R. P. Mielke
Band 10
Flucht in den Hyperraum Die Laktonen sind geschlagen. Das Schicksal der Erde scheint besiegelt z...
12 downloads
633 Views
672KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
R. P. Mielke
Band 10
Flucht in den Hyperraum Die Laktonen sind geschlagen. Das Schicksal der Erde scheint besiegelt zu sein. Eine gigantische Energieblase hat sich um das Terra-System geschlossen. Es gibt keine Möglichkeit, die energetische Wand zu durchschlagen, die Orathon errichtet hat. Was zunächst wie ein Sieg über die orathonische Flotte aussah, erwies sich als bitterste Niederlage für Lakton. Doch noch befindet sich der wichtigste Mann der Orathonen auf der Erde! Das Flaggschiff der Orathonen wurde vernichtet. Sigam Age-lon, der Flottenkommandeur der „Featherheads", mußte auf die Erde flüchten! Kann der Laktone Jakto Javan seinen Racheplan doch noch erfüllen? Jetzt muß Rex Corda erkennen, daß der Unterschied zwischen den Laktonen und den Orathonen nicht sehr groß ist. Auch Lakton will die Erde ausbeuten. Jakto Javan kennt keine Dankbarkeit. Für ihn ist Rex Corda ein Barbar, seine Proteste gegen dir grausame Politik der
Laktonen interessieren ihn nicht. Jakto Javan gibt nicht auf. Er will das Steuer herumreißen. Er will die absolute Niederlage der Laktonen abwenden. Er will die „Blase" sprengen, in der sich die laktonische Flotte gefangen hat. Die Freundschaft der Erde ist ihm gleichgültig. Kaltschnäuzig versucht er, die verschiedenen Parteien der Erde gegen Rex Corda auszuspielen. Aber er hat nicht mit der Persönlichkeit Rex Cordas gerechnet. Corda tritt den Laktonen entschlossen entgegen. Doch wie kann er verhindern, daß die Laktonen jetzt das Werk der Orathonen fortsetzen? Das Schicksal der Erde steht auf des Messers Schneide. Da kommt es zu einer Begegnung von unerhörter Bedeutung. Noch erkennt niemand, daß die abrollenden Ereignisse die gesamte Galaxis erzittern lassen werden. Die Flucht in den Hyperraum wird zum Startzeichen für eine Entwicklung, die die gesamte Galaxis an den Abgrund führt.
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . Präsident der Vereinigten Staaten Sigam Agelon . . . Oberbefehlshaber der orathonischen Streitkräfte Bekoval und Percip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laktonen
Troglo Varas ballte die Fäuste. Seine Fingernägel gruben sich schmerzhaft in die Handballen. Seine Augen traten aus den Höhlen. Er starrte auf die Anzeigen der Analog- und Digitalrechner. Seine Stimme war nur ein heiseres Krächzen, als er flüsterte: „X minus acht." Lautlos bewegten sich die Zeiger der Kontrollgeräte. Das Vibrieren der Stabilisatoren verursachte körperliche Schmerzen. Die Besatzung an Bord des laktonischen Raumschiffes wagte kaum zu atmen. Bleischwer und lähmend griff die Angst nach den Herzen der Männer. Die Angst, daß dieser letzte verzweifelte Versuch fehlschlagen könnte ... „Drei — zwei — eins — X!" keuchte Troglo Varas. Pfeifend stieß er die Luft aus seinen Lungen. Für Bruchteile von Sekunden änderte sich nichts. Dann brüllten die vier Geschütztürme der „Silent-Mary"Waffe an der Außenwand des Raumschiffes gleichzeitig auf. Ein gewaltiger, vierfach verstärkter Donnerschlag zerfetzte die Stille. Mit ständig zunehmender Geschwindigkeit rasten vier tonnenschwere Geschosse auf die Energiemauer vor dem Trakonkreuzer zu. Der Rückstoß schleuderte die kuppelförmigen Geschütztürme auf den Magnetschienen an der Außenhülle des
Raumschiffes entlang. Noch nie waren alle vier Geschütze der „Silent-Mary"-Klasse gleichzeitig abgefeuert worden. Das schrille Kreischen der Magnetbremsen drang schmerzhaft durch die Sicherheitshelme der Laktonen. Überall an Bord des Trakonkreuzers schlugen die Soldaten mit verkrampften Gesichtern gegen ihre Helme. Sie bäumten sich auf, schrien verzweifelt und klammerten sich mit schmerzverzerrten Gesichtern an den Verstrebungen fest. Das schrille Bremsgeräusch steigerte sich bis zur Grenze des Wahnsinns. Dann verebbte es im Ultraschallbereich. Troglo Varas, der Sicherheitsoffizier an Bord des Trakonkreuzers, stolperte auf den Holografen in der Zentrale zu. Seine Augen tränten. Wie durch einen Schleier sah er das Robot-Raumschiff. Mit Höchstgeschwindigkeit raste es knapp tausend Kilometer am Trakonkreuzer vorbei. Es folgte den „SilentMary"-Geschossen. Die Entfernung verringerte sich rapide. Der Plan war ausgezeichnet. Niemand wußte, ob er Erfolg. hatte. Varas starrte auf das dreidimensionale Bild der Holografen. Da trafen die „Silent-Mary"Geschosse gleichzeitig auf die Energiewand um das gesamte Sonnensystem. Mit grellen Lichtblitzen erschütterten sie die Wand des energetischen Kugelfeldes.
Troglo Varas leckte über seine blutigen Lippen. Der Robot-Kreuzer tauchte in die flammende Hölle. Zu diesem Zeitpunkt sollte er den Hypersprung versuchen. Troglo Varas zitterte. Er war kein Feigling. Mehr als einmal hatte er vollkommen ruhig den Feuersturm eines Gefechtes mit den Orathonen überstanden. Aber diesmal ging es um mehr. Jeder Laktone wußte, was auf dem Spiel stand. Die Flotte der Laktonen war im Sonnensystem gefangen. Die Laktonen hatten die Schlacht mit den Orathonen gewonnen. Aber der Sieg nützte ihnen nichts. Es gelang einfach nicht, den fünfdimensionalen Kugelschirm aus reiner Energie, den die Orathonen um das Sonnensystem gelegt hatten, zu durchbrechen. Da schrie Troglo Varas verzweifelt auf. Er wollte es nicht glauben. Er wehrte sich gegen das, was er dreidimensional und plastisch auf den Holografenschirmen sah: Der laktonische Robot-Kreuzer explodierte beim Versuch, mit einem Sprung durch den Hyperraum die fünfdimensionale Energieblase zu durchbrechen. Eine neue grellweiße Sonne bildete sich dort, wo der Robot-Kreuzer und die vier „Silent-Mary"-Geschosse gleichzeitig auf die Wand geprallt waren. Mit brennenden Augen saugte Troglo Varas das grauenhafte Bild in sich auf. Der Versuch war fehlgeschlagen. Jetzt war alles aus. * Glutrot brach sich die untergehende Sonne in den Doppelfenstern des UNOGebäudes. Rex Corda, Senator der Vereinigten Staaten von Nordamerika, lief aufge-
bracht in einem Zimmer des vierzehnten Stockwerks auf und ab. „Verstehen Sie endlich, daß ich das nicht kann, Bekoval!" sagte er und blieb' stehen. Mit seinen hellen blauen Augen fixierte er den stämmigen Laktonen. „Ich kann mit Jakto Javan nur hier verhandeln. Es nützt überhaupt nichts, wenn ich mich in sein Flaggschiff begebe. Ich muß mit Jakto Javan vor dem UNO-Plenum verhandeln. Die Delegierten der anderen Nationen müssen dabei sein." „Nun stellen Sie sich nicht so stur, Corda. Jakto Javan kann nicht mit Ihnen vor dem UNO-Plenum verhandeln. Begreifen Sie doch endlich, daß Jakto Javan als Oberbefehlshaber unserer Flotte nicht einfach hierherkommen kann, um mit Ihnen zu reden. Überlegen Sie doch einmal, was es heißt, hunderttausend Raumschiffe zu führen! Jakto Javan ist einfach unabkömmlich." Rex Corda hob die Schultern. Natürlich sah er das ein. Er wußte, daß Bekoval recht hatte. Trotzdem erschwerte das die ganze Angelegenheit. Noch immer waren die Delegierten der einzelnen Nationen mißtrauisch. Corda mußte ihnen ständig beweisen, daß er nicht vorhatte, die Erde an Lakton zu verkaufen. Es gab genügend Beispiele für Staatsführer anderer Nationen, die das bereits versucht hatten. „Kommen Sie mit mir, Corda. Ich bringe Sie zu Jakto Javan. Es gibt keine andere Möglichkeit, mit ihm zu sprechen", drängte Bekoval. „Damit riskiere ich erneute Unruhen", sagte Rex Corda scharf. In diesem Augenblick explodierte, der massige Laktone. Er sprang von seinem Stuhl und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Machen Sie doch endlich die Augen auf, Corda! Es geht hier nicht mehr um
Unruhen, sondern um die Existenz des gesamten Systems. Wenn wir es nicht schaffen, das Kugelfeld zu durchbrechen, sind nicht nur wir verloren, sondern auch Sie." „Wem sagen Sie das?" antwortete Rex Corda kurz. Er drehte sich auf dem Absatz um und starrte in das rote Glühen der untergehenden Sonne. Dieser grauenhafte Krieg zwischen den Orathonen und den Laktonen war schlimmer als alle Seuchen, die jemals über die Erde hereingebrochen waren. Rex Corda preßte die Lippen zusammen. „Also gut", sagte er, „ich riskiere es." * Tien Hsia, der gestürzte Führer der Asiatischen Union, gab sich noch nicht geschlagen. Vier Stockwerke unter Rex Cordas Arbeitsräumen hatte er eine Konferenz einberufen. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Seine scharfen braunen Augen unter den weißen, strähnig herabhängenden Augenbrauen blitzten. „Ich werde diesen Mann niemals anerkennen!" rief er laut. „Ich werde gegen ihn kämpfen, auch wenn man mich als abgesetzt bezeichnet. Noch habe ich gewisse Machtmittel..." Randa Evariste Kalunde, der Präsident der Organisation Africaine, machte ein zufriedenes Gesicht. Dann richtete er sich auf und nickte zustimmend. Mit dem Handrücken strich er sich über seine dicken Lippen. „Bravo, Marschall!" rief er mit seiner hohen hysterischen Stimme. „Ich bin dabei, wenn wir diesen Rex Corda bremsen. Seine Verbindungen zu den Laktonen nehmen allmählich Formen an, die ich nur als Verrat bezeichnen kann."
Begeistert klopften die Konferenzteilnehmer Beifall. „Meine Herren", sagte Marschall Tien Hsia mit einer weitausholenden Handbewegung. Sofort herrschte wieder Ruhe. Die Konferenz der Asiaten und der Afrikaner war nur deshalb einberufen worden, um dem Vertreter Amerikas ein für allemal klarzumachen, welche Ansichten Asiaten und Afrikaner über Cordas Zusammenarbeit mit den Laktonen hatten. „Meine Herren", wiederholte Marschall Hsia, „ehe die Orathonen und die Laktonen die Erde besetzten, waren wir kurz davor, eine Weltregierung zu bilden. Es gilt als sicher, daß Amerika dabei nicht den Weltpräsidenten gestellt hätte." Die Angehörigen der afrikanischen Delegation nickten zustimmend. „China ist groß", sagte der weißhaarige Marschall nach einer kurzen Pause. „Asien ist noch größer. Und zusammen mit Afrika muß es uns gelingen, die Weltherrschaft zu übernehmen. Aber ohne Orathonen und ohne Laktonen!" „Wir werden sie vertreiben!" sagte ein junger Afrikaner mit einem fanatischen Glühen in den Augen. „Das kostet Blut", warf ein Chinese ein. „Jeder Sieg kostet Blut", sagte Tien Hsia scharf. Er starrte das Delegationsmitglied an. Der Mann wurde grau. Dagen hatte er nichts vorzubringen. * Das schrille Kreischen der Masseorter hallte durch alle Räume des Trakonkreuzers. Die laktonischen Offiziere auf der Kommandobrücke fuhren zusammen. Die hochempfindlichen Geräte an
Bord des Trakonkreuzers fingen die Informationen auf und verarbeiteten sie und gaben die Analyse bekannt. Aus Hunderten von Lautsprechern kam die gleiche, monotone und metallisch klingende Stimme des SynopsisComputers: „Bei gleichbleibender Flugbahn Feindberührung in zwölf Minuten — bei gleichbleibender Flugbahn Feindberührung in zwölf Minuten . . ." Troglo Varas schwang herum. Er hob den Arm. Mit der linken Hand riß er ein Mikrofon aus der Halterung. „Alarm!" brüllte er mit sich überschlagender Stimme. Auf den Schirmen erschien das Bild eines gigantischen orathonischen Hantelraumers. Es war die eigenartigste Konstruktion, die Troglo Varas jemals gesehen hatte. Er kannte alle Klassen und Baumuster der Orathonen. Aber dieses Raumschiff war selbst für ihn eine Überraschung. Hunderte von kleinen grünen Lichtern in der Zentrale verwandelten sich blitzschnell zu roten Leuchtpunkten. Nacheinander meldeten die Stationen gefechtsklar. Troglo Varas wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Die entscheidende Frage stand unausgesprochen im Raum. Was war das für ein orathonisches Raumschiff? So schnell wie möglich wurden die Fernanalysen durchgeführt. Dann lag das Ergebnis vor: Die Masseorter hatten sich geirrt: Das geortete Raumschiff war nichts als ein riesiges, zerfetztes Wrack . . . Es trieb durch das Trümmerfeld der Asteroiden. Es gab Tausende von orathonischen und laktonischen Wracks im Raum zwischen den Sternen. Aber dieses Wrack war anders.
Troglo Varas fühlte das Ungewöhnliche, das von den halbzerstörten Hantelkugeln ausging. „Abbremsen!" befahl Troglo Varas. Der Trakonkreuzer bäumte sich auf. Schrill kreischten die Andruckneutralisatoren. Varas klammerte sich an den Sitzlehnen seines Sessels fest. Noch immer hatte er die Enttäuschung über den gescheiterten Versuch, die Energieblase zu durchbrechen, nicht überwunden. Ihm graute davor, Jakto Javan auf der Erde Bericht erstatten zu müssen. Er wußte, daß der laktonische Oberbefehlshaber hart und unnachgiebig sein konnte. Aber es gab im Moment niemanden, dem es gelingen konnte, die fünfdimensionale Energiewand zu durchbrechen .. . Da schoß durch das Gehirn von Troglo Varas plötzlich ein phantastischer Gedanke! Dieses Raumschiff — es war anders als alles, was er bisher gesehen hatte — diese mächtigen Triebwerke, die für diesen Typ viel zu groß erschienen . . . Das zerfetzte Wrack hatte die Ausmaße des berühmten orathonischen Flaggschiffs von Sigam Agelon ... Varas spürte, wie seine Finger zitterten. Er kannte die Daten aus dem Kopf. Jeder Offizier der laktonischen Flotte wußte, daß Sigam Agelon den schnellsten Hantelkreuzer befehligte, den die Orathonen zur Verfügung hatten. Und dieses Raumschiff trieb als Wrack durch den Asteroidengürtel. Achtzehn Kilometer vor dem Wrack verharrte der Trakonkreuzer bewegungslos im Raum. Hastig wurde ein Sonderkommando zusammengestellt. Es bestand aus achtundzwanzig laktonischen Soldaten mit Spezialausbildung. Troglo Varas übernahm das Kommando. Er ließ die Männer ausschleusen. Sie schwebten durch den luftleeren Raum. Dann erreichten sie das riesige
Wrack. Varas ließ alle Vorsicht außer acht. Erregt trieb er durch ein zwanzig Meter großes ausgezacktes und an den Rändern mit einem Wulst aus geschmolzenem Metall bedecktes Loch. Geschickt wichen er und seine Männer den herumschwebenden Trümmerstücken aus. Sie tauchten unter Metallbrocken und zerfetzten Computern hindurch, die schwerelos durch die riesigen Halles schwebten. Kilometerlange Drahtleituhgen hatten sich zu wirren Knäueln verschlungen. Troglo Varas wischte mit der linken Hand die grauenhaft aufgeblähten Körper von toten Whims zur Seite. Dann setzte er seinen Strahler ein. An vielen Stellen waren die Panzerplastböden der einzelnen Decks geschmolzen. Verbogene Metallstreben ragten wie verkohlte Dornen überall aus denWänden der Hallen. „Ausschwärmen!" befahl Troglo Varas über Intercom. Der scharfe Strahl aus seiner Handfeuerwaffe zerschmolz ein Kabelknäuel, das einen Hallenausgang verstopfte. Die Soldaten verteilten sich sofort auf die einzelnen Sektionen des Wracks. Sie begannen mit einer systematischen Durchsuchung. Troglo Varas brauchte keine langen Anweisungen zu geben. Für derartige Untersuchungen gab es genau ausgearbeitete Pläne. Varas übernahm den Abschnitt, in dem sich die Zentrale des zerstörten orathonischen Raumschiffs befand. Er stieß sich von den Wänden ab und wich immer wieder großen Metallbrocken aus, an denen noch halbe Computer hingen. Er passierte mehrere Hallen, die angefüllt waren mit toten Orathonen und leblos durch die riesigen Räume schwebenden Angehörigen der Hilfsrassen
des Feindes. Das Raumschiff des Sigam Agelon war nichts weiter als ein riesiger grauenhafter Friedhof. Da stieß Troglo Varas plötzlich einen überraschten Ruf aus. So schnell wie möglich schwebte er an den zerstörten Wänden vorbei. Er entdeckte die Schleuse mit den Rettungsbooten. Sie war leer. Die Schleusenluken standen geöffnet wie das tote Maul eines an Land geworfenen Fisches. Das konnte nur eine einzige Bedeutung haben: Es mußte einigen Orathonen gelungen sein, das zerstörte Wrack noch rechtzeitig zu verlassen . . . Erregt stieß sich Troglo Varas von der Panzerplastwand ab. Er schwebte weiter. Während er sich immer weiter auf die Zentrale vorarbeitete, nahm er die Berichte seiner Soldaten entgegen. Sie durchsuchten systematisch die beiden gewaltigen Kugeln, aber es schien keine Überlebenden zu geben. Die Laktonen arbeiteten so schnell wie die Forderung nach Genauigkeit es zuließ. Hinter einer Korridormündung stieß Veras auf eine freischwebende Ansammlung von toten Ätzern. Sie hingen verkohlt zwischen den Verstrebungen. Die Hilfsrassen der Orathonen hatten die Katastrophe ebensowenig überlebt wie die Grünhäutigen selbst. Varas erreichte die Zentrale. Er wandte sich nach links. Er wollte wissen, ob seine Vermutung richtig war. Es mußte Anzeichen geben, die ihm bewiesen, daß sich Sigam Agelon tatsächlich an Bord dieses Schiffes befunden hatte. Die Tür zu den Privatkabinen war zerschmolzen. Varas schwebte durch das Loch. Der von seinem Helm ausgehende Scheinwerferstrahl zitterte
über die Einrichtungsgegenstände. Für einen Augenblick zweifelte Troglo Varas an seiner Vermutung. Da stieß er plötzlich auf eine winzige Kleinigkeit, die seinen Puls beschleunigte. Er wischte mit dem Ärmel seiner Raumkombination über die Sichtscheibe seines Helms. Dann fühlte er plötzlich, wie ihm erneut der Schweiß ausbrach. Seine Augen hingen wie gebannt an einem kleinen roten Kommandogerät, das sich in einer Ecke des Raumes befand. Varas stieß sich mit den schweren Stiefeln von der Seitenwand ab und torkelte quer durch den Raum. Er erreichte den roten Kasten mit dem linken Arm und klammerte sich fest. Er drehte sich durch die eigene Schwerelosigkeit, dann bekam er die Verbindungsschnüre zu fassen. Mit seinem Strahler zerschweißte er die Verbindung. Wieder zitterten seine Finger, als er den Kasten aufhob und dicht vor die Sichtscheibe seines Raumhelms hielt. Wie gebannt starrte er auf den kleinen blauen Diamanten an der Vorderseite des Kommandogerätes. Dann verzog er die Lippen zu einem unsicheren Lachen. Diese Entdeckung konnte ihm eine Beförderung einbringen. Hastig nahm er Verbindung mit dem Trakonkreuzer auf. Sigam Agelon, der Oberbefehlshaber der Orathonen, befand sich noch im Sonnensystem. Das bedeutete, daß er ebenso eingeschlossen war wie die laktonische Flotte. Sofort nach dem Eintreffen der Meldung im laktonischen Hauptquartier begann die größte Suchaktion in der Geschichte des Krieges zwischen Orathonen und Laktonen.
* Das Flaggschiff von Jakto Javan glich einem Ameisenhaufen. Es stand mit eingeschalteten Stabilisatoren in der Nähe von Colorado Springs. Der kleine wendige Gleiter mit Bekoval und Rex Corda an Bord glitt in die Außenschleuse des raketenförmigen Raumschiffs von Jakto Javan. Der Trakonkreuzer war zweitausendeinhundertundsechzig Meter lang. Er war eine einzige schwerbewaffnete Festung, von der aus Jakto Javan den Einsatz seiner gewaltigen Flotte im Sonnensystem lenkte. Die Antriebsaggregate des Sonnengleiters verstummten. Bekoval und Rex Corda verließen das Fahrzeug. Sofort wurden sie von Diener-Robots der Ba3-Klasse in Empfang genommen. Die Robots mit den bräunlichen stilisierten Gesichtern, die von angesehenen Künstlern des laktonischen Reiches entworfen worden waren, verneigten sich vor Bekoval und Rex Corda. Bekoval sprach kurz mit den Robots. Rex Corda verstand ihn nicht. Auch Bekoval hatte noch oft Sprachschwierigkeiten, da er sich nicht sonderlich für die Sprache der Terraner interessierte. Trotzdem reichten seine Kenntnisse aus, um sich mit Rex Corda zu streiten. Corda wußte, daß er nicht viel Zeit hatte. Es mußte zu einer Einigung mit Jakto Javan kommen. Auf lange Verhandlungen konnte er sich keinesfalls einlassen. Der Bedienungsroboter führte Bekoval und Corda über Ergbänder und Grav-Schächte immer tiefer in das laktonische Raumschiff hinein. Überall wimmelte es von Soldaten, Kampfrobotern, laktonischen Technikern und
Troßpersonal. An einer Korridorkreuzung erblickte Corda eine laktonische Frau. Er stockte kurz, doch dann drängte ihn Bekoval auf eine weitere Anti-Grav-Platte, die sie ein Stockwerk höher brachte. Das ständig in der Luft liegende Brummen verstärkte sich. Bunte Leuchtzeichen an den Panzerplastwänden flammten auf und verloschen wieder. Ein halbes Dutzend Kampfroboter der AA-2-Klasse stammpfte an Corda und Bekoval vorbei. Mit ihren runden, kopflosen Körpern und den eingebauten Schockern und Thermostrahlern und Raketenwerfern waren diese Roboter gefährliche vollautomatische Kampfmaschinen. Rex Corda kümmerte sich nicht um sie. Er hatte andere Sorgen. Da versuchten zwei laktonische Soldaten, ihn aufzuhalten. Bekoval rief ihnen einen kurzen Befehl zu. Sie wichen zur Seite. Dann erreichten sie die Befehlszentrale. Sie wurde von vier Kampfrobotern bewacht. Die Roboter rührten sich nicht. Da tauchte ein laktonischer Offizier auf. Er erkannte Bekoval und Corda. Mit einem kurzen Befehl gab er den durch die Kampfroboter versperrten Eingang zur Zentrale frei. Corda spürte sofort, daß eine merkwürdige Stimmung über den Offizieren und Soldaten innerhalb der Zentrale lag. Dann sah er Jakto Javan. Der Oberbefehlshaber der Laktonen kam auf ihn zu. Er war etwas kleiner als Rex Corda, wirkte aber durch seinen gedrungenen Körperbau weit kräftiger. Er trug einen Umhang mit einer Reihe von Diamanten auf seinen Schultern. Rex Corda kannte seine Stärke gegenüber dem Laktonen. Er wußte, daß es für Jakto Javan nur einen einzigen Grund gab, Corda entgegenkommend zu behandeln: Das Geheimnis Walter
Beckets. Vor seinem Tod hatte der geniale Wissenschaftler sein gesamtes Wissen in den Hirnen der drei Corda-Geschwister verankert. Rex, Kim und Velda Corda trugen zu je einem Drittel Walter Beckets Vermächtnis in ihrem Unterbewußtsein. Es nützte den Laktonen aber nichts, daß sie Kim und Velda entführt hatten, da nur bei einer gleichzeitigen Befragung aller drei Geschwister das Geheimnis entschlüsselt werden konnte. „Ich habe Sie bereits erwartet, Corda", sagte Jakto Javan. Rex Corda achtete nicht auf den überheblichen Ton. Er nickte. „Wir haben inzwischen mitbekommen, daß der neue Versuch, das energetische Kugelfeld zu durchbrechen, gescheitert ist." Jakto Javan warf mit einer schnellen Handbewegung seinen Umhang zurück. Er trat einen Schritt auf Corda zu. Aus seinen schwarzen Augen starrte er den Terraner an. „Ich warne Sie, Corda", sagte er kalt, „Es könnte passieren, daß ich Sie gefangensetze." „Das wäre dumm von Ihnen, Jakto Javan." Der laktonische Oberbefehlshaber fuhr zusammen. Eisiges Schweigen herrschte in der Zentrale. Alle Laktonen starrten auf ihren obersten Befehlshaber. Jakto Javan war es sich und seiner Stellung schuldig, diesem Terraner einen Denkzettel zu verpassen. „Woher nehmen Sie eigentlich die Unverschämtheit, mir so entgegenzutreten." „Ich habe nicht vor, vor Ihnen auf die Knie zu fallen." „Gut, Corda", sagte Jakto sardonisch. „Das hat auch niemand verlangt. Aber vergessen Sie nicht, daß das Sonnensystem von der laktonischen Flotte besetzt
ist." „Keine Angst, Jakto Javan. So etwas vergißt man nicht. Außerdem wären sie gar nicht zu übersehen, da Ihre Männer überall herumwimmeln." „Für einen Primitiven sind Sie ziemlich arrogant." „So?" grinste der Senator der Vereinigten Staaten von Nordamerika. „Was soll das heißen?" „Machen Sie sich doch nichts vor, Jakto Javan. Sie haben die Schlacht gegen die Orathonen verloren!" „Wir haben nicht verloren! Unsere Raumflotte ist kampfkräftiger als je zuvor." „Sie wollen also weiterkämpfen, wenn ich Sie recht verstehe?" „Genau, Corda. Wir werden kämpfen. Niemals wird sich ein Laktone der orathonischen Herrschaft unterwerfen!" Rex Corda lachte kurz und trocken. „Schade, daß Sie nicht merken, wie lächerlich das ist, was Sie eben gesagt haben", meinte er kopfschüttelnd. „Sie müssen endlich einsehen, Jakto Javan, daß Sie mit großen Worten keine Schlacht gewinnen können und noch viel weniger einen Krieg. Sie müssen etwas unternehmen." In den Augen des laktonischen Oberbefehlshabers wurde ein kaltes Glühen wach. Er war davon überzeugt, daß es immer noch Möglichkeiten gab, das fünfdimensionale Kugelfeld zu durchbrechen. Auch wenn man im Augenblick noch nicht wußte wie. Er wollte sich einfach nicht damit abfinden, daß er mit seiner gesamten Flotte in einer riesigen Mausefalle saß, die von den Orathonen rund um das Sonnensystem errichtet worden war. Rex Corda empfand keine Schadenfreude. Er konnte sie nicht empfinden, weil die Erde mit in dieser Falle saß. Solange die Laktonen das Kugelfeld
nicht durchbrechen konnten, saßen sie auf der Erde fest. Sie waren Fremdkörper auf der Erde. Eindringlinge, die niemand gerufen hatte. Alle Versprechungen, der Erde bei der wissenschaftlichen Weiterentwicklung zu helfen, waren jetzt eine Phrase geworden. Die Laktonen konnten nicht helfen, weil sie einfach nicht in der Lage waren, mit ihrem Imperium Verbindung aufzunehmen. Rex Corda kannte die Lage der Laktonen genau. Er machte sich keine Illusionen. Jakto Javan war stark. Seine Flotte war nach wie vor größer und stärker als alles, was die Erde jemals gesehen hatte. Trotzdem nützte dem Laktonen seine gesamte Streitmacht nichts, solange die Orathonen mit der abgezapften Energie von Alpha Zentauri das energetische, fünfdimensionale Kugelfeld um das Sonnensystem stabil hielten. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Jakto Javan", sagte Rex Corda. „Ich werde weiterhin mit Ihnen zusammenarbeiten, auch wenn ich mir dadurch auf der Erde Feinde schaffe. Es gibt bereits jetzt genug Politiker, die mich für einen Verräter halten. Aber das ist mein Problem. Es ist ebenfalls mein Problem, daß Sie so schnell wie möglich die Erde verlassen. Deshalb werde ich Ihnen helfen, Jakto Javan. Nur deshalb." „Und was stellen Sie sich darunter vor?" fragte Jakto Javan ironisch. Corda zuckte die Schultern. „Wer von Ihren Leuten weiß über die Beschaffenheit der Energiewand Bescheid?" Jakto Javan drehte sich um und nickte einem Wissenschaftler zu. „Latak Decimo", sagte er kurz. Er blickte zu Bekoval und dann zu Corda. „Versuchen Sie nicht, mich zu hintergehen", sagte er.
