Flugmechanik der Hubschrauber Dritte Auflage
Walter Bittner
Flugmechanik der Hubschrauber Technologie, das flugdynamische System Hubschrauber, Flugstabilitäten, Steuerbarkeit
3., aktualisierte Auflage
123
Dipl.-Ing. Walter Bittner Alpenstr. 22 A 85614 Kirchseeon Deutschland
[email protected]
ISBN 978-3-540-88971-7
e-ISBN 978-3-540-88972-4
DOI 10.1007/978-3-540-88972-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Widmung
Dieses Buch ist meiner Tochter Barbara Sabine Bittner gewidmet, die, ganz im Gegensatz zu meiner Leidenschaft für die theoretische und praktische Luftfahrt, als Geologin eine Berufung mit ausgesprochener Bodenhaftung gefunden hat.
Vorwort zur dritten Auflage Der Hubschrauber erfährt zurzeit enormen Aufwind. Das zeigt schlaglichtartig die Bestellung von 345 Hubschraubern vom Typ EC145 durch die US-Army. Dieser Hubschrauber ist eine, durch Aufsetzen des EC135-Cockpits weiterentwickelte, BK117. Er ist mit einem etwas vergrößerten Bo105-Rotor ausgestattet. Damit fügt der ursprüngliche, richtungweisende, damals hochinnovative gelenklose Rotor mit der Charakterisierung: „System Bölkow“ seiner Erfolgsgeschichte einen weiteren Triumph hinzu. Die Überlegenheit dieses Systems verdeutlicht das nachfolgend dargestellte Kunstflugprogramm. Einer Weltmeisterschaftskür, die bis heute von keinem anderen Hubschrauber als der Bo105 wiederholt werden konnte. Die US-Army wird die EC145 unter der Bezeichnung UH72A Lakota als leichten Mehrzweck Hubschrauber in Dienst stellen. Für die Firma EADS ist dieser Verkauf ein zentraler Meilenstein ihrer Geschäftsstrategie. Gelang es doch damit erstmals auf dem größten Markt der Welt für Luftfahrtprodukte, dem des US-amerikanischen Militärs, Fuß zu fassen, einem bisher nach außen absolut abgeschotteten Markt. Zingst, MV, im Sommer 2008
Walter Bittner
Vorwort zur zweiten Auflage Das Interesse an der Hubschraubertechnik, und damit auch an meinem Buch, hat sich als erfreulich groß erwiesen, entsprechende Erfahrungen aus meinen Vorlesungen an der TU München und an der Uni-Bw München haben sich damit bestätigt. Speziell die erstmalige Darstellung des flugmechanischen Hintergrundes, und das hochaktuell, wurde sehr begrüßt. Die Flut von E-mails, die mich erreichten, brach jäh ab durch die Löschung meiner Adresse bei der Firma Eurocopter. Seit dem bin ich zu erreichen unter:
[email protected]. Nach der Erstauflage haben sich Neuerungen, Erweiterungen und Ergänzungen ergeben. Ich nutze die Gelegenheit der Zweitauflage diese einzuarbeiten. Heuer werden die ersten Serienmaschinen des NH90 und des UH-Tiger in Dienst gestellt. Was gibt es schöneres für einen Dipl. Ing. der Luft- und Raumfahrt wie mich, die Produkte als gelungen zu sehen, an deren Entstehung er als damaliger Leiter im Vorentwurf des Hubschrauberbereiches von MBB und auch über weite Strecken der Entwicklung entscheidend beteiligt war! Zingst, MV, im Sommer 2004
Walter Bittner
VIII
Vorwort
Vorwort zur ersten Auflage Die Flugmechanik beschreibt als zentraler Themenkreis aller Entwicklungsarbeiten innerhalb der Luftfahrt die flugführungsbezogenen Eigenschaften von Luftfahrzeugen. Ihre Arbeitsschwerpunkte umfassen Flugeigenschaften, Stabilität und Steuerbarkeit, Flugregelung, Simulation, Erprobung, Dynamik, Lasten- und Flugleistungsberechnungen. So, wie bereits nach der Vorentwurfsphase eines Hubschraubers zwei Drittel seiner späteren Kosten feststehen, liegen auch schon sehr frühzeitig seine Flugeigenschaften und damit seine spätere Einsatzeignung fest. Es ist deshalb unerlässlich, schon weit im Vorfeld von Neuentwicklungen die flugmechanischen Charakteristika der neuen Hubschraubertechnologien zu beherrschen und die später zu erfüllenden Anforderungen und anzuwendenden Vorschriften komplett und abgestimmt vorliegen zu haben. Nur unter diesen Voraussetzungen kann zielorientiert entwickelt werden, und teure Korrekturen sind später nicht mehr zu erwarten. Hubschraubernutzer stellen sehr schnell fest, dass moderne Hubschrauber ohne Kenntnisse des Systemverhaltens nur unzureichend, vor allem aber nicht mit bestmöglicher Sicherheit und Wirtschaftlichkeit betrieben werden können. Mit der damals revolutionären Entwicklung des Hubschraubers Bo105 unter der Regie von Herrn Dipl.-Ing. Emil Weiland in der Firma MBB erhielt die in Europa und den USA verfolgte Hubschraubertechnik einen entscheidenden Anstoß in Richtung Spitzentechnologie, die sie heute ist. In anspruchsvollster Ingenieurskunst wurden innovative Auslegungsphilosophien und -methoden erarbeitet und verwirklicht, um damit für Hubschrauber bis dato undenkbare Flugeigenschaften und Einsatzeignungen zu erreichen. Die wichtigste aus der langen Reihe verwirklichter Innovationen ist die des gelenklosen Rotors. In einer Zeit, in der für jedermann feststand, dass Rotorblätter über Schlag- und Schwenkgelenke an den Rotorkopf angelenkt werden müssen, gerade diese Gelenke zu eliminieren, war die Durchsetzung dieser Vorstellung, unter Wahrung von deren aus flugmechanischer Sicht auch weiterhin unabdingbaren funktionalen Aufgaben, nur mit maximaler Beherrschung der vollen Wissensbreite aller benötigten Technologien zu verwirklichen. Das ursprüngliche Bestreben war dabei die beiden wartungsintensiven Gelenklager zu eliminieren, den Rotorkopf widerstandsärmer und weniger komplex zu gestalten. Nach der Verwirklichung dieser Idee stellte sich jedoch die mit dieser Technologie zu erzielende überlegene Agilität des Hubschraubers im Flug als der wichtigere Nutzen dieser Innovation heraus. Technologisch wurde dies durch die erstmalige Verwendung faserverstärkter Werkstoffe zum Bau hochbelasteter Strukturen, in diesem Fall speziell für Rotorblätter, ermöglicht. Dr. Ludwig Bölkow hat auf der Grundlage seiner profunden Kenntnisse aller Technologien in der von ihm geschaffenen Firma die VTOL-Technik, wie sie in Ottobrunn betrieben wurde, als Schlüssel- und Hochtechnologie implantiert, inspiriert und durch zuverlässige Förderung entscheidend vorangetrieben. Vor allem durch ihn konnte eine Entwicklungsmannschaft aufgebaut werden, die weltweit als eine der höchstqualifizierten anerkannt war. Dies zeigte sich in wiederholten Bitten namhafter Firmen um Mitarbeit, speziell bei der Entwicklung neuer Roto-
Vorwort
IX
ren, dem Herz aller Hubschrauber. Hier ist vor allem die Firma Boeing mit der damaligen UTTAS-Ausschreibung zu nennen. Nur Firmenkulturen wie die von Dr. Bölkow initiierte, vorgelebte und an Spitzenprodukten orientierte machen Innovationen, gekrönt mit solchen Erfolgen, möglich. Woraus diese Kulturen zu bestehen haben, stellt er in seinem Buch „Der Zukunft verpflichtet“ [1] als Geist von Ottobrunn treffend dar. Komplementär zu dieser Firmenkultur existierte auf der Arbeitsebene eine kürzestgeschlossene Entwicklungsspirale. Diese durchläuft zunächst die originären Entwicklungsbereiche Technologie, Konstruktion und Festigkeit, Musterbau, Komponenten- Systemund Flugerprobung und läuft, die gewonnenen Erkenntnisse rückkoppelnd, wieder zur Technologie zurück. Später sind in diesen Zyklus die Serienreifmachung und die Fertigung mit aufzunehmen. Die Flugmechanik ist in diesem Prozess die Kommunikationsebene zwischen der Flugerprobung und der Technologie. Für die gesamte Entwicklungsspirale ist das Entwicklungs-Know-How die Arbeitsebene. Die Entwicklungsspirale muss immer wieder und so lange durchlaufen werden, bis sich die Auslegung auf das Optimum fokussiert hat. Geschieht dies nicht, entstehen nicht konkurrenzfähige Produkte. Sind die genannten Entwicklungssparten organisatorisch oder räumlich getrennt, dann explodieren die Kosten durch überdehnte Laufzeiten. Die gleichen Folgen haben Unterqualifikationen oder Inkompatibilitäten, selbst wenn dies nur in einer einzigen der Sparten der Fall sein sollte. Eine typische Unterqualifikation entsteht, wenn der fertigungstypische Einflug als ausreichend für die von der Entwicklung benötigte Flugerprobung angesehen wird. Nach dem beschriebenen Zyklus zu bearbeitende Entwicklungsarbeiten fallen in der Luftfahrtindustrie im Laufe aller Programmphasen an: zunächst während der eigentlichen Entwicklung, dann im Verlauf der Serienreifmachung, der Serienfertigung, der Nutzungsphase, durch Weiterentwicklungen um die erst im praktischen Einsatz, wieder nur durch die Entwicklung, zu erkennenden Reserven und um neueste technologische Fortschritte auszunutzen, bei Weiterentwicklungen zu militärischen und zivilen Varianten, im Rahmen von Produktpflegemaßnahmen, Anpassentwicklungen, Kampfwertsteigerungen und Erhaltungsmaßnahmen, alles sowohl im Soft- als auch im Hardwarebereich. Solche innovativen Entwicklungskulturen sind mit fertigungsorientierten Strukturen ebensowenig kompatibel wie mit managementorientierten Organisationen. Für neue Produkte in der LRI sind Entwicklungskonfigurationen der beschriebenen Leistungsfähigkeit unabdingbar. Nur die Kombination: einer, vor allem auch im technischen Wissen, höchst kompetenten Firmenleitung in Verbindung mit einer höchst qualifizierten und alle Ingenieurdisziplin umfassenden, systemfähigen Entwicklungsmannschaft ermöglicht solche Erfolge wie die der Hubschrauberentwickler in Ottobrunn und sichert durch laufend innovative Produkte mit höchsten Ansprüchen auf Spitzentechnologie die Zukunft. Mit den Rotoren für den PAH 2 „Tiger“ und für den zivilen Vielzweckhubschrauber EC135 sind dem genannten Team weitere überzeugende Leistungsbeweise gelungen. Der „Tiger“ ist mit seinem FEL-Rotor seinen derzeitigen Konkurrenten in den entscheidenden Einsatzbereichen überlegen, das gleiche gilt für den EC135; dieser erreicht zusätzlich mit seinem völlig lagerlosen FVW-Rotor hohe Wirtschaftlichkeit.
X
Vorwort
Für die Konkurrenz war die Adaption der überlegenen Hubschraubertechnologie des Bo105 ein langwieriger, aber notwendiger Lernprozess, da auch auf Seiten der Hubschrauberbetreiber die Flugeigenschaften dieses Hubschraubers bald als optimal erkannt wurden - unser Markterfolg, obwohl Newcomer, hat dies gezeigt. Mit dem Hubschrauber Bo105 wurden neue, höchst anspruchsvolle Standards gesetzt. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis diese auch festgeschrieben würden. Es dauerte trotzdem Jahrzehnte, bis das hohe Leistungsniveau des Bo105 zum allgemeinen Standard der Hubschraubertechnik wurde. Heute gültige Entwurfsrichtlinien für Neuhubschrauber orientieren sich an den Flugeigenschaften des Bo105, allerdings übertrifft dieser, etwa im Präzisionsflug, diese Forderungen immer noch bei weitem, denn er erreicht die überlegenen Steuereigenschaften von Starrflüglern. In der Flugmechanik wurden in dem angesprochenen Technologieschub die traditionellen Analysemethoden im Sinne einer Open-Loop-Steuerung einschließlich der, für den Präzisionsflug wichtigen mittelschnellen Steuerimpulse verfeinert. Mit dem Einzug der Elektronik auch in die Steuerungssysteme der Hubschrauber, als Stabilisierungshilfen oder auch als Autopiloten von immer höherer Komplexität und Autorität, wurden die Steuerimpulse immer kürzer, d.h. höherfrequenter und vor allem auch rückkoppelnd, im Sinne von Closed-Loop-Systemen. Um die sich daraus für den Hochleistungsflug ergebenden völlig neuartigen, jedoch hoch relevanten Systemeigenschaften überhaupt erfassen, um sie quantifizieren und bewerten zu können, mussten die flugmechanischen Methoden ausgebaut werden. Dabei wurde die Vorgehensweise der elektronischen Verstärkertechnik adaptiert, wobei zu den klassischen Methoden für die auch weiterhin relevanten nieder- bis mittelfrequenten, nicht rückkoppelnden Steuerbewegungen kein systematischer Bruch auftreten durfte. Die neuen Technologien, einschließlich der Methoden, sie zu erfassen, berücksichtigen eine Vielzahl höchst komplexer und vor allem systemtechnisch voneinander abhängiger Auslegungsparameter. Ihre optimale Kombination ergibt sich erst im oben beschriebenen Entwicklungsprozess. Künftige Hochleistungshubschrauber können deshalb nicht länger nach zu verwendenden Technologien und zu erreichenden primären Flugleistungen bzw. über die Abflugmasse definiert werden. Heute ist die Abflugmasse eine zentrale Auslegegröße aller Entwicklungsverträge, unbegründeterweise, denn sie hat für den praktischen Einsatz nur eine sehr sekundäre Bedeutung. Die Erfüllung aller flugmechanischer Forderungen ist entscheidend. In Zukunft werden missionsbezogene Flugeigenschaften gefordert, für die Handling Quality Ratings bestmöglichen Levels erreicht werden müssen. Daraus ergeben sich dann sowohl die optimale Konfiguration und Abflugmasse als auch am günstigsten anzuwendenden Technologien bzw. auf der anderen Seite die Kosten. Diese neue Systematik, Projekte zu definieren, bedingt auch bei den Auftraggebern weitestgehende Fachkompetenzen, wobei die mit anderen Mustern gemachten Erfahrungen in die Spezifikationen mit einfließen können. Nach dem beschriebenen Technologieschub ist auch im Bereich der Flugmechanik eine gewisse Konsolidierung eingetreten. Ein erneuter Schub ist aus verschiedenen Gründen nicht zu erwarten, der wichtigste Grund hierfür wird im Buch
Vorwort
XI
„Der Zukunft verpflichtet“ [1] herausgearbeitet. Es erscheint mir deshalb sinnvoll, das erreichte Wissen zu dokumentieren. Das vorliegende Buch stellt einen Beitrag dazu dar. Es diene als eine Grundlage für die Weiterentwicklung der Hubschraubertechnik, die mit Sicherheit noch ein umfangreiches Potential besitzt. Flugmechanisch weist der Hubschrauber im Vergleich zum Starrflügler typische Besonderheiten auf. Durch die Art und Weise, diese Extravaganzen sowohl technisch als auch flugmechanisch in den Griff zu bekommen, und auf Grund ihrer Komplexität entfernt sich die Hubschraubertechnik mittlerweile schon in vielen Bereichen sehr stark von der allgemeinen Flugtechnik. Mein Dank gilt vor allem Herrn Dipl.-Ing. Emil Weiland und Herrn Prof. Dipl.Ing. Volker von Tein. Ersterem für den mir gewährten profunden Einstieg in die Hubschraubertechnik und dem Zweiten für die Chance, durch Ausbau der Vorlesung Flugmechanik der Hubschrauber an der TU München dieses Buch zu verfassen. Der Leser wird feststellen, dass mit zunehmender Aktualität des behandelten Stoffes die Anglizismen zunehmen. Sich dagegen aufzulehnen wäre sinnlos. Vorschriften und Standards sind in englischer Sprache verfasst, vor allem auch von der JAA, die auch in Deutschland gültig sind. Das von staatenübergreifenden Firmen als Verkehrssprache vereinbarte Englisch ist in internationalen Programmen schon lange Usus. Zwanghafte Übersetzungen führten nur zu Verständigungsproblemen. Diese Toleranz sollte auch den Dimensionen der auftretenden Zahlenwerte entgegengebracht werden. Solange es z. B. in der Geographie Bogenminuten gibt, wird es auch nautische Meilen als Strecken- und Knoten als Geschwindigkeitseinheiten geben. Unsere sperrige Art, die Zeit zu messen, müsste sonst auch in Frage gestellt werden. Lediglich nicht physikalisch begründete Dimensionen wie slugs, pints, pounds, imperial galons, US galons, short und long tons, horse power und yards/feet/inches sollten ausgephast werden, wie es mit Kilopond und PS bereits geschehen ist. Eine Reihe von Angaben und Werten in diesem Buch sind Vorschriften und Veröffentlichungen entnommen. Das kann nicht davon entbinden, für die praktische Arbeit auf die Originalunterlagen zurückzugreifen, um eventuelle Übertragungsfehler folgenlos bleiben zu lassen bzw. auch um Vorgaben zu berücksichtigen, die im Rahmen der vorliegenden Darstellung nicht erwähnt wurden. Angegebene technische und flugmechanische Daten zu einzelnen Hubschraubern sollen nur Bezüge zu praktisch auftretenden Werten herstellen - schon das Fehlen von Angaben wie Weiterentwicklungsvariante der Maschine, Ermittlungsverfahren der Daten, Randbedingungen u. ä. zeigt, dass diese nur Anhaltswerte sein können. Kirchseeon, im Sommer 2001
Walter Bittner
Inhaltsverzeichnis
Verwendete Formelzeichen.........................................................................XIX
1 Evolution des Hubschraubers...................................................................1 1.1 Die Natur hat Drehflügler, aber keine Hubschrauber hervorgebracht.......1 1.1.1 Entwicklung des Hubschraubers....................................................1 1.1.2 Periode der Tragschrauber (1919–1935) .......................................8 1.1.2.1 Erfindung und Verwirklichung des Schlaggelenkes ......8 1.1.2.2 Erfindung des Schwenkgelenkes ...................................9 1.1.2.3 Unterschied zwischen Propeller (als Hubschuberzeuger) und Rotor ................................9 1.2 Entstehen der ersten brauchbaren Hubschrauber.....................................10 1.2.1 Bréguet/Dorand ...........................................................................12 1.2.2 Professor Focke ...........................................................................12 1.2.3 Igor Sikorsky ...............................................................................14 1.3 Phase der Reife und Spezialisierung .......................................................15
2 Hubschraubermissionen und Markt.......................................................19
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber.....................................31 3.1 Übersichten..............................................................................................31 3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors ................................34 3.2.1 Blattanlenkung, Schlag- und Schwenkbewegungen ....................34 3.2.2 Kollektive und zyklische Blattverstellung...................................37 3.2.3 Taumelscheibe, Steuermomente ..................................................37 3.2.4 Steuerelemente ............................................................................39 3.2.5 Rotorbedingte Kopplungen..........................................................40 3.2.6 Belastung des Rotormastes ..........................................................41
XIV
Inhaltsverzeichnis
4 Grundzüge der Leistungsrechnung .......................................................47 4.1 Strahltheorie (Bernoulli)..........................................................................47 4.1.1 Der stationäre Schwebeflug.........................................................49 4.1.2 Reale Rotoren im Schwebeflug ...................................................50 4.1.3 Senkrechter Steigflug (idealer Rotor)..........................................51 4.1.4 Senkrechter Sinkflug (idealer Rotor)...........................................53 4.1.4.1 Der langsame Sinkflug.................................................53 4.1.4.2 Das Wirbelringstadium (WR) ......................................53 4.1.4.3 Der schnelle Sinkflug...................................................54 4.1.4.4 Autorotation (AR)........................................................54 4.1.4.5 Strahlkontraktion .........................................................55 4.1.4.6 Übergang zum Flug mit Horizontalgeschwindigkeit ...55 4.2 Die Blattelementenmethode ....................................................................56 4.2.1 Ideale Verwindung ......................................................................58 4.2.2 Mittlere aerodynamische Beiwerte und Einstellwinkel ...............62 4.2.3 Reale und sonstige Effekte ..........................................................63 4.2.3.1 Ungleichförmige induzierte Geschwindigkeit .............64 4.2.3.2 Blattspitzenverluste......................................................65 4.2.3.3 Trapezform, Zuspitzung...............................................66 4.2.3.4 Bodeneffekt..................................................................67 4.2.3.5 Drall, Zirkulation, dynamische Verwindung, Grenzschicht ................................................................68 4.2.3.6 Leistungsbedarf im Schwebeflug.................................69
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter ..................................................71 5.1 Trägheitsmoment des Rotorblattes ..........................................................71 5.2 Herleitung der Schlaggleichung ..............................................................72 5.2.1 Rotoren mit zentralem Schlaggelenk...........................................72 5.2.2 Ein Blick in die Schwingungslehre..............................................73 5.2.3 Rotoren mit Schlaggelenksabstand..............................................75 5.3 Die Schlagbewegung unter Einbeziehung der Luftkräfte........................76 5.4 Der gelenklose Rotor...............................................................................78 5.5 Quantifizierung der Schlagbewegung .....................................................80 5.5.1 Die Rotoransteuerung ..................................................................81 5.5.2 Der Konuswinkel.........................................................................81 5.5.3 Die Schlagkoeffizienten ..............................................................83
6 Die Schwenkbewegung der Rotorblätter ..............................................85 6.1 Schwenken zunächst ohne Coriolis- und Luftkräfte................................85 6.2 Die Schwenkbewegung unter Berücksichtigung der Luft- und der Corioliskräfte...........................................................................................87
Inhaltsverzeichnis
XV
7 Die höherfrequenten Rotorblattschwingungen ..................................89 7.1 Blattverformungen, das Resonanzdiagramm...........................................89 7.2 Formänderungen des Rotorsystems, Luft- und/oder Bodenresonanz ......92 7.3 Unterdrückung von Schwingungen und Vibrationen ..............................94
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen............................................................96 8.1 8.2 8.3 8.4
Einsatzenvelope von Hubschraubern.......................................................96 Wichtige Leistungsparameter und -begriffe ............................................96 Standardbedingungen, Druckhöhe/Dichtehöhe .......................................97 Die Leistungspolare.................................................................................98 8.4.1 Schwebeflug ................................................................................98 8.4.2 Vorwärtsflug................................................................................98 8.4.2.1 Induzierte Leistung ......................................................99 8.4.2.2 Profilwiderstandsleistung...........................................101 8.4.2.3 Schädliche Leistung...................................................101 8.4.2.4 Manöverleistung am Beispiel „Steigen" ....................102 8.4.3 Gesamtleistungsbedarf...............................................................103 8.5 Flugleistungen .......................................................................................106 8.5.1 Triebwerksleistungen.................................................................106 8.5.2 Leistungsbilanzen ......................................................................108 8.6 Höhen-/Geschwindigkeitsdiagramm, Avoid Zones...............................115 8.7 Autorotation (AR) .................................................................................117
9 Auslegung des Hauptrotors...................................................................121 9.1 Rotordurchmesser..................................................................................122 9.2 Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit.......................................................123 9.3 Blattgeometrie .......................................................................................124 9.3.1 Blattflächen und -tiefen .............................................................128 9.3.2 Manövrierbarkeit .......................................................................129 9.3.3 Blattzahl.....................................................................................129 9.3.4 Trapezform, Zuspitzung ............................................................130 9.3.5 Verwindung ...............................................................................132 9.4 Profilierung............................................................................................134 9.4.1 Grenzen des maximalen Auftriebsbeiwertes, stationär..............135 9.4.2 Maximale Auftriebsbeiwerte im Bereich hoher Machzahlen ....136 9.4.3 Instationäre Auftriebsbeiwerte...................................................137 9.4.4 Der Widerstandsbeiwert, stationär und dynamisch ...................138 9.4.5 Der Momentenbeiwert stationär und dynamisch .......................138 9.4.6 Feinabstimmungen der Profilierung ..........................................141 9.5 Weitere Auslegungsparameter...............................................................143 9.5.1 Drehrichtung, Trägheitsmomente, Blattspitzen .........................143 9.5.2 Zusammenstellung aktueller Rotoren ........................................144
XVI
Inhaltsverzeichnis
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem.................................................147 10.1 Die Bewegungsgleichungen ..................................................................148 10.1.1 Der allgemeine instationäre Flug...............................................148 10.1.2 Eingrenzung der Freiheitsgrade.................................................150 10.1.3 Der stationäre Flug ....................................................................151 10.1.3.1 Schwebeflug als Grenzfall sehr langsamen Vorwärtsfluges...........................................................151 10.1.3.2 Stationärer Vorwärtsflug............................................152 10.2 Flugdynamik..........................................................................................152 10.2.1 Linearisierter Ansatz für die Luftkräfte .....................................153 10.2.2 Die Bewegungsgleichungen für kleine Störungen.....................154 10.2.3 Flugdynamische Eigenschaften .................................................156 10.2.3.1 Ermittlung der Eigenwerte.........................................156 10.2.3.2 Laplace-Transformation der Bewegungsgleichungen. ......................................160 10.2.3.3 Dynamikmatrix, charakteristische Gleichung............160 10.2.3.4 Stabilitätskriterien......................................................161 10.2.3.5 Typische Eigenwerte eines Beispiel-Hubschraubers....................................165 10.2.4 Inverse Bestimmung der Derivativa, Übertragungsfunktionen ............................................................170 10.2.4.1 System- oder Parameter-Identfikation .......................172 10.2.4.2 Multidimensionale Vorgehensweise der Flugregelung........................................................172
11 Flugtechnische Stabilitäten....................................................................174 11.1 11.2 11.3 11.4 11.5 11.6 11.7 11.8
Die statische Längsstabilität ..................................................................174 Die Anstellwinkelstabilität ....................................................................175 Richtungsstabilität, Spiralbewegung .....................................................175 Das laterale Gleichgewicht....................................................................176 Dynamische Stabilität............................................................................177 Mindestforderungen bezüglich der Stabilitäten.....................................178 Künstliche Stabilität, Flugregelung .......................................................178 Kopplungen ...........................................................................................181
12 Steuerbarkeit..............................................................................................187 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5
Steuerbarkeitsforderungen an Zivilhubschrauber..................................188 Zeitkonstante, Steuerempfindlichkeit, -wirksamkeit .............................188 Rating Scales .........................................................................................191 Normpilotenmodell ...............................................................................192 Das Steuerbarkeitsdiagramm.................................................................193 12.5.1 Langsame Steuereingaben .........................................................193 12.5.2 Ursprüngliche Forderungen.......................................................193 12.5.3 Neufassung der Steuerbarkeitsforderungen ...............................195
Inhaltsverzeichnis
XVII
12.6 Höherfrequente Ansteuerungen/Reaktionen..........................................198 12.6.1 Dynamische Stabilitätskriterien mittelschneller Reaktionsbewegungen ...............................................................198 12.6.1.1 Die Nickbewegung ....................................................199 12.6.1.2 Die Rollbewegung .....................................................200 12.6.2 Sekundärreaktionen ...................................................................201 12.6.3 Hochfrequente rückkoppelnde Steuerbewegungen kleiner Amplituden ................................................................................202 12.6.3.1 Grundlagen ................................................................203 12.6.3.2 Geforderte Systemeigenschaften ...............................206 12.6.3.3 Ergebnisse aus der Flugerprobung.............................210 12.6.3.4 Vergleichende Darstellung von Messergebnissen .....211 12.7 Flugerprobung unter Berücksichtigung der neuen Kriterien .................213
13 Spiegelung des Aeronautical Design Standard 33 an Projekten..214 13.1 Nachweisbedingungen...........................................................................215 13.1.1 Zuordnung der Leistungskategorien zu den MTE .....................215 13.1.2 Sichtverhältnisse, G/DVE..........................................................217 13.1.3 Hilfen zur Wahrnehmung der Umgebung, UCE........................217 13.1.4 Einsatzenvelope (Operational Flight Envelope, OFE)...............218 13.1.5 Geteilte Aufmerksamkeit (Divided Attention Operation, DAO) ........................................219 13.1.6 Ausfälle .....................................................................................219 13.2 Die neue Systematik in der Praxis.........................................................220 13.2.1 Definitionen und Generelles ......................................................221 13.2.2 Quantitative Kriterien ................................................................222 13.2.3 Hochfrequente Steuerbarkeit der UH-60A Black Hawk............224 13.3 Flugversuchsmanöver............................................................................225 13.3.1 Flugversuchsmanöver für Transporthubschrauber ....................225 13.3.2 Definition der Versuchsbedingungen und -manöver .................226 13.3.3 Auswertung der Messkampagnen..............................................229
14 Ausblick.......................................................................................................231
Herangezogene Literatur ..............................................................................232
Bildnachweis ...................................................................................................233
Stichwortverzeichnis .....................................................................................234
Verwendete Formelzeichen
a a a* a0 a1, b1 A An B B bC BWgain BWphase c ca ca,max cA cd0 cd0 = δ
m m ° ° N div. m/sec² rad/sec rad/sec m -
cm cP cQ cQ0 cQi cT cw cWi cWP cWR
-
dA dZ dP dm dM dϑ0;L;Q;HeRo
N N N kg Nm
D D
m Nmsec/°
Steigung der aufgelösten Polaren Schlaggelenksabstand fiktiver Schlaggelenksabstand Konuswinkel Schlagkoeffizienten Luftkraft Faktoren der Frequenzgleichung Blattspitzenverlust Position des Schlaggelenkes Coriolisbeschleunigung Bandbreite aus der Amplitudenverstärkung Bandbreite aus der Phasenverschiebung Blatttiefe (ggf. mittlere) Profilauftriebsbeiwert maximal möglicher Profilauftriebsbeiwert mittlerer aerodynamischer Auftriebsbeiwert mittlerer Widerstandsbeiwert Rotor mittlerer Widerstandsbeiwert angenäherter Polaren Profilmomentenbeiwert Powerbeiwert Torquebeiwert Torquebeiwert aus dem Profilwiderstand Torquebeiwert induziert Thrustbeiwert Profilwiderstandsbeiwert Beiwert des induzierten Widerstandes Profilwiderstandsbeiwert mittlerer Widerstandsbeiwert des Gesamt-HS bezogen auf F differenzielle Luftkraft differenzielle Zentrifugalkraft differenzielle Trägheitskraft Massenelement differenzielles Luftkraftmoment Differenzielle Steuerwinkel: kollektiv, längs, quer, Heckrotor Rotordurchmesser Schwenkdämpfung
XX
Verwendete Formelzeichen
e E F F0,1,2 fs G G/F GAbfl GLeer Gmax GNutz GZul IB IDreh IΕ
m m² m² m² N N/m² N N N N N kgm² kgm² kgm²
k kδ kF kF kz l L m mS mSE M Maerodyn MD MF MP MTr Mz n N NR NRo,0 NRotor,ideal NT0 p p0, p∞ p1 p1/ P PC q q r, dr
Nm/° Nm/° m Nm kg/sec kgm kgm Nm Nm Nm Nm Nm Nm Nm 1/sec Nm W W W W °/sec N/m² N/m² N/m² N N °/sec m
Schwenkgelenksabstand, Exzentrizität Position des (ggf. fiktiven) Schwenkgelenkes Rotorkreisfläche; Blattquerschnittsfläche Flächen des Stromfaden in den Ebenen 0, 1, 2 schädliche Widerstandsfläche Abfluggewicht Kreisflächenbelastung Abfluggewicht Leergewicht maximales Abfluggewicht Nutzlast Zuladung Massenträgheitsmoment des Schlagblattes Masseägheitsmonment des Rotors Massenträgheitmoment um das Schwenkgelenk Dämpfungsfaktor Federkonstante des Schwenkdämpfers Federkonstante Biegung Katzenbergerfaktor Schubbeiwert Länge des profilieren Blattes axiales Rollmoment Luftmassenstrom Massenmoment Massenmoment in Schwenkrichtung axiales Nickmoment Luftkraftmoment Dämpfermoment Federmoment Moment aus der Massenkraft Moment aus der Massenträgheit Moment aus der Zentrifugalkraft Rotornenndrehzahl axiales Giermoment Rotorleistungsbedarf Rotorleistungsbedarf im Schwebeflug Rotorleistungsbedarf ohne Verluste Bezugstriebwerksleistung Rollgeschwindigkeit Umgebungsdruck Druck unmittelbar oberhalb des Rotors Druck unmittelbar unterhalb des Rotors Trägheitskraft Corioliskraft Nickgeschwindigkeit Logarithmisches Dekrement laufender Rotorradius, Radiuselement
Verwendete Formelzeichen
R r RD S si S* SL t t0,63 tAR tD tH T T0
m °/sec N N sec sec sec sec sec sec °K
Tip als Index: u U v V, v
m/s m/sec m/s m/sec
V* v0 v1
m/sec m/sec m/sec
v2 vi vi (x, oder r) vi0 vr Vres vt
m/sec m/sec m/sec m/sec m/sec m/sec m/sec
vz Vz w x = r/R x X y Y z z Z Z zp zσ
m/sec m/sec m/s m N m N m N N m m
XXI
Rotorradius Giergeschwindigkeit Routhsche Diskriminante Rotorschub Eigenwerte Zuschlag zum Schubbedarf Sea Level Zeitvariable Zeitkonstante Zeit als Maßzahl für AR Doppelwertszeit Halbwertszeit Schwingungsdauer, Periode; Tangentialkraft Temperatur bei Abgabe der Bezugstriebwerksleistung an der Rotorblattspitze axiale Vorwärtsgeschwindigkeit Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit axiale Seitwärtsgeschwindigkeit Fluggeschwindigkeit bzw. Anströmgeschwindigkeit örtliche Anströmgeschwindigkeit Anströmgeschwindigkeit in der Ebene „Null“ Durchströmgeschwindigkeit in der Ebene „Eins“, Rotorebene Abströmgeschwindigkeit in der Ebene „Zwei“ induzierte Geschwindigkeit Verteilung der induzierten Geschwindigkeit induzierte Geschwindigkeit im Schwebeflug Relativgeschwindigkeit resultierende Anströmgeschwindigkeit Tangentialanströmungsgeschwindigkeit am Blattelement senkrechte Fluggeschwindigkeit Σvi+vz axiale Normalgeschwindigkeit dimensionsloser Rotorradius axiale Längsrichtung axiale Längskraft axiale Querrichtung axiale Seitenkraft axiale Normalrichtung Blattzahl Zentrifugalkraft axiale Normalkraft Druckhöhe Dichtehöhe
XXII
Verwendete Formelzeichen
α αAnstr αgeom α β, β0
° ° ° ° °
γ γ Λ δ, δ0 δ3 ΔNH ΔNT
° ° ° -
ζ ζkrit ηe η Φ Φ ϑ0,7;s;c ϑBlatt Θ Θ Θ,Θ0,1,2 μ ρB σ τ
− ° ° ° ° ° ° ° kg/m³ sec
τP ϕ ω ω/
sec 1/sec 1/sec
ω0 ω1 ωBWgain ωBWphase ωm ωn
1/sec 1/sec rad/sec rad/sec 1/sec 1/sec
ωnδ ψ Ψ Ω
1/sec ° ° Hz
aerodynamisch wirksamer Anstellwinkel Anströmwinkel geometrischer Anstellwinkel mittlere aerodynamische Anstellung Schlagwinkel (Index „null“: Mittellage, Konuswinkel) Lockzahl Steigwinkel Flügelstreckung Schwenkwinkel (Index „null“: Mittellage) Rücksteuerungswinkel Höhenabhängigkeit der Triebwerksleistung Temperaturabhängigkeit der Triebwerksleistung relative Dämpfung kritisches Dämpfungsmaß Einbauwirkungsgrad von Triebwerken Wirkungsgrad, Schwebegüte axiale Hängewinkel induzierter Winkel Trimmwinkel Blattansteuerungswinkel axiale Nickwinkel Steuerwinkel, geometrischer Anstellwinkel Ansteuerungswinkel Fortschrittsgrad mittlere Blattdichte Flächendichte; Luftdichteverhältnis Verzögerung der Reaktion auf eine Steuereingabe Phase Delay Luftdruckverhältnis Drehfrequenz; Eigenfrequenz Schlageigenfrequenz der gedämpften Schwingung Nullfrequenz Schlageigenfrequenz des gelenklosen Rotors Grenzfrequenz Amplitudenverstärkung Grenzfrequenz Phasenverschiebung Dämpfungsparameter Schlageigenfrequenz der ungedämpften Schwingung Schwenkeigenfrequenz Umlaufwinkel axiale Gierwinkel Rotordrehfrequenz
1 Evolution des Hubschraubers
1.1 Die Natur hat Drehflügler, aber keine Hubschrauber hervorgebracht Darstellungen historischer Entwicklungen bieten immer einen guten Einstieg in technische Problemkreise. Der Lernprozess der frühen Erfinder ist gleich dem des heutigen Interessenten. Für den Hubschrauber (HS) gibt es keine natürlichen Vorbilder; u.a. diese Tatsache hat dessen Entwicklung stark verzögert. Aus der Natur kennen wir lediglich antriebs- und steuerungslos autorotierende Drehflügler. Sie nutzen die ihnen mitgegebene potentielle Energie, um durch eine Art Segelflug auch horizontale Strecken zu erfliegen. Doch fehlen ihnen zwei entscheidende Komponenten: Die Natur hat die Maschinenelemente Welle/Nabe oder auch Achse/Nabe nicht entwickelt. Diese Baugruppen sind für den Hubschrauber unabdingbar, weil ohne sie der Pilot und die Nutzlast mit dem Flügel rotieren müssten. Erst nach der Erfindung des Rades war das Prinzip Achse/Nabe bekannt. Der Kolibri und die Libelle werden oft als natürlicher Hubschrauber gesehen, weil beide den Schwebeflug beherrschen, sogar rückwärts fliegen können und mit ihren Flügeln Kreisflächen bestreichen. Dabei müssen aber beide ihre Flügel nach vorn und wieder zurück bewegen! Sie sind damit nicht einmal Drehflügler. Die für den Hubschrauber typischen Flugfälle Senkrechtstart und -landung hat die Natur durch Flatter- bzw. Schwirrflug gelöst, die bisher noch weitgehend unerforschte instationäre Aerodynamik nutzend. Erschwerend zu dem Mangel an natürlichen Vorbildern kam hinzu, dass viele Problemkreise in ihrer vollen Tiefe erst erkannt werden konnten, als man begann, sich mit solchem Fluggerät intensiver zu befassen. Dabei handelt es sich vor allem um Probleme der Dynamik und der Flugmechanik. 1.1.1 Entwicklung des Hubschraubers Erste Ansätze, den Luftraum zu erobern, findet man in China bereits vor unserer Zeitrechnung. Dort war man mit einem Gerät, das wir heute als Kinderdrachen bezeichnen würden, der restlichen Welt flugtechnisch weit voraus. Es wurden damit angeblich bereits Personen und Lasten in die Luft gehoben.
2
1 Evolution des Hubschraubers
Bild 1.1 Flämische Illustration von 1325
In diese Zeit fällt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Erfindung des „chinesischen Luftkreisels“, eines Spielzeugs, das auch bei uns mindestens seit dem 14. Jahrhundert bekannt ist, wie Bild 1.1 oben rechts zeigt und das auch heute noch hergestellt wird, freilich entsprechend den modernen Möglichkeiten verbessert. Es handelte sich um ein rotorähnliches Gebilde aus angestellten Vogelfedern. Wenn es in Drehung versetzt wurde, konnte es, ähnlich einem Hubschrauber, senkrecht in die Luft aufsteigen. Leonardo da Vinci (1452–1519) baut erstaunlicherweise nicht auf dem Prinzip des Luftkreisels auf, als er sich im 15. Jahrhundert mit dem Hubschrauberprinzip beschäftigt. Vielleicht verhalfen seine Kenntnisse über die Funktion der archimedischen Wasserschraube, damals schon seit langer Zeit bei der Wasserförderung im praktischen Einsatz, dem Universalgenie zu der Erkenntnis, dass eine wendelförmige Fläche an einem vertikalen Mast, mit ausreichender Geschwindigkeit in Umdrehung versetzt, imstande sein müsste, durch beschleunigen von Luft nach unten eine Last vom Boden zu heben und in der Luft zu halten. Dass dazu die Luftdichte ausreichen müsste, hatte er aus der Bewegung von Blättern im Wind gefolgert. Leonardo hielt seine Überlegungen zum Hubschrauber-Prinzip auf der bekannten Skizze fest, Bild 1.2. Sie zeigt eine Wendelschraube mit senkrechter Welle und einer Plattform als Nabe. Eine darauf stehende Person sollte die Luftschraube antreiben.
1.1 Die Natur hat Drehflügler, aber keine Hubschrauber hervorgebracht
3
Bild 1.2 Leonardo da Vincis „Helikopter“
Das Problem des Drehmomentenausgleiches wurde von Leonardo da Vinci nicht gelöst. Der gesamte Problemkreis der Flugsteuerung lag noch außerhalb seiner Betrachtungen. Der von ihm vorgesehene Motor Mensch, er leistet etwa 300 Wp, ist zum Antrieb eines solchen Fluggerätes nicht leistungsfähig genug. Leonardo da Vinci gilt als der Vater des HS, auf ihn geht der Wortstamm für den Begriff „Helikopter“ („helix“ = Spirale, „pteron“ = Flügel) zurück, obwohl diese Bezeichnung schon nicht auf die damalige und erst recht nicht auf die heutigen Konfigurationen zutrifft; er wird trotzdem im Englischen benutzt. Stellvertretend für die Vielzahl der aus den 18. und 19. Jahrhunderten bekannten hubschrauberähnlichen Fluggeräte sollen nur einige der wesentlichen Erfindernamen genannt werden: Michail Lomonossow (1711–1765, nach ihm ist die Moskauer Universität benannt), Bau eines Hubschraubermodells mit koaxialen Rotoren zur Erforschung der Atmosphäre. 1861 erhält Gustave de Ponton d‘Amecourt ein Patent auf ein koaxiales Rotorenkonzept. Beiden war offensichtlich die Notwendigkeit des Drehmomentenausgleichs bewusst. Sie erfüllten diese durch Einbau zweier gegenläufiger Hauptrotoren. Im Jahre 1874 skizzieren Fritz und Wilhelm von Achenbach einen HS mit Haupt- und Heckrotor, Bild 1.3. Als Antrieb sollte eine Dampfmaschine dienen.
Bild 1.3 Heutige „Standard-HS-Konfiguration“
Um 1890 unternimmt Wilhelm Kress Messungen an einem Fluggerät mit Koaxialrotoren. Er ermittelte den Zusammenhang von Rotordurchmesser, Leistung und Auftrieb. Schon sehr früh war also erkannt, dass und wie das Rotordrehmoment auszugleichen ist. Die Gebrüder von Achenbach schlugen sogar schon die heute gebräuchlichste Hubschrauberkonfiguration vor. Sicher wurde auch festgestellt, dass
4
1 Evolution des Hubschraubers
kein geeigneter Antrieb zur Verfügung stand, die bekannte Dampfmaschine hatte keine ausreichende Leistungsdichte. Befruchtend und anspornend wirkten die sonstigen Fortschritte der Flugtechnik. Sie erbrachten Erkenntnisse, die auch dem HS von hohem Nutzen waren. In den Jahren 1891–1896 absolvierte Otto Lilienthal mehr als 2000 Gleitflüge. Lilienthal könnte somit als der Vater des Segelfluges betrachtet werden. Mit Sicherheit ist er der Vater des Drachenfluges. Er hat im Rahmen der Entwicklung seiner mit Gewichtsverlagerung gesteuerten Gleitapparate als erster nachweislich Profilpolaren vermessen: ein Diagramm zentraler Bedeutung für die gesamte Flugtechnik. Seine Flugapparate hat er bereits vermarktet. Die späteren Erfinder der ersten motorisierten Flugzeuge haben von seinen Gleitflügen profitiert. Die heutigen Flugdrachen stellen wohl das dar, was sich Lilienthal in seinen kühnsten Träumen erhofft hatte. Oft unerwähnt bleibt folgender entscheidender Beitrag zur Luftfahrttechnik: Zur Jahrhundertwende hatte der Verbrennungsmotor, 1862 von F. A. Otto erfunden und erstmalig 1876 verwirklicht, seine Einsatzreife und eine für die Verwendung in der Luftfahrt ausreichende Leistungsdichte erlangt. Erst damit war der Weg frei für den Bau leistungsfähiger Fluggeräte, ob Drehflügler, Starrflügler oder Luftschiff. Ursprüngliche HS-Enthusiasten wandten sich einfacheren Aufgaben zu: Dayton, Ohio 15. Januar 1909 „Wie alle Neulinge begannen wir mit dem Hubschrauber, sahen aber bald ein, dass Hubschrauber einfach keine Zukunft haben und ließen daher das Projekt fallen. Der Hubschrauber vermag nur mit größter Anstrengung das zu tun, was ein Ballon ohne Mühe schafft, und er ist keinesfalls besser als der Ballon zum schnellen horizontalen Flug geeignet. Wenn sein Triebwerk ausfällt stürzt er mit tödlicher Wucht ab, denn er kann weder schweben wie ein Ballon, noch wie ein Flugzeug gleiten. Hubschrauber sind viel leichter zu konstruieren als Flugzeuge. Ist die Konstruktion jedoch gelungen, ist sie nutzlos.“ Wilbur Wright Die Gebrüder Wilbur und Orville Wright bauten einen Starrflügler, mit dem sie 1903 erstmals flogen. Dieser Erfolg war nur möglich, da sie sehr zielstrebig, ingenieurmäßig und öffentlichkeitswirksam vorgingen. Über Gleitflüge und Windkanalversuche kamen sie zu ihrem Wright Flyer, dem ersten bekannt gewordenen bemannten, gesteuerten und motorisierten Fluggerät der Menschheit. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kannten die Gebrüder Wright Gustav Weißkopf, der sich, nach Amerika ausgewandert, dort Whitehead nannte. Über ihn liegen Informationen vor, wonach er schon vorher ein ebenso flugtüchtiges Flugzeug gebaut und 1901 erstmals geflogen habe. Leider geschah dies nicht öffentlichkeitswirksam und auch deshalb unzureichend dokumentiert. Am 18.8.1903, also ein halbes Jahr vor den Wrights, flog Karl Jatho bei Hannover erstmalig mit seinem Dreidecker und im November mit einem Doppeldecker. Für beide Flüge gibt es Zeugenaussagen. Jatho scheiterte an den Kosten, vor allem für die Motorisierung seiner Flugzeuge. Der Wright Flyer war jedoch allen anderen bekannten Fluggeräten dieser Zeit objektiv weit voraus. Obwohl flugmechanisch instabil, war er dank seiner sehr
1.1 Die Natur hat Drehflügler, aber keine Hubschrauber hervorgebracht
5
guten Steuerbarkeit gut fliegbar. Mit ihm begann explosionsartig die ingenieurmäßige Weiterentwicklung der Fluggeräte schwerer als Luft. Solche Geräte sind in allen Einzelteilen schwerer als Luft, sie nutzen zum Flug die Aerodynamik. Am Anfang des 20. Jahrhunderts folgte eine Flut von Rekorden durch ständige Leistungssteigerungen (Geschwindigkeit, Flugdauer, Flughöhe, Blindflug) und der Entwicklung eines breiten Anwendungsspektrums (zivil und militärisch). Wichtige Meilensteine waren: 1919: erste Atlantiküberquerung durch Alcock und Brown, 1927: erste Atlantiküberquerung im Alleinflug durch Charles Lindberg, 1939: erstes Flugzeug mit Strahlantrieb, die He 178, mit einem TL-Triebwerk von Pabst von Ohain. Konstrukteur war E. Heinkel. Der Schwebeflug war schon früher bekannt, nämlich mit Fluggeräten leichter als Luft. Sie bestehen größtenteils aus Bauteilen, die schwerer sind als Luft. Durch Integration von Elementen leichter als Luft entsteht ein Gerät, das in der Summe leichter ist als Luft, also aerostatisch fliegt. Das dazu erforderliche Material für Fluggeräte leichter als Luft war schon sehr früh vorhanden, nämlich: • Papier, Seide, leichte Stoffe, • warme und deshalb aufsteigende Luft (Die glühende Asche eines Feuers steigt sichtbar auf!). Aus diesem Grunde ist es erstaunlich, warum es so lange dauerte, bis der Heißluftballon und, auf dieser Erfahrung aufbauend, der Gasballon erfunden wurde: 1783: Heißluftballon der Gebrüder Montgolfier, 1783: Gasballon von Prof. Charles, 1852: luftschiffähnlicher Ballon des Franzosen Henri Giffard mit einer Dampfmaschinenantrieb des Propellers. N = 2,2 kW, v = 8 km/h, R = 30 km. 1900–1930: weltweiter Einsatz von Luftschiffen, als Zeppeline bezeichnet, in regelmäßigem Luftverkehr. In Form von Höhenballons, Sportballons und als kommerzielle Luftschiffe sind solche Geräte auch heute noch im Einsatz. Die technischen Grenzen dieser „Aerostaten“ sind eng gezogen. Weitaus leistungsfähigere Fluggeräte, darunter die HS, haben deshalb die Fluggeräte leichter als Luft an Bedeutung schnell überholt. Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts konnte also schon recht zuverlässig geflogen werden, selbst der Schwebeflug war bekannt. Die Notwendigkeit, einen HS zu bauen, war deshalb sicher kaum zu begründen. Dazu kam erschwerend die Komplexität des Systems, in Bezug auf Konstruktion und Festigkeit, mit seiner multidimensionalen Dynamik. Trotzdem befassten sich in fast allen entwickelten Ländern Erfinder mit Fluggeräten, die man heute als Vorläufer der Hubschrauber betrachten kann. 1907: Gyroplane Nr.1 der Gebrüder Bréguet in Zusammenarbeit mit Professor Richet: mit vier gegenläufigen Rotoren, 45-PS-Benzinmotor, 580 kg Abflugmasse. Aber nicht steuerbar! Drehflügler mit zwei Propellern in Tandemanordnung von Paul Cornu: nicht HS-spezifisch steuerbar. Angeblich erstes Schweben, in 30 cm Flughöhe. Obwohl fliegen mit 18 kW und 260 kg entsprechend Gl. 4.19 als nicht möglich erscheint!
6
1 Evolution des Hubschraubers
1916: Jakob Christian Ellehammer (Dänemark) baute einen Hubschrauber mit koaxialen Rotoren, mit kollektiver und zyklischer Blattverstellung (der Italiener Crocco hatte dies 1906 vorgeschlagen). Ellehammer ist damit der Erfinder der heute allgemein üblichen Rotoransteuerung! Dabei bedeutet kollektive Ansteuerung, dass bei allen Rotorblättern der Anstellwinkel gleichsinnig um den gleichen Betrag verändert wird. Sie bewirkt Schubänderungen. Die zyklischen Ansteuerungen verändern den Blattanstellwinkel über dem Umlauf entsprechend einer sin- bzw. cos-Funktion des Umlaufwinkels. Damit werden die Nick- und Rollbewegungen gesteuert. Ellehammers Fluggerät hat sich allerdings schon am Boden zerlegt. 1918: Die Ungarn Stefan von Petroczy, Theodore von Kámán, Asboth und Wilhelm Zurovec testeten erfolgreich eine gefesselte Spähplattform (als Alternative zu den damals üblichen Fesselballons, die im Ersten Weltkrieg stellenweise eingesetzt wurden). Merkmale: koaxialer Rotor, drei Motoren mit je 120 PS Leistungsabgabe. Mit diesem Gerät wurde ein Mann 50 m hoch in die Luft gehoben. Zu praktischen Einsätzen kam es nicht. 1919/22: Henry A. Berliner konstruierte in den USA einen HS mit koaxialen Rotoren und experimentierte mit Hubschraubern mit Rotoren in SbS (Side by Side)-Anordnung. Mit beiden unternahm er freie Schwebeflüge von kurzer Dauer.
Bild 1.4 4-koaxial-4-Blatt-Rotor-HS von Pescara
1923/1924: Der in Argentinien geborene Marquis Paul Pateras Pescara erzielte mit seinem dritten HS-Projekt, mit vier koaxialen Rotoren mit je vier Blättern (Bild 1.4) einen überlegenen Fortschritt gegenüber allen bis dahin gebauten Geräten. Die Steueror-
1.1 Die Natur hat Drehflügler, aber keine Hubschrauber hervorgebracht
7
gane für kollektive und zyklische Blattverstellung funktionierten. Bei Motorausfall konnte dieser HS schon autorotieren und blieb steuerbar. 1924 flog er ca. 700 m weit („fliegender Totempfahl“). 1923: Dr. George de Bothezat flog in den USA einen HS mit vier Rotoren auf Auslegern und zwei zusätzlichen kleineren Steuerrotoren. Merkmale dieses damals größten HS der Welt: 220 PS, 1600 kg Abflugmasse, Pilot und Passagiere. 1924: Etienne Œmichen, ein aus der französischen Automobilindustrie kommender Ingenieur, baute einen Hubschrauber, der von den damaligen Zeitgenossen als eine „Ansammlung von Windmühlen“ bezeichnet wurde. Merkmale: vier Hauptrotoren (verstellbar), fünf Propeller zur Stabilisierung, zwei Propeller zum Vortrieb, ein Propeller zur Steuerung, 180-PS-Gnôme-Motor. Obwohl er mit diesem außerordentlich komplizierten Gerät den ersten offiziell anerkannten „Weltrekord“ für Hubschrauber flog (Reichweite 525 m), muss dieser Weg als eine technische Sackgasse eingestuft werden. Das gleiche gilt für die Geräte von Bothezat und Pescara. 1925-1930: Die heute gebräuchliche Rotoranordnung mit je einem Haupt- und Heckrotor versuchte der Holländer A. G. von Baumhauer zu realisieren, wobei er den Hauptrotor, der ca. 15 m Durchmesser hatte, mit einem 200-PS-Motor antrieb. Für den Antrieb des Heckrotors verwendete er einen separaten Motor mit 80 PS. Der Erstflug fand 1930 statt. Nach dem Bruch eines Hauptrotorblattes wurden die Versuche nicht mehr fortgeführt, obwohl dieses Gerät sehr nahe an der heutigen Standardkonfiguration war. 1930: Nicholas Florine erprobte in Belgien relativ erfolgreich einen HS mit TandemRotoranordnung. Dieser HS, der zwei Vierblattrotoren von 7,2 m Durchmesser hatte, ca. 950 kg wog und von einem 220-PS-Hispano-Suiza-Motor angetrieben wurde, erlaubte Schwebeflüge von bis zu zehn Minuten. Der von d'Ascanio konstruierte HS mit koaxialen Rotoren und drei verstellbaren Zusatzpropellern stellte mit seinen „Weltrekorden“ den Maßstab für die damalige Zeit dar, seine Flugleistungen: Streckenflug: 1078 m, Flughöhe: 18 m, Flugdauer: 9 min. 1932: Unter der Leitung von Jurjew wurde in der Sowjetunion ein Hubschrauber mit einem Hauptrotor und je zwei Steuerrotoren am Bug und am Heck entwickelt. Dieser Hubschrauber hatte bei 1200 kg Abflugmasse zwei Motoren mit je 120 PS Leistung und ermöglichte angeblich relativ erfolgreiche Schwebeflüge. 1930-1935: Zu erwähnen ist noch, dass von Asboth in Ungarn und Rieseler in Deutschland mit Hubschraubern mit koaxialen Rotoren experimentierten, bei denen die Steuerbarkeit mit Leitwerken im Rotorabwind verbessert werden sollte. Die Abbrüche all dieser Projekte waren Folge der noch nicht beherrschten Komplexität des Systems Hubschrauber. Auf die Problematik der Flugeigenschaf-
8
1 Evolution des Hubschraubers
ten war noch keiner gestoßen. Bedauerlicherweise wurden auch ausgesprochene Irrwege beschritten. 1.1.2 Periode der Tragschrauber (1919–1935) Obwohl der Spanier Juan De la Cierva keinen Hubschrauber im Sinn hatte, leistete er bei der Entwicklung seiner Tragschrauber (Autogiro, Bild 1.5) entscheidende Beiträge zur Verwirklichung des Hubschraubers. Die ihm gestellte Aufgabe forderte ein überziehsicheres Flugzeug.
