143 Allg. hierzu Bonk, in: Sachs, Art. 34 Rn. 88. 144 Vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1070:„ Ein Ausschluss der Haftung im Landesgesetz, in der Satzung, im Bescheid oder durch Vereinbarung ist nicht wirksam. Ein Landesgesetz kann die bundesrechtlich angeordnete Haftung ebenso wenig beschränken wie eine Satzung oder ein Bescheid“; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 67. 145 Allg. hierzu Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 242 f., 245; für Ethik-Kommissionen Gödicke, MedR 2004, 481, 484; van der Sanden, Haftung, S. 253 f.; s.a. BR-Drs. 287/04, S. 6. Bei einer Modifizierung desArt. 34 GG stellt sich aber dann auch die Frage, ob spiegelbildlich in dem Umfang, in dem die Geltung des Art. 34 GG zurückgenommen worden ist, für § 839 BGB nicht mehr der Beamte im haftungsrechtlichen Sinne, sondern nur der Beamte im statusrechtlichen Sinne erfasst wird, mit der Konsequenz, dass für die ehrenamtlichen Organwalter das allgemeine Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) Anwendung fände; zu diesem Aspekt Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, S. 462 ff., bes. S. 468 ff.
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landesgesetzlichen Regelung wäre die Beschränkung der persönlichen Haftung schon aus kompetenzrechtlichen Gründen unzulässig und würde bei Aufrechterhaltung der modifizierten Haftungsübernahme (Art. 34 GG) zu einer persönlichen Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder für jede Fahrlässigkeit führen. Im Übrigen lassen sich weder für eine bundes- noch für eine landesgesetzliche Haftungsübernahmebeschränkung gewichtige sachliche Gründe finden, die es rechtfertigen würden, vom Grundsatz der Haftungsüberleitung ausnahmsweise abzusehen.146
B. Haftungsübernahme I. Ärztekammer Mittlerweile sind für das Haftungsrisiko der Ärztekammern bei der Begutachtung klinischer Arzneimittelprüfungen auf gesetzlicher Grundlage Vereinbarungen zwischen der Kammer und dem jeweiligen Land geschlossen worden, nämlich in Hessen, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Saarland und SchleswigHolstein, die in den Grundzügen deckungsgleich sind. Die Regelungen sehen vor, dass die Ärztekammern zur Vorsorge für die Erfüllung von Schadensersatzverpflichtungen aus Amtspflichtverletzungen durch die Tätigkeit ihrer Ethik-Kommissionen eine Haftpflichtversicherung abschließen, und zwar mit einer Deckungssumme von fünf Millionen Euro. Die Kammer wird durch das Land von Schadensersatzverpflichtungen freigestellt, soweit diese nicht bei einem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen versicherbar sind. Nähere Regelungen, insbesondere zur Mindesthöhe der Haftpflichtversicherung, soweit nicht bereits gesetzlich festgelegt, und zu Regressmöglichkeiten sind einer gesonderten Vereinbarung zwischen dem Land und der Ärztekammer vorbehalten.147 Nach der saarländischen Regelung wird die Ärztekammer durch das Land von Schadensersatzverpflichtungen freigestellt, die von der Haftpflichtversicherung nicht gedeckt sind, soweit der Ethik-Kommission Fahrlässigkeit zur Last fällt.148 Zusammenfassend laufen die gesetzlichen Regelungen und gesonderten Vereinbarungen auf eine weitgehende Haftungsübernahme durch das Land hinaus: Die Haftung wird übernommen für Schadensersatzverpflichtungen, die über die Deckungssumme der abzuschließenden Versicherung hinausgehen
146
Übereinstimmend: Gödicke, MedR 2004, 481, 485; van der Sanden, Haftung, S. 253 f. Vgl. § 7 Abs. 3 HBG Brandenburg; § 6a Abs. 4 HBG Hessen (dazu auch DÄBl. 2004, A-3140); § 7 Abs. 6 HBG NRW; § 5 Abs. 4 HBKG BW; § 6 Abs. 5 HBKG Schleswig-Holstein. Dazu bereits van der Sanden, Haftung, S. 254 f. 148 Vgl. § 5 Abs. 1 HBKG Saarland. Entsprechendes ist auch in Rheinland-Pfalz vereinbart worden, soweit ersichtlich aber ohne gesetzliche Grundlage und nur in einer gesonderten Vereinbarung, hierzu Engelmohr, ÄBl. Rheinland-Pfalz 2006/6, 8, 9. 147
§ 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen
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und für nicht versicherbare Schadensersatzverpflichtungen.149 Zu betonen ist, dass die Haftungsübernahmegarantien durch das Land ausschließlich im Innenverhältnis zwischen Ärztekammer und Land wirken; die Passivlegitimation der Ärztekammer im Außenverhältnis zum Geschädigten bleibt von den gesetzlichen Regelungen unberührt.150 Es handelt sich also nicht um eine Art extern gegenüber den Gläubigern wirkende Gewährträgerhaftung, sondern nur um eine im Innenverhältnis bestehende Einstandspflicht iSe Gewährträgerpflicht.151 II. Universität Für die universitären Ethik-Kommissionen sind entsprechende Vereinbarungen nicht getroffen worden.152 Das Haftungsrisiko der Universitäten für ein Organisationsverschulden, für die Amtshaftung derjenigen „dienstherrenlosen“ Mitglieder, die von ihr in die Ethik-Kommission berufen werden und für die Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff ist grundsätzlich nicht in dem Maße einschneidend wie für die beitragsfinanzierten Ärztekammern, denn prinzipiell steht hinter der Universität das Land.153 Inwieweit das Land die Schadensersatzverpflichtung der Universität bzw. die auf sie entfallende Haftungsquote übernimmt oder für jene letztlich einzustehen hat, hängt jeweils maßgeblich von der rechtlichen Ausgestaltung ab; es ergibt sich aber auch hier ein erhebliches Bedürfnis für eine Verantwortungs- und Schadensregelung, z. B. bei einer fehlenden Gewährträger- oder Ausfallhaftung. Dass für die Haftung der universitären Ethik-Kommission die jeweilige Haftungsmasse des Landes zur Verfügung steht, kann nicht in jedem Fall als gesichert angesehen werden.154
C. Einschränkungen bei der persönlichen Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder Die Unklarheiten über die internen Haftungsverlagerungen zwischen den Beziehungen Land-Universität und Land-Ärztekammer wirken sich auch auf die 149 Vgl. insoweit Engelmohr, ÄBl. Rheinland-Pfalz 2006/6, 8, 9; s.a. Hopf, Rheinisches ÄBl. 2005/8, 15, 16. 150 Vgl. Deutsch, MedR 2006, 411, 414; van der Sanden, Haftung, S. 245. 151 Hierzu allg. Engelsing, Zahlungsunfähigkeit, S. 165 f. 152 Teilweise wird davon ausgegangen, dass das Haftungs- und Rückgriffsrisiko über die Betriebshaftpflichtversicherung (mit-)versichert ist; vgl Lippert, in: FS Laufs, S. 973, 983; ders., in: Madea, Rechtsmedizin, S. 539, 553. Ob dies tatsächlich der Fall ist, also ob etwa der entgangene Gewinn des Sponsors mitversichert ist, erscheint jedoch fraglich. Zweifelnd auch Lippert, jew. a.a.O. 153 Vgl. van der Sanden, Haftung, S. 250. 154 Vgl. etwa § 5 Abs. 6 HFG NRW; hierauf macht auch van der Sanden, Haftung, S. 250 f. m. Fn. 1258 aufmerksam. Allg. zur Anstaltslast bei Universitäten Kemmler, Anstaltslast, S. 175 ff.; Engelsing, Zahlungsunfähigkeit, S. 165 ff.
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Sechstes Kapitel: Regressverhältnisse und persönliche Haftung
persönliche Haftung der Ethik-Kommissionsmitglieder aus. Übernimmt das Land im letzten Fall Schadensersatzverpflichtungen der Ärztekammer, so stellt sich die Frage, ob nunmehr das Land gegenüber den grob fahrlässig handelnden EthikKommissionsmitgliedern Regressansprüche aus übergegangenem Recht hat.155 Soweit bestimmt wird, dass die Ärztekammern zur Vorsorge für die Erfüllung von Schadensersatzverpflichtungen aus Amtspflichtverletzungen durch die Tätigkeit ihrer Ethik-Kommissionen eine Haftpflichtversicherung abzuschließen haben, so erhebt sich auch die Frage, ob hierdurch nur die aus § 839 BGB, Art. 34 GG folgende übergeleitete Beamtenhaftung versichert ist, ob die Mitglieder der EthikKommission mitversichert sind, ob bei grob fahrlässiger Amtspflichtverletzung Regressansprüche gegen die Ethik-Kommissionsmitglieder seitens der Versicherung vorbehalten bleiben oder ob sie ausgeschlossen wurden oder ob die in diesem Falle bestehenden Regressansprüche des Dienstherrn nach § 86 VVG auf die leistende Versicherung übergehen. I. Fürsorgepflicht des Dienstherrn und die arbeitsrechtlichen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs Vor diesem Hintergrund ist klärungsbedürftig, ob nicht bereits die Fürsorgepflicht des Dienstherrn die Haftung der Kommissionsmitglieder beschränkt. Liegen die Haftungsvoraussetzung vor, so folgt aus der allgemeinen Pflicht zur sparsamen Verwaltungsführung grundsätzlich die Pflicht zur Inanspruchnahme des Beamten. Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs wird insoweit durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht ausgeschlossen.156 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung gewährt allerdings nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs auch bei grober Fahrlässigkeit dem Arbeitnehmer Haftungserleichterungen. Ob Haftungserleichterungen in Betracht kommen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, wobei es entscheidend darauf ankommen kann, ob der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der Tätigkeit steht.157 Während vor der Einführung der Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit auch bei fiskalischem Handeln des Beamten die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich herangezogen wurden158 , besteht hierfür zwar kein grundsätzliches Bedürfnis mehr, doch stellt sich gleichwohl die Frage, ob die für 155
In Bayern ist z.B. geregelt worden, dass Regressansprüche der staatlichen Hochschulen oder der Bayerischen Landesärztekammer gegen die Mitglieder der Ethik-Kommissionen auf den Freistaat Bayern übergehen, § 29g GDVG. 156 Vgl. BVerwGE 44, 27, 30 f.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 57; Battis, § 75 BBG Rn. 14.; Simianer, ZBR 1993, 33, 46; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 333; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 198. 157 Vgl. BAGE 63, 127, 132 ff.; NZV 1997, 352 f.; NZA 1997, 1280; NJW 1999, 966, 967; Otto, Arbeitsrecht, § 8 Rn. 403; Otto/Schwarze/Krause, Haftung des Arbeitnehmers, § 9 Rn. 172; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. 1, § 9 Rn. 32 ff. 158 Dazu Beckmann, Haftung des Beamten, S. 239 ff.; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 51 f.