Corda blickte Bekoval fragend an. Dann erinnerte er sich wieder daran, daß es noch etwas gab, wovor die Laktonen Angst hatten — vor ihren eigenen Wissenschaftlern nämlich. * Südöstlich von Florida ragte an über dreitausend Stellen die Bahama-Bank aus dem Meeresspiegel auf. Aber nur ein kleiner Teil davon, gut siebenhundert Erhebungen, konnte man als Inseln bezeichnen. Der Strand dieser Inseln war sandig und farbenfreudig. Das kristallklare Wasser schillerte blau und grün. Alte pastellfarbene Häuser standen zwischen Palmen, durch die ständig ein warmer Luftzug strich. Duftender Jasmin, leuchtend gelbe Alamandas und zartrosa Frangipani bildeten zusammen mit den blutroten Dolden der Poinciana-Bäume ein Blütenmeer von seltener Schönheit. Zwischen den Korallenbänken schwammen große Krebse und jahrhundertealte Schildkröten. Eine der vielen, mit Palmen bestandenen Inseln, deren großzügiger Strand aus Korallensand weit ins Meer hinauslief, hatte den Namen Mayaguana. Es war nur ein kleines Eiland, das unbedeutend und kaum bewohnt war. Trotzdem befanden sich seit einiger Zeit mehrere Lebewesen auf der Insel, die früher nicht dort gewesen waren . . . Sigam Agelon und seine Offiziere hatten ihren Diskus unter den Palmen versteckt und mit Sand überhäuft. Ständig ließ Agelon seine Offiziere die Umgebung der Insel beobachten. Er hatte sie auf mehrere Beobachtungsposten verteilt. Immer wieder versuchte er, Verbindung mit der Flotte, die außerhalb des Sonnensystems stand, auf-
zunehmen. Sigam Agelon war nur hundertfünfundsechzig Zentimeter groß. Er hatte eine olivgrüne Haut und grünliche Lippen. Seine blauschwarzen Federn auf dem Kopf kontrastierten zu den farbigen Punkten auf den Augenlidern. Seine hochsitzenden Backenknochen verdeutlichten, daß er ein reinrassiger orathonischer Adliger war. Agelons schwerer Kopf ruhte auf breiten Schultern, während sein massiger Brustkorb sich zu den Hüften hin konisch verjüngte. Er strich über die weiche Hose, die er in braune schmiegsame Stiefel gesteckt hatte. Dann warf er seinen roten Umhang zurück, den nur Mitglieder der FAMILIE tragen durften. Die überlegene Härte von Sigam Agelon war auch jetzt noch deutlich spürbar. Er wußte, daß seine Flotte die Schlacht über die Laktonen gewonnen hatte, aber nicht nur die Schlacht, sondern auch den Krieg. Das erfüllte ihn mit Stolz und Zufriedenheit. Er trat aus dem Unterstand und blickte zum Himmel. Da entdeckte er plötzlich ein laktonisches Raumschiff. Er trat einen Schritt zurück. Der Trakonkreuzer kam direkt auf die Insel zu. Sigam Agelon biß die Lippen zusammen. Er mußte warten, bis man ihn abholte. Sein stärkster Gegner war die Zeit. Jeden Augenblick konnte der Diskus von einem laktonischen Raumschiff geortet werden. Aber Sigam Agelon dachte nicht daran aufzugeben. Er reckte sich und starrte dem laktonischen Raumschiff entgegen, das langsam tiefer kam. Gespannt blickte Sigam Agelon dem Trakonkreuzer entgegen. Sofort nahm er mit seinen Offizieren Verbindung auf. Das Raumschiff des verhaßten Fein-
des näherte sich zusehends. „An die Waffen!" rief Sigam Agelon. * Rex Corda warf sich in einen weichen Sessel und streckte seine langen Beine aus. Er fischte sich eine Zigarette aus der Packung und steckte sie sich zwischen die Lippen. Bekoval verzog das Gesicht. Er konnte sich noch immer nicht daran gewöhnen, daß die Terraner die merkwürdige Angewohnheit hatten, ihre Lungen mit Rauch zu füllen. Gegenüber von Corda hockte ein junger Laktone mit einer ungewöhnlich hohen Stirn. Corda wußte, daß die überragende Supertechnik der Laktonen und Orathonen dazu geführt hatte, die Machtstellung der Wissenschaftler mit einem tiefgehenden Mißtrauen zu betrachten. Auf Lakton und Litalon lebten diese Wissenschaftler unter den luxuriösesten Bedingungen. Aber sie waren praktisch Gefangene in einem goldenen Käfig. Die Furcht davor, daß die Wissenschaftler neue Waffen entwickeln konnten, um damit die Macht im Imperium an sich zu reißen, steckte den Laktonen tief in den Knochen. Sie spielten mit dem Feuer. Es war ein ständiges Roulett mit der endgültigen Vernichtung des eigenen Planeten. Aber die Laktonen brauchten ihre Wissenschaftler ... Bekoval rückte ein Stück von Rex Corda weg. Er hüstelte verhalten. „Latak Decimo wird Ihnen erklären, wie das energetische Kugelfeld aufgebaut ist." Der Wissenschaftler nickte. „Meine wichtigste Aufgabe als Synoptiker ist, die vorliegenden Ergebnisse der wissenschaftlichen
Fachrichtungen zu beurteilen und zu koordinieren ..." Bekoval übersetzte. „Wir haben den neuen Durchbruchsversuch ausgewertet. Es gibt da gewisse Unstimmigkeiten." Rex Corda hob die Brauen. Der Synoptiker gab sich ungewöhnlich ernst. Rex Corda spürte plötzlich, wie eine kalte Hand nach seinem Herzen griff. Mit unerwarteter Heftigkeit überfiel ihn seine emphatische Begabung. Er spürte plötzlich mit schmerzhafter Klarheit die Drohung, die unausgesprochen im Raum hing. Seine Blicke saugten sich an dem jungen laktonischen Wissenschaftler fest. „Was ist es?" fragte er heiser. „Das von den Orathonen aufgestellte Kugelfeld zieht sich zusammen ..." Corda sprang auf. Er ballte die Fäuste. „Das ist doch unmöglich!" keuchte er. „Leider nicht, Senator", sagte der Synoptiker. „In spätestens vierzehn Tagen hat sich das energetische Kugelfeld soweit zusammengezogen, daß es die äußeren Planetenbahnen erreicht." „... und wir können nichts dagegen unternehmen", ergänzte Bekoval. Für den Bruchteil einer Sekunde kämpfte Rex Corda gegen das Gefühl ohnmächtiger Wut. Er starrte auf die beiden Laktonen. Das Gefühl eisiger Kälte überkam den jungen Präsidenten. Blitzartig drehte er sich um. Dann gab es nichts mehr für ihn, was ihn aufhalten konnte. Er stürmte aus dem Raum. *
Sigam Agelon und seine Offiziere hockten unter einer Tarnplatte. Das laktonische Raumschiff war jetzt direkt über ihnen. Tek Magol war einer der besten Schützen der orathonischen Flotte. Er hockte hinter dem transportablen orathonischen Kleingeschütz, das sie bei der überstürzten Flucht aus Sigam Agelons Flaggschiff mitgenommen hatten. „Anvisieren!" befahl Sigam Agelon. Das Geschütz schwang herum. Im Positionsvisier erschien der laktonische Trakonkreuzer. Sigam Agelon hob die Hand. Da stieß einer seiner Offiziere einen kurzen Schrei aus. Agelons Kopf ruckte zur Seite. Sein Blick folgte dem ausgestreckten Arm des Offiziers. „Semibioten!" keuchte der Mann. Sigam Agelons Augen weiteten sich. Sie waren eingeschlossen . . . Ein häßlicher grauer Stachelring bewegte sich langsam auf ihr Versteck zu. Er bestand aus den Stachelausläufern semibiotischer Kolonien. Sigam Agelon erinnerte sich daran, daß seine Wissenschaftler die Grundkolonien von Semibioten in den tropischen Gewässern der Bahamabank angepflanzt hatten. Bei der überstürzten Flucht der Orathonen von der Erde waren gerade diese Kolonien vergessen worden. Die mehr als zwei Meter langen Stachelarme der Semibioten breiteten sich mit knisternden Geräuschen immer mehr aus. Es knackte und mahlte wie das Zusammenschlagen Hunderter von Krebsscheren. Im gleichen Augenblick jaulte der Trakonkreuzer der Laktonen dicht über sie hinweg. Sigam Agelon zog den Kopf ein. Er stand unter der Tarnplatte und warf nur einen kurzen Blick nach
oben. Aus irgendeinem Grund griff der Trakonkreuzer nicht an, sondern entfernte sich nach Westen. Sigam Agelon machte sich keine Illusionen. Die Laktonen würden wiederkommen. Diese Gefahr war im Augenblick gebannt. Trotzdem hatten die Orathonen damit nichts gewonnen. Der tödliche Ring aus Semibioten war mindestens ebenso gefährlich. Sigam Agelon kannte die vernichtende Kraft einer wuchernden semibiotischen Kolonie. „Ausschwärmen!" befahl Sigam Agelon. Gleichzeitig entdeckte er, daß dieser Befehl unsinnig war. Der Stachelring aus Semibioten hatte sich bereits zu dicht um sein Versteck geschlossen. Nur noch ein kreisförmiger Platz von knapp zweihundert Metern war von der Insel Mayaguana übriggeblieben. Der Rest war unter dem ständig enger werdenden Semibiotenring verschwunden. Das Knacken nahm zu. Es wurde lauter. „Feuer!" befahl Sigam Agelon. Die flammenden Strahlen zischten mitten zwischen die grauen Stachelarme am westlichen Rand des freien Platzes. Die Semibioten wurden in eine Feuerglocke eingeschlossen. Tek Magol riß den Abzug so lange durch, bis Sigam Agelon abwinkte. Es hatte keinen Zweck. Mit ihrer kleinen Waffe konnten sie nur unwesentliche Lücken in den Ring der Semibioten brennen. Es war aussichtslos. Sie hatten keine Waffe, die den tödlichen Ring sprengen konnte. Ihr Diskusraumer war nur bedingt einsatzfähig. *
Außerhalb des energetischen Kugelfeldes um das Sonnensystem stand die orathonische Flotte. Sie beobachtete die Versuche der Laktonen, die fünfdimensionale Energiewand zu durchbrechen. Bisher war es keinem einzigen laktonischen Raumschiff gelungen, durch den Hyperraum diese Barriere zu überspringen. Alle Schiffe wurden zurückgeschleudert. Die orathonischen Hantelraumer patrouillierten in ruhigen weitausholenden Kurven um das Energiefeld herum, das mit immer neuen Energien von Alpha Zentauri gespeist wurde. Hantelraumer der Wonn- und Alakim-Klasse zeichneten jeden Versuch der Laktonen auf, die Blase zu durchbrechen. Die Orathonen wußten, wo sich ihr Oberbefehlshaber befand. Die Nachricht von Sigam Agelons Absetzmanöver war zur orathonischen Flotte durchgedrungen. Sofort brachte Agelons Stellvertreter ein Rettungsschiff für den Oberbefehlshaber dicht an das energetische Kugelfeld heran. Das orathonische Raumschiff zur Rettung von Sigam Agelon war als normales Wrack getarnt. Weite Flächen der Außenhüllen hingen zerfetzt und zerschmolzen an den Verstrebungen. Kein Funke und kein Licht deuteten darauf hin, daß das Raumschiff gefechtsbereit war. Nicht einmal die Haupttriebwerke durften eingeschaltet werden. Das getarnte Raumschiff näherte sich der Energiewand. Dann — auf ein genau abgestimmtes Zeichen hin — öffnete sich für Bruchteile von Sekunden die Energiewand. Das "Wrack schlüpfte durch das Loch. Noch ehe die Laktonen irgend etwas
bemerkt hatten, befand sich der orathonische Raumer bereits innerhalb der Abschirmung. Er war eingedrungen, ohne auch nur ein einziges Mal von einem laktonischen Raumschiff geortet zu werden. Die Orathonen hatten sich einen guten Punkt ausgesucht. In dieser Gegend befanden sich ungewöhnlich viele Wracks. Es war der Sektor des Sonnensystems, an dem das letzte entscheidende Gefecht stattgefunden hatte. Hier war die Schlacht entschieden worden — zugunsten der Orathonen. Laktonische und orathonische Raumschiffe trieben zerfetzt und zerschmettert antriebslos im freien Fall durch den Raum. Das orathonische Raumschiff mischte sich unter die Trümmer. Der Raumschiffsfriedhof war die beste Tarnung der Orathonen. Sie hatten Zeit. Selbst wenn Sigam Agelon auf der Erde gefangen wurde, das Himmelfahrtskommando der Orathonen konnte nur Erfolg haben, wenn jede Phase des Unternehmens genau eingehalten wurde. * Jakto Javans Flaggschiff glich einem Ameisenhaufen. In der Zentrale übertönten scharfe, kurze Kommandos das Klicken und Summen der Elektronenrechner. Jakto Javan hatte seine Kräfte geteilt. Er versuchte gleichzeitig Sigam Agelon zu finden und das Problem der fünfdimensionalen Energiewand zu lösen. Auch Javan wußte, daß er keine Chance mehr hatte, wenn es ihm nicht gelang, die sich ständig weiter zusammenziehende Energieblase zu durchbrechen.
Tausende von Schiffen stiegen nacheinander an allen Orten der Erde auf und rasten mit flammenden Heckdüsen in den Weltraum. Jedes einzelne Wrack mußte untersucht werden. Sigam Agelon konnte sich überall verstecken. Es gab keinerlei Anhaltspunkte dafür, wo er sich aufhielt. Da stürmte Rex Corda in den Raum. Er wehrte die Offiziere ab, die ihn aufhalten wollten. Für die Laktonen ging es nur darum, die Erde und das Sonnensystem rechtzeitig zu verlassen. Aber Rex Corda wußte, was für die Erde auf dem Spiel stand. Corda erfaßte mit einem Blick die Lage in der Zentrale. Er spürte, daß auch sie inzwischen nervös geworden waren. Er ging auf Jakto Javan zu. Der Laktone drehte sich um. „Sigam Agelon befindet sich noch im Sonnensystem", preßte er zwischen den Lippen hervor. Rex Corda erstarrte. Jetzt begriff er die Hast, mit der die laktonischen Offiziere an den Kontrollgeräten arbeiteten. Das war ihre Chance: Sigam Agelon. Sie mußten ihn finden! „Woher wissen Sie das?" fragte Rex Corda. „Ein Trakonkreuzer hat Sigam Agelons Flaggschiff entdeckt." „Ohne den Oberbefehlshaber der Featherheads?" fragte Rex Corda. Jakto Javan nickte. „Die Schleusen waren geöffnet. Ein paar Orathonen konnten sich absetzen. Wahrscheinlich mit Agelon." Rex Corda pfiff durch die Zähne. Er wußte, daß Jakto Javan alles daransetzen würde, um seinen Todfeind zu finden. Bekoval hatte ihm erzählt, daß Sigam
Agelon Jakto Javans Sohn ermordet hatte. Das war ein Grund mehr für Jakto Javan, Sigam Agelon zu finden. Koste es, was es wolle. Plötzlich lachte Rex Corda kurz und trocken auf. Jakto Javan blickte ihn verwundert an. „Was finden Sie daran so komisch?" „Nichts", grinste Rex Corda, „aber mir fällt gerade ein, daß Sigam Agelon wahrscheinlich weiß, welche Möglichkeiten es gibt, das energetische Kugelfeld zu durchbrechen. Ich glaube nicht, daß er ein Interesse daran hat, mit diesem Sonnensystem unterzugehen." Jakto Javan kapierte sofort. Er wußte, was Rex Corda meinte. Die Orathonen würden ihren Oberbefehlshaber nicht im Stich lassen — wenn er noch lebte. Jakto Javan schwang herum. Er starrte auf die Kontrollen. Er hatte seine Leute in zwei Gruppen eingeteilt. Die Wissenschaftler und ein Teil der laktonischen Flotte untersuchten noch immer das Kugelfeld. Ständig versuchten Robotkreuzer, die Wand zu durchbrechen. Die Ergebnisse blieben nach wie vor negativ. Die zweite Gruppe befaßte sich mit der Suche nach Sigam Agelon. Jakto Javan bellte ein paar kurze Befehle durch den Raum. Sofort lösten sich von der Gruppe, die das Kugelfeld zu untersuchen hatte, einige Offiziere. Bekoval war inzwischen hinter Rex Corda getreten. Er war ihm gefolgt. Leise übersetzte er die Befehle Jakto Javans. „Jakto Javan zieht Leute von der Untersuchung des Kugelfeldes ab und befiehlt ihnen, sich an der Suche nach Sigam Agelon zu beteiligen", erklärte Bekoval. Rex Corda nickte. Jakto Javan han-
delte richtig. Sie mußten Sigam Agelon finden, wenn sie eine Chance haben wollten, die Energiemauer zu durchbrechen. „Wir werden uns an der Suche beteiligen", sagte Rex Corda zu Bekoval. Der Laktone blickte ihn ernst an. Dann baute er sich vor Jakto Javan auf und sprach schnell mit ihm. Jakto Javan schüttelte den Kopf. Doch dann ließ er sich überzeugen. Er erteilte Rex Corda und Bekoval die Genehmigung, mit einem Trakonkreuzer an der Suche nach Sigam Agelon teilzunehmen. So schnell wie möglich verließen der Laktone und der Terraner die Zentrale von Jakto Javans Flaggschiff. Das Sonnensystem war groß, und es gab mehr als eine Möglichkeit für Sigam Agelon, sich zu verstecken. * Tek Magol warf einen Blick zurück. Sie hatten keine Chance. Von der Insel Mayaguana bestand nur noch eine etwa zweihundert Meter breite Lichtung. Der Rest war vollkommen von semibiotischen Kolonien überwuchert. Tek Magol arbeitete fieberhaft an der Reparatur des Bronzeroboters, und der funktionierte nicht... Sigam Agelon wurde ungeduldig. Das Knistern und Knacken der ständig größer werdenden semibiotischen Kolonie war nicht mehr zu überhören. Die stetig voranschreitende Ausbreitung klang wie das tausendfache Zusammenschlagen von trockenen Knochen. Sigam Agelon preßte seine grünlichen Lippen zusammen. Er starrte mit brennenden Augen auf die Semibioten. Für ihn war es eine Ironie des Schicksals, daß er jetzt ein Gefangener jener
Grundkolonien war, mit deren Hilfe orathonische Wissenschaftler Fremdrassen unterjochten. Die halborganischen semibiotischen Konduktoren wurden den Sklavenvölkern eingepflanzt, um ihnen den Willen der Orathonen aufzuzwingen. Sie dienten dem einzigen Zweck, die fremden Rassen ständig daran zu erinnern, daß die Orathonen ihre Herren waren. Sigam Agelon riß seinen Strahler aus dem Gürtel. Er stampfte durch den weißen Sand auf die stachelige, fast zwei Meter hohe Mauer zu, die sich immer enger um die Lichtung in der Mitte der Insel zusammenschloß. Tek Magol stieß einen befreienden Ruf aus. Der Bronzeroboter marschierte. Sigam Agelon stockte. Er ließ den Bronzeroboter an sich vorbei. Ein grimmiges Lächeln der Befriedigung huschte über sein markantes Gesicht. Die bronzefarben schimmernde Kampfmaschine kannte keine Angst. Fünf Meter vor den ersten Stachelausr läufern der Semibioten stockte der Roboter. Tek Magol gab den Befehl zum Angriff. Der Bronzerobot ließ alle ihm zur Verfügung stehenden Waffen spielen. Gleißende Lichtstrahlen zuckten in das Gewirr der Stachelarme. Krachend brachen die ersten Stachelausläufer unter dem Energieschock aus den Waffen des Bronzerobots zusammen. Wallend erhob sich eine schwarzgrüne Rauchwolke über dem Todesring. Gebannt starrten die fünf Orathonen auf das Vernichtungswerk des Bronzerobots. Er griff an. Immer wieder. Das krachende Knacken verstärkte sich. Es verstärkte sich mit dem scharfen Zischen der Energiestrahlen. Dann sah Sigam Agelon, daß es sinnlos war.
Allein konnte der Bronzerobot niemals den immer enger werdenden Ring durchbrechen. Der Energiestrahl schaffte eine Schneise. Aber sie war zu schmal. Sofort überwucherten die Stachelarme der Semibioten die verbrannten und verkohlten Überreste in der Schneise. Tek Magol stieß einen verzweifelten Schrei aus. Er raste hinter dem Bronzerobot her. Wütend riß er seinen Strahler hervor. Er wollte dem Bronzerobot helfen. Dabei wagte er sich zu dicht an die Stachelarme heran. Sigam Agelon beugte sich vor. Er dachte nicht daran, seinen Offizier zu warnen. „Macht den Diskus frei!" befahl er kurz. Die übrigen Offiziere zuckten zusammen. Sie blickten auf Sigam Agelon. „Zwei Mann suchen eine neue Insel!" befahl Sigam Agelon. „Hier haben wir noch höchstens sechzig Minuten Zeit, bis der Ring der Vernichtung sich geschlossen hat. Ich habe keine Lust, mich von Semibioten aufspießen zu lassen." Krachend brachen Palmenstämme unter dem Ansturm der Semibioten. Da gellte der Todesschrei von Tek Magol über die Insel. Sigam Agelon schwang herum. Drei Stachelarme hatten den orathonischen Offizier erfaßt. Sie wirbelten ihn hoch in die Luft. Die zwei Meter langen armdicken Stacheln im Umkreis von fünf Metern richteten sich auf. Tek Magol wurde mitten in das dichte Stachelfeld geschleudert. Die scharfen Spitzen durchbohrten seinen Körper. Dann machten sich die Semibioten über den Bronzerobot her. Sigam Agelon wandte sich ab. Er blickte in den strahlend blauen Himmel. Seine scharfen Augen suchten nach dem
Einsatzkommando, das er zu seiner Rettung von der Erde angefordert hatte. Außer ein paar hoch in der Atmosphäre entlangziehenden laktonischen Trakonkreuzern entdeckte er nichts. Der Stachelring der Semibioten wurde immer enger . . . * Fliegende Robot-Kameras und ferngesteuerte Masseorter untersuchten jeden Fußbreit des roten Planeten. Die Laktonen Percip und Bekoval begleiteten Rex Corda. Sie befanden sich an Bord eines Suchschiffes. „Noch immer keine Spur?" fragte Rex Corda und beugte sich über Percip, der an den Kontrollen hantierte. Der Laktone schüttelte den Kopf. „Durch die letzte Schlacht im Sonnensystem existieren noch zu viele Wärmefelder. Die nachträgliche Ortung der Fluchtbahn von Sigam Agelon ist dadurch vollkommen unmöglich geworden." „Wir verschwenden unsere Zeit", sagte Rex Corda. „Wenn Sigam Agelon sich irgendwie verstecken wollte, dann nur auf der Erde!" Er wußte, daß Bekoval anderer Meinung war. Der große schwere Laktone mit der breiten Nase hatte sich der Meinung seines Oberbefehlshabers Jakto Javan angeschlossen. Nur Percip war inzwischen schon halb überzeugt. „Wieviel haben wir noch?" fragte Rex Corda. Percip hob den Kopf. „Wir sind jetzt beim letzten Quadranten. Sie sehen selbst, daß ständig Meldungen von den anderen Raumschiffen eingehen. Ehe wir den Mars nicht gründlich untersucht
haben, dürfen wir auf Befehl von Jakto Javan das Venuskommando nicht unterstützen." „Hoffentlich passiert das bald", sagte Rex Corda. Er war ungeduldig. Er wollte die Suche so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er mußte zur Erde zurück. Die Erde brauchte ihn jetzt nötiger als je zuvor. „Unbekanntes Objekt — unbekanntes Objekt!" gellte es plötzlich aus den Mas-seortern. Rex Corda schwang herum. Er starrte auf die automatischen Anzeigen. Dreidimensional und plastisch erschien das Bild eines winzigen kugelförmigen Raumkörpers. Relaisschalter klickten, das schrille Summen der Positionsgehirne steigerte sich. Percips Kopf ruckte herum. Er warf seine Faust nach vorn und schmetterte sie mit voller Wucht auf einen roten Hebel. Alarmsirenen gellten durch das Schiff. Sofort verstärkte sich das Stampfen und Vibrieren der Andruckneutralisatoren. „An Kommandant — an Kommandant — Raummine im Kontaktbereich — ich wiederhole — Raummine im Kontaktbereich." Jetzt verstand Rex Corda. Das war kein Raumschiff, sondern eine nicht detonierte Raummine der Orathonen . .. Die Laktonen hatten sich zu sehr auf die Suche nach Sigam Agelon konzentriert. Raumminen besaßen keine Eigenausstrahlung. Sie konnten nur durch die Masseorter an Bord der Raumschiffe festgestellt werden. Das war geschehen. Aber anscheinend zu spät. Die Raummine mit dem Automatikspürkopf kam rasend schnell auf den Trakonkreuzer zu. Das gewaltige Schiff
machte einen Satz. Corda taumelte. Die Andruckneutralisatoren arbeiteten. Aber nicht gut genug. Sie waren noch nicht auf Höchstleistung. Rex Corda klammerte sich krampfhaft an den Verstrebungen fest, rutschte mit den Fingern ab und wurde zur Seite geschleudert. Mit dem Rücken knallte er gegen ein Kontrollbord. Er stieß mit dem Ellbogen gegen eine Batterie von Kontrollschaltern. Zwei der Hebel brachen ab. Das Raumschiff raste auf den Mars zu. Der Laktone Percip stemmte sich hoch. Er arbeitete sich mit verzerrtem Gesicht auf Rex Corda zu. Er konnte den Andruck besser ertragen. Irgend etwas stimmte nicht. Die Automatik arbeitete unregelmäßig. Zu unregelmäßig. Der Minenblindgänger hängte sich an das Raumschiff. Er verfolgte es. Ein Fehler hatte die Mine während der Schlacht nicht detonieren lassen. Aber jetzt funktionierte sie wieder. Mit dem Spürkopf nahm das hochempfindliche Steuerungssystem der orathonischen Raummine den Schubstrahl des Trakonkreuzers in sich auf, registrierte ihn und aktivierte dadurch den Eigenantrieb. Der Laktone Percip erreichte Rex Corda. Er griff nach den Armen von Corda und zog ihn mit einer gewaltigen Anstrengung von den Kontrollen. Er ließ ihn in einen Sessel fallen. Dann stemmte er sich mit beiden Armen gegen die Skalenpulte. Seine starken Finger glitten über die Hebel. Er stieß einen erschreckten Ruf aus. Sie befanden sich in der Nebenzentrale des riesigen Raumschiffs. Von hier aus konnten alle Kontrollen des Schiffes bedient werden. Durch den plötzlichen Andruck hatte
Andruck hatte Rex Corda einen der Haupthebel zerstört. . . Jetzt konnte nur noch die Hauptzentrale eine Änderung des Fluges herbeiführen. Rex Corda kapierte sofort, was passiert war. Er biß die Zähne zusammen. Percip bemühte sich, über das Bordnetz den Kommandanten zu erreichen. Die Zentrale schwieg. Die Mine der Orathonen näherte sich dem laktonischen Raumschiff. Percip schimpfte leise vor sich hin. Er keuchte. Er stemmte sich gegen das Kontrollpendel und versuchte, gegen die schlecht arbeitenden Andruckneutralisatoren zum Gravolift zu kommen. Warum mußten gerade jetzt die Neutralisatoren fehlerhaft arbeiten? Da schlug sich Percip plötzlich vor die Stirn. Er hatte begriffen. Er kannte den Typ der Mine. Es war eine neue orathonische Entwicklung, die eine doppelte Wirkung besaß: Sie zerstörte das elektronische System der Raumschiffe, um anschließend zu detonieren. Das konnte jeden Augenblick passieren. Das Schiff stürzte auf den Mars zu. Die Mine verfolgte es. Rex Corda hatte sich gefangen. Er stemmte sich aus dem Sessel und folgte Percip. Ein halbes Dutzend Wracks kreisten in Satellitenbahnen um den Mars. Der Trakonkreuzer näherte sich diesen gigantischen Trümmerstücken. Sie konnten wie eine Ansammlung riesiger Schrapnells wirken. Percip erreichte den Gravolift. Er funktionierte nicht! Rex Corda war inzwischen an der Nottreppe angelangt. Er sah Percips verzweifelte Bemühungen, den Lift in Betrieb zu setzen. Dann handelte er selbst. Gegen den gewaltigen Andruck
stemmte er sich Stufe für Stufe nach oben. Es war nicht das erste Mal, daß er mit einem laktonischen Raumschiff flog. Er kannte längst nicht alle Kontrollen. Aber die wichtigsten Einzelheiten hatte er inzwischen begriffen. Langsam und unter großen Anstrengungen arbeitete sich Rex Corda nach oben. Er keuchte. Schweiß rann über seine Stirn. Er hatte keine Zeit. Mit Fingern, die vor Anstrengung zitterten, zog er sich Stufe für Stufe weiter. Er fluchte innerlich über die Sorglosigkeit, mit der die Laktonen die Suchaktion durchgeführt hatten. Rex Corda erreichte das nächste Deck des Raumschiffs. Er taumelte durch einen schmalen Gang. Mit den Fingern zog er sich an den Handleisten nach vorn. Hinter sich hörte er das Keuchen von Percip. Der Laktone kam nach. Corda taumele in die Zentrale. Der Raum wirkte leer und verlassen. Da sah Rex Corda die Männer, die bewegungslos am Boden lagen. Der Kommandant und die Führungsoffiziere des Schiffs waren von der plötzlichen Beschleunigung überrascht worden. Mit verkrümmten Gliedern und blutig geschlagenen Köpfen lagen sie auf dem Panzerplastboden. Meter für Meter arbeitete sich Rex Corda nach vorn. Auf den Bildschirmen an der gegenüberliegenden Wand sah er die Oberfläche des Planeten Mars. Sie wurde sichtbar größer. Schwarze Schleier tanzten vor Cordas Augen. Der Andruck wurde stärker. Aus den Lautsprechern kam die Stimme des Kynothers Ga-Venga. Niemand antwortete. Kein anderes Schiff kam dem abstürzenden Trakonkreuzer zur Hilfe. Da erreichte Rex Corda das Haupt-
pult. Er zwang sich, seine Arme nach vorn zu bringen. Dann tastete er nach dem Haupthebel. Seine Beine wurden vom Boden weggerissen. Er schwebte schräg im Raum. Mit der linken Hand klammerte er sich am Hauptpult fest. Er versuchte, mit der rechten Hand den Hebel zu erreichen. Sein Gesicht verzerrte sich. Dann glitten seine Finger über den Hebel. Er drückte ihn nach vorn. Langsam — Millimeter für Millimeter . . . Das Heulen der Antriebsaggregate verstummte. Sofort arbeiteten die Neutralisatoren wieder voll. Rex Corda prallte mit einem Ruck gegen das Kontrollpult. Percip wurde gegen ihn geschleudert. Seine Knie stießen in Cordas Rücken. Rex stöhnte. Aber dann grinste er zufrieden. Percip schwang sich in den Sessel des Piloten, der besinnungslos auf der Erde lag. Es ging um Sekunden. Mit fliegenden Fingern brachte Percip das Schiff wieder unter Kontrolle. Aber noch war die Gefahr nicht gebannt. Die Mine folgte ihnen noch immer. Der Abstand zum Raumschiff der Laktonen betrug nur noch drei Kilometer. „In den Sessel!" rief Percip hastig. Rex Corda verstand. Er stemmte sich hoch. Er ließ sich in einen Andrucksessel fallen. Keine Sekunde zu spät. Im gleichen Augenblick heulten die Antriebsaggregate wieder auf. Mit schnellen Bewegungen beschleunigte Percip das Schiff. Er stieß weiter auf die Marsoberfläche vor. Aber diesmal kontrolliert. Auf der Gradskala vor ihm war zu sehen, wie das Schiff sich langsam, aber stetig zur Seite bewegte. Es beschrieb einen großen flachen Bogen. Die Marsoberfläche wanderte aus den Bildschir-
men. Vier Sekunden später hatte es Percip geschafft. Das Schiff arbeitete normal. Nur die Andruckneutralisatoren brachten noch immer nicht mehr als die halbe Leistung. Die laktonischen Offiziere wachten auf. Rex Corda merkte es. Er berührte Percip an der Schulter. Percip blickte zur Seite. „Feuerleitzentrale!" rief er hastig. Der laktonische Offizier in ihrer Nähe brauchte einige Sekunden, bis er verstanden hatte. Dann ging alles sehr schnell. Der Laktone lief zu den Kontrollen, die die Waffensysteme des gewaltigen Raumschiffs lenkten. Er blickte auf die Bildschirme und sah die Raummine der Orathonen. Sie folgte noch immer dem Trakonkreuzer. Der laktonische Offizier brauchte keine Befehle. Er handelte. Ein leises Beben ging durch die Kabine, als eine Serie von acht Raketen den Trakonkreuzer verließ. Das automatische Lenksystem der Raummine sprach an. Sie wich den Raketen aus. Dann stürzte sie mit voller Beschleunigung auf den Trakonkreuzer zu. Rex Corda spürte, wie das Blut in seinen Adern gerann. * Das zweite Suchkommando stoppte über der Atmosphäre der Venus. Es bestand aus fast tausend Trakonkreuzern. Im Innern des Leitschiffes herrschte eine angespannte Atmosphäre. Troglo Varas und der Synoptiker Latak Decimo blickten sich wütend an. „Wir werden nicht landen", sagte Troglo Varas.