Bild 1.5 Tragschrauber
Beim Tragschrauber handelt es sich um ein Fluggerät, bei dem der Vortrieb durch einen Propeller und der Auftrieb durch einen Drehflügel in Segelstellung erzeugt wird. Ein derartiges Fluggerät benötigt nur extrem kurze Start- und Landestrecken in Kombination mit der Fähigkeit, sehr langsam fliegen zu können. VTOL (Vertical Take Off and Landing) ist jedoch nicht möglich. Die Tragschraube (der Drehflügel) wird nur vom Fahrtwind in Eigendrehung (Autorotation) versetzt. Damit entfällt das Problem des Drehmomentenausgleichs, mit dem die Ingenieure beim Hubschrauber zu kämpfen hatten. 1.1.2.1 Erfindung und Verwirklichung des Schlaggelenkes De la Cierva erreichte mit seinen Tragschraubern schon relativ hohe Fluggeschwindigkeiten. Dadurch wurde er erstmalig mit den Auswirkungen, der asymmetrischen Rotoranströmung konfrontiert, die bei allen Drehflüglern im Vorwärts-
Bild 1.6 Anströmung der Rotorblattelemente
1.1 Die Natur hat Drehflügler, aber keine Hubschrauber hervorgebracht
9
flug auftreten. Am vorlaufenden Blatt addieren sich Umlauf- und Fluggeschwindigkeit, am rücklaufenden Blatt subtrahieren sie sich, Bild 1.6. Der Drehflügel hat dadurch im Vorwärtsflug am vorlaufenden Blatt ein höheres Auftriebspotential als am rücklaufenden Blatt. Mit starr an der Nabe angelenkten Blättern (d.h. einem Propeller) hat demzufolge die starke Tendenz, bei Vorwärtsbewegung um die Längsachse zu rollen. Diesem Verhalten kann bei niedrigen Fluggeschwindigkeiten noch gegengesteuert werden; mit zunehmender Geschwindigkeit endet diese Möglichkeit jedoch sehr schnell am Anschlag des baulich begrenzten Steuerbereiches. De la Cierva griff 1922 die Idee auf, die Blätter nicht starr, sondern gelenkig an der Nabe zu befestigen. Dieses Konzept war im Deutschen Reichspatent Nr. 249702 aus dem Jahre 1912 von Max Bartha und Dr. Josef Madzsar im Zusammenhang mit der Kopfkippsteuerung für einen koaxialen Rotor patentiert worden. Durch diese sogenannten Schlaggelenke der Rotorblätter können keine Biegemomente mehr auf die Nabe übertragen werden. Die Blätter reagieren auf die von der ungleichförmigen Anströmung verursachten Unsymetrie der Luftkräfte mit einer, durch die Gelenke ermöglichte, freie Schlagbewegung. Diese verläuft senkrecht zur Rotorebene. 1.1.2.2 Erfindung des Schwenkgelenkes Mit Einführung der Schlaggelenke erfuhren die Blätter während des Umlaufes neben den wechselnden Luftkräften auch Corioliskräfte in der Rotorebene, die zu Materialermüdungen an den Blättern führten. Um dies zu vermeiden, wurde ein zusätzliches Gelenk in die Blattwurzel eingebaut, das Schwenkgelenk. Die Schwenkbewegung liegt in der Rotorebene. 1.1.2.3 Unterschied zwischen Propeller (als Hubschuberzeuger) und Rotor Propellerblätter sind steif gegen jede Biegung. Die Rotorblätter besitzen Schlagund Schwenkgelenke, sind also momentenfrei an der zentralen Nabe angelenkt. Bei modernen gelenklosen Rotoren sind die Gelenke in der Form biegeweicher Blatthälse ausgeführt. Der bauliche Unterschied zwischen Propeller und Rotor hat entscheidende Auswirkungen auf die Dynamik, die Steuerung und die Flugmechanik des Hubschraubers. Änderungen der an aerodynamischen Profilen Luftkräfte erzeugenden Parameter Anströmgeschwindigkeit und/oder Anstellwinkel bewirken entsprechende Änderungen der Luftkräfte am Drehflügel. Propellerblätter geben unmittelbar in der Umlaufposition veränderten Schubes das resultierende Biegemoment aus den Luftkräften multipliziert mit dem Abstand zum Blattanschluss an die zentrale Nabe weiter und damit ein Kräftemoment auf das gesamte Fluggerät. Ein Rotorblatt erfährt zwar ebenfalls die erhöhte Kraftwirkung an gleicher Stelle des Umlaufes, die Folgen sind jedoch von Grund auf andere: Die Kräfte können durch die eingeführten Gelenke nicht als Biegemomente auf die Nabe übertragen werden. Sie bewirken stattdessen Beschleunigungen des Blattes in Richtung der Kräfte und damit Auslenkungen.
10
1 Evolution des Hubschraubers
In dem aus der Rotordrehung vorhandenen radialen Zentrifugalkraftfeld verhält sich das Blatt damit wie ein angestoßenes Pendel. Dem entsprechend sind Ursache (Kraft) und Wirkung (Auslenkung) um einen Phasenwinkel verschoben. Beim idealen Pendel beträgt der Phasenwinkel 90°. Eingesteuerter Zusatzschub am vorlaufenden Blatt, d.h. beim Umlaufwinkel ψ = 90° (die Umlaufposition ψ = 0° ist definiert bei nach hinten stehendem Blatt, s. Bild 3.5), erzeugt eine maximale Blattauslenkung nach oben erst entsprechend später im Umlauf, nämlich bei ψ = 180°, d.h. sie erfolgt über der Hubschraubernase. Für die übergeordnete Baugruppe, den Rotor, bedeutet dies: Die Blattspitzenkreisfläche des Rotors wird dadurch nach hinten gekippt. Da der Rotorschubvektor immer nahezu senkrecht und mittig auf der Blattspitzenkreisfläche steht, wird der Schubvektor mit geneigt, nach Winkel und Richtung gezielt. Seine Wirklinie verläuft jetzt nicht mehr durch den HS-Schwerpunkt. Über den so entstehenden Hebelarm wirkt der Schub jetzt auch als Moment auf die Gesamtmaschine. Dieses Moment dient zur Steuerung der Hubschrauberbewegungen. Der grundlegende Unterschied der Steuerwirkungen eines Propellers zu denen eines Rotors ist neben der verlängerten Reaktionszeit vor allem die Phasenverschiebung. Eine Schubänderung am vorlaufenden Blatt, also bei ψ = 90°, erzeugt: • beim Propeller ein Rollmoment, • beim Rotor ein Nickmoment. Ein Aufdrehen der Blätter bei ψ = 180° erzeugt: • beim Propeller ein Nickmoment, • beim Rotor ein Rollmoment.
1.2 Entstehen der ersten brauchbaren Hubschrauber Wenn ein Hubschrauber als Fluggerät definiert wird, • • • • • •
das schwerer als Luft ist, durch einen Motor angetrieben wird, mindestens einen Menschen tragen kann, senkrecht starten und landen kann, Schwebeflüge und Transitionen in alle Richtungen ausführen kann und dabei voll steuerbar bleibt,
dann ist es wirklich schwer, objektiv festzustellen, wer den ersten echten Hubschrauber gebaut hat. Obwohl 1907 erste hubschrauberähnliche Geräte entstanden, die dem erforderlichen Leistungsgewicht für Schwebeflüge nahe kamen und auch schon einen Drehmomentenausgleich hatten, war der Weg zum voll steuerbaren Fluggerät noch weit. Warum war es so schwer, einen Hubschrauber zu bauen? Eine Analyse des ersten bekannten Flugzeuges im Vergleich zu einem hypothetischen Hubschrauber kann dies aufzeigen: Um mit einem Fluggerät von etwa gleicher Größe wie dem Wright Flyer einen Schwebeflug ausführen zu können (Tabelle 1.1), hätte man bei gleichem Gewicht
1.2 Entstehen der ersten brauchbaren Hubschrauber
11
den Flügel als angetriebenen Drehflügel ausbilden müssen und hätte bei einem in erforderlichen Rotordurchmesser von etwa 12 mØ einen mehr als doppelt so leistungsfähigen Motor benötigt. Innerhalb des Gewichtslimits von 3400 N hätten zusätzlich die Probleme des Drehmomentausgleichs und der Steuerbarkeit im Schwebeflug gelöst werden müssen. Tabelle 1.1 Vergleich Hubschrauber zu Flugzeug am Anfang des 20. Jahrhunderts Erstes bekanntes Flugzeug
Erste hubschrauberähnliche Fluggeräte
1903 Gebrüder Wright USA Fahrradfabrikanten
1907 Paul Cornu Frankreich Fahrradfabrikanten
1907 Bréguet/Richet Frankreich Elektomotorenbauer
3000 N Abfluggewicht 9 kW 53 m mit v = 50 km/h 12 sec Flugzeit
2531 N Abfluggewicht 18 kW angeblich 0,3 m Schwebehöhe 20 sec (?) Flugzeit
6000 N Abfluggewicht 33 kW 0,6 m Schwebehöhe, von 4 Männern gehalten
Voll steuerbar
nicht HS-spezifisch steuerbar, Längssteuerruder im Abwind
Nicht steuerbar
In den Bildern 1.7 und 1.8 ist die Entwicklung von Hubschraubern erreichter Reichweiten und Flughöhen als Funktion der Zeit dargestellt. Danach kann für die Fluggeräte von Bréguet und vor allem für die von Professor Focke die Fw 61 (Bild 1.9), die FL 282 und die Fa 223 den Anspruch erhoben werden, die ersten gewesen zu sein, die der oben genannten Definition entsprachen. Somit gab es erst 1936/37 die ersten brauchbaren Hubschrauber. Also 33 Jahre später als Flächenflugzeuge, zu einer Zeit als Verkehrsflugzeuge schon den Atlantik überquerten, das erste Strahlflugzeug in Rostock und, beides in Berlin, die Raketentechnik und der erste Computer entstanden. Dieser Verzug ist ein Tribut an die Komplexität des Systems Hubschrauber.
Bild 1.7 Maximale Reichweiten von HS
12
1 Evolution des Hubschraubers
Bild 1.8 Maximale Flughöhen von HS
1.2.1 Bréguet/Dorand In Frankreich hat Louis Bréguet an der Entwicklung des Hubschraubers weitergearbeitet. 1931 gründete er eine eigene Firma mit dem Zweck, seine Ideen und Konzepte zu verwirklichen. Der technische Direktor war Réne Dorand. Bréguets neuer Hubschrauber besaß zwei zweiblättrige Rotoren in Koaxialanordnung: Rotordurchmesser ca. 19 m, 350-PS-Hispano-Sternmotor. Der Rotor konnte sowohl zyklisch als auch kollektiv angesteuert werden; die Steuerung um die Hochachse wurde erreicht durch unterschiedlichen Schub, also auch Drehwiderstand, der beiden Rotoren und damit unterschiedlich großen gegenläufigen Drehmomenten, die sich nur noch zum Teil ausglichen (diese Anordnung wird heute noch bei den russischen Kamov-Hubschrauber angewendet!). Im Jahre 1936 konnten mit diesem im Verhältnis zu den Vorgängern relativ einfachen Hubschrauber die Weltrekorde erheblich gesteigert werden. Der HS von Bréguet kam über das Versuchsstadium nicht hinaus, da die Firma Bréguet-Dorand „Gyroplane Laboratoire“ in Frankreich nicht die staatliche Unterstützung fand, die den Hubschrauberprojekten in Deutschland und Rußland zuteil wurde. 1.2.2 Professor Focke Professor Focke, der sich insbesondere bei den Focke-Wulf-Werken mit der Entwicklung und Fertigung von Starrflüglern einen Namen gemacht hatte, erkannte als einer der ersten in Deutschland das Zukunftspotential der Tragschrauber von De la Cierva. Er erwarb 1931 die Lizenz zum Nachbau des Autogiros C 19 und später auch für die C 30. Damit legte er den Grundstein für seine zweite Karriere. Ab 1933 widmete Focke sich ganz der Entwicklung des ersten wirklich brauchbaren und voll einsatzfähigen Hubschraubers der Welt, der Fw 61, mit Dreiblattro-
1.2 Entstehen der ersten brauchbaren Hubschrauber
13
toren in SbS-Anordnung (Bild 1.9). Die Luftschraube vor dem Sternmotor ist ein Kühlgebläse. Die Fw 61 flog am 26. Juni 1936 zum ersten Mal und eroberte später sämtliche Rekorde. 1938 wurde sie der Weltöffentlichkeit in Berlin in der Deutschlandhalle von der bekannten Pilotin Hanna Reitsch vorgeflogen. Überzeugt von ihrer Leistungsfähigkeit, wurde die Fw 61 sehr schnell in der neuen Firma Focke-Achgelis weiterentwickelt, zur Fa 226 für den zivilen Einsatz und zur Fa 223 für den militärischen, Tabelle 1.2. In der Zeit, in der in Deutschland alle luftfahrttechnischen Arbeiten verboten waren, wurden in aller Welt ähnliche Entwicklungen begonnen. In England wurde die Fw 61 mit der Bezeichnung Weir W 5 nachgebaut, ebenso in den USA unter der Bezeichnung Platt-LePage XR-1, in der damaligen Sowjetunion als OMEGA I und II. Prof. Focke wurde nach Frankreich verpflichtet. Er schuf dort die Vorläufer der späteren Alouette-HS, unter Verwendung von Bauteilen der Fw61. Er ist somit als der Vater der heutigen französischen HS-Industrie anzusehen.
Bild 1.9 Focke Wulf Fw 61
14
1 Evolution des Hubschraubers
Tabelle 1.2 die Fw 61 und ihre Derivate
Erstflug Abflugmasse Zuladung Rotordurchmesser Antriebsleistung Geschwindigkeit Reichweite Dienstgipfelhöhe Bemerkungen
Fw 61
Fa 226 (zivil)
Fa 223 (militärisch)
1936 1024 kg 132 kg 2 mal 7 mø 110 kW 122 km/h 109 km (1937) 230 km (1938) 2439 m (1937) 3427 m (1939) 1937 Autorotation
1939 gefesselt 3200 kg 1000 kg 2 mal 12 mø 590 kW 190 km/h >510 km je nach Kraftstoff 5500 m
1940 4300 kg 1119 kg 2 mal 12 mø 735 kW >200 km/h 300 km
Abbruch 1939 zugunsten Fa 223
Serienfertigung
7782 m
1.2.3 Igor Sikorsky Eigene Wege beschritt in den USA Igor Sikorsky als technischer Direktor der Firma Vought-Sikorsky Aircraft Corporation. Er entwickelte ab 1939 die VS-300, die in ihrer vierten Version 1940 erfolgreich frei flog (Bild 1.10.). 1939 war sie bereits gefesselt geflogen. Für die VS-316, einer leistungsgesteigerten Version, erhielt Sikorsky von der Regierung einen ersten Auftrag zur Serienfertigung. Damit war er seiner amerikanischen Konkurrenz Bell, Hiller, Kellet und Piasecki zuvorgekommen. Mit der VS-300/VS316, mit Dreiblatt-Hauptrotor und EinblattHeckrotor, Abflugmasse 1150 kg, angetrieben mit 185 PS, ist es Sikorsky, der die heutige Standardkonfiguration zum Erfolg führte.
Bild 1.10 Sikorsky VS300
1.2 Entstehen der ersten brauchbaren Hubschrauber
15
Zeitzeugen berichten: Die Fw 61 begeisterte Igor Sikorsky für den HS. Er war anfangs nicht in ausreichender Tiefe über die Entwicklungsarbeiten des Spaniers Juan De la Cierva an dessen Tragschraubern informiert, obwohl er einige Zeit in der französischen Luftfahrtindustrie gearbeitet hatte. Die nach Einführung der Blattgelenke festzustellende Phasenverschiebung zwischen der Blattwinkelung und der Blattauslenkung war ihm anfangs nicht geläufig. Übergeordnet, die für die Steuerung entsprechende zyklische Schlagbewegung der Rotorblätter. Er glaubte noch zwei Jahre nach seinem Erstflug, dass die Steuerung beim Hubschrauber wie beim Starrflügler reagieren müsse. Er stellte aber zu seinem Erstaunen im Flug (!) fest, dass er den Stick nach links drücken musste um Vorwärtsfahrt aufzunehmen (sein Rotor drehte gegen den Uhrzeigersinn).
1.3 Phase der Reife und Spezialisierung Die in Tabelle 1.3 aufgeführten fünf Hubschrauberkonfigurationen – keine hat mehr als zwei Hauptrotoren – erwiesen sich schließlich als praktikabel und sind heute weltweit im Gebrauch: Tabelle 1.3 Bewährte Hubschrauber-Konfigurationen
Side by Side
Tandem
Koxial
Kämmend (Achsen gekippt)
Heutige „Standardkonfiguration" (etwa 90% aller HS)
Fw61 Omega II (1946) XHJ D1 (1946) Omega III (1953)
HUP H 21 Br 173 Yak 27 YH 16
G 20 Dorand G 1E Bréguet SkyTrac 1 Wagner
FL 282 Flettner
Verwendet von den Firmen: Eurocopter Agusta Westland MIL Kamov PZL Sikorsky Bell-HC Boeing-HC Robinson Kaman Hiller Enström Schweizer
Mi 12 (1970) MIL
HH 43 Husky
CH 46 CH 47 Boeing-HC
Ka 10 Ka 25 Ka 26 Ka 32 Ka 50 Kamov
K-Max Kaman
16
1 Evolution des Hubschraubers
Nachfolgend werden typische Vertreter der jeweiligen Konfiguration gezeigt. Die SbS (Side by Side)-Konfiguration hat mit der Mil Mi-12 Homer1, (Bild 1.11), in der damaligen UdSSR ihren Höhepunkt erreicht. Es handelte sich um den größten HS, der bis heute in der Welt gebaut wurde. Typ: Schwerlast-Hubschrauber Abflugmasse: 105 t Rotor/en: 2 x 35 mø Antrieb: 4 x 4846 kW Geschwindigkeit: 260 km/h Reichweite: 500 km, 35 t Nutzlast Dienstgipfelhöhe: 3,5 km Rekord: 40 t auf 2,2 km Höhe Erstflug: 1969 Bild 1.11 MIL Mi 12
Die Tandembauweise (Rotoren in Flugrichtung hintereinander) wurde in den USA von Boeing-Vertol oder heute Boeing-Helicopters erfolgreich weiterverfolgt. Entsprechende HS werden heute noch gebaut, z.B. CH-46, CH-47, Chinook1, Bild 1.12 . Typ: mittlerer Transport-HS Abflugmasse: 24,5 t Rotor/en: 2 x 18,29 mø Antrieb: 3217 kW Geschwindigkeit: 285 km/h Reichweite: 1207 km Dienstgipfelhöhe: 3,4 km Erstflug: 1961
Bild 1.12 Boeing Helicopters CH47D
Kamov verwendet für seine vorwiegend für die sowjetische Marine gebauten HS koaxiale Rotoren. Ein Vertreter ist die Ka 50 Hokum1, Bild 1.13. Typ: Spezial-HS Abflugmasse: 10,8 t Rotor/en: 2 x 14,5 mø Antrieb: 2 x 1633 kW Geschwindigkeit: 300 km/h Reichweite: 450 km Dienstgipfelhöhe: 5,5 km Erstflug: 1982 1
Bild 1.13 Kamov Ka 50
1.3 Phase der Reife und Spezialisierung
17
Die Konfiguration von Flettner - mit zwei Rotoren nebeneinander, etwas nach außen gekippt und ineinander kämmend – wurde in den USA bei Kaman für den K1200 K-Max1 erfolgreich weiterentwickelt, Bild 1.14, und hat sich in praktischem Einsatz bewährt. Typ: Spezial-HS Abflugmasse: 5,86 t Rotor/en: 2 x 14,73 mø Antrieb: 1119 kW Geschwindigkeit: 185 km/h Reichweite: 556 km Schwebehöhe OBE: 8,88 km Erstflug: 1991
Bild 1.14 Kaman K1200 K-Max
Am erfolgreichsten ist die Bauart mit Haupt- und Heckrotor, Bild 1.15 (Beispiele: EC 135, MIL Mi26, EH101 Merlin1, UH60 Black Hawk1, CH-53 Stallion1). Sie wird heute in Ost und West überwiegend angewendet und gilt deshalb quasi als Standardkonfiguration für Hubschrauber. Typ: leichter Vielzweck-HS Abflugmasse: 2,72 t Rotor: 10,2 mø Antrieb: 2 x 435 kW Geschwindigkeit: 257 km/h Reichweite: 745 km Dienstgipfelhöhe: 6,1 km Erstflug: 1994
Bild 1.15 EC 135 von Eurocopter
Nachdem die amerikanische Firma Bell über Jahrzehnte mit KipprotorExperimentalgeräten entsprechende Erfahrungen sammeln konnte und man heute die notwendigen Technologien beherrscht, hat man in den USA beschlossen, ein Kipprotorfluggerät für die US-Streitkräfte zu bauen (Projekt V-22 Osprey von Bell/Boeing, Bild 1.16). Die Firmen Bell und Agusta entwickeln ein Kipprotorflugzeug für den zivilen Markt (BA 609) und Eurocopter den EUROFAR. Typ: Kipprotorflugzeug Abflugmasse: 24,0 t Rotor/en: 2 x 11,61 mø Antrieb: 2 x 4586 kW Geschwindigkeit: 565 km/h Reichweite: 953 km Dienstgipfelhöhe: 7,93 km Erstflug: 1989
Bild 1.16 Bell Boeing V-22 Osprey
18
1 Evolution des Hubschraubers
Obwohl sich zurzeit kein Hubschrauber mit SbS-Rotoranordnung in Entwicklung befindet, ist zu erwarten, dass diese Konfiguration für Schwerlasthubschrauber in Zukunft wieder verfolgt wird. Für diese Größenklasse wäre dann auch wieder der Blattspitzenantrieb, Bild 1.17, zu untersuchen, wie er von der Firma Bölkow Entwicklungen schon 1964 für einen Kranhubschrauber erprobt worden ist. Nachdem Dornier im Jahr 1962 mit dem nach diesem Prinzip angetriebenen EinMann-HS, der Do32, erstgeflogen war. Die Idee stammt ursprünglich von Friedrich von Doblhoff, der 1943 mit der blattspitzenangetrieben WNF 342 erstflog.
Bild 1.17 Blattspitzenantrieb
Die Beispiele der Bilder 1.11 bis 1.16 zeigen, dass sich auch beim HS die Turbine als Antrieb durchgesetzt hat. Als Strahlturbine erfunden von Hans Joachim Pabst von Ohain, 1937 erstmals betrieben und 1939 in einer He178 erstgeflogen. Die auf dieser Technologie fußende Wellenturbine hat mittlerweile ihre über lange Zeit gravierendsten Nachteile überwunden, den hohen spezifischen Kraftstoffverbrauch und den ursprünglich höheren Wartungsaufwand. Ihr Gewichtsvorteil war von Anfang an gegeben. Die Leistungsklasse der Wellenturbinen ist nach unten begrenzt. Für Kleinhubschrauber bleibt deshalb ein Bedarf entsprechender Kolbenmotoren geringerer Leistung. Für den Antrieb von Leichthubschraubern überschneiden sich die beiden Technologien. Hohe Antriebsleistungen sind mit Kolbenmotoren in der Luftfahrt u. a. aus Gewichtsgründen und der Kreiselwirkung massereicher drehender Bauteile nicht sinnvoll. Neben dem Hubschrauber, der sich heute allgemein als Lufttransportmittel durchgesetzt hat, gibt es noch andere hubschrauberähnliche Konfigurationen, die man unter dem Oberbegriff „Drehflügler“ zusammenfasst: 1. Tragschrauber (Autogiro, auf kleine/leichte Geräte begrenzt, Rotor antriebslos aber angesteuert zur Flugsteuerung, oft mit Kopfkippsteuerung) 2. Flugschrauber (mit Teilleistung angetriebener Rotor liefert nur Hubschub, verkürzt die Startstrecke, Vortrieb mittels Propeller) 3. Verbundhubschrauber (Compound, Hub- und/oder Schubentlastung durch Flügel oder Propeller bzw. Schubtriebwerk) 4. Kipprotorflugzeug (Verwandlungsflugzeug) 1
Oft taufen Hubschrauberhersteller ihre Produkte: Tiger (PAH-2), Merlin (EH 101), die USStreitkräfte nach Indianern: Chinook (CH-47), Apache (AH-64), Black Hawk (UH-60). Die NATO verleiht gegnerischen Hubschraubern Codenamen: Homer (Mi 12), Hind (Mi 24).
2 Hubschraubermissionen und Markt
Nur überlegene Hubschrauber werden sich auf Dauer am Markt durchsetzen. Überlegenheit kann sich auf ein Optimum aller relevanten Eigenschaften beziehen, aber auch auf Spezialitäten, wie z.B. Kran-Einsätze oder Wild-WeaselMissionen. Immer aber werden bestmögliche Flug- und Steuereigenschaften gefordert sein. Dies macht die Flugmechanik zur zentralen Aufgabe bei der Entwicklung von Hubschraubern. Mit ihr sind die Missionserfüllung und damit die Wirtschaftlichkeit, die Sicherheit und die Akzeptanz zu verbessern. Maßstab sind die Konkurrenzprodukte, die in ihrer Leistungsfähigkeit, eventuell sogar mit Hilfe von Nachprojektierungen, zu relativieren sind. In der Regel enthalten Herstellerangaben Leistungseckwerte, die nicht kompatibel sind. Zu Angaben über erreichte Fluggeschwindigkeiten fehlen in der Regel die dabei angenommenen atmosphärischen Bedingungen und/oder das zugehörige Fluggewicht; zu erfliegbaren Reichweiten fehlen oft die dabei einzuhaltenden Geschwindigkeiten. Die Zuladung wird oft als Nutzlast bezeichnet. Genaue Kenntnisse sind unabdingbar über die Anforderungen aus bekannten Einsatzspektren, vor allem aber auch aus sich möglicherweise neu abzeichnenden. Beim HS handelt es sich um das im Einsatz flexibelste Fluggerät überhaupt. Nachdem diese Flugtechnik heute einen hohen Sicherheitsstandard und eine entsprechende Einsatzzuverlässigkeit erreicht hat, werden HS in immer größerem Maße für die verschiedensten und zum Teil nur von ihnen zu bewältigenden Aufgaben eingesetzt. Siehe nachstehende Tabellen 2.1 und 2.2. Tabelle 2.1 Aufgaben für zivile Hubschrauber Hobby
Arbeit
Spezialaufgaben
Privatfliegerei Kino und Reportagen Helicopter Skiing
Überwachung von Elektro-, Gas- und sonstigen Leitungen Bohr- Inselversorgung Schulung, Sprühen Forstarbeiten, Fischerei TV-Übertragung, Luftaufnamen
Rettungsaufgaben Lotsen versetzen Brandbekämpfung Exploration Krankentransport Spezielle Montageaufgaben
Transport
Öffentlicher Dienst
Lastentransport, wo VTOL erforderlich ist VIP-Transport Off Shore-Einsätze Airport-Shuttle Sightseeing
Polizeidienst Katastrophenschutz Auto- und Eisenbahnüberwachung Grenzkontrolle Terroristenbekämpfung
20
2 Hubschraubermissionen und Markt
Tabelle 2.2 Aufgaben für militärische Hubschrauber Heer
Luftwaffe
Marine (land- und schiffsgestützt)
Transport von Soldaten und Material Verbindung und Beobachtung Aufklärung Aufspüren Elektronischer Kampf Kampfunterstützung Begleitschutz Panzerabwehr Zielbeleuchtung Sanitätswesen Schulung/Training
Transport von Soldaten und Material C/SAR (Combat Search and Resque) Schulung/Training
C/SAR ASW (Anti Submarine Warfare) ASVW (Anti Surface Vessel Warfare) Aufklärung Minenräumen Transport von Soldaten und Material Datenübertragung Zielbeleuchtung Schiffsversorgung Schulung/Training
Starts und Landungen an beliebigem Ort sind in der Regel nicht erlaubt. Für die zivile Verwendung der Hubschrauber ist deshalb wesentlich, dass eine entsprechende Infrastruktur vorliegt. Hier haben viele Länder noch einen starken Nachholbedarf an Landeplätzen. In Deutschland befinden sich über 400 Landeplätze für Luftfahrzeuge, davon sind 17 internationale Verkehrsflughäfen. Dazu kommen für den Hubschrauber ca. 150 Heliports.
Tabelle 2.3 Die wichtigsten Hubschrauberhersteller (zur Zeit finden weltweit starke Restrukturierungen statt) Hersteller
Standort
Land
Agusta SpA Bell Helicopter Textron Bell Helicopter Textron Canada Boeing Defense and Space Group Helicopters Division Denel/Atlas Aviation CATIC (China National AeroTechnology Import and Export Corp.) Changhe Aircraft Factory Enstrom Helicopter Eurocopter HAL (Hindustan Aeronautics) Kaman Aerospace Kamov Kawasaki Heavy Industries Mil PZL Swidnik Robinson Helicopter Sikorsky Aircraft Westland Helicopters
Cascina Costa di Samarate, Varese Fort Worth, Texas St. Janvier, Quebec Philadelphia, Pennsylvania und Mesa, Arizona Kempton Park Beijing (Peking)
Italien USA Kanada USA
Jingdezhen City, Jiangxi Menominee, Michigan Paris Bangalore Bloomfield, Connecticut Moscow (Moskau) Tokyo (Tokio) Moscow (Moskau) Lublina Torrance, California Stratford, Connecticut Yeovil, Somerset
VR China USA Frankreich Indien USA Rußland Japan Rußland Polen USA USA Großbrit.
Südafrika VR China
2 Hubschraubermissionen und Markt
21
Weltweit befassen sich zahlreiche Firmen mit dem Hubschrauber als Produkt (Tabelle 2.3). Aber nur wenige davon beherrschen die Technologie in voller Tiefe, d.h. sind systemfähig. Der Einstieg in den Hubschrauberbau wird oft über Lizenzfertigungen versucht. Einen schnelleren Weg bieten Kooperationen mit systemfähigen Firmen. In beiden Fällen müssen sich für die Know-How-Lieferant wichtige Vorteile ergeben: Erschließung eines sonst nicht zu erreichenden Marktes, potenter Erstkunde, finanzielle und kapazitive Beiträge des Partners bei der Neuentwicklung, Mittragen des Entwicklungs- Fertigungs- und Vermarktungsrisikos, besondere Weiterentwicklungs- und Vertriebsrechte. Eine Reihe von Firmen können sich auf einen abgeschotteten Markt stützen. Das gilt vor allem stark für Osteuropa zum Schutz der dortigen Industrie, und nahezu absolut für die USA im militärischen Sektor, dem größten Marktsegment der Welt. Zurzeit findet ein starker Verdrängungswettbewerb zwischen den einzelnen Hubschrauberfirmen statt. Da die amerikanischen Firmen Wettbewerbsvorteile infolge großer exklusiver militärischer Serien, der daraus preiswert abzuleitenden Zivilvarianten und des großen Heimatmarktes haben, können die europäischen Hersteller nur erfolgreich sein, wenn sie ihr Vorgehen abstimmen und zu möglichst breiten Kooperationen oder Zusammenschlüssen finden. Im Einsatz sind etwa 25000 zivile Hubschrauber in 160 Ländern. In Tabelle 2.4 sind die größten Flotten aufgelistet. Zum Teil fliegen noch ausgesprochen alte Maschinen. Was sich aber auf die Flugsicherheit nicht auswirken kann, da alle Flugzeuge immer in absolut sicherem Zustand gehalten werden müssen. Der Aufwand für diese Instandhaltung wächst aber so stark, dass Neuanschaffungen auch in dieser Hinsicht (neben den unverantwortlich hohen Betriebskosten, verursacht durch hohen Wartungsaufwand und unzeitgemäßem Kraftstoffverbrauch) wirtschaftlicher werden. Wenn z.B. die CH-53G der Bundeswehr wie beabsichtigt (erst) 2030 ausgemustert wird, dann ist sie 60 Jahre alt. Ersatzteile sind schon viel früher nicht mehr auf dem Markt, Kampfwertsteigerungs- und -erhaltungsmaßnahmen kommen dadurch dann in Wirklichkeit Neukonstruktionen gleich. Die Länder mit den ausgeprägtesten zivilen Hubschrauberflotten sind die USA, der Bereich der ehemaligen Sowjetunion und Kanada, das sind Staaten großer Ausdehnung. Tochterfirmen in solchen Flächenstaaten sind für Europäer zwangsläufig. Ähnlich großflächige Staaten, die sich zunehmend auch in wirtschaftlicher Hinsicht entwickeln, bilden unsere Zukunftsmärkte. Eine Aufgliederung des zivilen Hubschrauberbestandes nach Herstellern, Gewichtsklassen, Missionen und Antriebsarten zeigt Tabelle 2.5. Mit Kolbenmotoren angetriebene Hubschrauber sind zahlreich, sie füllen den Sektor der Kleinhubschrauber, für die es keine Turbinen gibt. Das Verhältnis von Einzel- zu Mehrturbinenhubschraubern wird sich aufgrund neuer Einsatzvorschriften bezüglich Sicherheit zur zweiten Kategorie hin verschieben (JAR OPS3).
22
2 Hubschraubermissionen und Markt
Tabelle 2.4 Bestand ziviler Hubschrauber (die 20 bedeutendsten, 1994) Nach Ländern
Nach Regionen
USA frühere Sowjetunion Kanada Japan UK Frankreich Deutschland Australien Italien Brasilien Neuseeland Mexiko Spanien Polen Schweiz Schweden Indonesien Venezuela Kolumbien
9200 2555 1500 1119 843 836 719 676 490 371 356 340 254 232 226 188 170 167 162
Nordamerika Westeuropa frühere Sowjetunion Asien Australien Süd- und Mittelamerika Afrika Osteuropa Mittlerer Osten
47,5 % 17,7 % 10,9 % 8,2 % 5,0 % 4,3 % 2,9 % 2,5 % 1,0 %
Tabelle 2.5 Aufgliederung des zivilen Hubschrauberbestandes Hersteller Agusta Bell Enstrom Eurocopter Hiller Hughes MDHC Robinson Schweizer Sikorsky Sonstige
Turbine/n
Kolbenmotor
1,9 % 47,9 % 28,8 % 12,1 % 4,6 % 4,7 %
26,6 % 8,9 % 10,3 % 15,8 % 25,8 % 4,8 % 7,8 %
Missionen Öffentliche Aufgaben: EMS, Polizei, Zoll Geschäftsreise Nutztransport Off shore -Einsatz Andere
Gewichtsklassen Leicht, Mono-TW (<6000 lbs)
40 %
Leicht, Multi-TW (<6000 lbs)
30 %
Intermediate (6000-15000 lbs)
25 %
Mittel und schwer (>15000 lbs)
5%
Antriebsart 45 %
Kolbenmotor
38 %
20 % 20 % 10 % 5%
Einzelturbine
44 %
Mehrturbinenantrieb
18 %
2 Hubschraubermissionen und Markt
23
Es ist nicht verwunderlich, dass Hubschrauber militärisch immer stärker in Erscheinung treten (gesteigerte Luftbeweglichkeit diverser Einheiten zum Ausgleich personeller Ausdünnung, Allied Mobile Forces, Kriesen Reaktions Kräfte). Durch den zur Zeit stattfindenden Umbruch der militärischen Geographie und die laufenden Aktionen entsprechend abgeschlossener Abrüstungsvereinbarungen, aber auch neuerlichem Ausbau von Lufttransportkapazitäten in diversen Ländern ist ein Überblick über die militärischen Bestände im Augenblick nicht sinnvoll. Die Zeitschrift Flight International veröffentlicht jährlich einen Überblick über die Ausrüstungsstände aller Länder. Da die Stück- und Betriebskosten der Hubschrauber, bezogen auf deren Transportleistungen, höher liegen als beim Flächenflugzeug ähnlicher Fluggeschwindigkeiten und Reichweiten, setzt man Hubschrauber nur dann ein, wenn auf die besonderen Fähigkeiten wie VTOL (Vertical Take Off and Landing) und Schwebeflug nicht verzichtet werden kann. Bild 2.1 enthält Stückpreise von Hubschraubern als Funktion von deren Leermassen (die angegebene Näherungsgleichung ist für kleine Hubschrauber nicht gültig). HS Basis-Preis ( 1994 ) Optional Equipment bis +20% 30
MV22
CH53G
25
BP=(2L-2500)*103 US$
Mio-$
20 EH101
CH47D
15
10 A109KII
AS322
5
0 0
B214ST
UH60L B214B
B222UT AS350 5000
10000
15000
Leermasse ( kg ) Bild 2.1 Stückpreise von Hubschraubern
Die Teuerungsrate hat sich auf 2–3% p.a. eingespielt. Eine sehr zuverlässige Regression zur Abschätzung des Basispreises fanden Harris und Scully (Journal of the AHS Jan. 1998): Base-Price = F ⋅ H ⋅ (Blattzahl/Rotor)0,2045⋅ Leermasse0,4854⋅ (install. Leistung)0,5843
24
2 Hubschraubermissionen und Markt
mit:
F = 236,77 $ wenn mit shp und lb gearbeitet wird oder: 412,32 $ wenn mit kW und kg gerechnet wird und H als Produkt aus folgenden sechs in Tabelle 2.6 angegeben Faktoren: Tabelle 2.6 Faktoren Triebwerkstyp
Faktor
Anzahl Triebwerke
Faktor
Kolben Turbine
1,000 1,779
mono multi
1,000 1,352
Land
Faktor
Anzahl Haupt-Rotoren
Faktor
US Comm. US Mil. CIS F., D.
1,000 0,838 0,330 0,860
mono multi
1,000 1,046
Druckrumpf
Faktor
Landewerk
Faktor
ohne mit
1,000 1,135
fest einziehbar
1,000 1,104
Diese Regression geht von laufenden Serienproduktionen aus. In den Verkaufspreis sind die Herstellkosten eingerechnet. Von denen ein großer Teil auf Unterlieferanten entfällt, das sind die Triebwerkshersteller, die Avionik- Getriebeund Hydraulikfirmen, u.a. Der eigentliche Hubschrauberhersteller hat deshalb in der Regel nur eine reduzierte Wertschöpfung durch die Produktion und hat nur wenige Möglichkeiten dies durch Design to Cost zu verbessern. Sehr erhebliche Zuschläge zum Verkaufspreis entstehen durch die Umlage der thesaurierten Entwicklungskosten und anderer Kosten. Vorteile aus der Learing Curve der Produktion schlagen aus den genannten Gründen nur stark reduziert auf den Preis durch.
Bild 2.2 Hubschrauberbetriebskosten
2 Hubschraubermissionen und Markt
25
Der Kaufpreis geht als Abschreibung in die Betriebskostenkalkulation ein. Er ist der Hauptkostenfaktor, noch verstärkt dadurch, dass er auch als Basis zur Berechnung der Versicherungen herangezogen wird. Bild 2.2 vergleicht die wesentlichen Faktoren der Hubschrauberbetriebskosten. Heutige Hubschrauber erreichen Abflugzuverlässigkeiten von mehr als 95%, was dem Wert in der General Aviation gleichkommt. Die Hubschrauberkomponenten sind immer zuverlässiger und langlebiger geworden. Die Überholintervalle der Komponenten mit begrenzten Laufzeiten (TCI = Time Change Items: Getriebe, Triebwerke u.a.) liegen bei mindestens 1200–1500 Betriebsstunden. Tabelle 2.7 gibt ein typisches Beispiel für den erreichten Stand der Technik, bei den TBO (Time Between Overhaul). Die Angaben sind der Publikation The Helicopter Blue Boock [2] entnommen, einer Sammlung aller Angaben in den USA verkaufter Hubschrauber. Wesentliche Fortschritte wurden erreicht mit Rotorblättern in FVW-Bauweise. Hier gibt es bereits Beispiele unbegrenzter Lebensdauer (von Eurocopter). Gleiches gilt für Strukturen aus FVW. Tabelle 2.7 Typische Überholzeiten für Komponenten der BK117 C1 (HC Blue Book [2]) Komponente
Zulässige Betriebsdauer (h)
Triebwerk (2) Rotorblätter (4) Rotornabe Rotorwelle Hauptgetriebe Zwischengetriebe Heckrotorgetriebe Heckrotornabe Heckrotorblätter (2) Hydraulik Hydraulikpumpen
3000 on condition on condition on condition 5000 3600 3600 on condition on condition on condition on condition
Ein weiterer Schritt, die Wartungskosten zu reduzieren, war der Übergang zur on-condition-Wartung. Die Inspektion findet zwar weiterhin statt, Teile werden aber nur noch getauscht, wenn sie mehr als vorher genau definierte Gebrauchsspuren aufweisen. In Einführung befindet sich HUMS (Health and Usage Monitoring System). Das System zeichnet die Beanspruchungen der wichtigsten Hubschrauberbaugruppen auf: Betriebszeiten, Leistungsspektren und vor allem Belastungsspitzen, Trends u.v.a.m.. Auf dieser Basis kann mit Hilfe von Herstellerangaben, Konstruktionsunterlagen und Erfahrungswerten auf die Restlebensdauer der Tauschteile geschlossen werden. Aus abgegebenen Signaturen und Vibrationen, Schall usw. kann gegebenenfalls auf Schädigungen geschlossen werden, oft mit Lokalisierung. Die Unfallraten sind im Laufe der Zeit erheblich zurückgegangen, wie Bild 2.3 zeigt. Sie erreichen bzw. übertreffen heute bei guten Hubschraubern den Wert für die General Aviation. Die gute Steuerbarkeit moderner Hubschrauber (typisch: ECD-HS) ist dabei ein entscheidender Faktor.
26
2 Hubschraubermissionen und Markt
Etwa 80 % aller Unfälle basieren auf menschlichem Versagen, dessen Ursache aber durchaus auch in einem Auslegemangel der Maschine liegen kann, z.B. in einer Überforderung des Piloten durch schwierig zu beherrschende Flugeigenschaften.
Bild 2.3 Unfallraten
Vor dem Beginn einer Neuentwicklung werden die potentiellen Betreiber nach ihren Erfahrungen und Vorstellungen befragt. Die Tabelle 2.8 führt die derzeit größten Hubschrauberbetreiber auf. Die Zusammenfassung einer solchen Untersuchung (durchgeführt für die ED135) wird in Bild 2.4 wiedergegeben. Selbstverständlich bleiben bestmögliche Produktivität und optimale Flugeigenschaften immer die wichtigsten Forderungen. Tabelle 2.8 Hubschrauberbetreiber Die 20 größten Hubschrauberbetreiber sind zur Zeit: 1.Petroleum Helicopters 2.Air Logistics 3.Bristow 4.Okanagan 5.Evergreen 6.Heli-Union 7.ERA 8.Asahi 9.PT Pelita 10.Schreiner
USA SA UK Kanada USA USA USA Japan Indonesien Niederlande
11.Nikon-Norin 12.Rocky Mountain 13.Trans Canada 14.Viking 15.Pumpkin 16.Naka-Nihon 17.Temesco 18.Helicopter Service 19.Houston 20.Highland
Japan USA Kanada Kanada USA Japan USA Norwegen USA Kanada
2 Hubschraubermissionen und Markt
Bild 2.4 Zusätzliche Auslegekriterien für Hubschrauber
27
28
2 Hubschraubermissionen und Markt
Anfang bis Mitte der 90er Jahre herrschte vor allem auf dem zivilen Hubschraubermarkt eine Absatzflaute, unter der fast alle Hersteller zu leiden hatten; eine Erholung ist eingetreten. Die AHS (American Helicopter Society) veröffentlicht jährlich Marktbeobachtungen und -prognosen, die aktuelle reicht bis 2008, die Bilder 2.5 Marktsegmente und 2.6 Antriebsarten fußen darauf.
Bild 2.5 Marktsegmente
14% Mono-Turbine 34% militärisch:4000 Stück 85% Multi-Turbine
1%
Stückzahl von 1999 - 2008
militärisch : 52*106 US$´99 99% MultiTurbine
Kolbentrieb26% w erk
1% Mono-Turbine 16% Kolbentrieb0% 2% w erk
Umsatz in 10 Jahren
zivil: 8000 Stück
40% Multi-Turbine
zivil : 20*106 US$´99 82% Multi-Turbine
Bild 2.6 Antriebsarten
Für die nächsten zehn Jahre rechnet man mit einem Absatz von 8000 zivilen und etwa 4000 militärischen Hubschraubern. Trotzdem repräsentiert der militärische Bereich einen 2,5-fachen Marktwert, was an den verschiedenen Hubschrau-
2 Hubschraubermissionen und Markt
29
berklassen liegt, die verlangt werden. Der zivile Segment konzentriert sich entsprechend Bild 2.5 auf Hubschrauber mit rund 5 t Abflugmasse, im militärischen Bereich liegt dieser Wert bei circa 15 t (dies bedeutet nicht, dass hier nicht auch kleine und andererseits noch wesentlich größere Hubschrauber benötigt werden). Der überproportional höhere Preis militärischer Geräte entsteht auch aus deren besonderen Ausrüstungen, die weit über die ziviler Hubschrauber hinausgehen können. Daneben zeigt die erwähnte Marktübersicht noch: Im zivilen Bereich bleiben Hubschrauber mit Kolbenmotorantrieb mit etwa einem Viertel der auszuliefernden Stücke präsent. Sie sind eine Rückversicherung für die Hersteller von Kleinst(Schulungs-)hubschraubern für kostengünstigsten Betrieb. Hubschrauber mit Mono-Turbinenantrieb decken ein Drittel des Marktes ab, mit fallender Tendenz zu Gunsten des Multi-Turbinenantriebes, der 40 % Anteil hat. Umsatz wird aber zu 82 % mit der dritten Kategorie gemacht, nur 16 % mit der Mono-Version und nur minimaler mit der ersten. Militärisch dominiert der MultiTurbinenhubschrauber, schon bei den Stückzahlen: 85 %, vor allem aber beim Wert, der Mono-Turbinenhubschrauber spielt hier schon fast keine Rolle mehr und der mit Kolbenmotor gar keine. Zur Abrundung wird in Tabelle 2.9 noch die hubschrauberbezogene Infrastruktur in Deutschland dargestellt.
30
2 Hubschraubermissionen und Markt
Tabelle 2.9 Infrastruktur bezüglich Hubschraubern in Deutschland Forschung und Ausbildung
Ausrüster im BDLI
BMVg
RWTH Aachen TU Braunschweig Universität Göttingen TU München UniBw Neubiberg Universität Stuttgart
ABEX GmbH Hydraulik AOA Apparatebau Gauting Autoflug Becker Flugfunk Behr Bendix Bodenseewerk Bosch Telecom ANT Diehl Elektronik und Luftfahrtgeräte Drägerwerk AG Eichweber Präzisionsgerätewerk Eltro Garrett Regelsysteme Honeywell Liebherr Aero Technik Litef Nord Micro Rhein Flugzeugbau Rockwell Collins SEL Alcatel Teldix Telefunken Systemtechnik EADS Teves VDO Zeiss ZF u.a.m.
Heer Luftwaffe Marine
Diverse Fachhochschulen Forschung und Studien DLR IABG ESG Hubschrauberhersteller Eurocopter Reparatur und Überholung Eurocopter Motorflug
Triebwerkhersteller MTU Hubschrauberexperten Priv. + Zivilpiloten: ~ 1.000 Milit. Piloten: ~ 1.500 Mechaniker: ~ 1.000 Techniker + Arbeiter: ~ 2.000
BMBF Unterstützung der Forschung BMWi Unterstützung für zivile Entwicklung BMV Zivile Zulassung BMI Bundesgrenzschutz EMS-Unterstützung Umweltbundesamt Zulassung LBA (zivil) BWB (militärisch) Hubschrauberlandeplätze ~ 75 (inkl. Krankenhäuser) ICAOLandeplätze/Flughäfen ~ 400
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Die flugmechanischen Charakteristika von Hubschraubern und deren Steuerbarkeit hängen von den Auslegungs- und Konstruktionsparametern ab; im zweiten Fall vor allem von denen des Rotors, dessen Ansteuerungsmöglichkeiten, deren Funktionen und Wirkungen.
3.1 Übersichten Bild 3.1 zeigt schematisch die Seitenansicht eines Hubschraubers und seine wesentlichen Bauelemente: • Haupt- und Heckrotor, mit Kopf, Dämpfern und mitdrehenden Steuerstangen, • Ansteuerung, mit Taumelscheibe (TS), Mischhebelgetriebe (MHG), Steuerung (Steuerstangen, Kugelzüge, FbL (Fly by Light), FbW (Fly by Wire) zur Signalübertragung), Hydraulik zur Kraftverstärkung und automatischer Flugkontrolle, • Hauptrotormast und -getriebe, Stromgenerator, Ölkühler, Hydraulikpumpe, • Fernwellen zum Heckrotor, Umlenk- und Heckrotorgetriebe, • Triebwerk, Lufteinlauf, Auspuff mit Ejektor, Verkleidung, Brandschott, • Zelle mit Cockpit, Passagier-/Lastenraum, Fenster, Türen und WartungsKlappen, • Heckausleger mit Höhen- und Seitenleitwerk, • Landewerk (Kufen oder Räder, Schwimmer, Einsinkschutz), • Tankanlage, Behälter für Hydrauliköl, Batterie. • Zusätzlich vorhanden sind die für Fluggeräte typischen Ausrüstungssysteme: - Flugzeugüberwachungs-Instrumente, - Avionik, - Funk- und Navigationsanlage, - Elektrik-Anlage, usw. • Missionsausrüstungspakete, z.B. für den NH90: Tabelle 3.1. Da der Innenraum von Transporthubschraubern möglichst groß sein soll bei geringstmöglichen Außenabmessungen, bleibt nur wenig Raum für die innenliegenden Bauteile und Ausrüstungen. Dies trifft auch zu auf Kampfhubschrauber wie dem PAH 2 Tiger. Bei ihm bewirkt gleiches die Forderung nach einer schlanken Silhouette, um optisch und durch Radar schwerer entdeckbar zu werden. Auch bei Kranhubschraubern steht, hier ganz allgemein, nur wenig Innenraum zur Verfügung. Bei diesen auf maximalen Hub ausgelegten Geräten sind aufwändig umbaute, aber nutzlose Lufträume minimiert. Dadurch erhalten Spezialhubschrauber ihr libellenähnliches Aussehen.
32
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Bild 3.1 Die wesentlichen Bauelemente des Hubschraubers
3.1 Übersichten
33
Tabelle 3.1 Missionsausrüstungspakete der NH90 Varianten NFH (NH90 Frigate Helicopter)
TTH (NH90 Tactical Transport Helic.)
Automatisches Klappen des Heckauslegers Rettungswinde Chaff/Flares (Düppel/Leuchtkörper) Automatische Blattfaltung EW System (Electronic Warfare) Notschwimmer 360°-Radar Taktische Kontrollstation mit Ausbringung von Sonar- und Horchbojen Lasthaken Waffenträger Luftbetankungsanlage Decklandesystem
IR-Unterdrücker Panzerungen, gepanzerter Pilotensitz Wetterradar Blattenteisung Cable Cutters NBC-Schutz (Nuklear, Biolog., Chem.) Nachtsichtsystem Avionik Heckladerampe (optional) Truppensitze (14 bis 20) Rettungswinde Chaff/Flares (Düppel/Leuchtkörper) Notschwimmer Lasthaken Waffenträger
Die Gesamtkonfiguration unterliegt starken Restriktionen: Die Erfüllung der Missionsforderungen ist immer die Grundbedingung. Der Hubschrauber dient vorrangig zum Erbringen von Transportleistung. Deshalb ist in der Regel gefordert: Lufttransport einer Nutzlast (Masse/Passagiere und/oder Volumen), mit VTOL, über eine bestimmte Strecke in einer bestimmten Zeit mit geringst möglichem Aufwand. Die zulässige Schwerpunktslage und ihr Wanderungsbereich je nach Beladungszustand und Missionsablauf ist auf einen engen Bereich begrenzt (vordere Grenze: maximal zulässiges Mastmoment, hintere Grenze: instabiler Flug). Es gibt eine Vielzahl geometrischer Abhängigkeiten: • Triebwerke sind in triebwerksseitig zugelassener Einbaulage in der unmittelbaren Nähe des Hauptgetriebes einzubauen. • Haupt- und Heckrotoren können in der Regel nicht kämmend angeordnet werden. • Das Steuergestänge benötigt Freiräume. An flugmechanischen Restriktionen sind unter vielen weiteren zu beachten: • Interferenzen Rotor/Zelle sowie Haupt-/Heckrotor und Rotoren/Leitwerke. • Zu vermeiden, sind unerwünschte Kräfte und Momente, Vibrationen und ungünstige Steuerungseigenschaften. • Sehr wichtig sind Sicherheitsforderungen wie: redundante Mehrtriebwerksanlagen, Hochlagen der Rotoren Vermeiden von Gefahren, z.B. Tankleckagen, besonders auch nach harten Landungen, - Inspizier-, Prüf- und Wartbarkeit, - heiße Gase dürfen keinen Schaden anrichten können usw.
34
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Mittlerweile sehr restriktive Lärmgrenzen beeinflussen die Rotorauslegung (Durchmesser, Drehzahl, Geometrie, „higher harmonic control“, Blattspitzengeometrie). Mit zunehmender Leistungsfähigkeit elektronischer Geräte, mit der in der Regel auch die Empfindlichkeit gegen Störfelder steigt, wachsen auch die EMVProbleme (Elektromagnetische Verträglichkeit). Diese Problematik wird verstärkt durch den Übergang auf nichtmetallische Werkstoffe in der Zellenfertigung. Im zivilen Bereich waren die Kosten schon immer wesentlich, sie gewinnen zunehmend auch im militärischen Bereich an Bedeutung. Streitkräfte beschaffen Gerät für den Verteidigungsfall, müssen dieses aber über lange Zeiträume unter Kostenrestriktionen betreiben, die sich am zivilen Betrieb orientieren. Wichtige Angaben sind: der Stückpreis (fly away price), der Systempreis (Stückpreis plus einem zu definierenden Satz an Ersatzteilen, Ausrüstungen, Infrastrukurpaketen und Schulungen), die Operationskosten (Direct Operating Costs oder DOC) und die Lebenslaufkosten (Life Cycle Costs oder LCC). Moderne Hubschrauber entstehen strikt nach DTC (design to cost). Ihr äußeres Design darf sicher nicht vernachlässigt werden.
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors Für die flugmechanischen Eigenschaften eines Hubschraubers ist die Ausbildung, Arbeitsweise und Wirksamkeit des Hauptrotors von entscheidender Bedeutung. 3.2.1 Blattanlenkung, Schlag- und Schwenkbewegungen Beim voll gelenkigen Rotor, Bild 3.2, sind die Rotorblätter (Drehflügel) mittels zweier Gelenke und einem Lager je Blatt an die Rotornabe angeschlossen.
Bild 3.2 Schema eines voll gelenkigen Hubschrauberrotors
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors
35
Die Gelenke sind das Schlaggelenk (flapping hinge) und das Schwenkgelenk (lead/lag hinge), das Lager ist das Winkelungslager (feathering bearing), mit dem das Blattprofil kontrolliert und veränderlich gegen die Anströmung (vektorielle Summe aus Vorwärts- und örtlicher Umlaufgeschwindigkeit) angestellt werden kann. Bei den sog. gelenklosen oder schließlich den gelenk- und lagerlosen Rotoren sind die Funktionen der Gelenke bzw. des Lagers durch entsprechende elastische Bereiche des Blatthalses verwirklicht. Die Rotornabe ist mit der Rotorwelle starr verbunden und wird vom Antrieb über das Hauptgetriebe in Drehung versetzt, Bild 3.3. Auf die an der Nabe befestigten Rotorblätter wirken Luft- und Massenkräfte (Trägheits-, Zentrifugal- und Corioliskräfte), deren Momente sich um das Schlag- bzw. das Schwenkgelenk ausgleichen. Bild 3.4 zeigt die Schlagrichtung.
Bild 3.3 Hauptrotorgetriebe
36
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Auftriebskraft dA dm Hebelarme
Schlaggelenk
Δβ Δβ
Zentrifugalkraft dZ
aΟ = β Ο
Konuswinkel
Ω a
Schlaggelenksabstand
Bild 3.4 zum Momentenausgleich am Blattelement, Schlagrichtung
Im stationären Vorwärtsflug ändern sich die Arbeitsbedingungen jedes einzelnen Rotorblattelementes während des Umlaufes ständig, wodurch alle Luftkräfte periodisch veränderlich werden. Dies regt die Rotorblätter zu Schlag- und Schwenkbewegungen an. Für die sich daraus ergebenden Auslenkwinkel gilt:
β( bzw.δ ) = β0 ( bzw. δ0 ) ± Δβ( bzw.Δδ )( Ω ,t )
(3.1)
β = Schlag-, δ = Schwenkwinkel, Ω = Rotorumlauffrequenz. Im Schwebeflug, also ohne den periodischen Anregungen, stellt sich in Schlagrichtung stationär der sog. Konuswinkel a0 ein (Bild 3.4). Von β = f(Ω,t) bleibt β0 als Mittellage der Schlagbewegung. Bei Nullschub ist β0=0=a0. Entsprechendes gilt für die Schwenkbewegung, δ0 ist allerdings nicht so ohne weiteres sichtbar. Im Prinzip handelt es sich beim gelenkig angeschlossenen Rotorblatt um ein im Zentrifugalkraftfeld schwingendes Pendel. Es schwingt nahezu in Resonanz mit der Anregung. Bei solchen Systemen sind die Wirkungen, das sind hier die Maximalauslenkungen, um Δψ = 90° zu den Anregungen, durch die Luftkräfte, verschoben (Phasenverschiebung). Mit ψ als dem Rotorumlaufwinkel, der in der Blattstellung über dem Hubschrauberheck seinen Ursprung hat (Bild 3.5).