§ 14 Haftungseinschränkungen und Haftungsübernahmen
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den Arbeitnehmer gewährten Haftungsbeschränkungen auch bei grob fahrlässigem Handeln nicht auch für den Beamten herangezogen werden können. Während die dogmatische Herleitung und Begründung im Einzelnen umstritten ist159 , so besteht jedoch überwiegende Einigkeit darüber, dass auch für den Beamten Haftungseinschränkungen selbst bei grober Fahrlässigkeit gewährt werden müssen, insbesondere in Fällen einer existenzvernichtenden Inanspruchnahme.160 Diese Haftungseinschränkungen auch bei grob fahrlässigem Handeln müssen auch und erst recht für Ethik-Kommissionsmitglieder Anwendung finden: Ethik-Kommissionsmitglieder sind aufgrund ihrer komplexen Tätigkeit und des Agierens in einem kognitiv weit nach vorne verlagerten Risikobereichs nicht nur Fehlgriffen besonders ausgesetzt, sondern zu erwartende Schadensersatzforderungen pharmazeutischer Unternehmer stehen in keinem Verhältnis zur Aufwandsentschädigung der Kommissionsmitglieder.161 Die Grundsätze für eine Haftungsbeschränkung auch bei grober Fahrlässigkeit bei existenzvernichtender Inanspruchnahme ließen sich für die beamteten Kommissionsmitglieder über die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, für die übrigen über die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs herleitet. Es bleibt aber zu berücksichtigen, dass hieraus jeweils nur eine Haftungsbeschränkung, nicht jedoch ein Haftungsausschluss folgt.162
II. Versicherung für Ethik-Kommissionsmitglieder Der Dienstherr kann den Beamten, der ganz besonders riskante Dienstaufgaben wahrnimmt, von jeder Fahrlässigkeitshaftung freistellen.163 Erfolgt eine entsprechende Freistellung für die Kommissionsmitglieder, so wäre es für die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Ethik-Kommission von außerordentlicher Wichtigkeit, dass alle und nicht nur ausgewählte Mitglieder freigestellt werden. Erfolgt keine Freistellung und sind wie ausgeführt auch die Haftungsbeschränkungen unzureichend, so ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung in Form einer Dienst-Haftpflichtversicherung zweckmäßig, die Personen-, Sach- und Vermögensschäden abdeckt, aufgrund derer der Beamte von seinem Dienstherrn in Regress genommen werden könnte.164
159
Zu den unterschiedlichen Lösungswegen über die Fürsorge, die arbeitsrechtlichen Grundsätzen und über das Haushaltsrecht Beckmann, Haftung des Beamten, S. 241, f., 244 ff. 160 Vgl. Sommer/Konert/Sommer, § 86 NBG Rn. 24; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, § 78 BBG Rn. 52 a.E.; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 333; Battis, § 75 BBG, Rn. 14. 161 So auch van der Sanden, Haftung, S. 258 f. 162 Ebenso van der Sanden, Haftung, S. 259. 163 Vgl. Simianer, ZBR 1993, 33, 47; Beckmann, Haftung des Beamten, S. 200 f.; für EthikKommissionen auch van der Sanden, Haftung, S. 259 f. 164 Deutsch hält eine kombinierte Haftpflichtversicherung für zweckmäßig, die nicht nur den Körperschaden sondern auch den Vermögensschaden des Forschers umfasst, vgl. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1071; Deutsch/Lippert, Ethik-Kommissionen, S. 68 f.
Siebtes Kapitel: Teilrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen
§ 15 Grundlagen der Teilrechtsfähigkeit A. Problemstellung Krebs hat anschaulich auf die Relativität verwaltungsorganisationsrechtlicher Strukturen und Begriffe im Hinblick auf Zuständigkeiten und Kompetenzen aufmerksam gemacht: „So kann ein und dieselbe Verwaltungseinheit in der rechtlichen Beziehung Behörde sein, in einer anderen nur Organ ohne Behördeneigenschaft“; gleiches gilt auch für die Rechtsfähigkeit und „Zurechnungsketten“ im Organisationsbereich.1 Ethik-Kommissionen sind als materiell-rechtlich verselbstständigte professionell-interdisziplinär besetzte Kollegialorgane mit nach außen gerichteten Entscheidungsbefugnissen beschrieben worden.2 Die derzeit für EthikKommissionen anzufindende verwaltungsorganisationsrechtliche Einordnung als „Teilorgan“ oder „Unterorgan“ muss vor allem vor dem Hintergrund der staatlich gewachsenen Aufgabenwahrnehmung als unbefriedigend angesehen werden.3 Im Bereich der klinischen Prüfung mitArzneimitteln und Medizinprodukten entscheiden Ethik-Kommissionen gleichberechtigt neben der zuständigen Bundesoberbehörde als Genehmigungsbehörden. Vor diesem Hintergrund ist vielfach kritisiert worden, dass die Ethik-Kommissionen bei der funktionalen Selbstverwaltung nach dem Ort ihrer Ansiedlung den Rollenwechsel von der ärztlichen/universitären Selbstverwaltung zur staatlichen „Patientenschutzinstitution mit Behördencharakter“4 nicht
1
Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 42 f.; sehr deutlich in dieser Hinsicht Jestaed, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 12, 14 f., 17 f., 20 ff. 2 Oben, § 2 C.I.3.d. 3 Anders van der Sanden, Haftung, S. 28 f., der das Konzept der Organ- und Teilorganstellung der Ethik-Kommissionen auch nach der 12. AMG-Novelle vertritt. 4 BT-Drs. 15/2109, S. 32. M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Siebtes Kapitel: Teilrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen
vollzogen haben.5 Die in einigen Ländern durchgeführte „Verlagerung“ staatlicher Aufgaben auf eine Ethik-Kommission bei der unmittelbaren Landesverwaltung wird teilweise als Vorreiterrolle angesehen.6 Allerdings hat es das BVerfG zumindest unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation nicht für bedenklich gehalten, dass Angelegenheiten von überragender Bedeutung durch Selbstverwaltungskörperschaften erledigt werden, gerade wenn es sich um Aufgabenbereiche handelt, die historisch übergekommen und sich traditionell bewährt haben.7 Es stellt sich aber die Frage, wie die materiell-rechtlich verselbstständigten Ethik-Kommissionen verwaltungsorganisationsrechtlich einzuordnen sind.
B. Bachofs Lehre von den Teilrechtsfähigen Verbänden des Öffentlichen Rechts In seiner bis heute grundlegenden Abhandlung über „Technische Ausschüsse“ hat Bachof aufgezeigt, dass es Ausschüsse und andere Gremien gibt, die lediglich funktionell, keinesfalls aber institutionell als Organe angesehen werden können. So können nach organisatorischen Verhältnissen zur unmittelbaren oder mittelbaren Staatsverwaltung Organe einerseits als integrierter Bestandteil oder als Kollegialbehörden iSe Zusammenschlusses behördenfremder Personen in unselbstständiger Organstellung („eingegliederte Ausschüsse“) verstanden werden, die so weit als Teil entweder eines verfassungsmäßigen Organs oder einer Behörde eingegliedert sind, dass ihre Tätigkeit als Tätigkeit ihres Organs/Behörde gewertet wird, oder aber andererseits als sog. „nebengeordnete Ausschüsse“, die keine feste Eingliederung in den Verwaltungsapparat aufweisen, jedoch zum Zwecke der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben gebildet worden sind. Sie besitzen im Verhältnis zu ihrer Institution ein erhebliches Maß an Selbstständigkeit, sind nicht als integrierender Bestandteil eingegliedert, handeln folglich nicht namens der Behörde/Institution, aber weisen dagegen oft eine funktionelle und personale Verbindung zur zugeordneten Institution auf. Ferner sind sie nicht selbst juristische Personen und auch nicht im herkömmlichen Sinne rechtsfähig.8 Bachof hat aus der Prämisse, dass für nebengeordnete Ausschüsse, wozu er die Technischen Ausschüsse zählte, ein fester Standort in der jeweiligen Organisation fehlt und aus der Prämisse, dass sie kein Organ eines Rechtsträgers sind und hinter ihnen keine geschlossene soziologische Gruppe steht, den Schluss gezogen, dass nur sie selbst Bezugssubjekt der sie treffenden Pflichten und Befugnisse sein können. Kennzeichnend sei, dass sie eigene 5 Vgl. Wölk, EthikMed 2002, 252, 265 ff. mit dem Vorschlag, Ethik-Kommissionen bei den Landesgesundheitsbehörden anzusiedeln (S. 267); s.a. Classen, MedR 1995, 148: „Wandel vom Instrument der Selbstkontrolle zum Instrument der Fremdkontrolle“; ferner v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 130 f.; 151 u. S. 190. 6 Vgl. Schlette, NVwZ 2006, 785, 787. 7 BVerfG NVwZ 2003, 974 ff.; krit. Jestaedt, JuS 2004, 649 ff. 8 Bachof, AöR 83 (1958), 208, 210, 240 ff.; 247 f.