„Das müssen Sie schon mir überlassen", gab der Synoptiker gereizt zurück. „Ich habe hier die Kommandogewalt." Der junge Synoptiker war von Jakto Javan eingesetzt worden, um die Suchaktion auf dem Planeten Venus zu leiten. „Das ist es ja eben!" fauchte der Sicherheitsoffizier wütend. Er biß auf seine Lippen. Er hatte schließlich das Wrack des orathonischen Flaggschiffs entdeckt. Ihm gebührte der Ruhm, Sigam Agelon zu finden. Den ersten Schritt zur Beförderung hatte er bereits getan. „Fangen wir ah", sagte Troglo Varas mit einem Unterton in der Stimme, der Latak Decimo eigentlich hätte warnen müssen. Aber der Wissenschaftler hatte keine Erfahrung im Kampf um Machtpositionen und militärische Ränge. Ihn interessierte nur das Problem, das er zu lösen hatte. Er sah die Suche nach Sigam Agelon als einen Forschungsauftrag an. Einen Auftrag, der seine Fähigkeiten unter Beweis stellen sollte. Mehr nicht. Troglo Varas und Latak Decimo sprachen nur das Nötigste miteinander. Auch ihre Offiziere merkten, daß diese beiden Männer sich nicht verstanden. Das Suchkommando der laktonischen Trakonkreuzer nahm Kurs auf die Venusoberfläche. Auf den Bildschirmen der Holografen tauchte der geheimnisvolle, wolkenverhangene Planet zwischen Erde und Merkur auf. Wegen der dichten Atmosphäre des erdähnlichen Planeten, der mit zwölftausendsechshundert Kilometern fast den gleichen Äquatordurchmesser wie die Erde besaß, hatte Sigam Agelon hier eine bessere Möglichkeit, sich zu verstecken, als auf dem Mars. Die Trakonkreuzer näherten sich der Venus. Der Abstand betrug jetzt dreitausend Kilometer. Auf ein Zeichen von
Troglo Varas schwärmten sie aus. Sie umschlossen die Venus mit einem lükkenlosen Netz. Latak Decimo richtete sich auf. „Kein Raumschiff wird landen!" befahl er. Die Schiffe stießen in die äußere Atmosphäre ein und verringerten dann erst ihre Geschwindigkeit. Troglo Varas grinste gehässig. Er ließ es auf einen Machtkampf ankommen. „Was ergeben die ersten Ortungen?" fragte Latak Decimo. Troglo Varas antwortete nicht. „Ich habe gefragt, was die Ortungen ergeben?" sagte Latak Decimo betont. Troglo Varas richtete sich auf. „Sie verstehen ebenso viel von den Geräten wie ich", sagte er kalt. „Sehen Sie selbst nach!" Troglo Varas lächelte böse. Latak Decimo übersah es. Er ließ die Rechenergebnisse der Masseorter durch seine Finger gleiten. Überall auf der Planetenoberfläche befanden sich Wracks. Abgestürzte Wracks von Orathonen und Laktonen, die nicht in der Atmosphäre verglüht waren. „Wir werden landen und jedes Wrack einzeln untersuchen", erklärte Troglo Varas. Latak Decimo schüttelte den Kopf. Er vertraute seinen Geräten. Er glaubte nicht, daß sich auch nur ein intelligentes Wesen auf der Planetenoberfläche aufhalten konnte, das nicht von den Ortern gefunden wurde. „Immer dasselbe, wenn Wissenschaftler das Kommando übernehmen", fauchte Troglo Varas. „Sie haben keine Ahnung, wie man ein Raumschiff landet und wo ein Landeplatz ist. Haben Sie etwa davor Angst?" „Ich habe keine Angst", sagte Latak Decimo ruhig und drehte sich um. Er
wußte, daß Troglo Varas ihm jederzeit ein Bein stellen konnte. Er durfte sich nicht den kleinsten Fehler leisten. Es gab nur ein Ziel, das alle Schritte rechtfertigte: Sie mußten Sigam Agelon finden. In diesem Augenblick gab Troglo Varas den endgültigen Landebefehl. Grinsend blickten die übrigen Offiziere auf den hilflos in der Kommandozentrale stehenden Wissenschaftler. Gegen den Widerstand der geschlossen auftretenden laktonischen Soldaten und Offiziere konnte er als Wissenschaftler nichts ausrichten. Er ballte die Fäuste und drehte sich wortlos um. Er ging zu den Kommadogeräten. Da stellte sich ein laktonischer Offizier in seinen Weg. „Darf ich Ihnen behilflich sein?" fragte er mit einem sardonischen Grinsen. Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich. „Ich werde Jakto Javan Bericht erstatten", sagte Latak Decimo leise. Hinter seinem Rücken lachte der Sicherheitsoffizier Troglo Varas höhnisch auf. Latak Decimo schwang herum. Er starrte den laktonischen Offizier an. Er wußte, daß die Offiziere in der Zentrale ihn haßten und gleichzeitig Angst vor ihm hatten. Er lächelte leicht. Hochaufgerichtet stand er vor Troglo Varas. „Haben Sie auch nur einen einzigen Zeugen?" fragte Troglo Varas kalt. Latak Decimo wußte plötzlich, was gespielt wurde. Er war kein Offizier. Erst jetzt begriff er, daß der gnadenlose Krieg gegen die Orathonen auch die laktonischen Offiziere hart gemacht hatte. „Was haben Sie vor?" keuchte er.
Troglo Varas hob die Schultern. „Sie werden einen Unfall haben, Decimo, einen bedauerlichen Unfall..." „Mörder!" rief Latak Decimo kalt. Die übrigen Offiziere in der Zentrale lachten. Es klang nicht sehr glücklich, aber sie alle wußten, daß Troglo Varas einer der kommenden Männer in der Hierarchie der laktonischen Flotte war. Trotzdem gab es einige laktonische Offiziere, die den Wissenschaftlern das gleiche Mißtrauen entgegenbrachten wie Troglo Varas. Aber sie wollten keine Mörder sein. Die begreifliche Wut des Sicherheitsoffiziers über die Zurücksetzung durch Jakto Javan durfte nicht an dem Wissenschaftler ausgelassen werden. „Lassen Sie das, Varas", sagte der Nachrichtenoffizier des Trakonkreuzers. Troglo Varas schwang herum. Er biß die Zähne zusammen. „Das ist meine Sache", erklärte er kalt. Erst jetzt begriffen die übrigen Offiziere, daß Latak Decimo keine Chance hatte. Aber niemals würde zu beweisen sein, daß der Synoptiker nicht tatsächlich ein bedauerliches Opfer eines Unfalls gewesen war. Sie wußten auch, daß Troglo Varas viel zu gerissen war, um den Wissenschaftler direkt umzubringen. Es gab andere Wege ... * Mit verzweifelter Hast schaufelten die orathonischen Offiziere den Diskus frei. Sie schwitzten unter der heißen stechenden Sonne, die senkrecht über den Bahamas stand. Immer wieder mußten sie ihre Arbeit unterbrechen. Laktonische Raumschiffe aller Arten kreuzten unablässig über den Bahamas. Sigam Agelon hatte selbst die Beobachtung des Luftraums übernom-
men, damit die Soldaten den Diskus freilegen konnten. Die von semibiotischen Kolonien eingeschlossene Lichtung war inzwischen auf einen Platz von hundertsiebzig Meter Durchmesser zusammengeschrumpft. Das ständige Knacken der langen Stachelarme zerrte an den Nerven der Orathonen. Aber sie blieben innerlich kalt, auch wenn ihre Körper erhitzt waren. Niemals gab ein Orathone den Kampf auf. Solange noch die geringste Chance bestand. Sie mußten den Diskus frei bekommen, um für Sigam Agelon ein Ausweichquartier zu finden. Einen Platz, an dem ihn das Rettungskommando erreichte. Das ständige Knacken steigerte sich zu einem wilden Crescendo. Die letzten Palmen am Rand der Lichtung brachen krachend zusammen. Die semibiotische Kolonie wuchs immer schneller. Sigam Agelon trat von einem Bein aufs andere. Sein Gesicht verhärtete sich. Mit starren Augen suchte er den blauen Himmel ab. Er fürchtete sich nicht, aber er kannte die Gefahr, in der er schwebte. Er blickte kurz zu den drei schaufelnden Offizieren hinüber. „Schneller!" zischte er kalt. Dann überwucherten die Stachelarme die letzten braungrünen Palmwedel. Jetzt gab es auf der Insel nur noch das häßliche stumpfe Grau der semibiotischen Stachelarme. Sigam Agelon starrte auf die Todesmauer. Noch hundert Meter ... * Der Trakonkreuzer raste durch den Trümmerring aus zerstörten Raumschiffen. Percip wagte das Unmögliche. Er ak-
tivierte die Schutzschirme. Es prasselte wie Hagel in den Lautsprechern. Da erreichte die orathonische Mine das Trümmerfeld. Geblendet schloß Rex Corda die Augen. Auf den Holografen erschien das Bild einer neuen grellen Sonne. Die thermonukleare Raummine der Orathonen erfüllte über die Bildschirme die Zentrale des Trakonkreuzers mit gleißend hellem Licht. Rex Corda stieß die Luft zwischen den Zähnen hindurch. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Dann grinste er Percip an. „Hat jemand etwas gesagt?" fragte er. Percip schüttelte den Kopf. „Nicht daß ich wüßte", sagte er und lächelte ebenfalls. „Eine kleine Unterbrechung, mehr nicht." Auch die Supertechnik der Laktonen war nicht fehlerfrei! Rex Corda lachte. So kannte er Percip, und so gefiel ihm der Laktone. „Wie wäre es mit einem Stellungswechsel? Ich glaube, daß der Rest dieses Planeten von den übrigen Trakonkreuzern untersucht werden kann. Was meinen Sie, fliegen wir zur Venus?" Percip nickte. „Dort hat Troglo Varas das Kommando. Ich kenne ihn. Er wird nicht sehr erfreut sein, wenn wir plötzlich und ohne Befehl dort auftauchen." „Nach meiner Meinung hat Latak Decimo das Oberkommando", erklärte Rex Corda. „Richtig. Den hatte ich ganz vergessen." „Das scheint bei Ihnen so Sitte zu sein", sagte Rex Corda kopfschüttelnd. „Wie meinen Sie das?" „Ich meine Latak Decimo. Auf Lakton gilt ein Wissenschaftler nicht sehr viel. Das habe ich inzwischen
mitbekommen." Percip antwortete nicht. Da kam Ga-Venga aus dem Lift. Der knabenhafte Kynother trug eine schwarze Bluse mit einem knallroten Brustkeil. „Sagen Sie mal, Senator", fragte er, „Sie stecken doch nicht zufällig mit Sigam Agelon unter einer Decke?" Rex Corda lachte schallend. Der Kynother hob die Schultern. „Ganz so abwegig ist das nicht. Man könnte nämlich meinen, daß die Sache mit den abgebrochenen Hebeln Absicht gewesen ist." „Das glauben Sie doch nicht im Ernst." „Natürlich nicht", grinste Ga-Venga, „aber im Krieg ist alles möglich." „Wieso Krieg?" fragte Rex Corda erstaunt. „Den haben Sie doch bereits verloren." Percip runzelte die Brauen. Er blickte Rex Corda an. Dann sagte er kühl: „Das mag Ihre Meinung sein. Aber ich würde nicht raten, sie allzu laut zu verbreiten." Rex Corda schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, daß ich unrecht habe und Lakton doch noch diesen Krieg gewinnt. Aber wie wollen Sie es anfangen, aus der Mausefalle zu entkommen?" „Wir müssen Sigam Agelon finden. Dann ergibt sich alles Weitere." „Klammert euch doch nicht an diesen einen Mann!" sagte Rex Corda ärgerlich. „Wer sagt uns, daß sich irgend etwas ändert, wenn wir ihn gefunden haben. Auch ein Sigam Agelon kann den Schrumpfungsprozeß des energetischen Kugelfeldes nicht aufhalten. Sigam Agelon dürfte keinerlei Möglichkeiten haben, den Untergang dieses Sonnensystems zu verhindern. Darüber sollten wir uns klar sein." „Er selbst vielleicht nicht", gab Per-
cip zu. „Aber er wird wissen, wie er aus dem Sonnensystem heraus kommt." Eine Staffel laktonischer Raumschiffe flog über die Bahamas. In den zentralen Beobachtungsständen hockten laktonische Offiziere hinter Kontrollgeräten und Bildschirmen. Jeder Meter des Wassers wurde abgesucht. Über den Inseln verharrten die Raumschiffe und verteilten sich. Jede Klippe, jedes Riff und jede noch so kleine Erhebung wurde elektronisch erfaßt. Es ging relativ schnell. Ein laktonisches Raumschiff erreichte Mayaguana und nahm die Untersuchung auf. Die Offiziere vor den Bildschirmen betrachteten von oben die Insel und werteten die Angaben aus. Da entdeckte einer der Offiziere einen grauen Ring um die Insel. Sofort wußte er, was es war. „Eine semibiotische Kolonie!" rief er in die Mikrofone. Die anderen Offiziere in der Zentrale blickten auf. Sie starrten auf den grauen Ring, der die Insel Mayaguana umschlossen hatte. „Tatsächlich. Semibioten! Die Orathonen müssen sie vergessen haben." „Wahrscheinlich handelt es sich um Grundkolonien, die hier in diesen günstigen Gewässern angelegt wurden." „Möglich. Auf jeden Fall würde sich Sigam Agelon bestimmt nicht hierher retten." „Wir fliegen weiter", befahl der Kommandant. Das Raumschiff der Laktonen brach die Untersuchung der Insel ab und schwebte weiter nach Nordwesten. Zwei kleinere Inseln wurden überflogen. Dann waren sie über Sansalvadore. Die Offiziere blickten ihren Kommandanten an. Er nickte. „Untersuchen!" befahl er.
* Hastig kletterte Sigam Agelon in den freigelegten Diskus. Der semibiotische Ring hatte sich bis auf vierzig Meter um den Diskus herumgeschlossen. Sigam Agelon blickte nicht zurück. Dieses Kapitel war für ihn erledigt. Sofort begab er sich zur Zentrale des kleinen Raumschiffes. Der wendige Diskusraumer war nur beschränkt manöverierfähig. Viel lieber als den nur zwanzig Meter im Durchmesser großen Pon-Typ hätte Sigam Agelon jetzt einen AVT gehabt. Aber er konnte nicht wählen. Er besaß Hunderttausende von Raumschiffen. Aber die befanden sich außerhalb des Sonnensystems. Grimmig dachte Agelon daran, daß er in dieser entscheidenden Stunde auf die kleinste Flugeinheit seiner Flotte angewiesen war. Allmählich stieg Wut in ihm auf. Er konnte nicht verstehen, daß das Einsatzkommando so lange auf sich warten ließ. Er warf sich in den Sessel. Dann gab er den Befehl zum Start. Einer seiner Offiziere ließ den Antrieb warmlaufen. Dann erhob sich der Diskus leicht torkelnd in die azurblaue Luft. Im gleichen Augenblick entdeckte der zweite Offizier schräg über ihnen einen Trakonkreuzer. Er stieß einen schrillen Warnruf aus. Sofort ging der Pilot des Diskusraumers tiefer. Dicht über der türkisfarbenen Wasseroberfläche jagte der kleine wendige Diskus auf eine der nächsten Inseln zu. Sie mußten so schnell wie möglich wieder festen Boden unter die Füße bekommen. Die stotternd arbeitenden Antriebsaggregate waren zu verräterisch.
Der kleine Raumer der Orathonen jagte nach Süden. Er ging auf Höchstgeschwindigkeit. Kaum zehn Meter über dem Wasser raste er auf Little Inagua zu. Die Insel war nur knapp fünfzehn Kilometer breit. Sie bestand nur aus Sand und einigen oasenartig aus den Senken hervorragenden Palmengruppen. In diesem Augenblick schien der Trakonkreuzer den fliehenden Diskus bemerkt zu haben. Auf den Bildschirmen sahen die Orathonen, wie der Trakonkreuzer der Laktonen Südostkurs nahm. „Scharfe Landung!" befahl Sigam Agelon kalt. Jetzt kam es auf Sekunden an. Wenn der Trakonkreuzer die Ausstrahlungen des Antriebs ortete, war es zu spät. Dieses Risiko wollte der Oberbefehlshaber der orathonischen Flotte nicht eingehen. Er schnallte sich in seiner Sitzschale fest. Der als Pilot eingesetzte Offizier jagte den Diskus auf Little Inagua zu. Dann ließ er den Raumer auf den Wellen aufsetzen. Wie ein flacher Stein schleuderte der Diskus auf den nur wenige hundert Meter entfernten Strand zu. Da tauchten plötzlich kaum sichtbare Klippen aus der Wasseroberfläche auf. Sofort riß der Offizier den Diskus wieder hoch. Das kleine Raumboot stieg schwerfällig in die Luft, um gleich darauf auf Little Inagua zu stürzen. Grell kreischten die Andruckneutralisatoren. Sigam Agelons Augen wurden schmal. Noch einmal riß der Pilot den Diskus hoch. Er konnte aber nicht mehr verhindern, daß die Scheibe im spitzen Winkel hart auf den sandigen Boden prallte und eine breite schwarzglänzende Furche hinter sich herzog. Fast augenblicklich verstummte der Antrieb. Der Diskus schlingerte über die Dünen. Dann raste er auf eine
Palmengruppe zu. Es waren nur vier Bäume, die in einer flachen Senke zweihundert Meter von der Küste entfernt standen. Aber diese vier Palmen reichten aus, um den Diskus endgültig zu stoppen. * Die Flotte der Orathonen verharrte in geordneten Formationen außerhalb der fünfdimensionalen Energiewand um das Sonnensystem. Der Triumph der Orathonen, die verhaßten Laktonen in der Falle zu haben, spiegelte sich auf den breiten Gesichtern der Featherheads. Überall zwischen Soldaten und Offizieren der Orathonen kam es zu Diskussionen über die Wirksamkeit des Kugelfeldes. Techniker und Wissenschaftler der aggressivsten Rasse aus den Tiefen der Galaxis genossen mit tiefer Befriedigung den Erfolg. Die laktonische Flotte war gefangen. Die Vernichtung der Laktonen würde die Orathonen nicht ein einziges Raumschiff kosten ... Mit grausamer Präzision zog sich die fünfdimensionale Energiemauer um das Sonnensystem war zusammen. Der Ring der Vernichtung war undurchdringlich. * Der Neger spuckte ein Streichholz aus. Dann stieß er sich mit den Schultern von der rauhen schmutzigen Wand ab und schlenderte langsam über die Straße. Sie war wie immer um diese Zeit leer und verlassen. Die Sonne brannte heiß auf die pastellfarbenen Häuser von Nassau. Die Stadt wirkte wie ein verschlafenes Nest aus dem vorigen Jahrhundert. Hier war
nichts von Orathonen und Laktonen zu spüren, die überall auf der Erde Verwirrung und Angst hervorgerufen hatten. Der Neger schlenderte in Richtung Strand. Er ging an altmodisch wirkenden Hotels vorbei, in deren jetzt blinden Fenstern sich die Sonne spiegelte. Nassau war von den Orathonen evakuiert worden, um Raum für die Anpflanzungen semibiotischer Kolonien im Umkreis der Insel zu schaffen. Der Neger blickte zum Horizont. Im Westen verfärbte sich der Himmel. Der Neger kannte die Zeichen. Ein Sturm war im Kommen. Gelangweilt schlenderte er an einem verschlafenen Polizeiposten vorbei, der so gut wie nichts mehr zu tun hatte. Dann verschwand er unter einer Markise in einem Hoteleingang. Sofort wurden seine Bewegungen lebendiger. Er schloß eine versperrte Tür auf, dann tastete er durch das Dunkel eines Treppenhauses. Plötzlich blendete ihn der helle Strahl eines Scheinwerfers. Er hob beide Hände und zeigte die leeren Handflächen. Der Strahl wanderte zur Seite. Der Neger ließ sich auf eine rohgezimmerte Holzbank fallen. „Was haben Sie erreicht?" fragte eine hohe schrille Stimme. Der Neger zuckte die Schultern. „Nichts", sagte er ruhig. Der Scheinwerferstrahl glitt zur Decke und verharrte. Jetzt konnte der Neger seinen Gesprächspartner sehen. Er hatte eine grünlich schimmernde Haut und dunkle Federn auf dem Kopf. „Aber er muß sich in dieser Gegend befinden", sagte der Orathone mit einem merkwürdigen Akzent. Wieder hob der Neger die Schultern. „Machen Sie Ihre Sache allein. Ich habe keine Lust mehr. Zu anstrengend, verstehen Sie?" Der orathonische Agent stieß einen
Zischlaut aus. Er brauchte Mitarbeiter der Erde. Allein konnte er ohne Tarnung nicht operieren. Er war ausgesetzt worden, um den genauen Standort von Sigam Agelon zu finden. Bis jetzt hatte er keinen Erfolg gehabt. Der Strahler sprang in seine Hand. Aus halbgeschlossenen Augenlidern beobachtete der Neger den Featherhead. Aber es hätte dieser Drohung nicht bedurft. Der Neger spürte plötzlich das schmerzhafte Ziehen in seinem Hinterkopf. Eben noch hatte er aufgeben wollen. Jetzt veränderte sich seine Stimmung plötzlich, und er fühlte, daß er dem Featherhead helfen mußte. Er wehrte sich für Sekundenbruchteile gegen den unheimlichen Zwang. Dann verlor er den Kampf. Der semibiotische Konduktor im Gehirn des Negers machte ihn zu einem willenlosen Werkzeug des Orathonen. Der Featherhead hatte sich seinen Mitarbeiter nur nach dem Körperbau ausgesucht. Er hatte vergessen, daß die kräftigsten Terraner nicht immer die intelligentesten waren. Das war ein Fehler gewesen, der jetzt kaum noch gutzumachen war. Der orathonische Agent hatte damit eine Menge Zeit verspielt. Zeit, die nicht wieder aufzuholen war. Mit einem ärgerlichen Zischen richtete sich der Orathone auf. Der Neger glitt von der Holzbank und fiel auf die Knie. Er zeigte dieselbe Reaktion wie alle anderen Lebewesen, denen semibiotische Konduktoren ins Hirn eingepflanzt worden waren. Er konnte nicht anders. Er mußte dem Featherhead dienen und dessen Befehle befolgen. Da wurde an den obersten Stufen der Treppe ein Geräusch laut. Der Orathone schwang herum. Er riß den Scheinwerfer vom Boden und richtete ihn auf die Tür. Langsam bewegte sich die Klinke
nach unten. Augenblicklich schoß der orathonische Agent. Aber er reagierte eine Zehntelsekunde zu spät. Die MP-Garbe prasselte durch die geschlossene Tür. Sie riß dem Orathonen die Waffe aus der Hand. Dunkles Blut quoll aus dem Unterarm des verletzten Agenten. Gleichzeitig wurde die Tür aufgerissen. Drei Männer in Tropenuniformen stürmten über die Treppe. Mit einem gewaltigen Satz versuchte der orathonische Agent zu fliehen. Der Kolben einer Maschinenpistole knallte auf seinen gefiederten Kopf. Der stämmige Orathone knickte in den Knien ein. Dann fiel er den drei Polizisten in die Arme. Sofort brachten sie ihn nach draußen. Sie schafften ihn zu einem Sonnengleiter, der augenblicklich startete. Über Funk wurde die Meldung von der Gefangennahme eines verletzten Orathonen an das Hauptquartier in den Rocky Mountains weitergegeben. Zum erstenmal seit der großen Schlacht war ein Orathone lebend in Gefangenschaft geraten. * In höchster Anspannung hockten die orathonischen Offiziere des Sonderkommandos vor den Kontrollgeräten. Über dem ganzen Raumer lag eine bleierne Stimmung. Sie brachte zum Ausdruck, für wie wichtig die Featherheads ihre Mission ansahen. Da tauchte plötzlich knapp fünfzigtausend Kilometer erdwärts ein laktonischer Trakonkreuzer auf. Sofort wurden alle Antriebsaggregate auf Null geschaltet. Selbst die Innenbeleuchtung des Raumschiffes verlosch. Das Sonderkommando durfte nicht den geringsten Verdacht erregen.
Der Trakonraumer näherte sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Jetzt war der als Wrack getarnte Hantelraumer der Orathonen Freiwild. Nur der Verdacht genügte, um aus dem Raumschiff eine wehrlose Zielscheibe zu machen. Die Gefiederten hockten schweigend hinter ihren Geräten. Nur zwei Polvisionsschirme arbeiteten. Sie wurden aus abgeschirmten Batterien gespeist. Auf dem laktonischen Kreuzer, der den Kurs des Orathonen-Wracks schnitt, befand sich der laktonische Offizier Troglo Varas. Er hatte nach dem ergebnislosen Versuch, Sigam Agelon auf der Venus zu finden, die Suchflotte zur Erde beordert. Er wußte, daß er damit ein Risiko einging. Wenn Jakto Javan nach dem verschollenen Lakto Decimo fragte, mußte er eine plausible Antwort geben. Er kannte die Maßnahmen, die der Oberbefehlshaber ergreifen würde, wenn auf ihn nur der geringste Verdacht fiel. Für Troglo Varas hatte der Krieg ebenso neue Gesetze geschaffen wie für alle anderen Laktonen und Orathonen. Sie waren einfach und grausam. Als das Wrack des orathonischen Raumschiffes auf den laktonischen Bildschirmen auftauchte, fand Troglo Varas absolut nichts Außergewöhnliches an den zerfetzten Hüllen des Hantelraumers. Eine der beiden Kugeln war nur noch zur Hälfte vorhanden. Der Rest bestand aus zerfetzten und zersplitterten Metallverstrebungen, die an den Stellen, an denen der letzte Schuß das orathonische Raumschiff getroffen hatte, zu dichten glänzenden Metallkugeln zusammengeschmolzen waren. Troglo Varas betrachtete nachdenklich das Wrack. So sahen die meisten Schiffe aus, die als Opfer des Krieges
zwischen den Sternen trieben. Monumentale Wracks, verbrannte Planeten und sterbende Sonnen — das war die Bilanz dieses grausamen Krieges. Troglo Varas ließ aus irgendeinem undefinierbaren Grund den Kurs des Wracks berechnen. Er warf einen Blick auf die Zahlenkolonnen der Elektronenrechner, während er immer wieder auf die Bildschirme blickte. Das Schiff trieb in Richtung Erde. Vermutlich würde es irgendwo in der Atmosphäre von Terra endgültig verglühen. Troglo Varas wandte sich ab. Das war der größte Fehler seiner Laufbahn. * Die Hitzewelle raste über seinen Körper. Er fühlte sich vollkommen zerschlagen. Das enge Gefängnis seines Raumanzuges war sein einziger Schutz. Jede seiner Bewegungen verursachte ein schmatzendes Geräusch im heißen dampfenden Sumpf des Venusdschungels. Er versuchte, sich nicht zu bewegen. Längst hatte die Klimaanlage in Latak Decimos Raumanzug versagt. Wenn er die Beine anzog, verursachte er damit einen schwachen Luftstrom, der innerhalb seines Raumanzuges an seinem Körper entlangstrich. Das war die einzige Möglichkeit, sich etwas Kühlung zuzufächeln. Er wußte, daß er verloren war. Niemals hätte er sich auf einen Streit mit Troglo Varas einlassen dürfen. Laktonen töteten nicht ohne Grund. Aber auch innerhalb der laktonischen Rasse gab es unterschiedliche Charaktere. Mit schmerzender Klarheit erkannte Latak Decimo, daß Troglo Varas ihn verurteilt hatte, einen grausamen, lang-
samen Tod zu sterben. Er riß die Augen auf und versuchte, durch die beschlagene Sichtscheibe seines Helms etwas von der dampfenden Oberfläche des Planeten zu erkennen. Verzweifelt hantierte er an den Kontrollen seines kleinen Funkgerätes. Es war fest an den Brustpanzer seines Raumanzuges montiert. Latak Decimo wußte, daß die Reichweite zu gering war. Niemals würde er mit den Funkimpulsen des winzigen Gerätes Hilfe herbeirufen können. Die atmosphärischen Störungen innerhalb der Venusatmosphäre über ihm machten jede Verbindung nach außen unmöglich. Sein trainiertes Gehirn suchte nach einem Ausweg. Aber so sehr er sich bemühte, es wollte ihm einfach nicht gelingen, eine vernünftige Lösung zu rinden. Latak Decimo, der junge laktonische Wissenschaftler, bereitete sich innerlich darauf vor, in der einsamen Hölle des Venusdschungels zu sterben. Langsam sank sein Körper tiefer in den Morast. Der dampfende Schlamm hatte bereits die Gürtellinie erreicht. Er wußte nicht, ob er ersticken oder in der Hitze umkommen würde. Diese Frage wurde im Angesicht des Todes bedeutungslos . . . Latak Decimo keuchte. Er versuchte, die Sekunden zu zählen. Er konnte nicht einmal auf seine Uhr sehen. Langsam verlor er jedes Zeitgefühl. Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Latak Decimo verlor vorübergehend das Bewußtsein. Dann wachte er mit einem Ruck wieder auf. Seine Augen tränten. Wurde die Luft noch schlechter? Er fühlte, daß er seine Ruhe verlor. Die aufkommende Panikstimmung kroch durch seine Adern. Sie lähmte seine Willenskraft. Es ging zu Ende mit
ihm. Er hob den rechten Arm aus dem Schlamm und schaltete das Funkgerät aus. Es hatte keinen Zweck mehr. Latak Decimo schloß die Augen. * Troglo Varas meldete sich zur Berichterstattung bei Jakto Javan an. Der Oberbefehlshaber der laktonischen Flotte hatte alle Hände voll zu tun, um die ständig einlaufenden Meldungen seiner Schiffe überprüfen zu lassen. Er wußte, daß er in Zeitdruck war. Trotzdem empfing er Troglo Varas. Troglo Varas wirkte unruhig. Er wußte, daß sein Verhalten nicht korrekt gewesen war. Er dachte an den jungen Wissenschaftler, den er schutzlos in den morastigen Dschungeln der Venus zurückgelassen hatte. Seine Augen verengten sich, dann sagte er: „Wir haben die Venus untersucht. Ohne Ergebnis. Wir verloren auf der Suche den Synoptiker Latak Decimo." „Was heißt das — Sie verloren ihn?" fragte Jakto Javan unwillig. „Er entfernte sich ohne Genehmigung so weit vom Schiff, daß wir ihn nicht mehr orten konnten." Jakto Javan richtete sich auf. Troglo Varas wußte, daß dies der entscheidende Augenblick war. Er mußte vollkommen ruhig wirken. Ihm war bekannt, daß seine Erklärung nicht sehr glaubwürdig wirkte. Trotzdem mußte er dieses Risiko eingehen. „Latak Decimo und ich waren die letzten, die nach der Suche zum Schiff zurückgingen. In einer Nebelbank entfernte sich der Wissenschaftler so weit von mir, daß ich ihn trotz sofort eingesetzter Suchgeräte nicht wiederfand." Jakto Javan schüttelte den Kopf.