Bild 3.5 Anströmbedingungen am Rotorblattelement
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors
37
Die im stationären Vorwärtsflug durch die verschieden großen Anströmgeschwindigkeiten am vor- gegenüber dem rücklaufenden Blatt, also bei ψ = 90° bzw. 270° (s.a. Bild 1.6) angeregten Schlagschwingungen haben in Folge dessen ihre Auslenkungsmaxima bei ψ = 180° bzw. ψ = 0°. 3.2.2 Kollektive und zyklische Blattverstellung Hubschrauber können gesteuert werden: im Sinne Steigen/Sinken, also in zRichtung, etwa (im Schwebeflug genau) in Richtung der Rotorlängsachse sowie im Sinne von Rollen und Nicken, um die zwei Hauptachsen x und y senkrecht zur Rotorachse. Mit Hilfe der Winkelungslager wird durch Betätigen der Steuerstangen die geometrische Anstellung der Rotorblätter verändert. Dies für alle gleich in Betrag und Richtung und/oder periodisch veränderlich mit dem Rotorumlauf. Dem entsprechend gibt es zwei Arten, die Blätter anzusteuern:
• Die kollektive Blattverstellung. Bei ihr werden alle Blätter, bezogen auf die Blattlängsachsen, gleichsinnig um den gleichen Winkel gedreht. Sie bewirkt eine Änderung des Rotorschubes in seinem Betrag (Abheben, Steigen/Sinken) • Durch die zyklischen Blattverstellung erfährt jedes einzelne Rotorblatt während eines Umlaufs die gleiche periodische Anstellwinkelveränderung, so gut wie gleichfrequent mit dem Umlauf, sinψ und cosψ folgend. So wie die ungleichförmige Anströmung im Vorwärtsflug verursacht auch die zyklische Ansteuerung periodische Luftkräfte, die wie dort Schlag- und Schwenkbewegungen der Rotorblätter anregen, deren Maxima der Einsteuerung mit sehr genau ψ = 90° Phasenverschiebung folgen. Durch geeignete zyklische Ansteuerungen können somit die Maximalausschläge der Blätter nach Lage (auf den Umlaufwinkel bezogen) und Größe gezielt erzeugt werden. Für die übergeordnete Baugruppe, den Rotor, wird so mit Hilfe der zyklischen Steuerungen erreicht, dass dessen Blattspitzenebene in beliebige Richtung geneigt werden kann. Darauf beruht die primäre Steuerung von Hubschraubern: Der Schubvektor steht immer mit großer Genauigkeit mittig und senkrecht auf der Blattspitzenebene. Im Schwebeflug mit seiner Wirklinie auch durch den Schwerpunkt des Hubschraubers. Kippen des Schubvektors durch Neigen der Blattspitzenebene bewirkt ein Auswandern der Wirklinie des Schubvektors, nicht aus der Mitte der Blattspitzenebene, jedoch aus dem Hubschrauberschwerpunkt. Der Schub gleicht das Gewicht des Hubschraubers zwar immer noch weitestgehend aus, wirkt jetzt aber über Hebelarme in x- und y-Richtung zum Schwerpunkt. Die dadurch entstehenden Momente liefern die primären Beiträge zu den zur Kontrolle der Flugbewegungen benötigten Steuermomenten. Mit Hilfe der zyklischen Steuerung werden also die Nick- und Rollbewegungen des Hubschraubers eingesteuert und kontrolliert. 3.2.3 Taumelscheibe, Steuermomente Die Taumelscheibe (Bild 3.7) hat folgende Aufgaben zu erfüllen:
38
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
• Übertragung der Steuerbewegungen vom zellenfesten System zum mit dem Rotor mitdrehenden Teil des Steuerungssystems und • Ansteuerung aller Blätter, einmal für alle gleichsinnig und zum anderen, für jedes mit anderer Phasenverschiebung, periodisch, mit Hilfe dreier stationärer und linearer Steuereingaben. Damit ist sie das wichtigste Bauelement in der Kette des Rotoransteuerungsstranges (trotz ihres Namens taumelt sie nicht, sie steht nur in der Regel etwas unorthodox im Raum). Sie besteht aus zwei durch ein Lager gegeneinander drehbar verbundenen Ringen, die den Rotormast konzentrisch umfassen. Sie ist auf dem Mast verschiebbar gelagert und an der Schiebehülse kardanisch aufgehängt. Der obere/äußere Ring dreht sich mit dem Rotor, er ist mit ihm über scherenförmig bewegliche Mitnehmer gekoppelt. Der untere/innere Ring dreht sich nicht, seine Lage und damit die der gesamten Taumelscheibe ist, neben der Lagerung am Mast, durch die drei an ihm angreifenden Steuerstangen bestimmt. Durch Parallelverschieben und Kippen der Taumelscheibe mit Hilfe des zellenseitigen Steuergestänges und Übertragung dieser Bewegungen mit Hilfe der Blattsteuerstangen vom drehenden Teil der Taumelscheibe zu den Blattverstellhebeln an der Blattwurzel wird die Blattansteuerung ausgeführt. Eine Parallelverschiebung der Taumelscheibe bewirkt kollektive Blattverstellung, d.h. alle Blätter werden gleichzeitig, um den gleichen Betrag und im Bezug auf das Profil gleichsinnig in ihrer Anstellung verändert. Neigungen der Taumelscheibe längs und/oder quer bewirken die zyklischen Blattverstellungen. Auf diese Weise angesteuert, durchläuft die Blattanstellung während des Rotorumlaufes sinusförmige Zyklen, um den kollektiv eingesteuerten Mittelwert. Lägen die Schlaggelenke in der Rotormitte, dann folgten die Maxima der Schlagbewegungen den Ansteuerungen mit genau Δψ = 90° Phasenverschiebung. Durch Anordnung der Schlaggelenke etwas außerhalb des Rotormittelpunktes, d.h. durch Einführung des sogenannten Schlaggelenksabstandes a also für a/R > 0, wird die Phasenverschiebung Δψ < 90°. Dies ist bei der Festlegung der Anlenkpunkte der Steuerstangen an der Taumelscheibe zu berücksichtigen. Solange die Abweichungen zwischen den Steuerachsen und den Kippachsen der Taumelscheibe in Hubschrauberlängs- und -querrichtung klein bleiben (zum Beispiel durch Kompensieren der Minderung der Phasenverschiebung mit Hilfe nacheilend eingebauter Steuerhörner an den Blattwurzelbeschlägen), bewirkt ein seitliches Kippen der Taumelscheibe, also um die Achse in Flugrichtung, eine Neigung des Schubvektors unter Berücksichtigung der Phasenverschiebung nach vorne oder hinten, folglich werden Nickbewegungen erzeugt. Die Neigung der Taumelscheibe um die Querachse steuert entsprechend die Rollbewegung. Mit den Kraftmomenten aus dem Schlaggelenksabstand als Hebelarm mal den Querkraftanteilen der am Schlaggelenk wirkenden Kräfte entstehen weitere Beiträge zu den Steuermomenten, in der Regel die wirksamsten. Beim gelenklosen Rotor „System Bölkow“ sind die Rotorblätter nicht mittels Gelenken an die Rotornabe angeschlossen. Bei ihm erbringen elastische Blatthälse die Gelenkwirkung; man spricht von „fiktiven Gelenken“, mit den fiktiven Schlaggelenksabständen a*. Mit solchen Rotoren sind Werte für a*/R von 0,05– 0,12 zu verwirklichen je nach gewünschten Steuereigenschaften.
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors
39
Die Biegefederwirkung der elastischen Blatthälse erzeugt ein drittes zur Steuerung nutzbares Moment, das im besonderen auch bei Nullschub wirksam bleibt und sich obendrein viel schneller aufbaut als die aus der Schubvektorkippung und dem Schlaggelenksabstand. Aus den mit dieser Bauweise besonders gut möglichen hohen (fiktiven) Schlaggelenksabständen und der Federwirkung ihrer Blatthälse beziehen Hubschrauber mit gelenklosen Rotoren ihre überlegene Agilität, d.h. Steuerfolgsamkeit und letztendlich Flugsicherheit. Heckrotoren sind analog zu den Hauptrotoren aufgebaut, benötigen aber allein die kollektive Blattverstellung; weil an ihnen nur der Schub zu regeln ist. 3.2.4 Steuerelemente Die dem Piloten (der im Normal-HS rechts sitzt) zur Verfügung stehenden Steuerelemente zeigen die Bilder 3.9 und 3.10. Mit dem Steuerknüppel (englisch: stick), der mit der rechten Hand bedient wird, neigt er durch Längs- und/oder Quersteuereingaben die Taumelscheibe in die Richtung, die sich aus den beiden eingesteuerten Kippwinkeln ergibt. Dadurch wird, in der Umlaufrichtung phasenverschoben, die Blattspitzenebene und damit der Schubvektor des Rotors ebenfalls gekippt. Der Betrag des Kippwinkels ist dabei den Steuereingaben proportional. Mit dem Kollektivhebel (englisch: collectiv pitch), der mit der linken Hand bedient wird, initiiert der Pilot eine Parallelverschiebung der Taumelscheibe und damit eine Änderung des Schubvektors in seinem Betrag (direct lift control). Damit der Pilot auch noch andere Instrumente bedienen kann, baut der Kollektivhebel keine Rückstellkraft auf. Die drei mit diesen zwei Bedienelementen erzeugten Steuereingaben werden vom Steuergestänge zum nicht rotierenden Teil der Taumelscheibe übertragen. Es sind immer drei Steuereingaben erforderlich, um die Lage der Taumelscheibe im Raum eindeutig festzulegen. Anmerkungen: Am 28.1.2002 flog, weltweit erstmalig, ein HS mit einem Hauptflugsteuerungssystem aus Lichtleitern (FbL), in Ottobrunn, in einer speziellen EC135 für die DLR. Die Steuerstangen sind dabei gegen Glaslichtleiter getauscht. Solche Übertragungen der Steuersignale sind leicht, Platz sparend, flexibel, gegen elektromagnetische Einflüsse störfest, ausfallsicher durch Redundanz und besitzen ein breites Spektrum zur Signalübertragung. Die angesteuerten Aktuatoren sind hydraulisch. Bei Airbus Industries begann die Entwicklung elektrischer Stellantriebe. Durch die neu entwickelten elektromagnetischen Materialien verspricht man sich Gewichtsvorteile, übergeordnet ein verbessertes Gesamtsystem. Im Herbst 2005 wurden auf einer EC145 aktive Klappen an den Blatthinterkanten erstgeflogen. Von einem Rechner angesteuert, piezoelektrisch bewegt. Mit dieser Entwicklung werden Vibrationen und abgestrahlter Lärm reduziert. Unmittelbar unter der Taumelscheibe befindet sich ein zweites wichtiges Bauelement im Strang der Steuerungsmechanik, das sogenannte Mischhebelgetriebe, das zur Ansteuerung der Taumelscheibe dient. Es handelt sich um einen Mechanismus, wie er in Bild 3.8 skizziert ist. Eine Kollektiveingabe bei festgehaltenem Stick führt zu drei gleichen Ausgangsbewegungen y zur Taumelscheibe hin. Sie
40
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
erzeugen die Parallelverschiebung der Taumelscheibe. Die festgehaltenen Elemente der zyklischen Steuerung fixieren dabei die Kipplage. Zyklische Eingaben bei konstantem Kollektiv werden ungemischt weitergegeben. Sie führen zum Kippen der Taumelscheibe, in Summe um eine beliebige Achse wenn die Eingaben verschieden groß sind, in diesem Fall ohne Verschiebung. Da die Blattverstellkräfte, zumindest bei großen Hubschraubern, nicht unerheblich sind, wird der nicht rotierende Teil der Taumelscheibe meist über eine hydraulische Kraftverstärkung angesteuert. Die Funktion des Mischhebelgetriebes kann auch durch ein Hebelsystem erzielt werden. Dieses kann vorteilhaft im nicht kraftverstärkten Zweig des Steuergestänges liegen. Bild 3.10 zeigt ein solches System (im Gegensatz zum Bild 3.9 ist die Feinansteuerung nicht mit dargestellt). Mit den Pedalen (englisch: pedals) ist die kollektive Ansteuerung des Heckrotors veränderbar, also des Heckrotorschubes, und damit das Gegenmoment zum Hauptrotordrehmoment, bzw. bei bewusster Ungleichheit dieser beiden Momente zur Steuerung der Gierbewegung. Ebenfalls mit den Pedalen müssen die Rotoren von Koaxial-HS differentiellkollektiv, und die von SbS- und Tandem-HS differentiell-zyklisch angesteuert werden können, um deren Giersteuerung zu ermöglichen. 3.2.5 Rotorbedingte Kopplungen Kopplungen bewirken Reaktionen eines Systems auch in einer nicht beabsichtigten Richtung. Die erste wurde bereits im Zusammenhang mit der Einführung des Schlaggelenksabstandes im Abschnitt 3.2.3 erwähnt. Der zur theoretischen 90°-Phasenverschiebung fehlende kleine Winkel wurde dort als mit geeigneten Anlenkpunkten der Steuerstangen zu kompensieren dargestellt. Dies gelingt aber nicht für den gesamten Geschwindigkeitsbereich weil dieser Winkel mit der Geschwindigkeit veränderlich ist. Die zweite ist eine Rückkopplung, sie ist auf Bild 3.2 angedeutet. Liegt der Kopf des Steuerhorns nicht auf der Schlagachse, dann bewirkt die Schlagbewegung auch eine Blattwinkelung. Man spricht hier, auf Grund des eingezeichneten Winkels von der δ3-Kopplung. Sie wird beim Hautrotor möglichst vermieden, während sie am Heckrotor gezielt zur Unterdrückung von dort nicht erwünschten Schlagbewegungen eingesetzt wird. Eine schräg eingebaute Schlagachse erzeugt einen ähnlichen Effekt. Durch die konstruktiv vorgesehene Reihenfolge der drei Blattlager entstehen konfigurationsbedingte Kopplungen. Liegt z.B. das Schwenklager außerhalb des Schlaglagers, wie in Bild 3.2, dann beschreibt der Kopf des Steuerhorns eine elliptische Bahn. Über die Schlagachse hinaus und wieder zurück, wenn im Mittel (anders als im Bild 3.2 dargestellt) δ3 = 0 baulich vorgesehen ist. Zusätzlich wird die senkrechte Komponente des Abstandes von der TS zum Steuerhorn durch Schrägstellungen der Steuerstangen veränderlich.
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors
41
Oder, verlegt man das Winkelungslager in den Rotorkopf, dann tritt keine δ3Kopplung mehr auf. Dafür werden aber die ausgelenkten Blätter zu zusätzlichen Bewegungen gezwungen, senkrecht zu den Schlag- und Schwenkschwingungen. Idealerweise, unter Kopplungsgesichtspunkten, sollten alle drei Lager in einem Punkt liegen und die Ansteuerung bei gleichem Schlaggelenksabstand. Solche Rotoren sind möglich, ihre Blätter sind über sphärisch gekrümmte Elastomerlager (etwa wie druckbelastete Kugelgelenke) am Rotorkopf angelenkt. Strukturell, auch auslegungsbedingt, kann in den Blättern eine elastische BiegeSchwenk-Kopplung auftreten (oder bewusst erzeugt werden). Rotorbedingte Kopplungen sind nie ganz auszuschließen. Bei der Auslegung neuer Rotoren sind die sich ergebenden möglichen Dynamiken zu simulieren. Es werden dabei immer dämpfende Koppeleffekte angestrebt. Die Auswirkungen der Kopplungen werden später dargestellt. 3.2.6 Belastung des Rotormastes Der Rotormast ist durch die vom Rotor erzeugten Kräfte und Momente sowie durch das Antriebsmoment belastet. Die Biegungen aus diesem Lastenkollektiv laufen um, es entstehen damit für die Dauerfestigkeit relevante Wechsellasten. Die Momente zur Aussteuerung der Nicklage können lebensdauerbegrenzende Größen annehmen. Hierfür kritische Fluglagen sind in der Regel Schräglandungen mit dem Bug nach unten und Sprungmanöver, beides mit großen Schwerpunktvorlagen. Der Mast kann nicht beliebig verstärk werden um ihn, wie üblich weil erforderlich, save life auszulegen. Es bleibt allein die Möglichkeit extreme Schwerpunktvorlagen zu verbieten. Das geschieht durch festlegen der vorderen Grenze im Schwerpunktdiagramm. Die dominierenden Belastungen der Rotorköpfe und Blattwurzeln entstehen: durch die Zentrifugalkräfte an den rotierenden Blättern, die Blattbiegung und das Antriebsmoment. Bei lagerlosen Rotoren kommt die Verdrillung dazu.
42 3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Bild 3.6 Spezialhubschrauber
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors
Bild 3.7 Prinzip der zyklischen und kollektiven Blattverstellung mit Hilfe der Taumelscheibe
43
44
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Bild 3.8 Mischhebelgetriebe
3.2 Beschreibung und Wirkungsweise des Hauptrotors
Bild 3.9 Steuerungssystem BK 117
45
46
3 Wesentliche Bauelemente der Hubschrauber
Bild 3.10 Steuerungssystem UHTiger
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
4.1 Strahltheorie (Bernoulli) Die Strahl- oder Stromfadentheorie und die später noch verwendeten Prinzipien Impuls- und Energiesatz nehmen einen „idealen“ Rotor an. Als kreisförmiges Kontinuum, das in der Lage ist, Luft nach unten zu beschleunigen. Das allgemeine Strömungsbild zeigt Bild 4.1:
Bild 4.1 Stromfaden
Vernachlässigt werden dabei folgende realen Effekte: 1.
Profilwiderstand der Rotorblätter, der vor allem nutzlose leistungsverbrauchende Sekundärströmungen im Nachstrom verursacht, 2. Drall im abgehenden Luftstrom, als die wesentliche Sekundärströmung, 3. ungleichmäßige Druckverteilung über der Rotorebene und damit Scherungen, 4. ungleichmäßiger Durchfluss durch die Rotorebene, 5. zentraler Störkörper, Verdrängung, Verwirbelung, Strömungswiderstand, 6. Blattspitzenverluste, durch den Druckunterschied zwischen Blattober- zur -unterseite, 7. cutout (nicht profilierter Blatthals), der keinen Beschleunigungsbeitrag liefert, 8. endliche Blattzahl, dadurch punktuell unterschiedliche Beschleunigungen, 9. Kompressibilität der Luft, hier noch minimal, 10. Machzahleffekte, hier noch gering, 11. Re-Zahl, mit ihrem Einfluss auf den Umschlag laminar/turbulent in der Strömungsgrenzschicht.
48
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Der Schub S entsteht durch beschleunigen der durchgesetzten Luftmasse m& . Dazu erzeugt der Rotor unmittelbar oberhalb der Rotorkreisfläche Unterdruck und unmittelbar unterhalb Überdruck : p1 < p 0 < p1/
Dieser Druckunterschied wirkt auf die Rotorkreisfläche, wodurch der Schub entsteht :
(
)
S = p1/ − p1 ⋅ F
(4.1)
Beide Drücke sind uns für die Leistungsrechnung rechnerisch nicht zugänglich. Andererseits bieten sich zur Schubberechnung als Parameter an: • Die Strömungsgeschwindigkeiten v0 in der Ebene (0) weit oberhalb des Rotors und v2 in der Ebene (2), in der sich der Druck in der Strömung wieder dem Umgebungsdruck angeglichen hat; womit hier auch die Strahlkontraktion beendet ist. • Der Luftmassendurchsatz, er muss im gesamten Stromfaden gleich sein (so ist der Stromfaden definiert). • Die Luftdichte, sie hat in der Ebene (2), wie der Druck auch, den Umgebungswert wieder angenommen. Es gelten folgende Beziehungen: Massenfluss: Schub nach dem Impulssatz:
m& = ρ ⋅ F ⋅ v1 = ρ ⋅ F 2 ⋅ v 2
(4.2)
S = m& ⋅ (v 2 − v0 )
(4.3)
(
)
N R = 1 2 ⋅ m& ⋅ v 22 − v02 =
(4.4)
= 1 2 ⋅ m& ⋅ (v 2 + v 0 ) ⋅ (v 2 − v 0 )
(4.5)
Es gilt der Energiesatz:
Der Rotor arbeitet in der Ebene (1) und verbraucht entsprechend den dort vorhandenen Bedingungen Energie bzw. Leistung. Erforderliche Rotorleistung:
N R = S ⋅ v1
(4.6)
Dabei ergibt sich v1 , die Geschwindigkeit mit der der Rotor durchströmt wird, als Summe aus der Anströmgeschwindigkeit in der Ebene (0) und der so genannten induzierten Geschwindigkeit vi , die der Rotor auf die Strömung überträgt: vi = v1 − v 0
N R = S ⋅ (v 0 + v i )
Damit wird aus Gl. (4.6):
(4.7) (4.8)
Der Rotorleistungsbedarf muss der gleiche sein, ob er nach dem Impulssatz (4.3) oder dem Energiesatz (4.5) berechnet wird. Damit und mit Gl. (4.6): (4.9) N R = m& ⋅ v1 ⋅ (v 2 − v 0 ) = 1 2 ⋅ m& ⋅ (v 2 + v 0 ) ⋅ (v 2 − v 0 ) woraus sich ergibt: v1 =
v 2 + v0 oder v 2 = 2 ⋅ v1 − v 0 2
(4.10)
4.1 Strahltheorie
49
und mit Gln. (4.2) und (4.7) bei v0 = 0, also ohne Eigenbewegung des Rotors: F2 = F 2
(4.11)
Gln. (4.7) und (4.9) eingesetzt in Gl. (4.3) ergibt: ⋅
S = 2 ⋅ m⋅ vi = 2 ⋅ ρ ⋅ F ⋅ v1 ⋅ vi S = 2 ⋅ ρ ⋅ F (v0 + vi ) ⋅ vi
(4.12)
4.1.1 Der stationäre Schwebeflug
Auf der Basis der Gln. (4.1)–(4.10) ergeben sich wichtige Beziehungen für den stationären Schwebeflug. In diesem Flugfall gibt es keine Anströmgeschwindigkeit v0 in der Ebene (0) weit oberhalb des Rotors. Die Rotorebene wird allein mit der induzierten Geschwindigkeit für den Schwebeflug vi0 durchströmt. Aus den Gln. (4.7) und (4.9) folgt für diesen Fall: v 2 = 2 ⋅ vi 0
(4.13)
Mit dem Rotorschub wird die Gewichtskraft des Hubschraubers ausgeglichen, d.h. die Beträge von S und G sind gleich. Aus Gl. (4.12) wird mit Gl. (4.13): G = S = 2 ⋅ ρ ⋅ F ⋅ vi20
vi 0 =
damit wird:
G 2⋅ρ⋅ F
(4.14) (4.15)
und aus den Gln. (4.7) und (4.6): N Ro ,0 = G ⋅
G 2⋅ρ⋅ F
(4.16)
Damit ist ein erster Zusammenhang gefunden zwischen den Auslegungsgrößen Abfluggewicht G und der Rotorkreisfläche F einerseits und der vom Rotor im Schwebeflug benötigten Antriebsleistung NRo,0 andererseits. Der darin enthaltene Quotient G/F , die Rotorkreisflächenbelastung ist eine wichtige und grundlegende Auslegegröße für Hubschrauber. Die hier ermittelte Rotorleistung dient beim angenommenen idealen Rotor ausschließlich dazu, den geforderten Hubschub zu erzeugen. Sie entspricht damit der induzierten Leistung von Starrflügelflugzeugen. Dort natürlich erst ab einer ausreichend hohen Vorwärtsgeschwindigkeit. Diese Entsprechung wird später bei der Ermittlung des Leistungsbedarfes des Gesamthubschraubers, der Leistungspolaren, genutzt.
50
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
4.1.2 Reale Rotoren im Schwebeflug
Für die Hauptrotor-Kreisflächenbelastungen findet man der Praxis folgende Werte: G/F=100..bis..500 N/m2. Wobei Kleinhubschrauber die niedrigeren Belastungen aufweisen, um für diese Klasse, mit in der Regel einmotorigen und stark leistungsbegrenzten Hubschraubern, durch große Rotoren gute Autorotations-(AR)-Eigenschaften und geringen Leistungsbedarf sicherzustellen. Die Rotoren von Großhubschraubern können, aus Handling-, Gewichts- und Kostengründen, nicht beliebig groß werden, was zu höheren Kreisflächenbelastungen führt. Das ist akzeptabel, weil für sie, da in der Regel mehrmotorig, AR weniger wichtig ist. Sie benötigen aber deshalb überproportional mehr Leistung. Bei hohen Kreisflächenbelastungen wächst v2 so stark an, dass bei Start und Landung Bodenerosion auftritt. Das Arbeiten unter schwebenden oder in der Nähe landender Hubschrauber wird unangenehm. Vor allem im Schwebeflug muss der Rotor einen etwas größeren Schub aufbringen als es zur Überwindung der Gewichtskraft nötig wäre, da die im Rotorabwind liegenden Hubschrauberteile Abtrieb erzeugen. Dieser Zuschlag aus der Strahlbeaufschlagung ist abzuschätzen:
Bild 4.2 Strahlbeaufschlagung
S∗ ≈
c*w
G ⋅ Σ F proj ⋅ c*w F
(4.17)
Der Widerstandsbeiwert der in der Darstellung schraffierten Projektionsfläche ist mit den Mitteln der Aerodynamik zu bestimmen. Anhaltswert: 0,5.
4.1 Strahltheorie
51
Zusätzlich hat ein realer Rotor im stationären Schwebeflug folgende Verluste: • • • •
Profilwiderstand ungleichförmiger Durchfluss Restdrall im Luftstrom Blattspitzenverluste
20–30 % 5–7 % ca. 2 % 2–4 %
Zwischen der real benötigte Antriebsleistung und der ideal ermittelten, steht also ein Wirkungsgrad:
η = NRotor,ideal /NRotor , wobei gute Rotoren η = 0.6 ... 0.8 erreichen. Dieser Wirkungsgrad (die Schwebegüte) wird in der Gl. (4.16) berücksichtigt:
oder :
1 N Ro N Ro ,ideal = = ⋅ G F G G⋅η η ⋅ 2ρ
(4.18)
k N Ro N Ro ,ideal = = ⋅ G F G G⋅η η⋅ σ
(4.19)
k=
wenn :
1 2 ρ0
und σ = ρ ρ0
Die Gl. (4.19) wird oft als Schwebeflugformel bezeichnet. Sie gilt entsprechend für den Heckrotor. In beiden Fällen werden ausschließlich die benötigten Rotorleistungen berechnet, nicht der gesamte Leistungsbedarf des Hubschraubers. Lange Zeit stand allein diese Formel zur Verfügung um für Hubschrauber den Leistungsbedarf zu bestimmen. Auch heute noch ist sie fundamental. Vor allem auch deshalb, weil ein Hubschrauber, der senkrecht starten, immer auch vorwärts fliegen kann, und das bereits relativ schnell. Zahlenbeispiel für den Hubschrauber Bo 105: G R η F G/F
= 25000 N =5m = 0,7 2 2 = R ·π = 78,5 m 2 = 318 N/m
NRo (bei 15°C/MSL) vio v2 NRo/G
= 380 PS = 280 kW = 11,4 m/s = 22,8 m/s = 0,11 kW/daN
Die hier benutzte Strahltheorie lässt sich analog auf alle Typen von luftatmenden Schuberzeugern anwenden. Sie ermöglicht eine schnelle Abschätzung von deren Leistungsbedarf, des Luftdurchsatzes und der Abgasstrahlgeschwindigkeit für axiale Durchströmung. 4.1.3 Senkrechter Steigflug (idealer Rotor)
Im stationären senkrechten Steigflug erfolgt schon in der Ebene (0) Anströmung mit vz , der umgekehrten Steiggeschwindigkeit. Sie überlagert die induzierte
52
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Geschwindigkeit in der Rotorebene (1) und die Abströmung in Ebene (2). Dafür gilt entsprechend Gl. (4.10): S = (v z + vi ) ⋅ vi 2 ⋅ρ⋅ F
(4.20)
Wird zu Vergleichszwecken die linke Seite mit der des Schwebeflugfalles gleichgesetzt, dann ergibt sich folgender Zusammenhang zur Bestimmung der induzierten Geschwindigkeit vi im stationären Steigflug: vi v z vi + =1 vi 0 vi 0 vi 0
(4.21)
Die Durchströmungsgeschwindigkeit in der Ebene (1) kann in Gl. (4.6) eingesetzt werden: v z + vi (4.22) N Ro = S ⋅ (v z + vi ) = S ⋅ vi 0 ⋅ vi 0 Mit der Schwebeleistung N Ro ,0 = S ⋅ vi 0 und Gl. (4.21) ergibt sich: v z vi + N Ro = N Ro ,0 ⋅ vi 0 vi 0
und daraus:
N Ro =
N Ro ,0
(4.23)
(4.24)
v i vi 0
Der Quotient vi/vi0 ist, neben der Rotorauslegung, abhängig von der Vertikalgeschwindigkeit vz . Dieser Zusammenhang ist darzustellen. Aus den Gln. (4.12) bzw. (4.20) ergibt sich mit der auch hier zutreffenden Gl. (4.15): 2
v i = − v z ± v z ± 1 2⋅ 2 ⋅ vi0 vi0 vi0
(4.25)
Bild 4.3 Induzierte Geschwindigkeit
4.1 Strahltheorie
53
Der für den Steigflug so gut erfassbare Zusammenhang ist für mittelschnellen Sinkflug unterbrochen, um erst wieder für den schnellen Sinkflug zuzutreffen. Bei mittleren Sinkraten entstehen Strömungsbilder (Wirbelring WR s.u.), auf welche die getroffenen Annahmen nicht zutreffen. Erst im schnellen Sinkflug (s.u.) gilt Gl. (4.27) wieder. Mit den unteren Vorzeichen und nur im Bereich vz/vi0 > 2. 4.1.4 Senkrechter Sinkflug (idealer Rotor)
Im praktischen Flugbetrieb sind Steig- und Sinkraten von 500ft/min also 2,5m/s ein gewisser Standard. Womit im Gültigkeitsbereich der Gl. (4.25) geflogen wird. 4.1.4.1 Der langsame Sinkflug
Ohne Verlust an Komfort (Vibrationen) werden im etwas robusteren Arbeitseinsatz viermal höhere Sinkgeschwindigkeiten, also bis ≈ 10 m/s geflogen. Es sollte aber v z << vi
bleiben. Für diesen Flugzustand sind weiterhin die Gln. (4.20), (4.21) und (4.22) anzuwenden, nur dass jetzt vz und vi nicht mehr gleichgerichtet sind. Bei größeren Sinkraten wird das Strömungsfeld unstet. In diesem Bereich des mäßigen Sinkfluges tritt das Strömungsbild „Wirbelring“ auf. 4.1.4.2 Das Wirbelringstadium (WR)
Bei Sinkgeschwindigkeiten von ungefähr 1 5 vi 0 < v z < vi 0 4 4
(4.26)
strömt die vom Rotor nach unten gedrückte Luft außerhalb des Rotors wieder nach oben und wird erneut eingesaugt (Rezirkulation). Den Rotor umgibt, wie in Bild 4.4 dargestellt, der sogenannte Wirbelring, der im schnellerem Sinkflug mehr ein verwirbelter Nachstrom wird. Auch in diesem Flugzustand erzeugt der Rotor Schub, der rechnerisch allerdings nicht zu erfassen
Bild 4.4. Wirbelring
54
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
ist. Wir sind auf Windkanalmessungen angewiesen. Beim Flug im Wirbelring entstehen starke Vibrationen und schwerer zu kontrollierende Bewegungen des Hubschraubers auf Grund unsauberer Anströmung aus dem Bereich oberhalb des Rotors und periodisch wechselnd exzentrischer Abströmung unterhalb. Das Wirbelringstadium ist relativ einfach zu verlassen, der Stick wird gedrückt, d.h. es wird Vorwärtsfahrt aufgenommen. Der Wirbelring schwimmt dadurch nach hinten ab. 4.1.4.3 Der schnelle Sinkflug
Der Flugfall des schnellen Sinkfluges ist wieder, entsprechend dem Vorgehen beim Steigflug, rechnerisch zu erfassen. Im praktischen Einsatz sind Sinkraten, schneller als die im Autorotationsflug (AR, s.u.) erreichten, auf ganz spezielle Flugmanöver begrenzt. Von schnellem Sinkflug wird gesprochen, wenn gilt: v z > 2 vi
Damit und da vz jetzt negativ ist, sind die Summen vz+2vi und vz+vi negativ. Die Gl. (4.18) nimmt deshalb folgende Form an: vi v z vi + = −1 vi 0 vi 0 vi 0 aus Gl. (4.4) wird:
Und damit ergibt sich:
N Ro = S ⋅ (v z + vi ) = S ⋅ vi 0 ⋅
N Ro = −
N Ro ,0 vi vi 0
(4.27)
v z + vi vi 0
(4.28)
(4.29)
Die Leistung hat ein negatives Vorzeichen, d.h. dem Rotor wird aus dem Luftstrom Energie zugeführt (Windmühle), was natürlich nur begrenzte Zeit erfolgen darf. Sowohl vi als auch vi0 entstehen primär um das Abfluggewicht zu heben, ersteres unter ungünstigeren Bedingungen, wodurch es etwas größer ausfällt. Der Quotient der beiden induzierten Geschwindigkeiten liegt aber immer nahe Eins. Das zeigt an, dass Hubschrauber für das Manöver stationäres Steigen nur relativ wenig Mehrleistung benötigen. 4.1.4.4 Autorotation (AR)
Zwischen langsamem und schnellem Sinkflug liegt ein Betriebspunkt des Rotors, in dem ihm Leistung weder zugeführt werden muss, noch entzogen wird. Die Rotordrehzahl bleibt sichergestellt und ebenso wie die Steuerung. Dieser Betriebszustand ermöglicht den Autorotationsflug, hier den senkrechten (auf die AR wird
4.1 Strahltheorie
55
in Abschn. 8.7 detaillierter eingegangen). AR entspricht dem Segelflug der Starrflügler. Während der senkrechten Autorotation ist: vi = -vz , (4.30) repräsentiert durch die Strich-Punkt-Linie in Bild 4.3. Ab dem Schnittpunkt mit der Messkurve der induzierten Geschwindigkeit, gepunktete Linie, und darüber, ist AR stationär fliegbar. Im Idealpunkt mit minimal möglicher Sinkgeschwindigkeit (maximaler axialer Widerstand), darüber schneller. Mit der üblichen Definition des Widerstandsbeiwertes eines angeströmten Körpers, hier der Kreisscheibe, und der Schubgl. (4.12), für die stationäre AR sind beide im Betrag gleich, erhält man:
cW = 4/(vz /vi0)²
(4.31)
Mit dem Zahlenwert aus dem Diagramm in Bild 4.3. von vz/vi0 = 1,8 wird cw = 1,23 , was dem Wert für eine senkrecht angeströmte Scheibe sehr nahe kommt. Das zeigt, dass ein ideal autorotierender Rotor im stationären Flug gemessen an seiner Sinkgeschwindigkeit einem Fallschirm gleichkommt. Bei komplettem Antriebsausfall ist mit der AR, jedenfalls aus den allermeisten Flugsituationen, eine sichere, immer aber eine gesteuerte Landung möglich. Lediglich aus den in Kapitel 8.6 behandelten Avoid Zones können Landungen härter werden. 4.1.4.5 Strahlkontraktion
Die gegenüber dem Schwebeflug durch Steig- und Sinkflug anderen Strahlkontraktionen bzw. -expansionen ergeben sich aus der Kontinuitätsbedingung. Dabei bleibt die für den Schwebeflug gültige Gl. 4.13 erhalten. F2 = F
± v z 2 vi 0 +
(v z
2 vi 0 )² ± 1
2 (v z 2 vi 0 )² ± 1
(4.32)
Mit zunehmenden Steigraten wächst F2 , im Sinkflug nimmt F2 ab. Zwischen langsamem und schnellem Sinkflug versagt die Formel, für vz/vi0 = -2 wächst F2/F unbestimmt. 4.1.4.6 Übergang zum Flug mit Horizontalgeschwindigkeit
Schwebeflüge münden in der Regel in Transitionen, worunter hier Übergänge in den Horizontalflug zu verstehen sind. Dazu wird der Rotor geneigt. Die entstehende Abweichung von den Bedingungen der Stromfadentheorie wird im Bereich kleiner Geschwindigkeiten durch die horizontale Komponente der Anströmung weitgehend kompensiert. Die Anstömung erfolgt weiterhin annähernd axial, vergleichbar dem vertikalen Steigflug. Der Leistungsbedarf ist dadurch relativ gleichbleibend im gesamten Bereich kleiner Geschwindigkeiten, in beliebiger Richtung.
56
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Mit der Aufnahme von Horizontalgeschwindigkeit wird der Querschnitt des Stromfadens eine zunehmend flachere Ellipse. Das globale Strömungsbild ähnelt immer mehr dem eines Starrflügels geringer Streckung mit elliptischem Grundriss. Diese Beobachtung wird später bei der überschlägigen Berechnung des induzierten Widerstandes bei höheren Geschwindigkeiten ausgenutzt.
4.2 Die Blattelementenmethode Die Strahltheorie kann keine Auskunft darüber geben, wie die Rotorblätter auszubilden sind, um einen bestimmten Schub zu erzeugen. Die Profilverluste und einer Reihe anderer Verluste gehen dort nicht direkt in die Rechnung ein. Einige dieser Nachteile werden durch die Blattelementenmethode beseitigt. Diese Methode basiert auf der Annahme, dass jedes Element eines Rotorblattes als ein Tragflügelelement betrachtet werden kann, welches einen verschoben schraubenförmigen Flugpfad durchläuft. Die Schuberzeugung eines Elementes hängt ab von der Blattgeometrie, der Anstellung gemäß Bild 4.5, den Anströmverhältnissen am Element in der Rotorebene, wie im Bild 3.7 dargestellt, und von der Polaren des verwendeten Profils im Bild 4.6 Mit:
V* = r⋅Ω+V⋅sinψ
örtliche Anströmgeschwindigkeit aus Vorwärtsflug und Rotordrehung x = r/R dimensionslose Blattlängenkoordinate c Blattiefe, wobei auch c=f(x)sein kann z Blattzahl σ = zc/πR Flächendichte n Rotornenndrehzahl Ω = π⋅n/30 Rotordrehfrequenz Θ Steuerwinkel, geometrischer Anstellwinkel, s. Bild 4.5 Φ = vi/Ω·r = vi/v induzierter Winkel α aerodynamisch wirksamer Anstellwinkel a Steigung der aufgelösten Polaren, entsprechend Bild 4.6 ca= a · α = a · (Θ − Φ) = a/x · (ΘTip– ΦTip) Für kleine Steuerwinkel, sie bleiben in allen praktisch auftretenden Flugfällen klein, kann vereinfacht werden : sin Θ ≅ Θ , cos Θ ≅ 1 ≅ tan Θ
dWi dA
dS Φ α Θ Φ
Steigungen : 2π a = δca/δα α
Bild 4.5 Anströmwinkel
Bild 4.6 Aufgelöste Polare
4.2 Die Blattelementenmethode
Damit ergeben sich : dA = c a ⋅ (c ⋅ dr ) ⋅
ρ 2 ⋅v 2
57
(4.33)
ρ (4.34) ⋅ (Ω⋅r )2 ⋅ a ⋅ (Θ − Φ ) ⋅ c ⋅ dr 2 Die Teilluftkräfte an jedem Element können entsprechend Gl. (4.34) berechnet werden. Schub und benötigtes Drehmoment ergeben sich dann als Integrale aller Kräfte an den Blattelementen über dem Radius, multipliziert mit der Blattzahl. Oft werden, aus anschließend ersichtlichen Gründen, dimensionslose Beiwerte gebildet (NASA-Gebrauch) unter Verwendung der Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit und doppeltem Stauduck, folgendermaßen: Schubbeiwert (sein Index stammt von Thrust): dA =
A ≅ S = cT ⋅ π ⋅ R 2 ⋅ ρ ⋅ (Ω⋅ R )2
(4.35)
Momentenbeiwert (sein Index stammt von Torque): M = cQ ⋅ π ⋅ R 2 ⋅ ρ ⋅ (Ω⋅ R )2 ⋅ R
(4.36)
Leistungsbeiwert (sein Index kommt von Power): N = c P ⋅ π ⋅ R 2 ⋅ ρ ⋅ (Ω⋅ R )3
(4.37)
Als Vereinfachung ergibt sich:
N = M⋅Ω somit sind cP und cQ numerisch gleich! Der Beiwert cQ besteht aus einem Beitrag aus der Schuberzeugung, also einem induzierten Anteil cQi und einem zweiten der vom Profilwiderstand herrührt cQ0. Die Beiwerte können durch gleichsetzen mit Gleichungen entsprechend Gl. (4.34) ermittelt werden: 1 1 (4.38) cT = ∫ σ x ⋅ ⋅ a ⋅ α ⋅ x 2 ⋅ dx 2 x = x0 1 1 cQi = ∫ σ x ⋅ ⋅ a ⋅ F ⋅ α ⋅ x3 ⋅ dx 2 x = x0
Mit:
1 1 cQ 0 = ∫ σ x ⋅ ⋅ c d 0 ⋅ x3 ⋅ dx 2 x = x0 cQ = cQi + cQ 0
(4.39) (4.40) (4.41)
Für Rotoren mit Blättern beliebiger Geometrie (Tiefenverteilung, Verwindung, Profilierung) ergeben sich keine geschlossenen Lösungen. In diesen Fällen sind die entsprechenden Integrale mittels numerischer Verfahren zu lösen. Der aerodynamisch wirksame Anstellwinkel ist von x abhängig. Deshalb und aufgrund der zunächst noch unbekannten Anströmverhältnisse sind Rechnungen in Form von Iterationen erforderlich.
58
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Stehen für die Profilbeiwerte keine Polaren zur Verfügung, dann können, wie in Gl. (4.40), für die mittleren Widerstandsbeiwerte Ansätze der folgenden Art herangezogen werden: (4.42) nach Knight : c d 0 = c d 0 min + ε ⋅ α 2 (4.43) oder nach Sissingh : c d 0 = δ0 + δ1 ⋅ α + δ 2 ⋅ α 2 Solche Berechnungen sind nur mit elektronischen Rechenanlagen zu bewältigen. Für jedes einzelne Blattelement werden für eine hinreichende Zahl von Umlaufwinkeln und einer ausreichenden Anzahl von Stützstellen über der Blattlänge der komplette Satz der Luftkäfte und -momente errechnet. Grundlagen hierbei sind, neben der Geometrie, Rundumpolaren aller verwendeten Profile im Bereich niederer bis hoher Machzahlen. In die Integration werden dann in der Regel die Luftkäfte und -momente aller anderen Bauteile mit einbezogen, womit also gleich der gesamte Hubschrauber berechnet wird. Mit iterativer Ermittlung aller erforderlichen Steuerwinkel, mit dem Ziel einen stationären Flugzustand zu berechnen, entsprechend den vorgegebenen Flugparametern. Die Schub- und Leistungsbedarfsberechnungen erfolgen somit im Rahmen von Trimmrechnungen. Entsprechende Programme existieren in jeder Firma, die sich mit Hubschraubern befasst. Dieser Übergang zu mehr formalisierten numerischen Simulationen erfordert Spiegelung der Ergebnisse an der Realität. Profunde Kenntnisse aller Funktionsprinzipien sind dazu auch weiterhin unabdingbar. Trimmrechnungen sind in der gesamten Spanne möglicher Fluggeschwindigkeiten durchzuführen. Hier wird ein zweiter Vorteil der Blattelementenmethode sichtbar. Sie ist nicht auf die Schwebeflugnähe begrenzt. Bei der Bestimmung der Anströmungen kann für jedes Blattelement die Vorwärtsgeschwindigkeit problemlos vektoriell addiert werden. Mit und trotz der genannten vereinfachenden Annahmen bildet die Blattelementenmethode die realen Verhältnisse gut ab. Damit ist die Basis zu legen zum Verständnis der Flugmechanischen Grundlagen des Hubschraubers. 4.2.1 Ideale Verwindung
Eine wichtige Vergleichsbasis ergibt sich aus einer speziellen Blattgestaltung, der mit idealer Verwindung. Diese ist so gewählt, dass über der gesamten Rotorkreisfläche die gleiche Durchflussgeschwindigkeit vi0 herrscht, was einer gewissen Optimalauslegung entspricht. Diese Annahme stammt aus der Tragflügeltheorie. Unter dieser Bedingung treten im Strömungsfeld keine Schergeschwindigkeiten auf, eine der Ursachen für Strömungsverluste durch Verwirbelungen innerhalb des Stromfadens. Mit und trotz der genannten vereinfachenden Annahme bildet die Blattelementenmethode die realen Verhältnisse gut ab. Damit ist die Basis zu legen zum Verständnis der flugmechanischen Grundlagen des Hubschraubers. Der Rotor mit ideal verwundenen Blättern und konstanter Blatttiefe kann mit Hilfe geschlossener Lösungen berechnet werden. Im Schwebeflug soll also vi0(x) = konstant sein. Diese Bedingung kann durch geeignete Wahl des baulich vorzusehenden geometrischen Anstellwinkels als Funktion über der Blattlänge zu erfüllt werden.
4.2 Die Blattelementenmethode
59
Zunächst gilt für den induzierten Winkel an der Blattspitze: Φ Tip =
vi0 Ω⋅R
(4.44)
und für jede Stelle des Blattes : Φ = vi0 Ω⋅r
(4.45)
Durch gleichsetzen der induzierten Geschwindigkeiten ergibt sich: Φ = ΦTip ⋅
R r
(4.46)
Bild 4.7 Ideale Verwindung
Dies entspricht einem hyperbolischen Verlauf des induzierten Winkels, zur Blattspitze hin zudrehend. Um diesen Verlauf zu verwirklichen, ist der lokale geometrische Anstellwinkel Θ dem entsprechend, nämlich auch hyperbolisch, baulich vorzusehen: Θ = ΘTip ⋅
R r
(4.47)
was mit der Verwindung verwirklicht wird. Die Blätter werden dazu, zur Spitze hin zudrehend, also mit der Profilnase nach unten, verwunden. In der Praxis wird der hyperbolische Verlauf nur angenähert, oft linear. Gelegentlich, etwa zur Verbesserung von Strömungsproblemen an den Blattwurzeln und -spitzen, aber auch in Fällen anderer Optimierungen, stärker vom Ideal abweichend; unter Verzicht auf das durch Verwindung zu erreichende Leistungsoptimum. Zusätzlich müssen immer Kompromisse gefunden werden zwischen den Forderungen des Schwebefluges und denen anderer Flugfälle. Im Vorwärtsflug verursachen zu große Verwindungen inakzeptabel starke Vibrationen. Um starke Bodeneffekte und günstige AR-Eigenschaften zu erreichen sind ebenfalls moderate Verwindungen günstiger. Der Verlauf des lokalen Steuerwinkels ist durch die Verwindung festgelegt, sein Betrag ist mit der Ansteuerung veränderlich, wie in Bild 4.7 dargestellt.
60
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Mit Gl. (4.45) wird Gl. (4.34), für z Blätter: dS ≅ dA = z ⋅
ρ (Ω ⋅ r )2 ⋅ a ⋅ R ⋅ (ΘT − ΦT ) ⋅ c ⋅ dr r 2
(4.48)
Dies entspricht einer linearen, dreieckförmigen Verteilung des Auftriebes über der Blattlänge, dies zeigt Bild 4.10. Mit c = konst. ergibt sich: S = z⋅
3 ρ 2 ⋅ Ω ⋅ a ⋅ R ⋅ (ΘT − Φ T ) ⋅ c 2 2
(4.49)
Die S von Gln. (4.48) und (4.38) können gleichgesetzt werden, wodurch entsteht: cT =
a ⋅z⋅c (Θ T − Φ T ) 4⋅π⋅R
(4.50)
z⋅c π⋅R
(4.51)
a ⋅σ ⋅ (Θ T − Φ T ) 4
(4.52)
und mit der Flächendichte: σ=
wird: cT =
Dies ist der Schub- (hier: Thrust-)-beiwert eines Rotors mit z ideal verwundenen Blättern. cT/σ abzuleiten aus Gl. (4.52) ist die Blattbelastung, eine weitere grundlegende Auslegegröße. Entsprechendes Vorgehen liefert das für die Drehung des Rotors benötigte Drehmoment M und damit die benötigte Leistung. dM = z ⋅
ρ (Ω ⋅ r )2 ⋅ c ⋅ (c d 0 + c wi ) ⋅ r ⋅ dr 2
(4.53)
Mit d , einem mittleren cd0 für das gesamte Blatt: dM = z ⋅
2 ρ 2 3 ⋅ Ω ⋅ r ⋅ c ⋅ δ + Φ T ⋅ R ⋅ (ΘT − Φ T ) ⋅ a ⋅ dr 2 2 r
(4.54)
Das Moment aus dem Profilwiderstand wächst linear mit r, das vom induzierten Widerstand verursachte aber mit r²! Es kann also wirtschaftlicher sein, die Schuberzeugung mehr in die Blattmitte zu legen, durch modifizierte Verwindung oder durch mit x geeignet veränderlichen Blatttiefen. M = z⋅
ρ 2 4 δ ⋅ Ω ⋅ R ⋅ c ⋅ + a ⋅ Φ T ⋅ (ΘT − Φ T ) 4 2
(4.55)
daraus ergibt sich die Rotorleistung entsprechend: N Ro = M ⋅ Ω
(4.56)
4.2 Die Blattelementenmethode
61
Die Momente entsprechend den Gln. (4.36) und (4.55) können gleichgesetzt werden, mit Gl. (4.51) ergibt sich: cQ =
ρ δ ⋅ + a ⋅ Φ T ⋅ (ΘT − Φ T ) 4 2
(4.57)
Dies ist der Drehmomenten- (oder Torque-)-beiwert eines Rotors mit z ideal verwundenen Blättern. Durch Gleichsetzen der aerodynamisch wirksamen Anstellwinkel (ΘΤ - ΦΤ) von Gl. (4.52) und Gl. (4.57) erhält man: cQ =
σ⋅δ + ΦT ⋅ cT 8
(4.58)
Aus der Strahltheorie ist die induzierte Geschwindigkeit im Schwebeflug bekannt, womit sich mit Gl. (4.52) ergibt:
vi 0 =
S 2 ⋅ ρ ⋅ π ⋅ R2
=
2 cT ⋅ π ⋅ R 2 ⋅ ρ ⋅ (Ω ⋅ R ) c = Ω⋅R⋅ T 2 2 ⋅ ρ ⋅ π ⋅ R2
(4.59)
Damit wird der induzierte Winkel an der Blattspitze: ΦT =
vi 0 = Ω⋅R
cT 2
(4.60)
mit der Gl. (4.60) in Gl. (4.58) eingesetzt erhält man den Torquebeiwert in folgender Form: 3
cT 2 + σ ⋅ δ cQ = 8 2
(4.61)
In dieser Gleichung sind offensichtlich die Einflüsse der realen Geometrie und des Profilwiderstandes im rechten Glied zusammengefasst, sie machen den Unterschied aus, zwischen dem idealen, also dem induzierten Anteil cQi, zum gesamten, realen Torquebeiwert. Dementsprechend ergibt sich folgender Wirkungsgrad zwischen Leistungsbedarf und Schuberzeugung: 3
η=
c Q , ideal cQ
=
cT 2 2 3 cT 2
σ⋅δ + 8 2
(4.62)
62
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Diese Gleichung wird später, in einer ergänzten Form, im Rahmen der Rotorauslegung benutzt um für Neuentwürfe Flächendichten optimaler Wirkungsgrade festzulegen. Aus der Gl. (4.62) ergeben sich Tendenzen zur Verbesserung dieses Wirkungsgrades durch geeignete Wahl des Schubbeiwertes cT und der Blattbelastung cT/σ, entsprechend den Bildern 4.8 und 4.9. Die dargestellten Kurven werden jedoch im oberen Bereich noch zu modifizieren sein! 1
η
1
η
σ1 σ2
δ = konst. σ = σ Rotor
δ = konst. σ2>σ1 0
cT
Bild 4.8 Schwebeflugwirkungsgrad über dem Schubbeiwert
0
cT / σ
Bild 4.9 Schwebeflugwirkungsgrad über der Blattbelastung
Um gute Wirkungsgrade zu erreichen müssen demnach der Schubbeiwert cT und die Blattbelastung cT/σ möglichst hoch gewählt werden. Dies stößt jedoch an Grenzen, deren Ursachen oben vernachlässigt wurden, repräsentiert durch die Unveränderlichkeit des angenommenen δ. Später wird δ = f(α,M). Hohes cT wird erreicht durch sehr schlanke Blätter, die immer nahe am ca,max arbeiten, und damit weitab von günstigen cw-Werten. Mit Steigerung der Flächendichte, also mit tieferen Blättern und/oder höherer Blattzahl, könnte der Tendenz zu inakzeptabel hohen ca,max begegnet werden. Damit wäre aber der Beiwert für den Blattreibungswiderstand nicht zu halten, er würde anwachsen, wodurch auch hier der Wirkungsgrad η fiele. Die ideale Verwindung wird baulich nur angenähert. Aber schon lineare Verwindungen von 10° bis 14° können die Schwebegüte um ca. 5% verbessern. In der Strahltheorie wurde die induzierte Geschwindigkeit ebenfalls als gleich verteilt angenommen, die Verwindung also indirekt auch als ideal. Mit diesen Randbedingungen entspricht die nach Gl. (4.61) ermittelte Leistung, ohne dem rechten Verlustglied, der nach der Schwebeflugformel ermittelten, wieder ohne Berücksichtigung der dort später eingeführten Verluste.
Hier treffen sich Strahltheorie und Blattelementenmethode. 4.2.2 Mittlere aerodynamische Beiwerte und Einstellwinkel
Der cT -Beiwert wurde aus praktischen Gründen eingeführt, er ist in amerikanischer Literatur üblich. Wesentlich anschaulicher ist aber der ähnliche mittlere aerodynamische Auftriebsbeiwert c A .
4.2 Die Blattelementenmethode
63
Er ist über folgende Gleichung definiert: R
G = S = c A⋅ ∫ z ⋅ 0
ρ ⋅ (Ω⋅r )2 ⋅ c ⋅ dr 2
(4.63)
mit Gl. (4.28) ergibt sich: c A = 6⋅
cT σ
(4.64)
Dieser Beiwert kann direkt mit dem ca,max des verwendeten Profils in Relation gesetzt werden. Er gibt an, wieviel des maximal möglichen Auftriebs ausgenutzt ist. Durch seine Dichteabhängigkeit wächst er mit zunehmender Flughöhe, bis, bei Gleichheit mit ca,max , die maximal mögliche Höhe erreicht ist. Der mittlere aerodynamische Auftriebsbeiwert, er ist proportional der Blattbelastung cT/σ, ist ein wichtiger Auslegungsparameter. Er wird in Kap. 9 zur Feststellung der Flattergrenze benutzt. Zum mittleren Auftriebsbeiwert gehört ein mittlerer Anstellwinkel entsprechend: cT . (4.65) c A = α ⋅a = 6⋅ σ Worin, wie aus Bild 4.5. ersichtlich, die Steigung der aufgelösten Polaren a etwas weniger als 2π beträgt. Womit sich ergibt: α = cT σ in rad
oder: α = 57,3 ⋅ cT σ in Grad.
(4.66)
Damit ist auch der in Gl. (4.53) verwendete mittlere Widerstandsbeiwert δ zu ermitteln. Nämlich aus der Polaren des verwendeten Profils, abgelesen bei einer mittleren Machzahl (üblich ist bei r/R = 0,75 weil sich gezeigt hat, dass, obwohl mit unterschiedlichen Verwindungen gebaut, alle Blätter an dieser Stelle mit nur minimalen Abweichungen die gleichen Anstellungen aufweisen). Aus Gl. (4.51), der Bedingung (4.43) und Gl. (4.15) ergibt sich der nötige geometrische Einstellwinkel an der Blattspitze: 4 ΘTip = 57,3 ⋅ ⋅ cT σ + cT 2 in Grad a
(4.67)
4.2.3 Reale und sonstige Effekte
Auch die idealisierte Blattelementenmethode kann eine Reihe auftretender Effekte nicht oder nur unzureichend erfassen. Schon durch den Übergang von der idealen zur realen Verwindung wächst cWi. Für die wichtigsten Effekte sind entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Die Profileigenschaften wurden bisher nur angenähert. Der Übergang auf reale Charakteristika kann Nach- aber auch Vorteile bringen. Vor allem auf Grund der rotorspezifischen Arbeitsbedingungen und Effekte ist die Profilauswahl bzw. die Blattgestaltung sehr komplex. Darauf wird später im Rahmen der Rotorauslegung einzugehen sein.
64
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
4.2.3.1 Ungleichförmige induzierte Geschwindigkeit
Mit einer Kombination aus Strahltheorie und der etwas variierten Blattelementenmethode kann, mit einem Minimum an vereinfachenden Annahmen, der nicht mehr notwendigerweise gleich verteilte Verlauf der induzierten Geschwindigkeit ermittelt werden, die Darstellung ist [ 3 ] entnommen. Die Ungleichförmigkeit entsteht durch die Blattspitzenwirbel und deren gegenseitige Beeinflussung. Die Gl. (4.34) lautet: ρ dA ≈ dS = z ⋅ ⋅ (Ω⋅ r )2 ⋅ a ⋅ (Θ − Φ ) ⋅ c ⋅ dr 2
(4.68)
Aus Gl. (4.12) kann abgeleitet werden: dS = 2 ⋅ ρ ⋅ dr ⋅ 2 ⋅ r ⋅ π ⋅ (v z + v i ) ⋅ v i
(4.69)
Wobei hier über Ringflächen: 2rπdr integriert wird. Die dS von Gl. (4.68) und Gl. (4.69) können gleichgesetzt werden. Unter Beachtung von Gl. (4.13) und dem lokalen induzierten Anstellwinkel entsprechend Gl. (4.35), ergibt sich, nach vi aufgelöst: v 2 ⋅ Ω ⋅ r ⋅ Θ − z Ω⋅r vz z ⋅ a ⋅ c ⋅ Ω − 1 ⋅ 1+ v i (r ) = + 16 ⋅ π z ⋅a⋅c⋅Ω 4 ⋅ π ⋅ v 2z 2 + vz + 2⋅a⋅c⋅Ω 16 ⋅ π
(4.70)
oder mit s(x) = z×c(x)/p×R und x = r/R: 2 ⋅ (Θ ⋅ x ⋅ Ω ⋅ R − v z ) vz σx ⋅ a ⋅ Ω ⋅ R 1 − ⋅ 1+ v i (x ) = + 16 4 ⋅ v 2z σ 2 x⋅a⋅Ω⋅ R + vz + 16 σx ⋅ a ⋅ Ω ⋅ R
(4.71)
Mit diesen Funktionen vi(r) oder vi(x) lässt sich der induzierte Winkel an jeder Stelle r oder x berechnen:
(x ) + v z Φ(x ) = v i Ω⋅r ⋅x
(4.72)
Mit dem baulich vorgesehenen, also bekannten, geometrischen Anstellwinkel Θ(x), der Blattiefe die jetzt auch eine Funktion c(x) sein darf, und dem induzierten Winkel nach Gl. (4.72), kann mit Hilfe von Gl. (4.34) der Schub berechnet werden. Gleichungen wie (4.70) und (4.71) ergeben sich auch aus der Wirbeltheorie (s. Spezialliteratur), die herangezogen wird für genauere Berechnungen des Rotornachstromes.
4.2 Die Blattelementenmethode
65
4.2.3.2 Blattspitzenverluste
Die Gl. (4.34) kann unter Beachtung der Bedingung (4.45) in folgende Form umgeschrieben werden: dA ρ 2 = ⋅ Ω ⋅ a ⋅ (ΘT − ΦT ) ⋅ c ⋅ R ⋅ r dr 2
(4.73)
Das entspricht einer Dreieckverteilung des Auftriebes über der Blattlänge, wie in Bild 4.10 gezeigt. Das gilt für alle Umlaufwinkel und bis zu relativ hohen Fluggeschwindigkeiten. Erst die Machzahl- und Überzieheffekte verzerren diese Verteilung. Zwischen dem Überdruck an der Blattunterseite und Unterdruck an der Blattoberseite findet sowohl am inneren Beginn des profilierten Blattes als auch an der Blattspitze ein gewisser Druckausgleich statt. Dieser führt zu Schubverlusten. Der innere ist minimal, da dort entsprechend der genannten Verteilung der Druckunterschied gering ist.
theoretisch
Ω
x0
BR R (x=1) x
Bild 4.10 Auftriebsverteilung
Der Verlust an der Blattspitze kann nach Prandtl und Betz (der Effekt tritt auch beim Tragflügel auf) mit Hilfe des folgenden Ansatzes abgeschätzt werden: B = 1−
2 ⋅ cT z
(4.74)
B dient dazu die rechnerische Lauflänge der Luftkraftintegrale über der Blattlänge einzuengen. Eine gute Annäherung ergibt sich nach: B = 1−
c Blattspitze , (Größenordnung ≈ 0,97) 2⋅ R
(4.75)
Die obere Grenze der Integration liegt etwa so, dass durch sie oberhalb der realen Auftriebsverteilung eine gleich große Fläche einbezogen wird, wie sie unterhalb abgeschnitten wird.