§ 15 Grundlagen der Teilrechtsfähigkeit
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Rechte und Pflichten haben, die nicht auf eine bloße Organfunktion im Verhältnis zu anderen Organen derselben Gesamtorganisation zurückgeführt werden können.9 Man habe es daher „mit einer nicht rechtsfähigen Institution zu tun, die gleichwohl Träger von Rechten und Rechtspflichten ist“, was aber nichts Ungewöhnliches sei, „denn die Rechtsordnung kennt eine große Zahl von nicht rechtfähigen Institutionen, die gleichwohl in der einen oder anderen Beziehung Zurechnungsendsubjekt von Rechten und Rechtspflichten sind“.10 Bachof hat weiterhin überzeugend dargetan, dass Rechtssubjektivität keine Voraussetzung für Rechtsfähigkeit, sondern die Rechtsfähigkeit vielmehr eine Frage des materiellen Rechts sei, die sich aus einer Übertragung von Rechten und Pflichten ergebe. Folgerichtig könne auch ein Verband nur in Bezug auf sogar nur eine einzige Rechtsnorm Rechtssubjekt sein, im Übrigen aber selbstständig nicht in Erscheinung treten.11 Obwohl das damalige Konzept der (Teil-)Rechtsfähigkeit von Bachof – im Anschluss an Wolff – durch die Anerkennung einer Innenrechtsfähigkeit aus heutiger Sicht relativiert wird12 , so besteht jedoch weitestgehende Einigkeit darüber, dass man sowohl die Rechtsfähigkeit mit der Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, nicht pauschal gleichsetzen, als auch jene Fähigkeit nicht mit der positiven sowie im Falle ihres Fehlens mit der negativen Feststellung der Rechtsinhaberschaft verbinden kann.13 Vielmehr wird aus heutiger Sicht die relative Erscheinungsform der Rechtsfähigkeit betont. Krebs hat dies anschaulich zum Ausdruck gebracht: „Rechtsfähigkeit ist Rechtsubjektivität im Hinblick auf bestimmte Rechtssätze, sodass es immer darauf ankommt, in Bezug auf welchen Rechtssatz Rechtsfähigkeit besteht“.14 Allgemein lässt sich die Rechtsfähigkeit beschreiben als die Fähigkeit, Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen zu sein, die sich mit dem Endpunkt von Zurechnungen in Bezug nehmen lässt.15 Nach quantitativer Betrachtungsweise wird ferner die Vollrechtsfähigkeit von der Teilrechtsfähigkeit unterschieden. Vollrechtsfähig ist ein Funktionssubjekt dann, wenn es einen umfassenden Themen- oder Sachbereich erfasst; Teilrechtsfähigkeit äußert sich vor allem in Einzelzuständigkeiten, sodass eine Organisation nur mit Blick auf einzelne Teilrechtsbereiche 9
Bachof, AöR 83 (1958), 208, 256 ff. Bachof, AöR 83 (1958), 208, 259 f. 11 Bachof, AöR 83 (1958), 208, 260 ff. 12 Ausf. Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 11 ff. 13 Vgl. hierzu Maurer, WissR 10 (1977), 193, 194 m.w. Nachw. 14 Krebs, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 26 u. 40 f.; zur Relativität der Rechtsfähigkeit ausführlich Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, passim; zur Diskussion auch Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 233 ff.; ferner Jestaedt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 21; Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 44; ders., in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 16 ff.; v. Lewinski, JA 2006, 517, 518; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allg VerwR, § 7 Rn. 7. 15 Vgl. Maurer, Allg VerwR, § 21 Rn. 4; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 12; krit. Jestaedt in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 22, wonach auch der Zurechnungsendpunkt relativ gesehen werden müsse und sich nicht abstrakt feststellen lässt; s. ferner Lehmann, AcP 207 (2007), 225, 226 f. 10
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Siebtes Kapitel: Teilrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen
rechtlich selbstständig auftreten kann. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass jede öffentlich-rechtliche Rechtsfähigkeit gemeinhin nur als eine kompentiell begrenzte Teilrechtsfähigkeit iSe Bündels von einzelnen Rechtsfähigkeiten verstanden werden kann, denn öffentlich-rechtliche Organisationen unterliegen im gewaltenteilenden demokratischem Verfassungsstaat immer ihrer thematisch begrenzten Verbandskompetenz.16 Positivistisch wird die Rechtsfähigkeit zum einen nach dem formalen Gründungsakt bestimmt, unter welcher grundsätzlich die Vollrechtsfähigkeit fällt.17 Bei fehlender Verleihung der „Vollrechtsfähigkeit“ und jeweils vom Einzelfall abhängig wird davon ausgegangen, dass mit der rechtlichen Zuordnung von Aufgaben und Befugnissen als eigene zu apersonalen Stellen, jene Träger von Rechtspflichten werden: Jede Stelle, die Zurechnungsendpunkt zumindest eines Rechten und Pflichten im Staat-Bürger-Verhältnisses begründenden Rechtssatzes ist, ist pflicht- und im Hinblick auf diesen Rechtssatz auch (teil-)rechtsfähig,18 ohne dass es eines besonderen Verleihungsaktes bedarf und ohne dass jene Rechtsfähigkeit der Organisation per se den Status einer juristischen Person vermittelt.19 Nicht rechtsfähige Verwaltungseinheiten sind folglich keine Zurechnungsendsubjekte, sondern charakterisieren sich durch ihre transitorische Wahrnehmungszuständigkeit („Zurechnungsdurchgangspunkt“).20 „Teilrechtfähige Organisationen“ können insoweit in Erscheinung treten, als sie einmal in Organeigenschaft handeln, ihr Handeln also einer anderen Verwaltungseinheit zugerechnet wird, zum anderen eine Zurechnung bei Wahrnehmung einer anderen Aufgabe nicht besteht.21 In Anlehnung an Bachof werden auch heute noch eine Vielzahl von Kommissionen – teilweise auch aus einer Notstandslage anderweitiger Qualifizierung – als teilrechtsfähige Verbände angesehen, die organisatorisch aufgrund ihrer bei der jeweiligen Institution vorhandenen Geschäftsstelle nur angegliedert sind, so z. B. die „Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit“ (ZKBS) nach § 4 GenTG22 und die Kommission für Anlagensicherheit nach § 51 BImSchG.23,24 16
So Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 21. Vgl. Krebs in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 26; Kluth, in: Wolff/Bachof/Stober, VerwR III, § 83 Rn. 15 ff.; Maurer, WissR 10 (1977), 193, 201 f. 18 So Krebs in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 30 u. 34 a.E.: „Rechtsfähigkeit meint immer Rechtsfähigkeit im Hinblick auf bestimmte Rechtssätze, beschreibt also keine apriorische Fähigkeit realer Organisationen, sondern Rechtsrelationen“; ähnlich Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 21 a.E. 19 Hierzu Maurer, Allg VerwR, § 21 Rn. 5 f.; ders., WissR 10 (1977), 193, 194 u. 200 ff. 20 Vgl. Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 14 Rn. 20. 21 Vgl. Krebs in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, § 108 Rn. 43 a.E. mit dem Beispiel teilrechtfähiger Fakultäten einer Universität und sie als ein „Stück juristischer Person“ qualifiziert. 22 Hierzu Wahl, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 5a GenTG Rn. 22 ff.; Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch, GenTR, § 4 Rn. 9 ff.; Schmieder, Risikoentscheidungen, S. 68 ff. 23 Hierzu: Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 51a BImSchG Rn. 3; Jarass, BImSchG, § 51a Rn. 2. 24 Überblick über weitere Gremien bei Gross Kollegialprinzip, S. 63 ff., 90 ff., allerdings ohne verwaltungsorganisationsrechtliche Einordnung; zum ethik-kommissionsspezifischen Kontext bereits Vogeler, PaPfleReQ 2009, 90 ff. 17
§ 16 Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen de lege lata und de lege ferenda
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§ 16 Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen de lege lata und de lege ferenda Für die derzeit tätigen öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen stellt sich die Frage, ob sie in ihrer Tätigkeit in transitorischer Wahrnehmungszuständigkeit als Zurechnungsdurchgangspunkt fungieren, oder ob sie nicht selbst Zurechnungsendsubjekte sind. Ethik-Kommissionen sind mangels staatlichen Verleihungsaktes nicht vollrechtsfähig. Möglich erscheint es aber, sie nach einer jeweiligen Einzelfallbetrachtung als teilrechtsfähig bzw. partiell rechtsfähig zu qualifizieren. Für die bei der funktionalen Selbstverwaltung angesiedelten Ethik-Kommissionen ist bereits die Auffassung vertreten worden, dass sie der jeweiligen Selbstverwaltung nur an- nicht jedoch eingegliedert sind.25 Eine etwaige Teilrechtsfähigkeit kommt vor allem im Hinblick auf die Tätigkeiten nach dem AMG und dem MPG in Betracht.