„Merkwürdig", sagte er, „äußerst merkwürdig." Er blickte den Sicherheitsoffizier des Trakonraumers an. „Sie waren es doch, der das Kommandogerät von Sigam Agelon gefunden hat." Troglo Varas nickte erfreut. Dieses Thema behagte ihm wesentlich besser. „Wir durchsuchten ein Wrack. Dann hatte ich das Glück, Sigam Agelons Kommandogerät zu finden . . ." „Wir sprechen noch darüber", sagte Jakto Javan mit einer abwehrenden Handbewegung. Ein enttäuschter Ausdruck legte sich auf Troglo Varas' Gesicht. Er hatte mehr erwartet. Immerhin war es ihm gelungen, den Nachweis zu erbringen, daß sich Sigam Agelon, der Oberbefehlshaber der Orathonen, noch im Sonnensystem befand! Er starrte Jakto Javan an. Für Sekundenbruchteile trat ein kaltes Glitzern in seine Augen. Aber sofort beherrschte sich der Sicherheitsoffizier wieder und machte ein unterwürfiges Gesicht. Er war wütend auf Jakto Javan. Jakto Javan beachtete ihn nicht mehr. Er hatte andere Dinge zu tun. Troglo Varas drehte sich um und verließ die Kommandozentrale des laktonischen Oberbefehlshabers. Der Trakonkreuzer mit Rex Corda, Percip und Ga-Venga erreichte die Venusbahn. Kein weiteres laktonisches Raumschiff war zu sehen. Sie alle befanden sich auf der Suche nach Sigam Agelon. Das gesamte Sonnensystem wurde durchkämmt. Der Kreuzer der Laktonen stieß durch die Wolkenbänke, während die Holografen auf Infrarot geschaltet wurden. Hier konnte nicht mit den gleichen Methoden gearbeitet werden wie auf
dem Mars. Aus dem Trakonkreuzer wurden Diskusraumer ausgeschleust. Sie verteilten sich auf genau berechneten Kursen rund um die Venus. Rex Corda und Percip beteiligten sich an der Suche. Sie wußten, daß bereits ein Kommando der Laktonen die Venus untersucht hatte. Trotzdem wollte Percip nicht eher zur Erde zurückkehren, bis auch er die Venus inspiziert hatte. Rex Corda brannte es unter den Nägeln, so schnell wie möglich zur Erde zurückzukommen. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Trotzdem blickte Rex Corda gespannt auf die Bildschirme. Der Gedanke an Sigam Agelon ließ ihn nicht los. Der Orathone mußte wissen, daß die Laktonen Spürgeräte besaßen, mit denen sie jeden Fußbreit Boden untersuchen konnten. Es nützte ihm nichts, sich im Dschungel zu verbergen. Rex Corda traute dem orathonischen Oberbefehlshaber zu, daß er sich nicht darauf einließ, hier in den Dschungeln der Venus unterzutauchen. Das war sinnlos für ihn. Nach der ersten Umrundung des Planeten schüttelte Rex Corda den Kopf. „Es hat keinen Zweck", sagte er. „Wir verschwenden hier unsere Zeit. Zeit, die wir nötig brauchen." „Ich weiß, daß Sie zur Erde zurückwollen", nickte Percip zustimmend, „aber wir mußten dem Auftrag entsprechend erst den Mars und die Venus absuchen. Ich glaube, daß wir jetzt diesen Auftrag erfüllt haben. Wir können zur Erde zurückfliegen. Die anderen Schiffe haben diesen Raumsektor bereits verlassen. Damit ist der Befehl von Jakto Javan befolgt." „Zwar nicht so, wie er es sich vorgestellt hat, aber immerhin den Buchstaben nach", grinste Rex Corda. Percip nickte.
„Okay", sagte er. Rex Corda lachte laut los. „Sie haben sich schon ganz schön an unsere Ausdrucksweise gewöhnt", meinte er. Percip hob die Schultern. „Was bleibt mir übrig, wenn ich möchte, daß Sie mich verstehen." Rex Corda fand, daß dieser Laktone recht sympathisch wirkte. Vielleicht lag es auch nur daran, daß er ihn genauer und besser kannte als alle anderen Laktonen. Percip und Ga-Venga waren die beiden Mitglieder der Invasionsflotten, denen er die meiste Sympathie entgegenbrachte. Das schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Schnell schoß der Diskus auf den Trakonkreuzer zu, der bewegungslos einhundertfünfzig Kilometer über der Oberfläche des Dschungelplaneten schwebte. Es dauerte nur wenige Minuten, dann waren alle laktonischen Diskusraumer wieder vom Großraumschiff der Trakonklasse aufgenommen worden. Die Heckdüsen röhrten, während Percip, Ga-Venga und Rex Corda die Schleusen verließen, um zur Zentrale zu gehen. Noch während sie auf dem Weg zur Zentrale waren, stellten sie plötzlich fest, daß der Antrieb verstummte. „Was ist los?" fragte Rex Corda. Percip blickte zu ihm hinüber. Er hob kurz die Schultern. Dann beschleunigte er seine Schritte. Gemeinsam rannten die drei Männer zur Zentrale. „Was ist passiert?" Der Kommandant des Trakonkreuzers deutete auf ein Tonaufzeichnungsgerät. „Wir haben Impulse empfangen." „Impulse von der Venus?" fragte Rex Corda.
„Nur schwach zwar, aber immerhin so deutlich, daß wir sie registrieren konnten." Rex Corda fühlte, wie eine heiße Welle über seinen Rücken lief. „Sigam Agelon", sagte er leise. Der Kommandant schüttelte den Kopf. „Nein. Einer unserer Wissenschaftler ..." Rex Corda zog die Brauen zusammen. Er sah den Kommandanten fragend an. „Latak Decimo. Ein Synoptiker. Er sendet einen Hilferuf." „Das verstehe ich nicht ganz", meinte Rex Corda kopfschüttelnd. „Was soll dieser Mann allein auf der Oberfläche der Venus?" „Wir können uns nicht darum kümmern. Wahrscheinlich hat er einen Sonderauftrag." „Sie wollen diesen Mann allein auf der Venus zurücklassen?" fragte Rex Corda. „Wir haben keinen Befehl, ihn aufzunehmen." „Seit wann braucht man einen Befehl, einem Hilferuf Folge zu leisten?" fragte Rex Corda scharf. „Tut mir leid", sagte der Kommandant. „Ich habe meine Anweisungen." „Percip, sagen Sie ihm, daß er landen soll." „Tut mir leid, Senator. Ich kann dem Kommandanten keine Befehle erteilen." „Dann verbinden Sie mich mit Jakto Javan", sagte Rex Corda hart. „Auch im Krieg gelten gewisse Regeln. Das war immer so und dürfte sich bisher nicht geändert haben." Percip blickte den Kommandanten an. Dann sah er zu Ga-Venga. Der kleine knabenhafte Kynother nickte. Das Summen der Generatoren und das stän-
dige kaum wahrnehmbare Pfeifgeräusch der Ventilatoren erfüllte die riesige Zentralhalle des Raumschiffes. In diesen Sekunden entschieden die Männer innerhalb des Trakonkreuzers nicht über eine Schlacht, sondern nur über ein einziges Leben. * Der von Westen her aufziehende Hurrikan tobte über der Insel Little Inagua. Eine Windhose riß immer neue Wassermassen aus der aufgewühlten karibischen See. Die wenigen Palmen wurden durcheinandergepeitscht, und der jaulende Sturm jagte über den Sand. Er prasselte gegen die Außenhülle des abgestürzten orathonischen Diskus und verursachte damit ein Geräusch, das Sigam Agelon aufweckte. Ein breiter Streifen geronnenen Blutes verunstaltete das grünliche Gesicht des orathonischen Oberbefehlshabers. Ächzend löste sich Sigam Agelon aus dem Andrucksessel. Er stand auf, taumelte kurz und hatte dann die Gewalt über seinen stämmigen Körper zurückgewonnen. Bis auf die Schnittverletzung an der Stirn war er unversehrt. Im Innern des Diskusraumers herrschte ein diffuses Dämmerlicht. Bis auf einen einzigen Bildschirn waren alle Kontrollgeräte ausgefallen. Das geisterhafte Flackern auf dem Sichtschirm huschte über die Gesichter von Sigam Agelons Offizieren. Agelon rüttelte einen der Offiziere an der Schulter. Mit einem tiefen Seufzer erwachte der orathonische Soldat aus seiner Ohnmacht. Er starrte Sigam Agelon an und brauchte einige Sekunden, bis er kapierte, was geschehen war. Dann schlug er mit der Faust auf den
Verschluß seiner Sicherheitsgurte und sprang auf. Er schwankte kaum merklich, während er vor Sigam Agelon stand. „Sieh nach, was los ist!" befahl Sigam Agelon kalt. „Hier sind wir noch nicht sicher. Die Insel ist zu klein. Sie bietet uns keinen Schutz." Der Offizier lief auf den anderen Orathonen zu. Er rüttelte ihn an den Schultern. Sie alle waren bis auf geringfügige Hautabschürfungen unverletzt. „Untersucht die Insel!" befahl Sigam Agelon. Seine Offiziere sahen ihn entsetzt an. Auf dem unzerstörten Holografen war das Wüten des Orkans sichtbar. „Was ist los?" zischte Sigam Agelon. „In Raumanzügen dürfte der Sturm doch kein Hinderungsgrund sein." Schweigend gehorchten die Männer. Die Offiziere legten Raumanzüge an. „Alles absuchen", befahl Sigam Agelon. „Ich brauche einen Platz, an dem ich die Ankunft des Sonderkommandos erwarten kann. Inzwischen wird der Diskus repariert, um zu einer neuen Insel zu springen." Die Offiziere waren es gewöhnt, Befehle zu empfangen. Innerhalb weniger Minuten stand ein Offizier in der Luftschleuse des Diskusraumers. Die Außenluken wurden durch die Energie der Batterien geöffnet. Dann stampfte er gegen den Sandsturm nach draußen. Schritt für Schritt arbeitete er sich aus der Mulde. Immer wieder peitschten scharfe Böen auf den Mann nieder. Er wurde zu Boden geworfen und auf die Seite gewirbelt. Aber er gab nicht auf. Ein Orathone gab niemals auf. Schritt für Schritt kam er voran. Das Zentrum des Hurrikans hatte die Insel noch nicht erreicht.
Mit seinem massigen, gedrungenen Körper stemmte sich der orathonische Offizier gegen die Kraft des Sturmes, der wütend über die Dünen fegte. Der mit Sigam Agelon zurückbleibende Orathone machte sich sofort an die erste Überprüfung des Diskusraumers. Er war ein hervorragender Techniker. Mit Hilfe von Ersatzeinschüben wechselte er die beim Aufprall zerstörten elektronischen Bauteile aus. Die Beschädigungen erwiesen sich als reparierbar. Während der Arbeit des zurückgebliebenen Offiziers versuchte Sigam Agelon, auf den nur ihm bekannten Frequenzen der orathonischen Flottenführung ein Zeichen von seinen Sonderagenten zu bekommen. Die Lautsprecher blieben stumm. Der Sturm verstärkte sich immer mehr. Ärgerlich wartete Sigam Agelön auf die Rückkehr des ausgesandten Offiziers. Er wußte, daß sich seine Lage zuspitzte. Er konnte es einfach nicht riskieren, länger als unbedingt nötig auf der Erde zu bleiben. Er mußte zurück zu seiner Flotte. Durch das energetische Feld um das Sonnensystem hatte er einen entscheidenden Vorteil in diesem Krieg errungen. Diesen Vorteil mußte er ausnutzen. Er glaubte nicht daran, daß es den Laktonen gelang, das fünfdimensionale Kugelfeld zu sprengen. Dennoch hatte Sigam Agelon gewisse Pläne. Er wollte die laktonische Flotte mitsamt der Erde untergehen sehen. * Rex Corda hatte gewonnen. Die Funkdiskussion mit Jakto Javan war kurz und hart gewesen. Jetzt hatten
die Männer innerhalb des Trakonkreuzers den Befehl, Latak Decimo von der Oberfläche des Dschungelplaneten Venus zu holen. Unter einer Bedingung. Sie durften nicht mehr als zwanzig Minuten Zeit verlieren. Eine neue Gefahr war auf der Erde aufgetaucht — die wuchernden semibiotischen Grundkolonien, die bereits große Teile des Atlantiks bedeckten ... So schnell wie möglich wurde ein Diskusraumer ausgeschleust. Percip und Rex Corda stürzten auf die Oberfläche der Venus zu. Sie folgten den Berechnungen der Computer. Aufgrund der kurzen Aufzeichnungen des Hilferufs kannten sie die Position von Latak Decimo. Sie wußten nicht, ob er noch lebte. Trotzdem versuchten sie ihn zu retten. Der Diskus iagte durch dichte dampfende Nebelfelder. Sie schillerten giftig grün und braun. Dicht über der Venusoberfläche raste der Diskus mit Percip an den Steuerkontrollen auf die Stelle zu, an der sich Latak Decimo befinden mußte. Über Funk ließ sich Percip bis in den betreffenden Sektor führen. Dann nahm er die Geschwindigkeit des Diskus zurück. Der Flugkörper beschrieb eine flache Kurve. Percip kantete den Diskus ab und stieß dann mit verblüffender Exaktheit genau auf die Stelle zu, die von den Elektrogehirnen berechnet worden war. Er schaltete die kleinen transportablen Suchgeräte ein. Gebannt verfolgte Rex Corda das Manöver. Er hatte nicht viel zu tun. Nur wenn Percip ihn bat, die Bildschirme zu überwachen, konnte Rex Corda mit helfen. Dann schwebte der Diskus am Rand einer weiten Sumpffläche senkrecht
über den Ausläufern eines Waldes aus riesigen Schachtelhalmen, haushohen Farnen und mächtigen Bärlappgewächsen. Ein heller Glockenton schlug an. „Dort ist er!" sagte Rex Corda hastig. Percip kippte den Diskus ab. Das raumtüchtige Flugboot tauchte am Rand des Urdschungels auf den Morastsee zu. Schwarzbraune Sumpfblasen öffneten sich und spien farbige Gase aus. Mitten in der brodelnden Hölle schwamm der kaum wahrnehmbare Körper des Synoptikers. Sein Raumanzug hatte die gleiche Farbe angenommen wie der ihn umgebende Sumpf. Percip hantierte geschickt an den Kontrollen. Dann stand der Diskus drei Meter über dem Sumpf. Rex Corda war bereits in einen leichten Raumanzug geschlüpft. Er klappte den durchsichtigen Helm über seinen Kopf und drehte die Verschraubungen zu. Er lief zur Schleuse. Schnell schlug er die Innentür hinter sich zu. Pfeifend entwich die Atemluft aus der Schleuse. Corda wirbelte das Handrad herum und stieß das Schott auf. Er riß ein Plastikseil aus einem Wandschrank und formte eine Schlinge. Dann legte er sich flach auf den schwankenden Boden und versuchte, durch die farbigen Dämpfe hindurch den Körper des laktonischen Wissenschaftlers im Sumpf zu erkennen. Es war schwerer, als er gedacht hatte. Mit bloßen Augen war der Nebel kaum zu durchdringen. Jetzt fehlten die laktonischen Spürgeräte. Alles hing von Percip ab. Nur er konnte beurteilen, ob der Diskus genau über dem bewegungslosen Körper des Synoptikers war. Corda mußte sich darauf verlassen, daß Percip wieder einmal zeigte, wie gut er mit Fahrzeugen um-
gehen konnte. Im Kopfhörer seines Raumhelms hörte er die Stimme des Laktonen. „Wir sind jetzt über ihm", sagte Percip gepreßt. „Ich sehe ihn nicht", antwortete Corda. „Ich gehe tiefer." Eine halbe Minute verstrich. Brodelnd brachen weiße Blasen aus dem Morast. Rex Corda hätte sie mit der Hand erreichen können. So hoch schlugen die Spritzer. Da entdeckte er unter sich das schmutzige, kaum wahrnehmbare Schimmern eines verdreckten Raumanzuges. Sofort ließ er die Schlinge fallen. Er beugte sich weit nach draußen, während er sich mit den Beinen neben der Luke festklammerte. Der Diskus schwankte. Dann wurde das Seil straff. Corda richtete sich halb auf. Er schlang das Plastikseil um das Handrad der Außenluke. Vorsichtig griff er mit der rechten Hand an das Seil und begann zu ziehen. Dann gab es plötzlich einen Ruck. Der Diskus schwankte und tauchte mit einer Kante in den heißen Schlammsee. Sofort ließ Percip mehr Energie in die Antriebssysteme fließen. Der Diskus ruckte einen halben Meter nach oben. Mit fieberhafter Hast zog Rex Corda das Seil ein. Der Körper des laktonischen Wissenschaftlers pendelte direkt unterhalb der Luke. Er zog den Synoptiker in die Schleuse und riß das Schott zu. „Geschafft, Percip!" rief er zufrieden. Der Diskus machte einen Sprung. Rex Corda wurde an die Wand gedrückt. Aber sofort stieß er sich wieder ab und beugte sich über den
bewegungslos am Boden liegenden Synoptiker. Mit dem Handschuh seiner leichten Raumkombination wischte er den Schlamm vom Helm des Wissenschaftlers. Er starrte in ein weit geöffnetes bewegungsloses Augenpaar. * General Jake Dingel und der Atomforscher John Haick waren seit einer Stunde damit beschäftigt, im Hauptquartier des NORAD den von der Polizei eingelieferten Neger zu verhören. „Können Sie sich denn nicht mehr daran erinnern, daß man Ihnen einen semibiotischen Konduktor eingepflanzt hat?" fragte General Dingel ungeduldig. Der Neger schüttelte den Kopf. Er trug, einen dicken Verband um den Kopf. Er sah krank aus. Trotz der Spritzen fühlte er sich matt und zerschlagen. Er wußte nichts mehr von dem, was der orathonische Agent mit ihm gemacht hatte. Alles, was während der Zeit, in der er unter dem Einfluß des Orathonen gestanden hatte, passiert war, war aus seiner Erinnerung verschwunden. Er konnte nicht verstehen, was die Männer innerhalb des NORAD von ihm wollten. „Hören Sie zu", sagte John Haick mit einem. Seufzer. Er strich sich seine dunklen langen Haare aus der Stirn und bot dem Neger eine Zigarette an. „Sie wissen doch, daß die Erde von den Laktonen besetzt wurde?" Der Neger nickte. „Okay", sagte John Haick. „Weiterhin wissen Sie, daß kurz nach der Landung der Laktonen die Grünhäutigen kamen, die die Laktonen wieder von der Erde vertrieben."
Wieder nickte der Neger. „Ausgezeichnet!" grinste John Haick. „Wenn Sie nicht während der ganzen Zeit in der Sonne gelegen haben, müßte Ihnen auch bekannt sein, daß inzwischen wieder mal die Laktonen die Herrscher auf der Erde sind." „Ich habe ein Radio", sagte der Neger mit einem schwachen Grinsen. „Na bitte", warf General Dingel ein. „Dann haben Sie ja gehört, was in den letzten Wochen auf der Erde passierte." Der Neger hob die Schultern. „Trotzdem kann ich mich an nichts erinnern. Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich weiß auch nicht, wie ich zu dem Verband um meinen Kopf komme." Resignierend stieß General Dingel die Luft aus seinen Lungen. Er war klein und hatte eine Halbglatze. John Haick und er gehörten zu den engsten Vertrauten von Rex Corda. Nach der Zerstörung Washingtons wurden die Regierungsgeschäfte des amerikanischen Kontinents vom NORAD-Hauptquartier aus geführt. General Dingel wischte sich mit einem blütenweißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Das Verhör war äußerst anstrengend. „Sie haben also wirklich keine Ahnung, woher der Grünhäutige kam und was er von Ihnen wollte?" „Ich habe keinen Grünhäutigen gesehen!" beteuerte der Neger. „Ich lebe in Nassau, müssen Sie wissen. Ich bin niemals von der Insel heruntergekommen. Ich weiß auch nicht, wo ich jetzt bin. Tut mir leid, Sir. Ich kann Ihnen nicht helfen." „Ich würde eine Menge dafür geben, wenn Rex jetzt hier wäre", sagte John Haick. „Mit seiner emphatischen Begabung könnte er uns bestimmt helfen." „Meinen Sie?" fragte General Dingel
skeptisch. „Wir wissen ja noch nicht einmal, was mit dem Unterbewußtsein des Senators los ist. Seit Walter Beckets Tod ist es noch niemandem gelungen, herauszufinden, was der Wissenschaftler im Unterbewußtsein der drei CordaGeschwister verankert hat." „Verlassen Sie sich darauf, daß wir es herausfinden werden", sagte John Haick. „Ich bin überzeugt, daß Rex Corda das größte Interesse daran hat, endlich herauszufinden, welches Geheimnis er mit sich herumträgt." „Will Rimson ist jetzt hier", sagte General Dingel. „Wenn der Präsident zurückkommt, wird er mit allen Mitteln versuchen, den posthypnotischen Block über dem Unterbewußtsein des Präsidenten abzubauen. Wir haben inzwischen alle Geräte beschafft, die für einen derartigen Versuch erforderlich sind." „Er müßte in zwei Stunden eintreffen", sagte John Haick mit einem Blick auf seine Armbanduhr. „Ich erfuhr vorhin, daß der Trakonkreuzer bereits auf dem Weg zur Erde ist." Der Neger blickte die beiden Amerikaner verständnislos an. Er wußte nicht, über was hier geredet wurde. General Dingel legte ihm seine Hand auf die Schulter. „Melden Sie sich in Raum 812. Man wird Ihnen sagen, wo Sie vorläufig schlafen können." „Danke, Sir", sagte der Neger mit einem breiten Grinsen. Jetzt fühlte er sich wesentlich wohler. Als der Neger die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte sich General Dingel mit einem ernsten Kopfschütteln zu John Haick um. „Ich möchte nur wissen, wo das noch enden soll", sagte er leise. „Jetzt zieht sich diese Kugelwand der Orathonen auch noch zusammen. Ich möchte nicht in Jakto Javans Haut stecken. Er weiß,
daß sein Todfeind Sigam Agelon sich noch innerhalb des Sonnensystems befindet, aber er muß endlich einsehen, daß er nicht nur die Schlacht, sondern auch den Krieg verloren hat, wenn es nicht verdammt schnell gelingt, die Energiemauer zu durchbrechen." John Haick lehnte sich gegen den Schreibtisch des Generals. „Uns haben Sie wohl ganz vergessen, General? Wir haben keine Raumschiffe. Wir müssen auf der Erde bleiben. So lange, bis sie untergeht." „Ich weiß", seufzte General Dingel. „Aber kennen Sie einen Ausweg aus dieser elenden Situation?" John Haick schüttelte den Kopf. * Der Trakonkreuzer mit Rex Corda, Percip und Ga-Venga an Bord tauchte in die Lufthülle der Erde ein. Während des ganzen Fluges hatte sich Rex Corda um den jungen Synoptiker gekümmert. Der Laktone hatte überall Verbrennungen zweiten Grades. Erst nachdem der Trakonkreuzer die Mondbahn passiert hatte, war es Rex Corda gelungen, mit Latak Decimo ins Gespräch zu kommen. „Sie haben mich — zurückgelassen", keuchte der Synoptiker und wälzte sich in seinen Bandagen auf der flachen Liege herum. Rex Corda brauchte nicht lange zu kombinieren. Er wußte auch so, was hier gespielt worden war. Die laktonischen Soldaten hatten zu den laktonischen Wissenschaftlern ein ausgesprochen schlechtes Verhältnis. Er konnte sich an fünf Fingern abzählen, daß der Synoptiker nicht freiwillig in dem kochenden Dschungel der Venus zurückgeblieben war. Er spürte, wie die resignierende
Grundstimmung des laktonischen Wissenschaftlers auf ihn überging. Er fühlte plötzlich wieder diese bohrenden Kopfschmerzen in seinem Hirn, die ihm andeuteten, daß seine emphatischen Fähigkeiten wieder einmal durchbrachen. Seine Fingernägel gruben sich in die Handballen, während er hochaufgerichtet vor dem Lager des Synoptikers stand. Eine Welle von Resignation schlug ihm entgegen. Rex Corda wehrte sich. Er wollte sich nicht überspülen lassen von der schmerzhaften Woge der Empfindungen. Es war grausam genug, daß er die Fähigkeit hatte, zu gewissen Zeiten, die Gefühle anderer Menschen wie ein riesiger Schwamm in sich aufsaugen zu können. „Wer war es?" keuchte er. Der Synoptiker sah ihn aus seinen dunklen, weitaufgerissenen Augen an. Corda versuchte, dem Laktonen das Gefühl der Zuversicht zu übermitteln. Er legte in diese Ausstrahlungen alles hinein, was er selbst noch an Hoffnung in sich hatte. Gebannt beobachtete er, welches Ergebnis dieses bewußt durchgeführte Experiment haben würde. Da zuckte der Synoptiker plötzlich mit den Mundwinkeln. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln huschte über sein Gesicht. Im gleichen Augenblick nahm Rex Corda das Gefühl von Sympathie in sich auf. Er hatte einen neuen Freund gewonnen. „Es war der Entdecker von Sigam Agelons Raumschiff", sagte der Synoptiker schwach. „Er glaubte, daß ich ihn um den Ruhm seiner Entdeckung bringen wollte." „So ein Unsinn", brummte Rex Corda.