66
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Im Innenbereich wäre ähnlich vorzugehen. Doch bewirkt hier der Umströmungseffekt im Vergleich zur Länge des cut out: x0, nur eine zu vernachlässigende Verkürzung der Laufweite des Integrals. Die neue Bezugs-Kreis-(ring-)fläche wird also:
(
)
(4.76) F eff = F ⋅ B 2 − x02 Dies verursacht entsprechend höhere Flächenbelastungen, Durchströmgeschwindigkeiten, größeren Einstell- und Induktionswinkel, größere mittlere Auftriebsbeiwerte, mittlere Anstellwinkel und mittlere Widerstände. Zum Beispiel ergibt sich: Der gesteigerte Leistungsbedarf, aus Gl. (4.61) zu: 3
cT 2
cQ =
(
)
+
δ⋅σ 8
(4.77)
2⋅ B − Mit reduzierter Schubausbeute, entsprechend Gl. (4.51): 2
(
x 02
)
σ ⋅ a ⋅ B 2 − x 02 ⋅ (ΘT − ΦT ) 4 Ursachengemäß sind diese Umströmungseffekte zu berücksichtigen: cT =
(4.78)
• nur bei der Berechnung der auftriebsabhängigen Beiwerte cT und cQi, • nicht die für die Berechnung des Widerstandsbeiwertes cQ0. Aus Gl. (4.66) wird: cT α = 57,3 ⋅ 2 σ 2 B − x0
(4.79)
und aus Gl. (4.67): cT 4 cT σ + ΘTip = 57,3 ⋅ 2 ⋅ B 2 − x 02 a B 2 − x 02
(
)
(4.80)
4.2.3.3 Trapezform, Zuspitzung
Im Zusammenspiel mit der Verwindung kann die Trapezform der Blätter den Wirkungsgrad entsprechend Gl. (4.62) noch verbessern. Die örtlichen Blattiefen können so gewählt werden, dass an jeder Stelle r das Profil in seinem Leistungsoptimum arbeitet, d.h. dass alle Blattabschnitte, bei gleicher Profilierung, mit dem gleichen Anstellwinkel d.h. Auftriebsbeiwert arbeiten. Mit den gleichen Ausgangsgleichungen wie zur Berechnung der nichtliearen induzierten Geschwindigkeit Gl. (4.34) ergibt sich: vi 0 = v1 = Ω ⋅
z ⋅ c ⋅ r ⋅ ca 8π
(4.81)
4.2 Die Blattelementenmethode
67
Sollen v1 und ca konstant sein, dann muss die Blattiefe c einen hyperbolischen Verlauf erhalten: c=
cTip
(4.82)
r R
Ein solcher Rotor hätte in der Rotormitte unendlich tiefe Blätter. Der cut-out verhindert das. Die geometrische Anstellung ist dann die Summe aus (konstanter) aerodynamischer Anstellung und induziertem Anstellwinkel: Θ = α + v1 ⋅ r Ω
(4.83)
Rotorauslegungen mit idealer Verwindung bei konstanter Blattiefe, oder mit optimaler Trapezform und ohne Verwindung stellen Zwischenoptima dar. Ein Rotor mit idealer Kombination von Blattiefenverlauf und Verwindung stellt den absolut optimalen Rotor dar, aus Sicht der Leistungsoptimierung. Praktisch kann sein Umriss nur angenähert werden. Die Blattiefe an der Spitze darf zusätzlich nicht zu klein werden, weil sonst der Wert für ca,max einbricht und die Re-Zahl zu klein wird, wodurch hohes cw entsteht! Mit guter Trapezierung können 3–4% Schubgewinn erzielt werden. 4.2.3.4 Bodeneffekt
Bei Schwebeflügen in Bodennähe (rechte Bildhälfte von Bild 4.11) kann die Luft nicht frei nach unten abströmen, sie wird vor dem seitlichen Abströmen gestaut. Durch diesen Staueffekt: • wird die induzierte Geschwindigkeit kleiner als im freien Flug: vi0,IBE
Bild 4.11 Bodeneffekt
68
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Bodeneffekt tritt auf bei: H ≤ 2⋅ R
(4.84)
Empirisch ergibt sich für den Schwebeflug die Reduzierung der induzierte Geschwindigkeit durch Bodeneffekt entsprechend: vi 0 IBE = 1− vi 0
0,5 H 1+ 4⋅ R
2
(4.85)
Entsprechend Gl. (4.6) ergibt sich damit die Antriebsleistung IBE zu: N i 0 IBE = S ⋅ vi 0 IBE
(4.86)
Unter Ausnutzung der verfügbaren Leistung wird durch den Bodeneffekt der Überlaststart möglich. Mit der Gewissheit auch weiterfliegen zu können, wenn anschließend durch ausreichende Fahrtaufnahme der Bereich geringeren Leistungsbedarfes (siehe Leistungspolare) erreicht wird. 4.2.3.5 Drall, Zirkulation, dynamische Verwindung, Grenzschicht
Eine Reihe kleinerer Verlustquellen sind noch genauer zu untersuchen. Sie sind bei der Abschätzung der Schwebegüte unter Drall zusammengefasst. Die Stromlinien im Nachstrom sind idealerweise sparallel, real aber verdrillt. Die Strömung erhält durch den Rotor einen Drallimpuls, auf Grund zweier Ursachen: • dem Profilwiderstand, der horizontal wirkt • einem induzierten Drall. Die durch die Schuberzeugung induzierten Blattspitzenwirbel haben auch horizontale Komponenten. Diese induzieren im Nachstrom den Drall. Beide Sekundärströmungen im Nachstrom folgen der Rotordrehrichtung. Entsprechend der Potentialtheorie verursachen die Blattspitzenwirbel die Kontraktion des Nachstroms, in globaler Betrachtung. In seiner Nahwirkung beeinflusst ein am vorlaufenden Blatt entstandener Wirbel den gerade im Entstehen befindlichen Wirbel am nachlaufenden Blatt, er drückt diesen nach oben, oft bis über die Rotorkreisfläche. Dies führt zu Störungen in der Anströmung des Rotors, zu lokalen Fehlanstellungen am Profil und deshalb zu Leistungsverlusten, zu Lärm und Vibrationen. Dies ist speziell bei Landeanflügen des öfteren zu beobachten. Die Torsionseffekte durch den Momentenbeiwert des Profils und durch die Rück- bzw. Vorlage des Neutralpunktes der angreifenden Luftkräfte relativ zur Schwerlinie sind beim Drehflügel die gleichen wie beim Starrflügel. Nur dass sie beim Drehflügel, auf Grund der sich laufend mit der Rotordrehung verändernden Anströmung, instationär sind. Beim Hubschrauber wird die Schwerlinie durch Massen in der Profilnase nach vorn verlegt. Einen dritten Torsionseffekt, erzeugt die sogenannte dynamische Verwindung (entspricht dem Propellermoment). Sie wird am Drehflügel hervorgerufen durch die Zentrifugalkräfte. An jedem Massepunkt des angestellten Blattes, der nicht in
4.2 Die Blattelementenmethode
69
der Drehebene und nicht auf der Schwerlinie liegt, entstehen auch Teilvektoren der Zentrifugalkraft in der Rotordrehebene. Unterhalb der Ebene nach vorn, oberhalb nach hinten. Diese Kräfte versuchen quasi das Blattprofil in die Ebene zurückzudrehen. Ein Effekt, der sich vor allem bei Messungen der Schubentwicklung in Abhängigkeit vom Anstellwinkel stark bemerkbar machen kann, ebenso bei den Steuerkräften. Steife Blattkonstruktionen und sogenannte chinese weights (an Hebelarmen senkrecht zur Drehebene angebrachte Massen, deren Namensgebung ein Insidergeheimnis ist), sowie gepfeilte Blattspitzen mit zurückgelegtem Neutralpunkt sind Gegenmaßnahmen. Die dynamische Verwindung ist veränderlich mit der Drehgeschwindigkeit, z.B. beim Übergang in die AR. Alle diese Effekte verändern die Auftriebsverteilung über x. Luftteilchen in der Strömungsgrenzschicht erhalten auf Grund der Rotation auch einen Impuls in radialer Richtung. Ein Effekt, dessen Wirkungen noch unerforscht sind. 4.2.3.6 Leistungsbedarf im Schwebeflug
Auf der Basis der mit Hilfe der Strahltheorie entwickelten Schwebefluggl. (4.19) einschl. der enthaltenen Leistungskorrekturen, mit Berücksichtigung der Blattspitzenverluste entsprechend Gl. (4.77) und unter Einbeziehung von empirischen Faktoren zur Berücksichtigung von Verwindung und Trapezverhältnis der Blätter (Verhältnis der Blattiefe an der Spitze zu der an der Wurzel), kann der Leistungsbedarf eines Hubschraubers im Schwebeflug recht genau ermittelt werden. Zur Berücksichtigung von Verwindung und Trapezverhältnis können folgende prozentuale Faktoren gelten: Tabelle 4.1 Prozentuale Einflussfaktoren Trapezverhältnis
Verwindung in Grad
cT/σ = 0,7
cT/σ = 0,1
1:1 1:1 1:1 1:3 1:3 1:3
0 -8 -12 0 -8 -12
5,5 3,0 1,5 3,5 0,0 0,0
7,5 3,5 1,5 3,0 -0,5 -0,5
Qualitativ ist der Einfluss von Verwindung und Trapezverhältnis auf die induzierte Geschwindigkeit und den Beiwert für den induzierten Widerstand auf den Bildern 4.12 a–c dargestellt: Bei einer bestimmten verfügbaren Leistung lässt sich die Schubausbeute durch Verwindung und Zuspitzung optimieren. Die Haupteinflussgrößen beziehen sich dabei auf den induzierten Widerstand. Der Profilwiderstandsbeiwert ist nur relativ gering von der Schuberzeugung abhängig, so gut wie gar nicht von der Geometrie. Zuverlässigere und genauere Ergebnisse liefern die Gln. (4.38)–(4.41). Der dabei nötige Rechenaufwand fällt jedoch schon stark in den Arbeitsbereich von Rechenanlagen. Die erreichte Genauigkeit ist aber auch damit immer noch abhängig von Näherungen, nämlich für die mittleren aerodynamischen Widerstände der Blattprofile. Andererseits liefert diese Methode geschlossene Lösungen.
70
4 Grundzüge der Leistungsrechnung
Ist hoher Rechenaufwand akzeptabel, dann sollte zur Blattelementenmethode übergegangen werden. Ohne geschlossene Lösungen, in iterativer Arbeitsweise, mit vollem Einsatz elektronischer Rechenanlagen. Die Leistungsbedarfsermittlung berücksichtigt bisher allein den Rotor! Um die mindestens zu installierende Triebwerksleistung zu erhalten sind die Leistungsbedarfe der sonstigen Verbraucher, vor allem auch des Heckrotors, aufzuschlagen. Für praktische Arbeiten sind Vergleichswerte und Tendenzen immer sehr informativ (Tabelle 4.2). Tabelle 4.2 Vergleichswerte für die Bo 105 R=5m B=1 Ω = 42,5 1/s G = 25000 kg m/s² σ = 0,08
CT = 5,7⋅10-3 CT/σ = 0,071 CQ0 = 0,88⋅10-4 (22 %) CQi = 3,05⋅10-4 (78 %) CQ = 3,93⋅10-4
NCQ0 = 79 kW NCQi = 276 kW NRo = 355 kW
Bild 4.12a Einfluss der Verwindung auf die induzierte Geschwindigkeit
Bild 4.12b Einfluss der Verwindung auf den Schubbeiwert
Bild 4.12c Einfluss des Trapezverhältnisses auf den Schubbeiwert
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
Für die flugmechanische Beherrschung des Hubschraubers ist die Schlagbewegung der Rotorblätter von entscheidender Bedeutung. Mit gezielt durch Einsteuerung erzeugtem Blattschlagen wird der Flug des Hubschraubers kontrolliert. Für die übergeordnete Baugruppe, den Rotor, bedeutet dies: nach Richtung und Größe gezieltes Kippen der Blattspitzenkreisebene und damit Neigen auch des Schubvektors, mit dem Ziel Steuermomente (Kap. 12) zu erzeugen.
5.1 Trägheitsmoment des Rotorblattes
R dm
r
c
dr B
β
F
l
Bild 5.1. Blattgeometrie
Annahmen: kleiner Schlagwinkel β , l ≅ R. Das Massenträgheitsmoment um den Punkt B ist folgendermaßen definiert: I B = ∫ r 2dm
(5.1)
mit dem Massenelement mittlerer Dichte ρ :
dm = ρ B ⋅ F ⋅ dr
(5.2)
Mit den Annahmen F(x) = const. und c(x) = const. wird: R
I B = ∫ ρ B ⋅ F ⋅ r 2 ⋅ dr = ρ B ⋅ F ⋅ 0
R3 3
(5.3)
72
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
und der entsprechenden Blattmasse: M = ρ B ⋅ F ⋅ R IB = M
wird:
R2 3
(5.4)
Zu diesem steinerschen Anteil kommt noch das, wesentlich kleinere und deshalb oft vernachlässigte, Massenträgheitsmoment um den Blattschwerpunkt: I B ,Sp =
M ⋅ R2 M ⋅ R2 5 ⋅ M ⋅ R2 + = 3 12 12
(5.5)
5.2 Herleitung der Schlaggleichung Zunächst ohne Schwerkrafteinfluss und ohne die Luftkräfte.
Bild 5.2. Ausgleich der Momente aus den am Blatt angreifenden Kräften
5.2.1 Rotoren mit zentralem Schlaggelenk Bei kleinem Schlagwinkel β ist sinβ ≅ β Zentrifugalkraft: Trägheitskraft:
dZ = Ω2 ⋅ r ⋅dm dP = dm ⋅ r ⋅
⋅⋅ δ2 β = dm ⋅ r ⋅ β 2 δt
(5.6) (5.7)
Durch Einführung des Schlaggelenkes in B müssen sich die Momente dieser Kräfte um diesen Punkt ausgleichen. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Hebelarme ergibt sich als Momentengleichgewicht :
5.2 Herleitung der Schlaggleichung ⋅⋅
β ∫ r 2dm + β ⋅ Ω 2 ∫ r 2dm = 0
73
(5.8)
Woraus sich unter Einbeziehung der Gl. ( 5.1) die Bewegungsgleichung ergibt, für das schlagende Blatt ohne Schlaggelenksabstand und ohne die Schwerkraft zu berücksichtigen:
⋅⋅ I B β+ Ω2 ⋅ β = 0
(5.9)
Für solche Differentialgleichungen zweiter Ordnung sind Lösungsansätze bekannt: β = − a1 ⋅ cos ωn t − b1 ⋅ sin ωn t
(5.10)
Die damit beschriebene Schlagbewegung der Rotorblätter im Zentrifugalkraftfeld ist demnach eine harmonische Schwingung. Ihre Eigenfrequenz ist aus der Schlaggl. (5.9) unmittelbar abzulesen, als Quadratwurzel des Faktors bei der Bewegungsgröße β. In dem hier betrachteten Fall, also bei fehlendem Schlaggelenksabstand, ist die Schlageigenfrequenz gleich der anregenden Frequenz, nämlich der Rotordrehfrequenz: ωn = Ω
(5.11)
5.2.2 Ein Blick in die Schwingungslehre
Bild 5.3. Phasenverschiebung
Die Phase einer erzwungenen Schwingung eilt in der Regel der Phase der anregenden Schwingung nach. Diese Phasenverschiebung ist abhängig vom Frequenzverhältnis der Anregung zur angeregten Schwingung ωA/ωS und der im System
74
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
wirksamen Dämpfung. Diesen Zusammenhang zeigt in einer dimensionslosen Darstellung Diagramm in Bild 5.3. Das oben betrachtete Rotorblatt schwingt in Resonanz mit der Anregung: ω Anregung / ωSchwingung = 1
(5.12)
Obendrein ist bei diesem Blatt keinerlei Dämpfung vorhanden (das Dämpfungsmaß ist gleich Null)! Für diese Kombination ist die Phasenverschiebung ∆ψ nicht definiert, wie aus dem Diagramm (Bild 5.3.) ersichtlich ist. Das hat gravierende Folgen bezogen auf die der Schwingungsamplituden, wie aus Bild 5.4 deutlich wird.
Bild 5.4. Resonanzkurven
Die Amplitude der angeregten Schwingung wird für das oben herangezogene Rotorsystem unkontrolliert groß, es droht ein Resonanzfall mit zerstörerischer Wirkung! Für Hubschrauberrotoren muss dieser Gefahrenbereiches durch geeignete Konfigurationen und Dämpfungen sicher vermieden werden. Andererseits sollte sich die Auslegung nicht zu weit von ωA/ωS = 1 entfernen, weil die Nähe zur Resonanz prompte und schnelle Reaktionen auf zu Steuerzwecken eingeleitete Schlagbewegungen sicherstellt. Anmerkungen: Im Phasendiagramm, Bild 5.3, wird die Phasenverschiebung von ≅ 90° zwischen der Anregung und der damit erzeugten Schwingung sichtbar, das ist der entscheidende dynamische Unterschied zwischen Rotor und Propeller, wie schon in Abschn. 3.2 dargestellt. Alle Rotorblattbewegungen, auch die hier noch nicht erwähnten höherfrequenten, die im Prinzip alle die Schlagbewegung zur Ursache haben, können durch ihre Kraftwirkungen alle schwingungsfähigen Systeme des Hubschraubers ihrerseits zu Schwingungen anregen.
5.2 Herleitung der Schlaggleichung
75
Bei der sogenannten Luftresonanz schwingen dabei Teile der Zelle gegeneinander, u.U. auch gegen Ein- oder Anbauten. Bei der Bodenresonanz bildet die Hubschraubergesamtmasse in Verbindung mit dem auf dem Boden stehenden federnden Landewerk ein schwingungsfähiges System, eine Konfiguration, die in der Anfangszeit des Hubschrauberbaus tatsächlich wiederholt zu Resonanzkatastrophen geführt hat. Alle Resonanzen sind mit Hilfe geeigneter Auslegungs- und Dämpfungsmaßnahmen oder auch Verstimmungen zu vermeiden. 5.2.3 Rotoren mit Schlaggelenksabstand
Eine bauliche Maßnahme um Dämpfung zu erzielen ist die Verlegung des Schlaggelenkes aus dem Rotormittelpunkt heraus, wie in Bild 5.5 dargestellt. Der damit entstehende Schlaggelenksabstand a ist die Strecke von Rotormittelpunkt zum Schlaggelenk B.
Bild 5.5. Einführung des Schlaggelenksabstandes
Das Momentengleichgewicht um das Schlaggelenk liefert für diese Konfiguration folgende Differentialgleichung für den Schlagwinkel β: ⋅⋅
I B ⋅ β+ ∫ Ω 2 ⋅ dm ⋅ (r + a ) ⋅ r ⋅ β = 0 ⋅⋅
[
I B ⋅ β = − Ω 2 ⋅ β ⋅ ∫ r 2 ⋅ dm + a ⋅ ∫ r ⋅ dm
mit dem Massenmoment:
m s = ∫ r ⋅ dm
(5.13)
]
(5.14)
wird die Bewegungsgleichung:
⋅⋅ a ⋅ m S = 0 I B ⋅ β+ Ω 2 ⋅ β ⋅ 1 + I B
Eine Lösung dieser Differentialgleichung zweiten Grades ist wieder:
(5.15)
76
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
β = − a1 ⋅ cos ωn − b1 ⋅ sin ωn
(5.16)
Für diese Konfiguration ergibt sich eine im Vergleich zur anregenden Frequenz niedrigere Eigenfrequenz:
ω n = Ω ⋅ 1+
a ⋅ ms IB
oder
Ω
ωn
1
= 1+
(5.17)
a ⋅ ms IB
Mit Einführung des Schlaggelenkabstandes entfernt sich also die Blattschwingung von der Resonanzbedingung. Und zwar zu kleineren Werten ω A / ωs = Ω / ωn < 1
(5.18)
in der obigen Darstellung Bild 5.3. der Phasenverschiebung.
5.3 Die Schlagbewegung unter Einbeziehung der Luftkräfte Um den praktischen Flugfall zu erfassen, müssen die, sich mit dem Rotorumlauf laufend verändernden, Luftkräfte in die Untersuchungen der Rotorblattschlagbewegungen einbezogen werden. Durch die Schlagbewegungen der Blätter, sie schlagen senkrecht zur Rotorebene durch die Luft, entsteht die wichtige und in der Regel ausreichende Dämpfung der Schlagbewegung. Die folgenden Betrachtungen zur Einbeziehung der Luftkräfte sind stark vereinfacht, vor allem sind alle Winkel als klein angenommen. Basis sind die Anstömverhältnisse am Blattelement, wie sie in Bild 5.6 dargestellt sind:
Z
Ω Y
ψ
Vz = vi + vz . rβ V* = v sinψ + Ω r β
Vres
α Θ
Bild 5.6. Anströmverhältnisse am Blattelement
X
Flugrichtung
5.3 Die Schlagbewegung unter Einbeziehung der Luftkräfte
77
Als Bewegungsgleichung ergibt sich für diesen Fall: ⋅⋅ I B ⋅ β+ Ω 2 ⋅ β = M aerodyn.
(5.19)
Mit dem effektiven Anstellwinkel : ⋅ ⋅ r ⋅β V z Vz+rβ α = Θ− = Θ − − V∗ V∗ V∗
(5.20)
⋅
worin α = f ( ψ ) , da V ∗ und β Funktionen von ψ sind. Mit der Steigung der aufgelösten Polaren a entsprechend Bild 4.8 werden:
dA = ρ 2 ⋅ dF
2 ⋅ V res .⋅ a ⋅ Θ −
⋅ r ⋅β V z − V∗ V∗
und
dM = ρ 2 ⋅ dF
2 ⋅ r ⋅ V res .⋅ a ⋅ Θ −
⋅ r ⋅β V z − V∗ V∗
(5.21)
(5.22)
Das Integral über diese dM entspricht dem Maerodyn. der Gl. ( 5.19), womit diese folgende vereinfachte Form annimmt, mit Vsinψ << Ωr:
(
⋅⋅ k ⋅ I B β+ Ω 2 ⋅ β + ⋅ β = M 0 Θ ,V ∗ ,V z Ω
)
(5.23)
⋅
In dieser Gl. ( 5.23) erscheint ein neuer Term, der β enthält. Solche Glieder mit der ersten zeitlichen Ableitung der Bewegungsgröße, also einer Geschwindigkeit, werden entsprechend ihrer physikalischen Wirkung als „Dämpfungsglieder“ bezeichnet. Die Dämpfung führt entsprechend Bild 5.7 auf die Phasenverschiebung. Dem entsprechend ist der Lösungsansatz für die Gl. ( 5.23) einer für eine gedämpfte Schwingung: β = e− kt (− a1 ⋅ cos ω′ ⋅ t − b1 ⋅ sin ω′ ⋅ t )
(5.24)
Durch die Dämpfung und durch a > 0, wird die Phasenverschiebung < π/2 (vgl. Bild 5.3). Und damit wird:
ω′ < Ω
(5.25)
Für den Ansatz (5.24) sind zusätzliche Vereinfachungen anzunehmen:
• das Moment aus den aerodynamischen Kräften sei gleichbleibend, da die Änderungen der Luftkräfte klein sind auf Grund der kleinen Schlagwinkel. • k im Exponenten der e-Funktion ist als konstant angenommen, was auch nur in erster Näherung gilt.
78
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
Die sich ergebende Dämpfung reicht in der Regel aus, um die Schlagbewegung stabil zu halten. Die Änderung der Phasenverschiebung zwischen anregender und angeregter Schwingung (s.a. Bild 5.7), bleibt klein: ∆Phasenverschiebung <<
π 2
(5.26)
Um den dämpfenden Effekt der Luftkräfte darzustellen, mussten einschneidende Vereinfachungen angenommen werden. Die volle Erfassung aller auftretenden Luftkräfte geschieht mit Hilfe digitaler Simulationen, die hier darzustellen die beabsichtigte Information nicht vertiefen würde.
Bild 5.7. Phasenverschiebung mit Dämpfung und Schlaggelenksabstand
5.4 Der gelenklose Rotor Beim gelenklosen Rotor sind die Blattgelenke durch elastische Blatthälse ersetzt. Für die analytische Behandlung des schlagenden gelenklosen Blattes wird ein Ersatzsystem eingeführt, Bild 5.8. Im Punkt B wird ein Schlaggelenk angenommen mit einem fiktivem Schlaggelenksabstand. Der Schnittpunkt der Blattachse mit der β = 0-Ebene definiert diesen fiktiven Schlaggelenksabstand a*. Die Blatthälse wirken wie Biegefedern mit der Federkonstanten kF . Um die Federwirkung des elastischen Blatthalses auf die Schlagbewegung zu berücksichtigen wird in die Momentenbilanz um den Punkt B ein Federmoment MF aufgenommen. Um das fiktive Schlaggelenk B müssen sich jetzt die Momente aus der Massenkraft, der Zentrifugalkraft sowie das Federmoment ausgleichen (die Luftkräfte sind hier zur Vereinfachung wieder weggelassen): MF+MZ+MP =0
(5.27)
5.4 Der gelenklose Rotor
79
Bild 5.8 Gelenkloses Rotorblatt
Mit dem Federmoment: M F = kF ⋅β
(5.28)
dem Moment aus der Zentrifugalkraft (Annahmen: kleine Winkel β, das Blatt beginnt bei r = a*):
(
)
d M z = dZ y − a* sin β =
(
)
= Ω2 ⋅ y ⋅ dm ⋅ β y − a* =
(
)
= Ω2 ⋅ β ⋅ ∫ y y − a* ⋅ dm
(
) (
y y − a* = y − a*
mit:
(
(5.29)
)2 + (y − a* )⋅ a* )2
wird:
(
)
* * * M z = Ω2 ⋅ β ⋅ ∫ y − a dm + a ∫ y − a ⋅ dm
(
(
)2
(5.30)
)
* * ∫ y − a dm = I B und : ∫ y − a ⋅dm = m s
worin:
(
* M z = Ω2 β I B + a ms
das ergibt:
)
(5.31)
Aus der Massenkraft: dP = dm ⋅
(
)
⋅
wobei: v = y − a* ⋅ β
dv dt
(5.32)
(
⋅
)
⋅⋅
und deshalb: v = y − a* ⋅ β
(
)
⋅⋅
dP = dm y − a* ⋅ β
(5.33)
80
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
mit Berücksichtigung des Hebelarmes:
(
)
d M P = y − a* ⋅ dP
(
)
(
(5.34)
)2
⋅⋅
M P = ∫ y − a* ⋅ dP = ∫ y − a* dm ⋅ β ⋅⋅
M P = I B ⋅β
(5.35) (5.36)
Die Glg. (5.28), (5.31) und (5.36) eingesetzt in Gl. (5.27): I B ⋅ β+ β ⋅ Ω 2 + Ω 2 ⋅ a * ⋅ m s + k F = 0
]
(5.37)
β = − a1 ⋅ cos ω1 t − b1 ⋅ sin ω1 ⋅ t
(5.38)
⋅⋅
mit einer Lösung:
[(
aus der Gl. (5.37) ist abzulesen: ω1 = Ω 1 +
)
a * ⋅ ms IB
+
kF Ω ⋅ IB 2
(5.39)
Wie der Schlaggelenksabstand verschiebt auch die Federkraft des elastischen Blatthalses die Eigenfrequenz der angeregten Schwingung. Der gelenklose Rotor hat aufgrund seiner Bauweise einige weitere besondere Eigenschaften. Der als fiktiv bezeichnete Schlaggelenksabstand kann im Rahmen der Auslegung durch konstruktive Veränderungen der Biegesteifigkeit des Blatthalses gewählt werden, zwischen ca. 5 bis 12 % von R, je nachdem welche Steuereigenschaften für den Hubschrauber gewünscht sind. Durch die großen Schlaggelenksabstände und die Federwirkung der Blatthälse bleibt ein Hubschrauber mit gelenklosem Rotor auch bei Nullschub noch sehr gut steuerbar, was beim Übergang in die Autorotation besonders wichtig ist. Die Flugfigur „Bo-Turn“ in Bild 10.1 (Überdrücken um schnellstens wieder in Bodennähe/Deckung zu kommen) kann deshalb ausschließlich von Hubschraubern mit gelenklosen Rotoren ausgeführt werden. Der Aufbau der Steuermomente erfolgt beim gelenklosen Rotor weitaus schneller als beim gelenkigen Rotor. Das Federmoment baut sich schon mit dem Beginn der Verformung der Blatthälse auf, während bei rein gelenkigen Rotoren die Steuermomente, aus der Schubneigung, erst nach erfolgter Schlagbewegung der Blätter zur Verfügung stehen. Die überlegene Agilität von Hubschraubern mit gelenklosen Rotoren beruht also auf seiner schnellen Reaktion auf Steuereingaben und, falls gewünscht und vorgesehen, auf seiner höheren Momentenkapazität.
5.5 Quantifizierung der Schlagbewegung Die Koeffizienten der Lösungsgleichungen (5.10), (5.16) und (5.38) für die Schlagbewegungen der Rotorblätter quantifizieren die Blattauslenkungen. Es sind die Maximalwinkel der Schlagbewegungen.
5.5 Quantifizierung der Schlagbewegung
81
5.5.1 Die Rotoransteuerung
Hubschrauber werden in erster Linie durch kontrollierte Neigung ihrer Blattspitzenebene gesteuert. Diese Neigung aus der Senkrechten ist in alle Richtungen möglich, durch zyklische Ansteuerung der einzelnen Blätter mit Hilfe der Taumelscheibe. Zyklisch bedeutet veränderlich mit dem Umlaufwinkel. Damit wird Maerodyn. in der Gl. (5.19) eingesteuert bzw. kontrolliert. Um den Schub zu erzeugen bzw. zu verändern werden alle Blätter gleichzeitig, d.h. kollektiv, um die Blattlängsachsen gleichsinnig drehend, angesteuert. Aus diesen beiden Forderungen nach Steuerung und Schuberzeugung ergibt sich ein Ansatz für den Ansteuerungswinkel Θ in Abhängigkeit vom Umlaufwinkel ψ = Ω⋅t zu: Θ = Θ0 + Θ1 ⋅ cos(Ω ⋅ t ) + Θ2 ⋅ sin(Ω ⋅ t )
(5.40)
darin ist Θ0 der kollektive Steuerwinkel, Θ1 und Θ2 sind die Maximalwerte der zwei zyklischen Steuerwinkel in Quer- und Längsrichtung. 5.5.2 Der Konuswinkel
Die in die Betrachtungen in Kap. 5.3. einbezogenen Luftkräfte waren allein die schwingungserregenden Anteile der Gesamtluftkräfte. Demzufolge schwingen die Rotorblätter dort symmetrisch zur planen Rotorebene mit β = 0. Dies drückt sich in der Lösung der Bewegungsgleichung durch Fehlen eines konstanten Anteils aus. Noch nicht berücksichtigt wurden die den Rotorschub erzeugenden Luftkraftanteile. Da wir Schub erzeugen wollen, müssen wir die Gl. (5.10) um einen entsprechenden Konstantanteil ergänzen. Damit wird die Gleichung für den zyklisch sich verändernden Schlagwinkel: β = a 0 − a1 ⋅ cos ψ − b1 ⋅ sin ψ
(5.41)
Die Größe a0 ist darin ein Winkel, der sogenannte Konuswinkel. Er ergibt sich als Triviallösung der Bewegungsgleichung für Schweben bzw. Steig- oder Sinkflug, also für Flugzustände bei denen die Blätter nicht schlagen, jedoch kollektiv angesteuert sind. Der Konuswinkel kann abgeschätzt werden, mit: • Θ0 als kollektivem Steuerwinkel > 0, er bleibt fest und • den beiden zyklischen Steuerwinkeln Θ1 und Θ2 = 0.
Bild 5.9. Konuswinkel a0
82
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
mit dem effektiven Anstellwinkel α entsprechend Bild 5.6 und dem Ansatz (5.40) für die Steuerwinkel entsteht aus Gl. (5.23): ⋅ Rρ ⋅⋅ β vi + v z 2 2 3 I B β+ Ω ⋅ β = ∫ ⋅ c ⋅ dr ⋅ Ω ⋅ r ⋅ a ⋅ Θ0 − Θ1 cos Ωt − Θ2 sin Ωt − − Ω Ω ⋅ r 02 (5.42) Im Schwebeflug müssen die zyklischen Steuerwinkel Θ1, Θ2 nicht eingesteuert werden, als Folge ergeben sich auch keine Schlaggeschwindigkeiten und keine entsprechenden Beschleunigungen, also existieren weder erste noch zweite zeitliche Ableitungen von β. Damit wird in Gl. (5.42): β = a0.
a0 =
1 IB
v +v ⋅ c ⋅ dr ⋅ r 3 ⋅ a ⋅ Θ0 − i z Ω⋅r 02
Rρ
⋅∫
(5.43)
Wenn c als konstant angenommen wird und der Klammerausdruck in Gl. (5.29) als α entsprechend der Gl. (4.66) angenommen wird, ergibt sich: a0 =
ρ ⋅ c ⋅ a ⋅ R4 α ⋅ 8 IB
(5.44)
In dieser Gleichung werden die festen Auslegegrößen zur sogenannten Lockzahl γ zusammengefasst, einem Auslegeparameter der häufig zur Beurteilung bzw. Vorauslegung von Hubschrauberrotoren herangezogen wird. γ=
ρ ⋅ c ⋅ a ⋅ R4
IB
(5.45)
Die Lockzahl, sie ist dimensionslos, sie repräsentiert das Verhältnis der aerodynamischen zu den Massenkräften am Blatt. Sie nimmt Werte an zwischen 2 und 10. Diese Größenordnung ist erforderlich um akzeptable Reaktionen auf Steuereingaben zu erhalten. Hubschrauber mit schwereren Blättern, sie haben die kleineren γ, sind besser steuerbar. Rotoren mit zusätzlich in den Blattspitzen angebrachten Massen, etwa auch durch Blattspitzenantriebe, haben die kleinsten Lockzahlen. Rotorblätter sind demnach nicht nach den Regeln des Leichtbaues auszulegen, sondern, wie hier sichtbar wird, nach den Erfordernissen der Steuerbarkeit. Durch die obige Eingrenzung auf den Schwebeflug, wurden die Kräfte aus den Massenträgheiten der Blätter in Schlagrichtung vernachlässigt. Das ist hier zulässig, weil diese gegenüber den beiden anderen Kräften klein sind und deshalb den Konuswinkel nur geringfügig verändern. Gleiches gilt für die Federkräfte der Blatthälse gelenkloser Rotoren. Beides bedeutet, dass der Konuswinkel im Vorwärtsflug, bei dem diese beiden Kräftearten durch die Schlagbewegungen auftreten, dem im Schwebeflug fast gleich ist. Mit dem Schub eines Blattes, wobei z die Anzahl der Blätter ist: ρ S Rρ R3 = ∫ ⋅ a ⋅ α ⋅ Ω 2 ⋅ r 2 ⋅ c ⋅ dr = ⋅ a ⋅ α ⋅ Ω 2 ⋅ c ⋅ z 02 2 3
(5.46)
5.5 Quantifizierung der Schlagbewegung
83
mit Gl. (5.44) wird: a0 =
S 0,75 ⋅ R ⋅ z I B ⋅ Ω2
(5.47)
In der Praxis auftretende Werte für den Konuswinkel a0 liegen bei 4° bis 10°. Der Konuswinkel ist im gesamten Geschwindigkeitsbereich relativ gleichbleibend. Für die Schlagbewegung der Blätter in Flugzuständen mit zyklischer Steuerung, also im Vorwärtsflug, ist β = a0
die neue Mittellage.
(5.48)
Die Gl. (5.45) zeigt die Abhängigkeit des Konuswinkels von den Auslegegrößen. Über die Gl. (5.44) in Verbindung mit Gl. (4.65) ergibt sich der Zusammenhang mit der Blattbelastung und dem mittleren Auftriebsbeiwert entsprechend Gl. (4.66). Wie schon in Kapitel 4. beschrieben sind diese beiden Größen nach oben begrenzt, was den Konuswinkel entsprechend in Grenzen hält. 5.5.3 Die Schlagkoeffizienten
Für den Schlagwinkel β wurde der Ansatz 5.27. dargestellt. Aus den Kapiteln 5.2. und 5.3. ist bekannt, dass die Schlag- immer sehr nahe der Drehfrequenz bleibt. Die zeitlichen Ableitungen des Schlagwinkels sind: ⋅
β = a1 ⋅ Ω ⋅ sin Ωt − b1 ⋅ Ω ⋅ cos Ωt
(5.49)
β = a1 ⋅ Ω 2 ⋅ cos Ωt + b1 ⋅ Ω 2 ⋅ sin Ωt
(5.50)
⋅⋅
Diese Ableitungen können in die Schlaggleichungen eingesetzt werden, z.B. in die einfachste, die Gl. (5.10). Durch Koeffizientenvergleich sind daraus dann die Schlagkoeffizienten a1 und b1 ersichtlich: • wenn die cos-Anteile = 0 gesetzt werden ergibt sich: b1= -Θ1 • wenn die sin-Anteile = 0 gesetzt werden: a1= Θ2
(5.51) (5.52)
Die Steuerwinkel sind demnach von ähnlicher Größe wie die für die Steuerung des Hubschraubers erforderlichen Schlagwinkel. Die Gleichungen für die Schlagwinkel erhalten damit folgende Form: β = a 0 − Θ2 ⋅ cos Ωt + Θ1 ⋅ sin Ωt
(5.53)
Ergänzende Anmerkungen: Für die Ergebnisse (5.51) und (5.52) gelten natürlich auch die Vereinfachungen, wie sie zur Herleitung der benutzten Gl. (5.10) getroffen wurden. Die Schlagkoeffizienten lassen sich auch berechnen ohne diese Einschränkungen und für beliebig gestaltete Blätter. Diese Rechnungen sind sehr umfangreich, vor allem wenn beliebige Blattformen und Verwindungen berücksichtigt werden sollen. Hier muss auf Spezialliteratur verwiesen werden [Just: Steuerung und Stabilität von Drehflügelflugzeugen, u.a.].
84
5 Die Schlagbewegung der Rotorblätter
Dem Rotorblatt werden die Schwingungen von den Luftkräften aufgezwungen, in periodischer Form, verursacht durch Anströmung und Ansteuerung. Sie sind weitgehend, aber nicht absolut, einfach-sinus-förmig. Diese Form der Anregung überträgt sich auf die angeregten Bewegungen. Zur genaueren Nachbildung dieser realen Bewegungen sind deshalb die oben herangezogenen Lösungsansätze entsprechend Gl. (5.10) zur Berechnung des Schlagwinkels β um weitere Glieder mit höheren Frequenzen zu ergänzen, d.h. zu Fourier-Reihen zu erweitern: β = a 0 − a1 ⋅ cos ψ − b1 ⋅ sin ψ − a 2 ⋅ cos 2ψ − b 2 ⋅ sin 2ψ − ... a n ⋅ cos nψ − b n ⋅ sin nψ (5.54)
Die Bewegungen, die von den Gliedern mit den höheren Frequenzen repräsentiert werden, überlagern die einfach–sinus-förmigen. Die Schlagbewegung bleibt dabei harmonisch. Die Faktoren a2...an und b2...bn werden sehr schnell relativ klein, sie konnten deshalb zunächst zu Recht vernachlässigt werden. Typische Werte sind: a0
a1
b1
a2
b2
9°
6°
4°
0,5°
-0,1°
Die höherfrequenten Anteile der Schwingungen können, obwohl aus Sicht der Steuerung und der Flugleistungen sekundär, sehr wirksame und vielseitige Schwingungsanreger sein. Bei allen Luftkräften wurden bisher nicht berücksichtigt: Mach- und Rezahleffekte, Abreißen der Blattumströmungen, Rückanströmungen und instationäre Beiwerte.
6 Die Schwenkbewegung der Rotorblätter
Die Schwenkbewegung der Rotorblätter erfolgt in der Rotorebene. Sie wird verursacht durch Corioliskräfte. Diese entstehen durch die Schlagbewegungen der Blätter im rotierenden System. Folgendermaßen: ein Massepunkt des Blattes wird während des Schlagens neben der Auf- und Abbewegung auch in eine weiter innen bzw. außen liegenden Umlaufbahn gezwungen, während er sich primär auf einer Kreisbahn um das Schlaggelenk bewegt. Er nimmt dabei auf Grund der Massenträgheit seine anfängliche Umlaufgeschwindigkeit mit. Dies bewirkt, dass er in der neuen Bahn vor- bzw. nacheilt. Nach den Vereinbarungen der Physik sind für solche Bewegungen Kräfte erforderlich, die man in diesem Falle als Corioliskräfte bezeichnet, mit der gleichnamigen Beschleunigung. Die Schwenkbewegungen der Rotorblätter regen am gesamten Hubschraubersystem Schwingungen an. Um diesen Effekt klein zu halten, sind in der Regel Schwenkdämpfer einzubauen, die Dämpfung durch Luftkräfte ist in Schwenkrichtung nämlich nur marginal. Die Schwenkdämpfer weisen in der Praxis meist auch Federsteifigkeiten auf.
6.1 Schwenken zunächst ohne Coriolis- und Luftkräfte Die nachfolgenden Betrachtungen setzen folgende Annahmen voraus: • Das Rotorblatt ist ein starrer Körper. Mit Σdr = R, d.h. e ist klein. • Die Amplituden der Schwenkbewegungen sind klein. • Blattiefe und -dicke sind klein im Vergleich zum Rotordurchmesser.
Bild 6.1a Schwenkgeometrie
Bild 6.1b Dämpfer
86
6 Die Schwenkbewegung der Rotorblätter
Mit: e d Dδ E kδ IE
Schwenkgelenksabstand (Exzentrizität) Schwenkwinkel Schwenkdämpferkonstante (ggf. fiktives) Schwenkgelenk Federkonstante des Schwenkdämpfers Massenträgheitsmoment um das Schwenkgelenk E
ergeben sich: ⋅
Dämpfermoment:
M D = Dδ ⋅ δ
(6.1)
Federmoment:
M F = kδ ⋅δ
(6.2)
Moment aus der Massenträgheit:
M Tr = I E ⋅ δ
⋅⋅
Moment aus der Zentrifugalkraft:
(6.3)
( )( )
d M Z = − dm ⋅ Ω 2 OM ⋅ EH
( )( )
M Z = − ∫ dm ⋅ Ω 2 OM ⋅ EH = − Ω2 ⋅ e ⋅ sin δ ⋅ ∫ r ⋅ dm
(6.4) (6.5)
mit: ∫ r ⋅ dm = m SE , dem Massenmoment des Blattes um E. Aus dem Ansatz: Momentengleichgewicht um E ergibt sich unter Einbeziehung der Blattträgheitskraft: M D + M F + M Tr = M Z ⋅⋅
⋅
⋅⋅
⋅
(6.6)
I E ⋅ δ+ D δ ⋅ δ+ k δ ⋅ δ = − Ω 2 ⋅ e ⋅ δ ⋅ m SE
(
)
I E ⋅ δ+ D δ ⋅ δ+ k δ + Ω 2 ⋅ e ⋅ m SE ⋅ δ = 0
(6.7)
(6.8)
Eine Lösung dieser Differenzialgleichung zweiten Grades für den Schwenkwinkel d ist wieder der Ansatz für eine gedämpfte harmonische Schwingung. Mit der Eigenfrequenz: e ⋅ m SE k (6.9) + 2δ ω nδ = Ω ⋅ Ω ⋅IE IE mit k = 0, also ohne Federkraft des Dämpfers, mit konstanter Blatttiefe c: e 3 ⋅ R 2
(6.10)
Ω Ω ⋅⋅⋅⋅ 4 3
(6.11)
ωnδ = Ω ⋅
In der Praxis auftretende Werte sind: ωnδ ≈
6.2 Die Schwenkbewegung unter Berücksichtigung der Luft- und der Corioliskräfte
87
Gerade dieser Frequenzbereich ist besonders wirksam für die Anregung von Bodenresonanzen. Was die Notwendigkeit von Schwenkdämpfern besonders unterstreicht. Die Schwenkschwingung als solche ist stabil.
6.2 Die Schwenkbewegung unter Berücksichtigung der Luftund der Corioliskräfte Die Gl. (6.8) ist um Ansätze für die Luftkräfte und die Corioliskraft zu ergänzen. Die Luftkräfte können auf zwei Wegen ermittelt werden: einmal auf der Basis der Blattelementenmethode, wie oben beschrieben, wenn weder Abflugmasse noch Antriebsleistung definiert sind, oder unter Heranziehung des Rotorantriebsmomentes, wenn die Antriebsleistung schon festgelegt ist. Solche Berechnungen zeigen, dass die wechselnden Anteile der in der Rotorkreisebene wirkenden Luftkräfte gegenüber deren konstanten Anteilen vernachlässigbar klein sind. Leider ist dadurch auch die Dämpfung durch die Luftkräfte klein; hier liegt die tiefere Ursache für die Notwendigkeit von Schwenkdämpfern. Aus dem konstanten Anteil der Luftkräfte ergibt sich, entsprechend dem Konuswinkel bei der Schlagbewegung, ein mittlerer gleichbleibender Schwenkwinkel, um den das Blatt horizontal schwingt. Die zur Schwenkbewegung der Rotorblätter anregende Corioliskraft kann relativ einfach abgeschätzt werden: Für die Coriolisbeschleunigung gilt ganz allgemein, mit vr als der Relativgeschwindigkeit des Massenpunktes auf seinen Umlaufbahnen um den Rotationsmittelpunkt: bC = 2 ⋅ Ω ⋅ v r
(6.12)
In unserem Fall ist vr der sin-Anteil der Schlaggeschwindigkeit: ⋅
⋅
v r = v Schlag ⋅ sin β = r β sin β ≈ r β β
(6.13)
damit wird die Corioliskraft: ⋅
d PC = 2 ⋅ Ω ⋅ r β⋅ β ⋅ dm ⋅
PC = 2 ⋅ Ω ⋅ β ⋅ β ∫ r ⋅ dm
(6.14) (6.15)
Mit der Blattmasse M und der zugehörigen Schwerpunktskoordinate rG: M = ∫ dm
wird:
rG =
bzw. ⋅
∫ r ⋅ dm ∫ dm
PC = 2 ⋅ Ω ⋅ β ⋅ β⋅ M ⋅ r G
(6.16)
(6.17)
88
6 Die Schwenkbewegung der Rotorblätter
oder mit der Zentrifugalkraft:
F Z = M ⋅ Ω2 ⋅ r G
(6.18)
β ⋅ ⋅β Ω
(6.19)
PC = 2 ⋅ F Z ⋅ ⋅
worin β und β die bekannten harmonische Funktionen des Umlaufwinkels sind. PC wirkt in der Rotorebene, wird aber hervorgerufen durch eine Bewegung senkrecht zur Rotorebene. Die Größenordnung für in der Praxis auftretende Schwenkwinkel ist:
(
) (
δ = δ0 + δ(ψ ) ≅ 5o ÷ 10o ± 1o ÷ 5o
)
(6.20)
Mit Hilfe von auf dem Rotorkopf angebrachten Kameras sind die Schwenkbewegungen der Blätter sehr gut zu beobachten. Ebenso wie die in Kap.7 behandelten höherfrequenten Blattschwingungen.
7 Die höherfrequenten Rotorblattschwingungen
Die bisher berücksichtigten Schlag- und Schwenkbewegungen der Blätter sind Schwingungen die man als von „null-ter“ Ordnung bezeichnen müsste. Die Blätter schlagen und schwenken auch höherfrequent mit Schwingungsknoten in der Streckung der Blätter, was sich in nicht mehr einfach-sinus-förmigen Bewegungen einzelner Blattelemente ausdrückt (die entsprechenden Verformungen lassen sich mit einer auf dem Rotorkopf mitdrehenden Kamera gut beobachten). Diese Schwingungsformen entsprächen in den Lösungsansätzen für die Schlag- und Schwenkgleichungen den Gliedern mit nψ, wobei n von 2 bis ∞ läuft (siehe auch Anmerkung in Abschn. 5.5.3). Sie wurden in den Kapiteln 5 und 6 auf Grund ihrer kleinen Einflussfaktoren vernachlässigt. Tiefer greifend: weil sie die primäre Schlagbewegung und damit die Flugsteuerung nur wenig beeinflussen. Folgerichtig wurden dort Blatteigenschwingungen durch die Annahme starrer Blätter ausgeschlossen. Völlig unerwähnt blieben bisher die Torsionsschwingungen der Blätter, sie müssen hier berücksichtigt werden. Die höherfrequenten Schwingungen haben sehr große Bedeutung im Zusammenhang mit Problemkreisen wie Vibrationen, vor allem beim Auftreten von Resonanzen, Lasten und Dauerfestigkeiten, Lärmerzeugung und Passagierkomfort. Die Rotoren sind in der Regel die stärksten Schwingungsanreger am Hubschrauber, und ihre Blätter können selbst sehr stark eigenschwingen. Die Rotorharmonischen, das sind ganzzahlige Vielfache der Rotorfrequenz, regen verstärkt an, besonders die mit der Blattzahl als Vielfachem. Schwingungen mit diesen Frequenzen müssen deshalb oft gezielt unterdrückt werden. Alle Bauteile eines Hubschraubers sind elastisch und können, angeregt durch das breite Spektrum der Blattbewegungen, Schwingungen in sich und in Wechselwirkung mit anderen ausführen. Die verursachten hohen Beanspruchungen treffen nicht so sehr die Blätter selbst (wenn überhaupt, dann an der Blattwurzel), sie sind ja nicht primär nach Festigkeits-, sondern nach Steuerbarkeits-(Massen-)kriterien ausgelegt, die Lasten gefährden vor allem die Leichtbaustrukturen der Gesamtmaschine.
7.1 Blattverformungen, das Resonanzdiagramm Vor der Festlegung der Rotordrehzahl (oder einem aktuellen Trend folgend: des zugelassenen Drehzahlbereiches) sind mit dem Ziel der Quantifizierung der Blattverformungen umfangreiche Berechnungen der Rotordynamik erforderlich. Mit iterativer Feinauslegung der Steifigkeiten und Massenverteilungen in den Blattstrukturen; das ist das sog. „Tuning“.
90
7 Die höherfrequenten Rotorblattschwingungen
Dabei sind auch durch punktförmige Zusatzmassen, in das Blatt integriert, Eigenschwingungen in Grenzen zu verändern. Die Rotordrehfrequenz ist so zu wählen, bzw. die Rotorblätter sind in ihren Massen- und Steifigkeitsverteilungen so auszulegen, dass alle Resonanzstellen, an denen die Eigenfrequenzen mit der Drehfrequenz oder den Rotorharmonischen zusammenfallen, ausreichend weit von ihr entfernt liegen. Soll, z.B. im Rahmen der Produktpflege, ein Rotor vergrößert werden, bei unverändertem Antriebsstrang, dann bleibt nur, falls die Resonanzen zu nahe rücken, die Dynamiken der Blätter zu überarbeiten. Die Abstimmung der hier zu betrachtenden Frequenzen kann mit Hilfe des Resonanzdiagrammes, Bild 7.1, veranschaulicht werden. Folgende Eigenschwingungen der Rotorblätter treten auf (und sind wesentlich): • Schlagbiegeschwingungen (1., 2. und 3. Biegeform, d.h. sie haben außer im Schlaggelenk noch einen, zwei oder drei Schwingungsknoten) • Schwenkbiegeschwingungen (1. Biegeform) • Torsionsschwingungen (1. Form)
Bild 7.1 Resonanzdiagramm
Die rechnerische Ermittlung der Rotorblatteigenschwingungen ist sehr komplex. Bei Blattauslegungen sind hier zu berücksichtigen: konstruktiver Aufbau, Geometrie, Massen- und Steifigkeitsverteilungen, Zusatzmassen, Werkstoffeigenschaften, Dämpfungen, mechanische Kopplungen und Kopplungen der dynamischen und aerodynamischen Kräfte, Nichtlinearitäten der Luftkraftbeiwerte, Änderungen der geometrischen Anströmverhältnisse durch Eigenschwingungsamplituden bzw. elastische Blattverformungen und den harmonischen Schlagbewegungen durch die zyklische Steuerung, kinematische Rückkopplungen, Rückanströmung, Mach- und Re-Zahl Effekte über die relevanten Bereiche, Wirkungen von Stömungsabriss bis hin zum zwangsläufig ungleichmäßigen Durchfluss. Das dabei üblicherweise angewandte Verfahren ist die Blattelementenmethode.
7.1 Blattverformungen, das Resonanzdiagramm
91
Die Erfassung aller Effekte führt zu einem gekoppelten, nichtlinearen, inhomogenen Differentialgleichungssystem, das numerisch zu lösen ist. Trotz hohem Rechenaufwand stellen die Ergebnisse nur die Verläufe über der Erregerfrequenz verhältnismäßig zuverlässig dar. Die Absolutwerte sind auf Grund von nur unzureichend zu erfassenden Weichheiten und Spiel am Blattanschluss und in den Blattwinkellagern oft nicht ausreichend genau zu bestimmen. Durch eine Art Kalibrierung muss der Kurvenursprung erst an einem Versuchsblatt ermittelt werden. Dazu wird im ruhenden System ein Blatt zu Schwingungen angeregt, um seine Eigenschwingungsfrequenzen bei ωRotor = 0 festzustellen, das ist der sog. „Bang Test“. Im Resonanzdiagramm, Bild 7.1, sind die Eigenfrequenzen über der Erregerfrequenz aufgetragen. Die Progressivität ihres Anstiegs, vor allem bei der Schlagbiegung, ist eine Wirkung der Zentrifugalkraft. Die Rotorharmonischen bilden sich als Geraden ab. Schnittpunkte dieser beiden Kurvenscharen markieren Resonanzstellen. Um die Forderung nach ausreichender Differenz zwischen Rotorauslegefrequenz und diesen Resonanzstellen zu erfüllen, sollten ca. ±10% Abstand eingehalten werden, evtl. sind die Eigenfrequenzen nocheinmal konstruktiv in geeigneter Weise zu verschieben. Variablen Rotordrehzahlen sind auf Grund der genannten Forderung im Normalbetrieb enge Grenzen gesetzt. Im Drehzahlhochlauf passiert jeder Rotor Resonanzstellen. Für Schlagen und Schwenken können durch Wuchten (in der Regel sind an den Blattspitzen hierfür Wuchtkammern vorgesehen) und Tracken (mit Hilfe von Trackfahnen an den Blatthinterkanten und/oder durch längenverstellbare Blattsteuerstangen) die Massen- und Luftkräfte „null-ter“ Ordnung ausreichend ausgeglichen werden, d.h. Anregungen oder Vibrationen mit der Rotorfrequenz werden minimiert. Das Resonanzdiagramm stellt zunächst die erste Auslegung der Rotorblätter in ihrem Massen- und Steifigkeitsverläufen der Rotordrehfrequenz gegenüber. Am ersten gebauten Blatt müssen die Ergebnisse überprüft werden. Gezielte Verbesserungen bedienen sich dann wieder der Theorie. Noch höherfrequente Blatteigenschwingungen als die im Frequenzdiagramm berücksichtigten können in der Regel durch geeignete Blattkonstruktionen in unkritische Bereiche verschoben werden. Ergebnisse dieser Schwingungsuntersuchungen an Rotorblättern sind: • • • •
Kenntnis der Bewegungen und Deformationen, zugehörige Belastungen, resultierende Blattanschluss- und Steuerkräfte, Ursachen, Ausmaß und Charakteristika der auf die Zelle übertragenen Wechselkräfte (Vibrationen, Lärm).
Noch völlig unbekannt sind die Auswirkungen dieser höherfrequenten Blatteigenschwingungen auf die Umströmungsverhältnisse am Blattprofil und damit auf die Schuberzeugung; ebenso die Effekte hervorgerufen durch die auf diese Weise hochgradig instationären Aerodynamik an den verwendeten Profilen über der Blattstreckung; ob aus entsprechenen Wirkungen Vorteile gezogen werden können, oder Nachteile bekämpft werden müssen, falls solche auftreten.
92
7 Die höherfrequenten Rotorblattschwingungen
7.2 Formänderungen des Rotorsystems, Luft- und/oder Bodenresonanz Auf der übergeordneten Baugruppenebene des Rotors, wird eine weitere Gruppe von Schwingungen angeregt. Der Rotor mit der Nabe und den daran angelenkten Blättern ist selbst ein schwingungsfähiges System, das seine Geometrie ständig ändert. Durch die Einführung der Schlag- und Schwenkgelenke wurden die Biegemomente aus den auf die Blätter einwirkenden Kräften und deren Hebelarme zwischen Blattwurzeln und Rotornabe eliminiert. Die Kräfte selbst sind natürlich weiterhin vorhanden. Sie sollen über die Rotornabe mit denen der gegenüberliegenden Blätter zum Ausgleich kommen. Sie gleichen sich aber nur in der Idealkonfiguration vollständig aus. Meist bleiben Restkräfte, die dann über den Rotormast auf die Zelle wirken. Sie können sich dort als starke Vibrationen bemerkbar machen und vor allem, auf Grund ihrer Frequenzlage, Luft- und/oder Bodenresonanzen verursachen. Der Kräfteausgleich geschieht unvollständig, weil die nominale Geometrie in den seltensten Fällen und wenn, dann nur während kürzester Zeitabschnitte besteht. Die Rotations- und Eigenbewegungen der Blätter werden überlagert von folgenden zusätzlichen Blattbewegungen: 1. 1.1. 1.1.1. 1.1.2. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 2. 2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 3.
Zwei gegenüberliegende Blätter können gegeneinander schwingen In der Rotorebene, Gegensinnig, es entstehen radial gerichtete Restkräfte, Gleichsinnig mit Wirkung in der Rotordrehrichtung, Senkrecht zur Rotorebene, Im Gleichtakt, mit Kraftwirkungen in z-Richtung, Gleichsinnig mit Momentenwirkung auf die Rotornabe. Zwei Blattpaare schwingen gegeneinander In der Rotorebene mit Kraftwirkungen in z-Richtung, Kollektiv mit Wirkung in der Rotordrehrichtung, Gegensinnig und damit reaktionslos, Senkrecht zur Rotorebene, Kollektiv mit Kraftwirkungen in z-Richtung, Im Gegentakt und damit reaktionslos. Alle Schwingungen können auch in den höheren Frequenzen auftreten.