A. De lege lata Im AMG und im MPG wird nur von der „nach Landesrecht für den Prüfer zuständigen unabhängigen interdisziplinär besetzten Ethik-Kommission“ gesprochen (§§ 42 Abs. 1 S. 1 AMG, 22 Abs. 1 S. 1 MPG). Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass es dem Arzneimittel-/Medizinproduktegesetzgeber gerade darauf ankam, ausschließlich eine Ethik-Kommission, gleichgültig in welcher „Trägerschaft“, dazu aufzurufen, zusammen mit der Bundesoberbehörde das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufzuheben. Insoweit dürfte es sich gerade im oben erwähnten Sinne um eine Kompetenz zur selbstständigen Wahrnehmung nach außen handeln. Ferner sind etwa auch die Befugnisse in der GCP-V so ethik-kommissionsspezifisch ausgestaltet, dass es nicht möglich erscheint, das Handeln der Ethik-Kommissionen als transitorische Wahrnehmungszuständigkeit für die Hochschulen oder für die Ärztekammern anzusehen. Anders läge dies freilich dann – wie dies in der Verwaltungsrealität oft anzutreffen ist26 – soweit die Ethik-Kommissionen als unselbstständige Beratungsorgane die Ärztekammern/Hochschulen intern beraten, gewissermaßen die von den Ärztekammern/Hochschulen zu treffenden Entscheidungen konkretisieren würden. Indes liegt es genau umgekehrt: Es ist gerade der Zweck einer Ethik-Kommissionsentscheidung, die Distanz zum Funktionsträger zu vergrößern, den wissenschaftlich-kollegialen Diskurs zur ermöglichen und die Hierarchieausgliederung für die plurale Entscheidungsfindung durch die Nutzung sachlicher Unabhängigkeit zu ermöglichen, die auch durch eine Entscheidung nur im Namen oder in Vertretung der Ärztekammer/Hochschule selbst konterkariert werden würde.27 Nur Ethik-Kommissionen und nicht die Ärztekammern/Hochschulen werden mit den staatlichen Aufgaben betraut. Die Anbindung der Ethik-Kommissionen 25
Vgl. v. Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethik-Kommissionen, S. 135 f., 151. Gross, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grdl VerwR I, § 13 Rn. 76. 27 Allgemein hierzu Gross, Kollegialprinzip, S. 142 f. 26
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Siebtes Kapitel: Teilrechtsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen
an die Ärztekammern/Hochschulen ist vielmehr als eine überwiegende personale und funktionale Verbindung im Bachof’schen Sinne zu verstehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich für die Ethik-Kommissionen bei den Trägern funktionaler Selbstverwaltung die Frage stellt, inwieweit das Ethik-Kommissionsvotum gegenüber einem Sponsor, mithin gegenüber einem Nicht-Mitglied der BetroffenenVerwaltung, überhaupt in die Verbandskompetenz der Ärztekammern/Hochschulen fallen kann, was Grundvoraussetzung für die Annahme einer transitorischen Wahrnehmungszuständigkeit wäre. In der Tat fehlt es zumindest bei den Trägern funktionaler Selbstverwaltung an einer korrespondierenden Verbandszuständigkeit, die es erlauben würde, das Handeln der Ethik-Kommissionen als transitorische Wahrnehmungszuständigkeit aufzufassen, denn es fällt weder in die Zuständigkeit der Hochschulen noch in die Zuständigkeit der Ärztekammern, den grundsätzlich dem Staat selbst vorbehaltenen Schutz des Menschen bei der klinischen Prüfung zu gewährleisten.28 Ethik-Kommissionen können daher nur selbst als Zurechnungsendsubjekte aufgefasst werden, was mit der Zuerkennung einer Teilrechtsfähigkeit im Bachof’schen Sinne einhergeht. Dieselben Argumentationsstränge lassen sich auch auf die Ethik-Kommissionen der unmittelbaren Landesverwaltung anwenden. Für die Ethik-Kommission des Landes Berlin hat Pestalozza bereits ausgeführt, dass sich „eher das Gegenteil angeboten“ hätte, als „der neuen Kommission die Rechtsfähigkeit oder Teilrechtsfähigkeit vorzuenthalten“29 .
B. De lege ferenda Lässt sich im Bachof’schen Sinne eine Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen bereits im Hinblick auf einzelne Rechtssätze de lege lata begründen, so ist für das zukünftige Erscheinungsbild der Ethik-Kommissionen zu überlegen, ob man ihnen nicht unter Beibehaltung ihrer Ansiedlung bei den Ärztekammern/Hochschulen nicht eine ausdrücklich benannte Teilrechtsfähigkeit zukommen lassen sollte und sie damit ausdrücklich aus dem Kreise unselbstständiger Beratungsorgane heraushebt. EthikKommissionen wären unter dieser Prämisse auch verwaltungsorganisationsrechtlich für die derzeitigen staatlichen Aufgaben und ggf. für zusätzliche Aufgaben im nicht-ärztlichen Bereich flexibler. Die hier diskutierte Zuerkennung einer Teilrechtsfähigkeit darf im Übrigen jedoch nicht überschätzt werden, denn aus ihr folgt weder eine Vermögensfähigkeit noch ihre Eigenschaft als Haftungssubjekt. Vielmehr ist die Teilrechtsfähigkeit eher als formelles Kriterium des Verwaltungsorganisationsrechts zu verstehen, welches es aber erlaubt, die Ethik-Kommission auch verwaltungsorganisationsrechtlich als Pendant zur ihrer materiell-rechtlichen Verselbstständigung zutreffend zu erfassen, ihr bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten eine in Anbetracht ihrer Kompetenzen gleichwertige Stellung 28
Ähnlich bereits Di Fabio Risikoentscheidungen, S. 222; Wölk, Ethik Med 2002, 252, 266 f.; Schlette, NVwZ 2006, 785, 787; v. Dewitz, A&R 2008, 156, 160 f. 29 Pestalozza, LKV 2006, 255, 257; s.a. Vogeler, PaPfleReQ 2009, 90 ff.
§ 16 Teilrechtsfähigkeit von Ethik-Kommissionen de lege lata und de lege ferenda
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neben der Bundesoberbehörde zuzuweisen, aber auch ihre Zwischenposition nach § 15 MBO-Ä zwischen Behörde und bloßem Behördenteil eigenständig zu charakterisieren.30 Eine vollständig eingegliederte Teilorgan- oder Unterorganstellung der Ethik-Kommissionen scheint jedenfalls bereits de lege lata den historisch gewachsenen Ethik-Kommissionen nicht (mehr) gerecht zu werden.
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Vgl. für die ZKBS Wahl in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 5a Rn. 23: „Für die Zwischenposition der ZKBS zwischen Behörde und bloßem Behördenteil (. . . ) muss eine eigenständige Charakterisierung gefunden werden. (. . . ) Im Spektrum der in der Literatur anerkannten organisationsrechtlichen Bauformen ist sie vorläufig am besten als teilrechtfähige Verwaltungsstelle mit verbandsmäßiger Struktur zu charakterisieren.“
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
1. Ethik-Kommissionen gehen zurück auf die in den USA tätigen Institutional Review Boards. In Deutschland sind sie angesiedelt bei den Ärztekammern, Hochschulen und bei der unmittelbaren Landesverwaltung. Sie lassen sich unabhängig von ihrem Ansiedlungsort in Bezug nehmen mit materiell-rechtlich verselbständigten professionell-interdisziplinär besetzten Kollegialorganen mit nach außen gerichteten Entscheidungsbefugnissen. 2. Die Vorab-Kontrolle der Ethik-Kommissionen richtet sich vor allem auf die Überprüfung, ob die für das Forschungsvorhaben einschlägigen rechtlichen Vorgaben und Grundsätze eingehalten werden, im Ergebnis also darauf, ob der Forscher das von ihm geforderte Verhaltenprogramm einhält und die versuchseigentümliche (äußere) Sorgfalt setzt oder zu setzen beabsichtigt. 3. Seit der 12. AMG-Novelle sind Ethik-Kommissionen als Genehmigungsbehörden anzusehen, die über die Aufhebung des präventiven Verbots mit (doppeltem) Erlaubnisvorbehalt entscheiden. Die Ethik-Kommission und die Bundesoberbehörde entscheiden gleichberechtigt und mit grundsätzlich unterschiedlichen Prüfungskompetenzen nebeneinander iSe Kondominiums über den Beginn der klinischen Prüfung am Menschen. Die Entscheidung der federführenden EthikKommission ist ein Verwaltungsakt. Sowohl für die Tätigkeit der federführenden als auch der beteiligten Ethik-Kommission findet das VwVfG der Länder Anwendung. Die federführende Ethik-Kommission hat bei ihrer Entscheidung kein Rechtsfolgenermessen. Auf der Grundlage der herrschenden normativen Ermächtigungslehre ist ihr ein Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene zuzuerkennen. 4. Die Probandenversicherung als erleichterte Schadenskompensationsmöglichkeit für den geschädigten Versuchsteilnehmer bewirkt aufgrund ihrer zahlreichen Ausschlüsse und Beschränkungen nur eine geringe Absenkung des Haftungsrisikos für Ethik-Kommissionen und für die weiteren Beteiligten an der klinischen Prüfung. Dies gilt vor allem für die Ausrichtung der Probandenversicherung auf Subsidiarität, indem von Dritten zu gewährende Leistungen (Sozialversicherung, Krankenversicherer, gesetzlicher Anspruch auf Lohn- und Gehaltsfortzahlung, Fortzahlung von Dienst- oder Amtsbezügen,