Corda fühlte, daß der Mann die Wahrheit sprach. „Sie müssen gesund werden, Latak Decimo", sagte Rex Corda ernst. „Ich glaube, daß wir Sie noch brauchen werden." Der Trakonkreuzer landete sanft. * Das hektische Treiben in der Zentrale des laktonischen Flaggschiffs von Jakto Javan ließ keinen Zweifel daran, daß die Laktonen inzwischen unsicher geworden waren. Mit verbissenem Arbeitseifer versuchten sie immer wieder, die von den Orathonen um das Sonnensystem errichtete fünfdimensionale Energiemauer zu durchbrechen. Aus Dutzenden von Holografen zuckten immer wieder grelle Lichtblitze auf. Berstende Geräusche untermalten die erfolglosen Versuche, mit Robotkreuzern die Wand zu durchbrechen. Nach jedem mißglückten Versuch spuckten die Elektronenrechner lange Streifen mit negativen Ergebnissen aus. Jakto Javan stampfte wie ein gefesselter Riese in seiner Zentrale herum. Nicht der geringste Erfolg war bisher zu verzeichnen. Das Gefühl der Ohnmacht wurde immer stärker in Jakto Javan. Aber er gab nicht auf. Er hatte eine gewaltige Flotte von Raumschiffen unter sich, die nur darauf wartete, den verhaßten Feind in einer neuen Schlacht zu besiegen. Um das erreichen zu können, mußte er die Energiewand durchbrechen. Koste es was es wolle. Mitten in Jakto Javans hastig angestellte Überlegungen platzten Rex Corda, Percip und Ga-Venga herein. Jakto Javan schwang herum. Aus seinen dunklen Augen starrte er den Se-
nator an. Noch ehe er ein Wort sagen konnte, fühlte er plötzlich eine starke, unbekannte Kraft, die von diesem Mann ausging. Er trat einen Schritt zurück. Rex Corda stand direkt vor Jakto Javan. Auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte. Er spürte, daß seine Sondersinne wieder aktiviert waren. Er konnte die Gefühlsregungen des laktonischen Oberbefehlshabers aufnehmen. Jakto Javan war eine seltsame Persönlichkeit. Rex Corda merkte, wie sehr ihn die Mischung aus Grausamkeit, Härte, Stolz und Haß auf die Orathonen erschreckte. Aber da waren noch andere Gefühle: Gefühle, die sich auf die Terraner bezogen, es waren die gleichen Regungen, die man Primitiven entgegenbrachte. Und noch etwas spürte Rex Corda. Es war das kaum wahrnehmbare Gefühl der Unsicherheit, das vom laktonischen Oberbefehlshaber ausging. Genau das mußte für Rex Corda der Anhaltspunkt sein. Jakto Javan begann tief in seinem Inneren daran zu zweifeln, daß es ihm gelingen würde, die Energiemauer zu durchbrechen. Rex Corda nutzte seine Chance. Er kannte die emotioneile Sphäre seines Verhandlungspartners. Er stellte sich darauf ein. „Wir haben Sigam Agelon nicht gefunden", sagte er tonlos. Er konzentrierte sich voll auf Jakto Javan und achtete nicht auf den Tonfall in seiner Stimme. „Ich mache Ihnen deshalb einen Vorschlag. Sagen Sie mir, wo meine Geschwister sind. Zusammen mit Kim und Velda besitze ich eine Waffe, die wahrscheinlich eine Lösung bringen kann." „Woher wollen Sie das wissen?" sagte Jakto Javan hart. „Nach Ihren eigenen Angaben ist das in Ihrem Unterbe-
wußtsein verankerte Geheimnis des terranischen Wissenschaftlers Ihnen selbst vollkommen unbekannt." „Richtig", nickte Rex Corda. „Aber ich ahne bereits, worum es geht, Jakto Javan. Sie wissen genau, daß Sie mit meinen Geschwistern ohne mich nichts anfangen können. Nur wenn wir alle drei zusammen sind, kann es gelingen, das in uns verankerte Geheimnis unseres Wissenschaftlers ans Tageslicht zu bringen." „Ich habe jetzt keine Zeit dafür", fauchte Jakto Javan. „Sie sehen doch selbst, daß wir hier in ständiger Einsatzbereitschaft sind." „Sie geben selbst zu, daß es Ihnen bisher nicht gelungen ist, das Kugelfeld zu durchbrechen. Warum weigern Sie sich noch, mir den Aufenthaltsort meiner Geschwister anzugeben?" „Weil ich ihn nicht kenne", sagte Jakto Javan hart. Rex Corda fühlte, daß der Mann die Wahrheit sagte. Damit hatte Rex nicht gerechnet. Wenn Jakto Javan es nicht wußte, wer sollte ihm dann Auskunft geben können? Für eine Sekunde starrte er schweigend auf den Laktonen. „Es muß doch Unterlagen geben, Jakto Javan. Jede Bewegung eines laktonischen Raumschiffes wird aufgezeichnet. Das weiß ich genau. Wenn meine Geschwister nicht mehr im Sonnensystem sind, müssen sie nach Lakton geschafft worden sein. Und das dürfte sich doch wohl feststellen lassen." „Ich habe jetzt keine Zeit für Ihre Probleme", fauchte Jakto Javan. Rex Corda merkte, wie seine emphatische Fähigkeit langsam schwächer wurde. Er drehte sich zu Percip um. Jakto
Javan wandte sich ab und ging schnell zu einem der Holografen, auf dem soeben ein neuer Lichtblitz aufflammte. Der stämmige Laktone Bekoval war neben Percip getreten. Er hatte mitbekommen, worum es ging. „Wir werden Ihnen helfen", sagte Percip plötzlich. „Wir glauben, daß Sie tatsächlich recht haben können, Sir", sagte Percip. „Wir müssen Ihre Geschwister finden, wenn wir an das hypnotisch in Ihren Gehirnen verankerte Wissen kommen wollen." „Na endlich", seufzte Rex Corda. „Warum sieht Jakto Javan das nicht ein?" Bekoval hob die Schultern. Er konnte seinem Oberbefehlshaber keine Vorschriften machen. Rex Corda spürte, daß er in Bekoval und Percip tatsächlich Freunde der Menschen gefunden hatte. „Ich muß zum NORAD", sagte er. „Aber wenn Sie in der Zwischenzeit die gespeicherten Informationen der Elektronenrechner durchforschen, müßte es gelingen, die Spur der Verschollenen aufzufinden." „Wir werden es tun", sagte Percip. „Sie können sich auf uns verlassen." Rex Corda schenkte dem Laktonen einen dankbaren Blick. Dann wandte er sich hastig um und verließ die Kommandozentrale der laktonischen Flotte. Sein nächstes Ziel war das NORAD-Hauptquartier. * Die orathonischen Offiziere hatten eine verfallene Fischersiedlung auf der Insel Little Inagua entdeckt. Sie kamen sofort zurück, um Sigam Agelon Bericht zu erstatten. Dem dritten Offizier war es inzwischen gelungen, den Diskus wieder flugfähig zu machen. Allerdings glich
der kleine Diskus der Orathonen mehr einem Wrack als einem Raumschiff. Damit war die Möglichkeit, die Erde mit Hilfe dieses Schiffes zu verlassen, für Sigam Agelon nicht mehr gegeben. Jetzt mußte Sigam Agelon erst recht auf das Rettungskommando warten. „Suchen Sie mit Hilfe des Diskus eine Insel, die näher an Mayaguana liegt als dieses Eiland", befahl Sigam Agelon zwei Offizieren. Während Sigam Agelon mit einem Offizier in der angegebenen Richtung durch den Sand stampfte, erhob sich der beschädigte Diskus mit einem sehr schrillen pfeifenden Geräusch. Dicht über dem türkisfarbenen Wasser jagte er nach Norden. Sigam Agelon sah ihm kurz nach. Dann ging er weiter. Bereits nach fünf Minuten entdeckte er das zerfallene, vom Sturm verwüstete Fischerdorf mit seinen Zisternen und Wellblechschuppen. Aber da stieß sein Begleiter einen erschreckten Ruf aus. Sigam folgte mit seinen Blicken dem ausgestreckten Arm seines Offiziers. Die Insel war wesentlich kleiner als Mayaguana. Das Fischerdorf befand sich in der Nähe der Küste. Sofort erkannte Sigam Agelon, daß er vom Regen in die Traufe gekommen war. Er hatte Mayaguana wegen der semibiotischen Kolonien verlassen müssen. Jetzt entdeckte er, daß seine Wissenschaftler nicht nur um Mayaguana semibiotische Kolonien angepflanzt hatten. Er starrte auf die grauen Stachelhalme, die an mehreren Stellen aus dem türkisfarbenen Wasser ragten. „Semibioten", preßte er zwischen den Lippen hervor. * Der orathonische Agent kannte die
Anzahl der Personen innerhalb der Flugsicherungsstation von Nassau nicht. Als wieder ein Schub von sechs schwitzenden Männern die Wetterwarte verließ, ging der Agent zum Angriff über. Er verbarg sich hinter einer Kakteenhecke und zog seine Waffe. Dann sah er sich nach allen Seiten suchend um. Die Sonne brannte heiß und drückend auf die asphaltierte Straße vor der Station. Kein Blatt regte sich. Es herrschte absolute Windstille. Der orathonische Agent hatte einen weichen Tarnanzug aus Plastikmaterial übergestreift. Er ging über die klebrige Asphaltstraße. Vorsichtig schob er sich an der Station vorbei. Zehn Meter weiter begann ein anderes Grundstück. Er versuchte, störende Geräusche zu erkennen. Aber nichts regte sich. Der Agent schob sich zwischen zwei Kokospalmen hindurch. Er kletterte über einen niedrigen Zaun. Von hinten gelangte er auf das Gelände der Wetterstation. Kleine weißgestrichene Häuschen mit Lattengittern und Glaskugeln auf Betonsockeln, länglichen Röhren, von denen Kabel zur Station führten, und ausgedörrte Regenmesser befanden sich auf einem braungelben Rasenstück. Ein Antennenmast interessierte den Agenten besonders. Er merkte sich die Form der Antennen. Schnell sprang er hinter einen Anbau. Dann wartete er. Bisher hatte man ihn nicht entdeckt. Dicht neben sich sah er einen Stapel Wasserstoffflaschen. Auf einem Gestell lagen kleine Pakete, in denen Gummiballons aufbewahrt wurden. Der Agent drückte auf eine Türklinke. Sie war nicht verschlossen. Er schlüpfte dicht an der Mauer vorbei in den Anbau. Für einige Sekunden verharrte er bewegungslos, um sich zu
orientieren. Es war angenehm kühl innerhalb der Station. Gedämpft hörte er das Ticken der Fernschreiber und das Summen der Ventilatoren. Er tastete sich an meterhohen Gestellen vorbei, auf denen Aluminiumsonden lagen, wie sie zur Radarortung verwendet wurden. Er registrierte all das, war aber trotzdem nur von dem Gedanken an seinen Auftrag beseelt. Er mußte an die Objektschreiber herankommen. Wenn es ihm gelang, die verkodeten Papierstreifen mit den Flugkörpermeldungen zu stehlen, konnte er aufgrund dieser Informationen herausfinden, wo Sigam Agelon gelandet war. Er kannte die ungefähre Zeit der Ankunft des Oberbefehlshabers. Er wußte auch, daß die Aufzeichnungen der Stationen in den letzten Wochen zu viele und zu ungenaue Angaben erhalten hatten. Die Wetterstationen der Erde waren erst einige Jahre vorher mit den Flugsicherungsstellen zusammengelegt worden. Jedes orathonische und jedes laktonische Raumschiff war in seinen Bewegungen registriert worden. Aber auf einen derartigen Ansturm war keine Flugsicherungsstelle der Erde vorbereitet gewesen. Die Elektronenrechner hatten tagelang nur Fehlmeldungen gespeichert. Jetzt war es wieder ruhiger geworden. Die Terraner hatten sich daran gewöhnt, auch die fremden Einflüge innerhalb ihrer Atmosphäre zu registrieren. Der Orathone entsicherte seine Waffe. Mit einem kurzen Ruck riß er die Tür vor sich auf. Er sprang in den Raum. An der gegenüberliegenden Wand diskutierte eine Gruppe von fünf Ter-
ranern. Zwei weibliche Terraner sahen den Eindringling zuerst. Sie verzogen die Gesichter. Der Agent dachte nicht daran zu verhandeln. Er argumentierte mit seiner Waffe. Das scharfe Zischen des Strahlers hüllte die Männer vor der großen Wetterkarte in ein waberndes Flammenfeld. Sie verstanden nicht, was sie unterbrochen hatte. Sie verstanden nie wieder etwas. Innerhalb von Sekundenbruchteilen waren sie zerstrahlt. Die Wand hinter den Männern färbte sich schwarz. Die untere Kante der Wetterkarte aus Hartplastik zerschmolz augenblicklich. Dann züngelten gelbe Flammen nach oben. Der Agent warf nur einen kurzen Blick auf die Karte. Er verstand die dicken, kreisförmig um einen Punkt angeordneten Linien nicht. Er interessierte sich nicht für den Weg des Hurrikans. Schnell durchquerte er den Raum. Er gelangte in die Flugsicherungsabteilung. Er fand die großen Computer. Er riß alles heraus, was er an Codestreifen fand. Da hörte er hinter sich ein Geräusch. Er fuhr herum. Aus seiner Waffe jagte ein vernichtender Energiestrahl. Sekundenbruchteile zu spät. Der Laktone in der Tür hatte ebenfalls geschossen. Die beiden Todfeinde stolperten aufeinander zu. Sie brachen nur einen Meter voreinander zusammen. Sie waren beide tot. * Der rotweiße Sonnengleiter von General Motors jagte auf die Rocky Mountains zu. Bereits über dem Mississippi hatten zwei andere Sonnengleiter mit amerikanischen Soldaten das Schwebe-
fahrzeug ihres Senators in die Mitte genommen und begleiteten es nun zum NORAD-Hauptquartier. Die drei Gleiter tauchten in die felsigen Einschnitte und wurden über Leitstrahlen bis zur Empfangsschleuse herangeführt. Wenige Minuten später wurde Rex Corda von General Dingel und John Haick begrüßt. „Wir haben einen orathonischen Agenten gefangen", sagte General Dingel. „Einen Featherhead?" „Nein. Einen Neger, dem die Orathonen einen semibiotischen Konduktor in das Hirn gesetzt hatten." „Ach so", nickte Rex Corda, „da ist nicht viel zu machen. Ich kenne das, denn ich hatte selbst einen Konduktor im Kopf. Hat es sonst Schwierigkeiten gegeben?" General Dingel nickte: „Die Chinesen machen sich in der UNO ziemlich stark." „Vor morgen früh kann ich nicht nach New York", erklärte Rex Corda. „Sie wissen, daß die Laktonen alles daran setzen, um Sigam Agelon zu finden. Außerdem zieht sich das Kugelfeld ständig zusammen. Selbst wenn die Chinesen gegen mich arbeiten, kann ich nicht mehr zurück. Ich arbeite mit den Laktonen zusammen, weil nur sie eine Möglichkeit finden können, den endgültigen Untergang dieses Sonnensystems zu verhindern." „Gibt es denn überhaupt eine Möglichkeit?" fragte John Haick skeptisch. Rex Corda hob die Schultern. Er wußte es selbst nicht. Aber es hatte keinen Zweck, dazusitzen und die Hände in den Schoß zu legen. Wenn es eine Möglichkeit gab, mußte sie gefunden werden.
„Wir haben alles vorbereitet, um dir Walter Beckets Wissen aus dem Hirn zu ziehen", grinste John Haick. Rex Corda wandte sich zur Seite. „Ihr habt alles vorbereitet?" „Ja. Du hast doch gesagt, daß wir nochmals versuchen sollten, an das Wissen in deinem Unterbewußtsein zu kommen." „Richtig. Ich hatte es ganz vergessen." Sie gingen immer tiefer in die unterirdische Befehlszentrale hinein. Die großen federnd gelagerten Blocks der einzelnen Sektionen schimmerten matt im indirekten Licht der Neonröhren an der Decke. „Wer wird die Untersuchung führen?" fragte Rex Corda. „Dr. Steve Mac." „Lebt dieser alte Spötter immer noch?" grinste Rex Corda. „Und wie", betonte John Haick. Die beiden Männer lachten. Dann erreichten sie das Medical Centre des NORAD. Dr. Mac hatte tatsächlich alles an Geräten aufgefahren, was aufzutreiben war. Rex Corda schüttelte dem Weißkittel die Hand. „Viel Glück", sagte er. „Ich hoffe, daß es Ihnen gelingt, ein paar Brocken von Walter Beckets Wissen aus meinem Unterbewußtsein herauszulösen." Dr. Mac schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, daß wir Erfolg haben, Sir." „Wir müssen es versuchen. Das ist eine der wenigen Chancen, die wir noch haben." „Noch immer keine Nachricht von Kim und Velda?" fragte John Haick. Rex Corda schüttelte den Kopf und legte sich auf eine weißbespannte Liege. Sofort schloß Dr. Mac Kontrollplatten aus Platin überall an Rex Cordas
Körper an. Farbige Skalen leuchteten auf. Dann zitterten schwarze Zeiger über Meßgeräte und Kontrolluhren. Ein tiefes Brummen erfüllte den Raum. Mit Elektronenzephalogrammen und zusätzlich eingeschalteten Kontrollgeräten wollte Dr. Mac bis tief in Rex Cordas Unterbewußtsein eindringen. Andere Geräte zeichneten automatisch Blutdruck, Puls und Sauerstoffzufuhr auf. Eine riesige runde Operationslampe wurde über Rex Corda geschwenkt. Dr. Mac nahm eine sterilisierte Spritze, brach den Hals einer kleinen Ampulle durch und zog die Flüssigkeit mit dem Kolben in die Spritze. Es war eine Mischung aus Copolamin, Adrenalin und einer neu entwickelten Salzlösung, die die Leitfähigkeit von Rex Cordas Nervensystem erhöhen sollte. Der Doc hielt die Nadel gegen das Licht und drückte den Kolben nach vorn. Ein kleiner Spritzer kam aus der Spritze der Injektionsnadel. Inzwischen hatte John Haick bereits die vorgesehene Injektionsstelle am Oberarm des Senators desinfiziert. „Wir können anfangen", sagte Dr. Mac. „Worauf warten Sie noch?" grinste Rex Corda. Aber er wurde sofort wieder ernst. Er wußte, wie wichtig dieses Experiment für ihn und alle anderen Menschen war. Da sie Kim und Velda bisher nicht gefunden hatten, mußte unter allen Umständen versucht werden, jenes Drittel des Wissens von Walter Becket aus dem Unterbewußtsein von Rex Corda zu lösen, das der Wissenschaftler kurz vor seinem Tod in den Corda-Geschwistern verankert hatte. Die Nadel stach in den Oberarm des Senators. Rex Corda entspannte sich und atmete tief durch. Zunächst spürte er nichts. Doch dann fühlte er, wie eine heiße
Welle durch seine Adern lief. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß sich seine Nerven selbständig machten. Es kribbelte und stach überall in seinem Körper. Die Welle raste bis zu seinen Zehenspitzen, kehrte um und fiel dann wie mit einem Hammerschlag über sein Gehirn her. Corda stieß einen gequälten Schrei aus. Er bäumte sich auf. Sofort schnappten Lederschlaufen um Arme und Beine des Senators. Er wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere. Seine Muskeln spannten sich. Die Lederschlaufen waren stärker. Tausende von Nadeln stachen schmerzhaft in sein Hirn. Er keuchte. Das Summen der Geräte um ihn herum wurde stärker. Es steigerte sich zu einem wahnsinnigen Crescendo aus Schmerz und Verzweiflung. Dr. Mac verstärkte die Energie. Die Nadeln der Meßgeräte zeichneten wilde Schlangenlinien mit scharfen Spitzen auf die Papierstreifen, die pausenlos aus den Geräten quollen. Das Elektronenzephalogramm Rex Cordas war ausgesprochen ungewöhnlich. Da zeigte die eingespritze Lösung die ersten Wirkungen. Rex Corda stieß einen gellenden Schrei aus. Farbige Lichtfetzen tanzten vor seinen Augen. Er versank in einem Meer aus Feuer und Schmerz. Unsinnige Assoziationen raubten ihm das Bewußtsein. Alles in ihm spürte plötzlich, daß er an der Schwelle des Todes stand. Sein Ich sprengte die Glänzen von Raum und Zeit. Er wurde unendlich. Aber sofort brach es in ihm wieder zusammen, er hatte das Gefühl, winzig klein zu sein. Der Vorgang wiederholte sich. Es war ein ständiges Pulsieren zwischen mikroskopischer Größe und Unendlich-
keit. Alles in ihm wurde traumhaft unwirklich. Er glaubte, in einem Fiebersturm zu liegen. „Aufhören", brüllte Rex Corda verzweifelt. Seine Finger krallten sich in die weißen Laken der Liege. Nie zuvor hatte er derartige Schmerzen aushalten müssen. Dr. Mac gab nicht auf. Er verstärkte die Energiezufuhr. Ein Inferno tobte in Rex Cordas Bewußtsein. Dann brach er unter dem Ansturm der wahnsinnigen Schmerzen körperlich und seelisch zusammen. * Der orathonische Diskus war nicht mehr voll flugfähig. Für die von Sigam Agelon befohlene Suchaktion genügte er aber vollkommen. Die beiden Grünhäutigen jagten dicht über der Wasserfläche der Karibischen See entlang. Sie suchten ein neues Versteck für ihren Oberbefehlshaber. Kaltblütig manövrierten sie den Diskus zwischen den einzelnen Raumschiffen hindurch. Sie wußten, daß laktonische Raumschiffe sie inzwischen längst suchten. Trotzdem verloren sie keine Sekunde die Nerven. Sie waren andere Sachen gewöhnt. Orathonische Offiziere lebten mit der Gefahr. Sie alle waren während des großen langen Krieges geboren worden. Sie kannten keine Furcht. Der Diskus folgte dem immer weiter nach Norden abziehenden Sturm. Da schlug der Hurrikan plötzlich und unerwartet eine neue Richtung ein. Er bog wieder nach Westen ab. Einer der beiden Offiziere stieß einen Warnruf aus. Dann sahen sie schräg
über dem Zentrum des Hurrikans ein laktonisches Raumschiff. Es flog ungewöhnlich tief. Sofort gingen die beiden Offiziere mit ihrem Diskus tiefer. Sie mußten landen, um ihre Maschinen abstellen zu können. Innerhalb weniger Sekunden rasten sie auf ein winziges, dicht mit Palmen bewachsenes Eiland zu. Diesmal war der Pilot vorsichtiger. Die Landung des Diskus war hart, aber gekonnt. Sofort sprangen die beiden Offiziere durch die Luftschleusen nach draußen. Die Sonne stand schräg am Himmel. Die beiden Offiziere rollten die Reste des Tarnnetzes auf, dessen elektrostatische Aufladung die Suchgeräte der Laktonen störte. Schnell liefen sie nach beiden Seiten auseinander. Dann zogen sie mit kräftigen Bewegungen das dichte Geflecht über den Diskus. Sie verbargen sich unter dem Netz und aktivierten die Stromzufuhr. Das feine Knistern im spinnenartigen Geflecht des Tarnnetzes bot keine vollkommene Sicherheit. Wenn die Laktonen tiefer gingen und alle Suchgeräte auf die winzige Insel konzentrierten, mußte es ihnen gelingen, den orathonischen Diskus zu orten. Aber dieses Risiko war den Featherheads bekannt. * Percip erreichte die NORAD-Zentrale. Er war innerhalb des Hauptquartiers in den Rocky Mountains bereits bekannt, da er zu den ersten Laktonen gehörte, die die Erde besetzten. Percip kannte sowohl General Dingel als auch Rex Cordas Freund John Haick. Zusammen mit Haick hatten sie die Operation Afrika erfolgreich durchge-
führt. Es war ihnen gelungen, mit Hilfe des Terrajets vier Atombomben aus dem Besitz des afrikanischen Diktators Randa Evariste Kalunde loszueisen. Mit Hilfe dieser Atombomben waren die Supertransmitter der Orathonen zerstört worden. Percip wurde sofort eingelassen. General Dingel empfing ihn. „Wo ist Rex Corda?" fragte der Laktone. General Dingel warf John Haick einen kurzen, aber vielsagenden Blick zu. Der Atomwissenschaftler hatte sich bereits überlegt, welche Erklärung er dem Laktonen geben mußte, um Percip nicht sofort Verdacht schöpfen zu lassen. „Der Senator schläft bereits. Immerhin ist er kein Übermensch. Auch ein Rex Corda braucht ab und zu etwas Schlaf." Percip antwortete nicht. Er blickte abwechselnd zu General Dingel und John Haick. Er spürte genau, daß die Antwort des Atomwissenschaftlers nur eine Ausrede war. „Wo ist er?" fragte er kurz. „Ich sagte Ihnen bereits ..." Percip machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich habe eine wichtige Nachricht für ihn." „Hat das nicht eine Stunde Zeit?" warf John Haick ein. Percip schüttelte den Kopf. „Keine Minute, wenn Sie es genau wissen wollen." „Und Sie können uns nicht sagen, worum es geht?" Der Laktone lachte verächtlich. Ein leichter, kaum spürbarer Unterton von Besorgnis war in diesem Lachen. Nur John Haick merkte es. Percip mußte tatsächlich einen guten Grund haben, um mit Rex Corda zu
sprechen. Er nickte General Dingel zu. „Vielleicht wundert es Sie, Percip", sagte er dann und steckte sich eine Zigarette an. „Aber Rex Corda schläft nicht ohne Grund. Anscheinend hat er sich bei der Rettung eines Wissenschaftlers von Ihnen auf der Venus eine Infektion geholt." „Eine Infektion? Wie soll das möglich sein? Er hat die Oberfläche der Venus nicht betreten." „Er kam mit der Atmosphäre in Berührung. Er trug dabei nur einen leichten Raumanzug. Sie selbst haben den Diskus gesteuert, mit dem Latak Decimo aus dem Sumpf gezogen wurde." „Ich habe, nichts davon gemerkt, daß sich Rex Corda auf der Venus irgendeine Krankheit geholt hat", sagte Percip schroff. Er fühlte plötzlich, daß man ihm nicht die Wahrheit sagte. „Wir haben die Spur von Rex Cordas Geschwistern gefunden", sagte er. John Haick verbrannte sich die Finger an seiner Zigarette. Er fuhr zusammen. Diese Nachricht war allerdings so wichtig, daß Rex Corda unbedingt davon erfahren mußte. „Kommen Sie deshalb her?" fragte John Haick. Percip nickte. „Das ist ein Grund. Der zweite Grund meiner Anwesenheit ist der, daß die Erde von einer neuen Gefahr bedroht wird." „Auch das noch", stöhnte General Dingel. „Was haben Sie denn nun schon wieder?" „Die Orathonen haben in der Karibischen See semibiotische Grundkolonien angepflanzt. Bei ihrem überstürzten Abflug von der Erde ließen sie diese Kolonien zurück. Sie wuchsen weiter." „Soll das heißen .. ." „Genau", unterbrach Percip den
Atomwissenschaftler. „Die semibiotischen Kolonien sind weitergewachsen, haben sich vermehrt und inzwischen bereits eine Insel überwuchert. Wenn sie nicht augenblicklich in ihrem Wachstum gehindert werden, breiten sie sich langsam, aber mit tödlicher Sicherheit über die ganze Erde aus." „Kommen Sie", sagte General Dingel hastig und sprang auf. „Das muß der Senator sofort erfahren." * Rex Corda schwebte. Er schwamm in einem dunklen warmen Meer ohne Ende und ohne Ufer. Er fühlte seinen Körper nicht. Alles in ihm war dumpf und leer. Ein Lichtstrahl stach schmerzhaft in seine geschlossenen Augen. Er versuchte, die bleischweren Lider zu öffnen. Der Schweiß trat aus seinen Poren. Dann raste eine schmerzhafte Welle durch seinen Körper. In diesem Augenblick erwachte er. Mit einem Schrei richtete er sich auf. Die Begrenzungen des hell erleuchteten Raumes verschwammen vor seinen Augen. Die tanzenden Wände kreisten mit rasender Geschwindigkeit immer um ihn herum. Er klammerte sich an der Kante der Liege fest und versuchte, einen Punkt innerhalb des Raumes anzuvisieren. Unendlich langsam nahm das Rotieren vor seinen Augen ab, bis es schließlich vollkommen aufhörte. Rex Corda schluckte. Sein Gaumen war ausgedörrt und trocken. Plötzlich wußte er, was geschehen war. Sie hatten versucht, ihm das Geheimnis zu entreißen. Das große Geheimnis Walter Beckets, das in seinem Unterbewußtsein schlummerte.
Er erkannte die Gestalt von Dr. Mac. „Haben Sie . . .?" keuchte er. Dr. Mac machte ein seltsam bedrücktes Gesicht. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nein. Leider nicht. Wir konnten nicht weiter gehen, weil wir sie sonst getötet hätten." Rex Corda sackte zusammen. Also wieder nichts. Noch einmal würde er eine derartige Prozedur nicht aushalten. Das war der letzte Versuch gewesen, jenes Geheimnis aus seinem Unterbewußtsein zu holen, das dort fest und unverrückbar verankert war. Rex Corda stöhnte. Er preßte die Augen zusammen und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Aber der bohrende Schmerz in seinem Kopf wollte nicht weichen. Da öffnete sich ruckartig die Tür. Rex Corda blickte auf. Percip, General Dingel und John Haick betraten den Raum. John Haick flüsterte mit Dr. Mac. Der Arzt hob die Hand zu einer abwehrenden Geste. „Was ist los? Was habt ihr da zu flüstern?" fragte Rex Corda und verzog das Gesicht. „Wir haben die Spur Ihrer Geschwister gefunden, Sir", sagte der Laktone Percip. Rex Corda sprang auf. Fast wäre er gestürzt. John Haick fing ihn auf. „Was haben Sie?" fragte Percip. „Nichts", wehrte Rex Corda ab. „Es geht schon wieder. Das sind die Nerven, wissen Sie? Etwas Überanstrengung, das ist alles." Percip schüttelte langsam den Kopf. „Sie verheimlichen mir etwas", sagte er ruhig. „Wohin sind meine Geschwister gebracht worden?" fragte Rex Corda, während John Haick ihn noch immer leicht stützte.