Sichtbar werden solche Überlagerungen an der nicht mehr absoluten Ein-sinFörmigkeit der Blattbewegungen, hier des ganzen Blattes. Zu beobachten vor allem an den Blattspitzen. Die Bewegung entsprechend 1.1.1: Schwingen zweier gegenüberliegender Blätter, gegeneinander, in der Rotorebene, tritt am deutlichsten in Erscheinung. Die Zentrifugalkräfte sind die dominierenden Kräfte am Blatt. Die der beiden gegeneinander schwingenden Blätter können sich nicht völlig ausgleichen. Vektoriell addiert bleibt eine Restkraft, wie in Bild 7.2. dargestellt. Da es sich bei den Kräften um Massenkräfte handelt, kann die Restkraft als auf den aus der Rotor-
7.2 Formänderungen des Rotorsystems, Luft- und/oder Bodenresonanz
93
mitte ausgewanderten Rotorschwerpunkt wirkende Zentrifugalkraft gedeutet werden.
Bild 7.2 Entstehen der Restkraft
Bild 7.3 Bahnkurve des Rotorschwerpunktes
Bild 7.4 Folgen von Bodenresonanz
94
7 Die höherfrequenten Rotorblattschwingungen
Der Schwenkzyklus läuft schneller als der Rotorumlauf (dargestellt in Bild 7.3 ist: 4-fach schneller). Der Rotorschwerpunkt durchläuft dadurch während einer Rotordrehung eine schleifenförmige Bahn um den Rotormittelpunkt, Bild 7.3. Bei Schwenkwinkeln von 5° wird der Schwerpunkt um etwa 2 % R ausgelenkt. Dadurch entsteht eine nicht ausgeglichene Restzentrifugalkraft der Größenordnung von etwa 10 % des Hubschraubergewichtes. Sie wird spürbar als Vibration mit einer Frequenz, entsprechend der Differenz aus Dreh- und Schwenkfrequenz. Im Abschn. 12.6.2.3 wird sich diese Schwingung als eine sich sehr deutlich abzeichnende Störung im Frequenzgang zeigen. Dies ist, auf Grund ihrer Wirkung, eine der wichtigsten Schwingungen, von denen, die zur Vermeidung von Luftund/oder Bodenresonanzen, auch mit Hilfe von Schwenkdämpfern, in Grenzen gehalten werden muss. In der frühen Entwicklungsphase der Bo105 wurde, mit der Absicht, Entwicklungszeit zu sparen, an Stelle des gelenklosen Rotors „System Bölkow“, für den das Gesamtsystem ausgelegt war, ein gelenkiger Rotor des Hubschraubers Scout der Firma Westland montiert. Mit ihm musste die volle Wirkung einer Bodenresonanz erfahren werden, Bild 7.4. Das GTV (Ground Test Vehicle) wurde schneller zerstört, als der Pilot oder die Sicherungseinrichtungen reagieren konnten.
7.3 Unterdrückung von Schwingungen und Vibrationen Trotz aufwändigem Rotortuning ist die Vibrationserzeugung durch den Rotor nie ganz zu unterdrücken, das ist die Erkenntnis aus den beiden Kap. 7.1 und 7.2. Dazu kommt noch eine Anregung durch das Pulsieren des Rotorschubes. Die lokale Schuberzeugung eines Blattes ist vom Umlaufwinkel abhängig. Sie schwingt um den benötigten Mittelwert, und zwar mit Frequenzen, die der Drehfrequenz multipliziert mit Vielfachen der Blattzahl entsprechen. Die Amplituden werden dabei mit steigender Blattzahl immer kleiner. Das gesamte Kollektiv der Schwingungen und Vibrationen belastet Maschine und Besatzung. Es wurden deshalb Techniken entwickelt, um Vibrationskräfte zu minimieren und/oder um ihre Übertragung vom Rotor auf die Zelle zu unterdrücken oder zu unterbinden: • Ungerade Blattzahl. Es liegen keine Blätter gegenüber die unmittelbar gegeneinander schwingen könnten. • Hohe Blattzahl. Die Amplituden der dem Schub überlagerten Schwingung werden kleiner und damit die Erregungskräfte. • Absorber. Am Rotorkopf oder an den Blattwurzeln schwingend aufgehängte Massen, die, entsprechend abgestimmt und gedämpft, die anregenden Schwingungskräfte weitgehend unterdrücken. • Weiche Aufhängung. A: Das Hauptgetriebe steht auf einem biegeweichen aber trotzdem torsionsmomentübertragenden Boden.
7.3 Unterdrückung von Schwingungen und Vibrationen
95
B: Zwischen Hauptgetriebe und Rumpf ist ein schwingungsfähiger Träger mit Gegengewicht eingebaut, an dessen Schwingungsknoten der Rumpf aufgehängt ist. • Passive Schwingungsisolationssysteme. Entsprechend abgestimmte Feder-Masse-Dämpfer-Systeme blockieren die Übertragung definierter Frequenzen. Zwischen dynamischem System und Rumpf eingebaut, unterbinden solche Systeme die Übertragung genau dieser Frequenz. • Aktive Schwingungsisolationssysteme, In Entwicklung sind „higher harmonic control systems“ mit hydraulisch oder piezoelektrisch d.h. A: längenveränderlichen Blattsteuerstangen oder B: angesteuerten Klappen an den Blatthinterkanten. Damit werden die Blätter höherfrequent so angesteuert, dass die unerwünschten Vibrationskräfte möglichst gar nicht entstehen. C: Eine weitere Möglichkeit bietet eine hydraulisch oder piezoelektrisch bewegungskontrollierte Aufhängung der Zelle an das Hauptgetriebe (ARIS). Die vom dynamischen System verursachten Vibrationsbewegungen werden eliminiert durch eingesteuerte Gegenbewegungen der Aufhängung. D: Eingriff in die Steuerung der Steuerhydraulik.
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Der Leistungsbedarf des Hubschraubers um zu starten, zu schweben, senkrecht zu steigen und senkrechten Sinkflug auszuführen konnte mit Hilfe der Strahltheorie ermittelt werden. Dieses Verfahren versagt ab mittleren Horizontalfluggeschwindigkeiten. Mit der Energiemethode ist es möglich den Leistungsbedarf im Vorwärtsflug zu ermitteln; auch ohne den Einsatz von Großrechnern, wie heute üblich. Durch Kombination beider Ergebnisse, mit schleifendem Übergang, entsteht die Leistungspolare, die Grundlage zur Bestimmung aller Flugleistungen unserer Hubschrauber.
8.1 Einsatzenvelope von Hubschraubern Maximale Fluggeschwindigkeit: maximale Flughöhe: maximale Reichweite: Temperaturbereich: Seitenwind (aus jeder Richtung!): Leergewichtsverhältnis: Nutzlastverhältnis:
vmax < 300 km/h bis 350 km/h, Hmax < 5000 m bis 7000 m, Rmax ≈ 500 bis 1000 km, - 45 ° C < t < + 55 ° C, vWind bis 17 kt (≈ 31 km/h), Gleer/Gmax ≈ 0,4 bis 0,5, GNutz/Gmax ≈ 0,25.
Dies sind Eckpunkte. Sie werden im praktischen Einsatz nur sehr selten geflogen. Für hohe vmax und Hmax gibt es Spezialhubschrauber, Rmax als Auslegeeckwert ergibt sich aus Einsatzanalysen. Die Reichweite kann durch Tausch von Nutzlast gegen Zusatztanks gesteigert werden.
8.2 Wichtige Leistungsparameter und -begriffe • • • • • • • •
VTOL (Vertical Take Off and Landing), Schweben außerhalb des Bodeneffektes (ohne BE: OBE, englisch: OGE), Schweben im Bodeneffekt (IBE, oder: hover IGE), Dienstgipfelhöhe (vZ,min = 0,5 m/s), Sinkgeschwindigkeit (senkrecht oder schräg), Steiggeschwindigkeit (senkrecht oder schräg), Reisegeschwindigkeit, Fluggeschwindigkeit, Reichweite.
8.3 Standardbedingungen, Druckhöhe/Dichtehöhe
97
8.3 Standardbedingungen, Druckhöhe/Dichtehöhe Geflogen wird in der Luftfahrt nach Druckhöhen. Für das Leistungsangebot der Triebwerke sowie den Leistungsbedarf der Flugzeuge ist jedoch die Luftdichte maßgebend und damit die Dichtehöhe. Luftdichte und -druck sind höhen- und temperaturabhängig. Bei atmosphärischen Bedingungen, die von der Normatmosphäre (ISA) abweichen, sind die Flugleistungen von Dichtehöhen auf Druckhöhen umzurechnen. Flughandbücher zeigen Druckhöhen (s. Bilder 8.5–8.9). Standardbedingungen ISA:
zo = 0 m (NN oder MSL) to = 15 ° C oder 288 ° K po = 1013 hPa ρο = 1.225 kg/m3
Höhenabhängigkeiten der Standardatmosphäre: t = 15 ° - 6,5 °/km ⋅ z mit z in km und t in ° C σ = ρ / ρο Ansatz : σ ≅ (20 km - z) / (20 km + z) ϕ = p / po Ansatz : p ≅ po ⋅ σ ⋅ (273 ° + t) / 288 ° aus ( 8.3a ) und ( 8.3b ) : σ = ϕ ⋅ 288 ° / (273 ° + t)
(8.1) (8.2a) (8.2b) (8.3a) (8.3b) (8.3c)
Die Dichtehöhe zσ ergibt sich aus (8.2b) und (8.3c): (20 km - z)/(20 km + z) = ϕ ⋅ 288 °/(273 ° + t) oder:
zσ =
20 km ⋅ [t − (288° ⋅ ϕ − 273°)] 288° ⋅ ϕ + 273° + t
(8.4)
Beispiel: Gegeben sind: zp = 1500 m, t : ISA+20 ° C, Gesucht ist: zσ . zσ = 20 km [25,25 ° - (239 °-273 °)] / (239 °+273 °+25,25 °) = 2,188 km Es sind reduzierte Flugleistungen entsprechend dieser Dichtehöhe von 7177 ft an Stelle von 4920 ft MSL zu erwarten. Dazu zwei Anmerkungen aus der Flugpraxis: 1. „Vom Hoch in’s Tief, das geht schief “. Auf Flugwegen von Hochdruckzonen in Richtung Tiefdruckzonen muss der Höhenmesser laufend nachjustiert werden (QNH-Einstellung), sonst täuscht die Höhenanzeige nicht vorhandene Flughöhen vor, was an Hindernissen und in Bodennähe fatal werden kann. 2. „Im Winter sind die Berge höher“. Je tiefer die Außentemperatur in entsprechender Flughöhe unter der Standardtemperatur liegt, desto höher ist die Luftdichte im Vergleich zur Normaldichte. Bei extremer Kälte und damit hoher Luftdichte, zeigt der Höhenmesser einen zu hohen Wert an. Als Faustformel kann gelten: 2 % pro 5 ° C (z.B.: bei angezeigter Sichtflugfläche (Flight Level) FL55 befindet man sich bei -19 ° OAT in dem für IFR vorgesehenen FL50). Der Unterschied zwischen CAS und TAS: TAS=1/σ-2⋅CAS hat seine Ursache in der Dichteabhängigkeit des Staudrucks. Der Pilot bekommt in großen Höhen und bei erhöhten Temperaturen zu geringe Geschwindigkeiten angezeigt.
98
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
8.4 Die Leistungspolare 8.4.1 Schwebeflug Der Schwebeflug wurde im Wesentlichen im Kap. 4 abgehandelt, wobei insbesondere Abschn. 4.2.3.6 zur Ermittlung der Rotorleistung heranzuziehen ist. Zusätzlich zum Leistungsbedarf des Hauptrotors sind die des Heckrotors und der anderen Verbraucher, wie z. B. Antrieb von Hydraulik- und Kraftstoffpumpen, Stromgeneratoren, Kühlern, zu berücksichtigen. Es treten Einbauverluste (Triebwerkseinlauf- und Abgasverluste) auf und die mechanische Übertragung der Leistung erfolgt mit Verlusten. N Rotor (8.5) Für den Heckrotor gilt: S HeRo = Ω ⋅ l HeRo mit: lHeRo als Abstand zwischen den beiden Rotorachsen. Damit lässt sich der Leistungsbedarf des Heckrotors im Schwebeflug analog zum Hauptrotor berechnen. In der Praxis brauchen Heckrotoren zum Drehmomentausgleich beim Start etwa 10 % der Leistung des Hauptrotors (Dauerleistung). Zur Steuerung des Hubschraubers muss der Heckrotor jedoch kurzzeitig einen wesentlich höheren Schub erzeugen können, etwa den 2,5-fachen Schub nach obiger Gleichung. 8.4.2 Vorwärtsflug Wie bei allen Flugzeugen ist auch beim Hubschrauber der Leistungsbedarf als Funktion der Geschwindigkeit zu ermitteln. Die spezifische Besonderheit beim Hubschrauber ist dabei, dass diese „Leistungspolare“ bis in Bereiche negativer Fluggeschwindigkeiten (Rückwärtsflug) reicht und in Schwebeflugnähe auch für Flüge in jede Richtung gilt. Die Leistungspolare, in Relation gesetzt zu dem Leistungsangebot der Triebwerke, bildet die Grundlage zur Bestimmung aller Flugleistungsangaben. Aufzubringen sind folgende Teilleistungen: 1. Für den Hauptrotor: a) induzierte Leistung aus der Auftriebserzeugung, b) Profilleistung aus Druckwiderstand und Reibung, 2. Leistung zur Überwindung der schädlichen Widerstände von Rumpf, Rotoren und Anbauten, 3. Leistungsbedarf/Überschuss zum Ändern der potentiellen Energie des Hubschraubers bei Steigen oder Sinken, sonstige Manöverleistungen, 4. Leistungen für: a) Heckrotor für den Drehmomentenausgleich,
8.4 Die Leistungspolare
99
b) Antrieb von Hydraulikpumpen, Generatoren, Kühlgebläse, etc., c) Getriebeverluste (ca. 0,5 % pro Zahnradstufe) d) Einbau der Triebwerke (Einlaufgewinne/-verluste, Abgasverluste). Zusammengefasst ergibt sich der Gesamtleistungsbedarf im Vorwärtsflug (alle Teilleistungen sind Funktionen der Geschwindigkeit): N gesamt = N i + N 0 + N p + N c + ( N v )
mit:
(8.6)
Ni induzierte Leistung No Profilleistung Np Leistung zur Überwindung schädlicher Widerstände (parasit) Nc Manöverleistung (climb) Nv sonstige und Verlustleistungen.
Üblich und praktikabel ist folgendes Vorgehen auf der Grundlage der Energiemethode: Definition von aerodynamischen Widerständen, mit v als der Fluggeschwindigkeit: Wi ⋅ v = Ni (induzierte Leistung) Wo ⋅ v = No (Profilleistungsanteil) Wp ⋅ v = Np (schädliche Leistung) Wc ⋅ v = Nc (Manöverleistungsanteil) W = Wi + Wo + Wp + Wc (gesamter Widerstand) W ⋅ v = N (gesamte Leistung)
(8.7a) (8.7b) (8.7c) (8.7d) (8.7e) (8.8)
Durch Bezug der Widerstände auf den benötigten Schub S, der etwa dem Auftrieb entspricht, entstehen folgende dimensionslose Größen, die mit Hilfe von Näherungsmethoden bestimmt werden können: W Wi W0 W p Wc + = + + S S S S S
(8.9a)
Daraus ergeben sich: die am Rotormast benötigte Leistung N und das Drehmoment M W N M ⋅Ω = = (8.9b) S v⋅S v⋅S In der Gl. (8.9a) repräsentieren die ersten beiden Summanden die vom Rotor verbrauchte Leistung: W W W (8.9c) = i+ 0 S Rotor S S 8.4.2.1 Induzierte Leistung In Kap. 4 Grundzüge der Leistungsrechnung wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich das Strömungsbild in der Umgebung der Rotorscheibe bei Flügen mit Vorwärtsgeschwindigkeit dem Strömungsbild um einen Starrflügel stark nähert, Bild 8.1 zeigt dies. Die Rotorkreisscheibe wirkt wie eine elliptische Tragfläche,
100
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
die zur Auftriebserzeugung eine über der Spannweite annähernd elliptisch verteilte Zirkulation aufbaut.
Bild 8.1 Globales Strömungsbild
Die zweifach dreieckförmige Auftriebsverteilung über der Rotorspannweite, s. Bild 4.10, bewirkt beim Rotor eine gleichverteilte Zirkulation, im Gegensatz zur elliptischen Zirkulationsverteilung am Tragflügel. Diese beiden Verteilungen können aber als ausreichend ähnlich gelten. Als grundlegender Ansatz zur Ermittlung beider Zirkulationsverläufe wurden optimal gleichverteilte induzierte Geschwindigkeiten angenommen. Diese drei Entsprechungen: 1. Identisches zu beobachtendes globales Strömungsbild, Bild 8.1, 2. ausreichend ähnliche Zirkulationsverteilung und 3. gleiche grundlegende Optimalannahmen legen nahe, die Rotorkreisfläche für die Abschätzung der induzierten Leistung als Tragfläche mit idealer Zirkulationsverteilung zu betrachten. Für solche ideale Tragflügel hat Prandtl als erster den Beiwert des induzierten Widerstandes gefunden: 2
cW ,i =
cA π⋅Λ
(8.10)
Mit der Streckung einer Kreisscheibe:
b2 D 2 4 = = F F π kann für den induzierten Widerstand geschrieben werden: Λ=
(8.11)
2
ρ cA ρ 2 c c ⋅ ⋅v ⋅ F = A ⋅ A ≈ A ⋅S W i = cW ,i ⋅ ⋅ v 2 ⋅ F = 2 4 2 4 4 W i cA (8.12) = S 4 Diese Gleichung gilt mit ausreichend guter Näherung für mäßige Rotoranstellwinkel und damit für Geschwindigkeiten größer als ca. 50 km/h.
Und es ergibt sich:
8.4 Die Leistungspolare
101
8.4.2.2 Profilwiderstandsleistung
Die Ermittlung dieses Anteils ist sehr aufwändig, wenn hohe Genauigkeiten gefordert sind. Dabei kommen dann umfangreiche Gleichungssysteme und/oder Simulationsprogramme zum Einsatz. Trotz einiger vereinfachenden Annahmen liefert aber auch hier die weitaus handhabbarere Energiemethode zuverlässige Ergebnisse. Die Tangentialkraft an einem Blattelement c⋅dr beträgt: ρ (8.13) dT = c wP vt2 ⋅ c ⋅ dr 2 v ⋅ cos α Ro v mit: ≈ ist, vt = U (x + µ sin ψ ) worin µ = U U ρ wird: dT = c wP U 2 ⋅ c ⋅ (x + µ ⋅ sin ψ )2 ⋅ dr (8.14) 2 und die zur Überwindung dieser Kraft aufzuwendende Leistung: R 1 ρ 3 (8.15) N 0 (ψ ) = ∫ vt ⋅ dT = c wP U 3 ⋅ R ⋅ ∫ c ⋅ (x + µ ⋅ sin ψ ) ⋅ dx 2 0 0 Bei konstanter Blattiefe c = cx = r/R = 0,7 , unter Verwendung der Flächendichte σ, integriert über alle z Blätter und den Umlauf : c wP ρ 3 (8.16) ⋅ ⋅U ⋅ S ⋅ σ ⋅ 1 + 3 µ2 N0 = 4 2 Aus der Leistung ergibt sich mit Division durch v der Widerstand und durch Umstellen: W 0 c wP ⋅ σ 1 3 (8.17) ⋅ + = 4 c a µ3 µ S wobei das cwP dem bereits im Rahmen der Blattelementenmethode verwendeten cd0 entspricht. Es ist mit veränderlicher Schuberzeugung, und das damit zu ermittelnde cQ0, relativ gleichbleibend, s. Bild 4.12. Die mit den Glg. (4.42 oder 4.43) angegebenen Annäherungen der Veränderlichkeiten können auch hier herangezogen werden, falls verbesserte Genauigkeit verlangt wird. Diese Vorgehensweise berücksichtigt keine evtl. vorhandenen Machzahleffekte und keinen Strömungsabriss am rücklaufenden Blatt. Beides würde, im oberen Geschwindigkeitsbereich, den Leistungsbedarf stark steigern.
(
)
8.4.2.3 Schädliche Leistung
Der schädliche Widerstand ist definiert durch: ρ (8.18) W p = ⋅ v 2 ⋅ cWR ⋅ π ⋅ R 2 2 worin cWR der auf die Rotorkreisfläche bezogene Widerstandsbeiwert des Gesamthubschraubers ist. Mit der sogenannten schädlichen Widerstandsfläche:
(
)
102
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
f s = cWR ⋅ F Rotor
(8.19)
ergibt sich:
ρ 2 W p f s ⋅ 2 ⋅v fs fs = (8.20) = = S 2 S c A ⋅ F Rotor cA⋅ π⋅ R Die schädliche Widerstandsfläche fs kann mit Hilfe von Handbüchern bzw. Statistiken abgeschätzt oder in Windkanälen gemessen werden. Mit der Abflugmasse M in [t] und fs in [m2] haben durchschnittliche Hubschrauber: (8.21) f s = A ⋅ ln( M ) + B
mit: A = 0,84 m2 und B = 0,33 m2 für aerodynamisch günstige Konfigurationen A = 1,29 m2 und B = 0,70 m2 für Konfigurationen mit Anbauten (8.22) A = 1,74 m2 und B = 1,07 m2 für Konfig. mit vielen Anbauten Hier wird der Einfluss guten Designs auf die benötigte Antriebsleistung sichtbar. Anbauten verursachen im Schnellflug Mehrleistungsbedarf, einmal als Widerstandskörper, aber auch durch Interferenzluftwiderstände im Zusammenwirken mit anderen Körpern. 8.4.2.4 Manöverleistung am Beispiel „Steigen"
Die Hubleistung wird im Rahmen der Energiemethode in eine Widerstandsleistung in der Horizontalen übersetzt, Bild 8.2.
Bild 8.2 Hubleistung
Mit: vFlug v vz γ
= Bahngeschwindigkeit, = Translationsgeschwindigkeit, = Steiggeschwindigkeit, = Steigwinkel.
Der Steigwinkel kann als klein und G=S angenommen werden. N c = G ⋅ vz = W c ⋅ v
(8.23)
vz = G ⋅ sin γ (8.24) v Die Annahme kleiner Steigwinkel γ bedeutet, dass dieser Ansatz wieder erst im oberen Fluggeschwindigkeitsbereich gilt. Als Beitrag zur Berücksichtigung von Manöverleistungen, hier repräsentiert durch die Steigleistung, ergibt sich somit: W c vz (8.25) ≈ S v Wc = G⋅
8.4 Die Leistungspolare
103
8.4.3 Gesamtleistungsbedarf
Der Gesamtleistungsbedarf als Funktion der Geschwindigkeit ist die Summe der oben ermittelten Teilleistungen. Die so entstehende „Leistungspolare“ ist die Grundlage aller Flugleistungsrechnungen. Dabei immer in Relation gesetzt zum Leistungsangebot der Triebwerke.
Bild 8.3 Leistungspolare 1
Das Bild 8.3 zeigt die prinzipiellen Eigenschaften der Leistungspolaren von Hubschraubern:
• Im Vorwärtsflug benötigt der Hubschrauber bis zu mittleren Geschwindigkeiten weniger Antriebsleistung als im Startschwebeflug. Das bewirkt folgendes: ein Hubschrauber der senkrecht starten kann, erreicht auch schon bemerkenswert hohe Fluggeschwindigkeiten. • Für Rückwärts- und Seitwärtsflüge in Schwebeflugnähe entspricht der Leistungsbedarf dem für Schweben. • Bodeneffekt kann den Startleistungsbedarf reduzieren. • Die zur Verfügung stehende Antriebsleistung sollte den Startleistungsbedarf übersteigen. (Bei Gleichheit spricht man von einem balanced design, der wirtschaftlich günstig ist, aber keine Reserven für Manöver bereit hält). Steht weniger zur Verfügung, dann bleiben, auf Grund der zunächst mit Fahrtaufnahme fallenden Tendenz der Polaren, in gewissem Rahmen „Luftkissen“-, Sprungund vor allem Rollstart möglich. • Der normalerweise vorhandene Leistungsüberschuss steht für Beschleunigungen und Manöver zur Verfügung. Er wird im stationären Flug, während dem er ja nicht benötigt wird, triebwerksseitig abgeregelt. Die Energiemethode geht von Kräftegleichgewichten aus. Sie berücksichtigt nicht die Leistungsverbräuche durch die sogenannten Trimmwiderstände. Diese entstehen als Zuschläge durch die Anströmwinkeländerungen der einzelnen Bauteile mit der Geschwindigkeitsaufnahme. Werden sie berücksichtigt, wird der
104
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Kurvenast der Polaren im Hochgeschwindigkeitsbereich steiler. Sollen die Trimmwiderstände berücksichtigt werden, dann sind zusätzlich alle weiteren am Hubschrauber angreifenden Momente einzubeziehen. Und schließlich muss dann auch die Rotoransteuerung für den stationären, also ausgetrimmten Flug, ermittelt werden, d.h. die Trimmwinkel. Die Leistungspolare entspricht im Prinzip der des Flugzeugs. Der entscheidende Unterschied solcher für Flugzeuge zu denen der Hubschrauber ist deren Abbruch zu niedrigen Fluggeschwindigkeiten hin. Dieser Abbruch entsteht durch Überziehen, während in diesem Bereich der Hubschrauber sicher fliegt, und das sogar in alle Richtungen einschließlich rückwärts. Unter Nutzung der oben aufgeführten Formeln 8.6 bis 8.25 ergibt sich für den Hubschrauber Bo105 das folgende Diagramm auf Bild 8.4, das die Wirklichkeit sehr gut trifft. Bo105 m it 2,5 t NN/ISA (Energiem ethode, ohne Manöver und sonstige Verbraucher)
600
gesamt
Leistung kW
500 400
schädlich
300 induziert
200
Profil
100 HeRo 0 0
50
100
150
200
250
300
Geschw indigkeit km /h
Bild 8.4 Leistungspolare 2
Leistungen für Hilfsantriebe und sonstige Verbraucher, oder Leistungsverluste durch Zapfluft aus dem Verdichter z. B. für die Klimatisierung, sind in der Leistungspolaren in Bild 8.4 noch nicht berücksichtigt. Da die benutzte Näherungsgleichung Gl. (8.12) für den Anteil der induzierten Leistung bei niedrigen Geschwindigkeiten versagt, wurde in diesem Bereich die Schwebeflugformel integriert. Einige wichtige Tendenzen, dargestellt in Bild 8.5: a) Vergrößerter Rotordurchmesser verringert den Leistungsbedarf, das wurde auch schon aus der Schwebeflugformel Gl. (4.19) ersichtlich b) Steigendes Abfluggewicht erfordert Mehrleistung, ebenfalls schon eine Erkenntnis aus der Schwebeflugformel c) Größere Flughöhen erfordern im Schwebeflug auf Grund der geringer werdenden Dichte mehr Antriebstriebsleistung, im Schnellflug immer weniger, da die schädliche Leistung bei hohen Geschwindigkeiten dominierend wird. Sie ist direkt von ρ= f(H) abhängig, also mit H fallend.
8.4 Die Leistungspolare
Leistung
Leistung
D2>D1
Leistung
G2>G1
Fluggeschwindigkeit
a
105
H2>H1
Fluggeschwindigkeit
b
Fluggeschwindigkeit
c
Bild 8.5 Leistungspolaren 3, Tendenzen
Die hier benutzte Energiemethode berücksichtigt keine Stall- und Machzahleffekte und auch nicht die bereits in Kap. 9.3 erwähnte Grenze der Steuerbarkeit. Vor allem aber auch keine Trimmwerte! Um diese zu ermitteln sind umfangreiche Simulationsrechnungen erforderlich. Sie ergeben sich aus den Lösungen des Systems aller Kräfte- und Momente am Gesamthubschrauber. Ein typisches Beispiel für die wichtigsten Trimmwinkel in Abhängigkeit von der Fluggeschwindigkeit ist im Bild 8.6.a,b,c,d gegeben, der Längsneigungswinkel Θ, und die Ansteuerungswinkel des Rotors: der Kollektivwinkel ϑ0,7 (Einstellwinkel bei x = r/R = 0,7), ϑs als sin-Komponente und ϑc als cos-Komponente des zyklischen Blattsteuerwinkels. Im Sinne von: ϑBlatt = ϑ0 ,7 + ϑs ⋅ sin ψ + ϑc ⋅ cos ψ
(8.26.)
Bild 8.6 Trimmwinkel (Bo105 mit 1,75t, Rechnung/Messung)
Der mit der Fluggeschwindigkeit zunehmende negative Nickwinkel verursacht progressiv den Hauptteil der Trimmwiderstände am Rumpf und seinen Anbauten sowie dem Leitwerk (auch hier sind wieder Rundumpolaren erforderlich!), diese Widerstände wachsen zudem quadratisch mit der Fluggeschwindigkeit.
106
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Der Kollektivwinkel ϑ0,7 folgt der Form der Leistungspolaren. Der Winkel ϑs, der etwa dem Längsteuerwinkel entspricht, fällt stetig; dies ist ein wichtiges Kriterium um später im Bereich Steuerung Stabilität zu erreichen. Der Quersteuerwinkel ϑc ist, wie für den Geradeausflug zu erwarten, relativ gleichbleibend, nur etwas gestört durch Koppeleffekte. Mit den Trimmwinkeln und der genauen Kenntnis der Flugsituation kann für jedes einzelne Bauteil (Widerstandskörper) und für jedes profilierte Drehflügelelement die Anströmung nach Betrag und Winkel errechnet werden. Damit können in die Leistungsrechnung durch digitale Simulation (die auf der Basis der Blattelementenmethode funktioniert) Widerstands- und Auftriebspolaren eingeführt werden. Die Profilpolaren decken dann in der Form von Rundumpolaren (α = 0 ° bis 360 °), auch die Stall- und Rückanströmbereiche ab. Machzahleffekte können in den Profilpolaren berücksichtigt werden, die den Bereich mittlerer Mach-Zahlen bis M = 1 abdecken. Einzig der Rotorabwind ist hier bei der Bestimmung der Anströmung noch nicht berücksichtigt. Oft reichen hier aber schon einfache Annahmen aus, wie z.B. lineare Verteilungen. Mit Wirbeltheorien wären verbesserte Ansätze möglich. CFD ist hierzu im Aufbau.
8.5 Flugleistungen Die angesprochenen Simulationsrechnungen können so organisiert werden, dass sich alle wichtigen interessierenden Flugleistungen des Hubschraubers ergeben:
• Leistungsbedarf als Funktion der Geschwindigkeit, • Steigvermögen bei einer vorgegebenen Geschwindigkeit, oder der optimalen, • maximale Schwebehöhen IBE und OBE, ab einer bestimmten Hoch/HeißKombination ist Schweben nicht mehr möglich, fliegen mit Vorwärtsgeschwindigkeit aber weiterhin, • Dienstgipfelhöhe, Grenze der Steigfähigkeit, • Reichweiten und Flugdauern, • Zuladung und Nutzlast über der Reichweite, • Fluggeschwindigkeiten in Abhängigkeit von Flughöhen, der OAT und der Abflugmasse. Andererseits können auch Flugleistungen vorgegeben werden zur Feststellung aller Trimmparameter, von denen die bereits angesprochenen Trimmwinkel nur einen Teilbereich abdecken. Schließlich können sogar Bewegungsverläufe vorgegeben werden, um Flugeigenschaften darzustellen. 8.5.1 Triebwerksleistungen
Dem Leistungsbedarf des Hubschraubers muss im Rahmen der angesprochenen Simulationsrechnungen das Leistungsangebot der Triebwerke gegenübergestellt werden. Das erfolgt in der Regel durch Integration standardisierter Soft-WareModuln in die Simulationsprogramme. Diese Unterprogramme werden von den Triebswerksherstellern zur Verfügung gestellt.
8.5 Flugleistungen
107
Als Antrieb dienen heute meistens eine oder mehrere Wellenturbinen. Seltener, und wenn, dann bei Kleinhubschraubern, kommen auch noch Kolbenmotoren zur Anwendung. Bei Gasturbinen sind folgende Leistungsstufen (power settings) gebräuchlich:
• Notleistung: damit sind nur einige Sekunden Laufzeit möglich, danach ist in der Regel Triebwerkstausch vorgeschrieben, • Startleistung: 2,5 bis 5 Minuten Laufzeit sind zulässig, manchmal sind für OEIOperationen auch etwas längere Laufzeiten zugelassen, • 30-min-Leistung für längere Steigflüge, eventuell für OEI auch als Dauerleistung zugelassen, • Dauerleistung, • oft lassen TW-Hersteller für den OEI-Fall erhöhte Dauerleistungen zu. Die power settings sind über zulässige Turbinentemperaturen (T4) definiert. Werden im Rahmen geforderter Flugmanöver andere Triebwerksleistungen benötigt als sie dem vom Piloten eingestellten power setting entspricht, dann regeln sich die Triebwerke (TW) automatisch ab; oder auch zu höherer Leistungsabgabe, z.B. bei TW-Ausfall einer Doppeltriebwerksanlage. Wellenturbinen können „flat rated“ sein, die Leistungsspitze ist dann gekappt, zur Gewichtsersparnis, am triebwerksseitigen Untersetzungsgetriebe und auch am Hauptgetriebe. Solche Grenzen können auch hubschrauberseitig vorgegeben sein. Die Grenzleistungen stehen dann bis in größere Höhen und bis zu höheren Temperaturen konstant zur Verfügung. Darunter verursachen sie Eingrenzungen bei den Flugleistungen, in Bild 8.8b als Systemgrenze bezeichnet. Wird die Triebwerksleistung in eshp (equivalent shaft horse power) angegeben, dann ist der Restschub an der Auspuffdüse in die Leistungsangabe eingerechnet. Das Leistungsangebot sowohl der Kolbenmotoren als auch der Wellenturbinen ändert sich mit der Einsatzhöhe und der Ansaugtemperatur: N H ,T = (1 − ∆ N H ) ⋅ (1 − ∆ N T ) ⋅ ηE ⋅ N H 0 ,T 0
(8.27)
worin: ηE der Einbauwirkungsgrad ist. Er beträgt im Schwebeflug 0,95 bis 0,97. Im Vorwärtsflug kann er durch den Aufstau vor den Triebwerkseinläufen verbessert werden. Das Leistungsangebot steigt dann mit zunehmender Geschwindigkeit, was in Bild 8.3. auch dargestellt ist. ∆NH und ∆NT sind Höhen- bzw. Temperaturabhängigkeiten, die den Angaben der Triebwerkshersteller zu entnehmen sind. Näherungsweise kann für Gasturbinen auch folgende atmosphärische Abhängigkeit angenommen werden:
N T = NT 0 ⋅
ρ ⋅ T T0 ρ0
(8.28)
Solche Ansätze, wie die entsprechend der Glg. (8.27 und 8.28), können als sogenannte „Gummitriebwerke“ benutzt werden. Für Auslegestudien im Rahmen von Vorentwürfen. Wenn nicht von einem vorhandene Triebwerk ausgegangen wird, sondern von einem, noch nicht festgelegter Leistung, das einer bestimmten vorhandenen oder einer antizipierten Triebwerkstechnologie entsprechen soll.
108
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
8.5.2 Leistungsbilanzen
Schon aus der Leistungspolaren lassen sich unmittelbar drei einsatztechnisch wichtige Geschwindigkeiten ablesen, Bild 8.7: v1: Geschwindigkeit bester Reichweite, definiert durch die Tangente der Ursprungslinie an die Kurve. Gegen- oder Rückenwind verschiebt den Tangentenursprung zu niedrigeren bzw. höheren Werten. v2: Geschwindigkeit längster Flugdauer und maximalem Steigvermögen, sie ergibt sich au dem Minimalwert der Leistungspolaren. Der Minimalwert liegt in der Regel bei 100 bis 110 km/h. v3: Maximale Horizontalgeschwindigkeit, aus dem Schnittpunkt des Leistungsbedarfes mit dem Leistungsangebot, bei definiertem power setting. V4: Geschwindigkeit größten Steigwinkels. Leistung Leistungsangebot der Triebwerke
Leistungsbedarf des Hubschraubers
v4
v2
v1
v3
Fluggeschwindigkeit
Bild 8.7 Leistungspolare 4
Aus der Bilanz des Leistungsangebotes zum Leistungsbedarf Bild 8.8a ergeben sich die Flugleistungen des Hubschraubers, Bild 8.8b, Beispiel: Schwebehöhen:
Bild 8.8a Leistungsbilanz Schweben
Bild 8.8b Flugleistung Schwebehöhen
Die Flugleistungen sind in Form von Diagrammen in den Flughandbüchern dokumentiert, Bilder 8.9–8.13 (die Bilder sind nur zur Information, nicht zur Flugplanung geeignet!). Sie dienen den Piloten zur Flugplanung. Und andererseits der Einsatzleitung zur Berechnung optimaler Auslastungen.
8.5 Flugleistungen
Bild 8.9 Schweben, IBE, TOP (nicht für Flugplanungen zu verwenden)
109
110
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Bild 8.10 Schwebehöhen, OBE, TOP (nicht für Flugplanungen zu verwenden)
8.5 Flugleistungen
Bild 8.11 Schräge Steig-/Sinkgeschwindigkeiten mit Startleistung beider Triebwerke (nicht für Flugplanungen zu verwenden)
111
112
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Bild 8.12 Schräge Steig-/Steiggeschwindigkeiten mit maximaler Dauerleistung eines Triebwerkes (nicht für Flugplanungen zu verwenden)
8.5 Flugleistungen
Bild 8.13 Fluggeschwindigkeiten, beide Triebwerke mit maximaler Dauerleistung (nicht für Flugplanungen zu verwenden)
113
114
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Bild 8.14 Nutzlast/Reichweiten Diagramm (nicht für Flugplanungen zu verwenden)
8.6 Höhen-/Geschwindigkeitsdiagramm, Avoid Zones
115
8.6 Höhen-/Geschwindigkeitsdiagramm, Avoid Zones Bei Triebwerksausfall muss ein einmotoriger Hubschrauber in den Autorotationsflug übergehen und landen. Das entspricht der Notlandung des Starrflüglers mittels Segelflug. Dabei sind mit dem HS in aller Regel sichere Landungen möglich. Es gibt allerdings auch Ausgangssituationen nach Höhe und Geschwindigkeit aus denen nur noch mehr oder weniger harte Landungen möglich sind, solche Zonen zeigt Bild 8.15. Sie werden als Avoid Zones (AZ) bezeichnet; früher auch als DeadMan's Zones (DMZ), was aber deren Bedeutung, jedenfalls auf heutige Hubschrauber bezogen, zu stark übertrieb. Flughöhe
Ein-Mot.-HS B Aus diesen H-v-Bereichen kommt es bei TW-Ausfall zu mehr oder weniger harten Landungen C
A
ridor skor ition s n a Tr
Fluggeschwindigkeit
Bild 8.15 Typische Avoid Zones einmotoriger Hubschrauber
Solche Bereiche gibt es auch für den Starrflügler. Und für diesen sind sie wesentlich gefährlicher. Unterhalb der Überziehgeschwindigkeit, bis zu Flughöhen unterhalb denen nach dem Stall das Abkippen mit dem meist anschließenden Trudeln nicht mehr abgefangen werden kann. Die Zone für schnellen Tiefflug existiert für Starrflügler ebenfalls, weil aus dieser Situation bei Ausfall des Triebwerkes, in der Regel keine geeignete Landebahn mehr erreicht werden kann und mit erheblicher Vorwärtsgeschwindigkeit trotzdem aufgesetzt werden muss. Den sicheren Transitionskorridor zwischen der Hochgeschwindigkeits- und der Niedriggeschwindigkeits-AZ des Hubschraubers gibt es für den Starrflügler nicht. Jeder Einflug in die DMZ ist für den Starrflügler tatsächlich tödlich, sogar auch bei normal arbeitendem Triebwerk. Während die gesamten AZ für Hubschrauber mit AEO (all engines operating) zum normalen Einsatzbereich gehören. Die AZ des Hubschraubers kann durch konstruktive Vorkehrungen verkleinert werden. HS-Piloten werden auf schadensminimierende Landungen aus AZSituationen trainiert, Flächenpiloten darauf niemals in eine DMZ einzufliegen. Durch geeignete Systemauslegung des Hubschraubers, auch in flugmechanischer Hinsicht, können die AZ klein gehalten werden. Charakteristische Eckpunkte sind im Bild 8.15 mit Buchstaben gekennzeichnet.
116
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
A: Unterhalb dieses Kurvenastes nimmt das Fahrwerk die Fallenergie ohne Beschädigung auf. Es ist entsprechend ausgelegt. Die Fallgeschwindigkeit wird durch Abfangen mit Hilfe des kollektiv angesteuerten Rotors gebremst, unter Ausnutzung der im Rotor vorhandenen kinetischen Energie. Der Punkt A liegt etwa 3 bis 5 m über Grund. Beim NH90 fängt das Fahrwerk 4 m/s Aufsetzgeschwindigkeit ab ohne Beschädigung und 6 m/s ohne Beschädigungen der Hauptstrukturen. B: Von oberhalb der Kurve, ca. 40 bis 70 m über Grund, ist ebenfalls eine gefahrlose Landung möglich. Durch folgende Flugmanöver: drücken des Kollektivs in die AR-Stellung, zur Einleitung des Sinkfluges, mit kontrollierter Rotordrehzahl. Oft, vor allem vor dem Abfangen, auch darüber hinaus. Dadurch kann der Rotor in seiner Drehung beschleunigt werden, d.h. die potentielle Energie des Hubschraubers kann zum Teil als Drehenergie in den Rotor eingespeichert werden. Der Hubschrauber nimmt durch zyklisch eingesteuertes Nicken Vorwärtsgeschwindigkeit auf um in den Geschwindigkeitsbereich niedrigsten Leistungsbedarfes zu gelangen. Kurz über dem Boden nutzt der Pilot die zusätzlich gesteigerte Rotordrehenergie dazu, die Maschine für eine sanfte Punkt- oder auch Ausgleitlandung abzufangen. C: Von A und B in Richtung C steht neben der potentiellen zunehmend mehr kinetische Energie als weitere Leistungsreserve zur Verfügung. Das erleichtert das Erreichen des günstigen Leistungsbedarfsminimums, wenn die entsprechende Geschwindigkeit nicht so wie so schon vorhanden ist. Die Aufladung des Rotors mit Drehenergie ist mehr Leistung verfügbar. D: In diesem Bereich ist die Reaktionszeit des Piloten die kritische Größe, beim im Rahmen militärischer Einsätze häufig geforderten NOE-(Nap On Earth)-Flug besteht die Gefahr der Bodenberührung noch bevor der Pilot überhaupt reagiert. Hier wirkt sich vorteilhaft aus, dass sich Rotoren bei nachlassender Antriebsleistung und damit Rotordrehzahl in der Regel von sich aus aufnicken und wie ein Flügel vorübergehend zusätzlich tragen. Diesem Effekt steuert der Pilot instinktiv entgegen und ergreift damit automatisch genau die Maßnahmen, die zur Einleitung der AR erforderlich sind. Zusätzlich erbringt das Aufnicken des Rotors günstigere Flughöhen. Zwischen den Zonen ABC und D liegt der sichere Transitionskorridor. Er wird für völlig gefahrlose die Startab- und Landeanflüge benutzt. Bei Triebwerksausfall innerhalb der Avoid Zones kommt es zur mehr oder minder harten Landung. Die Vorschrift MIL-STD 1290 geht für diesen Fall, zur Dimensionierung der Strukturen, von 42 ft/sec als höchster auftretender senkrechter Aufschlaggeschwindigkeit aus. Zusätzlich darf die Zelle nicht mehr als um 15% gestaucht werden und die auftretenden Lastvielfachen dürfen die Insassen, vor allem auch in ihrem zeitlichen Verlauf, nicht gefährden. Bei einer harten Landung werden zum Abbau zu hoher negativer Lastvielfacher Bauteile verformt, erst elastisch, anschließend plastisch. In einer Art Reaktionskette zunächst das Landewerk, dann die Zellenunterschale und schließlich die Sitze. Diese Baugruppen sind zur Aufnahme von Verformungsenergie ausgelegt. Selbstverständlich wird auch vor einer harten Landung, durch Flugmanöver, wie unter B beschrieben, die Aufprallgeschwindigkeit so weit wie möglich reduziert. Eine völlige Zerstörung der Zelle kann in der Regel vermieden werden, da alle kritischen Energien fliegerisch schon vor dem Aufschlag abzubauen sind.
8.7 Autorotation (AR)
117
Mehrmotorige Hubschrauber können nach Triebwerksausfalles in der Regel weiterfliegen, mit erhöhter Leistung des/der verbleibenden Triebwerke/s und eventuell im Bereich der Geschwindigkeit minimalen Leistungsbedarfes. Flugsituationen, die bei Triebwerksausfall Notlandungen erfordern, mit Unterstützung des verbleibenden Triebwerkes, sind auf einen sehr kleinen Bereich des H,vDiagrammes begrenzt, wie das Bild 8.16 zeigt. Flughöhe
Multi-Mot.-HS Aus diesem H-v-Bereich kommt es bei TW-Ausfall zu mehr oder weniger harten Landungen Grenze ab der: - außerhalb, mit Hilfe des verbleibenden TW, weitergeflogen werden kann, - innerhalb, mit TW-Unterstützung, autorotierend sicher zu landen ist Fluggeschwindigkeit
Bild 8.16 Typische Avoid Zones multimotoriger Hubschrauber
Das Diagramm auf Bild 8.16 gilt für TOW. Ab dem Start reduziert sich das Fluggewicht laufend, die Avoid Zones werden dadurch immer kleiner und verschwinden sehr bald völlig. Bei installierter Leistung nur knapp über der benötigten Startleistung (balanced design) kann im unteren Geschwindigkeitsbereich trotz Doppelmotorisierung bei TW-Ausfall eine AR-Landung nötig werden, allerdings eine vom verbleibenden Triebwerk unterstützte. Die relativ großer AZ beim einmotorigen HS haben zur Vorschrift JAR OPS 3 geführt: Für Hubschrauber, die regelmäßig über dicht besiedeltem Gebiet operieren, wird Startfähigkeit trotz Triebwerksausfall gefordert. Das eliminiert die AZ.
8.7 Autorotation (AR) Primäre Forderung bei Triebwerksausfall und eventuell erforderlicher anschließender AR ist die Aufrechterhaltung der Rotordrehzahl über einer minimal zulässigen. Die zulässigen Schwankungsbreiten der Rotordrehzahl liegen i.d.R. unter ± 20 % (nach unten Stall-, nach oben Festigkeitsgrenze). Mit dem Erhalt der Drehzahl bleiben der Rotorschub, die Steuerbarkeit, die Systemversorgung und die Abfangmöglichkeit kurz vor dem Aufsetzen (dem sog. flare) sichergestellt. Bei der Einleitung der AR ist die Pilotenreaktionszeit entscheidend. Als Richtwerte gelten im zivilen Bereich: normale Reaktionszeit plus 1 sec, militärisch: 2 sec. Drohender Abfall der Rotordrehzahl wird vermieden durch drücken des Kollektivhebels, wodurch die Blätter im Mittel in Segelstellung gebracht werden, der Hubschrauber geht in den Sinkflug über. Mit Hilfe der zyklischen Steuerung
118
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
wird Vorwärtsgeschwindigkeit aufgenommen um geringstmögliche Sinkraten, und damit lange Restflugzeiten zu erreichen (Grenzen s.u.). Als Energiequellen zur Aufrecherhaltung der Rotordrehung und der Steuerung steht auf jeden Fall die potentielle, und bei AR aus dem Schnellflug heraus zusätzlich die kinetische Energie des Gesamthubschraubers zur Verfügung. Es ist deshalb sicherer aus dem Hochgeschwindigkeitsflug in die AR überzugehen, dazu kommt aber noch der bereits erwähnte günstige Effekt des Aufnickens bei Ausfall der Antriebsleistung und als Folge daraus kurzfristigen Steigens. Eine Bewegung die der Pilot schon automatisch aussteuert und damit genau so reagiert wie es zur Einleitung der AR nötig ist. Der Autorotationsflug ist, wenn er einmal eingesteuert ist, flugdynamisch stabil. In der Regel werden mit AR-Flügen geeignete Landeplätze erreicht. Im praktischen Flug kann der Pilot während der AR den Kollektivhebel weiter nach unten drücken als es zur Einsteuerung der Segelstellung aller Blätter notwendig wäre. Das kann sein: in der Einleitungsphase zur AR um die Drehzahl der optimalen anzupassen, aber auch später vor Einleitung oder während des Abfangmanövers. Der Rotor beschleunigt in beiden Fällen seine Drehung (in zulässigem Maße). Im zweiten Fall wird er mit zusätzlicher Drehenergie aufgeladen, die dann kurz vor dem Aufsetzen durch ziehen des Kollektivs abgerufen werden kann, mit dem Ziel vz ganz und vx so weit wie möglich abzubauen. Grundlage einer optimalen AR sind günstige Gleitzahlen, die sich beim Rotor als optimale Blattbelastungen ausdrücken. Die liegen für praktische Rotoren bei cT/σ = 0,08, günstiger für lange Restflugzeiten sind höhere Blattbelastungen. Um dem näher zu kommen, drehen Rotoren im AR-Flug langsamer als nominell. Die während der AR auftretenden Sinkgeschwindigkeiten entsprechen denen von Fallschirmen, das wurde schon in Abschn. 4.1.4.4 abgeleitet. Von für AR angesteuerten Rotoren liefern alle Blattabschnitte Auftrieb, unabhängig davon ob sie in ihrer Anstellung antreibend oder bremsend wirken. Bei senkrechter AR treiben die inneren Blattbereiche an, die äußeren werden angetrieben. In der stationären AR sind die beiden Leistungen im Gleichgewicht. Der Antrieb innen entsteht, weil dort das cWi seine Wirkrichtung wechselt. Mit zunehmender Vorwärtsgeschwindigkeit verlagert sich der Antriebsbereich immer stärker auf die Seite der rücklaufenden Blätter. Als einfach zu ermittelndes Maß, um verschiedene Hubschrauber in der AR zu vergleichen, kann die Zeit dienen, die (rein rechnerisch) vergeht bis die Drehenergie des Rotors durch seinen eigenen Energiebedarf aufgezehrt ist, wenn der Pilot nicht eingreift. Unter der konservativen Annahme, dass der Rotor mit dem Leistungsbedarf N0 am Beginn der AR abgebremst wird, entsteht folgender Ansatz: Ω M 0 ⋅ Ω 0 Ω=− I Dreh woraus durch Integration entsteht: t AR =
2
I Dreh ⋅ Ω0 2⋅ N0
(8.29)
(8.30)
8.7 Autorotation (AR)
119
Damit ist auch das Absinken der Rotordrehzahl über der Zeit darzustellen, wenn ein festes tAR gefordert ist. Ein zweiter Ansatz zum Vergleich von Aurorotationsfähigkeiten verschiedener Hubschrauber geht vom Verhältnis der Rotordrehenergie zur kinetischen Energie des sinkenden Hubschraubers aus. Er führt auf den so genannten KatzenbergerFaktor: I Dreh G ⋅ 2γ (8.31) kF = G F der zusätzliche Hinweise auf die Einflüsse wichtiger Auslegegrößen gibt. Hohe kF zeigen gute AR-Eigenschaften an. Rotoren mit großen Massenträgheitsmomenten in Drehrichtung, ausgelegt auf geringen Leistungsbedarf (also mit großen Rotordurchmessern) sind in Bezug auf AR günstig. Für mehrmotorige Hubschrauber sind kleinere kF akzeptabel, d.h. die Rotormasse könnte unter diesem Gesichtspunkt reduziert werden. Der Autorotationsflug, einmal eingesteuert, ist dynamisch stabil. In der Regel werden mit AR-Flügen geeignete Landeplätze erreicht. Nach Heckrotorausfall bei niedrigen Geschwindigkeiten, danach muss auf Grund des fehlenden Drehmomentenausgleichs auf die Antriebsleistung für den Hauptrotor verzichtet, also in die AR übergegangen, werden, wird die Gierauslenkung vor allem durch das Seitenleitwerk in Grenzen gehalten, verstärkt durch die Aufnahme von Vorwärtsgeschwindigkeit. Nach Heckrotorausfall im Schnellflug hält das Seitenleitwerk die Richtung, allerdings mit einem kleinen Schiebewinkel. Es kann weitergeflogen werden, mit voller Antriebsleistung für den Rotor und voll funktionsfähiger Rotoransteuerung; bis zur abschließenden Ausgleitlandung. Beim Übergang in die AR sind Hubschrauber mit gelenkigen Rotoren vorübergehend nur sehr stark eingeschränkt steuerbar, da kein Schubvektor vorhanden ist. Fehlen obendrein Schlaggelenksabstände, oder sind diese zu klein, dann versagt die Rotoransteuerung völlig. Erst nach Erreichen einer gewissen Sinkrate setzt sie wieder ein. Gelenklose Rotoren bleiben in dieser Situation sehr gut steuerbar, durch ihre starken Steuermomentenkapazitäten, konstruktiv vorgesehen durch relativ große fiktive Schlaggelenksabstände und auf Grund der Federwirkungen ihrer Blatthälse. HS mit gelenklosen Rotoren sind auch aus diesem Grund wesentlich sicherer, die im militärischen Bereich hoch sicherheitsrelevante Flugfigur Bo-Turn (schnelles wieder in Deckung gehen nach einem bob-up), mit dargestellt in Bild 10.1, ist ausschließlich mit solchen Rotoren möglich. Im AR-Flug versorgt der Hauptrotor den Heckrotor und die Steuerhydraulik und Generatoren mit Antriebsleistung. Die Triebwerke werden durch Freiläufe vom Hauptgetriebe abgekuppelt. Für Hubschrauber mit Koaxial-Rotoren erfordert die AR eine besondere Basisauslegung bezüglich der mittleren Gleitzahl. Bei ihnen wird Gieren durch differentiell-kollektives Ansteuern der beiden Rotoren eingeleitet, auch hier mit Hilfe der Pedale. Dabei müssen die Reaktionen, abhängig von den Steuereingaben, im gesamten Steuerbereich, wie bei allen Fluggeräten, gleich bleibende Tendenzen aufweisen (das ist eine Zulassungsforderung um die eindeutige Zuordnung der Reaktion zur Einsteuerung sicherzustellen). Beim Koax.-HS besteht in der AR die
120
8 Leistungsbedarf, Flugleistungen
Gefahr, dass die Reaktion auf eine Einsteuerung die Tendenz wechselt (der Pilot müsste dann in bestimmten Flugsituationen in das „falsche“ Pedal treten. Dies tritt auf wenn der Anströmwinkel durch kollektives (AR plus Gieren) und evtl. zusätzliches zyklisches Ansteuern unter den des Widerstandsminimums der Blattprofile fällt, wo sich bekanntlich die Tendenz von cW über α umkehrt. Um dies auszuschließen, muss der mittlere Arbeitspunkt der Profile im Normalbetrieb weiter über das Widerstandsminimum hinaus gelegt werden als beim Normal-HS. Weg aus dem Bereich günstiger Gleitzahlen. Diese notwendige Basisauslegung schadet der Wirtschaftlichkeit von HS mit Koax.-Rotoren. Eine andere Art der Giersteuerung von Koax.-Rotoren arbeitet mit verstellbaren Widerstandskörpern an den Blattspitzen. Damit ist o.g. Gefahr ausgeschlossen. Es wird damit allerdings bei Steuereingaben Leistung dissipiert.
Schnellabstiegen als Flugphasen typischerweise vor Landungen, auch die AR fällt darunter, sind besondere Grenzen gesetzt, die schon im Abschn. 4.1.4 behandelt und im Abschn. 8.6 angesprochen wurden. Es sind dies die beiden aerodynamisch bedingten Strömungseffekte „Wirbelring“ und „Windmühle“. Diese Grenzen sind in Bild 8.17 dargestellt. Der Steilabstieg ist mit A markiert. Der Pilot sieht dabei seinen Aufsetzpunkt nur sehr eingeschränkt, die Horizontalgeschwindigkeit ist minimal. Soll horizontal schneller geflogen werden, dann sind nur stark reduzierte Sichtwinkel möglich, ähnlich wie beim Starrflügler, Punkt C. Um wünschenswerte Gleitpfade einzuhalten ist horizontal wie vertikal nur sehr langsam zu fliegen, Punkt B. Solche Anflüge dauern relativ lange. Auf Flugplätzen ist durch diese Grenzen eine optimale Entflechtung der Anflüge von HS mit denen der noch eingeschränkteren Starrflügler behindert.
Bild 8.17 Grenzen für den Landeanflug
9 Auslegung des Hauptrotors
Alle Teile des Hubschraubers sind wichtig, die Rotoren nehmen aber eine Sonderstellung ein. Der Rotor gilt als das Herz des Hubschraubers, seine Auslegung bestimmt weitgehend die spätere Einsatzeignung des gesamten Hubschraubers. Bei der Bestimmung der Rotorparameter, deren Wirkungen sich oft widersprechen, muss sehr sorgfältig vorgegangen werden, um einen ausgewogenen Gesamtentwurf zu erreichen. Kompromisse müssen gefunden werden bezüglich der Forderungen nach minimalem Startleistungsbedarf, maximaler oder auch wirtschaftlichster Reisegeschwindigkeit, optimaler Einsatzeignung, günstigen Kosten zunächst in der Fertigung und später im Betrieb, niedrigem Gewicht, akzeptablen Lärmpegeln innen und außen, niedrigem Schwingungsniveau, guter Wartbarkeit, hoher Lebensdauer und Zuverlässigkeit, ausreichendem Wachstumspotential, Fertigungs- und Wartungskosten, Betriebssicherheit und oft noch andere. Dominierend bleiben die Forderungen zur Sicherstellung von Stabilität und Steuerbarkeit, deren Erfüllung wird anfangs theoretisch dargestellt. An einem ersten Entwurf sind diese dann zu überprüfen und ggf. zu verbessern. Diese Rückkopplung im Entwicklungsprozess macht Prototypen erforderlich. Grundlegende Auslegeparameter sind: • • • •
Rotordurchmesser, Drehfrequenz des Rotors, also die Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit, Flächendichte zur Festlegung von Blattiefe und Blattzahl, Blattprofilierung.