M. Vogeler, Ethik-Kommissionen – Grundlagen, Haftung und Standards, MedR Schriftenreihe Medizinrecht, DOI 10.1007/978-3-642-17950-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011
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Gewährung von Versorgungsbezügen) bei Anwendung der Differenzhypothese vermögensmindernd berücksichtigt werden. 5. Für Ansprüche geschädigter Versuchsteilnehmer aufgrund fehlerhaft zustimmender Bewertung der (federführenden) Ethik-Kommission kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht. Vertragliche Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB i. V. m den Grundsätzen des Vertrages zugunsten Dritter bestehen mangels schuldrechtlicher Beziehungen, die die fehlerhaft zustimmende Bewertung der Ethik-Kommission als Pflichtverletzung erfassen, nicht. Schadensersatzansprüche aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis (§ 280 Abs. 1 analog) i. V. m den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehen nicht, da das Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Ethik-Kommission bzw. ihrem Träger und dem Sponsor der klinischen Prüfung nicht als schuldrechtsähnlich zu qualifizieren ist. Erblickt man in dem Organwalterverhältnis zwischen den Ethik-Kommissionsmitgliedern und der sie berufenden Stelle ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, so fehlt es für die Annahme einer Schutzwirkung zugunsten des Versuchsteilnehmers zumindest an der Erkennbarkeit zum Zeitpunkt der Berufung in das Amt als Ethik-Kommissionsmitglied. 6. Im Mittelpunkt der Haftung für Ethik-Kommissionen steht die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG. Die Amtshaftung knüpft an die Eigenhaftung des Beamten an und verlagert die Schadensersatzverpflichtung auf den Staat. EthikKommissionsmitglieder sind Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Ihnen obliegt eine gespaltene Amtspflicht. Sie haben während der interdisziplinären Beratung diejenige Sorgfalt bei der Begutachtung von Forschungsanträgen an den Tag zu legen, die von ihnen nach dem jeweiligen Verkehrskreis erwartet wird. Gleichzeitig obliegt ihnen als Ausprägung der Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten die Pflicht, für keine klinische Prüfung positiv zu votieren, die nicht im Einklang mit den §§ 40 ff. AMG steht. Der Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsaktes, in dem die amtspflichtwidrigen Einzelstimmen der Ethik-Kommissionsmitglieder verkörpert sind, ist für den Versuchsteilnehmer der äußere Anknüpfungspunkt für die Amtshaftung. 7. Der (federführenden) Ethik-Kommission obliegen umfassende Begutachtungsund Bewertungspflichten. Da sie ein (Rechtsfolgen-)Ermessen für sich nicht in Anspruch nehmen kann, hat sie ihre zustimmende Bewertung zu versagen, wenn ein oder mehrere Versagungsgründe des § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2–3 AMG vorliegen. Eine gleichwohl ergehende zustimmende Bewertung begründet eine Amtspflichtverletzung zu rechtmäßigem Verhalten. § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2–3 i. V. m § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2–9, Abs. 4, § 41 AMG haben Schutznormqualität, da sie zumindest auch dem Schutze der Patienten/Probanden zu dienen bestimmt sind. Dies korrespondiert mit der im Zivilrecht vorgenommenen Einordnung als Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB. Sowohl der personelle als auch der sachliche Schutzbereich fallen jeweils unterschiedlich aus und sind u. a. auch von der Einteilung in Test- und Kontrollgruppe abhängig. Für die Ethik-Kommission besteht ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer
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Beurteilungsspielraum im Hinblick auf § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 2 („Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“, „Geeignetheit der klinischen Prüfung“), § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG mit den entsprechenden Modifizierungen in § 41 AMG („ärztliche Vertretbarkeit“, „möglichst wenig Belastungen und anderen vorhersehbaren Risiken“, „minimalen Risiko und. . . Belastung“), § 40 Abs. 3 S. 2 AMG („angemessenes Verhältnis“). In diesen Bereichen verlagert sich die Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten auf die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausfüllung des Beurteilungsspielraums, was zu gesteigerten Sorgfaltspflichten führt. 8. Ethik-Kommissionsmitglieder haben die allgemeinen und spezifischen Verfahrensregelungen einzuhalten. Die Nichteinhaltung begründet eine Amtspflichtverletzung. Der geschädigte Versuchsteilnehmer kann sich nicht isoliert auf Verfahrensfehler berufen. Erforderlich ist eine „Rückbindung“ auf die drittschützenden Normen. Insoweit ergänzen Verfahrensfehler spiegelbildlich zur dienenden Funktion des Verfahrensrechts auch der Ergänzung der Amtshaftung sowohl über das Verschulden als auch über die gerichtliche Kontrolldichte bei Beurteilungsspielräumen. 9. Liegt eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung vor, so ist es für das erforderliche Verschulden ausreichend, wenn das rechtswidrige Kommissionsvotum auf einem Organisationsverschulden beruht. Dies kann in einer nicht ausreichenden Rekrutierung sachverständiger Ethik-Kommissionsmitglieder liegen oder in einer mangelhaften Organisation der konkreten Sitzung durch den Vorsitzenden der Ethik-Kommission. Die Amtshaftung richtet sich hier direkt gegen die jeweils organisationsverpflichteten Körperschaften. Bestehen keine organisatorischen Defizite, so ist auf das amtspflichtwidrige Verhalten der einzelnen Kommissionsmitglieder abzustellen. Für das Verschulden reicht es aus, dass die (positiven) Einzelstimmen schuldhaft innerhalb und auf Grundlage des interdisziplinären Diskurses zustande gekommen sind. Daneben kann auch auf den Gedanken des Übernahmeverschuldens abgestellt werden, wenn sachunverständige Mitglieder die sachverständigen Mitglieder überstimmen. Verfahrensfehler können für das Verschulden präjudizielle Wirkung entfalten. Aufgrund des verstärkten Verhaltensbezugs der Amtspflichtverletzung ist auch vorsätzliches Handeln der Kommissionsmitglieder denkbar. 10. Der geschädigte Versuchsteilnehmer hat die haftungsausfüllende Kausalität zwischen rechtwidrigem Kommissionsvotum und seinem Schaden darzulegen. Kommissionsintern greift § 830 Abs. 1 S. 1 BGB ein, der auch bei fahrlässiger Mittäterschaft Anwendung findet und führt für amtspflichtwidrig positiv abstimmende Ethik-Kommissionsmitglieder zu einer gesamtschuldnerischen Haftung, §§ 840, 421 BGB. Der Zurechnungszusammenhang wird durch den Prüfer, Sponsor und/oder durch den Versuchsteilnehmer selbst grundsätzlich nicht unterbrochen. Für die Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzung kommt es bei außerhalb von administrativen Entscheidungsspielräumen stehenden (Rechts-) Fragen darauf an, wie die Entscheidung der Ethik-Kommission richtigerweise hätte aussehen müssen. Bei Beurteilungsspielräumen besteht ein (adäquater) Kausalzusammenhang nur dann, wenn die Überprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine andere, für den Geschädigten günstigere Entscheidung hätte