„Es tut mir sehr leid, Sir, aber Ihre Geschwister wurden mit einem Sonderkurier nach Lakton ins Zentrum des Reiches gebracht." Rex Corda fühlte, wie eine eisige Faust sein Herz zusammenpreßte. Ein harter Glanz trat in seine Augen. „Danke — Percip. Ich danke Ihnen für diese Mitteilung. Das ist besser, als gar nichts zu wissen." „Ich habe noch eine Mitteilung für Sie", sagte Percip nach einigen Sekunden. „Reden Sie", sagte Rex Corda. „Sie kennen doch die semibiotischen Kolonien der Orathonen." Rex Corda nickte. „Diese Kolonien wurden von den Orathonen in der Karibischen See angepflanzt. Die Orathonen brauchten die Semibioten, um ihre Fremdrassen unter ständiger Kontrolle zu halten." „Ich weiß", sagte Rex Corda, „ich hatte selbst so ein Ding im Hirn." „Dann wissen Sie auch, welche Gefahr die ständig weiterwuchernde semibiotische Kolonie für die Erde bedeutet." Rex Corda starrte den Laktonen verwundert an. „Soll das heißen, daß die Kolonien noch immer wachsen?" „Niemand erntete sie ab. Sie wuchern wild und ohne Kontrolle. Die Insel Mayaguana ist bereits vollkommen von Semibioten überwuchert." „Gibt es keine Abwehr?" Percip hob die Schultern. „Wo ist mein Sonnengleiter?" fragte Rex Corda. „Aber Rex, du willst doch nicht etwa ..." „Laß mich", unterbrach Rex Corda den Atomwissenschaftler. „Ich muß die Kolonien sehen. Kommen Sie mit, Per-
cip?" Der Laktone verzog sein Gesicht. Dann nickte er. „Sind Sie schon wieder soweit, daß Sie..." „Natürlich", sagte Rex Corda * Der rotweiße Sonnengleiter von General Motors überflog mit Höchstgeschwindigkeit das stillgelegte Raumforschungszentrum von Cap Kennedy an der Ostküste Floridas. Er jagte auf das offene Meer hinaus und bog dann nach Südosten ab. An Bord des Sonnengleiters befanden sich Rex Corda und der Kynother GaVenga, den sie an Jakto Javans Flaggschiff aufgenommen hatten. Weder auf dem Mars noch auf der Venus war Sigam Agelon gefunden worden. Troglo Varas und Latak Decimo hatten Jakto Javan inzwischen Bericht erstattet. Das Mißtrauen in Jakto Javan war nach dem Empfang dieser Meldung noch stärker geworden. Er traute dem Wissenschaftler nicht. Nach reiflicher Überlegung war Rex Corda zu dem Schluß gekommen, daß Sigam Agelon sich nur an bestimmten Punkten auf der Erde aufhalten konnte. Er vermutete, daß sich der orathonische Flottenbefehlshaber auf irgendeiner Inselgruppe der Großen Antillen oder im Pazifik aufhielt. Auf den Tausenden von winzigen Inseln gab es genügend Verstecke, die jede Ortung durch die Laktonen hinauszögerten. Das war der Grund, daß sich Rex Corda nicht davon abbringen ließ, daß der gesuchte Sigam Agelon und die immer weiter wuchernden semibioti-
schen Grundkolonien in Zusammenhang standen. Percip hatte nur erheitert gelacht, als ihm Rex Corda seine Theorie mitteilte. Rex Corda hatte sich vorgenommen, zunächst die Bahamas und die Westindischen Inseln abzusuchen. Dann über die Kleinen Antillen und die Inseln unter dem Winde bis zum Amazonas vorzustoßen. Er glaubte, daß auch im Dschungelgebiet des Amazonas genügend Verstecke vorhanden waren, die die Laktonen bei der oberflächlichen Ortung von Raumschiffen aus nicht entdecken konnten. „Wir werden einen Kurs fliegen, der die Form eines großen S hat", erklärte Rex Corda. Der Laktone Percip nickte. Er hatte die Steuerung des Sonnengleiters übernommen. Mit seinen kräftigen Händen umklammerte er das Hörn. Kein Terraner konnte so gut mit diesen Fahrzeugen umgehen, wie es der Laktone Percip innerhalb kurzer Zeit gelernt hatte. „Machen Sie die Augen auf", sagte Rex Corda. „Ich zeige Ihnen jetzt eine der schönsten Gegenden Terras. Für viele Erdbewohner haben Namen wie Haiti, Puertorico und Trinidad eine fast magische Bedeutung." Percip kam nicht dazu, auf die Erläuterungen Rex Cordas zu antworten. Er deutete plötzlich durch die Sichtscheibe nach vorn. „Das sieht ganz nach einem Unwetter aus", sagte er besorgt. „Ich weiß nicht, ob dieser Sonnengleiter es aushält, wenn wir mitten in einen Sturm geraten." „Das ist Kati", erklärte Rex Corda. Er blickte stirnrunzelnd auf die schaumgekrönten Wogen, von denen sich immer wieder große Gischtfetzen
lösten und über die Wellen trieben. Die ersten Böen erfaßten den Sonnengleiter und schüttelten ihn durch. Percip ging vorsichtshalber tiefer. Er verringerte die Geschwindigkeit. Der Himmel hatte eine bleigraue Farbe angenommen. Dann hörte das Schütteln im Gleiter plötzlich auf. Die See war ruhig und spiegelglatt. Sie befanden sich in der Zone direkt vor dem Zentrum des Sturmes. Dreißig, vierzig Kilometer südöstlich des Gleiters wurden gewaltige Wassermassen aus dem Ozean in den Himmel gerissen. Hinter dem Hurrikan vernichteten sie mit verheerender Wucht alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Wenn der Sonnengleiter in den sogartigen Luftstrom geriet, der vor derartigen Hurrikans über Land und Meer raste, hatten die Männer an Bord nicht die geringste Überlebenschance. Sie würden in der Luft zerrissen und dann auf die Wassermassen geschmettert werden. „Wir müssen landen", rief Rex Corda hastig. Percip suchte bereits nach einer Insel. Aber hier gab es nur Wasser. Die nächsten Landpunkte befanden sich jenseits des Sturmtiefs. Es raste mit mehr als dreihundert Stundenkilometern auf sie zu. Die Entfernung zwischen dem Sonnengleiter und dem Zentrum des Hurrikans verringerte sich rapide. Sie mußten etwas unternehmen. So schnell wie möglich. Der Himmel hatte eine schwefelgelbe Färbung angenommen. Er sah giftig und tödlich aus. „Das ist also der schönste Platz Ihrer Erde", spottete der zwergenhafte Kynother mit einem Anflug von Galgenhu-
mor. Ga-Venga betrachtete interessiert das grandiose Naturschauspiel. Er gab sich vollkommen ruhig, obwohl er genügend Intelligenz besaß, um zu erkennen, daß sie kaum noch eine Chance hatten, dem Hurrikan zu entrinnen. Percip riß den Sonnengleiter herum. Er wagte ein verzweifeltes Spiel. Er wollte so dicht wie möglich am Zentrum des Hurrikans vorbeischießen. Wenn die Kraft des Sturms größer war als die Energie des Sonnengleiters, hatte er verloren. Aber es war die einzige Möglichkeit. Sie mußten direkt am Unwetter vorbei wieder in ruhige Gewässer kommen. „Ich versuche es", sagte Percip. Seine Stimme war spröde. Rex Corda blickte den Laktonen von der Seite her an. Percip hatte Mut. Mehr Mut, als man ihm zutraute. Der lange Kampf gegen die Featherheads hatte die Laktonen hart gemacht. Sie befanden sich immer im Kriegszustand, und das bedeutete, daß sie mehr als einmal dem Tode ins Auge gesehen hatten. Rex Corda lehnte sich zurück. Er stemmte die Füße gegen den Boden des Gleiters. Da tauchte plötzlich hinter der Wasserhose, die sich gebildet hatte, ein Diskus auf. Er taumelte und schwankte, kam aber trotzdem vom Sog des Hurrikanzentrums frei. Er schoß direkt auf den Sonnengleiter zu. Rex Corda warf sich nach vorn. Er schlug Percip auf die Schulter. „Ein Diskus." Dieses Wort elektrisierte den Laktonen. Er fuhr zusammen. Dann starrte er in die Richtung, die ihm Rex Corda angegeben hatte. Der kleine flache Punkt näherte sich
schnell. Bereits Sekunden später konnten sie ihn deutlich erkennen. Es war ein orathonischer Raumer. „Auch das noch", stöhnte Rex Corda. „Uns bleibt doch nichts erspart. Aber jetzt haben wir eine Spur. Wo der Diskus ist, kann auch Sigam Agelon nicht weit sein." „Sehr beruhigend", spottete Ga-Venga. „Was nützt uns ein Diskus? Was nützt uns Sigam Agelon? Wenn wir durch diesen Hurrikan zertrümmert werden." „Er ist der Beweis für Sigam Agelons Anwesenheit auf der Erde." „Es kann ein Beweis sein, es muß aber nicht", warf Ga-Venga ein. Da tauchte vor ihnen die Insel San Salvador auf. Rex Corda hatte sie als grünendes, blühendes Paradies in Erinnerung. Jetzt sah die Insel aus, wie mit grauer, häßlicher Farbe überspritzt. Percips Gesicht war eingefallen. Auch wenn er sich nicht anmerken ließ, wie sehr ihn die Führung des Gleiters beanspruchte. Der Ring des Schweigens um das Zentrum des Hurrikans wurde kleiner. Der Sonnengleiter stieß durch die unsichtbare Mauer und befand sich urplötzlich wieder in tosenden Wirbeln in den Außenzonen des Sturmes. Verzweifelt blickten die drei Männer abwechselnd auf den Hurrikan und auf den Raumer der Orathonen. Der Diskus machte seltsame Bewegungen. Corda konnte sich nicht erklären, was an Bord des Diskus passiert war. Anscheinend hatte sie der Flug dicht am Zentrum des Hurrikans vorbei doch mitgenommen. Irgend etwas an Bord des Diskus mußte zerstört worden sein. Da taumelte der Diskus plötzlich und tauchte durch die aufgewühlten Luftmassen in Richtung Wasseroberfläche.
Sofort gab Rex Corda dem Laktonen Percip ein Zeichen. „Dort drüben stimmt etwas nicht", sagte er, während in seiner Stimme ein leichter Hoffnungsschimmer deutlich wurde. Warum schossen die Orathonen nicht? Warum ließen sie den Sonnengleiter unangefochten vorbeifliegen? Rex Corda konnte sich diese Fragen nicht beantworten. Er öffnete das linke Seitenfenster. Pfeifend kam der Wind in die Kabine. Er wühlte die Haare der Männer durcheinander. Da griff der Orathone plötzlich an. Ein greller Blitz zuckte aus dem Diskus in Richtung Sonnengleiter. Percip handelte sofort. Er ließ den Sonnengleiter durchsakken und fing ihn erst zwölf Meter über der schaumgekrönten Wasseroberfläche ab. Sofort schossen die Orathonen hinterher. Die gebündelte Energie traf auf die Wellen und verzischte mit dichten Dampfwolken. Durch die elektrische Aufladung der Luft rund um das Zentrum des Hurrikans bekam der Sonnengleiter einen leichten bläulichen Feuerschimmer. „Klabautermann", grinste Rex Corda. Es war die gleiche Erscheinung. Das Elmsfeuer entstand sonst nur auf Schiffen. Aber durch die nochmalige Aufladung der Atmosphäre durch die Energiestrahlen der Orathonen wirkte jetzt der Sonnengleiter wie ein Faraday'scher Käfig. Er schirmte die drei Männer im Innern ab. Percip stoppte den Sonnengleiter und ließ ihn ohne Vorderantrieb in der Luft schweben. Der Gleiter dümpelte nach allen Seiten und versuchte zweimal, über die Seitenkante abzukippen. Aber Percip reagierte schneller. Er fing den Gleiter jedesmal geschickt ab, noch ehe er die Wasseroberfläche berührte.
Die Energieschüsse der Orathonen bewirkten, daß das elektrische Potential innerhalb des Hurrikans zusammenbrach. Wie aus Eimern kam jetzt ein sturmartiger Regen vom Himmel. Grellweiße Blitze zuckten durch die schwefelgelbe Atmosphäre. Hilflos tanzte der winzige Sonnengleiter durch die aufgewühlten Luftmassen. Dichte Regenschleier nahmen Percip die Sicht. Er konnte weder San Salvador noch den feindlichen Raumgleiter erkennen. Alles, worauf sich sein Denken jetzt konzentrierte, war nur, wie er den Sonnengleiter in der Luft halten konnte. „Sind diese Gleiter eigentlich für amphibische Zwecke gebaut?" fragte GaVenga. Rex Corda blickte den Kynother an. Der Knabe hatte tatsächlich immer noch eine Art Humor bewahrt. Da brachte der Kynother plötzlich eine SAT-Kugel zum Vorschein. Er hielt die gefährliche laktonische Waffe, die einen Durchmesser von etwa 20 cm besaß, in seinen kleinen schmalen Händen und spielte damit, als handelte es sich um ein Straußenei. Der winzige Laktonen-Roboter war alles andere als ein Ei. Es war ein komplettes Waffensystem mit einem winzigen Positronengehirn und einem eigenen Gravitationsantrieb. Rex Corda grinste den Kynother an. „Wo haben Sie die denn hergezaubert?" fragte er. Ga-Venga lächelte. Er nahm die Kugel in die andere Hand. Dann reichte er sie Rex Corda. „Wenn wir unsere Feinde nicht mehr sehen können, müssen wir eben zu diesem Hilfsmittel greifen." Percip nickte. „Das ist die einzige Möglichkeit. Wir können uns jetzt nicht mehr um den Orathonen kümmern. Wir müssen versuchen, so schnell wie möglich zu landen. Wenn wir bei der Lan-
dung von dem Diskus entdeckt werden, ist es aus mit uns." Wie zur Bestätigung seiner Vermutung jagte plötzlich ein neuer orangenroter Blitz vor dem Sonnengleiter ins Wasser. Eine dichte Gischtwand aus Nebel und schaumigem Wasser schoß in die Höhe. Percip raste direkt hindurch. Es knisterte und knackte durch die elektrische Aufladung des Sonnengleiters. Es roch nach verschmortem Gummi und verbrannten Isolierungen. Da entdeckte Ga-Venga direkt oberhalb des Sonnengleiters den Diskus der Orathonen. Jetzt war alles aus. Der Diskus schwebte kaum vierzig Meter schräg über dem rotweißen Sonnengleiter. „Achtung!" brüllte Rex Corda durch das Toben des Sturmes. Percips Kopf ruckte zurück. Er handelte sofort. Der Sonnengleiter kippte zur Seite und schlitterte schräg mit aufbäumenden Bewegungen auf das Wasser zu. Die Gischtkronen näherten sich mit rasender Geschwindigkeit. Aber Percip war Herr seiner eigenen Reaktionen. Es gelang ihm, den Sonnengleiter in allerletzter Sekunde abzufangen. Der Gleiter sackte noch etwas durch und berührte mit dem Heck eine hoch aufstiebende Welle. Dann kam er wieder hoch und schoß schräg in den bleigrauen Dunst. Das Toben des Sturmes machte jede Verständigung zu einer außergewöhnlichen Schwierigkeit. Wasserbäche ergossen sich gegen die Sichtscheiben und machten sie fast vollkommen undurchsichtig. Nur für Sekundenbruchteile gelang es den drei Männern im Sonnengleiter, den Gegner zu erkennen. Rex Corda hatte das Fenster wieder zugeschoben. Aber auch so spürten sie
genug von der tobenden Urgewalt um sie herum. Da tauchte plötzlich aus der milchiggrauen Dunstschicht das Festland auf. Die Insel San Salvador lag direkt unter ihnen. Sie war kaum sechzig Meter entfernt. Percip schob die Energiehebel nach vorn. Der Sonnengleiter raste auf den schmalen Sandstreifen am Ufer der Insel zu. Überall lagen umgeknickte Bäume und zerfetzte Buschreste. Schon längst war der Horizont nicht mehr von dar grauen Wasserfläche zu unterscheiden. Nur dadurch, daß am Himmel weniger Gischt zu sehen war als auf den Wellen, konnte Percip unterscheiden, wo oben und unten war. Die Instrumente des Sonnengleiters spielten verrückt. Der künstliche Horizont zitterte in wilden Bewegungen auf und ab. Percip konnte sich nicht danach richten. Auch der Radiokompaß und der Kreisel waren ausgefallen. Ein gewaltiger Blitz zischte durch die schwarzgrauen Wolken. Er erhellte die Umgebung rund um den Gleiter. Fast augenblicklich folgte das Krachen des Donners. Ihm folgte ein sekundenlanges Rumpeln, das sich langsam entfernte. Aber damit nicht genug: Kaum war das zermürbende Krachen des ersten Donnerschlages etwas schwächer geworden, als auch schon der nächste Blitz mit einer Stärke von mehreren Millionen Volt gezackt wie ein Flammenschwert durch den schwarzen Regenschleier zischte. Rex Corda preßte die Lippen zusammen. Er klammerte sich an die Armlehnen der Sitzschale. Für eine Zehntelsekunde war alles totenstill. Dann brach das Getöse des Donners über dem Sonnengleiter zusammen. Der Turbulentschock zertrümmerte die Frontscheibe. Augenblicklich füllte sich die Kabine
mit einem Schwall Wasser, das salzig auf den Lippen der Männer lag und ihre Augen verklebte. Sie waren blind geworden. Blind gegen den Hurrikan und gegen den noch immer vorhandenen Angreifer. „Werfen Sie die Kugel", brüllte Percip verzweifelt. „So werfen Sie doch." Das war leichter gesagt als getan. Rex Corda versuchte, die hochexplosive Ladung aus dem Sonnengleiter zu schleudern. Keine zwanzig Meter vor ihnen rauschte plötzlich der Diskus vorbei. Die Männer an Bord des Orathonenschiffes waren in einer weitaus günstigeren Position. Der Diskus war raumfähig. Er besaß Instrumente, die es ermöglichten, auch bei dem größten Unwetter noch den Sonnengleiter zu erkennen. Weder Rex Corda noch Percip ahnten, daß sie sich irrten. Der Diskus besaß diese Instrumente nicht mehr. Sigam Agelon hatte sie ausbauen lassen. Aber es gab noch einige Navigationsinstrumente, die den Diskus befähigten, den Feind aufzuspüren und erneut anzugreifen. Da gelang es Rex Corda, die SATKugel mit einem gewaltigen Wurf aus dem Sonnengleiter zu schleudern. Inzwischen war es derartig dunkel geworden, daß die Männer kaum noch die Hand vor ihren Augen sehen konnten, geschweige denn die direkt vor ihnen liegende Insel. Trotzdem versuchte Percip die Landung. Er brüllte: „Festhalten!" Die drei Männer krallten sich an den Sitzlehnen fest. Der Gleiter taumelte zur Seite. Wie ein Spielball wurde er auf und ab geschleudert. Längst hatten die Turbinen ihre ursprüngliche Leistungskraft verloren. Die SAT-Kugel war verschwunden. Jetzt arbeitete sie allein und nur von ihrem positronischen Gehirn gesteuert. Der Gravitationsantrieb war stark ge-
nug, um die kleine Waffe auch gegen die Urgewalten des Sturmes in die richtige Bahn zu lenken. Mit rasender Geschwindigkeit kam der Boden auf den Sonnengleiter zu. Percip versuchte noch einmal, den angeschlagenen Gleiter hochzureißen. Dann schlitterte der demolierte rotweiße Sonnengleiter über den Sandstrand an der Nordküste von San Salvador. Er raste in ein Gewirr aus umgestürzten Palmen und zerrissenen Hibiskussträuchern. Das dämpfte den Aufprall. Die Männer ließen sich nach vorn fallen und stießen dabei gegen die Pneumostützen. Noch ehe sie ihre Sinne wieder beisammen hatten, zerriß eine gewaltige Detonation den ohnehin schon laut genug tobenden Sturm. Aber dieses Geräusch war anders. Das war eine künstliche Explosion gewesen. Kein Donner wie sie ihn bisher gehabt hatten. Percip drehte sich mit einem verzerrten Grinsen um, in dem alles lag, was er fühlte: Freude, Stolz darüber, daß er den Gleiter doch noch auf den Boden gebracht hatte, und die Genugtuung, daß die SAT-Kugel ihr Ziel gefunden hatte. Durch den dichten Regenschleier sahen die drei Männer das verschwommene Glühen am Himmel, das schnell auf das Wasser zufiel. Dann gab es den Diskusraumer der Orathonen nicht mehr. Rex Corda rief etwas. „Was ist los?" brüllte Percip fragend durch den Sturm. „Wir können nicht einmal Jakto Javan benachrichtigen", rief Rex Corda. „Unsere Funkgeräte sind ausgefallen." * Die Siedlung bestand nur aus sieben
oder acht Häusern und einem nicht mehr arbeitenden Leuchtfeuer. An einem schrägen Pfahl neben dem versandeten Weg hing ein Brett, auf dem mit unbeholfenen Buchstaben „Le Vauclin" geschrieben stand. Die Farbe war längst abgeblättert, so daß Rex Corda Mühe hatte, den Namen der Siedlung zu buchstabieren. Alles wirkte tot und verlassen. Nicht einmal Tiere schien es hier zu geben. Drei der Häuser, die eher an Wellblechbaracken erinnerten, waren vom Sturm ihrer Dächer beraubt worden. Sie standen kahl und nackt in der sengenden Tropensonne. Keuchend und schwitzend gingen die drei Männer weiter. Die drei Stunden in der glühenden Sonne hatten das ihre getan. Sie hatte die Männer ausgelaugt und mehr strapaziert als der Kampf im tosenden Inferno des Hurrikans. „Werden wir hier auf Menschen treffen?" zweifelte Ga-Venga. Seine Stimme klang seltsam, da er durch den Verband um sein Kinn behindert war. Percip blieb stehen und betrachtete das verlassen wirkende Dorf. Rex Corda legte die Hand über die Augen und sah sich die Häuser einzeln an. Nichts regte sich. Nicht einmal Ziegen oder Hühner waren zu sehen. Anscheinend waren die Häuser seit Jahren nicht mehr bewohnt. Trotzdem deuteten gewisse winzige Anzeichen darauf hin, daß es hier noch vor kurzer Zeit Leben gegeben hatte. Neben dem zweiten Haus, das aus massiven Steinen bestand, befand sich ein Abfallhaufen, auf dem Pappschachteln lagen, deren Aufdruck noch ziemlich frisch aussah. „Na — bis — co", buchstabierte Rex Corda. Die Keksschachtel war leer. „Länger als zwei Monate können die Bewohner dieser Siedlung noch nicht fort sein", sagte Rex Corda nachdenk-
lich. „Bei dem hier sonst üblichen Tropenregen wären die Schachteln längst aufgeweicht." Sie gingen weiter durch das verlassene Dorf. An den Seiten der schmutzigen Straße befanden sich tiefe Löcher, in denen noch braune Wasserlachen standen. Schmutz und Abfall hatten sie in stinkende Tümpel verwandelt. Rex Corda rümpfte die Nase. „Das sieht nicht sehr appetitlich aus", sagte er. Ga-Venga blickte sich interessiert um. Bereits hinter dem dritten Haus konnten sie das Ende der Siedlung sehen. Hier gab es tatsächlich nichts Lebendes mehr. Nur die Ratten fegten pfeifend durch, die Abfallhaufen. Percip hatte seine Handfeuerwaffe mitgenommen. Das war die einzige Bewaffnung, die die drei Männer besaßen. Die Siedlung befand sich auf einem kleinen Hügel, von dem aus man weit aufs Meer hinausblicken konnte. An einigen Stellen, an denen der Boden bewachsen war. dampfte es noch von der Feuchtigkeit und Nässe, die der Hurrikan zurückgelassen hatte. Das Wasser verdunstete in der Hitze der Tropensonne. Plötzlich blieb Rex Corda stehen und lauschte. Er hatte ein feines Singen gehört, das nicht recht zu der Stille innerhalb des Ortes passen wollte. Er blickte zum Leuchtfeuer hinüber. Dann hörte auch Percip das Geräusch. Er stieß den knabenhaften Kynother an und deutete in Richtung der letzten Häuser. „Es kam von dort", sagte er. Plötzlich kam wieder Bewegung in die drei Männer. Sie hasteten in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. Es war nur ein feines, kaum hörbares Singen gewesen, wie der Klang einer im Winde bewegten Violinensaite. Sie liefen um eine Hausecke. Dann stoppten sie plötzlich und starrten verwundert auf das, was sich ihren Blicken
bot: Sofort erkannten sie, was es war. Sie sahen die Reste eines abgestürzten laktonischen Raumschiffes. Schlagartig wurde Rex Corda klar, warum das Dorf verlassen worden war. Bei der großen Schlacht zwischen Orathonen und Laktonen war ein Raumschiff der Laktonen direkt am Rande des Dorfes niedergegangen. Die sengende Glut hatte alles Leben vernichtet. Die letzten Überlebenden waren mit größter Wahrscheinlichkeit vor dem Flammentod aus dem Himmel geflüchtet. Er und John Haick hatten selbst miterlebt, wie so etwas aussah. Er erinnerte sich an die gewaltige Druckwelle und dann das feurige Leuchten, das alles im Umkreis von mehreren Kilometern vernichtete. Er wunderte sich nur, daß die Häuser noch so weit erhalten waren. Die Zerstörungen, die er dem Hurrikan zugeschrieben hatte, stammten vom Absturz des laktonischen Raumschiffes. Es war halb im Sand vergraben, während die leichte Seebrise durch die zerrissenen Lecks pfiff. Daher kam auch das Geräusch. Eine große Metallplatte hing in vier Meter Höhe von einer Verstrebung herab und vibrierte leicht. Sie rief dieses seltsame Geräusch hervor. „Kommt mit", sagte Percip und hatte es plötzlich eilig. „Vielleicht entdecken wir noch ein paar Teile, aus denen wir ein Funkgerät bauen können." „Optimist", brummte Rex Corda. Aber er folgte trotzdem dem Laktonen. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, daß dieser Mann in allen technischen Fragen sehr begabt war. Warum sollte es ihm dann nicht gelingen, aus den Trümmerstücken des abgestürzten Raumschiffes so etwas wie ein Funkgerät zu bauen. Sie betraten das Wrack und durchsuchten es schnell, aber gründlich. In
den ersten zwanzig Minuten fanden sie nichts, was ihnen weiterhelfen konnte. Aber dann stieß Ga-Venga in der Kabine des Kommandanten auf ein fast unzerstörtes Kommandogerät. Er brachte es Percip. Der Laktone befand sich im oberen Teil des abgestürzten Raumschiffes, das in einer riesigen Mulde lag. Nur deshalb hatten die drei Männer es bei ihrem Marsch auf das Dorf nicht sofort gesehen. Ga-Venga rief mit seiner knabenhaften Stimme nach Rex Corda. Der Ton brach sich an den zerfetzten Kabinenwänden des Wracks und hallte schrill und unwirklich durch die einzelnen Segmente. Das Echo verstärkte die Stimme des Kynothers, so daß Rex Corda sich eines leichten Frösteins nicht erwehren konnte. Dazu kam noch der deprimierende Eindruck jener tiefen Melancholie, die das verlassene Dorf auf ihn gemacht hatte. Nichts war trostloser als die Überreste verlassener Behausungen von Menschen. Er hatte bereits viele Ruinen gesehen. Vor seinen Augen waren Wolkenkratzer, Stadtteile und ganze Städte versunken — so wie Washington. Aber der Eindruck, den diese sieben oder acht verlassenen Häuser auf ihn machten, war noch stärker. Hier wurde das ganze Grauen der Invasion überdeutlich. Rex Corda schob sich an verbogenen Metallverstrebungen vorbei und kletterte über schräge Ebenen, die einstmals Korridore innerhalb des Raumschiffes gewesen waren. Er fand Percip und GaVenga, die sich bereits mit der Reparatur des Kommandogerätes befaßten. Ga-Venga hockte in einer Ecke und massierte seine Wangen durch den Verband hindurch, während Percip mit flinken Fingern Einzelteile auswechselte und sich dann aus einem großen Haufen von transistorähnlichen Gegenständen die passenden Teile heraus-
suchte. Er besaß keinerlei Lötapparaturen, aber er benutzte die Rex Corda bereits bekannte E-Leiter-Paste. Mit dieser Paste gelang es ihm, die fehlenden Verbindungen herzustellen und Stromkreise zu schließen. Die Energiequelle für das Kommandogerät wurde normalerweise aus dem Schiffsnetz bezogen, das jetzt tot und nutzlos war. Deshalb versuchte Percip mit einem provisorisch hergestellten Dynamo die notwendige Energie zu erzeugen. Er bewegte einige Elektromagneten in schneller Folge um einen Stab, den er senkrecht in eine Nietöffnung gesteckt hatte. Mit Hilfe eines Kabels ließ er die Elektromagneten um den Eisenkern kreisen. Dann flackerten die ersten KontrollLampen auf. Die Glühfäden glimmten nur. Aber es war der Beweis erbracht, daß das Gerät wieder funktionierte. Percip rastete die Frequenz des laktonischen Hauptquartiers in Colorado Springs ein. Die Methode war primitiv, aber sie wirkte. Er bat Rex Corda, sich an den Bemühungen zu beteiligen. Gemeinsam versuchten die beiden Männer, genügend Energie zu erzeugen, um das Kommandogerät in Betrieb zu setzen. Ga-Venga kam aus seiner Ecke und hockte sich vor die Sprechöffnung. Er formulierte den Hilferuf, der so kurz wie möglich zu sein hatte. Im Grunde genommen war er nichts weiter als die Durchgabe seiner Code-Nummer und der Position. Das mußte den Laktonen im Hauptquartier genügen. Die drei Männer konnten nicht überprüfen, ob ihr Hilferuf gehört wurde. Deshalb versuchte es Percip auf einem anderen Weg. Er lief nochmals durch das gesamte Wrack und kam mit einem Arm voll elektronischer Einzelteile zu-
rück. „Will einer zurück zum Sonnengleiter gehen?" fragte er. Sowohl Rex Corda als auch Ga-Venga schüttelten sofort und ziemlich energisch den Kopf. „Wir sollten lieber erst versuchen, ob wir hier nicht klarkommen", meinte Rex Corda. „Wenn das nichts hilft, können wir uns immer noch die nötigen Teile aus dem Gleiter holen." „Das bedeutet sechs Stunden Verlust", antwortete Percip. „In diesen sechs Stunden können wir bereits längst vor Jakto Javan stehen." „Wir könnten stehen", verbesserte Rex Corda, „wir müssen aber nicht. Was passiert, wenn wir bis zum Einbruch der Dunkelheit noch immer nicht gefunden wurden? Was passiert außerdem mit Sigam Agelon, der sich jetzt ja aller Wahrscheinlichkeit nach in dieser Gegend befinden muß." Percip antwortete nicht. Er arbeitete verbissen weiter. Das Gerät wuchs langsam zu einem bizarren Gebilde an. Überall hingen Drähte, Kondensatoren und Mikro-Blocks heraus. „Jetzt müßte es eigentlich funktionieren", meinte Percip schließlich. Noch ehe Rex Corda dazu kam, ihm zu antworten, heulte mit einem pfeifenden Geräusch ein Diskus über die Insel hinweg. Die drei Männer richteten sich mit einem freudigen Schreck auf. „Sie haben uns", grinste Percip. Rex Corda nickte. Der Diskus wendete, während Percip immer noch an seinem Gerät herummontierte. Rex Corda verließ ihn und rannte aus dem Wrack heraus. Er stellte sich auf einen kleinen Sandhügel und winkte mit den Armen. Der Diskus kehrte zurück. Er ging tiefer, dann jaulte er mit pfeifenden Triebwerken über Rex Corda hinweg. Aber nur zweihundert Meter. Dann
machte er kehrt und landete in einer hochaufstäubenden Wolke direkt neben dem Wrack, in dem sich noch immer Percip und Ga-Venga befanden. Zehn Minuten später waren sie unterwegs nach Colorado Springs. Sie mußten so schnell wie möglich Jakto Javan Bericht erstatten. Die ersten Meldungen erhielt der laktonische Oberbefehlshaber bereits über die Funkaggregate des Raumers. Aber Rex Corda war der Meinung, daß sie nicht allzu deutlich werden durften, wenn Agenten nicht zu frühzeitig gewarnt werden sollten. Trotzdem genügte die kurze Information für Jakto Javan. Er handelte sofort. Auf seinen Befehl hin wurde die globale Suchaktion eingestellt. Die Trakonkreuzer zogen sich über den Westindischen Inseln zusammen. Jetzt hatten sie wenigstens einen Anhaltspunkt. Wie Falken kreisten die Raumer über der Inselgruppe. Jeder Ausbruchsversuch des Orathonen würde sofort entdeckt und mit entsprechenden Maßnahmen verhindert werden. Aber Jakto Javan wollte nicht, daß Sigam Agelon ohne Warnung getötet wurde. Er wollte dem Orathonen persönlich gegenübertreten. Die Orathonen hatten seinen Sohn ermordet. Das konnte Jakto Javan dem Orathonen Sigam Agelon nie verzeihen. * Jakto Javan hatte aufgrund der einlaufenden Meldungen sofort ein Hilfsschiff entsandt, das die drei Männer von San Salvador abholen sollte. Bekoval sah sich schweigend an, wie Jakto Javan die Suchflotte über den Westindischen Inseln zusammenziehen ließ. „Was hat das noch für einen Sinn?"