Mehr zur Leistungsoptimierung der Basisauslegung, also der Optimierung des Wirkungsgrades, dienen: • Verwindung, • Trapezform bzw. Zuspitzung (oder allgemeiner der Grundriss des Blattes). Zur Feinoptimierung in verschiedener Hinsicht dienen: • Drehrichtung, • Massen und deren Trägheitsmomente aus der laufenden Blattmasse für Stabilität und Steuerbarkeit, • Gestaltung der Blattspitzen mit Pfeilung und/oder Krümmung, • Steifigkeiten in den beiden Biege- und der Torsionsrichtung, ergänzt durch eventuelle Zusatzmassen im Blatt, • Dämpfungen zur Kontrolle der Eigenfrequenzen, • Profilierung und deren Beginn an der Blattwurzel.
122
9 Auslegung des Hauptrotors
Mit Trade-Off-Entwürfen, für jeden Auslegungsparameter eine ganze Serie, und mit Hilfe bekannter Verfahren zur Auffindung übergeordneter Optima, unter gewichteter Berücksichtigung aller Missionsforderungen, erfolgt der Vorentwurf eines neuen Gerätes.
9.1 Rotordurchmesser Der Rotordurchmesser sollte... ...groß sein um Folgendes zu erreichen: • • • • • •
geringeren Leistungsbedarf im Schwebeflug, größere Überführungsreichweite, günstigere Autorotationseigenschaften, geringere induzierte Geschwindigkeit, bessere Steuerbarkeit, reduzierte Lärmerzeugung,
...klein sein zum Erzielen: • • • •
geringerer Kosten, kompakter Abmessungen (Blattfaltung, Hangarierung, Strukturgewicht), zu höheren Geschwindigkeiten verschobene Machzahleffekte, geringerer schädlicher Nabenwiderstand im Vorwärtsflug.
Schub/Rotorleistung (N/kW)
Als Ausgangspunkt zur Bestimmung des Rotordurchmessers dient die Schwebeflugformel nach Gl. (4.19), in der Auftragung von Bild 9.1: Leistungs- über der Kreisflächenbelastung.
350 300 η = 1,0...0,8...0,6
250 200 150 100 Bo105
50 0 0
100
200
300 400 500 Kreisflächenbelastung (N/m2)
600
Bild 9.1 Leistungs- über der Kreisflächenbelastung
Der kritische Auslegepunkt ist meist der Schwebeflug OBE oder die zu erzielenden schrägen oder senkrechten Steiggeschwindigkeiten bei bestimmten Höhe/Temperatur-Kombinationen. Diese Bedingungen werden festgelegt, entweder
9.2 Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit
123
bei militärischen Hubschraubern direkt in den allgemeinen Vorschriften (Army Hot Day: 6000 ft/95° F, das sind 1830 m/35° C, Navy Hot Day: MSL/105° F, das sind bei NN 41° C), oder bei zivilem Gerät durch Abschätzen des Einsatzprofils durch den späteren Betreiber oder den Hersteller, auf der Basis von Einsatzanalysen und Kundenbefragungen. Ist hohe maximale Fluggeschwindigkeit gefordert, führt dies in der Regel zu kleineren Rotoren, mit entsprechend leistungsstärkeren und teureren Triebwerken. Für Neuentwürfe liegt auf Grund der geforderten Nutzlast oder Zuladung die Abflugmasse weitgehend fest, GNutz/GAbfl ≅ 0,25, GZul/GAbfl ≅ 0,5. In der Regel wird von einem vorhandenen Triebwerk ausgegangen. Auf dieser Basis kann mit Hilfe der Schwebeflugformel 4.19 der Rotordurchmesser bestimmt werden. Zu beachten ist dabei, dass von der Triebwerksleistung nur ein Teil für den Rotor zur Verfügung steht. Bei bekannter (im ersten Ansatz anzunehmender) Schwebegüte, erforderlichem Schub und zur Verfügung stehender Antriebsleistung ergibt sich die Kreisflächenbelastung und damit der Rotordurchmesser. Beispiel:
Abfluggewicht: Rotorantriebsleistung: Schwebegüte: Höhe/Temperatur:
G = 30 000 N N = 400 kW η = 0.68 NN / ISA
Damit ergibt sich mit G/N≈S/N = 75 N/kW aus dem Diagramm im Bild 9.1: G/F = 250 N/m2
R=
G G F = π
F = 6,18 m π
⇒
D ≈ 12,3 m∅
9.2 Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit Die Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit sollte... ...hoch sein:
• • • •
um niedrigere Rotor- und Getriebegewichte, möglichst gute Anströmbedingungen am rücklaufenden Blatt, günstigere Autorotationseigenschaften durch gespeicherte Drehenergie, größere Steuermomentenpotentiale
zu erreichen. ...niedrig sein für:
• reduzierte Geräuschpegel, • Einhaltung der Machzahlgrenze an der Spitze des Vorlaufblattes auch im Schnellflug, • günstigere Schwebeleistung durch optimale Blattbelastung. In Kap. 7 wurde schon dargestellt, dass die Rotordrehzahl nicht völlig frei festgelegt werden kann.
124
9 Auslegung des Hauptrotors
Demnach sind einerseits Resonanzen zu vermeiden, die durch Zusammenfallen der Eigenschwingungen der Blätter mit den Rotorharmonischen entstehen. Andererseits sind der Auswahl der Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit die in Bild 9.2 dargestellten weiteren Grenzen gesetzt: 1. Machzahlgrenze: Umax,Mach = Mmax,zulässig .a(H,T) – vmax 2. Lärmforderung: ULärm ≤ ca. 220 m/s 3. Autorotation: Umin,AR ≥ ca. 120 m/s 4. Flattergrenze: µ = v/U < 0,5 5. Schubpotential des rücklaufenden Blattes: Rückanströmgebiet, αa,max 6. Getriebegrenze: UGetr.Grenze= N⋅R/MDreh,max,zul. U (m/s)
Auslegebereich 250 Lärm 200
0,94
αa,max
0,90 Machzahl
150
Getriebe Autorotation
100 Fortschrittsgrad Flattergrenze
50
Fluggeschwindigkeit (m/s) 25
50
75
100
125
Bild 9.2 Grenzen für die Blattspitzenumlaufgeschwindigkeiten
Die Grenzen bezüglich Lärm und Autorotationsfähigkeit ergeben sich aus entsprechenden Spezifikationen und/oder Vorschriften. Die Getriebegrenze entspricht dem in Kap. 8.5.1 angesprochenem flat rating, hier verursacht durch das Hauptgetriebe. Mit hohen U, d.h. kleineren zu übertragenden Momenten, werden Leistungsübertragungen leichter (s. auslegungsbereich). Die anderen Grenzen sind aerodynamisch bzw. -mechanisch bedingt, sie werden noch dargestellt.
9.3 Blattgeometrie Blattfläche, -tiefe und -zahl sind über die Flächendichte σ, entsprechend Gl. (4.50) gekoppelt. Sie werden auch über diese bestimmt.
Schwebeflug: Ähnlich wie bei den Tragflügeln, die einen optimalen Anstellwinkel mit maximaler Gleitzahl haben, hat ein Rotor einen mittleren Ansteuerungswinkel, bei dem er
9.3 Blattgeometrie
125
optimale Wirkungsgrade erreicht. Bei mehr Blattfläche, etwa um große Schubreserven vorzusehen, wird der Anstellwinkel zu klein mit unwirtschaftlicher Gleitzahl. Wird andererseits die Blattfläche für den Schwebeflug optimiert, ergeben sich kleine Blattflächen mit höherer Blattbelastung cT/σ, die aufgrund ihrer dann überaus großen Anstellung wieder bei ungünstigem cW arbeiten, jetzt auf dem entgegengesetzten Ast der Polaren. Diese beiden gegenläufigen Effekte, mit einem Optimum dazwischen, zeigen sich in der Darstellung der Schwebegüte über dem Blattbelastungskoeffizienten cT/σ dargestellt in Bild 9.3. Entsprechend Gl. (4.62), jetzt aber mit veränderlichem δ = f(α,M), entsprechend den Gln. (4.42) oder (4.43) mit δ = cd0, oder aus Profilpolaren etwa als c d 0 .
(
(
) )
cT σ = S ρ ⋅ U 2 ⋅ π ⋅ R 2 ⋅ σ
(9.1)
Manchmal wird anstelle von cT/σ auch den Schubbeiwert kz verwendet:
(
(
) )
k z = S ρ 2 ⋅U 2 π ⋅ R2 ⋅ σ
demnach ist
k z = 2 ⋅ cT σ
Es ergibt sich ein Optimum für die Schwebegüte η bei cT/σ ≈ 0,1, was in etwa einem mittleren Anstellwinkel der Blätter von 6° entspricht. Der Zahlenwert des optimalen η ist hier weniger wichtig - er hängt von den Definitionen und Annahmen bei der Ableitung der Gl. (4.62) ab -, sondern seine Lage. Die Gl. (4.62) kann mit Gl. (4.65) unter Verwendung der Kreisflächenbelastung und der Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit in folgende Form gebracht werden: 1 (9.2) η= 3 2 ⋅U 1+ 2⋅G F cA ⋅ ρ cd0 Daraus wird sichtbar, dass auch beim Hubschrauber optimale Wirkungsgrade mit optimalen Gleitzahlen erreicht werden, und dass ein Rotor im Schwebeflug mit abgesenkter U auf Grund des damit verbesserten η mehr heben kann. Die auf Bild 9.3 angegebene Trendkurve für η = f(cT/σ) weist eine gewisse Bandbreite auf, da neben cT/σ auch andere Faktoren Einfluss auf η haben; die Lage des Optimums bleibt davon aber fast unberührt.
Bild 9.3 Schwebegüte
126
9 Auslegung des Hauptrotors
Größere Werte als die der Auslegeblattbelastungen sind möglich bis zu ca. cT/σ = 0,16 bis 0,20, unter Abweichung vom Optimalwert für die Schwebegüte. Diese Möglichkeit entspricht einer zur Verfügung stehenden Schub- und damit Lastvielfachenkapazität. Sie ergibt sich aus dem Abstand des cT-Wertes für den Start zu einem cT,max , einem profilabhängig größtmöglichen Schubbeiwert (dieser ist nur kurzzeitig, also instationär, abrufbar unter Aufzehrung eines (geringen) Teils der im Rotor vorhandenen Energie). Dieses Potential kann u.a. für den sogenannten Sprungstart genutzt werden, eventuell auch mit vorher über die Auslegedrehzahl hinaus beschleunigtem Rotor. Dieser Start gelingt aber nur, wenn anschließend hinreichende Vorwärtsgeschwindigkeit erreicht wird für die der Leistungsbedarf dann geringer wird als die zur Verfügung stehende Leistung.
Vorwärtsflug: Mit zunehmender Fluggeschwindigkeit fällt beim Rotor die Schubkapazität, Hub und Vortrieb nähern sich einer Kapazitätsgrenze (anders als beim Tragflügel, der im Gegensatz zum Rotor auch nur Auftrieb erzeugt). Dies hat folgende Ursachen: Rücklaufendes Blatt also bei ψ = 270°: Mit steigender Fluggeschwindigkeit wird der aerodynamisch wirksame Anstellwinkel αa am rücklaufenden Blatt immer kleiner, für jedes Blattelement um einen anderen Betrag. Er ergibt sich entsprechend der Gl. (5.20) als Differenz aus der lokalen geometrischem Anstellung aus Ansteuerung und Verwindung und dem lokalen Winkel der resultierenden Anströmung entsprechend:
αAnstr = arc tan (( vi + vSchlag ) / (( U⋅r / R ) - vFlug ))
(9.3)
wobei am rücklaufenden Blatt die induzierte Geschwindigkeit und die Geschwindigkeit aus der Schlagbewegung gleichgerichtet sind. Dazu s. Bild 9.4. Um trotz des genannten Effektes zum einen den Schub und zum anderen das Steuermoment zur Aufrechterhaltung des Nicklage sicherzustellen, wird zunächst der geometrische Anstellwinkel αgeom des Rücklaufblattes durch Drücken des Stick gesteigert. Immer größere Winkelung ist dabei nur möglich innerhalb konstruktiv festgelegter mechanischer Grenzen. Erreichen eines αmax des Profils setzt eine aerodynamische Grenze. Wenn dieser Winkel erstmals auftritt, dann in der Regel im äußeren Blattbereich, wo der aerodynamische Anstellwinkel weniger stark fällt als innen, die eingesteuerte Anstellwinkeländerung jedoch genauso groß ist. Schon vorher erfährt das erste Element an der Wurzel des rücklaufendenen Blattes Anströmung ohne Anstellwinkel. Die dadurch eintretende Schubeinbuße muss in den anderen Blattbereichen durch tzsätzliche Vergrößerung des αgeom kompensiert werden. Bei weiterer Geschwindigkeitszunahme wird an gleicher Stelle der Anströmwinkel αAnstr größer als αgeom, d.h. das Profil örtlich negativ angeströmt. Es entsteht Abtrieb (geringer Abtrieb, weil Staudruck und Angriffsfläche an der Blattwurzel gering bleiben). Wird der negative Anstellwinkel schließlich größer als es die Profilierung verträgt, dann reißt an dieser Stelle die Profilumströmung ab. Dies bedeutet aber zunächst noch kein Zusammenbrechen der Schuberzeugung. Bei noch weiter gesteigerter Geschwindigkeit wächst das Gebiet abgelöster Strömung.
9.3 Blattgeometrie
127
Bo105 280 km/h 1800 kg
Rückanströmung Bild 9.4 Aerodynamisch wirksame Anströmwinkel
Durch die Reihe der beschriebenen aerodynamischen Effekte wird das Schubpotential des rücklaufenden Blattes zunehmend aufgezehrt, bei wachsendem Schubbedarf des Hubschraubers. Bis die Grenze erreicht ist, an welcher der benötigte Schub das Potential voll ausschöpft, d.h. der Rotor auch bei noch so stark vergrößerter Ansteuerung keinen zusätzlichen Schub mehr erzeugen kann.
Vorlaufendes Blatt: Die Grenze der Schuberzeugung am Rücklaufblatt beendet die Schubsteigerung für den gesamten Rotor. Weil das vorlaufende Blatt, also bei ψ = 90°, nicht mehr Schub erzeugen darf als das rücklaufende, wegen des notwendigen Nickmomentenausgleichs, muss schon frühzeitig dessen Schuberzeugung weit unter dessen Schubkapazität zurückgesteuert werden. Weitere Folgen der beschriebenen Effekte: Auch bei noch so hoher installierter Antriebsleistung setzen die Strömungsverhältnisse am rücklaufenden Blatt einer weiteren Beschleunigung des Fluges die Grenze, also durch Erreichen der maximal möglichen Schuberzeugung des Blattes bei ψ = 270°. Der Pilot bemerkt diese Grenze durch das Auftreten von Rotorvibrationen, an den sich plötzlich verändernden Steuerkräften und an einer Tendenz des Hubschraubers zum Aufnicken und eventuellem Rollen. Beim Überschreiten dieses Grenzwertes nähme, trotz weiterem nach vorne gedrückten Stick und Ziehen des Kollektivs, der Schub des rücklaufenden Blattes ab. Und damit speziell auch der lokale Schub, der für die zyklisch angesteuerte Nickbewegung erforderlich ist. Der positive Schlagwinkel der Blätter in der Stellung über dem Heck würde geringer, der Hubschrauber würde aufnicken und damit langsamer werden.
128
9 Auslegung des Hauptrotors
In der Darstellung des Leistungsbedarfes über der Geschwindigkeit erscheint diese maximal mögliche Fluggeschwindigkeit eventuell als Grenzwert, der auch mit höherem Leistungsangeboten nicht überwunden werden kann. 9.3.1 Blattflächen und -tiefen Maximal mögliche Blattbelastungen cT,max /σ, zunächst für den stationären Flug, aufgetragen über dem Fortschrittsgrad µ = v/U, sind wieder mit einer gewissen Bandbreite für übliche Rotoren allgemein gültig, Bild 9.5 (moderne Profilentwicklungen versuchen diese Kurven zu höheren Werten zu verschieben). Dieser Zusammenhang kann benutzt werden um geforderten Fluggeschwindigkeiten, im Schnellflug mögliche Werte von cT /σ zuzuordnen. Woraus sich Flächendichten ergeben. Bei bereits festgelegten Rotordurchmessern und Blattspitzenumlaufgeschwindigkeiten, sind daraus die Blattflächen und -tiefen zu errechnen.
Bild 9.5 Blattbelastung [3]
Für übliche vmax wird cT/σ ≅ 0,08 und damit kleiner als es sich für den Schwebeflug als günstig gezeigt hat. Forderungen nach zu hohen Reisefluggeschwindigkeiten zwingen demnach dazu auf günstige Schwebegüten zu verzichten. Mit widerstandsärmerem Design, vor allem aber mit Verzicht auf nachträgliche Anbauten könnte dem in Grenzen entgegengewirkt werden. Das mittlere Band im Bild 9.5 gilt für den Flug mit stationären Lastvielfachen. Es wird durch die Kurve des verfügbaren Leistungsüberschusses zweimal geschnitten. Zwischen diesen Limits sind die fliegbaren Lastvielfachen durch die Profilleistungen begrenzt, außerhalb durch die verfügbare Antriebsleistung. Die limitierende verfügbare Leistung kann unter Inanspruchnahme der vorhandenen potentiellen und kinetischen Energien des HS ausgeweitet werden, das ermöglicht instationäre Lastvielfache, oberes Band im Bild 9.5; oft auch unter Nutzung instationärer Profilaerodynamik, dazu s. Abschnitt 9.4.3.
9.3 Blattgeometrie
129
Die Hauptlast der Schuberzeugung liegt im Schnellflug auf den Blättern über Bug und Heck, aber auch hier unter immer stärkerer Annäherung an die maximal mögliche Schuberzeugung, d.h. unter Aufzehrung von deren Schubpotentialen. Sind auch diese schließlich erschöpft (vor der Leistungsgrenze der Triebwerke), dann ist der HS in Rollrichtung nicht mehr zu steuern. 9.3.2 Manövrierbarkeit Im Gegensatz zum Flächenflugzeug kann der Hubschrauber bei Flügen mit cT,max noch Lastvielfache erfliegen, also Kurven und Abfangmanöver ausführen, stationär bis ca. 2g, instationär bis ca. 3g, wie in Bild 9.5 dargestellt. Dies klingt zunächst paradox, ergibt sich jedoch aus den oben beschriebenen flugmechanischen Zusammenhängen im Schnellflug. Sowohl Abfangen als auch Kurvenflug erfordern ein positives Nickmoment. Um dies zu erzeugen, muss das vorlaufende Blatt zu höherer, das rücklaufende Blatt zu geringerer Schuberzeugung angesteuert werden. Schon durch das Aufdrehen des Vorlaufblattes entsteht Zusatzschub. Das zyklische Zudrehen des rücklaufenden Blattes bewirkt ein Entfernen von der kritischen αa,max-Grenze. Das dadurch freiwerdende Schubpotential wird mit Hilfe der kollektiven Ansteuerung aller Blätter zu zusätzlicher Schuberzeugung genutzt, was einen zweiten Beitrag zum Schubmehrbedarf zum Erfliegen der Lastvielfachen erbringt. Das Band für instationäre Lastvielfache im Bild 9.5, ermöglichen den bereits erwähnten Sprungstart und agilsten Kurvenflug, allerdings nicht zu nahe am Boden und nur kurzzeitig. 9.3.3 Blattzahl Sind Rotordurchmesser und Flächendichte festgelegt, dann liegt auch die Gesamtfläche aller Blätter fest. Offen ist lediglich noch die Aufteilung dieser Fläche in Einzelblattflächen durch Festlegung der Blattzahl z. Die Bestimmung der Blattzahl geschieht unter Abwägung wieder oft gegenläufiger Forderungen zur Optimierung der Auslegung unter Einbeziehung von Teilaspekten wie:
• • • • • •
Vibrationen aus den Blattbewegungen und dem pulsierenden Schub, Lärm aus den Blattbewegungen und den Blattspitzenwirbeln, Gewicht pro Blatt, aber auch des gesamten Rotorsystems, Kosten: Fertigung, Wartung, Instandsetzung, Tausch Handhabbarkeit: Blatttausch, Hangarierung, Blattfaltung u.a. Blattsteifigkeiten um Eigenschwingungen zu beeinflussen, zur Vermeidung des sog. „mach-tuck“ und dem „stall-flutter“ (beides s. Abschn. 9.4.5).
Aerodynamische Gesichtspunkte sind für die Wahl der Blattzahl von untergeordneter Bedeutung, außer der bekannten Abhängigkeit des cw-Wertes in der Strömungsgrenzschicht von der Re-Zahl und damit des Leistungsbedarfes. Zur Reduzierung der durch den Rotor erzeugten Vibrationen und des Lärms, und um bessere Handhabbarkeit durch leichtere Blätter beim Blatttausch oder bei der Faltung zu erzielen, sind hohe Blattzahlen wünschenswert.
130
9 Auslegung des Hauptrotors
Aus Kostengründen, zur Vereinfachung des Blattfaltungsvorganges und damit der Verstaubarkeit des Gesamthubschraubers in Hangars, speziell auf Schiffen, um die Toleranz gegenüber Beschädigungen zu steigern, zum Erzielen hoher Torsionssteifigkeiten der Blätter sind niedrigere Blattzahlen und damit kompaktere Blätter vorzuziehen. In diesem Zusammenhang ist noch eine Reihe von Problemkreisen zu berücksichtigen, die mit anderen Auslegungsaspekten in Wechselwirkung stehen. Ein Beispiel dafür ist die gegenseitige Beeinflussung der Blattspitzenwirbel mit ihren Wirkungen, vermittelt durch die lokalen und globalen Strömungsfelder, auf die lokalen Anstellwinkel, mit Effekten auf den Leistungsbedarf sowie die Schub-, Lärm- und Vibrationszeugung, s.a. Abschn. 9.5.1. Mit der Streckung der Blätter λ = c/R können die natürlichen Schwingungsformen und -frequenzen entscheidend beeinflusst werden, im Wechselspiel mit der konstruktiven Auslegung. Bei geringerer Blattzahl pulsiert der Rotorschub langsamer, aber stärker, wodurch das Vibrationsniveau steigt. Die dadurch verursachten ausgeprägteren Scherungen im Feld der induzierten Geschwindigkeit kosten Leistung und verursachen noch zusätzliche Vibrationen. Ungerade Blattzahlen verhindern die Schwingungen gegenüberliegender Blätter gegeneinander in der Rotorebene als auch senkrecht dazu (s. Abschn. 7.2). Ebenso alle anderen dort genannten. Unter diesen vieldimensionalen Aspekten ist eine einfache Bestimmung der Blattzahl nicht möglich. Einen Rotor für 25000 N Startschub ist mit z = 2, 3, 4 oder 5 Blättern durchaus sinnvoll auszubilden, je nachdem, auf welche Eigenschaften besonders Wert gelegt wird. Es gibt Extreme, wie den Hughes 530 mit 15000 N Abfluggewicht und 5 Blättern oder die Cobra von Bell mit 50000 N und nur 2 Blättern. Als einzige Tendenz ist festzustellen: Schwere HS (> 10t Nutzlast) werden mit höheren Blattzahlen in der Herstellung und gemessen an den DOC kostengünstiger, etwa 5% bei einem 40t HS. 9.3.4 Trapezform, Zuspitzung Die Zuspitzung bezeichnete ursprünglich das Verhältnis der Blattiefen an der Spitze zu der an der Wurzel. Heute wird von der Trapezform gesprochen, verstanden wird darunter ganz allgemein der Umriss der Projektionsfläche, die auch aus mehreren Trapezen oder Tiefenverläufen bestehen kann. Mit der Trapezform kann im Zusammenwirken mit der Verwindung die Rotordurchströmung der optimalen, nämlich der gleich verteilten induzierten Durchströmung, angenähert werden. Ideal wäre, wie bei der Verwindung, ein hyperbolischer Verlauf. Der aber in der Regel nur durch aneinander gesetzte lineare Verläufe angenähert wird. Um den Schwebeleistungsbedarf zu reduzieren, wäre zur Berücksichtigung o.g. Ideales relativ starke Trapezierung vorzuziehen. Moderne Werkstoffe (FVW) und Fertigungsmethoden (NC-Fräsen der Blattformen) ermöglichen heute bei der Trapezform wie auch bei der Verwindung fast beliebige Gestaltung.
9.3 Blattgeometrie
131
Bei der Trapezierung sind weitere Grenzen zu beachten: Sehr kleine Tiefen an der Blattspitze verlieren aufgrund ihrer geringen Re-Zahl an maximalem Auftriebspotential. Da meist die relative Dicke konstant gehalten wird, werden die realen Querschnitte der Blätter zur Spitze hin sehr eng, es kann dort nur noch wenig Masse untergebracht werden. Masse, die für gute Autorotations- und Steuereigenschaften gerade dort gebraucht würden. Die Gegenmaßnahme, der Einbau von Blattspitzengewichten, ist stark begrenzt, zusätzlich behindert durch die dort vorzusehenden Wuchtkammern. Die zweite Blatteigenschwingung in Richtung Biegen rückt durch Zuspitzung erfahrungsgemäß sehr in die Nähe der dreifachen Rotorfrequenz, der zu fordernde Abstand zur Resonanz wird kritisch gering. Wie auf Bild 4.10 dargestellt, ist die Auftriebsverteilung über der Laufvariablen x dreiecksförmig; nach Gl. (4.39) steigt der induzierte Teil der benötigten Antriebsleistung mit der dritten Potenz von x. Es ist aus diesen Gründen leistungssparend, die Auftriebserzeugung etwas mehr in der Blattmitte zu konzentrieren. Dies ist mit geeigneter Trapezierung zu erreichen. Das zweite und das dritte Blatt auf Bild 9.6 zeigen Ansätze in dieser Richtung. Die Feinoptimierung der Trapezform bietet einen weiteren Vorteil, die Verwindung kann kleiner gewählt werden, was für den Schnellflug günstiger ist. Ganz allgemein stehen Trapezierung und Verwindung in starker Wechselwirkung. An den Grundrissen der Rotorblätter von der Bo105/BK117 bis zum PAH-2 „Tiger“, Bild 9.6, zeigt sich die zunehmende Verfeinerung der Rotorauslegung, wobei das mit „Bo108“ bezeichnete als das, dem modernen Stand im zivilen Sektor entsprechende anzusehen ist.
Bild 9.6 Blattgeometrien
132
9 Auslegung des Hauptrotors
9.3.5 Verwindung Wie bereits erwähnt kann mit der Verwindung im Zusammenwirken mit der Trapezform die Rotordurchströmung der optimalen, nämlich der gleich verteilten induzierten Durchströmung, weiter angenähert werden. Dieser Zusammenhang wurde bereits in Kap. 4 abgeleitet. Um den Schwebeleistungsbedarf zu reduzieren, ist relativ starke Verwindung günstig. Starke Verwindungen
• • • • •
verursachen aber im Schnellflug höhere Vibrationen, die Blattbiegeschwingungen werden verstärkt angeregt, die Autorotationseigenschaften leiden, die Herstellkosten steigen, starke Verwindungen, für günstiges Schweben OBE, können für Schweben IBE schädlich sein.
Die optimale Verwindung von Rotorblättern hat wie die Tiefenverteilung einen hyperbolischen Verlauf (s. Abschn. 4.2.1), zur Spitze hin zudrehend. Der Verlauf wird oft aus Fertigungsgründen linear angenähert. Ihr Betrag, günstige Kompromisswerte liegen zwischen -8° und -14°, wird zwischen Rotormitte und Blattspitze angegeben, auch wenn der Verlauf nicht linear ist. Auf die Erscheinung der dynamischen Verwindung wurde bereits in Abschn. 4.2.3.5 eingegangen. Auch für die Blattverwindung ermöglichen heute moderne Werkstoffe (FVW) und Fertigungsmethoden (NC-Fräsen der Blattformen) fast beliebige Verläufe. Dies wird für Feinabstimmungen genutzt, etwa um im Schnellflug am rücklaufenden Blatt den Rückanströmbereich an der Blattwurzel oder auch die Anstellung an der Blattspitze sehr lokal günstig zu verändern oder um die Blattspitzenwirbel zu beeinflussen. Typische Beispiele zeigen die Bilder 9.7–9.9.
Bild 9.7 Blattverwindung UH-60, [3]
9.3 Blattgeometrie
133
Beim Hubschrauber UH-60 von Sikorsky, Bild 9.7, traten im Schwebeflug inakzeptable Effekte durch die Blattspitzenwirbel auf. Dieses Problem wurde durch einen geänderten Verwindungsverlauf im Blattspitzenbereich gelöst.
Bild 9.8 Blattverwindung S76 [3]
Beim Hubschrauber S76 von Sikorsky, Bild 9.8, wurden durch einen speziellen Verlauf der Verwindung die Folgen der Rückanströmung im Schnellflug am inneren Bereich des rücklaufenden Blattes verbessert.
Bild 9.9 Blattverwindung EC135
Bei der EC135 beträgt die geometrische Verwindung von der Rotormitte aus gemessen -10°, Bild 9.9. An der Blattspitze ist durch aerodynamische Verwindung die geometrische Verwindung reduziert. Bei solcher aerodynamischer Verwindung werden die mit der Profilwölbung veränderbaren Nullauftriebsrichtungen dazu genutzt um Verwindungswirkung zu erzielen, unabhängig von der geometrischen Verwindung. Das Beharren auf weitgehend linear verteilten Verwindungen kann auch auf einer übergeordneten Feinoptimierung beruhen. Linear verwundene Blätter sind an der Blattspitze weniger angestellt, als es der idealen Verwindung entspricht, an der Blattwurzel dafür stärker. Dadurch entsteht der gleiche Effekt, der mit größeren
134
9 Auslegung des Hauptrotors
Blattiefen im inneren Bereich der Blätter erreicht wurde, die Auftriebsverteilung über x wird fülliger, und damit der Leistungsverbrauch für die geforderte Schuberzeugung reduziert.
9.4 Profilierung Als Basis der Profilierung von Hubschrauberblättern dient die von den Starrflüglern her bekannte Systematik. Hubschrauberprofile arbeiten allerdings während eines Umlaufes in keinem fixen Auslegepunkt, jedes Profil muss einen weiten Einsatzbereich im Mittel wirtschaftlich abdecken, Bild 9.10. Schon diese Besonderheit führt zu spezifischen Forderungen an Hubschrauberrotorprofile.
Bild 9.10 Einsatzbereich von Hubschrauberprofilen (Re = 8·106·M)
Ein Profil im mittleren Blattabschnitt muss im Schnellflug während eines Umlaufes in seinem Arbeitsbereich zwischen niedrigen bis mäßigen Machzahlen im Mittel günstig arbeiten, in der Spanne von Auftriebsbeiwerten cL zwischen 0,0 und 1,25. Ein Profil in der Nähe der Blattspitze muss entsprechend Bild 9.10 einerseits bei ψ = 270° relativ hohes ca,max erreichen und andererseits nahe bei M = 1, das bei ψ = 90° erreicht wird, noch akzeptabel geringe cw-Werte aufweisen. An der Blattwurzel müssen die gewählten Profile bei Rückanströmung akzeptable Eigenschaften zeigen. Die im Bild 9.10 mehr qualitativ angegebenen Grenzlinien für ca,max und cw werden später noch behandelt. Dieser dauernde Wechsel des Arbeitspunktes, obendrein für jedes einzelne Blattelement anders, ist der Grund dafür, dass auch bei der Profilierung von Hubschrauberrotorblättern Kompromisse zwischen oft gegenläufigen Tendenzen gefunden werden müssen:
9.4 Profilierung
135
• Die Forderung nach hohen statischen und dynamischen ca,max an der Spitze des rücklaufenden Blattes, um auch bei hohen Geschwindigkeiten noch ausreichend Schub und/oder hohe Lastvielfache zu erreichen, erfordern dicke, gewölbte Profile. • Der gleiche Blattabschnitt muss andererseits hohe kritische Machzahlen aufweisen, um im Schnellflug verlustbringende Verdichtungsstöße und exzessive Lärm- und Vibrationserzeugung zu vermeiden. Zu erreichen wäre dies mit dünnen, gering gewölbten Profilen. • Für den Normalbetrieb und die mittleren Blattabschnitte zu fordernde geringen Widerstandsbeiwerte bei moderaten Machzahlen und Auftriebsbeiwerten weisen schlanke Profile mittlerer Wölbung auf. • Geringe Momentenbeiwerte in beiden Richtungen werden mit symmetrischen Profilen, also solchen ohne Wölbung, erreicht. Dadurch wären mit dem Umlauf dauernd wechselnde Blatttorsionen vermieden, die Steuerkräfte würden in Grenzen gehalten und diese ausschließlich entweder in den Zug- oder den Druckbereich gelegt. • Große Rücklage des Neutralpunktes, um Trimmgewichte in der Blattnase zu sparen. • Ausreichende Querschnitte für gute konstruktive Lösungen. • Herstellbare Konturen. Diese Arbeitsbedingungen aller Rotorblattprofile ändern sich noch zusätzlich laufend, durch die zyklische Ansteuerung entsprechend Gl. (3.1), und durch die hubschrauberspezifische Anstömung entsprechend Bild 1.6. Zusätzlich werden die Profile durch die permanente Winkelungsbewegungen der Blätter und die damit erzeugten Schlag-, Schwenk- und Verformungsbewegungen hochfrequent instationär betrieben. Dabei zeigen Profile in weiten Bereichen günstigere Luftkraftbeiwerte als in dem von den Starrflüglern her bekannten stationären Betrieb, sie zeigen Hysterese zwischen auf- bzw. zudrehendem Profil. Die Erforschung dieser Effekte steht noch am Anfang. Diese instationäre Aerodynamik enthält für den Hubschrauber sicher weitere hohe Entwicklungspotentiale. Punktuell werden einige Vorteile aus der Erfahrung heraus trotzdem schon genutzt, s. Abschn. 9.3.1. Andererseits sind Nachteile bekannt, Abschn. 9.4.5. Noch nicht erfasst sind die Auswirkungen der, wieder permanent veränderlichen, Schräganströmung der Profile mit ihrem Einfluss z.B. auf die Strömungsgrenzschicht. Ebenfalls nicht bekannt sind mögliche Auswirkungen der Energiezufuhr in die Strömungsgrenzschicht durch die Zentrifugalbeschleunigung aus der Rotordrehung. Oder die Effekte und Möglichkeiten von Sekundärströmungen an den Blattoberflächen (Insektenflug), welche die Hauptströmung überlagern. 9.4.1 Grenzen des maximalen Auftriebsbeiwertes, stationär Im normalen Flug treten in weiten Bereichen an den Blätter Anströmbedingungen auf, die denen nahekommen, für die Profile traditionell vermessen werden: mäßige Anstellwinkel, niedrige bis mittlere Machzahlen, gesamte Spanne der Luftkraftbeiwerte. Allerdings können schon hier hubschraubertypisch Rundumpolaren erforderlich werden und es können instationäre Effekte auftreten.
136
9 Auslegung des Hauptrotors
Die Grenzen des maximal möglichen Auftriebsbeiwertes sind profilspezifisch und geläufig, s. auch [3]:
• Laminare blasenförmige Strömungsablösung an der Profilnase (dünnes Profil): Mit Wiederanlegen der Strömung und normaler turbulenter Ablösung weiter stromab. Mit zunehmendem Anstellwinkel wandert der Wiederanlegepunkt bis zur Hinterkante. Der Auftriebsbeiwert bleibt weitgehend erhalten, der Momentenbeiwert wird oberhalb eines kritischen Wertes, etwa bei ca,max/2 sprunghaft größer. Die Luftkraftbeiwerte zeigen im oberen Bereich Hysterese eine typische Erscheinung bei zu dünn gewählten Profilen und kleinen Re-Zahlen. Rauhigkeiten an der Profilnase bewirken kaum Änderungen. • Stall an der Profilnase (etwas aufgedickteres Profil, nose droop): Die blasenförmige Strömungsablösung an der Profilnase verdickt diese quasi. Sie bleibt in ihrer Randströmung nicht laminar, das Wiederanlegen der Strömung erfolgt deshalb früher. Die Blase wird mit zunehmendem Anstellwinkel kürzer, aber höher, bis sie instabil wird und „platzt“, mit der Folge kompletter Strömungsablösung stromab. Sowohl der Auftriebsbeiwert als auch der Momentenbeiwert zeigen abrupte Einbrüche und Hysterese. Zu scharfe Nasenradien und Rauhigkeiten an der Profilnase reduzieren hier den Auftrieb. • Stall an der Hinterkante (noch dickeres Profil, Rauhigkeiten an der Profilnase): Die Grenzschicht ist dick und turbulent, frühe Strömungsablösung tritt ein beginnend an der Hinterkante. Die Luftkraftbeiwerte sind stetig und ohne Hysterese. Zu dicke Profilnase und zu großer Hinterkantenwinkel sind hierfür die Ursachen. Die beschriebenen Stall-Effekte sind von der Re-Zahl abhängig. So können Blatttiefensteigerungen, oder Drehzahländerungen, bei gleicher Profilierung, die Strömungsabrisserscheinungen am Blatt grundlegend ändern. Hauptrotoren arbeiten bei Re = 4 bis 12*106, Heckrotoren bei Re = 2 bis 6*106. Modellrotoren zur Vermessung in Windkanälen erreichen nur ca. 3*106, ein Umstand, der die Übertragung von WK-Messergebnissen auf reale Rotoren im Lichte der dargestellten Re-Zahlabhängigkeiten der Strömungsbilder sehr erschwert. Die ersten Blätter des Bo105-Rotors waren profiliert, wie damals üblich, auf der Basis NACA0012, aber mit Wölbung, also entsprechend NACA23012, also schlank und moderat gewölbt. Durch Herunterziehen der Nase (drooped nose) wurden sie zu höherer ca,max-Kapazität und günstigerem ca,max-Verhalten verbessert. Der nose droop reduziert die Krümmung der Profiloberseite in der Nähe der Profilnase und damit die dortige Unterdruckspitze, der Grund für die oben erwähnte Ablöseblase. 9.4.2 Maximale Auftriebsbeiwerte im Bereich hoher Machzahlen Schon bei relativ niedrigen rechnerischen Machzahlen der Blattanströmung kann, vor allem an den Blattoberseiten und besonders bei Anstellung, also Schuberzeugung, die Umströmung Überschallgeschwindigkeit erreichen. Solche Strömungen fallen ab einer kritischen Intensität (kritische Machzahl) nicht mehr stetig, sondern unter Ausbildung von Verdichtungsstößen in den Unterschall zurück. Schwache
9.4 Profilierung
137
Stöße verstärken die Turbulenz in der nachfolgenden Strömung; der Hinterkantenstall wird dadurch beschleunigt und der mögliche Auftriebsbeiwert reduziert. Starke Stöße verursachen Strömungsabriss unmittelbar nach dem Stoß (shock stall), das dann noch mögliche ca,max bricht zwar ein, das hohe Schubniveau bleibt aber zu größeren Anstellwinkeln hin weitgehend erhalten. Mit steigender Auftriebserzeugung und noch höheren Machzahlen würden die Verdichtungsstöße immer intensiver. Dies bleibt aber auf die Gesamtschuberzeugung ohne Relevanz, da gerade dort, wo hohe Machzahlen auftreten, aus den in Abschn. 9.3 erläuterten Gründen, wenig bis kein Auftrieb erzeugt wird. Die kritische Machzahl kann mit dünneren Profilen und mit Pfeilung der Blattspitzen zu höheren Werten verschoben werden. Die Verwendung von superkritischen und/oder peaky-Profilen steht bei den Hubschraubern noch aus, vor allem weil deren Eigenschaften nur in einem Sektor des Rotorumlaufes sinnvoll sind und möglicherweise außerhalb dieses Sektors Nachteile bringen. Aktuelle Entwicklungen zu adaptiven Profilen mit Hilfe von Piezokeramiken werden hier zum Einsatz kommen. 9.4.3 Instationäre Auftriebsbeiwerte Es ist seit langem bekannt und wird im Einsatz punktuell genutzt, in der Natur schon immer intensiv, dass senkrecht zur Anstömung bewegte Profile kurzzeitig weit höhere Luftkraftbeiwerte erbringen können, im Vergleich zu den traditionell in stationärer Anströmung gemessenen (Vogelflug, Schwirrflug der Kolibris und Insekten, Vortrieb von Fischen). Durch das Schlagen und vor allem durch das Winkeln führen Hubschrauberblätter laufend hochfrequente Bewegungen quer zur Anströmung aus. Die örtlichen Profile arbeiten dadurch in weiten Bereichen instationärer angeströmt. Für die Hubschraubertechnik besonders interessant ist die dadurch entstehende ca,max-Überhöhung bei aufdrehendem Blatt, bis zum „dynamic stall“, s. Bild 9.11. 3,0
ca Wirbeleffekt mis ch
2,5
dyn a
2,0 Grenzschichtverzögerung auf...
1,5
zu... drehend
1,0 r nä ti o a st
0,5
0
5
10
15 20 25 Anstellwinkel (°)
Bild 9.11 Instationärer Auftriebsbeiwert
138
9 Auslegung des Hauptrotors
Dieser Effekt entsteht durch zeitlich verzögerte Strömungablösung auf Grund die Luftmassenträgheit. Er wird verstärkt durch eine auftretende Zirkulation mit Wirbelerzeugung an der Profilnase, wenn die Grenzschicht sich dann schließlich doch ablöst. Und dadurch, dass sich die Oberseite der Profilnase in die Strömung hinein bewegt, was dort den lokalen Druck steigert. Beim sich anschließenden Zudrehen bleibt das ca erhalten, allerdings mit geringeren Beträgen als beim Aufdrehen. Die so entstehende ca-Hysterese und die ca,max-Überhöhung hängen wesentlich von der Winkelungsfrequenz ab. Profilauslegungen mit Strömungsabriss an der Hinterkante zeigen die ca,maxÜberhöhung ebenfalls, allerdings nur etwa halb so stark. Die reine Bewegung senkrecht zur Anströmung durch das Schlagen der Blätter erzeugt ähnliche Effekte, allerdings in geringerem Maße. Dynamic stall tritt, wenn überhaupt, primär am gesamten rücklaufenden Blatt auf. Aber auch bei Umlaufwinkeln von etwa 45° und 345°, an den äußeren Blattbereichen. Erste Forschungsergebnisse zur instationären Aerodynamik werden u.a. in [16] dargestellt. 9.4.4 Der Widerstandsbeiwert, stationär und dynamisch
Stationär: Für mittlere Anstellwinkel und Machzahlen bis in den transsonischen Bereich arbeiten die Profile für Hubschrauberrotoren in bekannter Weise, mit einer Grenzschicht, erst laminar, dann in turbulent umschlagend, mit Strömungsabriss usw. Einzig die Re-Zahl-Abhängigkeit ist für Rotorprofile gravierender. Mit steigender Re fällt cw , demnach sind wenige, aber tiefere Blätter günstiger. Solange im Transsonikbereich die bereits angesprochenen Verdichtungsstöße schwach bleiben und in der Nähe der Profilnase liegen, bleibt ihr Einfluss auf die Widerstandsbeiwerte gering. Dies ändert sich abrupt wenn die kritische Machzahl erreicht ist. Dies geschieht, wenn der Verdichtungsstoß die höchste Stelle des Profils erreicht und überschreitet. Der Verdichtungsstoß (shock) erzeugt dann hohen Wellenwiderstand, nämlich durch den Impulsverlust in der Strömung. Tritt auch noch shock stall auf (Abreißen der Grenzschicht unmittelbar hinter dem Stoß), dann entstehen noch zusätzlich starke Zuwächse an Profilwiderstand und damit beim Leistungsbedarf, beim Lärm- und bei den Vibrationen. Dynamisch: Die gleichen Effekte, die zur dynamischen ca,max-Überhöhung führen, wirken sich auch auf den cw-Wert im entsprechenden Arbeitsbereich aus. Beim aufdrehenden Blatt sind sie steigernd. Die Wirkung bleibt allerdings gering. Es liegen hierzu nur unzureichende Untersuchungen vor. 9.4.5 Der Momentenbeiwert stationär und dynamisch Ursprünglich konnten Rotorblätter nur relativ drillweich gebaut werden, obendrein war die Steuerungsmechanik im Vergleich zu den heutigen weich. Um ungewolltes Winkeln der Blätter, verursacht durch das aerodynamische Moment, zu ver-
9.4 Profilierung
139
meiden, wurde symmetrisch profiliert. Der transsonische Betriebsbereich, mit den in ihm auftretenden hohen cm-Beiwerten lag noch fern. Heutiges Konstruktionsknow-how (FVW) ermöglicht sehr drillsteife Blätter und stabile Steuerungen. Damit ist es möglich, vorteilhafter zu profilieren, die entstehenden Momente nimmt der Festigkeitsverband ohne inakzeptable Verformungen auf.
Stationär: Kritische Luftkraftmomente entstehen bei ψ = 90° und Annäherung an M = 1. Verdichtungsstöße an Blattober- und -unterseite liegen im transsonischem Betrieb bei symmetrischen Profilen und Nullauftrieb in gleicher Tiefe und erzeugen deshalb kein Moment, so wie auch die Luftkräfte. Wölbung und Anstellung verschieben ihre Lage, vor allem auch relativ zueinander. Dies führt auf Grund stark ungleicher Druckverteilungen zu kräftigen Momentenwirkungen. Das Nullmoment erhält zwar einen stabilisierenden Zuschlag, aber das durch Anstellwinkelerhöhung entstehende Moment arbeitet dagegen, aufdrehend, also destabilisierend. Folgender besonderer Effekt entsteht in diesem Zusammenhang: Das vorlaufende Blatt wird durch die Wirkungen der Stalls kurz vor ψ = 90° erst negativ, dann bei ψ = 90° kurzzeitig stark positiv und gleich wieder negativ beaufschlagt und dadurch verdrillt. Dieser Effekt wird als mach-tuck bezeichnet. Starker Widerstandsanstieg, hohes Vibrationsniveau, hohe Steuerkräfte sind die Folgen. Der mach-tuck kann die maximal fliegbare Geschwindigkeit begrenzen. Aufgrund der über den Anstellwinkel rückgekoppelten instationären Torsion der Blätter kann dabei tip-path-split auftreten, die Blattspitzen laufen dabei nicht mehr in der gleichen Bahn um, ein Phänomen, das vor allem bei schnellfliegenden Hubschraubern (Compound) beobachtet wurde und die Strukturen möglicherweise überstark beansprucht. Dabei entstehen für nachfolgende Blätter andere Anströmbedingungen als sie für die vorlaufenden Blätter herrschen. Als 1975 mit der Bo105 in HGH-Konfiguration die Fluggeschwindigkeit bis auf 404 km/h gesteigert wurde, markierte tip-path-split das Geschwindigkeitslimit. Das Prinzip des Koaxial-Hubschraubers erfährt durch den mach-tuck seine Grenzen, da es gerade auf der starken (Verdichtungsstöße verursachenden) Anstellung der vorlaufenden Blätter im Schnellflug seinen Nutzen zieht. Für Normalhubschrauber ist der mach-tuck weniger kritisch, da die Spitze des vorlaufenden Blattes nur wenig angestellt ist, die Verdichtungsstöße damit klein bleiben und sowohl auf Profilober- sowie Unterseite stromab etwa auf gleicher Höhe bleiben. Zu vermeiden ist der mach-tuck u. a. durch gepfeilte Blattspitzen. cm
positive Dämpfung
0,04 0,02
α (°)
0,00 2
4
8
10
-0,08
20
är ion
-0,04 -0,06
16
t sta
-0,02
Bereich negativer Dämpfung dynamisch
-0,10 -0,12 -0,14 -0,16
Bild 9.12 Instationärer Momentenbeiwert
140
9 Auslegung des Hauptrotors
Dynamisch : Auch der Momentenbeiwert cm zeigt im instationären Betrieb dynamische Hysterese. Relativ zu den stationär gemessenen Werten vergrößert aufdrehen den Betrag des negativen cm, zudrehen verkleinert ihn, sogar bis in positive Bereiche. Damit wirkt der Momentenbeiwert immer der Winkelung entgegen, er dämpft diese, stärker als das stationäre cm. Dies trifft aber nur zu, solange der Winkelungszyklus den stationären Wert von αa,max nicht überstreicht, das Profil also ausreichend unterhalb oder oberhalb dieses Winkels arbeitet. Wird von einem Blattabschnitt αa,max durchlaufen (im Bild 9.12 ist ein Abschnitt dargestellt, der zwischen α = 6° und 18° arbeitet) ab dem die stationär gemessenen ca und auch das cm stark abfallen, tritt folgender kritischer Effekt auf: Durch die Dynamik des Aufwinkelns, verursacht durch die Massenträgheit der Luftteilchen, wird der cm-Abfall zunächst verzögert. Er tritt eine kurze Zeit später, dann aber verstärkt ein und erreicht seinen negativen Maximalwert, wenn das Profil schon wieder zudreht. Auf diese Weise verstärkt der Momentenbeiwert die Winkelung, er destabilisiert sie. Dem Luftstrom wird dabei Energie entzogen und dem Blatt zugeführt, über die kritische Laufzeitspanne hinweg oszillierend. Dies verursacht den sogenannten stall-flutter. Starke Vibrationen, hohe Steuerkräfte, oft auch tip-path-split, werden angeregt. Hier hat die bereits im Zusammenhang mit der Blattbelastung erwähnte Flattergrenze, in Bild 9.13 dargestellt, ihre Ursachen.
Tiger PT1/PT2
Ec135 DMH4/DMH3
PAH1 DMH4/DMH3 Stall/Handling Limit Bo105, Bk117 NACA23012 mod.
Specification Stall Limit Tiger DMH4/DMH3
Tiger PT1/PT2
Bild 9.13 Flattergrenze
Die Flattergrenze wird dargestellt in einer Auftragung des mittleren aerodynamischen Auftriebsbeiwertes bzw. der Blattbelastung über dem Fortschrittsgrad. Bestimmte Grenzbereiche sollten nicht überschritten werden. Es ergibt sich jedoch keine scharfe Auslegegrenze, auch wenn hier von der Flattergrenze gesprochen
9.4 Profilierung
141
wird. Sie muss erflogen bzw. nachgewiesen werden. Im Grenzbereich wird der Flug mit zunehmender Geschwindigkeit oder mit höheren Lastvielfachen immer rauher. Die Ursache hierfür ist, wie beschrieben, eine Verstärkung der Winkelungsbewegung an einzelnen Blattabschnitten, an Stelle der normalerweise vorhandenen Dämpfung. Aus der Kenntnis über die Ursachen heraus werden Profile gezüchtet, die den flatterfreien Bereich ausweiten. Glücklicherweise durchlaufen immer nur eine kleine Blattabschnitte und nur über kleine Sektoren diese Situation, so dass sich die Wirkungen schon deshalb in Grenzen halten. Um die Auswirkungen des stall-futter weiter zu begrenzen, sind entweder sehr drillsteife Battkonstuktionen vorzusehen, die durch cm-Änderungen nur minimal verdrillt werden und dadurch nur entsprechend geringe Störkräfte aufbauen, oder sehr drillweiche, die keine großen Rückstellmomente aufbauen. Erstere können während eines Durchganges durch ψ = 270° einige Zyklen der Verdrillung durchlaufen, weiche durchlaufen nicht einmal einen. Die Auswirkungen des stall-flutter auf die flugmechanischen Eigenschaften bleiben in der Regel gering. Das Prinzip durch Anordnung des Massenschwerpunktes vor den Neutralpunkt der Luftkräfte einen Flügel flatterfrei zu halten, gilt auch für den Drehflügel. Profile mit Neutralpunkten großer Rücklage sind deshalb günstiger. Die Lage des Neutralpunktes kann auch mit dem Einstellwinkel der Blatthinterkante oder einer Blechfahne (tap) beeinflusst werden. Der Massenschwerpunkt des Profilschnittes wird durch Nasengewichte nach vorn gelegt. 9.4.6 Feinabstimmungen der Profilierung Die Aufgabe, Hubschrauberblätter zu profilieren ist, wie gezeigt, hochdimensional. Sie erfordert Berücksichtigung aller Rotorparameter: Geometrie, Steifigkeiten, M- und Re-Zahlen, stationäre, dynamische, instationäre, transsonische Aerodynamik, Simulation der realen Rotordurchströmung im Nahfeld und global, Dynamik einschließlich Flatter- und Strömungsabrisserscheinungen, strukturelle und aerodynamische Rückkopplungen u.v.a.m. Der relativ einfache Trend, dargestellt in Bild 8.5a auf der Basis der Schwebeflugformel 4.19 wird von entsprechenden Effekten überlagert. Dies kann sogar zur Umkehr des Trends führen. Bei der Komplexität dieser Aufgabe ist der Einsatz von Großrechnern unabdingbar. Begonnen wurde mit den sogenannten Computational fluid Dynamics (CFD). Hier wird in einem ersten Schritt versucht, das gesamte Strömungsfeld im Bereich des Rotors zu simulieren, ausgehend von der Blattumströmung. In diesem Rahmen werden dann auch Probleme wie die der Profilinterpolation zu behandeln sein: Hat ein Blatt an zwei definierten Stellen feste Profile, dann ist immer noch offen, wie die Profilierung dazwischen auszusehen hat. Heute wird die Geometrie und werden die Luftkraftbeiwerte linear interpoliert. Bei der festgestellten Empfindlichkeit der Aerodynamik selbst auf kleinste Profilunregelmäßigkeiten könnte dieses Verfahren problematisch sein. Mit der in Entwicklung befindlichen höherharmonischen Ansteuerung (HHC) der Rotorblätter, möglicherweise ergänzt durch gezielt veränderliche Nickgeschwindigkeiten und Profilkonturen, werden sich ganz neue Möglichkeiten erge-
142
9 Auslegung des Hauptrotors
ben, das Schubpotential des Rotors zu erhöhen und noch viel stärker auszuschöpfen, auch wenn heute die Hauptzielrichtungen der HHC Lärm- und Vibrationsreduzierung sind. Heute entwickeln alle Hubschrauberhersteller eigene, auf die Verwendung auf Rotoren optimierte Profile, oft in Zusammenarbeit mit nationalen Forschungseinrichtungen, in Deutschland ist das die DLR (früher DFVLR). 1,8
ca,max bei M= 0,4 1,6
OA 213 VR-7(Tab -0°)
1,4
VR-12(Tab -3°) VR-12 DM-H4 VR-13 NACA23012
V23010-158 (Tab -3°)
1,2
VR-14 OA 212BFM DM-H2 DM-H1 NACA0012
DM-H3 OA 209 OA 207
VR-15 VR-8
1,0
0,8
OA 206
VR-9
DM: DLR MBB OA: ONERA Aerospaciale VR: Boeing Vertol
Mkrit (δca/δcm = 0,1und ca = 0)
0,6 0,70
0,72
0,74
0,76
0,78
0,80
0,82
0,84
0,86
0,88
0,90
Bild 9.14 Profilauswahl
0,1
0,0
-0,1 0,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1,0
0,1
0,0
-0,1 0,0
Bild 9.15 Profile für Hubschrauberrotoren
Hervorzuheben ist, welch geringe Unterschiede in der Kontur die Profileigenschaften schon wesentlich verändern können, wie die Bilder 9.14 und 9.15 zeigen. Oder wie gering hier die Fertigungstoleranzen sind, speziell auch beim Aufbringen des Erosionsschutzes auf die Profilnase.