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getroffen werden müssen und bei richtiger Handhabung der Schaden nicht eingetreten wäre. Die Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) bezieht sich nicht auf Lohnfortzahlungsansprüche, sozialversicherungsrechtliche und sonstige privatversicherungsrechtliche Ansprüche. Erfasst wird dagegen der Anspruch gegen die Probandenversicherung. Die zahlreichen Ausschlüsse, vor allem die Nichtgewährung von Schmerzensgeld und die subsidiäre Einstandspflicht hinter den gesetzlich zur Leistung Verpflichteten im Krankheitsfall, führen nur zu einer Haftungsentlastung in geringem Umfang. Zieht die Ethik-Kommission Sachverständige hinzu, so haften diese selbst nach §§ 823, 826 BGB. Ihre Haftung ist beschränkt auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Ansprüche gegen hinzugezogene Sachverständige sind anderweitige Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. § 84 AMG kann Anwendung finden für Arzneimittel, die im Rahmen der klinischen Prüfung der Phase IV verabreicht werden, sowie auf etwaige Kontrollund Vergleichspräparate in den Phase I–III und auf sonstige Studien mit zugelassenen Arzneimitteln. Ausgenommen sind die Testpräparate der Phasen I–III. Ansprüche aus § 84 AMG sind anderweitige Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Sponsor der klinischen Prüfung kann im Falle der Nichteinhaltung der §§ 40 ff. AMG aus Vertrag und unerlaubter Handlung für eigenes und fremdes Fehlverhalten der Prüfärzte haften. Der klinische Prüfer kann aus Vertrag haften. Vertragliche Ansprüche gegen ihn sind stets anderweitige Ersatzmöglichkeiten iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB gilt dies gleichermaßen. Ansprüche gegen den verbeamteten Prüfarzt nach § 839 BGB zählen nicht zu den anderweitigen Ersatzansprüchen iSd § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Träger der Forschungsstätte haftet für eigenes und fremdes Fehlverhalten der Prüfärzte aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung. Ansprüche gegen den öffentlich-rechtlichen Krankenhausträger sind wegen des Prinzips der Einheit der öffentlichen Hand keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. Übernimmt die Universität die Funktion eines Sponsors, so hat der geschädigte Versuchsteilnehmer vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche. Diese Stellen wegen des Prinzips der Einheit der öffentlichen Hand keine anderweitigen Ersatzmöglichkeiten dar. Es kann jedoch der Prüfer aus Vertrag und unerlaubter Handlung haften. Die deliktischen Ansprüche des verbeamteten Prüfarztes nach § 839 BGB zählen nicht zu den anderweitigen Ersatzmöglichkeiten. Ist der Prüfer selbst Sponsor kommenAnsprüche aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) als anderweitige Ersatzmöglichkeiten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht. Ein zustimmendes Ethik-Kommissionsvotum wirkt sich nicht auf die zivilrechtliche Haftung der weiteren am Forschungsvorhaben Beteiligten aus. Eine Legalisierungswirkung durch die zustimmende Bewertung der EthikKommission mit der Folge des (zivilrechtlichen) Rechtswidrigkeitsausschlusses
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auf der Ebene der Schadenskompensation ist zu verneinen. Auf schadenskompensatorischer Ebene entfaltet das Ethik-Kommissionsvotum keine Tatbestandswirkung, sodass das Zivilgericht nicht an die ausgeübte Beurteilung der Ethik-Kommission mit Blick auf die Konformität der klinischen Prüfung mit den §§ 40 ff. AMG gebunden ist. Auch eine verschuldensentlastende Wirkung des Ethik-Kommissionsvotums ist zu verneinen. Für Ethik-Kommissionsmitglieder der Kammern und der unmittelbaren Landesverwaltung ist das Land bzw. die Kammer passivlegitimiert. Für EthikKommissionsmitglieder universitärer Ethik-Kommissionen haftet als Anstellungskörperschaft mit Dienstherrenfähigkeit entweder das Land oder die Universität selbst. Versagt das Merkmal der „Anstellung“, so kommt eine Passivlegitimation der Universität als (konkret) „Anvertrauende“ in Betracht. Je nach Zusammensetzung der universitären Ethik-Kommission können im Einzelfall, abhängig von den schuldhaft amtspflichtwidrig handelnden Kommissionsmitgliedern, die Universität, das Land oder beide als Gesamtschuldner passivlegitimiert sein. Eine günstige prozessuale Ausgangssituation besteht in der Inanspruchnahme der Primärverpflichteten mit ggf. nachfolgender Streitverkündung gegenüber der subsidiär für Ethik-Kommissionsmitglieder haftende(n) Körperschaft(en) zur Erzielung einer Verjährungshemmung und Interventionswirkung. Vor oder auch während eines Prozesses gegen die Primärverpflichteten kann ein Informationsanspruch gegen die Bundesoberbehörde aus § 1 Abs. 1 IFG und/oder gegen die Ethik-Kommission aus dem entsprechenden Informationsfreiheitsgesetz des Landes geltend gemacht werden, um ggf. die Erfolgsaussichten einer Amtshaftungsklage zu ermitteln. Für fehlerhafte Auskünfte und Hinweise in den Voten der Ethik-Kommissionen, die seitens des Sponsors/Prüfers umgesetzt werden, ist die Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG gegeben. Die anderweitigen Ersatzmöglichkeiten (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) des Versuchsteilnehmers können, soweit der Sponsor/Prüfer auf die Richtigkeit der getätigten Äußerungen vertrauen durften, am fehlenden Verschulden scheitern. Ein öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch ist grundsätzlich beschränkt auf Fälle, in denen Studienteilnehmer unmittelbar öffentlich-rechtlich zum Forschungsvorhaben herangezogen werden. Ausgeschlossen ist ein Entschädigungsanspruch immer dann, wenn seitens des Studienteilnehmers eine wirksame, d. h. nach Aufklärung erteilte freiwillige Einwilligung vorliegt. Wird vom Sponsor/Prüfer der Rechtsschein einer öffentlich-rechtlichen Teilnahmeempfehlung gesetzt, dem die Ethik-Kommission pflichtwidrig nicht entgegentritt, bestünde in Anlehnung an die Rspr. des BSG die Möglichkeit einer Zurechnung, soweit man die zu § 60 IfSG entwickelten Kriterien für verallgemeinerungsfähig erachtet. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Aufopferungsanspruch greift allerdings auch in einem solchen Fall nur subsidiär ein und in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG könnte auch eine den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruch verdrängende Spezialregelung erblickt werden.
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22. Bei multizentrischer Durchführung der klinischen Prüfung begründet die fehlerhafte Beurteilung der lokalen Gegebenheiten nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung der Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission. Sie können sich grundsätzlich verschuldensentlastend auf die positive Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission berufen, nicht jedoch im Hinblick auf andere Äußerungen. Hierzu spiegelbildlich besteht eine Amtshaftung für die beteiligte Ethik-Kommission für fehlerhaft abgegebene Stellungnahmen betreffend die lokalen Gegebenheiten. Möglich ist auch eine gesamtschuldnerische Haftung, wenn die federführende Ethik-Kommission die fehlerhafte Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission erkannt oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und nicht entgegengesetzt entschieden hat. 23. Hebt die federführende Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung trotz bestehender Verpflichtung (§ 42a Abs. 4a AMG) nicht auf, so begründet die unterlassene Rücknahme oder der unterlassene Widerruf die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht, die im Falle des Verschuldens zu Amtshaftungsansprüchen führen kann. Ansprüche gegen die tatsächlichen Verantwortungsträger bei der Durchführung der klinischen Prüfung begrenzen die Amtshaftung über § 839 Abs. 1 S. 2 BGB. 24. Eine Haftung für die federführende Ethik-Kommission wegen amtspflichtwidriger Ablehnung/Aufhebung einer Zulassungsstudie gegenüber (potentiellen) Studienteilnehmern ist unter der Prämisse denkbar, dass dem schadensersatzbegehrenden Studienteilnehmer auch tatsächlich das Testpräparat verabreicht wurde. Anderenfalls dürfte der Nachweis der Kausalität zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden nicht zu führen sein. Bei placebokontrollierten Studien ist eine Haftung im Falle einer rechtswidrigen Ablehnung nur unter dem Gesichtspunkt einer Proportionalhaftung möglich, die jedoch von der h. M. abgelehnt wird. Bei amtspflichtwidriger Ablehnung einer Unbedenklichkeitsstudie kommen Ansprüche von Patienten der Routineversorgung in Betracht. Anders als bei der Haftung im Rahmen von Zulassungsstudien besteht für die Subsidiarität der Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB für abgelehnte Unbedenklichkeitsstudien ein größeres Anwendungsfeld. 25. Für den Sponsor der klinischen Prüfung kommen wegen fehlerhaft ablehnender oder verspäteter zustimmender Bewertungen der federführenden Ethik-Kommission Amtshaftungsansprüche in Betracht. Erfasst wird auch der entgangene Gewinn. Die schuldhafte Nichteinlegung von Rechtmitteln (§ 839 Abs. 3 BGB) führt zum Ausschluss der Ersatzpflicht im Hinblick auf solche Schäden, die durch ihre Einlegung hätten verhindert werden können. 26. Der Sponsor hat bei rechtswidriger Versagung oder rechtswidriger Verzögerung der zustimmenden Bewertung neben dem Anspruch aus Amtshaftung auch einen verschuldensunabhängigen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff. Er kann eine angemessene Entschädigung für die untersagte Nutzung der hergestellten (Prüf-)Arzneimittel, seines Patents oder seiner patentfähigen Erfindung verlangen. Wie bei der Amtshaftung gilt der Vorrang des Primärrechtsschutzes. Die Bestimmung der Passivlegitimation bereitet erhebliche Schwierigkeiten.