fragte Bekoval. „Was meinen Sie?" „Sie suchen doch immer noch Sigam Agelon, während sich die energetische Kugel um das Sonnensystem mehr und mehr zusammenzieht. Wir sollten alle unsere Kräfte darauf konzentrieren, einen Weg zu finden, wie wir der endgültigen Vernichtung entgehen können." „Es gibt keinen Weg", antwortete Jakto Javan. „Jedenfalls bisher nicht. Die einzige Chance, die wir haben, ist Sigam Agelon." „Glauben Sie ernsthaft, daß er Ihnen verraten wird, wie man die fünfdimensionale Energiewand zerstören kann?" „Wenn wir ihn finden, werde ich mit ihm reden", sagte Jakto Javan. Ein seltsames Glühen war in seinen Augen. Bekoval kannte den Grund, warum Jakto Javan sich selbst um Sigam Agelon kümmern wollte. „Sie müssen doch zugeben, daß wir geschlagen sind", sagte Bekoval ernst. „Den Orathonen ist es gelungen, uns in diesem Sonnensystem festzuhalten. Wir haben augenblicklich keine Möglichkeit, der drohenden Vernichtung zu entkommen. Das ist der bisher größte Sieg der Orathonen. Ich glaube, das sollten Sie auch einsehen." ' „Das habe ich längst eingesehen, aber was nützt es? Dadurch wird das Problem auch nicht gelöst." „Wir sollten mit den Terranern verhandeln", sagte Bekoval. „Vielleicht ergibt sich dann noch eine Möglichkeit. Die Terraner sind zwar Primitive, aber sie besitzen einige Eigenschaften, die wir nicht haben. Es könnte sein, daß sie einen Weg finden, gerade weil sie einfacher und unkomplizierter denken als wir." Jakto Javan antwortete nicht. Kurze Zeit später trafen Rex Corda, Percip und Ga-Venga in der Zentrale
ein. Sie wurden sofort zu Jakto Javan geführt. Bekoval war noch immer bei ihm. Percip berichtete so schnell und zusammenhängend wie möglich. Dann entschloß sich Jakto Javan, während die Suche nach Sigam Agelon weiterging, mit Rex Corda die wichtigsten Probleme durchzusprechen. Er berief eine Blitzkonferenz ein, an der alle wichtigen Laktonen teilnahmen. Von seiten der Erde waren Oberst Polley, John Haick und Rex Corda anwesend. Weitere Terraner wollte Jakto Javan nicht als Verhandlungspartner akzeptieren. Ihm genügte es, mit Rex Corda direkt zu verhandeln. Rex Corda spürte, daß diese Verhandlung wichtiger war als alle anderen zuvor. Er wußte, daß er sich diesmal in einer besseren Ausgangsposition befand. Deshalb konnte er Forderungen stellen. Noch ehe Jakto Javan auf das eigentliche Problem zu sprechen kam, spielte Rex Corda seine Forderungen aus. „Sie wollen, daß wir Ihnen helfen. Noch mehr als wir es bisher getan haben. Aber ich halte es für unfair, wenn gleichzeitig Terraner noch immer in der Gefangenschaft der Laktonen sind. Ich erinnere nur an meine Geschwister Kim und Velda." Jakto Javan blickte auf. Er starrte Rex Corda in die kristallblauen Augen. Er konnte sich der Macht dieses Blickes nur schwer entziehen. „Natürlich, Mr. Corda", sagte Jakto Javan schließlich mit einem leichten Kopfnicken. „Sie wissen es vielleicht noch nicht, aber jetzt kann ich es Ihnen sagen. Ihre Geschwister und die anderen Terraner, die wir bei unserem ersten Besuch auf der Erde . . ." „... entführt haben!" sagte Rex Corda. Eine heilige Wut ergriff ihn. Die Laktonen und die Orathonen waren sich ähnlicher, als er angenommen hatte.
Beide spielten ein falsches Spiel. Er ballte die Fäuste und blickte zu John Haick hinüber. Der dunkelhaarige Atomwissenschaftler nickte ihm zu. Die Gruppe der Stabsoffiziere auf Seiten der Laktonen betrachtete die Terraner mit Blicken, die alles andere als freundlich waren. Sie erkannten Rex Corda und seine Leute noch immer nicht als gleichwertig an. „Sie müssen sich untersuchen lassen, Mr. Corda", sagte Jakto Javan. „Das fordern wir als Gegenleistung dafür, daß wir Ihnen sagen, wo Ihre Geschwister sind." „Was nützt es mir, wenn Sie uns das sagen?" fragte Rex Corda. „Sie wissen genau, daß ich kein einziges Raumschiff habe, um sie mir zu holen. Aber Sie wissen auch, daß ich alleine nichts für Sie bedeute. Meine Geschwister und ich sind eine Einheit, wenn Sie an unser Wissen herankommen wollen." „Vielleicht genügt es, wenn wir nur Sie untersuchen, Mr. Corda. Wenn wir je ein Drittel des Geheimnisses haben, das in Ihrem Unterbewußtsein und dem Unterbewußtsein Ihrer Geschwister verankert ist, wären unsere Synoptiker eventuell in der Lage, daraus ein Ganzes zu formen." Rex Corda lächelte. „Nein", sagte er, „das ist kein Angebot, auf das ich eingehen kann. Es ist mein einziger Trumpf, wenn Sie es genau wissen wollen. Allein bin ich für Sie wertlos. Aber zusammen mit meinen Geschwistern habe ich etwas, das Sie gerade in dieser verzweifelten Situation unbedingt brauchen können. Sie wissen, daß meine Geschwister und ich für Sie wichtig sind. Deshalb bitte ich Sie nochmals, holen Sie die Terraner, die Sie verschleppt haben, zurück. Nur dann kann es zu einer sinnvollen Zusammenarbeit kommen." Es gab noch einen anderen Grund,
aus dem Rex Corda es ablehnte, sich einer Untersuchung durch die laktonischen Wissenschaftler zu stellen. Er kannte selbst das Geheimnis, das in seinem Unterbewußtsein verborgen war, nicht. * Der zurückkehrende Trakonkreuzer mit Latak Decimo an Bord entdeckte die von semibiotischen Grundkolonien überwucherte Insel Mayaguana sofort. Fast augenblicklich ordnete Latak Decimo die Untersuchung der Kolonie an. Latak Decimo hatte noch immer nicht verwunden, daß ihm Troglo Varas, der Sicherheitsoffizier dieses Kreuzers, die Arbeit derartig erschwert hatte. Noch während die Suchflotte der Laktonen sich im Venusraum befand, hatte Jakto Javan gehandelt. Troglo Varas stieg auf seinen Befehl auf einen anderen Kreuzer um. Damit wollte der Oberbefehlshaber der Laktonen weitere Zwischenfälle vermeiden. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, daß Latak Decimo seinen an den Synopsis-Computern geschulten Verstand einsetzen würde. Decimo hielt den Befehl zur Ausschiffung von Troglo Varas für ein günstiges Zeichen. Er schickte die Flotte zurück, ohne selbst mit zur Erde zurückzukehren. Während die Trakonkreuzer bereits über den Westindischen Inseln versammelt waren, kreuzte Latak Decimo noch immer im Raum. Er hatte sich etwas länger mit dem orathonischen Wrack aufgehalten, das in der Mondbahn kreuzte, als er eigentlich vorgesehen hatte. Danach flog er aber mit erhöhter Geschwindigkeit auf Terra zu. Er erreichte
die Westindischen Inseln, während sich die Suchflotte im Einsatz befand. Jeder der laktonischen Kommandanten hatte bereits Mayaguana als eine Besonderheit entdeckt. Und fast alle Kommandanten wußten, um was es sich bei dem grauen Ring um die Insel handelte, um semibiotische Grundkolonien. Trotzdem war keiner der laktonischen Offiziere auf die Idee gekommen, gerade hier den vermißten Sigam Agelon zu suchen. Sosehr sie ihren Feind auch haßten, sie trauten ihm nicht zu, mitten in dieser Falle der Semibioten zu leben. Sie wußten, daß der Chef der Featherheads sein Leben liebte. Deshalb glaubten sie nicht, daß Sigam Agelon dieses Risiko eingehen würde. Sie ließen die Insel Mayaguana bei der Suche nach dem Orathonen vollkommen unbeachtet. Latak Decimo betrachtete sich auf den Holografen den Ring um die langgestreckte Insel. Er war bereits derartig eng geschlossen, daß nur noch ein Feld von ungefähr fünf Kilometern im Durchmesser frei war. Der Rest der Insel war bereits unter den wuchernden Auswüchsen verschwunden. Je näher der Trakonkreuzer an Mayaguana herankam, um so mehr verstärkte sich ein Verdacht in Latak Decimo. Er war ein Synoptiker, der auf die feinsten Gefühlsregungen achtete. Selbst unklare Gedanken, die zunächst nur eine Vermutung waren, bekamen durch seine geschulte Denkweise Gewicht. Er vergaß nichts. Für ihn war nichts unmöglich. Hastig versuchte er, die Wachstumsgeschwindigkeit einer semibiotischen jrundkolonie nachzurechnen. Er hockte hinter einem Synopsis-Computer und fütterte ihn mit den Daten, die ihm über die Kolonien bekannt waren. Er gab das Datum und die genaue
Zeit des Abfluges der Orathonen in den Computer. Er speiste die positronische Zentralanlage des Synopsis-Computers mit den normalen Wassertemperaturen, Mineralgehalten, Strömungsgeschwindigkeiten unter der Wasseroberfläche und der Dosis der täglichen Sonneneinstrahlung. Erregt wartete er, bis der SynopsisComputer das Ergebnis ausspuckte. Er riß den Lochstreifen ab und raste durch die Zentrale des Trakonkreuzers. So schnell wie möglich hockte er sich hinter die Funkanlagen und hämmerte eigenhändig seinen Bericht an Jakto Javan aus den Antennen. Dann drehte er sich um und rief nach dem Kommandanten. „Wir gehen tiefer und untersuchen diese Insel dort", befahl er. Der Kommandant hatte sich inzwischen abgewöhnt, gegen den Synoptiker Widerstand zu leisten. Er wartete darauf, daß der junge Wissenschaftler endgültig sein Schiff verließ. Erst dann würde er wieder aufatmen. „Wie tief sollen wir gehen?" fragte er mit einem resignierenden Ton in der Stimme. Latak Decimo starrte auf die Instrumente. „Bis auf drei Kilometer", sagte er mit leuchtenden Augen. Der Kommandant leitete die Anweisungen weiter. Dann sackte der laktonische Kreuzer steil nach unten. Er fing sich erst wieder, als er dicht über der Insel Mayaguana stand. Inzwischen hing Latak Decimo bereits an den Bildschirmen. Er untersuchte jeden Fußbreit Land. Dann fand er plötzlich die Bestätigung seiner Vermutungen: Es gab noch Leben auf der Insel. Und es gab außerdem etwas, was ihm keinen Zweifel daran ließ, daß sich noch Orathonen auf der Insel befanden. Der unverkennbare Eindruck, den der Diskus hinterlassen hatte, war aus
dieser Höhe gut zu erkennen. Latak Decimo justierte die Feineinstellung. Dann hatte er den Eingang des Bunkers in der Mitte der Insel direkt im Bild. Er wartete zwei Minuten, bis sich dort unten etwas regte. Ein gefiederter Orathone in einem grellroten Umhang tauchte im Eingang auf. Er blickte nach oben. Latak Decimo sah das Gesicht des Featherheads vollkommen klar auf dem Bildschirm der Holografen. „Sigam Agelon", rief er erregt. * Der Funkspruch von Latak Decimo wurde von allen Navigationsoffizieren des laktonischen Suchkommandos zu gleicher Zeit aufgefangen. Sofort formierten sich die Raumschiffe der Laktonen neu und stießen konzentriert auf Mayaguana vor. Sobald Latak Decimo merkte; daß er Hilfe bekam, befahl er dem Kommandanten des Trakonkreuzers zu landen. „Sie werden uns umbringen", antwortete der Kommandant. „Unsinn", sagte Latak Decimo. „Wie soll Agelon unseren Kreuzer angreifen? Soll er mit Sand werfen? Oder wie stellen Sie sich das vor?" „Sie unterschätzen die Orathonen gewaltig", meinte der Komandant. Aber das war nicht der echte Grund, warum er sich weigerte, die Landung durchzuführen. Er befürchtete vielmehr, daß er anschließend von Jakto Javan zur Rechenschaft gezogen wurde, wenn er die Befehle des jungen Synoptikers direkt ausführte. „Tun Sie, was ich Ihnen sage." Latak Decimo entwickelte plötzlich Autorität. In seinen strahlend hellen Augen leuchtete die Begeisterung darüber, daß er seinen Auftrag erfüllt hatte.
Er hatte Sigam Agelon gefunden, obwohl er zwischendurch immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt hatte. Die Erfüllung des Auftrages von Jakto Javan war für ihn eine tiefe Befriedigung. Er hatte sich stärker erwiesen, als alle kleinlichen Widersacher. Da von der Zentrale in Colorado Springs keine entgegenlautenden Anweisungen kamen, mußte sich der Kommandant dem Befehl des Synoptikers fügen. Auf seinen Gravo-Feldern schwebend, ging der Trakonkreuzer langsam nach unten. Das mächtige Schiff erzitterte, während die Energieumwandler immer neue Energiestöße in die Brems- und Korrekturdüsen leiteten. Mit leichtem Vibrieren setzte der Trakonkreuzer knapp einen Kilometer südlich der Stelle auf, an der er Sigam Agelon entdeckt hatte. „Ich brauche zwanzig Mann, die mit mir nach draußen gehen", sagte Latak Decimo. Der Kommandant versuchte erneut, die Anordnungen des Synoptikers aufzuhalten. Aber Decimo wischte alle Einwände mit einer Handbewegung weg. Er war entschlossen, seinen Auftrag so auszuführen, wie es Jakto Javan von ihm erwarten konnte. „Geben Sie mir die zwanzig Leute", sagte er, „aber schnell! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wenn Sigam Agelon begriffen hat, daß wir ihn entdeckt haben, kann es unter Umständen zu spät sein. Ich weiß nicht, welche Waffen er noch in seinem Besitz hat." Es dauerte nur einige Minuten, bis das Kommando, aus einundzwanzig Männern bestehend, aus dem Trakonkreuzer ausgeschleust wurde. Decimo ging in der Mitte. Er hatte sich ein tragbares Funkgerät eingesteckt, um jederzeit mit Jakto Javan sprechen zu können, falls es der Oberbefehlshaber
der laktonischen Flotte wünschte. Rechts und links von ihm stampften je zehn Männer durch den weißen Korallensand. Sie waren schwer bewaffnet und bewegten sich, vorsichtig nach allen Seiten blickend, über die Dünen. Der erwartete Angriff blieb aus. Decimo und sein Sonderkommando gelangten bis auf fünfzig Meter an den Unterstand von Sigam Agelon heran. Da jaulte eine Kleinrakete mit einem häßlichen pfeifenden Geräusch über die Männer hinweg. „Deckung", brüllte Latak Decimo. Er hatte nie eine militärische Ausbildung genossen. Aber das waren wichtige Grundbegriffe, die jeder in der gleichen Situation automatisch beherrschte. Die Soldaten der laktonischen Flotte warfen sich in den Korallensand. Sie preßten ihre Gesichter in die Armbeuge und warteten auf einen neuen Angriff. Er kam schneller, als Latak Decimo es angenommen hatte. Sigam Agelon kämpfte. Latak Decimo nahm seine Waffe und kroch durch den heißen Sand. Er nahm das Funkgerät hervor und drehte die entsprechende Frequenz ein. Er ließ sich den Kommandanten des Trakonkreuzers geben. „Geben Sie uns Feuerschutz. Aber schießen Sie nicht eher, als ich es befehle." „Natürlich", sagte der laktonische Kommandant ironisch, „Sie befehlen, ich gehorche." Latak Decimo war viel zu beschäftigt, um auf den Unterton zu achten. Er schob sich vorsichtig immer weiter nach vorn. Die Düne stieg leicht an. Dann erreichte Latak Decimo den Kamm des kleinen Sandhügels. Er hob den Kopf und blickte an einer verkümmerten Tomatenstaude vorbei, die irgendein Zufall hier hatte Wurzeln schlagen lassen.
Die Staude trug keine Frucht, aber sie reichte aus, um Latak Decimo für Sekunden Schutz zu gewähren. Jenseits der sandigen Bodenwelle begann ein wirres Durcheinander, das deutlich machte, mit welch verheerender Wucht hier der Hurrikan gewütet hatte. Da tauchte plötzlich ein orathonischer Offizier im halbversandeten Eingang des Bunkers auf. Latak Decimo zielte kurz und schoß. Er hatte selbst nicht damit gerechnet, daß er treffen würde. Aber da warf der Orathone plötzlich die kurzen Arme in die Luft, drehte sich halb und stürzte zu Boden. Fast augenblicklich bellten die ersten Salven des Sonderkommandos über die Dünen. Ein zweiter Orathone, der im Eingang des Bunkers erschienen war, schaffte es nicht mehr, in den sicheren Unterstand zurückzukommen. Er taumelte, griff sich an die Brust und warf dann mit letzter Kraft eine Handvoll kleiner teuflischer Granaten in die Luft. Die Granaten besaßen einen Eigenantrieb und jagten — ohne ein festes Ziel zu haben — dicht über die Sanddünen hinweg. Latak Decimo zog den Kopf ein. Knapp zwanzig Zentimeter über ihm jaulte eine der Granaten durch die Luft. Im gleichen Augenblick sprach das Funkgerät an, das fünfzig Zentimeter vor Latak Decimo im Sand lag. „Aufhören! Sofort aufhören! Kommen Sie zurück, Sie Narr." Latak Decimo zog den Kopf ein. Der Korallensand knirschte zwischen seinen rötlichen Zähnen. Für eine Zehntelsekunde glaubte Decimo, ungerecht behandelt zu werden. Er hatte Sigam Agelon entdeckt. Und er wollte es schaffen, diesen Mann, der zu den gefürchtetsten Feinden gehörte, persönlich umzubringen oder gefangen-
zunehmen. Und jetzt befahl ihm Jakto Javan, den Kampf kurz vor dem Sieg einzustellen. Latak Decimo gehorchte, ohne sich zu widersetzen. Aber in seinem Innern tobte ein Kampf, der ein Gemisch aus Wut, Verzweiflung und Enttäuschung war. Die Raumschlachten hatten Latak Decimo stets unbeteiligt gelassen. Aber dieser einzige Schuß, mit dem er einen Orathonen getötet hatte, verwandelte ihn vollkommen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen war er älter geworden. Gleichzeitig erkannte er die Sinnlosigkeit des Tötens. Der Orathone, der durch seine Hand gestorben war, hatte ihm persönlich nichts getan. Er kannte ihn nicht einmal. Latak Decimo hatte keinen Haß gefühlt, als er abdrückte. Nur Freude und Begeisterung daran, seinen Auftrag ausführen zu können. Plötzlich wurde ihm klar, wie sinnlos der Krieg zwischen den Orathonen und den Laktonen war. Es war kein Krieg zwischen Menschen, sondern eine Vernichtungsschlacht, die von Maschinen und Energiestrahlern geführt wurde. Sobald Orathonen und Laktonen aufeinandertrafen, mußten sie töten. Ganz gleich, ob sie sich kannten, oder ob sie sich nie vorher gesehen hatten. Plötzlich verstand Latak Decimo jenen Terraner, der zwar mit den Laktonen zusammenarbeitete, trotzdem aber immer wieder mit aller Kraft dafür eintrat, daß das sinnlose Morden auf beiden Seiten endlich ein Ende hatte. Latak Decimo winkte seiner Gruppe zu. Dann zogen sie sich gefechtsmäßig zum Trakonkreuzer zurück. Kein weiterer Angriff durch die Orathonen erfolgte. Während die Soldaten von Lakton im Innern der Schleuse verschwanden, starrte Latak Decimo auf die dichte graue Wand aus Semibioten, die nur wenige hundert Meter vom
Landeplatz des Trakonkreuzers entfernt war. Die bis zu zwei Meter langen Stacheln der Semibioten bewegten sich in ständigem Wechsel. Das schmatzende und knackende Geräusch, das die ständig weiter vordringende Kolonie verursachte, war stärker als das entfernte Rauschen der Brandung. Der stachlige graue Ring der Vernichtung schloß sich immer enger um das nutzlose Versteck des orathonischen Oberbefehlshabers. In weniger als zwei Stunden würde die Kolonie keinen Quadratmeter mehr von Mayaguana übriggelassen haben. Latak Decimo drehte sich im Sand um und ging langsam auf die Schleuse zu. Er mußte wieder an diesen Rex Corda denken und nahm sich vor, sobald wie möglich mit dem Terraner darüber zu sprechen, wie die Vernichtung auf beiden Seiten beendet werden konnte. * Das als Wrack getarnte orathonische Raumschiff hatte die Mondbahn erreicht. Jetzt kam der schwierigste Teil des Unternehmens. „Alle Energiespender auf Nullposition." Schlagartig wurde es still innerhalb der Hantelkugel, in der sich die Orathonen befanden. Nur das Trampeln der Stiefel auf dem Panzerplastboden war zu hören. Fast automatisch sprachen die Featherheads leiser miteinander. Natürlich konnten die laktonischen Patrouillen nichts davon hören, aber die Anspannung, die die Orathonen seit dem Durchstoß der fünfdimensionalen Energiewand ergriffen hatte, war nicht geringer geworden. Im Gegenteil! „Einsatzkommando zum Chef!"
Die Orathonen, die sich zur Erde begeben sollten, standen bereit. Es waren fünf kräftig gebaute Featherheads, die sich mehr als einmal bei anderen Einsätzen bewährt hatten. Sie kannten die Erde genau. „Fassen wir noch einmal zusammen", sagte der orathonische Offizier, der die Aktion leitete, „Sie stoßen mit dem bereits startbereiten laktonischen Gleiter zur Erde hinab. Man wird sich nicht um Sie kümmern." „Und wenn wir doch entdeckt werden?" „Sofortige Rückkehr!" „Ohne Sigam Agelon?" „Ja." „Dann müssen wir also mehrmals versuchen, den Agelon von der Erde zu retten." Der Leiter des Unternehmens nickte: „Wir versuchen es so oft, bis Sigam Agelon außerhalb des von uns aufgebauten Energiefeldes ist." „Wieviel Zeit haben wir?" „Beim ersten Versuch vierundzwanzig Stunden." „Also gut — dann sind wir bereit." Die Orathonen machten sich fertig. Dann bestiegen sie in wenigen Sekunden den laktonischen Diskus, der ein Beutestück gewesen war. Die Orathonen hatten den Diskus mit einigen Spezialgeräten versehen. Auch das gehörte zum Kommandounternehmen zur Befreiung Sigam Agelons. Der laktonische Diskus würde die Gefahr, sofort entdeckt zu werden, auf ein Minimum zurückführen. Trotzdem war diese Gefahr nach wie vor das Hauptproblem für die grünhäutigen Orathonen. Die Triebwerke des laktonischen Raumers sprangen an. Vier Orathonen hockten hinter den Kontrollen. Sie hatten auch die Kennungen, die automa-
tisch über Funk ausgestrahlt wurden, eingeschaltet. Sie durften kein Risiko eingehen. Der Raum zwischen Mond und Erde war nicht leer. Ungezählte laktonische Raumschiffe kreuzten nervös und anscheinend unkontrolliert den direkten Flug des feindlichen Diskus an. Die Agenten der Orathonen stießen direkt auf die große blaue Fläche des Pazifik zu. Dort war die Gefahr einer Entdeckung nicht so groß. Im Grunde genügte ein einziger Anruf durch ein anderes laktonisches Schiff, um das Unternehmen scheitern zu lassen. In jeder Sekunde warteten die Orathonen darauf, irgendeinen Sendespruch zu empfangen, den sie nicht ordnungsgemäß bestätigen konnten. Sie näherten sich der Erde nicht mit Höchstgeschwindigkeit. Das wäre zu auffällig gewesen. Nachdem der Raumer das orathonische Wrack verlassen hatte, galt es, möglichst viel Raum zwischen das Mutterschiff und die Sondergruppe zu bringen. Nach den ersten fünf Minuten Flug atmeten die Orathonen etwas auf. Dieser gefahrvolle Teil des Fluges war überstanden. Jetzt kam die Annäherung an die Erde und das unbemerkte Eintauchen in die Atmosphäre. „120 — NB 130-3 voraus ein Trakonkreuzer", meldete der orathonische Beobachter plötzlich. „Richtung?" fragte der Einsatzoffizier. „Er kommt auf uns zu." Nach einer einzigen Sekunde antwortete' der Leiter des Unternehmens: „Kurs halten, Geschwindigkeit halten." „Entfernung jetzt hunderttausend." „Weiter beobachten." „Achtzigtausend — abnehmend." Die Orathonen verfolgten angespannt
den Kurs des Trakonkreuzers, der sich immer mehr näherte. „Bisher haben sie noch nichts gemerkt." „Abwarten. Sobald sie Verdacht schöpfen, Kurswechsel und Flucht." „Verstanden." Der laktonische Raumer mit der orathonischen Besatzung jagte auf die Erde zu. Dann tauchte der Diskus in die Atmosphäre ein. Ein kurzes Vibrieren, ein heftiger Schlag, dann hatten die Neutralisatoren den Widerstand der irdischen Lufthülle, die in diesen Randgebieten noch sehr dünn war, überwunden. Dafür erfüllte die Kabine ein gleichmäßiges dumpfes Brummen. Die Geräusche der Reibung von Metall und Luft wurden durch die Kabinenwände gemildert und im Ton verändert. „Sie folgen uns", sagte einer der Männer plötzlich. „Keine Kursänderung — Richtung und Geschwindigkeit beibehalten." Der Raumer glitt in eine parabelförmige Bahn. „Strahler schußbereit machen." „Ist geschehen." „Entsichern." „Strahler sind entsichert." Die Orathonen waren bereit, auf einen plötzlichen Angriff hart und augenblicklich zu reagieren. Sie würden den Trakonkreuzer nicht ernsthaft beschädigen können. Aber einige Salven von Bord eines laktonischen Kleinraumers genügten, um die Verwirrung an Bord des Trakonkreuzers für die Zeit aufrechtzuerhalten, die die Orathonen zur Flucht benötigten. Der Plan war in allen Einzelheiten vorher festgelegt worden. Eigentlich durfte nichts schiefgehen. Trotzdem blieb das Risiko, daß die Orathonen nicht an alle möglichen Zwischenfälle gedacht hatten.
Wenn Sigam Agelon gefunden worden war, lief alles nach einem genau fixierten Plan ab: die Übernahme in das Wrack - - die sofortige Flucht bis zur Marsbahn und die Abwehr etwaiger Verfolger. Jetzt war der kleine Raumer nur noch hundert Kilometer über der Erdoberfläche. Die riesige Wassermasse des Pazifik schillerte in allen Farben. Weißliche Lichtreflexe bedeckten einen Teil des großen Ozeans. „Er dreht ab", sagte plötzlich der Beobachter erleichtert. Die Orathonen grinsten sich an. Es war nicht einfach für sie, einen Feind in unmittelbarer Nähe zu wissen und dann nicht anzugreifen. Das war auch ein Grund dafür gewesen, daß der Stellvertreter von Sigam Agelon die Männer dieses Kommandos besonders sorgfältig gesiebt hatte. Orathonen mußten angreifen, wann immer sie auf ihre Todfeinde trafen. Ihre Mentalität ließ es nur in Ausnahmefällen wie diesem zu, sich defensiv zu verhalten. Das große Ziel war wichtiger. Der Raumer schoß über die schmale Landverbindung zwischen Nord- und Südamerika hinweg. Er jagte in einer Höhe von vierzig Kilometern über den Golf von Mexico, passierte Kuba und drehte dann ab. Das Ziel war erreicht. „Wenn wir alle Inseln absuchen, schaffen wir es niemals in vierundzwanzig Stunden." „Dort — was soll das heißen?" Erschreckt starrten die Featherheads auf die Trakonkreuzer über den Westindischen Inseln. Es wurden immer mehr. Sie formierten sich zu einem Ring um die Bahamas. „Verdammt", zischte der Chef der Orathonen, „wir müssen abdrehen." „Wohin?"