9.5 Weitere Auslegungsparameter
143
9.5 Weitere Auslegungsparameter Die erste Gruppe der angesprochenen Auslegungsparameter ist aus relativ eingegrenzten Effekten zu bestimmen. Die Profilierung ist schon komplexer. Die Mehrzahl der übrigen Auslegeparameter, wie z.B. Blattmasse, Steifigkeiten speziell die des Blatthalses, Schlaggelenksabstand, Rückkopplungen in der Ansteuerung, können nur im Rahmen von hochdimensionalen Gesamtopimierungen festgelegt werden. Eines der wichtigsten Ziele ist dabei immer: günstige Steuerbarkeitseigenschaften sicherzustellen, worauf in Kap. 12. eingegangen wird. Trotzdem sind zusätzliche Auslegungsaspekte zu beachten. 9.5.1 Drehrichtung, Trägheitsmomente, Blattspitzen Die Drehrichtung der Hauptrotoren ist sekundär. Sie wird auf der Basis einer optimalen Getriebeauslegung festgelegt. Das Verhältnis Heckrotordrehrichtung zu Hauptrotordrehrichtung ist im Seitenflug wichtig. Der Konuswinkel wird in den Rotorkopf eingebaut. Oder in den Bereich der Blattbefestigung um dort die Biegebelastungen zu reduzieren. Die dominierende Belastung der Blatthälse entsteht aus der Zentrifugalkraft und den Schlag- und Schwenkbiegungen. Die noch zusätzliche Biegebelastung durch das Antriebsmoment wird durch Versatz der Wirklinie der Zentrifugalkraft nach vorn reduziert. Rotormassenträgheitsmoment: Um gute Steuereigenschaften zu erreichen, sind große Blattmassen, also reduzierte Lockzahlen γ, vorzusehen, was zu hohen Massenträgheitsmomenten des Gesamtrotors auch in Drehrichtung führt. Durch den in solchen Rotoren gespeicherten hohen Drehimpuls wird die Autorotation und den Übergang in diese erleichtert. Die genannten Vorteile werden mit höheren Blattund Nabengewichten erkauft. Daumenregel: Die im Rotor gespeicherte kinetische Energie sollte für ca. 1,5 sec die Schwebeleistung liefern können, bis zu der Drehzahl (Umin), bei der die Umströmung der Rotorblätter anfängt sich abzulösen. Neuere Hubschrauber arbeiten mit variablen Drehzahlen. Während des Starts wird die Rotordrehzahl bis zu 12 % abgeregelt, um durch höhere Blattbelastung cT/σ günstigere Schwebegüten zu erreichen und die Lärmabstrahlung zu reduzieren. Die Drehzahländerung geschieht durch entsprechende Regelung der Triebwerke mit den sog. FADEC-Systemen. Form der Blattspitzen: Die Optimierung von Blattspitzengeometrien steht noch am Anfang ihrer Entwicklung. Auf Grund der im Vergleich zu den Verhältnissen bei Tragflügeln wesentlich komplizierteren Anströmungsverhältnisse können die dort gesammelten Erfahrungen nur erste Hinweise geben. Die digitalelektronische Simulation der hier auftretenden Strömungsbilder ist noch nicht ausreichend, man ist hier noch weitgehend auf Flug- und Windkanalversuche angewiesen. Zur Vermeidung von Verdichtungsstößen bei transsonischer Anströmung der vorlaufenden Blattspitzen im Schnellflug hat sich die Pfeilung der Blattspitzen bewährt. Die zulässige Anströmung wird zu höheren Werten verschoben, da nur der Geschwindigkeitsvektor senkrecht zur Vorderkante für die Bestimmung der
144
9 Auslegung des Hauptrotors
örtlichen Machzahl maßgebend ist. Sie sollte unter der kritischen Machzahl des Profils liegen. Leistungsverluste und höherer Geräuschpegel durch die Verdichtungsstöße können damit in Grenzen gehalten werden, der gefährliche mach-tuck wird vermieden. Beachtet werden muss, dass an einem Winkel des Umlaufs, der etwas weiter als dem welcher der Summe aus dem Pfeilungswinkel plus ψ = 90° entspricht, die Vorderkante gegenüber der Anströmung wieder nicht mehr gepfeilt ist. Oft ist deshalb an den Blattspitzen zusätzlich nicht nur eine absolute Verjüngung, wie sie durch eine Trapezform entsteht, sondern durch Anwendung eines prozentual schlankeren Profils auch eine relative Verjüngung erforderlich. Die Blattspitzenpfeilung hat weitere günstige Auswirkungen auf die Flugmechanik. Die Luftkraftresultierende an der Blattspitze ist relativ zu der des Basisblattes nach hinten verlagert. Dadurch wird das Blatt tordiert, und zwar immer so, dass die örtlichen Luftkräfte an der Blattspitze abnehmen. Im Schnellflug wird die negativ angestellte Blattspitze des vorlaufenden Blattes positiv verdreht, sie liefert dadurch weniger Abtrieb, das rücklaufende Blatt wird negativ verdrillt, es entfernt sich dadurch von ca,max. Aufgrund dieser Rückkopplungen verbessert Pfeilung zusätzlich die Stabilität im Schnellflug. Im Schwebeflug verstärkt die Verdrillung durch gepfeilte Blattspitzen die Verwindung, ein Effekt der die Schwebegüte verbessert. Die Blattspitzenwirbel beeinflussen sich strömungstechnisch gegenseitig (s.a. Abschn. 2.4.3.5). Dies verhindert im 2. Quadranten des Umlaufes in einigen Flugsituationen ein sofortiges Abschwimmen frisch entstandener Wirbel mit dem Abwind. Sie können bis über die Rotorebene gedrückt und anschließend durch diese hindurchgesaugt werden. Das nachfolgende Blatt schlägt so in den Wirbel des vorauslaufenden. Seine Anströmung wird dadurch vor allem durch den lokal anderen Anstellwinkel gestört, Leistungseinbußen und verstärkter Lärm sind die Folgen („Teppichklopfer“ UH-1D). Die Blattspitzen nach unten zu biegen (anhedral tips) ist eine Möglichkeit, dies zu vermeiden. Dadurch entstehen die Spitzenwirbel nicht mehr in der Rotorebene, sondern bereits ein Stück stromabwärts. Bei aktuellen Rotoren sind die Verläufe sowohl der Pfeilung als auch der negativen V-Stellung nicht mehr geradlinig, dies ist durch moderne Fertigungstechnologien möglich geworden. Die Größe des nicht profilierten Teiles am Blatthals (cut out) ergibt sich aus der Größe des Rückanströmgebietes im Schnellflug. Zur Einhaltung geforderter Frequenzen der Blatteigenschwingungen sind die dazu benötigten Blattsteifigkeiten und Dämpfungen konstruktiv zu dimensionieren, bei gelenklosen Blättern speziell auch die an der Stelle des virtuellen Gelenkes. Ergänzend können Einzelmassen in das Blatt eingebaut werden. 9.5.2 Zusammenstellung aktueller Rotoren Die folgenden Bilder 9.16 und 9.17 zeigen die Rotoren der Hubschrauber EC135 und PAH2/“UHTiger“. Der Rotor der EC135 repräsentiert die aktuelle Technologie gelenkloser Rotoren für zivile Hubschrauber. In den Tabellen 9.1 bis 9.3 sind die wichtigsten Auslegungs- und Systemparameter aufgeführt.
9.5 Weitere Auslegungsparameter
145
Bild 9.16 Rotor EC 135 Tabelle 9.1 Systemparameter Rotor EC 135 [14] Daten EC135: Abflugmasse Antriebsleistung max. Fluggeschwindigkeit
2630 kg (2900 kg mit Außenlast) 2 mal:519 kW (Turbomeca) oder 546 kW (P&W) 287 km/h
Rotor: Gesamtmasse Blattmasse Rotorträgheitsmoment Lockzahl Typ Durchmesser Blattiefe Profilierung Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit Drehfrequenz Nenndrehzahl variable Drehzahl fiktiver Schlaggelenksabstand fiktiver Schwenkgelenksabstand1 Verwindung Drillelement Länge Torsionssteifigkeiten Konuswinkel Eigenfrequenzen
Rotorpitchwinkel kollektiv zyklisch längs zyklisch quer elastomerer Schwenkdämpfer Tiefenwuchtkammer
206 kg 38,2 kg 1150 kgm² 7 lagerloser 4-Blattrotor, FVW 10,2 mø 300 mm DM H4, DM H3 an den Spitzen, Parabolspitzen U=211 m/s bei 100 % Drehzahl, gegen den Uhrzeigersinn 41,36 1/s 6,58 Umdrehungen/s 98 bis 104 % 8,70 % 6,50 % 2°/m ab R1600 500 mm 7,2 Nm/Grad unter Fliehkraft von 144 kN 4,7 Nm/Grad ohne Fliehkraft 2,5° 1. Schwenken 0,69 Ω 2. Schwenken 4,4 Ω 1. Schlagen 1,075 Ω 2. Schlagen 2,57 Ω 3. Schlagen 5,34 Ω 4. Schlagen 7,47 Ω Torsion 4,9 Ω Profilsehne bei 0,7 R 0° bis 17,3° minus 14° bis plus 7,5° minus 7,9° bis plus 6,6° bei R4650 mm
146
9 Auslegung des Hauptrotors
Bild 9.17 Rotor PAH2-„Tiger“ Tabelle 9.2 Systemparameter Rotor PAH2-„Tiger“ [15] Daten PAH2 „Tiger“ Abflugmasse (maximal) Antriebsleistung max. Fluggeschwindigkeit Rotor: Gesamtmasse Blattmasse Rotorträgheitsmoment Lockzahl Typ Durchmesser Blattiefe Flächendichte Profilierung Blattspitzenumlaufgeschwindigkeit Drehfrequenz Nenndrehzahl n fiktiver Schlaggelenksabstand fiktiver Schwenkgelenksabstand Verwindung Torsionssteifigkeit Elastomerlager Konuswinkel Pitchachsenversatz Eigenfrequenzen 104 % n
Rotorpitchwinkel: kollektiv zyklisch längs zyklisch quer viskoser Schwenkdämpfer Steuermomentenkapazität Tiefenwuchtkammer
6100 kg 2 x 965 kW (TOP 0 m ISA) 275 km/h 430 kg 76,6 kg einschließlich Dämpfer 3700 kgm² 9,5 gelenkloser FEL-Rotor mit 2 Elastomerlagern 13,0 mø 520 mm 0,097 DM H4, DM H3 an den Spitzen, Parabolspitzen U=224 m/s bei 104 % Drehzahl, im Uhrzeigersinn 34,46 1/s 5,5 Umdrehungen/s 9,54 % 12,55 % 1,85°/m 27,5 Nm/Grad (Koll.); 37,5 Nm/Grad (zykl.) 2,5° 0,1 m (nach vorn) 1. Schwenken 0,640 Ω 2. Schwenken 5,950 Ω 1. Schlagen 1,076 Ω 2. Schlagen 2,690 Ω 3. Schlagen 5,960 Ω 4. Schlagen 8,570 Ω Torsion 4,760 Ω (infinite grip) Profilsehne bei 0,7 R minus 2° bis plus 15° plus 9° bis minus 15° plus 10,5° bis minus 6,5° 5000 Nm/Gradzyklisch bei n bei R5860 mm
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Die Rotorauslegung hat starken Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Einsatzeignung des Hubschraubers, sie ist jedoch nicht alleine bestimmend. Erst die Flugeigenschaften des Gesamthubschraubers sind entscheidend. Unter Flugeigenschaften versteht man alle Reaktionen eines Fluggerätes auf Steuereingaben und Störgrößen, die statisch und/oder dynamisch sein können. Für den Piloten ergeben sich daraus die von ihm zu leistenden Aktivitäten, um alle Missionen in der realen Umwelt zu erfüllen.
Bild 10.1 Free Style Event geflogen mit BO105M 1 Korkenzieher Start 2 Steigflug rückwärts 3 360-Grad-Rolle senkrecht abwärts 4 Dreiviertel-Looping 5 180-Grad-Spirale 6 Cobra-Rollen 7 Halbe Cubanische Acht 8 Steigflug im 45-Grad-Winkel mit eineinhalbfacher Drehung um die Hochachse 9 Pedal-Drehung 10 Avalanche 11 Looping 12 180-Grad-Drehung mit Spirale 13 Langsame Rolle im 45-Grad-Steigflug
14 Steiler Abschwung 15 Überdrücken (BO-Turn) 16 Geteiltes „S“ 17 Cobra-Rolle 18 Immelmann-Turn 19 Steigflug mit Drehung 20 360-Grad-Rolle 21 Tiefer Looping 22 Abbremsen von 100 auf 0 Knoten in einer engen 360-Grad-Steilkurve 23 Senkrechter Sturzflug aus 60m Höhe 24 Abfangen mit einem Steilkreis im Tiefflug 25 Aufsetzen mit Vorwärtsgeschwindigkeit
148
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Was an Flugmanövern mit entsprechend leistungsfähigen Hubschraubern möglich ist, zeigt das Flugprogramm „Free Style Event“ der Hubschrauberweltmeisterschaften 1981 auf Bild 10.1, geflogen mit einer Bo105 M. Die Vorführung musste über einer Grundfläche von 500 x 500 m geflogen werden, bei einer maximalen Flughöhe von 150 m und einem Zeitlimit von vier Minuten. Solche Manöver treten im Verlauf normaler Missionen von UHS und THS nicht auf, aber schon weitgehend bei Einsätzen von AH, besonders im Luftkampf. Sie zeigen vor allem die flugtechnischen Reserven des Systems, eine Art Sicherheitsmarge großer Breite, die später als Unterschied zwischen Einsatz- und Leistungsenvelope bezeichnet wird.
10.1 Die Bewegungsgleichungen Im Flug befinden sich alle Kräfte in Richtung der drei geometrischen Achsen und Momente um diese Achsen im Gleichgewicht, die Steuerelemente sind entsprechend eingestellt und festgehalten. Verwendet wird üblicherweise das flugzeugfeste Koordinatensystem mit +x in Hubschrauberlängsrichtung, +y nach Steuerbord und +z nach unten mit dem Ursprung im Schwerpunkt (die zu verwendenden Koordinatensysteme sind in DIN9300 festgelegt). Im hubschrauberfesten Koordinatensystem sind die axialen Bewegungsgrößen definiert wie in Tabelle 10.1 dargestellt. Tabelle 10.1 Axiale Bewegungsgrößen
Achse x y z
X: LängsY: SeitenZ: Normalkraft
L: Roll-. M: NickN: Giermoment
u: Längsv: Seitenw: Normalgeschw.
Drehgeschw.
Drehwinkel
p: Rollen q: Nicken r: Gieren
Φ: Hängewinkel Θ: (Nickw.) Längsneigung Ψ: (Gierwinkel) Azimut
10.1.1 Der allgemeine instationäre Flug Die allgemein gültigen Eulerschen Bewegungsgleichungen für starre Flugkörper ergeben sich aus den Kräfte- und Momentengleichgewichten in Richtung der bzw. um die drei körperfesten Achsen. Das entsprechende Gleichungssystem ist, bei festgehaltenen Steuerelementen, das gleiche wie bei den Flächenflugzeugen: ⋅ ⋅⋅ ⋅ X = m x − y⋅ r + z⋅ q + m ⋅ g ⋅ sin Θ ⋅ ⋅⋅ ⋅ Y = m y − z⋅ p + x⋅ r − m ⋅ g ⋅ cos Θ ⋅ sin Φ
(10.1a) (10.1b)
10.1 Die Bewegungsgleichungen ⋅ ⋅⋅ ⋅ Z = m z − x⋅ q + y⋅ p − m ⋅ g ⋅ cos Θ ⋅ sin Φ ⋅
⋅
L = I x ⋅ p − I xz ⋅ r + B zd ⋅ q − B yd ⋅ r − I xz ⋅ p ⋅ q + (I z − I y )⋅ q ⋅ r ⋅
M = I y ⋅ q − B zd ⋅ p + B xd ⋅ r − (I z − I x ) ⋅ p ⋅ r + I xz ⋅ p 2 − I xz ⋅ r 2 ⋅
N = I z ⋅ r − I xz ⋅ p + B yd ⋅ p − B xd ⋅ q − (I x − I y )⋅ p ⋅ q + I xz ⋅ q ⋅ r
149
(10.1c) (10.1d) (10.1e) (10.1f)
Darin sind: • • • •
I: die Massenträgheitsmomente bzw. –deviationsmomente, B: Drehimpulse, X, Y, Z: am Fluggerät angreifende Luftkräfte, einschließlich der Steuerkräfte, L, M, N: am Fluggerät angreifende Luftkraftmomente, einschließlich der Steuermomente.
Im Prinzip haben alle Flugzeuge noch weitaus mehr Bewegungfreiheitsgrade z.B. durch bewegte Steuerelemente, aufgrund von Deformationen der Bauteile unter Luft-, Elastizitäts- und/oder Massenkräften oder aufgrund drehender Teile, die bei Veränderungen der Flugsituation ihre Drehzahl ändern. Beim Starrflügler können solche Freiheitsgrade in den meisten Fällen wegen ihres geringen Einflusses auf die Flugmechanik vernachlässigt werden. Oft nicht so beim Hubschrauber! Bei ihm können die Freiheitsgrade • • • •
Schlagen, vor allem der Hauptrotorblätter, Schwenken, vor allem der Hauptrotorblätter, Winkelung (Blatttorsion, Steuerweichheit) und die Drehzahlen, vor allem die des Hauptrotors,
in einigen Flugfällen nicht vernachlässigt werden. Berücksichtigt werden müssen sie bei Untersuchungen unmittelbarer Reaktionen auf Störungen durch Böen oder Steuereingaben. Damit wären für den Hubschrauber im Prinzip mindestens zehn Bewegungsgleichungen erforderlich. Die zusätzlichen ergeben sich aus den folgenden mit zu berücksichtigenden Momentengleichgewichten: • • • •
um die Schlaggelenke, um die Schwenkgelenke, um die Blattlängsachse, um die Rotordrehachse.
Diese Gleichgewichte sind im Wesentlichen bereits behandelt. Die Ergebnisse müssen nur noch vom drehenden Koordinatensystem des Rotors in das hier verwendete körperfeste System transformiert werden. Die Eigenfrequenzen dieser rotorspezifischen Freiheitsgrade sind in der Regel sehr viel höher als die der relativ trägen Bewegungen des Gesamthubschraubers, so dass sie auf diese nur stark reduzierten Einfluss haben können. Der Rotor wird deshalb oft lediglich als ein Kräfte und Momente erzeugendes Bauteil berücksichtigt. Auch wir gehen im weiteren von sechs Freiheitsgraden aus.
150
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Durch die moderne elektronische Triebwerksregelung (FADEC) hat die Drehzahl der Rotoren als Bewegungsfreiheitsgrad stark an Bedeutung verloren, außer beim Übergang zum oder im Autorotationsflug. Gewöhnliche nichtlineare Differentialgleichungssysteme wie (10.1a)–(10.1f) mit vielen Einflussfaktoren und der Zeit als unabhängiger Variabler können numerisch durch schrittweise Integration gelöst werden. Erste Schritte werden in den Kap. 10.1.3.1 und 10.1.3.2 dargestellt. Die Gln. (10.1a)–(10.1f) müssen gelöst werden für Untersuchungen spezieller Dynamiken des Gesamthubschraubers und dessen Flugeigenschaften, bei instationären Bewegungsverläufen, im Bereich der Fliegbarkeit oder wenn bestimmte Flugbahnen vorgegeben sind. Einsatztechnisch interessieren primär die Fluglagen, -bahnen, -beschleunigungen und -bewegungen im erdfesten Bezug. Deshalb müssen die Ergebnisse dieser Rechnungen anschließend vom hubschrauberfesten System mit Hilfe der Eulerwinkel in das geodätische System übertragen werden (Eulerwinkel s. DIN9300). Die bei Flächenflugzeugen unter Ausnutzung derer Symmetrie in der xz-Ebene mögliche Vereinfachung wären beim Hubschrauber, als ein in der Regel asymmetrischem Fluggerät, nur unter Inkaufnahme von zu großer Ungenauigkeiten möglich. 10.1.2 Eingrenzung der Freiheitsgrade An Stelle der genannten Vereinfachungsmöglichkeiten beim Starrflügler ergeben sich für den Drehflügler solche durch die drei für viele Untersuchungen ausreichend entkoppelten hubschrauberspezifischen Flugfälle Schweben, Vorwärts- und Seitwärtsflug, wie sie mit Hilfe der Tabelle 10.2 anschaulich schematisch dargestellt sind. Durch Beschränkung auf die für diese Flugfälle maßgebenden Freiheitsgrade kann das Gleichungssystem aufgespalten werden, Tabelle 10.2. Tabelle 10.2 Aufspaltung des Gleichungssystems v
Φ
Ψ
Z
K
K
K
X
K
K
K
M
K
K
K
w
u
Θ
Y
K
K
K
L
K
K
K
N
K
K
K
Längsbewegung K (sl)
Kopplungen (seitlich auf längs) Schwebeflug
K(ls)
Kopplungen (längs auf seitlich) Seitenbewegung
Demnach sind zur Erfassung des Schwebefluges mindestens drei, möglichst jedoch vier Freiheitsgrade zu berücksichtigen, für die Längs- bzw. Lateralbewegung jeweils drei. Dynamische Koppeleffekte (sie werden später behandelt), vor allem
10.1 Die Bewegungsgleichungen
151
im Schwebeflug, erschweren die saubere Abspaltung einzelner Bewegungsmodi bzw. führen zu Ungenauigkeiten bei den Ergebnissen. Ähnliche, allerdings geringere, Folgen hat die hier stillschweigende Gleichsetzung der Trägheitsachsen mit den Stabilitätsachsen. 10.1.3 Der stationäre Flug Eliminiert man aus den Bewegungsgln. (10.1a)–(10.1f) alle linearen und angularen Beschleunigungsglieder, dann repräsentiert der Gleichungssatz den stationären Flugfall. Solche Gleichungssysteme werden herangezogen für Flugleistungs- und Trimmrechnungen. Zu ermitteln sind damit: • • • • • • •
benötigte Steuerwinkel, auftretende Steuerkräfte und Momente, die verschiedenen Geschwindigkeiten in Längs- und Querrichtung, die Steig- und Sinkgeschwindigkeiten, Reichweiten, Flugdauern, Gipfelhöhen.
Die zur Einhaltung der pro Rechenfall vorzugebenden Flugsituation erforderlichen Steuerwinkel werden als Trimmwinkel bezeichnet; sie werden iterativ so bestimmt, dass ein stationärer Flugzustand erreicht wird. 10.1.3.1 Schwebeflug als Grenzfall sehr langsamen Vorwärtsfluges Im Schwebeflug erzeugt der Rumpf keine Kräfte außer dem Abtrieb durch den Rotorabwind. Dieser und die z-Kräfte am horizontalen Leitwerk ergeben sich aus dem Rotorschub und den entsprechenden Abwindfaktoren. Über das Vorzeichen des Heckrotordrehmomentes wird die Drehrichtung des Heckrotors berücksichtigt. Das Nickmoment des Hauptrotors ergibt sich in Abhängigkeit vom Schlagwinkel aus der Schlagbewegung der Blätter. In unserem Falle wird angenommen, dass der Heckrotor keine Kräfte in x- oder z-Richtung erzeugt. Alle auftretenden Winkel sind klein. Aus den Gln. (10.1a), (10.1b) und (10.1e) ergeben sich damit für den Schwebeflug: X HaRo = m ⋅ g ⋅ sin θ
(10.2a)
Z HaRo + Z HLW + Z Rumpf = m⋅ g ⋅cos θ
(10.2b)
M HaRo + X HaRo ⋅ l HaRo ,vert . + Z HaRo ⋅ l HaRo ,hor . + ± M HeRo + Z Rumpf ⋅ l Rumpf , hor . + Z HLW ⋅ l HLW , hor . = 0
(10.2c)
152
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
mit: • XHaRo = SHaRo ⋅ sin(βMasteinbau+βSchlag,längs) • ZHaRo = SHaRo Als unabhängige Variable verbleiben damit: • Rotorschub SHaRo , • Schlagwinkel in Längsrichtung βSchlag,längs , • Nickwinkel θ, für die das Gleichungssystem (10.2a)– (10.2c) zu lösen ist. 10.1.3.2 Stationärer Vorwärtsflug Um das schrittweise Vorgehen bei der Lösung von Gleichungsystemen wie 10.2 zu demonstrieren, ist schon bei der Berechnung des Schwebefluges von den Gleichungen für (sehr langsamen) Vorwärtsflug ausgegangen. Sie sind jetzt um die Rumpfaerodynamik zu ergänzen. Die Ergänzungen können dabei als Funktionen von Schub und Nickwinkel ausgedrückt werden. X HaRo + X HeRo + X LW + X Rumpf = m ⋅ g ⋅ sin θ
(10.3a)
Z HaRo + Z LW + Z Rumpf = m ⋅ g ⋅ cos θ
(10.3b)
M HaRo + X HaRo ⋅ l HaRo ,vert . + Z HaRo ⋅ l HaRo ,hor . +
+ M Rumpf + X Rumpf ⋅ l Rumpf ,vert . + Z Rumpfo ⋅ l Rumpf ,hor . + + M HeRo + X Lw ⋅ l Lw ,vert . + Z Lw ⋅ l Lw ,hor . = 0
(10.3c)
Mit den neuen Lösungen können jetzt weitere Unbekannte und Gleichungen berücksichtigt werden. Die Luftkräfte und -momente in den Gln. (10.2a,b,c) und (10.3a,b,c) bestimmt die Aerodynamik.
10.2 Flugdynamik Bei der Analyse der Flugdynamik werden die in Kapitel 10.1.3 eliminierten Beschleunigungsglieder berücksichtigt. Damit werden wichtige Aussagen möglich zu den Charakteristiken der Flugbewegungen, sogar ohne dem aufwändigen Weg über die Zeitfunktionen. Gefragt wird hier nicht in erster Linie nach den Absolutwerten der Flugbahnen, sondern es interessieren die Eigenschaften der einzelnen Bewegungsformen.
10.2 Flugdynamik
153
Aus der Flugdynamik ergeben sich als wichtigste Ergebnisse die Stabilitätseigenschaften. Als, im flugmechanischen Sinne, dynamisch stabil wird ein Flugzeug bezeichnet, das nach einer Störung seines stationären Fluges selbständig in den Trimmzustand zurückkehrt. Dies kann in Form einer periodischen, aber auch einer aperiodischen Reaktionsbewegung geschehen. Als statisch stabil wird ein Flugzeug bezeichnet, das bei Auftreten einer Störung dieser von sich aus unmittelbar entgegenwirkt. 10.2.1 Linearisierter Ansatz für die Luftkräfte Aus der Erkenntnis heraus, dass für Flugstabilitätsanalysen nur kleine Auslenkungen aus einer Gleichgewichtslage untersucht werden, hat sich in der Praxis ein Verfahren durchgesetzt, das oft als Methode der kleinen Schwingungen bzw. Störungen bezeichnet wird. Unter Annahme kleiner Störkräfte, also auch kleiner Abweichungen vom Bezugszustand, können die daraus entstehenden Störbewegungen als zu den Kräften linear verlaufend angenommen und entsprechend angesetzt werden. Dies liegt nahe, weil umgekehrt die aerodynamischen Kraftwirkungen auch weitgehend linear zu ihren Einflussgrößen sind (s.a. Bild 4.6) und die Veränderungen der Schwerpunkts- und Drehgeschwindigkeiten stets klein bleiben. Spätere Vergleiche von Rechenergebnissen mit Messungen bestätigen diese Annahmen. Die Dynamik des Fluggerätes wird bei diesem Verfahren ausschließlich in Abhängigkeit der Freiheitsgrade als unabhängige Variable dargestellt. Also z.B. für die X-Kraft: X = X(u,v,w,p,q,r,Φ,Θ,Ψ,dϑ0,dϑL,dϑQ,dϑHeRo) Als Bezugszustand und damit auch zur Bestimmung der Anfangswerte dient der ausgetrimmte Flug, die Steuerelemente sind anschließend festgehalten. Erfährt ein Flugzeug im stationären Flug eine Störung (z.B. durch eine Bö oder einen kleinen Steuerausschlag), dann führt es als Folge überlagerte Bewegungen im Sinne aller Freiheitsgrade aus. Die Luftkräfte und -momente werden für diesen Fall und bei diesem Verfahren in der Art von Taylor-Reihen nach den o.g. Freiheitsgraden entwickelt. Die neuen Einflussgrößen sind jetzt die Änderungen im Sinne der Freiheitsgrade, die partiellen Ableitungen der Kräfte und Momente. Durch die angenommenen Linearitäten verschwinden alle Glieder der Taylorentwicklungen mit höheren Ableitungen. Es entstehen Gleichungen folgender Art für die Luftkräfte (z.B. in x-Richtung): ∂X ∂X ∂X ∂X ∂X ∂X X = X0+ ∆r +... ∆u + ∆v + ∆w + ∆p + ∆q + ∂r ∂u ∂v ∂w ∂p ∂q (10.4a,b,c) oder für die (z.B. Nick-) Momente: M=
∂M ∂M ∂M ∂M ∂M ∂M ∆u + ∆v + ∆w + ∆p + ∆q + ∆r +... ∂u ∂v ∂w ∂p ∂q ∂r
(10.4d,e,f)
154
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Die in diesen Gleichungen enthaltenden partiellen Ableitungen nach den Einflussgrößen, ∂M wie z.B.: = Mu , ∂u gelegentlich auch unter Einbeziehung der Massen bzw. Massenträgheitsmomente: ∂M = Mu , I ⋅ ∂u
werden als Stabilitätsderivativa bezeichnet. Entsprechende Größen mit den Steuerwinkeln als Variable, z.B.
∂M ∂η
sind die Steuerungsderivativa.
Derivativa, die der Bewegung entgegenwirken, sind Dämpfungen, z.B. ist
Mq
die Nickdämpfung.
Die Derivativa beschreiben die Änderungen der Kraft- bzw. Momentenkomponenten infolge von Änderungen der Einflussgrößen relativ zum Gleichgewichtszustand. Sie sind dimensionsbehaftet und nur für ihren Bezugsflugzustand gültig. Sie werden ermittelt mit Hilfe von Rechenverfahren, zunächst auf der Basis der Formeln aus der Aerodynamik, allerdings oft in dimensionsloser Form, später mit Hilfe von digitalen Simulationen, aus Windkanalmessungen und schließlich aus Flugversuchen. Daraus entsteht eine der Notwendigkeiten Prototypen zu bauen. Beispiele für praktisch auftretende Werte sind enthalten in: [ 3 ] für einen Beispiel-HS, [ 4 ] für die HS Lynx, Puma und Bo105, [ 17 ] für die UH60. In [ 3 ] sind die einschlägigen Formeln zusammengestellt. Es existieren auch Derivativa in Bezug auf Lageänderungen und Beschleunigungen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die aerodynamischen Beschleunigungen bei üblichen Flugbedingungen nur sehr wenig Einfluss auf die Kräfte und Momente haben. 10.2.2 Die Bewegungsgleichungen für kleine Störungen Vereinfachungen: Die Eingrenzungen der Freiheitsgrade auf die der drei typischen Flugfälle, entsprechend Kapitel 10.1.2, sind auch hier anwendbar. Mit dem Einsetzen der linearisierten Luftkräfte in die Bewegungsgleichungen treten Quadrate und Produkte kleiner Abweichungen und deren Ableitungen auf, die hier zunächst vernachlässigt werden können. Die rechten Seiten der Gln. (10.1a)–(10.1f) enthalten Beschleunigungsglieder. Die Zentrifugalterme von ihnen setzen sich zusammen aus Anteilen, hervorgerufen durch die stationären Bewegungen oder Drehungen und denen durch die Störungen. Demnach sind, hier z.B. für die x-Richtung:
10.2 Flugdynamik
155
⋅⋅ ⋅⋅ ⋅⋅ x − v ⋅ r + w ⋅ q = x − v stat ⋅ r − v ⋅ r stat + wstat ⋅ q + w ⋅ q stat = x + wstat ⋅ q da : ( p, q, r )stat = 0 . Bestehen bleibt offensichtlich nur die Steiggeschwindigkeit und damit der Steigwinkel. Dabei kann angesetzt werden:
wstat = vstat⋅θstat Alle anderen Lagewinkel sind identisch Null, da wir uns (stillschweigend und vereinfachend) auf die Stabilitätsachsen beziehen. Aus dem gleichen Grund ist vx gleich der Bahngeschwindigkeit. Da unser Bezugszustand symmetrisch ist und keine Drehgeschwindigkeiten aufweist, sind alle entsprechenden Drehungen und Ruderausschläge, aber auch die Lateralgeschwindigkeiten und die stationäre Vertikalgeschwindigkeit identisch Null. In der Gleichung für die Vertikalkräfte entfällt das Abfluggewicht, da es mit keiner der Koordinaten veränderlich ist. Mit diesen Feststellungen und den Ansätzen (10.4a)–(10.4f) entstehen aus den Gln. (10.1a)–(10.1f) die Bewegungsgleichungen für kleine Störungen aus einem stationären Horizontalflug heraus, wie in Tabelle 10.1 dargestellt, in der Form linearer partieller Differentialgleichungen. ⋅⋅
⋅
⋅
⋅
− m ⋅ x + X u ⋅ x + X v ⋅ y + X w ⋅ z + (X q − m ⋅ v stat ⋅ Θ stat )⋅ q − m ⋅ g ⋅ Θ + X p ⋅ p + X r ⋅ r =
= X η ⋅ η1 1 ⋅⋅
⋅
⋅
⋅
− m ⋅ y + Y u ⋅ x + Y v ⋅ y + Y w ⋅ z + Y q ⋅ q + (Y p − m ⋅ v stat ⋅ Θ stat ) p − m ⋅ g ⋅ Φ +
+(Y r − m ⋅ v stat ) ⋅ r = Y η ⋅ η2 2
(Z
⋅ w−m
)z+ Z ⋅⋅
⋅
u ⋅ x+ Z v ⋅
⋅
⋅
⋅
⋅
y + Z w ⋅ z + (Z q + m ⋅ v stat )⋅ q + Z p ⋅ p + Z r ⋅ r = Z η ⋅ η3 3 ⋅
⋅
Ru ⋅ x + R v ⋅ y + R w ⋅ z + R q ⋅ q − I x ⋅ p + R p ⋅ p + R r ⋅ r = R η4 ⋅ η4 ⋅
⋅
⋅
⋅
⋅
⋅ M w ⋅ w+ M u ⋅ x + M v ⋅ y + M w ⋅ z + I y ⋅ q + M q ⋅ q + M p ⋅ p + M r ⋅ r = M η5 ⋅ η5 ⋅
⋅
⋅
⋅
N u ⋅ x + N v ⋅ y + N w ⋅ z + N q ⋅ q + N p ⋅ p − I z ⋅ r + N r ⋅ r = N η ⋅ η6 6
(10.5a–10.5f)
156
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Auf den rechten Seiten der Gl. (10.5) sind die Steuerkräfte bzw. -momente angegeben. Für Untersuchungen zu den dynamischen Eigenschaften allein unseres Systems im stationären Flug brauchen sie zunächst nicht in die Betrachtungen einbezogen werden. 10.2.3 Flugdynamische Eigenschaften Auf der Basis von Gleichungssystemen wie (10.5a)–(10.5f) können die dynamischen Eigenschaften auf verschiedenen Wegen ermittelt werden:
• durch analoge Simulation (schnelle Tendenzanalyse). Ein Analogrechner simuliert Schwingungssysteme aus Federn, Dämpfern und Massen durch Kondensatoren, elektrische Widerstände und Induktivitäten. Die Spannungen in den einzelnen Kreisen repräsentieren die einzelnen Freiheitsgrade. Ihre zeitlichen Verläufe nach einer Störung zeigen die Reaktionen des Systems. Solche Simulationen sind sehr gut geeignet, Parameteränderungen schnell anschaulich zu machen. • Durch numerische Berechnung, also mit Hilfe digitaler Simulation, oder auf der Grundlage von Gleichungen aus der Aerodynamik. • Durch ermitteln der Eigenwerte der Dynamikmatrix (klassische und auch heute gebräuchlichste Methode). 10.2.3.1 Ermittlung der Eigenwerte Dieser heute übliche Lösungsweg kann für Starrflügler in Flugmechanikbüchern nachgelesen werden. Dort wird das Gleichungssystem (10.5a)–(10.5f) in der Regel ohne großem Genauigkeitsverlust in eindimensionale Bewegungsgleichungen aufgelöst (wie im Grundlagenbeispiel gleich anschließend). Beim Drehflügler verbieten intensive dynamischen Kopplungen und dadurch drohende zu große Ungenauigkeiten solche Aufspaltungen. Dafür kann beim Hubschrauber, entsprechend Tabelle 10.2, nach den drei spezifischen Flugfällen getrennt werden.
Analyse harmonischer Bewegungen: Am Beispiel einer eindimensionalen Bewegungsgleichung zweiter Ordnung sollen der Lösungsweg demonstriert und die auftretenden Begriffe und später benutzten Formeln erläutert werden. Seit Newton wird die Bewegung eines eindimensionalen, harmonischen und zur Geschwindigkeit proportional gedämpften Schwingers in folgender Weise als Differentialgleichung mathematisch erfasst (diese Formel wurde schon zur Beschreibung der Schlagbewegung der Rotorblätter benutzt): ⋅⋅
⋅
m ⋅ x+ d ⋅ x+ c ⋅ x = 0
oder
⋅⋅
x+
⋅⋅ ⋅ d ⋅ c x + x = 0 = x + 2σ ⋅ x + ω02 ⋅ x m m
(10.6a)
(10.6b)
10.2 Flugdynamik
157
Aus der normierten Gl. (10.6b) kann eine Reihe von Eigenschaften der Schwingung unmittelbar abgelesen werden: • der Dämpfungskoeffizient
σ=
• die Nullfrequenz (ohne Dämpfung) ω0 =
d 2m
c m
• die Eigenfrequenz (mit Dämpfung) ω = ωo2 − σ2 • die Schwingungsdauer oder Periode T =
2π ω
(10.7) (10.8) (10.10) (10.11)
π (10.12) ω Für unsere Zwecke werden die Gln. (10.6 a und b) unter Zuhilfenahme der Laplace-Transformation behandelt. Dabei wird für die Bewegungsgröße x folgender Ansatz eingeführt: • das logarithmische Dekrement q, entsprechend: ln q = σ ⋅
x = x o ⋅ e s⋅t
(10.13)
mit x0 als Anfangswert der Amplitude. Mit dem Ansatz 10.13 und seinen zeitlichen Differentialen, eingesetzt in die Gl. (10.6), erhält man die (leichter als die Differentialgl. (10.6) zu lösende) algebraische Frequenzgleichung in ihrer Normalform, die oft auch charakteristische Gleichung genannt wird: s 2 + 2σ ⋅ s + ω02 = 0
(10.14)
Die Laplace-Transformation überführt also die Schwingungsgleichung aus der Zeitebene in die komplexe mathematische oder auch Gaußsche Zahlenebene, quasi als Bildebene, mit folgenden (hier zwei) konjugiert komplexen Lösungen: s1,2 = −σ ± σ² − ω02 = −σ ± i ⋅ ω02 − σ² = −σ ± iω
(10.15)
Frequenzgleichungen höherer Ordnung (multidimensionale Systeme) können neben komplexen zusätzlich nichtkomplexe Lösungen haben. Nur für die si, dem System eingeprägte Werte, sind Lösungen der Gln. (10.6) überhaupt möglich. Die si sind die Eigenwerte des Systems. Sie stellen durch ihre Lage in der Bildebene die Eigenschaften 10.7 bis 10.12 und 10.19 dar. Neben den quantitativen Ergebnissen wie Eigenfrequenz, Dämpfung usw. sind aus der Darstellung der Eigenwerte unmittelbar die folgenden qualitativen Eigenschaften abzulesen: • Komplexe Lösungen repräsentieren Schwingungen. • Nichtkomplexe repräsentieren aperiodische Reaktionen. • Lösungen mit negativem Real-Teil zeigen stabile aperiodische Reaktionen oder Schwingungen an, • solche mit positivem Real-Teil instabile, also aufklingende.
158
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Die Schwingungsbewegung selbst, auf der die Differentialgl. (10.6) basiert (in der Zeitebene), ist damit bekannt:
x = xo ⋅ e−σ⋅t sin( ω ⋅ t + ω ⋅ t o )
(10.16)
x0 und der Phasenwinkel ω⋅t0 sind die dabei zu ermittelnden Anfangswerte, mit folgender Einhüllenden bei Schwingungsreaktionen: x = ± A0 ⋅ e− σ⋅t
(10.17)
mit A0 = x0 bei ω⋅t0 = 90° , im Zeitpunkt der Störung. Die Zeitfunktion (10.16) kann sein:
• eine sin-Schwingung mit einhüllender e-Funktion, aber auch • eine aperiodische Bewegung. • Das Vorzeichen des Exponenten σ zeigt bei beiden an ob die Reaktion gedämpft ist oder aufklingt. Bei + besitzt der Eigenwert s einen positiven Realteil. Dies zeigt an, dass eine aufklingende, also instabile Schwingung vorliegt. Die Bewegungsformen sind abhängig von den Faktoren der Gl. (10.6a). Folgende treten auf und zeigen an: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
d = 0, c > 0 d > 0, c/m > (d/2m)2 d < 0, c/m > (d/2m)2 d > 0, c/m < (d/2m)2 d < 0, c/m < (d/2m)2 c=0
ungedämpfte Schwingung, gedämpfte Schwingung, aufklingende Schwingung, aperiodisch gedämpfte Bewegung, aperiodische Divergenz, gleichförmige Bewegung.
Zwischen den Fällen 2) und 4) gibt es einen Grenzfall mit:
d > 0, und c/m = (d/2m)2 Diese Bedingungen repräsentieren eine Bewegung, die als Schwingung gerade nicht mehr periodisch ist, oder die als aperiodische Bewegung an der Grenze liegt, periodisch zu werden. Für diesen Grenzfall ergibt sich das
kritische Dämpfungsmaß:
ζ krit =
d d krit
=
d c 2m m
(10.18)
Die Schwingungslehre definiert dieses ζkrit als das Dämpfungsmaß mit dem die Amplitudenresonanz in ω / ω0= 0 liegt. Aus dieser Bedingung ergibt sich der zugehörige Betrag zu: ζ = 2-½ . Aus den Gln. (10.18) mit (10.7) und (10.8) entsteht der allgemeine Ausdruck für das Dämpfungsmaß: ζ=
σ
ω0
(10.19)
Dieses ζ wird später bei der Beurteilung der dynamischen Eigenschaften bzw. zur Festlegung der Grenzen von flugtechnischen Güteklassen herangezogen.
10.2 Flugdynamik
159
Zwei flugmechanisch wichtige Aussagen zu den Reaktionen unseres Hubschraubers als Schwingungssystem sind die Halbwertzeit tH bei Dämpfung bzw. Doppelwertzeit tD bei Verstärkung der Reaktionsbewegung. Der Wert von tH gibt die Zeit an, nach der sich die Ordinate der Funktion bzw. bei Schwingungen die der Hüllkurve halbiert bzw. bei tD verdoppelt. Diese Zeiten sind aus der Zeitgl. (10.16) anschaulich abzuleiten:
xt H 1 = e − σ⋅t H = logarithmiert: −σ ⋅ t H = ln 0,5 oder: 2 x0 tH =
− ln 0,5 0,693 = σ σ
(10.20)
Da -ln0,5 = ln2, gilt für die Doppelwertszeit der gleiche Zusammenhang. Flugmesstechnisch wichtig, da praktikabel für die Ermittlung des Dämpfungskoeffizienten σ, ist das logarithmische Dekrement q. Es quantifiziert die Abnahme zweier aufeinenderfolgender Amplituden. q=e
σ ⋅T 2
logarithmiert: ln q =
σ ⋅T σ ⋅ π = = ω 2
σ⋅π 2 2 ω +σ
(10.21)
Aus Messschrieben sind q und T in der Regel gut abzulesen. Dargestellt werden die aus der Lösung s1,2 gewonnenen Informationen (s2 liegt zur Re-Achse spiegelbildlich) in der Gaußschen- oder Bildebene mit Re- und ImAchse, überlagert über die Zeitebene mit T und tH bzw.D, wie im Bild 10.2 gezeigt. Für multidimensionale Schwingungssysteme, entsprechend unserem praktischen Fall, erbringen die Eigenwerte si dieselben Informationen, separat für jede einzelne Teilbewegung.
Bild 10.2 Gaußsche Ebene über der Zeitebene
160
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
10.2.3.2 Laplace-Transformation der Bewegungsgleichungen.
Mit Hilfe der Laplace-Transformation kann auch das ganze System unserer linearisierten Bewegungsgln. (10.4a)–(10.4f) oder auch (10.6a)–(10.6f) auf seine Eigenschaften hin analysiert werden, also mehrdimensional. Dabei wird der komplette Satz aller zeitlichen Bewegungsformen, zunächst in überlagerter Form, in die Gaußsche Ebene als neuer Bildebene überführt, d.h. das physikalische zeitabhängige System der Bewegungsgleichungen wird transformiert in ein mathematisch orientiertes multidimensionales Masse-Feder-DämpferSchwingungssystem. Dieses Vorgehen enthält die Annahme harmonischer Bewegungsformen. Eingeführt werden wieder Ansätzen der folgenden Art für die unabhängigen Variablen:
x = x 0 ⋅ e s⋅t , y = y 0 ⋅ e s⋅t , z = z 0 ⋅ e s⋅t , Φ = Φ 0 ⋅ e s⋅t mit ihren zeitlichen Ableitungen: ⋅
⋅⋅
⋅
⋅
⋅⋅
⋅
usw.
x = u = x 0 ⋅ s ⋅ e s⋅t , x = u = x 0 ⋅ s 2 ⋅ e s⋅t , z = w = z 0 ⋅ s ⋅ e s⋅t , z = w = z 0 ⋅ s 2 ⋅ e s⋅t
usw.
Die ∆u, ∆v usw. der Gln. (10.4a)–(10.4f) wurden schon in den Gln. (10.5a )– (10.5f) als neue unabhängige Variable aufgefasst (ohne das ∆), sie werden durch die o. g. Ansätze ersetzt. 10.2.3.3 Dynamikmatrix, charakteristische Gleichung
Unter Berücksichtigung der Eingrenzungen von Kapitel 10.1.2 ergeben sich aus den Gln. (10.50a)–(10.5f), mit den o.g. vereinfachenden Annahmen und Ansätzen, im folgenden Beispiel für die Längsbewegung (ab hier ohne Ansteuerungen, weil diese auf die Charakteristika des Systems entsprechend der Basiskonfiguration keinen Einfluss haben): ⋅⋅
⋅
⋅
− m ⋅ x+ X u ⋅ x+ X w ⋅ z + X q q − m ⋅ g ⋅ Θ = 0 ⋅
⋅
⋅⋅
Z u ⋅ x+ Z w ⋅ z + Z q q − m ⋅ z = 0 ⋅
⋅
⋅⋅
⋅
(10.22a) (10.22b)
⋅
M u ⋅ x+ M w ⋅ z + M w ⋅ z − I y ⋅ q+ M q ⋅ q = 0
(10.22c)
nach Laplace transformiert:
(− m ⋅ s + X u ) ⋅ u + X w ⋅ w + (X q ⋅ s − m ⋅ g ) ⋅ Θ = 0
(10.23a)
Z u ⋅u + Z w⋅ w + Z q ⋅ s − m⋅ s = 0
(10.23b)
(
) (
)
⋅ M u ⋅ u + M w ⋅ s + M w ⋅ w + − I y ⋅ s2 + M q ⋅ s ⋅ Θ = 0
(10.23c)
10.2 Flugdynamik
161
Oder in Matrizenform geschrieben: − m⋅s + Xu
Xw − m⋅s + Zw
Zu
⋅ M w⋅s + M w
Mu
u( s ) X q⋅s − m⋅ g ⋅ w( s ) = 0 Zq⋅s 2 − I y ⋅ s + M q ⋅ s Θ( s )
(10.24)
Die linke Matrix, auch in der Form der Gln. (10.22a)–(10.22c) und (10.23a)– (10.23c), wird als Dynamikmatrix bezeichnet. Ihr sind alle flugdynamisch relevanten Eigenschaften unseres Fluggerätes eingeprägt (im hier gezeigten Beispiel für die wichtige Längsbewegung, die als Grenzfall für sehr langsamen Flug auch den Schwebeflug enthält). Analysen aller Dynamikmatrizen, auch die für die Querbewegung und den Schwebeflug, führen zu den gesuchten Charakteristika der Flugeigenschaften unseres Systems. Für Matrizen wie in Gl. (10.24) existieren Lösungen nur dann, wenn deren Determinanten gleich Null sind. Diese Bedingung wird ausgenutzt um durch Determinantenentwicklung der Dynamikmatrix die charakteristische Gleichung zu bilden mit s (dem mit den Laplaceschen Ansätzen eingeführten Dämpfungsfaktor) als einziger Variabler. Die Lösungen si dieser Gleichung sind dann die Eigenwerte des Systems, wobei jeder Eigenwert eine der eingeprägten Bewegungsformen charakterisiert. Die einzelnen Bewegungen sind superponierbar. Die charakteristische Gleichung hat allgemein folgende Form: An ⋅ sn + An-1 ⋅ sn-1 + .... + A2 ⋅ s2 + A1 ⋅ s + A0 = 0
(10.25)
Aus der Dynamikmatrix von Gl. (10.24) entsteht für sehr langsamen Flug, also ⋅ ⋅ quasi Schweben ( X w , Z w , Z u , Z q , M w gehen damit alle gegen Null), und unter der Berücksichtigung, dass sich eine Reihe von Termen auf Grund ihrer aerodynamischen oder mathematischen Definition gegenseitig auslöschen, folgende charakteristische Gleichung: 1 1 ⋅ M q ⋅ s3 + s 4 − ( X u + Z w ) + Iy m 1 2 1 ⋅s + + Z w⋅ 2 X u + M q m m⋅I y
+ oder schematisch:
g Iy
Mu⋅s −
g Mu⋅Zw = 0 m⋅I y
A4 ⋅ s4 + A3 ⋅ s3 + A2 ⋅ s2 + A1 ⋅ s + A0 = 0
(10.26) (10.27)
10.2.3.4 Stabilitätskriterien
Sehr wichtige Flugeigenschaften unserer Hubschrauber sind die Stabilitäten, speziell die in Längsrichtung. Mit Hilfe der Routhschen Diskriminanten (RD) und den An der charakteristische Gl. (10.27) kann auf die Stabilität der in der Dynamikmatrix enthaltenen Bewegungen geschlossen werden.
162
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Mögliche Bewegungsformen als Reaktionen auf Störungen sind in Bild 10.3 dargestellt:
Bild 10.3 Mögliche Bewegungsformen
Die RD ist folgendermaßen definiert, für eine charakteristische Gleichung dritten Grades: (RD)3 = A1 ⋅ A2 - A3⋅ A0
(10.28/3)
und vierten Grades, wie z.B. Gl. (10.26): (RD)4 = A1 ⋅ A2 ⋅ A3 - A4 ⋅ A12 - A32 ⋅ A0
(10.28/4)
Folgende Routhschen Kriterien lassen auf die Stabilitätseigenschaften unseres Systems schließen: 1. Sind alle An und die RD positiv: Es kann keine Divergenz auftreten, da keine der Lösungen von Gl. (10.27) einen positiven Realteil aufweist. 2. RD positiv: Keine instabile Schwingung, keine der Lösungen von Gl. (10.27) hat einen positiven Realteil. 3. RD = 0: neutrale dynamische Stabilität. 4. RD negativ: Es treten dynamische Instabilitäten auf. Typisch für Hubschrauber! 5. A0 = 0: eine Nullösung und ein Freiheitsgrad mit neutraler aperiodischer Stabilität. 6. Einer der An negativ: Es tritt entweder eine aperiodische Divergenz oder eine divergente Schwingung auf (kommt bei üblichen Hubschraubern nicht vor). Die Vorzeichen der Faktoren An und der RD sind demnach entscheidende Charakteristika für die Stabilitätseigenschaften unseres Hubschraubers, wobei der Nulldurchgang den Übergang von Stabilität zu Instabilität manifestiert. Daraus und den Formeln für die An entsprechend Gl. (10.26) und den RD entsprechend den Gln. (10.28) sind die Stabilitätsbedingungen abzuleiten. Sie zeigen den Zusammenhang zwischen den Auslegegrößen und deren Wirkungen auf die Flugeigenschaften. Um die im Vorwärtsflug wirksamen Haupteinflussgrößen herauszustellen, kann vom auf Zwei-Dimensionalität (x und Θ) reduzierten Ansatz (und der entsprechend reduzierte Matrix von Gl. (10.24)) ausgegangen werden (der dadurch eintre-
10.2 Flugdynamik
163
tende numerische Fehler ist zunächst akzeptabel gering). Als charakteristische Gleichung ergibt sich die Gl. (10.29), mit positivem A0: 1 1 g 1 1 s3 − M q + X u ⋅ s 2 + X q M u ⋅ s + XuMq − Mu = 0 mIy m Iy Iy mIy
(10.29)
Unter Berücksichtigung, dass der Faktor A1 wegen |XuMq| ≅ |XqMu| sehr klein wird, ergibt sich die RD zu: (10.30) (RD )3 = − g M u Iy also mit gleichem Zahlenwert wie A0, aber negativem Vorzeichen, was Instabilität anzeigt. Das Derivativum Mu ist demnach für das dynamische Verhalten unseres Hubschraubers von entscheidender Bedeutung, vor allem dessen Drehsinn. Die angezeigte Instabilität zeigt sich besonders deutlich in dem bekannten instabilen Flugverhalten unseres Hubschraubers im Schwebeflug (dazu siehe Kap. 11.5), angestoßen durch eine störungsbedingte Auslenkung des Schubvektors aus dem Hubschrauberschwerpunkt heraus. Hubschrauber mit einem von Natur aus positivem Mu , also dynamisch stabilem Schwebeflug, sind möglich und wurden auch schon gebaut und geflogen. Wesentliches Auslegemerkmal ist : der Hauptrotor liegt unterhalb des Schwerpunktes. Die Derivativa enthalten einerseits die Auslegedaten unseres Hubschraubers und andererseits deren aerodynamische Wirkungen auf das Gleichungssystem. Deshalb ergeben sich aus den Faktoren der Gl. (10.26 bzw. .27) in Verbindung mit den Routhschen Kriterien wichtige Hinweise, um die Flugeigenschaften zu optimieren, als Beispiel: 1 1 (10.31) A2 = − M q + X u > 0 , m Iy aber auch aus den Formeln für die RD bei höherdimensionalen charakteristischen Gleichungen. Für höherdimensionale Ausgangsmatrizen werden diese Ausdrücke umfangreicher in ihrem Aufbau, es kommen zusätzliche Derivativa ins Spiel. Außerdem werden die Formeln für die enthaltenen Derivativa komplizierter und unübersichtlicher in ihrem Aufbau. Der Aufwand, sie mit Hilfe der Aerodynamik zu bestimmen, rechnerisch oder mit Hilfe von Windkanalmessungen, steigt erheblich. Im Hinblick auf die Unsicherheit der Randbedingungen lohnt sich dies sehr schnell nicht mehr. Die genaue Bestimmung aller Derivativa ist eine der Aufgaben der Flugerprobung, am Beginn der Flugerprobung mit den Prototypen. Verlassen wir den oben angenommenen Schwebeflug mit den dafür angegebenen Vereinfachungen im Vorlauf zu Gl. (10.26), dann wird unter Verwendung der dreidimensionalen Dynamikmatrix, entsprechend Gl. (10.24): A0 = −
g (Z w M u − M w Z u ) mIy
(10.32)
Als wichtiges zusätzliches Derivativum tritt demnach im Vorwärtsflug, neben den beiden weniger wirksamen Kraftderivativa Zw und Zu, M w auf, es wirkt dem primären Anteil durch M u entgegen.
164
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Die uns vertraute negative Nicklage der Hubschrauber im Vorwärtsflug ergibt sich aus dem genannten Ausgleichszustand zwischen M u und M w . Die in diesem Spiel wirksamen Momente werden durch folgende Hubschrauberbaugruppen erzeugt:
• der angesteuerte Rotor. Er wirkt stark destabilisierend, weil das Moment des durch die Ansteuerung gekippten Schubvektors mit einem Hebelarm zum Schwerpunkt des Hubschraubers wirkt und damit die Ansteuerungswirkung verstärkt. Dieser nachteilige Effekt entsteht durch die gleichen Kriterien, die andererseits zu guter Steuerbarkeit führen (siehe Kapitel 12.). Dieser Destabilisierung wirkt rücksteuernd entgegen das bekannte M u , erzeugt durch die einsetzende Anströmung, mit der Tendenz, den gestörten Flug in seine Trimmlage zurückzuführen (und dabei leider übersteuert, was zum Aufschaukeln der resultierenden Bewegung führt, siehe Kapitel 11.5). • Zusätzlich destabilisierend wirkt der Rumpf durch seine Luftkraftpolare. • Stabilisierend, wirkt vor allem das Höhenleitwerk. Dessen Dimensionierung prägt die Nicklage im Schnellflug und ist entscheidend für die Stabilitäten. Die Derivativa zu ermitteln, ist Aufgabe der Aerodynamik. Prouty führt dazu in [3] in umfangreichem Maße die einschlägigen Formeln an, und auch damit errechnete Werte für seinen Beispielhubschrauber, Padfield bringt in [4] Messwerte in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit für die Hubschrauber Lynx, Puma und Bo105. Mit den Formeln sind erste Werte für neue Projeke zu ermitteln, die dann später, mit steigender Zuverlässigkeit, durch Windkanalmessungen und schließlich durch die Flugerprobung zu bestimmen sind. Bei den Rotorwirkungen auf die Stabilitäten wurde bereits angesprochen, dass der Flug unter der Bedingung von Gl. (10.32) periodisch und instabil verläuft. Für den Schwebeflug ist dies gut verständlich und im Kapitel 11.5 detailliert dargestellt; diese Schwingung ergibt sich mit dem Schwebezustand als Mittelwert. Im Vorwärtsflug ist dieser Mittelwert um die eingesteuerte Geschwindigkeit verschoben, der Charakter des Fluges bleibt erhalten. Diese Eigenform in der Dynamik unserer Hubschrauber wird im sich anschließenden Kapitel als Phygoide bezeichnet.
Bild 10.4 Neutralpunkt
Der Fokus dieser Bewegung liegt weit oberhalb des Rotors. Der Pilot empfindet das auch so. Die Geometrie dieser „Hubschrauberaufhängung“ ähnelt der eines Pendels. Der „Aufhängepunkt“ ist der sog. Neutralpunkt. Wie in Bild 10.4 dargestellt, liegt er auf der Verlängerung der Rotorachse, mit etwa fünffachem Schlag-
10.2 Flugdynamik
165
gelenksabstand über dem Rotormittelpunkt, weitgehend unabhängig von der Rotoransteuerung. Die Pendel-Analogie wird zur Berechnung genutzt. Ausreichend stabiles Gleichgewicht zwischen Mu und Mw zu erreichen ist eine wesentliche Voraussetzung für die Zulassung unserer Hubschrauber. Die Tendenz des Systems, einer Störung unmittelbar entgegenzuwirken, ist bereits als statische Stabilität eingeführt worden. Sie wird quantifiziert als Kraft oder Moment pro Einheit der Stickbewegung. Die Rückkehr in den Trimmzustand, asymptotisch oder mit Schwingungsbewegungen, wird als dynamische Stabilität bezeichnet. Als Maß kann die Zeit nach einer Störung bis zur Rückkehr in den Ausgangszustand dienen. Mw und Mu quantifizieren diese Verhaltensweisen im wesentlichen. Das Derivativum Mu charakterisiert eine Geschwindigkeitsstabilität, es wird oft verfälschenderweise als Derivativum der statischen Stabilität bezeichnet. Wir können mit dem Normalhubschrauber bei der hier herausgestellten Eigenbewegung natürliche dynamische Stabilität nicht erreichen, zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand an Leitwerksgröße und damit -gewicht; im Schwebeflug, in dem das Leitwerk ja nicht wirksam werden kann, ist dies gar nicht möglich. Wir können die instabilen Flugeigenschaften aber durch geeignete, an den Stabilitätsbedingungen orientierte Auslegung bezüglich T und tD so trimmen, dass sie problemlos zu beherrschen sind. Der Einbau von Stabilisierungsreglern bleibt immer möglich, mit entsprechendem Kosten- und Gewichtsaufwand. Die anderen Eigenformen des Systems im flugmechanischen Sinne sind durch geeignete Auslegung stabil zu halten, d.h. sie klingen dann ab in aperiodischer oder periodischer Form. Bei einer Reihe von existierenden Hubschraubern ist dies nicht der Fall, bei ihnen kann die Gier-Roll-Schwingung, die zweite wichtige Eigenform, in bestimmten Flugsituationen instabil werden. Solche Hubschrauber wären heute nicht mehr zulassbar. Bei Hubschraubern mit dem Rotor unterhalb des Schwerpunktes, die bereits erwähnt wurden, wirkt die Schubvektorkippung stabilisierend, da der Hebelarm die Seite wechselt. Solche Hubschrauber sind einfacher zu fliegen. Die dynamischen Eigenschaften und Stabilitäten in Längsrichtung mit ihren entsprechenden Einflussfaktoren sind flugtechnisch die wichtigsten. In lateraler Richtung ist die Vorgehensweise zur Ermittlung der entsprechenden Größen nicht nur sehr ähnlich, die Gleichungen sind sogar weitgehend gleich. Beim Starrflügler gibt es kein Mu , und die RD ist für übliche Konfigurationen positiv. Starrflügler konventioneller Bauart sind deshalb in der Regel von Natur aus dynamisch stabil. Die auch bei ihnen festzustellende Phygoidschwingung ist anders verursacht. 10.2.3.5 Typische Eigenwerte eines Beispiel-Hubschraubers
Wie für den eindimensionalen Schwinger ergeben sich durch die Verwendung von Dynamikmatrizen, etwa wie der von Gl. (10.24), durch die Bildung und Lösung der charakteristischen Gleichung, die Eigenwerte unseres höherdimensionalen Systems Hubschrauber, die Eigenbewegungen repräsentieren. Die dynamischen Eigenschaften können aus deren Koordinaten abgeleitet werden.