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Nach hier vertretener Auffassung ist der jeweilige Träger der Ethik-Kommission als Aufgabenwahrnehmungskörperschaft passiv legitimiert, d. h. die Universität, die Kammer oder das Land. In Betracht kommt eine gesamtschuldnerische Haftung mit der nicht eingreifenden Vorteilszufließungskörperschaft. Nach hier vertretenerAuffassung gilt dies nur für die kammer- und universitätszugehörigen Ethik-Kommissionen imVerhältnis zum Land, nicht dagegen für die umgekehrte Konstellation, also wenn Universität und Kammer nicht die Aufgabenwahrnehmungskörperschaften sind, sondern nur als Vorteilszufließungskörperschaften in Betracht kämen. Die Ethik-Kommission kann ihrer zustimmenden Bewertung eine Nebenbestimmung beifügen, vorausgesetzt, dass jene dazu dient, anspruchshindernde Versagungsgründe auszuräumen, § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG. Unterlässt die Ethik-Kommission ermessenfehlerhaft die Beifügung einer Nebenbestimmung oder versieht sie ihre zustimmende Bewertung mit einer belastenden Nebenbestimmung, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen, kommt eine Haftung aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff in Betracht. Der Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes gilt für Nebenbestimmungen gleichermaßen, §§ 839 Abs. 3, 254 BGB. Schließt die federführende Ethik-Kommission aufgrund der Bewertung der beteiligten Ethik-Kommission Prüfer und/oder Prüfstätte von der klinischen Prüfung aus, obwohl die ausgeschlossenen Prüfer angemessen qualifiziert und/oder die Prüfstätte geeignet sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG), so liegt hierin eine Verletzung einer drittgerichtetenAmtspflicht. Die Mitglieder der federführenden Ethik-Kommission handeln grundsätzlich nicht schuldhaft, da sie auf die ordnungsgemäße Bewertung der lokal-sachverständigeren Kommission vertrauen dürfen. In Anlehnung an die Rspr. des BGH obliegt aber auch den Mitgliedern der beteiligten Ethik-Kommissionen gegenüber dem Sponsor als Antragssteller die Amtspflicht, die lokalen Gegebenheiten ordnungsgemäß zu bewerten. Bei schuldhafter Falschbewertung stehen dem Sponsor Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung zu. Eine Haftung für die beteiligte Ethik-Kommission aus enteignungsgleichem Eingriff kommt aufgrund der fehlenden rechtlichen Bindungswirkung ihrer Bewertung nicht in Betracht. Es besteht auch eine Haftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG für die federführende Ethik-Kommission gegenüber dem Sponsor, wenn diese rechtswidrig ihre zustimmende Bewertung erteilt und der Sponsor im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit mit der Studie beginnt. Grundlage der Haftung ist das Kriterium des Vertrauensschutzes. Eine Risiko- und Gefährdungshaftung wird hierdurch nicht begründet. Bereits auf Tatbestandsebene scheidet einVertrauensschutz aus, wenn in Anlehnung an § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG eine Sachlage gegeben ist, die eine entschädigungslose Rücknahme der zustimmenden Bewertung rechtfertigen würde. Ersatzfähig sind (nur) die Planungs- und Investitionskosten im Hinblick auf die konkrete klinische Prüfung. Für den Vorrang des Primärrechtsschutzes (§ 839 Abs. 3 BGB) kommt ein nachträglicher Änderungsantrag (§ 10 GCP-V)
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in Betracht, Anfechtungs- und Verpflichtungsklage dann, wenn der Vermögensschaden durch einen behördlichen Aufhebungsakt herbeigeführt worden ist. Auf der Ebene des Mitverschuldens sind die besonderen Rechts- und Sachkenntnisse des Sponsors zu berücksichtigen. Der Mitverschuldensanteil überwiegt grundsätzlich den Verschuldensanteil der Ethik-Kommissionsmitglieder. Hebt die federführende Ethik-Kommission fehlerhaft ihre zustimmende Bewertung auf, kommen Schadensersatzansprüche des Sponsors aus Amtshaftung und Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht. Auch der klinische Prüfer hat Amtshaftungsansprüche, wenn die federführende Ethik-Kommission ihre zustimmende Bewertung rechtswidrig nicht erteilt. Zu den ersatzfähigen Schäden zählen insbesondere das entgangene Prüfarzthonorar und die entgangene Publikationsmöglichkeit. Unter Berücksichtigung des § 839 Abs. 3 BGB wird grundsätzlich nur ein Verzögerungsschaden in Betracht kommen. Ansprüche des klinischen Prüfers aus enteignungsgleichem Eingriff kommen, soweit der klinische Prüfer lediglich Beteiligter an einem Forschungsprojekt eines Dritten ist, nicht in Betracht. Amtshaftungsansprüche bestehen auch für den Fall, dass der klinische Prüfer unberechtigt von der klinischen Prüfung ausgeschlossen wird. Hier kommt eine Haftung für die federführende und/oder beteiligte Ethik-Kommission in Betracht. Entsprechendes gilt in eingeschränktem Umfang, wenn der klinische Prüfer im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der zustimmenden Bewertung seine Prüfertätigkeit aufnimmt und dieses Vertrauen später enttäuscht wird. Übt ein Prüfarzt die Sponsorfunktion für eine klinische Prüfung aus (Investigator Initiated Trial), so ergeben sich für die Haftung für Ethik-Kommissionen keine bedeutsamen Änderungen. Als Antragssteller im Verfahren vor den EthikKommissionen entfalten die Amtspflichten der Ethik-Kommissionsmitglieder in ihren jeweiligen Ausprägungen in gleicher Weise Wirkung, wie gegenüber einem Sponsor aus der pharmazeutischen Industrie. Auch Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff kommen in Betracht, soweit durch ein ablehnendes oder später rechtswidrig aufgehobenes Ethik-Kommissionsvotum in Rechtspositionen des Forschers eingegriffen wird, die unter den Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG fallen. Ist für eine Studie, für die die Universität selbst die Sponsorfunktion übernimmt, die Ethik-Kommission des Landes oder die Ethik-Kommission der Kammer zuständig, so gelten im Hinblick auf die Amtshaftung dieselben Grundsätze, wie für einen Sponsor aus der pharmazeutischen Industrie. Hat die „eigene“ universitäre Ethik-Kommission die Stellung als beteiligte Ethik-Kommission, so richten sich die Haftungsansprüche nach Innenhaftungsgrundsätzen. Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff sind dann nicht ausgeschlossen, soweit man für die Aktivlegitimation keine Grundrechtsfähigkeit verlangt oder – verneinendenfalls – der Universität nebenArt. 5Abs. 3 GG auch eine Grundrechtsfähigkeit im Hinblick auf Art. 14 GG zubilligt. Ist für eine klinische Prüfung, für die die Universität die Sponsorfunktion übernimmt, die Zuständigkeit der „eigenen“ Ethik-Kommission begründet, so handelt es sich um ein zulässiges „In-Sich-Verfahren“. Die zustimmende oder
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ablehnende Bewertung stellt ein „In-Sich-Verwaltungsakt“ dar; Anfechtungsund Verpflichtungsklage gegen die Voten der „eigenen“ Ethik-Kommission können im Wege eines zulässigen „In-Sich-Prozesses“ erhoben werden. Die Universität ist nicht Dritte iSd Amtshaftungsrechts. Die Haftung der EthikKommissionsmitglieder bestimmt sich nach Innenhaftungsgrundsätzen. Für beamtete Hochschulmitglieder greifen die beamtenrechtlichen Innenhaftungsvorschriften ein. Für nicht verbeamtete Ethik-Kommissionsmitglieder bzw. solche, die keine Dienstaufgaben wahrnehmen, sind die beamtenrechtlichen Innenhaftungsvorschriften analog heranzuziehen. Die Haftung für die beteiligten Ethik-Kommissionen bei multizentrischen Prüfungen folgen den Grundsätzen der Amtshaftung, § 839 BGB, Art. 34 GG. Mit der 4. MPG-Novelle ist eine nahezu identische Angleichung an die Arzneimittelprüfung erfolgt. Unterschiede zur Haftung für Ethik-Kommissionen bei der Arzneimittelprüfung sind nicht zu verzeichnen. Nach dem Vorbild des § 15 Abs. 1 MBO-Ä beraten die bei den Ärztekammern und Universitäten errichteten Ethik-Kommissionen die ärztlichen Forscher vor der Durchführung eines medizinischen Forschungsvorhabens. Die Voten der Ethik-Kommissionen sind rechtlich unverbindlich. Aus einer Gesamtbetrachtung der mittelbaren Folgen ihrer Nichtbeachtung haben sie faktische Verbindlichkeit. Der Hauptanwendungsbereich der berufsrechtlichen Beratung nach § 15 MBO-Ä liegt auf Forschungsvorhaben, die nicht den präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 1 MPG n.F.) unterfallen. Außerhalb der bereichsspezifischen Normierungen orientiert sich die Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen nach allgemeinen und international anerkannten Forschungsgrundsätzen, die auch in den Spezialvorschriften einen konkretisierten Niederschlag gefunden haben. Dem geschädigten Versuchsteilnehmer stehen bei einer Fehlberatung des Forschers Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG zu. Die Abgabe einer fehlerhaft positiven Stellungnahme oder die Erteilung von fehlerhaften Hinweisen begründen eine Amtspflichtverletzung. Die Amtspflichten bestehen auch gegenüber den (potentiellen) Versuchsteilnehmern. Der Zurechnungszusammenhang wird durch die eigenverantwortliche Entscheidung des Forschers nicht unterbrochen. Bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung findet das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung. Gegenüber dem Versuchsteilnehmer kann sich der Forscher grundsätzlich nicht verschuldensentlastend auf das positive Ethik-Kommissionsvotum berufen. Für den durch das Verhalten der Ethik-Kommissionsmitglieder geschädigten Forscher kommen Ansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG in Betracht, wenn die Ethik-Kommission eine fehlerhafte Stellungnahme abgibt oder der Antrag verzögert bearbeitet wird. Gegen verzögerte oder ablehnende Stellungnahmen ist die allgemeine Leistungsklage gegeben, deren schuldhafte Nichteinlegung über § 839 Abs. 3 BGB zum Ausschluss der Ersatzpflicht für solche Schäden führt, die durch Erhebung der allgemeinen Leistungsklage hätten vermieden werden können. Weiterhin kommen Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht, wenn der Forscher infolge der