„Auf das offene Meer, über dem Atlantik können wir beobachten, was hier vorgeht." „Das sieht ganz so aus, als hätten die Laktonen Sigam Agelon bereits eingekreist." „Hoffentlich nicht", nickte der Beobachter, während der Raumer über Mayaguana hinwegzog. Die Orathonen sahen die Insel und die semibiotischen Kolonien auf den Bildschirmen. „Dort ist er ganz bestimmt nicht, aber vielleicht sind die Kolonien der Grund für die laktonische Versammlung." * Jakto Javan brach die Unterredung mit Rex Corda abrupt ab, als er die Nachricht erhielt, daß Sigam Agelon endlich gefunden worden war. Für ihn war dieses Problem zunächst wichtiger als die Klärung der Frage, wie die sich ständig zusammenziehende Energiewand um das Sonnensystem durchbrochen werden konnte. Das war ein Problem, welches zunächst die Wissenschaftler anging. „Tut mir leid, Corda", sagte Jakto Javan, „das hat Vorrang vor allen anderen Problemen. Sigam Agelon ist der Schlüssel zum Sieg." „Das ist Ihnen natürlich wichtiger als die fünfdimensionale Energiewand zu sprengen", sagte Rex Corda. Er war wütend auf Jakto Javan. Corda rang erbittert darum, daß die Erde technische und wissenschaftliche Unterstützung durch die Laktonen erhielt. „Sie haben meinen Sohn ermordet", sagte Jakto Javan. In seinen Augen glühte ein nicht zu löschendes Feuer. Rex Corda sah den Laktonen an und wußte, daß es keinen Zweck hatte, Jakto Javan jetzt aufzuhalten.
* Der laktonische Raumer schoß mit Höchstgeschwindigkeit auf die Bahamas zu. Noch während des Fluges befahl Jakto Javan, daß alle laktonischen Raumschiffe, die sich über den Westindischen Inseln befanden, sofort das gesamte Gebiet zu verlassen hatten. Er wollte allein sein, wenn es zum entscheidenden Kampf mit Sigam Agelon kam. Dann entdeckte Jakto Javan die fast vollkommen von den Semibioten überwucherte Insel. Er stieß steil nach unten und landete hart, aber präzise direkt neben dem Bunker, in dem sich Sigam Agelon verschanzt hatte. Niemand war in der Nähe, der Jakto Javan helfen konnte. Aber er wollte keine Hilfe. Das, was er hier auszumachen hatte, ging nur ihn etwas an. Ihn selbst und Sigam Agelon. Jakto Javan verließ den Gleiter und stampfte durch den weißen Korallensand. Anscheinend hatte ihn Sigam Agelon beobachtet. Denn als er merkte, daß Javan allein kam, trat er aus dem Bunkereingang und stellte sich ruhig neben eine Sanddüne. Er wartete auf Jakto Javan. Die beiden Männer, die jeder über eine Flotte von mehr als zweihunderttausend Raumschiffen verfügen konnten, waren erbitterte Feinde. Aber gerade diese Feindschaft machte sie einander so ähnlich. Jetzt waren es nur noch fünzig Meter, die Jakto Javan zu überwinden hatte. Der gefiederte Orathone erwartete ihn ruhig. Knapp zehn Meter vor Sigam Agelon blieb Jakto Javan stehen. Die beiden Männer maßen sich mit kalten Blicken. Beide waren sie unbewaffnet. Sie
starrten sich endlose Minuten lang an, ohne daß einer von ihnen das Schweigen brach. „Sigam Agelon", sagte Jakto Javan schließlich, „der dritte Sohn des Moga Agelon. Herr über eine Flotte, wie sie dieses Sonnensystem nie zuvor gesehen hat. Gebieter über ein Dutzend fremder Hilfsrassen. Ausbeuter von Planeten, deren Zahl so groß ist wie die Summe der Sandkörner unter unseren Füßen. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dir gegenüberzustehen." Der Orathone lächelte kalt und überlegen. „Du fühlst dich mächtig, Laktone. Dein Name ist Jakto Javan! Doch dieser Name hat keine Bedeutung im unermeßlichen Raum zwischen den Sternen. Du bist ein Nichts. Du hast die Schlacht und den Krieg verloren. Ich hoffe, du bist gekommen, um mir deine völlige Unterwerfung anzubieten. Dieses Sonnensystem lebt nicht mehr lange. Du, deine Soldaten und die Terraner, ihr werdet alle untergehen, so wahr ich Sigam Agelon heiße." „Du bist ein Meister der großen Worte, Sigam Agelon. Ein Blender, der sich im Hintergrund hält, während die eigenen Schiffe vernichtet und zerfetzt werden. Beweise deine Stärke. Du kannst mit mir kämpfen. Ich biete dir ein Duell an. Mit gleichen Waffen. Mann gegen Mann. Sigam Agelon lachte laut und dröhnend. „Was bezweckst du damit, Jakto Javan? Willst du mich einschüchtern?" „Nein. Ich will mit dir kämpfen, so wie zwei Männer miteinander zu kämpfen haben, wenn sie allein und ohne Zeugen sind." „Nun gut. Ein Duell also. Womit? Mit Fäusten?" „Keine Angst, Sigam Agelon. Du weißt, daß du gewinnen würdest, weil die Schwerkraft auf euren Planeten
größer ist als bei uns. Aber ich habe eine andere Idee. In meinem Gleiter befinden sich zwei vollkommen gleiche Waffen. Du kannst wählen, welche du nehmen willst." „Einverstanden." sagte Sigam Agelon. „Womit kämpfen wir?" „Warte ab und komm mit." Jakto Javan drehte sich um und ging, ohne einen Blick zurückzuwerfen, zu seinem Gleiter. Sigam Agelon zögerte. Er blickte sich mißtrauisch um. Er glaubte nicht, daß der Laktone allein gekommen war. Er witterte eine Falle. Aber dann sah er ein, daß ihn die Semibioten sowieso in die Enge treiben würden. In weniger als zwei Stunden würde auch der letzte Rest von Mayaguana von ihren stacheligen Leibern überwuchert sein. Jakto Javan bestieg seinen Gleiter und kam mit zwei kleinen Geräten zurück. Sie bestanden aus einem zylinderartigen Griff und einem Schutzkorb, der wie ein Schwertkorb aussah. Jakto Javan nahm eines der Geräte in die rechte Hand und umklammerte den Griff mit seinen Fingern. Seine Hand verschwand unter dem verzierten Schutzkorb. An der Vorderseite ragte ein zwei Zentimeter langes konisch geformtes Rohr aus dem Korb. „Sieh her, Sigam Agelon", sagte Jakto Javan, „ich zeige dir, was mit der Teufelskralle gemacht werden kann." Ein schwach blau leuchtender Energiefinger zischte aus der konischen Röhre. Mit einer kurzen Handbewegung fällte Jakto Javan eine noch nicht vom Hurrikan entwurzelte Palme. Er trennte sie eineinhalb Meter über dem sandigen Boden durch. Für fast eine Sekunde stand der Baum noch aufrecht, während ein Stück von zehn Zentimeter Länge im Baumstamm fehlte. Es war einfach nicht mehr da. Da fiel der Palmenstamm durch die
Gravitation der Erde angezogen senkrecht nach unten, stieß in den Korallensand und kippte langsam zur Seite. Mit einem krachenden Geräusch kam die Baumkrone knapp zehn Meter neben Sigam Agelon im Sand auf. Eine halbreife Kokosnuß rollte bis vor die Füße des orathonischen Oberbefehlshabers. Er verzog keinen Muskel in seinem eckigen Gesicht. Nur auf seinen Augenlidern erschienen bunte Farbmuster. „Unter dem Einfluß der Schwingung des Feldes zerfällt jede Materie", erklärte Jakto Javan. „Ich brauche dir nicht zu sagen, daß jede Berührung von Materie zur vollkommenen Zerstörung führt. Auch bei kleineren Verletzungen kann der Nervenschock tödlich sein. Das mußt du wissen, ehe du dich zum Duell stellst." „Ich weiß es bereits", sagte Sigam Agelon. „Mit derartigen Spielzeugen kannst du mich nicht mehr überraschen." „Dann kämpfe", rief Jakto Javan und warf dem Orathonen die zweite Teufelskralle zu. Sigam Agelon fing sie geschickt auf. Jakto Javan wartete, bis sich der Orathone den Schutzkorb über die Hand gestreift hatte. Er gab ihm außerdem noch einige Sekunden Zeit, bis sich Sigam Agelon an die Handhabung der Teufelskralle gewöhnt hatte. Fast wäre das bereits sein Verhängnis geworden. Ohne Ankündigung ließ Sigam Agelon den blauen Energiestrahl in Jakto Javans Richtung zischen. Nur eine blitzartige Bewegung verhinderte, daß der Laktone durch den Überraschungsangriff im Energiestrahl aufgelöst wurde. Jakto Javan biß die Lippen zusammen. Das hatte Sigam Agelon also vor. Nun gut. Er war bereit. Er stieß die
rechte Hand mit einer kurzen Bewegung vor. Aber Sigam Agelon war auf der Hut. Sofort berührte auch er den Auslöser. Die beiden Energiefinger trafen sich in der Mitte zwischen den beiden Männern. Sie zerstörten nur Materie. Sigam Agelon sprang zur Seite. Er bohrte den Energiestrahl knapp fünzig Zentimeter vor Jakto Javan in den Sandboden. Der Korallensand schmolz zu einem glasigen Klumpen zusammen. Jakto Javan bückte sich unter einem sekundenschnell darauf folgenden Angriff. Die Energiestrahlen zischten wirkungslos gegeneinander. Aber sofort stieß Jakto Javan nach. Nur ein einziger Gedanke beherrschte ihn. Er wollte die heimtückische Ermordung seines Sohnes durch die Orathonen rächen. Er schonte sich nicht. Trotzdem blieb er fair. Der verbissene Kampf blieb minutenlang unentschieden. Dann bewegten sich die beiden Männer immer weiter von dem Gleiter weg. In kurzen Abständen stachen die Energiestrahlen aufeinander ein. Aber weder Sigam Agelon noch Jakto Javan gelang es, einen günstigen Treffer anzubringen. Während des Kampfes wechselten die beiden Feinde die Plätze. Jetzt hatte Sigam Agelon den Raumer im Rücken. Jakto Javan konnte nicht mehr so kämpfen, wie er wollte. Er mußte darauf Rücksicht nehmen, daß sein eigener Diskus nicht beschädigt wurde. Aber das hatte Sigam Agelon anscheinend beabsichtigt. Jakto Javan war in einer üblen Situation. Er sprang drei Schritte zur Seite. Schnell und mit erstaunlicher Behendigkeit. Dann drückte er wieder ab. Sigam Agelon parierte. In immer schnellerer Folge zischten die Energiestrahlen gegeneinander. Die Gesichter der beiden Männer waren
verzerrt. Mit rasender Geschwindigkeit prallten die Energiestrahlen zusammen. Es gab kaum noch Pausen in dem Kampf auf Leben und Tod. Da schrie Sigam Agelon plötzlich: „Zu spät, Jakto Javan. Dort kommt meine Rettung." Für eine Zehntelsekunde ließ sich Jakto Javan bluffen. Darauf hatte Sigam Agelon nur gewartet. Blitzschnell stieß er mit der Teufelskralle zu. Der blaue Energiefinger trennte Jakto Javan in einem Sekundenbruchteil die Waffenhand ab. Mit einem ungläubigen Ausdruck in dem Gesicht brach Jakto Javan bewußtlos zusammen. Sigam Agelon warf die Teufelskralle in den Sand. Er stampfte zu seinem besiegten Gegner und lachte ihn mit einem harten Grinsen an. Niemand war da, der ihm Rettung bringen konnte. Er hatte einen einfachen Trick versucht, auf den Jakto Javan hereingefallen war. Sekundenlang starrte Sigam Agelon auf den besiegten laktonischen Oberbefehlshaber. Er hätte ihn töten können, aber er wußte etwas Besseres. Er überließ ihn den wuchernden Semibioten. Er hoffte, daß Jakto Javan vor seinem Tode noch einmal aufwachen würde, um sein Ende bewußt mitzuerleben. Schnell drehte sich Sigam Agelon um und rannte auf den Raumer des Laktonen zu. Aber noch ehe er ihn bestiegen hatte, traf ihn plötzlich ein Schatten. Er blickte erstaunt nach oben. Dann lachte er irr. Er glaubte im ersten Moment, daß sich Jakto Javan doch nicht allein auf Mayaguana gewagt hatte. Der laktonische Diskus, der über ihm war, unternahm aber keinerlei Anstalten, ihn zu töten. Ganz im Gegenteil: Sigam Agelon hörte plötzlich aus dem tragbaren Funkgerät, das er an seinen Gürtel geschnallt hatte, die Stimme eines sei-
ner Offiziere. Gleichzeitig landete der laktonische Raumer. Das Schott sprang auf. Dann stand Sigam Agelon einer Gruppe von Featherheads gegenüber, die ihn mit einer tiefen Verbeugung begrüßten. „Reichlich spät", zischte Sigam Agelon. „Warum seid ihr nicht eher gekommen? Auf dieser verfluchten Insel hätte ich sterben können." „Die Koordinaten des Fluchtverstecks waren zu ungenau", erklärte einer der orathonischen Offiziere. „Wir hatten nicht vermutet, daß Sie sich auf dieser Insel aufhalten, die doch von semibiotischen Kolonien überwuchert ist." „Zum Glück doch", sagte Sigam Agelon hart und warf einen kurzen Blick auf den bewußtlosen laktonischen Oberbefehlshaber. Javan lag bewegungslos im weißen Korallensand. Neben seiner rechten Hand bildete sich eine große tiefrote Blutlache. „Starten wir", befahl Sigam Agelon, „jetzt haben wir die Schlacht um dieses System endgültig gewonnen." * Rex Corda war Jakto Javan nachgeflogen. Aber sein Sonnengleiter konnte dem raumfähigen Diskus von Javan nicht schnell genug folgen. Rex Corda flog allein. Er wählte die gleiche Route, die sie genommen hatten, als der Hurrikan sie überraschte. Aber diesmal gab es keinen Sturm, der ihn aufhalten konnte. Er erreichte die Bahamas, während gleichzeitig von allen Seiten laktonische Kreuzer in Richtung Weltraum aufstiegen. Verwundert betrachtete Rex Corda das grandiose Schauspiel. Er hatte es schon mehrmals erlebt, aber immer wieder erfüllte ihn der Start dieser gewaltigen Raumschiffe mit Bewunderung.
Er wußte nicht, was der Grund für den überstürzten Start war. Aber er fühlte die Unruhe, die von den Raumschiffbesatzungen ausging, obwohl seine Extrasinne in den letzten Tagen sich nicht aktiviert hatten. Er beschleunigte bis zur Höchstgeschwindigkeit und stieß, von nordwesten kommend, auf die Bahamas zu. So schnell wie möglich flog er in Richtung Mayaguana. Dann sah er, daß die semibiotischen Kolonien die Insel vollkommen bedeckt hatten. Er suchte nach einem Fleck, der noch weiß auf dem grauschwarzen Ungetüm war, das wie ein Kilometer langer Rücken eines Wales aussah. Fast hätte er die kreisrunde Fläche in der Mitte der Insel übersehen. Sie war kaum vierzig Meter breit. Hastig stieß Rex Corda auf die Lichtung zu. Noch ehe er zwischen den Semibioten landete, erkannte er, daß hier etwas passiert war, womit niemand gerechnet hatte. Er sprang aus dem Gleiter und ließ die Triebwerke laufen. Dann hastete er so schnell es ging über den Boden, der an vielen Stellen seltsam zerschmolzen und verbrannt aussah. Dicke glasartige Klumpen, die in allen Farben schillerten, versperrten ihm immer wieder den Weg zu der Gestalt, die in der Mitte der Lichtung lag. Am Rande des semibiotischen Vernichtungsringes entdeckte Rex Corda den Raumer von Jakto Javan. Er war bereits zu vier Fünfteln von den wuchernden Stacheln überdeckt. Sein Puls schlug schneller, als er Jakto Javan liegen sah. Schlagartig wurde ihm klar, was es bedeuten würde, wenn der Laktone tot war. Dann war Terra der letzten Möglichkeit beraubt, einen Weg zu finden, das immer näher rückende fünfdimensionale Energiefeld zu durchbrechen.
Bereits jetzt machten die ersten Anzeichen deutlich, welchen Einfluß die Energiewand auf das kosmische Gleichgewicht des Sonnensystems hatte. Magnetkompasse und Giros arbeiteten nicht mehr genau wie sonst üblich. Aber das waren nur die ersten Vorläufer des drohenden Zusammenbruchs. Es würde noch schlimmer kommen. Viel schlimmer sogar... Rex Corda kniete sich in den Sand und beugte sich über den besinnungslosen Laktonen. Er riß sein Hemd auf und wickelte es um den blutigen Armstumpf. Er zog den Laktonen an den Schultern durch den Sand. Immer wieder mußte er den zusammengeschmolzenen glasähnlichen Kugeln ausweichen, die teilweise wie große schillernde Kürbisse aussahen. Er hatte die Austragung des Kampfes nicht miterlebt, aber er konnte sich vorstellen, daß dieser Kampf mit aller Härte und Erbitterung geführt worden war. Da Jakto Javan allein innerhalb der Lichtung lag, gab es nur eine Schlußfolgerung. Jetzt wurden Rex Corda auch die Zusammenhänge klar. Er spürte plötzlich, daß sich innerhalb des Sonnensystems eine Veränderung anbahnte. Die laktonischen Kreuzer waren nicht umsonst in den Weltraum gestartet. Es gab nur eine Lösung. Sie verfolgten den flüchtenden Sigam Agelon. Rex Corda wußte nicht, wie es der orathonische Oberbefehlshaber geschafft hatte, von Mayaguana wegzukommen. Aber soviel war sicher — er mußte einen guten Weg gefunden haben. Keuchend erreichte Rex Corda den Sonnengleiter. Er bettete den besinnungslosen Laktonen auf die Rücksitze. Dann riß er einen Kasten von der Wand, in dem sich mehrere Medikamente
befanden. Er biß mit den Zähnen eine Plastikampulle durch und träufelte den gelblichen Inhalt über den Armstumpf von Jakto Javan, von dem er vorher die blutigen Fetzen seines zerrissenen Hemdes gelöst hatte. Er brach die Spitze einer weiteren Ampulle ab und zog mit der hohlen Nadel einer Injektionsspritze zwei Kubikzentimeter des Medikaments auf die Spritze. Dann injizierte er dem Laktonen das Medikament. Mehr konnte er im Augenblick nicht tun. Er schloß die Außentür und startete den Gleiter. Mit Höchstgeschwindigkeit schoß er auf das amerikanische -Festland zu. Nur wenige Minuten nach Cordas Start schloß sich der Teppich der semibiotischen Kolonie über das Eiland. Jetzt gab es keine Insel mehr, die Mayaguana hieß. Aber die Ausbreitung der Semibioten war damit nicht beendet. Sie dehnten sich unterhalb der Wasseroberfläche immer weiter aus. Mit wachsender Geschwindigkeit vermehrten sich die Semibioten und bedeckten bald den Raum zwischen Mayaguana und der Katzeninsel. Und sie wucherten weiter. * Es gelang dem Sonderkommando der Orathonen, Sigam Agelon noch vor einem Zusammenstoß mit den Laktonen an Bord des als Wrack getarnten Hantelraumers zu bringen. Sekunden nach der Übernahme stießen die Orathonen die halbzerfetzte Kugel von dem Wrack ab. Die Laktonen waren bereits gefährlich nah. Deshalb beschleunigten die Orathonen mit sehr hohen Werten. Im ersten Moment schienen die Verfolger verblüfft. Aber dann befahl Latak De-
cimo energisch die Verfolgung. Jeder laktonische Offizier hätte zunächst darauf gewartet, welche Befehle von der laktonischen Zentrale auf Terra kamen. Nicht so der Synoptiker, Latak Decimo. Er handelte unkonventionell und nicht nach den üblichen Gefechtsregeln der Laktonen. Niemand an Bord des Trakonkreuzers wußte zu diesem Augenblick, daß Jakto Javan nicht in der Lage war, irgendwelche Befehle zu geben. Tausend laktonische Trakonkreuzer jagten hinter dem Objekt her, das bisher als Wrack angesehen worden war. Die Offiziere an Bord der Kreuzer hatten nur einen Gedanken. Sie wollten das Wrack vernichten, das sich als äußerst schnelles Raumschiff entpuppt hatte. Nur der Synoptiker, Latak Decimo, hatte andere Gedanken. Ihm war eine Besonderheit aufgefallen, an die die anderen Laktonen nicht dachten. Wenn sich das Wrack im Weltraum um Sigam Agelon hatte kümmern können, dann mußte es einen Weg geben, die fünfdimensionale Energiewand zu durchbrechen. Latak Decimo spürte plötzlich, daß noch nicht alles verloren sein konnte. Selbst wenn Sigam Agelon die Flucht gelang, war das der Beweis, daß das Kugelfeld zu durchbrechen war. Es galt nur, so schnell wie möglich herauszufinden, wie dies getan wurde. Die Trakonkreuzer der laktonischen Flotte jagten hinter dem flüchtenden Orathonenraumer hinterher. Aber immer wieder stießen die Orathonen Teile des Wracks ab. Bald sah es so aus, als wenn eine Flotte von mehr als fünfhundert einzelnen Raumschiffen auf den Mars zustrebte. Eines davon war der echte Hantelraumer. Die anderen waren Wrackteile, auf die die laktonischen Ortungsgeräte ansprachen. „Beim heiligen Schenna", sagte La-
tak Decimo kopfschüttelnd. Niemand hörte ihm zu. „Jetzt haben wir diesen Burschen gehabt, und nun entwischt er uns wieder. Aber er darf uns nicht entwischen. Jetzt nicht mehr." Er drehte sich um und ging auf den Kommandanten des Trakonkreuzers zu. „Glauben Sie, daß der Raumer noch zum Hypersprung ansetzen kann, ehe er die Energiewand erreicht?" Der Kommandant schüttelte den Kopf: „Unmöglich!" „Aber sehen Sie sich die Beschleunigungswerte an. Es sieht so aus, als würde der Raumer tatsächlich zum Sprung ansetzen." „Das geht nicht", erklärte der Kommandant. „Sehen Sie sich die Werte an." „Das Raumschiff fliegt mit höchster Beschleunigung auf den Mars zu. In der Nähe eines derartig großen Planeten ist der Übergang in den Hyperraum unmöglich." „Befehlen Sie Feuer frei", sagte Latak Decimo. Ihm fiel ein, daß dieser Entschluß ziemlich spät kam. Aber noch war nicht alles verloren. Das war ein Kommando, das die Kommandanten der Trakonkreuzer sofort begriffen. Das Raumschiff jagte auf die Marsbahn zu. Der rote Planet mit den weißen Polkappen wurde immer größer. Noch immer war es den Laktonen nicht gelungen, herauszufinden, welches der vielen Objekte vor ihnen das wirkliche Raumschiff mit Sigam Agelon war. Fast gleichzeitig schossen alle tausend Trakonkreuzer. Die gigantischen Geschosse aus der „Silent Mary", die an den Längsseiten der raketenförmigen Raumschiffe angebracht waren, verließen donnernd die Geschützrohre. Die halbkugelförmigen Geschütztürme jagten, um den Rückstoß abzufan-
gen, mit einem gräßlichen kreischenden Geräusch an der Außenhülle der Schiffe auf Magnetschienen entlang. ElektroMagneten bremsten die Türme. Das schrille, grausame Kreischen bildete eine infernalische Begleitmusik jeder neuen Salve. Da blieben die ersten Objekte von Treffern zerstört auf der Strecke. Immer mehr lichtete sich das Feld. Dann waren es nur noch drei oder vier Punkte, die vor dem laktonischen Suchkommando auf den Mars zustrebten. Der vorderste Punkt wurde heller und größer. „Da ist er", brüllte der Kommandant des Trakonkreuzers, an dessen Bord sich Latak Decimo befand. „Er stürzt ab." Zweitausend Kilometer über der Marsoberfläche verschwand das Raumschiff plötzlich im Nichts. Eine gigantische Schockwelle raste über den roten Planeten. Das Magnetfeld erzitterte und rief Stürme und Erdbeben hervor. „Irrsinnige", keuchte Latak Decimo in ohnmächtiger Wut. * Knapp fünf Stunden später befand sich Latak Decimo zur Berichterstattung bei Jakto Javan. Er hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Rex Corda saß neben dem PneumoBett von Jakto Javan und hörte sich mit ernstem Gesicht den Bericht an. Jakto Javan war erst vor eineinhalb Stunden wieder erwacht. Lange und schweigend hatten sich die beiden Männer angesehen, die sich so fremd waren und die sich bisher nicht sonderlich gemocht hatten. Jakto Javan hatte eingesehen, daß er diesen Terraner anerkennen mußte.
Mit schwacher Stimme sagte er: „Wir können nichts dagegen tun. Sigam Agelon ist uns entwischt. Ich hätte ihn mehrmals töten können, wenn ich unfair gewesen wäre. Ich vergaß bei unserem Zweikampf, daß ich es mit einem Orathonen zu tun hatte, der stets und überall unser Feind ist." „Diese Rasse ist arrogant, kaltblütig und gefühlslos", nickte Latak Decimo ernst. Rex Corda sah ihn stirnrunzelnd an. „Da ist noch ein Punkt", keuchte Jakto Javan, während er versuchte, nicht wieder die Besinnung zu verlieren. „Diese semibiotischen Kolonien — sie werden die Erde überwuchern. Das bedeutet, daß Terra in einer doppelten Gefahr ist. Einmal durch die semibiotischen Kolonien und zum anderen durch das Kugelfeld, in dem uns die Orathonen gefangenhalten." Er blickte Rex Corda an. „Es wird höchste Zeit, daß wir enger zusammenarbeiten", sagte er, während er versuchte, mit einem angedeuteten Lächeln seine Schmerzen zu überspielen.
„Ja", antwortete Rex Corda ernst. Er blickte auf den Synoptiker und wandte sich dann wieder an Jakto Javan: „Auf den ersten Blick hat Sigam Agelon gewonnen, aber ich glaube, sein Sieg ist nicht so entscheidend wie der, den wir errungen haben. Die Laktonen und die Terraner." Jakto Javan nickte schwach. Er machte die Augen zu. Dann glätteten sich seine Züge. „Hoffen wir, daß dieser Augenblick der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Laktonen und den Menschen auf Terra ist." Sein Atem wurde ruhiger. Dann stand Rex Corda auf und nahm den jungen Synoptiker am Arm. „Er braucht jetzt Ruhe", sagte er. „Wir haben noch ziemlich viel zu tun", nickte der Synoptiker. „Ich weiß nicht, ob Sie es verstehen, aber ich habe plötzlich das Gefühl, daß wir sehr, sehr gut zusammenarbeiten könnten." Rex Corda lächelte. Die beiden Männer sahen sich an. Sie wußten beide, daß es noch eine Menge zu tun gab.
ENDE
WER IST WAS? Sam McClude 48, Prof. Dr., Biologe, dunkelblond, niedrige Stirn, massig, schaukelnder Gang, blaue Bartschatten, hinkt etwas, obwohl kein physischer Grund dafür besteht. Ruhig, gelassen, gibt gern einen Rat, hält sich aber meistens im Hintergrund. Er wird von allen respektiert. Ungemein fähig, geniale Ideen, die er mit größter Sorgfalt ausarbeitet, bevor er sie offenbart.
Tsati Mutara 19, Mutant, Neger, sehr hellhäutig, Mischling. Vater Holländer, Mutter Massai. Kann Energieschirme neutralisieren, so daß man hindurchgehen kann. 2,12 m. Ein Riese, dabei schlank, aber nicht dürr. Lächelt fast immer. Das sieht manchmal etwas kindisch aus. Das reizt die anderen. Kühl berechnend unter der lächelnden Maske, besitzt aber eine gehörige Portion Humor. Er kann sich unterordnen, muckt aber auf, sobald ihm etwas gegen den Strich geht.
Nukleon Schäferhund Will Rimsons. Ungewöhnliches Tier. Sechs Jahre alt. Helle, fast weißliche Blesse auf der Stirn. Hat einen etwas schwerfällig wirkenden Gang. Er verfügt über telepathische Fähigkeiten! Eine direkte Verständigung ist vorläufig noch nicht möglich. Nukleon ist intelligenter als andere Hunde. Seine telepathischen Gaben nutzt er meist zur Warnung. Er verständigt sich durch Gesten mit seinem Herrn und dessen Freunden. Ohrenspiel, Kopfbewegungen, Bewegungen der Beine, Augen etc. In gewissen Grenzen rachsüchtig. Verzeiht keine Ungerechtigkeiten. Nukleons Rache zeugt von Humor! Er fühlt sich anderen Hunden überlegen. Er hat einen Reinlichkeitsfimmel. Schmutzige Artgenossen straft er mit Mißachtung. Er glaubt manchmal, Corda Ratschläge erteilen zu müssen. Ist zornig, wenn sein Rat nicht angenommen wird. Auch beleidigt. Doch der Zorn verraucht schnell.
Tien Hsia Marschall, 43 (Tien Hsia = „unter dem Himmel", alte Bezeichnung Chinas. Die frühesten chinesischen Kaiser waren der Auffassung, daß die ganze unter dem Himmel befindliche Welt zu China gehöre). Parteisekretär der KP Chinas. Staatschef der asiatischen Union, weißhaarig, Stirnglatze, strähnig herabhängende Augenbrauen (weiß), scharfe, braune Augen. Kettenraucher, aufbrausend, kann toben, schreien, ist dann gnadenlos. Anschließend an einen Wutausbruch beruhigt er sich beim Tuschezeichnen. Darin ist er ein Meister, der über China hinaus bekannt und berühmt ist.
John Haick 38, Atomwissenschaftler, gewandt, beweglich, freundlich. Exakt, zuverlässig. Humor. Immer freundlich, nie bösartig. Sympathisch. Frauen mögen ihn. Raucht Zigaretten. Schwarzhaarig, sehr weiches Haar, das ihm oft in die Stirn fällt. Tiaar vorn kurz, hinten lang. 170 cm groß, dunkle Augen. Setzt sich immer für Rex Corda ein.
Randa Evariste Kalunde Kalunde, 59, Präsident der AO, tiefschwarz, schlank, aber fettes Gesicht (Bulldogge). War Arzt, der als Internist in Indonesien praktiziert. Klientel fast nur hohe Politiker und Beamte. Helle Stimme, spricht sehr schnell, manchmal zu hastig. Leicht erregbar. Empfindlich. Vermutet überall Feinde, die ihn beseitigen wollen. Eitel. Frauen sind immer irgendwo im Hintergrund, wenn Kalunde in Szene tritt.