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Stellungnahme faktisch an der Nutzung entstandener Urheber- und Patentrechte gehindert wird. Ethik-Kommissionsmitglieder haben die Amtspflicht, einen nur auf Beratung gerichteten Antrag dahingehend zu überprüfen, ob das Forschungsvorhaben tatsächlich nur nach § 15 MBO-Ä beratungspflichtig ist. Fällt ein Forschungsvorhaben unter die §§ 40 ff. AMG, §§ 20 ff. MPG n.F., so muss der Forscher darauf hingewiesen werden, dass das Vorhaben nach derzeitigem Stand wegen eines bestehenden präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, § 20 Abs. 1 S. 1 MPG n.F.) unzulässig ist. Unterbleibt der Hinweis oder wird fehlerhaft auf die Genehmigungspflichtigkeit hingewiesen, so kommt eine Haftung gegenüber dem Forscher und gegenüber dem geschädigten Versuchsteilnehmer in Betracht. Eng mit ihrer forschungsmedizinischen Beratungsfunktion verbunden ist die Aufgabe der Ethik-Kommission nach der StrlSchV und der RöntgenV. Sie besteht darin, den Studienplan mit den erforderlichen Unterlagen nach ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten mit mindestens fünf Mitgliedern mündlich zu beraten und innerhalb von drei Monaten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, §§ 92 S. 2 StrlSchV, 28 g S. 2 RöntgenV. Die Letztentscheidungskompetenz liegt ausschließlich beim Bundesamt für Strahlenschutz. Die Stellungnahme der Ethik-Kommission im Verfahren nach der StrlSchV und der RöntgenV hat rein verwaltungsinterne Bedeutung. Die Ethik-Kommission hat ihre ethische und rechtliche Überprüfung nach §§ 92 StrlSchV, 28 g RöntgenV auf einen Teil der Genehmigungsvoraussetzungen (§§ 24 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 1 RöntgenV) zu beziehen. Forschungsvorhaben mit radioaktiven Stoffen, ionisierender Strahlen oder Röntgenstrahlen außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 40 ff. AMG, 20 ff. MPG n.F. unterliegen zum einen der Genehmigungspflicht nach der StrlSchV/RöntgenV, zum anderen der berufsethischen und berufsrechtlichen Beratungspflicht, § 15 MBO-Ä. Für die Haftung gegenüber dem Forscher und dem geschädigten Versuchsteilnehmer findet die Amtshaftung Anwendung. Zu Unterscheiden ist zwischen der Stellungnahme der Ethik-Kommission gem. der StrlSchV/RöntgenV und der Beratung nach § 15 MBO-Ä. EthikKommissionsmitgliedern obliegen bei der Abgabe ihrer Stellungnahme nach der StrlSchV/RöntgenV gegenüber dem Forscher und den (potentiellen) Versuchsteilnehmern drittgerichtete Amtspflichten, da die Stellungnahme im Hinblick auf forschungsmedizinische Belange im Verhältnis zum Bürger eine über die innerbehördliche Beteiligung hinausgehende Qualität besitzt. Auf die daneben zu erfüllenden Beratung nach § 15 MBO-Ä finden die für die Beratungstätigkeit aufgezeigten Haftungsgrundsätze nach § 839 BGB, Art. 34 GG in gleicher Weise Anwendung, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich die Beratungstätigkeit der Ethik-Kommissionen maßgeblich auf die besonderen Schutzvorschriften der §§ 87 ff. StrlSchV, 28c ff. RöntgenV bezieht. Bei Arzneimittel- und Medizinprodukteprüfungen, für die das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eingreift (§§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG, 20 Abs. 1 S. 2 MPG n.F.) und die zugleich studienbedingte Strahlenbelastungen enthalten,
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können – je nach landesgesetzlicher Ausgestaltung – für eine Ethik-Kommission drei Zuständigkeiten bestehen; nämlich zum einen für die Abgabe der zustimmenden Bewertung nach §§ 42 Abs. 1 AMG, 22 MPG n.F., zum anderen für die Abgabe einer Stellungnahme gem. §§ 24 Abs. 1 Nr. 2, 92 StrlSchV, 28b Abs. 1 Nr. 2, 28 g RöntgenV, und schließlich für die Beratung nach § 15 MBOÄ. Bei einem dreiteiligen Tätigwerden der Ethik-Kommission hat man sich für die Amtshaftung drei hypothetisch tätig werdende Ethik-Kommissionen vorzustellen. Die fehlerhaft ablehnende Stellungnahme der Ethik-Kommission auf der Grundlage der StrlSchV/RöntgenV erfüllt nicht die Voraussetzung für einen enteignungsgleichen Eingriff. Universitäre Ethik-Kommissionen nehmen Verkehrssicherungspflichten des Klinikträgers wahr. Insoweit kommt es zu einer janusköpfigen Aufspaltung der Organisationspflichten: Die Ethik-Kommission muss als Behörde im Rahmen ihrer staatlichen Forschungsaufsicht nicht nur als „Verwaltungsapparat“ fehlerfrei funktionieren, sondern auch aus dem Gesichtspunkt, dass mit der fehlerfreien Funktion eigene, direkt gegenüber dem Versuchsteilnehmer obliegende Verkehrssicherungspflichten des Trägers erfüllt werden. Die Haftung für Ethik-Kommissionen richtet sich nach § 839, Art. 34 GG. Bei der Regresshaftung für Ethik-Kommissionen bei Versuchsteilnehmerschädigungen kommt § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entscheidende Bedeutung zu. Die Auffassung, die die Subsidiarität der Amtshaftung über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld ausschalten möchte, kann nicht gefolgt werden. Zwischen Primär- und Sekundärschuldnern besteht keine gesamtschuldnerische Haftung. Vielmehr kommt es bei fahrlässiger Amtspflichtverletzung zu einer Aufspaltung in eine Gesamtschuld erster Ordnung und eine Gesamtschuld zweiter Ordnung. Wird zulässigerweise eine sekundär haftende Körperschaft in Anspruch genommen, so können Mitwirkungs- und Ausgleichsansprüche gegenüber ebenfalls sekundär haftenden Körperschaften bestehen. Gesamtschuldnerisch haften diejenigen Körperschaften, die sich nicht gegenüber der anderen auf § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berufen können. Haftet die Körperschaft dagegen aufgrund einer vorsätzlichen Amtspflichtverletzung, so hat sie keine Regressansprüche gegen Körperschaften, die nur aus fahrlässiger Amtspflichtverletzung haften würden. Bei der Haftung gegenüber dem Sponsor und/oder dem klinischen Prüfer/Forscher bestehen nur in Ausnahmefällen nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB Primärverpflichtete. Grundsätzlich beschränken sich die Schadensersatzansprüche auf die Haftungskörperschaften, die für Amtspflichtverletzungen der Mitglieder von federführenden und beteiligten Ethik-Kommissionen sowie für Amtspflichtverletzungen der Bundesoberbehörde einzustehen haben. Die jeweils passiv legitimierten Körperschaften haften gegenüber dem Sponsor als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BGB. Die Regresshaftung von verbeamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern richtet sich nach § 48 BeamtStG. Ethik-Kommissionsmitgliedern obliegt die ordnungsgemäße Begutachtung von Forschungsanträgen nach den einschlägigen Rechtsvorschriften auch im Innenverhältnis zum Dienstherrn. Eine Fehlbegutachtung stellt eine Dienstpflichtverletzung dar. Ethik-Kommissionsmitgliedern
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obliegt als verhaltensbezogene Pflicht das berufsgemäße Einzelverhalten während des interdisziplinären Beratungsvorgangs und die erfolgsbezogene Pflicht zum rechtmäßigen Abstimmungsverhalten. Die objektive Verletzung auch nur einer dieser beiden Pflichten kann zum Schadensersatz gegenüber dem Dienstherrn führen. Die Haftung ist auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt, § 48 BeamtStG. Nach nahezu unbestrittener Auffassung muss sich das Verschulden ausschließlich auf die Pflichtverletzung beziehen, nicht dagegen auf die Folgen der Pflichtverletzung oder gar auf den Schaden. Haben mehrere Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner, § 48 BeamtStG. Obwohl sich die Stimme der Ethik-Kommissionsmitglieder auf das gesamte Forschungsvorhaben bezieht, ist auf der Ebene des Verschuldens eine nach Fachbereichen zu differenzierende Verantwortung vorzunehmen. Anknüpfungspunkt ist der haftungsbegründende Mangel im Außenverhältnis, der fachbereichspezifisch zuzuordnen ist. Nur dem Fachmann, der den Mangel nach seinem Berufsbild hätte erkennen können, kann ein Verschulden treffen, wenn die übrigen Mitglieder den Mangel ohne eine fachspezifische Aufklärung nicht erkennen konnten. Nur den fachunverständigen Mitgliedern kann ein Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn der Fachmann dienstpflichtgemäß über das fachliche Für und Wider aufgeklärt hat und dienstpflichtgemäß votiert hat. Da die Pflicht zum rechtmäßigen Abstimmungsverhalten erfolgsbezogen ist, bleibt für das Verschulden ein breiter Anwendungsbereich. Hat bei der Schadensentstehung ein Mitverschulden des Dienstherrn, insbesondere ein Organisationsverschulden, mitgewirkt, so findet dieses grundsätzlich anspruchsmindernd Berücksichtigung, § 254 BGB. Eine Berufung auf mitwirkendes Verschulden Dritter, für welches der Dienstherr nach §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB analog einzustehen hat, kommt in Betracht für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle der Ethik-Kommission und bei der Verletzung solcher Pflichten des Vorsitzenden der Ethik-Kommission, die darauf gerichtet sind, den Ethik-Kommissionsmitgliedern eine ordnungsgemäße Amtsausübung zu gewährleisten. Für denAmtshaftungsregress gegenüber den beamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern, deren Mitwirkung in einer Ethik-Kommission Dienstaufgabe ist, besteht ein Gleichlauf zwischen der Passivlegitimation im Außenverhältnis und der Aktivlegitimation im Innenverhältnis. Leistet das Land als Vorteilszufließungskörperschaft eine Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, bestehen Ausgleichsansprüche gegen die Universität, § 426 BGB analog. Die auf die Universität entfallende Haftungsquote kann vom Land als Anstellungsdienstherr unter den Voraussetzungen des § 48 BeamtStG gegenüber den beamteten Ethik-Kommissionsmitgliedern im Drittinteresse liquidiert werden. Für „dienstherrenlose“ Ethik-Kommissionsmitglieder und für solche, die trotz Beamtenstatus keine Dienstaufgaben wahrnehmen, also ausschließlich ehrenamtlich tätig werden, finden die für Beamte geltenden haftungsrechtlichen Vorschriften entsprechende Anwendung.
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53. In Anlehnung an die Lehre von Bachof von den Teilrechtsfähigen Verbänden des Öffentlichen Rechts ist es bereits de lege lata möglich, Ethik-Kommissionen im Hinblick auf einzelne Rechtssätze eine Teilrechtsfähigkeit zuzuerkennen. Dies folgt daraus, dass sie als Zurechnungsendsubjekt zu qualifizieren sind und nicht transitorisch für ihr übergeordnetes Funktionssubjekt tätig werden.
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