166
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Die im folgenden Bild 10.5 dargestellten Eigenwerte eines Hubschraubers beziehen sich auf:
• Eine Maschine der 3-t-Klasse mit Standardkonfiguration aktueller Technologie. • Die dargestellten Lösungen gelten für eine Störung aus einem ausgetrimmten Vorwärtsflug mit 200 km/h. • Sie sind mit Hilfe digitaler Simulation ermittelt. -4,0
-3,0
-2,0
-1,0
0,0
2
s5
T (sec)
1,0
2,0 4,0
Im (rad/sec)
-5,0
3,0 2,0
5 20 20
10
s8
s2
s6
s7
s3
10
1,0 Re (rad/sec)
s1
0,0 -1,0
5
-2,0
s4
-3,0
2 10 1
1 ,5
tH
3
5
10
20
20
(sec)
5
3
-4,0
tD
Bild 10.5 Eigenwerte eines Hubschraubers der 3-t-Klasse
Prinzipiell lässt die Lage eines Eigenwertes auf folgende Charakteristika der repräsentierten Bewegung schließen, siehe auch Bild 10.2:
• Zur Re-Achse spiegelbildlich liegen konjugiert-komplexe Lösungen (s1 und s2 sowie s4 und s5). Ihre Lage nicht auf der Real-Achse zeigt periodische Bewegungen, also Schwingungen, an. Ihre Abstände zur Real-Achse quantfizieren ihre Schwingungsperioden, die zur Imaginär-Achse ihre Dämpfungskoeffizienten und damit die Doppel- bzw. Halbwertzeiten. Diese beiden Maßzahlen sind auf der unterlegten Zeitebene abzulesen. • Lagen auf der Re-Achse, also nicht-komplexe Lösungen (s3, s6, s7 und s8), zeigen aperiodische Bewegungen an. Große Abstände von der Imaginär-Achse repräsentieren starke Dämpfungen. Achsennah liegen Eigenbewegungen, die langsam verlaufen und deshalb gut auszusteuern sind. • Lagen in den Bereichen entweder positiver oder negativer Real-Teile zeigen Instabilität bzw. Stabilität an. Lösungen mit negativem Realteil repräsentieren gedämpfte, also stabile Reaktionsbewegungen, solche mit positivem Realteil angefachte. Die zweite Art ist besonders zu beachten. Das Kollektiv aller relevanten Derivativa durch konstruktive Maßnahmen gezielt so zusammenzustellen damit ein optimal fliegbarer Hubschrauber entsteht und diese Flugeigenschaften über den gesamten Einsatzbereich in engen Grenzen gleich zu halten, das ist die höhere Kunst des Flugzeugvorentwurfes und anschließend der -entwicklung.
10.2 Flugdynamik
167
Zur Verdeutlichung sind in den beiden Bildern 10.6 und 10.7 die Auslenkungen und Winkelausschläge übersteigert dargestellt.
Bild 10.6 Bahn- oder Phygoidschwingung, typische Eigenschaften: T = 10 bis 20 sec, instabil
168
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Welche Bewegungsformen die einzelnen im Bild 10.5 eingetragenen Eigenwerte repräsentieren, ergibt sich im Prinzip aus den Zeitfunktionen, die mit Hilfe der gefundenen Eigenwerte dargestellt werden können. Aus der (Versuchsflug-) Erfahrung heraus sind aber die prinzipiellen Charakteristika der repräsentierten Reaktionsbewegungen bekannt. Die Eigenwerte (Wurzelorte) im Beispiel von Bild 10.5 repräsentieren folgende Eigenbewegungen:
• S1 und S2: Bahnwinkel-/Geschwindigkeitsschwingung. Sie wird oft als Bahnschwingung, meist aber als Phygoide (Fliehkurve) bezeichnet, Bild 10.6. Sie wird angeregt durch eine geringe Anstellwinkelschwingung. Ihre Lage im positiven Bereich der Re-Achse zeigt Instabilität an. Sie ist längsorientiert, wodurch die zu ihrer Untersuchung wichtigen Bewegungsgleichungen entsprechend eingegrenzt werden können (Gl. 10.32). Sie verläuft langsam und periodisch, mit hohen Schwingungsdauern T und kleinen tD. Sie könnte durch größere Höhenleitwerke zusätzlich stabilisiert werden. Die Phygoide ist, neben den Beschleunigungen in Längsrichtung, mit Auf-/Ab/Nickdreh- und reinen Drehbewegungen verbunden. Im Laufe der Flugbahn vollzieht sich ein dauernder Austausch zwischen den kinetischen und der potentiellen Energie, wie beim Pendel! Diese Feststellung begründet den oben verwendeten Vergleich des Hubschraubers mit einem Pendel. Ein entsprechender Ansatz führt auf den Abstand des Neutralpunktes zum Rotor. • S3: Spiralbewegung. Sie verläuft sehr langsam, aperiodisch und sie ist stabil. • S4 und S5: Taumelschwingung (Dutch Roll), bei der Gieren und Rollen stark gekoppelt sind, Bild 10.7. Sie ist eine relativ langsame, periodische, stabile Bewegung (sie kann auch instabil werden) und querorientiert.
Taumelschwingung typische Eigenschaften: T=2 bis 4sec gedämpft
Störung
Bild 10.7 Taumelschwingung oder Dutch Roll
10.2 Flugdynamik
169
Die maßgebenden Derivativa sind die für Richtungs- und Rollstabilität, sowie für Gier- und Rolldämpfung. Die ersten drei sind von der richtigen Dimensionierung und Anordnung des Seitenleitwerks abhängig, die erste Größe zusätzlich von der Rumpfaerodynamik; die zweite wird zusätzlich von der Rotorauslegung beeinflusst, beide destabilisierend; die letzte Größe ist nur von der Rotorauslegung abhängig, bei gelenklosen Rotoren immer stark dämpfend. • S6: Auf- und Abbewegungen. Sie verlaufen relativ langsam, aperiodisch, stabil, verbunden mit relativ starken Anstellwinkeländerungen, wenig intensiv. • S7: Anstellwinkelschwingung. Diese macht sich auf Grund ihrer nur mittleren Dämpfung deutlich bemerkbar. Sie ist in der Regel aperiodisch, kann aber durch zu große Höhenleitwerke periodisch werden, mit zusätzlichem Steuerungsaufwand, deshalb weisen Hubschrauber in der Regel relativ kleine Höhenleitwerke auf. Ansonsten könnte durch Ansteuerung der Leitwerke Abhilfe geschaffen werden. Die mögliche Periodizität einbeziehend wird diese Schwingung oft als „Short Period“ bezeichnet. • S8: Rollbewegung. Sehr schnell abklingend, aperiodisch, stabil. Beim HS ist die Phygoide von Natur aus instabil, im Gegensatz zum Starrflügler. Ihre Entstehung ist gut zu verstehen und wird im Kap. 11 dargestellt. Ihre Schwingungsdauern und Doppelwertzeiten sind in der Regel ausreichend groß, um vom den Piloten, oft schon unbemerkt, ausgesteuert zu werden. Aus den Eigenlösungen ergeben sich unter Nutzung der Gln. (10.7)–(10.11), (10.19), (10.20) und der später noch einzuführenden Formel zur Berechnung der Zeitkonstanten t0,63% die Stabilitätswerte, die gesuchten flugmechanischen Charakteristika unseres dynamischen Systems Hubschrauber. Sie sind für den Beispielhubschrauber von Bild 10.6 in der Tabelle10.3 zusammengefasst. Tabelle 10.3 Stabilitätswerte Eigenwerte
tD (sec).
tH (sec)
T (sec)
ω (1/sec)
ω0 (1/sec)
σ (1/sec)
ζ
t0,63% (sec)
s1;2 s3 s4;5 s6 s7 s8
15,01 -
72,2800 24,1600 11,2100 1,4280 0,9305
13,430 2,114 -
0,0745 0,4731 -
0,0876 0,0096 0,4740 0,0619 0,4855 0,7450
-0,0462 0,0096 0,0287 0,0619 0,4855 0,7450
0,5271 1,0000 0,0605 1,0000 1,0000 1,0000
2,6410 0,4095 0,0522 0,0340
Die Zeitkonstanten der Eigenformen (siehe Kap. 12) in den unteren zwei Zeilen der Tabelle 10.3 sind kleiner als solche, wie sie vor allem mit Primärsteuerungen älterer Hubschrauber möglich sind. Das zeigt an, dass diese Bewegungen mit diesen Steuerungen nicht kontrollierbar sind Moderne, hochfrequente Ansteuerungen in Verbindung mit steifen gelenklosen Rotoren könnten diese Situation verbessern, es bleibt dann aber zu prüfen, ob die dazu nötigen Frequenzen systemverträglich sind, dies erfolgt entsprechend Kap. 13. Weder die Bahnschwingung s1;2 noch die Taumelschwingung s4;5 haben Zeitkonstanten. Bei der ersten, weil sie auf keine Endauslenkung zuläuft, bei der zweiten weil sie auf den Ausgangswert zurückschwingt.
170
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
Dämpfungsmaße ζ mit dem Wert Eins zeigen Reaktionsbewegungen an ohne Resonanzmaxima der Amplituden. Die Lösungspole, in Bild 10.5 für v = 200 km/h dargestellt, verschieben sich mit der Fluggeschwindigkeit, wie in Bild 10.8, für die drei wichtigsten Reaktionen als Funktion der Geschwindigkeit, dargestellt. Bei guter Systemauslegung bleiben diese innerhalb enger Grenzen, d.h. ohne die Charakteristika wesentlich zu ändern. -3
-2 230 km/h 200 km/h 160 km/h 120 km/h
-1
0
1 4
Im
-4
3
s5
2
s2
1
s7 Re
0 -1
Bild 10.8 Verschiebung der Eigenwerte mit der Fluggeschwindigkeit
Für die Phygoide sind T und damit ω relativ unveränderlich mit v, wogegen das tD immer kleiner, aber nicht zu klein wird. Die Werte für die Dutch-Roll zeigen konstantes tD bei in engen Grenzen veränderlichem T. Bei der Short-PeriodReaktion bleibt bei zunehmender Dämpfung die Aperiodizität erhalten. Diese Feststellungen sind wichtig für die Auslegung unserer Steuerungssysteme. Gut zu beherrschende flugmechanische Eigenschaften, vor allem die der Eigenbewegungen eins/zwei, vier/fünf und sieben, s. Bild 10.5, dargestellt in den Bildern 10.6 und 10.7, zeichnen kompetent entwickelte Hubschrauber aus. Für Neuentwürfe sind solche gezielt anzustreben, an Prototypen zu überprüfen. Die Instabilität der Phygoide steht in starker Wechselwirkung mit der Schwerpunktlage des Hubschraubers. Bei großen Schwerpunktrücklagen kann die Bewegung zwar aperiodisch werden, was im Endeffekt vorteilhaft wäre. Bevor dies aber erreicht wird verschieben sich die Eigenwerte in Bereiche sehr kleiner Doppelwertszeiten. Auf Störungen folgen dann in kürzester Zeit erhebliche Abweichungen von der Flugbahn. Diese Reaktionen in Verbindung mit der erhaltengebliebenen Instabilität machen den Hubschrauber unbeherrschbar. Damit dies nicht auftritt, muss die Schwerpunktlage nach rückwärts limitiert werden. Es entsteht eine Grenze für die Beladbarkeit unserer Hubschrauber. 10.2.4 Inverse Bestimmung der Derivativa, Übertragungsfunktionen
Die Bewegungsgleichungen enthalten drei Datengruppen: 1. Eingangsfunktionen (z.B.: Steuerbewegungen), 2. Ausgangs- (Reaktions-)funktionen und 3. Konstantwerte, dies sind neben den technischen Daten unsere Derivativa.
10.2 Flugdynamik
171
Bei Steuerungsrechnungen sind 1. und 3. gegeben, und es ist nach 2. gefragt. Das System ermöglicht aber auch die inversen Problemstellungen:
• Bei bekanntem Eingang (1.) und gemessenem Ausgang (2.) können die Derivativa von 3. genauer bestimmt werden. • Es können auch 2. und 3. gegeben sein, um 1. zu ermitteln. Die Fragestellung lautet dann: Wie muss der Pilot agieren (können), um ein vorgegebenes Manöver durchzuführen? Zielrichtung ist dabei der Steuerungsentwurf unter Beachtung der Strukturbeanspruchung. Zur rechnerischen Behandlung dieser Problemstellungen werden die aus der Regelungstechnik bekannten Übertragungsfunktionen herangezogen. Diese setzen die Reaktionen des Systems in Relation zu den Steuerungsaktivitäten. Für alle Freiheitsgrade werden die Stabilitätseigenschaften ohne Steuereingaben den Eigenschaften der Gesamtmaschine einschließlich denen der Steuerung ins Verhältnis gesetzt. Die folgende Form zeigt dies: Y (s ) =
B m ⋅ s m + ... + B1 ⋅ s + B 0 An ⋅ s n + ... + A1 ⋅ s + A0
(10.33)
Im Nenner steht die charakteristische Gleichung der Dynamikmatrix. Im Zähler steht sie ebenfalls, jedoch hier mit, gegen die Spalte der Steuerungswirkungen rechts vom Gleichheitszeichen, ausgetauschter Spalte des zu untersuchenden Freiheitgrades. Die Nullstellen des Nenners sind jetzt Pole des Systems. Die Nullstellen des Zählers quantifizieren die Anteile der einzelnen Bewegungsformen. Als wichtigste Ergebnisse liefern die Übertragungsfunktionen den Verstärkungsfaktor als Größenverhältnis der Amplituden der Eingangs- zu denen der Ausgangsbewegungen und den Frequenzgang, das ist die Phasenverschiebung zwischen diesen beiden Vektoren. Beides ist in den Bildern 5.3, 5.4, 12.8 und 12.9 dargestellt. Verstärkungsfaktor und Frequenzgang sind mit der anregenden (bei uns Ansteuerungs-) Frequenz veränderlich. Dies führt später im Kapitel Steuerung auf Grenzen für moderne höherfrequent arbeitende Steuerungssysteme. Für die Primärsteuerung (Stufen- oder Impulseingaben), bei ihr liegen die Ansteuerungsfrequenzen nahe bei Null, genügen wesentlich einfachere Übertragungsfunktionen als solche entsprechend der Gl. (10.33). Eine typische für die Nickrichtung und für ein System mit nur einem, dem Nickfreiheitsgrad, ist: M q q M η =− ⋅ 1 − e I ⋅t y η Mq
(10.34)
Diese Formel liefert innerhalb der ersten zwei Sekunden nach der Einsteuerung, dem für uns interessanten Zeitabschnitt, sehr zuverlässige Werte; sie ist mit dieser Einschränkung praktisch anwendbar. Die Funktion 10.34 wird später zur Erstellung des Steuerbarkeitsdiagrammes genutzt, das die primäre Steuerung aller Hubschrauber vor allem quantitativ aber auch qualitativ darstellt. Sie läuft mit der Zeit auf einen Konstantwert, was dort Voraussetzung ist.
172
10 Der Hubschrauber als Gesamtsystem
10.2.4.1 System- oder Parameter-Identfikation
Theoretisch können die Flugeigenschaften eines neuen Hubschraubers nur in engen Grenzen vorausgesagt werden. Unmittelbar nach dem Erstflug eines neuen Hubschraubers setzt dessen intensive Flugerprobung ein, mit dem Ziel einer weiteren Optimierung, auch der flugmechanischen Eigenschaften (dies ist u.a. der Sinn von Prototypen). Gezielt wird die entstandene Möglichkeit genutzt, um die zunächst nur geschätzten und später errechneten Stabilitäts- und Steuerungsderivativa durch Messungen genau zu bestimmen, und das über dem gesamten Geschwindigkeitsbereich. Dazu werden die Reaktionen (Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Lagen) des neuen Flugzeugsystems auf definierte Ansteuerungen aufgenommen, die als Ergebnisse der Bewegungsgleichungen mit den darin enthaltenen Derivativa aufzufassen sind. Der systematische Zusammenhang der Derivativa ist mit den Bewegungsgleichungen gegeben. Bei sechs Freiheitsgraden sind 36 Derivativa zu berücksichtigen, neben den 24 Steuerungsderivativa aus den vier Kontrollmöglichkeiten. Die Auswertung der Messschriebe (nach dem Ausfiltern von Störungen) geschieht durch deren möglichst perfektes Adaptieren in Form iterativen Korrigierens der Derivativa. Die theoretisch ermittelten Werte dienen dabei als Ausgangsdatensatz. Zur Beurteilung der Adaption dienen mathematische Kriterien wie kleinste Fehlerquadrate oder maximum likelyhood u.a. Es hat sich gezeigt, dass die so ermittelten Derivativa ganz erheblich von den theoretisch ermittelten abweichen können. Dies ist eine Folge der engen Grenzen theoretischer Ermittlungen, z.B. durch den nur ungenau zu erfassenden Rotorabstrom oder im Bereich der aerodynamischen Interferenzen. Hohe Genauigkeiten der Derivativa werden benötigt für Untersuchungen flugmechanischer Effekte, die auf theoretischem Wege nicht hinreichend zuverlässig erklärt werden können. Bei solchen Untersuchungen wird in erster Linie mit Simulationen gearbeitet. Für moderne, vor allem auch für sich selbst anpassende Autopiloten ist die genaue Kenntnis aller flugmechanischen Effekte unabdingbar. Auf diesem Gebiet werden mit Sicherheit in absehbarer Zeit neuronal arbeitende, evtl. selbstlernende Datenverarbeitungsnetze verwendet werden. 10.2.4.2 Multidimensionale Vorgehensweise der Flugregelung
Vor allem in der Regelungstechnik wird das komplette, dem Gleichungssystem (10.5a–f) entsprechende Differenzialgleichungssystem verwendet. v⋅ v v Das System in Vektorschreibweise: x = A ⋅ x + B1 ⋅ y (10.35) v mit: dem Zustandsvektor: x( t ) = [u , w, q , Θ , v , p , r , Φ ] (10.36) v dem Stellvektor: y( t ) = [Θo , Θs , Θc , Θ HR ] (10.37) der Dynamik-(System-)matrix:
A
(10.38)
der Stellmatrix:
B1
(10.39)
10.2 Flugdynamik
173
An Stellgrößen stehen uns zur Verfügung: der HaRo-Blattansteuerungswinkel: Θ BW = Θo + Θs ⋅ sin ψ + Θc ⋅ cos ψ
(10.40)
der HeRo-Blattansteuerungswinkel: Θ HeRo v Der Pilot erzeugt den Steuervektor u ( t ) = DΘ , Dα , Dβ , Dδ
(10.41)
[
mit: der Kollektivsteuereingabe der Längssteuereingabe
]
(10.42)
DΘ Dβ
der Quersteuereingabe der Pedaleingabe
Dα Dδ v v der in die Stellgrößen übersetzt wird: y( t ) = B 2 ⋅ u( t )
(10.43)
Θo = D Θ
(10.44)
Θs = Dβ ⋅ sin ε − Dα ⋅ cos ε
(10.45)
Θc = − Dβ ⋅ cos ε − Dα ⋅ sin ε
(10.46)
Θ HeRo = k δΘ ⋅ DΘ + Dδ
(10.47)
Dabei ist ε die Phasenverschiebung der Schlagbewegung und kδΘ die Basiseinstellung des Heckrotors. Damit wird Gl. (10.35) in Abhängigkeit von den Eingaben des Piloten, also mit B = B1⋅B2: v⋅ v v x = A⋅ x + B ⋅u
(10.48)
Für Luft- und/oder Bodenresonanz-Untersuchungen können die höherharmonischen Blattbewegungen berücksichtigt werden. Das System wird dann 14-dimensional. In jeder Hubschrauberfirma existieren mehr oder weniger umfangreiche numerische Programme, mit deren Hilfe ein kompletter Hubschrauber im Flug simuliert werden kann. Zunächst wird der ausgetrimmte Flugzustand entsprechend den vorgegebenen Flugbedingungen iterativ eingestellt. Davon ausgehend, können dann im Sinne aller Freiheitsgrade die Änderungen der Kräfte und Momente, also im wesentlichen die Derivativa, ermittelt werden, die von den Störungen und/oder den Steuereingaben hervorgerufen werden. Zur Verdeutlichung kann die Gl. (10.48) in matrizenähnlicher Schreibweise dargestellt werden: ⋅ u⋅ u w Koppel − w Längs − ⋅ Längs − 0 q D q Θ ⋅ bewegung glieder bewegung Θ Dβ Θ (10.49) ⋅ + ⋅ ⋅ = v Dα v ⋅ Koppel − Seiten − p Koppel − Seiten − Dδ p⋅ glieder bewegung r glieder bewegung r Φ ⋅ Φ
11 Flugtechnische Stabilitäten
Aus dem zunächst unbeeinflussten Zusammenspiel aller Kräfte und Momente an den verschiedenen Bauteilen des Hubschraubers ergibt sich, wie in Kap. 10.2 dargestellt, dessen systemtypische Dynamik und damit auch dessen flugtechnischen Stabilitätseigenschaften. Diese stehen in Wechselwirkung mit den Steuereigenschaften, die in den Kapn. 12 und 13 behandelt werden. Durch geeignete Auslegung, sowohl des Systems Hubschrauber in seiner Konfiguration als auch des Steuerungssystems, möglichst stabilen Flug zu erreichen ist ein wesentliches Ziel bei der Optimierung der Flugeigenschaften. Mangelhafte Stabilitäten können zum Verlust der Steuerbarkeit führen. Bewegungen, hervorgerufen durch zu starke Instabilitäten, desorientieren den Piloten; entstehende Luftkräfte können die Struktur der Maschine überfordern. Stabilität entlastet also den Piloten, erhöht die Sicherheit der Einsätze, besonders im Blindflug und bei bodennahen Manövern.
11.1 Die statische Längsstabilität Ein Hubschrauber wird als statisch längsstabil bezeichnet (eigentlich müsste es geschwindigkeitsstabil heißen), wenn er einer Störung seines stationären (ausgetrimmten) Fluges unmittelbar tendenziell entgegenwirkt, gleichgültig welche Reaktionen sonst noch auftreten. Für den Piloten bedeutet statische Längsstabilität gefühlsmäßig richtiges Sticknach-vorn-drücken, um höhere Vorwärtsgeschwindigkeiten einzusteuern. Jeder Knüppelstellung ist dann eine Fluggeschwindigkeit eindeutig zugeordnet, in positivem und stetigem Abhängigkeitsverhältnis. Bei einer positiven Fluggeschwindigkeitsstörung im Vorwärtsflug (also etwa einer Bö von vorn) muss demnach der Hubschrauber selbständig die Nase heben, um die vermeintlich zu hohe Geschwindigkeit abzubauen. Das Nickmoment der Gesamtmaschine muss also positiv sein. Das bereits bekannte Derivativum Mu, erzeugt durch die Schlagbewegung der Rotorblätter und immer stärker angeregt durch die Geschwindigkeitssteigerung, ist hier das relevante, es hat diese verlangte Tendenz. Das Kriterium, das den Schwebeflug instabil macht, erzeugt im Vorwärtsflug die für die Zulassung wichtige statische Stabilität. Destabilisierend wirken vor allem der Rumpf und der angesteuerte Rotor. Durch andere Hubschrauberbauteile, vor allem mit dem Höhenleitwerk, kann der Gradient des Nickmomentes eingestellt werden. Ein verstärkt negativ angestelltes Höhenleitwerk wirkt zusätzlich stabilisierend.
11.3 Richtungsstabilitä t, Spiralbewegung
175
Die Destabilisierung durch den angesteuerten Rotor entsteht durch das für die Steuerung benötigte Moment aus dem Schubvektor mal dem Abstand von dessen Wirklinie zum HS-Schwerpunkt. Im Schwebeflug gibt es zunächst kein Gegenmoment, weshalb alle Hubschrauber in diesem Flugzustand instabil sind. Der Gradient des Nickmomentes pro Steuerausschlag darf nicht zu flach werden, sonst reicht der Steuerweg des Stick möglicherweise nicht aus. Ein zu steiler Gradient erzeugt unangenehm abrupte Steuerwirkungen. Statisch instabile Hubschrauber sind fliegbar, erfordern aber dauernden Eingriff des Piloten zur Einhaltung der gewünschten Geschwindigkeit und beanspruchen damit höchste Aufmerksamkeit. Zur Geschwindigkeitsaufnahme muss bei solchen Hubschraubern der Stick zunächst nach vorn gedrückt und nach Erreichen der gewünschten Geschwindigkeit wieder in die Nähe der Trimmstellung gezogen werden. Für die Zulassung entsprechend IFR muss zusätzlich zum Weg- auch der Kraftgradient am Stick stetig und positiv sein.
11.2 Die Anstellwinkelstabilität Die Anstellwinkelstabilität zeigt sich als Manöverstabilität, also vor allem im Kurvenflug. Ist dabei „Ziehen“ am Stick erforderlich, spricht man von positiver Manöver- oder Anstellwinkelstabilität. Der Pilot agiert zur erfahrenen Flugsituation „richtig“. Manöverstabilität ist also wichtig für den Lastvielfachenflug, der zyklisch einzusteuern ist, unter Beibehaltung der Geschwindigkeit und ohne Änderung der kollektiven Ansteuerung. Die Lastvielfachen entstehen durch Anstellwinkelerhöhung an den Blattelementen, erzeugt durch leichten Sinkflug. Die zur erforderlichen Schubsteigerung und zum Geschwindigkeitserhalt benötigte Mehrleistung wird der Potentialenergie der Gesamtmaschine entnommen. Der angesteuerte Hauptrotor wirkt auch hier destabilisierend. Im gleichen Sinn wirkt der Rumpf. Die zyklische Ansteuerung verstärkt die Schlagreaktion der Blätter und damit das gegensteuernde Mu. Vor allem zu beeinflussen ist die Anstellwinkelstabilität mit Hilfe der Größe des Höhenleitwerkes, als eine Möglichkeit, die durch den steigenden Gewichtsaufwand und durch extreme Steuerwege beim Übergang vom Steig- in den Autorotationsflug begrenzt ist. Künstlich kann die Manöverstabilität durch ein SAS (Stability Augmentation System) erzeugt werden, das auf den Einstellwinkel des Höhenleitwerkes wirkt oder über die Steuerhydraulik in die Ansteuerung der Taumelscheibe eingreift. Große Schwerpunktsrücklagen verschlechtern die Manöverstabilität (hintere Grenze im Schwerpunktdiagramm).
11.3 Richtungsstabilität, Spiralbewegung Hauptrotor/Heckrotor-Hubschrauber sind in der Regel richtungsstabil, durch die Windfahnenstabilität von Heckrotor und Seitenleitwerk, was natürlich nicht für
176
11 Flugtechnische Stabilitäten
den Schwebeflug gelten kann. Die Richtungsstabilität kann kritisch gering werden bei Koaxial-, Side-by Side-Hubschraubern und ähnlichen Geräten. Bei zu starker Richtungsstabilität, etwa durch ein zu großes Seitenleitwerk, neigen Hubschrauber normaler Konfiguration stärker zum Spiralsturz, dem die für alle Flugsystemen festzustellende Eigenbewegung zu Grunde liegt. Dieser Flugzustand, ein Sinkflug in Form einer Spirale, ist gut auszusteuern solange er ausreichend langsam entsteht und erfolgt. Dies bedingt aber, dass der Rotor auf eine Störung, etwa durch eine Bö, im Sinne von Rollen und anschließendem Gieren ausgewogen reagiert. Ersteres ist die normale Mv-Reaktion, die der von Mu gleich ist, nur hier eben lateral. Wird diese Reaktion im Vergleich zur Richtungsstabilität zu schwach, dann wird das Gieren behindert. Es tritt zunächst nur die Rollbewegung auf, was, wenn Gieren dann doch eintritt, den Spiralsturz entscheidend beschleunigt. Um das zu vermeiden ist die Windfahnenstabilität durch kleinere Leitwerke, Endscheiben oder -oft sehr exotisch wirkende- senkrechte Leitwerksflächen vor dem Rotormast zu reduzieren. Der Einflug in die Spiralbewegung geschieht so sanft, dass er bei fehlenden Lagereferenzen wie z.B. durch die Bodensicht oft nicht zu bemerken ist und in einen Spiralsturz übergeht. Dies ist, nicht nur bei Hubschraubern, nach unvorbereitetem Einflug in Wolken die häufigste Unfallursache. Die FAA fordert deshalb für die IFR-Zulassung, dass die Gefahr eines Spiralsturzes ausgeschlossen ist.
11.4 Das laterale Gleichgewicht Das Kräfte- und Momentengleichgewicht in y-Richtung erklärt den oft zu beobachtenden Effekt, dass ein Hubschrauber mit Standardkonfiguration im Schwebeflug seitlich geneigt ist (hängt); er setzt bei der Landung immer mit der gleichen Kurve zuerst auf. Dieser Effekt wird durch den nötigen Ausgleich des Heckrotorschubes durch eine entgegengerichtete Schubkomponente am Hauptrotor hervorgerufen. Im Vorwärtsflug wird der Pilot versuchen, diesen Hängewinkel zu vermeiden. Er wird den Heckrotorschub mit einer Seitenkraft ausgleichen, die er durch einen eingesteuerten Schiebewinkel des Rumpfes erzeugt. Die aus dem lateralen Gleichgewicht sich ergebenden Flugeigenschaften wie Richtungsstabilität (Gieren um die z-Achse) und Rollstabilität (Rollen um die xAchse) sind in der Regel positiv und damit unkritisch. Mit fest eingebautem Konuswinkel (entspricht der V-Stellung der Flügel beim Starrflügler) wird die Proportionalität des lateralen Steuerwinkels zur Querneigung festgelegt. Vor allem aber wird erreicht, dass der Rotor nach einer Störung des Querwinkels sich selbstständig dagegen neigt, also Stabilität zeigt. Besonders beachtet werden muss das Verhältnis des Rollwinkels zur Seitenkraft. Wenn hier keine geeignete Proportionalität erreicht wird, haben Pilot und Passagiere den berechtigten Eindruck, seitlich aus dem Sitz zu rutschen. Die Abstimmung Rollwinkel zu Seitenkraft hilft dem Piloten, gut koordinierte Kurven zu fliegen.
11.5 Dynamische Stabilität
177
11.5 Dynamische Stabilität Unter dynamischer Stabilität wird die Rückkehr des Hubschraubers in den ausgetrimmten Flugzustand verstanden, aus dem ihn eine Störung entfernt hat. Dies kann in der Form einer periodischen Schwingung, aber auch aperiodisch geschehen. Erfolgt keine Rückkehr, dann ist bei gleichbleibender Schwingung oder Auslenkung das System indifferent, oder bei angefachter Schwingung oder Auslenkung dynamisch instabil. Die Phygoidschwingung ist in diesem Zusammenhang die wichtigste Bewegungsform. Sie tritt bei allen Flugzeugen als Eigenform auf. Beim Starrflügler ist sie in der Regel stabil, beim Hubschrauber instabil. Sie wird kritisch, wenn sie aufgrund zu kleiner Doppelwertszeiten vom Piloten nicht mehr ausgesteuert werden kann. Sie tritt in allen Geschwindigkeitsbereichen auf, wobei mit zunehmender Geschwindigkeit im allgemeinen die Schwingungsdauern relativ konstant bleiben, während die Doppelwertszeiten geringer werden. Im schwebeflugnahen Vorwärtsflug ist die Entstehung der Phygoidschwingung gut zu verstehen: Die Steuerung bleibt während des gesamten Vorganges festgehalten. Erfährt der Hubschrauber im Schwebeflug eine Nickstörung, dann nimmt er Fahrt auf. Das Moment aus dem Rotorschub mal Hebelarm zum Hubschrauberschwerpunkt hat unmittelbar nach der Auslenkung nicht die Tendenz, den Hubschrauber wieder aufzurichten, im Gegenteil, er verstärkt die Störung. Durch die Fahrtaufnahme, also verstärkte Anströmung des Vorlaufblattes, entsteht das Mu , es neigt die Blattspitzenebene in Gegenrichtung zur Geschwindigkeit (scheinbares Zurückblasen des Rotors). Dadurch erfährt der Hubschrauber neben einer Verzögerung auch eine positive Drehbeschleunigung um die y-Achse. Diese Drehbeschleunigung ist größer als die entsprechende Dämpfung, sodass der Hubschrauber über die ursprüngliche Gleichgewichtslage hinaus gedreht wird. Damit liegt eine neue Nickstörung vor, jetzt in Gegenrichtung. Die neue Störung ist größer als die ursprüngliche, d.h. die Schwingung ist angefacht, also instabil. Die beschriebenen Vorgänge bleiben auch im Vorwärtsflug erhalten, mit neuer Mittellage. Das Stabilitätsverhalten kann mit aeromechanischen Mitteln verbessert werden durch Steigerung der Nickdämpfung Mq, also durch Vergrößerung des Höhenleitwerkes, theoretisch bis zur aperiodischen Stabilität. Praktisch endet diese Möglichkeit jedoch u.a. an der dazu erforderlichen Leitwerksgröße. Eine zweite Möglichkeit, das Stabilitätsverhalten zu verbessern, besteht im Verringern der statischen Geschwindigkeitsstabilität Mu. Nickdämpfung und die statische Stabilität lassen sich auch durch die Geometrien und Elastizitätseigenschaften gelenkloser Rotoren beeinflussen. Dabei werden bei nahezu gleichbleibenden Schwingungsdauern die Doppelwertszeiten erhöht. Die quantitative Rotorauslegung im Hinblick auf dynamische Stabilität geschieht mit den durch die Routhsche Diskriminanten und die Faktoren der charakteristischen Gleichung gefundenen Kriterien.
178
11 Flugtechnische Stabilitäten
11.6 Mindestforderungen bezüglich der Stabilitäten Ausreichende Stabilitäten sind bei der Musterzulassung nachzuweisen. Zu erreichende Mindestwerte sind u.a. in folgenden Standards festgeschrieben: 1) Für militärische Hubschrauber: • MIL-F-83300 Flying Qualities of V/STOL Aircraft, • ADS-33 D Handling Qualities Requirements for Military Rotorcraft. 2) Für zivile Hubschrauber: • FAA EU-100 Acceptable Criteria for Compliance with FAR27/29.141 Instrument Flight, • J(F)AR Part27 Small Rotorcraft (bis 2730 kg), Part29 Large Rotorcraft, • JAR-OPS 3 Commercial Air Transportation (Helicopters). An Stabilitäten sind für Zivilhubschrauber gefordert: • statische Stabilität, außer im Bereich des Schwebefluges bis 17 kts. - in Steig und Reiseflug sowie Autorotation - mit kritischer Konfiguration und definierter Geschwindigkeit. • Statische Richtungsstabilität - unter gleichen Bedingungen außer in der Autorotation. Auf dem militärischen Sektor enthalten die Zulassungsvorschriften die Stabilitätsforderungen implizit, d.h. ohne ausreichende Stabilitäten sind die entsprechenden Forderungen nicht zu erreichen.
11.7 Künstliche Stabilität, Flugregelung Zur Entlastung des Piloten in komplexen Flugsituationen und von Routineaktivitäten, zur Steigerung des Komforts (Minderung der Böenempfindlichkeit) und der Sicherheit werden moderne Hubschrauber in zunehmendem Maße mit Flugreglern ausgerüstet. Es gibt einfachste Festwertregler, wie Dämpfungssysteme, dem SAS (Stability Augmentation System) bzw. SCAS (C steht für Control) und dem Gierregler, anspruchsvollere Folgeregler bis hin zu in ihrem Aufbau und ihrer Leistungsfähigkeit sehr komplexen Systemen, die dann als FCS (Flight Control Systems), oder DAFCS (DA steht für Digital Automatic) und in ihrer höchsten Ausbaustufe als FMS (Flight Management System) bezeichnet werden. Solche Systeme sind in ihren Funktionen hierarchisch aufgebaut: Ebene 1: Günstigere Dämpfungseigenschaften, Böenlastminderung (SAS), Ebene 2: Stabilisierung des Flugzustandes und der Fluglage (Basisregler), Ebene 3: Stabilisierung der Flugbahn, konventionell, autonom (einfacher AP), Ebene 4: Führung von v und H in bodenbezogener Flugbahn (Autopilot), Ebene 5: Vorgegebene Flugbahn nach Ort und Zeit (FCS), Ebene 6: Flugwegplanung, die Verkehrs- sowie Wettersituationen und Flugsicherungsvorgaben (FMS) berücksichtigend.
11.7 Künstliche Stabilität, Flugregelung
179
Als Besonderheit gibt es bei Hubschraubern, auch schon bei solchen für weniger anspruchsvolle Missionen, zwei spezifische Regleraufgaben: automatisches Schweben und Aufschaltung von Sichtlinien. Regler arbeiten mit kleinen Ausschlägen in der Nähe des Arbeitspunktes. Als Basis für Modellfolgeregler bieten sich deshalb die in Kapitel 10.2 entwickelten Bewegungsgleichungen 10.5 an, einschließlich der dort dargestellten Vereinfachungen. In den für die (hier Dämpfungs-) Regelungen benutzten Übertragungsfunktionen steht im Nenner die charakteristische Gleichung. Bei deren Ableitung die äußeren Kräfte, und damit auch der Zähler der Ü.-funktion, gleich „Null“ gesetzt wurden. Die Eigenwerte („Pole“ der Ü.-funktion) sind deshalb die Anfangswerte der in Bild 11.2 dargestellten Wurzelortskurven, deren Zähler > 0 sind. Die Nicklage zu kontrollieren ist die primäre Aufgabe jeder Flugsteuerung. Am Beispiel eines einfachen Vorgabereglers zur Stabilisierung der Längsbewegung, d.h. der Nickbewegung und damit der Phygoidschwingung soll das Prinzip der künstlichen Stabilisierung gezeigt werden. Für die Längsbewegung sind zwei Freiheitsgrade entscheidend: • die Vorwärtsgeschwindigkeit u und • die Nickgeschwindigkeit q. Entsprechend können einfache Regler auf zwei Variable reduziert werden. Zwischen dem Nickmoment M und dem Längssteuerwinkel dβ besteht direkte Abhängigkeit. Deshalb ist die Nickbewegung durch geeignete Beeinflussung des Längssteuerwinkels zu kontrollieren. Dabei wird eine künstliche Nickdämpfung Mq erzeugt. Zur Beeinflussung des Längssteuerwinkels dβ bieten sich die in der Regel bereits verfügbaren Messsignale für den Nickwinkel Θ und die Nickrate q an (u ist für die elektronische Weiterverarbeitung relativ ungeeignet, da es mechanisch gemessen und verarbeitet wird). Das Regelkonzept sieht den Vergleich der beiden Ist-Werte für Θ und q mit den vom Piloten gewünschten Sollwerten vor. Die Differenzen dienen der Beeinflussung des Sollsignals für den Längssteuerwinkel dβ. Das Gesamtkonzept eines solchen einfachen Nickreglers ist als Blockschaltbild in Bild 11.1 dargestellt:
Bild 11.1 Einfacher Nickregler
Die als Strecke bezeichnete Komponente in Bild 11.1 ist: • real unser Hubschrauber. • Rechen- oder simulationstechnisch ist es der geeignete Satz von Übertragungsfunktionen, entsprechend Kap. 10.2.4.
180
11 Flugtechnische Stabilitäten
Bild 11.2 Wurzelortskurven, angestrebter Auslegebereich
Links von der mit ζ = 0,35 bezeichneten Linie, einer relativen Stabilitätsreserve, ist auch bei erschwerter Orientierung und hoher Pilotenbelastung problemlose Flugsteuerung sichergestellt. Durch geeignete Wahl der Rückführungsverstärkungen Kq und KΘ ist es möglich, den Wurzelort der Phygoidschwingung in der Gaußschen Ebene in solche gewünschte (Dämpfung sichernde) Bereiche zu legen. Dies ist in Bild 11.2 mit Hilfe der Wurzelortskurven dargestellt. Auswirkungen des Verstärkungsfaktors Kq für die Rückführung der Nickrate q: • Mit zunehmender Verstärkung steigen die tD der Phygoiden, • mit zunehmender Verstärkung fällt die Frequenz, • mit großer Verstärkung kann die Schwingung stabil gemacht werden, allerdings mit nur sehr geringer Dämpfung und deshalb sehr großen tH. Auswirkungen des Verstärkungsfaktors KΘ für den rückgeführten Winkel Θ: • Mit zunehmender Verstärkung stabilisiert sich die Phygoidschwingung stark, mit anfänglich ebenfalls starker Zunahme der Dämpfung; • mit weiter zunehmender Verstärkung steigt die Frequenz stark an. In der Praxis wird über KΘ Stabilisierung erreicht, wogegen durch Kq die Dämpfung erhöht wird. Aktuelle Regler in Hubschraubern arbeiten mit begrenzter Autorität. Primär steuert der Pilot, der Regler korrigiert mit kleinen Ausschlägen. Die Entwicklungstendenz geht in Richtung mehr Autorität für den Regler. Bei den in Entwicklung befindlichen Steuerungskonzepten mit FbL (Fly by Light) und FbW (Fly by Wire) übernimmt der Regler die Steuerung schließlich komplett, der Pilot teilt dem Rechner über die Bedienelemente nur noch seine Absichten mit. Mit diesem Schritt erhält die Ausfallsicherheit des Reglersystems zentrale Bedeutung. Dafür werden deshalb gefordert: • FAR Part 29: <10-9 katastrophale Fehler pro Flugstunde. • MIL F 883300: - nach Auftreten eines Fehlers, Level 2: <10-2 pro Flug in OFE - nach Auftreten eines Fehlers, Level 3: <10-4 pro Flug in OFE - nach Auftreten eines Fehlers, Level 3: <10-2 pro Flug in SFE. • ADS-33D: nach Auftreten eines Fehlers, Level 3: <2,5⋅10-5 pro Flugstunde. Zu erreichen sind solche Sicherheiten durch Redundanzen, ausgeklügelte Rechnerarchitekturen und/oder durch Parallelsysteme.
11.8 Kopplungen
181
Ohne ein Mindestmaß an Flugregelung, etwa zur Verbesserung von Stabilität und Steuerbarkeit, ist heute kaum noch Kundenakzeptanz zu erreichen. Trotzdem bleibt es sehr wichtig das ungeregelte HS-System in Bezug auf Flugführung zu optimieren, da der HS auch nach Ausfall aller Regelungsysteme fliegbar bleiben muß. Noch besser wäre es, er könnte auch dann noch seine Mission erfüllen. Mit günstigen natürlichen Flugeigenschaften ist bei einem Reglerausfall der (überraschende) Übergang in den ungeregelten Flug besser zu beherrschen. Das SAS setzt auf den natürlichen Flugeigenschaften auf, je besser die sind, desto zuverlässiger lassen sich solche Systeme entwickeln. Damit Regler wirksam werden können müssen die Regelstrecken die Reglersignale auch umsetzen können. Mit steigenden Ansprüchen an die Regelgenauigkeiten stößt das für die Modellfolgeregelung benutzte linearisierte System der Bewegungsgleichungen an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit, es sind zunehmend nichtlineare Effekte zu berücksichtigen. Eine, die Flugregelung ergänzende, Möglichkeit die Steuerbarkeit zu verbessern besteht in der Control Augmentation (CA). Dabei werden die Eingaben des Piloten verstärkt/reduziert oder in ihrem Charakter verändert, auch abhängig von der Flugphase oder der Mission. Bei der leistungsfähigeren Active Control Technology (ATC) auf der Basis rechnerverarbeiteter aktueller Flugmesswerte. Mit CA kann als zweite nützliche Anwendung ideale Steuerbarkeit über den gesamten Einsatzbereich sichergestellt werden, auch wenn die in Randbereichen sonst schon abfallen würde.
11.8 Kopplungen Beim Hubschrauber sind Koppeleffekte besonders stark ausgeprägt und treten praktisch in Richtung aller Freiheitsgrade auf, wie schon der Tabelle 10.2 zu entnehmen war. Bereits den ersten Hubschrauberentwicklern der Neuzeit war eine typische Kopplung geläufig, nämlich die der Gierbewegungen aufgrund von Kollektiveinsteuerungen. Leistungsänderungen am (Mono-) Hauptrotor stören das Momentengleichgewicht um die Hochachse. Diesen Effekt mit den Pedalen auszugleichen, sind Piloten trainiert, oder er ist bei aktuelleren Hubschraubern schon mechanisch oder elektronisch kompensiert. Dabei sollen bei freiem Giersteuer und definierter, eingesteuerter Steigrate bestimmte Gierraten nicht überschritten werden und keine inakzeptablen Gierschwingungen auftreten. Durch die dynamischen Kreuzkopplungen treten neben den gewünschten Reaktionen auf Steuereingaben zusätzliche unerwünschte Bewegungen um andere Achsen auf. Die beiden wichtigsten Kopplungen sind die in Roll/Nick- und in Nick/Roll-Richtung. Bei der ersten rollt der Hubschrauber als Sekundärreaktion auf eine Längssteuereingabe, wobei noch zusätzlich eine gedämpfte Gierschwingung auftritt. An Kollektivsteuereingaben gekoppelt gibt es sekundäre Wirkungen in Gieren und Nicken. Schiebeflüge erzeugen Rollbewegungen.
182
11 Flugtechnische Stabilitäten
Bild 11.3 Dynamische Kreuzkopplung [5]
Sehr umfangreiche Darstellungen der im Bereich der Kopplungen einzuhaltenden Grenzen, vor allem aber auch Messwerte für die Hubschrauber Bo105 und UH60A Black Hawk enthalten [4] und [5]. Bild 11.3 zeigt ein Beispiel für dynamische Kreuzkopplungen, abgebildet sind die zeitlichen Entwicklungen der Roll- und Nicklagewinkel sowie der Winkelgeschwindigkeiten um die drei Hauptachsen nach einer lateralen Steuereingabe links. Die Messschriebe stammen aus dem Forschungsbericht [5], sie sind gemessen an der Bo105. Dynamische Kreuzkopplungen haben eine Reihe von Ursachen. Ein Teil ist durch Auslegungsparameter zu beeinflussen, der größere Teil ist systembedingt und deshalb nur schwer zu beeinflussen: • Der Hauptanteil entsteht durch die reduzierte Verphasung zwischen Anregung und Maximalamplitude der Blattschlagbewegung bei Rotoren mit Schlaggelenksabstand, wenn diese (was die Regel ist) durch die Steuerungsgeometrie nicht vollständig kompensiert werden konnte. Der Schlagwinkel der Rotorblätter in Längsrichtung β2, hervorgerufen durch einen eingesteuerten Schlagwinkel in Querrichtung β1, ergibt sich aus der Schlaggleichung der Rotorblätter zu: a 1+ 3 R ⋅β (11.1) β2 = 12 a 1 ⋅ γ R
11.8 Kopplungen
183
Hier wird ein weiterer Einfluss der Lockzahl deutlich. Die Abhängigkeit der Lockzahl von der Luftdichte, s. Gl. 5.45, ermöglichte mechanische Kompensation der KK nur im Auslegepunkt, nicht über den gesamten Einsatzbereich. • In Verbindung mit dem Konuswinkel entsteht ein zweiter Beitrag durch die sich ändernde Anströmung mit veränderlicher Fluggeschwindigkeit. An dem in die Strömungsrichtung zeigenden Blatt wird der Anstellwinkel erhöht, am entgegengesetzten reduziert. • Ein weiterer Beitrag entsteht aus der Änderung des Konuswinkels bei Fahrtaufnahme, Bild 11.4.
Bild 11.4 Veränderlicher Konuswinkel
• Schließlich bewirkt die zur Fahrtaufnahme erzeugte Asymmetrie der Rotordurchströmung einen gleichen Effekt wie er unter dem zweiten Punkt beschrieben ist, Bild 11.5.
Bild 11.5 Ungleichmäßig verteilte induzierte Geschwindigkeit
Die dynamischen Kopplungen finden im Bereich der theoretischen Flugmechanik ihren Niederschlag in den Kopplungsderivativa der Bewegungsgleichungen, wie in Kap. 10 dargestellt. Bei der Erarbeitung der linearisierten Bewegungsgleichungen wurde ein großer Teil dieser Effekte allerdings rechentechnisch unterdrückt, vor allem durch die Vernachlässigung der Produkte kleiner Größen. Koppeleffekte mit ausreichend hoher Zuverlässigkeit festzustellen ist nur durch Flugerprobung möglich; falls Serienhubschrauber optimiert werden sollen, durch Messflüge mit Prototypen. Die Koppeleffekte werden u.a. beeinflusst von: • • • • •
Rotordrehsinn, Schlaggelenksabstand, Massenträgheitsmomenten, relative Positionierung der Rotoren zueinander, Auslegung der Leitwerke.
184
11 Flugtechnische Stabilitäten
Durch die dynamischen Kreuzkopplungen ergeben sich im Flug typische Stickbewegungen in Form einer mehr oder minder diagonal liegenden Acht, wie in Bild 11.6 dargestellt, gemessen während eines längeren Slalomfluges mit dem Hubschrauber Bo105, [5]. Der Messschrieb von Bild 11.6 gilt für simulationstechnisch künstlich eliminierte Kreuzkopplung in Roll/Nick-Richtung. Er zeigt, dass die erforderliche Längsteuerbewegung bei Quersteuereingabe zwar minimal wird, aber nicht völlig verschwindet, dass der Pilot offensichtlich selber eine Kopplung verursacht.
Bild 11.6 Dynamische Kreuzkopplung Bo105, elektronisch entkoppelt [5]
Piloten charakterisieren ein Fluggerät mit solchen Eigenschaften mit: • geringe Arbeitsbelastung, • Handling-Qualities-Rating 2. Die originale Bo105 koppelt geringfügig stärker, sie erreicht ein HandlingQualities-Rating von 2,5 und damit Level 1. Um zu verdeutlichen, zu welchen Pilotenbelastungen starke Kopplungen führen könnten, wurde der gleiche Hubschrauber mit künstlich verstärkter dynamischer Kreuzkopplung erprobt, die damit erforderlichen Stickbewegungen sind in Bild 11.7 aufgetragen.
Bild 11.7 Dynamische Kreuzkopplung elektronisch verstärkt [5]
11.8 Kopplungen
185
Der Pilot dieses unrealistischen Hubschraubers charakterisierte das Gerät mit: • • • •
sehr hohe Arbeitsbelastung, so gut wie keine freien Kapazitäten für andere Aufgaben, schwierig, das Beanspruchungsniveau aufrechtzuerhalten. Handling-Qualities-Rating 8
Bei Hubschraubern mit anderem Drehsinn orientiert sich die liegende Acht der Stickbewegungen um die andere Hauptdiagonale. Die Aussteuerbarkeit der dynamischen Kreuzkopplung oder deren regelungstechnische Unterdrückung (was möglich ist zeigt Bild 11.6; die offensichtlich vorhandene Restkopplung könnte ergonomisch begründet sein) ist entscheidend wichtig für schnelle Slalomflüge in der Nähe von Hindernissen. Aber auch für NoE- (Nap of the Earth)-Flüge mit hoher Geschwindigkeit in niedrigster Flughöhe, wie sie für moderne Kampfhubschrauber im Einsatz überlebenswichtig sind. Bei den hierzu nötigen aggressiven Manövern soll das Maximum der auf Grund der Kopplungen entstehenden Bewegungen (off-axis attitude response), bei abrupter Steuereingabe, nach vier Sekunden, folgende Verhältnisse zum Maximum der Steuerwirkung (on-axis) einhalten, die Werte gelten für beide Kreuzkopplungen: • <0,25 um HQR-Level 1 zu erreichen, • <0,60 um HQR-Level 2 zu erreichen, • >0,60 ist der Bereich von HQR-Level 3. Die statische Kreuzkopplung bezieht sich auf ausgesteuerte Flugzustände. Sie drückt sich aus über die Positionen des Steuerknüppels im stationären Flug bei verschiedenen Geschwindigkeiten. • Die Steuerwege verlaufen nicht geradlinig, • im Schwebeflug steht der Stick nicht in der Mittelstellung.
Bild 11.8 Statische Kreuzkopplung Bo105
186
11 Flugtechnische Stabilitäten
Die Darstellung der statischen Kreuzkopplung in Bild 11.8 zeigt die typischen Charakteristika von Hubschraubersteuerungen: • Die baulich vorzusehenden Steuerwege des Stick sind in allen vier Richtungen verschieden. • Im Schwebeflug sind Lateralsteuereingaben erforderlich. Dies dient zum Ausgleich des Heckrotorschubes durch Seitenneigung des Hauptrotors. Hier liegt der Grund für die typische Hängelage einrotoriger Hubschrauber im Schwebeflug, wenn der Heckrotor nicht in der Hauptrotorebene liegt. • Im Schwebeflug sind auch Längssteuereingaben erforderlich, zum Ausgleich des Momentes aus der Schwerpunktvor- bzw. -rücklage. • Im Vorwärtsflug sind auch Seitensteuereingaben erforderlich, die Gründe sind in weiten Bereichen die gleichen wie für die dynamischen Kopplungen. Die statische Kreuzkopplung wird von geübten Piloten oft schon unbemerkt ausgesteuert. Typische Knüppelwege und deren Wirkungen in Form von Steuerwinkeln an den Blättern sind in Tabelle 11.1 zusammengefasst. Tabelle 11.1 Knüppelwege Zyklisch längs
Zyklisch quer
für:
Knüppelweg in mm
Blattwinkel in °
Knüppelweg in mm
Blattwinkel in °
BK117 EC135
265 215
18,3 21,8
160 160
11 15
12 Steuerbarkeit
Den dynamischen Stabilitätseigenschaften des Hubschraubersystems stehen dessen Steuerungscharakteristika gegenüber. Beider Zusammenspiel bestimmt die Flugeigenschaften. Die Stabilitätsuntersuchungen basieren auf der als Parameter Identifikation bezeichneten Analyse der hubschrauberspezifischen Dynamikmatrix, ohne Berücksichtigung von Steueraktivitäten. Steuereingaben des Piloten sind jedoch unabdingbar, zur Beherrschung der Maschine und zur Missionserfüllung. Die durch Steuereingaben erzeugten Reaktionen des Hubschraubers müssen für den Piloten sinnfällig, ausreichend, für ihn und die Passagiere akzeptabel und verträglich sein. Piloten bevorzugen gut steuerbare Systeme, selbst reduzierte Stabilitätseigenschaften sind damit gut zu beherrschen; die Unfallrate sinkt, s. Bild 2.3. Die zur Einleitung der Steuerbewegungen benötigten Momente entstehen: • durch den Versatz des Schubvektors aus dem Hubschrauberschwerpunkt heraus, durch ansteuern des Rotors (traditionelle Art zu steuern), oder auch durch verlagern des Schwerpunktes (Schwerkraftsteuerung). • aus den Querkraftanteilen der Blattanschlusskräfte multipliziert mit dem Schlaggelenksabstand (i.d.R. größter Beitrag). • über die Biegesteifigkeit der Blattwurzeln bei Verwendung gelenkloser Rotoren (schnelle Reaktion) • Gieren erzeugt der Heckrotor, zusätzlich zum Drehmomentausgleich. Als Steuereingaben an Stick, Kollektivhebel und Pedalen sind zu betrachten: • Einzelne Impulsförmige (idealerweise rechteckige) Steuerausschläge; zur Feststellung der Reaktionen, vor allem der Bewegungsamplituden; danach Rückkehr in den Ausgangszustand. • Stufenförmige Ausschläge; zur Untersuchung ausreichend schneller Übergänge in neue, gewünschte Flugsituationen. • Mittelschnelle Impulsfolgen; es interessieren die Reaktionen des Systems bei rückkoppelnden Steuerbewegungen des Piloten. In diese Klasse fallen auch die Aktionen zur Aussteuerung der periodischen Eigenbewegungen. • Impulskollektive schneller Ansteuerbewegungen, durch den Piloten, aber vor allem durch das FCS; festzustellen ist bis zu welchen Ansteuerungsfrequenzen das System noch ausreichend und sinnfällig reagiert. Zu untersuchen sind dem entsprechend langsame/große, mittelschnelle/-große und hochfrequente/kleine Steuereingaben bzw. -reaktionen. Wobei die erste Klasse die traditionelle Art zu steuern darstellt, diese bleibt auch weiterhin die Primärsteuerung. Die sehr schnellen und vor allem rückkoppelnden Steuereingaben sind zu erfassen seit der Einführung von (gelenklosen) Rotoren, die solche Signale verarbeiten können, und dem Einzug der elektronischen Regeltechnik in die Steuerungssysteme.
188
12 Steuerbarkeit
12.1 Steuerbarkeitsforderungen an Zivilhubschrauber Für Zivilhubschrauber gelten in Deutschland bezüglich der Flugeigenschaften die JAR Parts 27 und 29 der JAA und zusätzlich für IFR die Vorschrift FAA-EU-100. Die FAA definiert Flugsicherheit und Fliegbarkeit folgendermaßen: Der Hubschrauber muss in der Lage sein, ohne außergewöhnlicher Geschicklichkeit, Aufmerksamkeit oder Kraftanstrengung des Piloten und ohne Gefahr des Überschreitens des sicheren Lastvielfachen unter allen für das Muster wahrscheinlichen Betriebsbedingungen, jeden erforderlichen Flugzustand aufrechtzuerhalten und einen weichen Übergang von einem Flugzustand in irgendeinen anderen auszuführen. Eine Bewertung der Fliegbarkeit, also dem Zusammenwirken von Fluggerät und Pilot mit der Belastung des Piloten als Maßstab, kann nur durch Reihen von Testflügen erfolgen, sie ergibt sich nicht aus berechenbaren Größen. Zur Pilotenbelastung tragen auch Missionsforderungen bei. Diese können widersprüchlich sein, z.B. enthalten alle Missionen Schwebefluganteile; Untersuchungen haben ergeben, dass für die Aufgabe Schweben als Beobachtungsplattform im Vergleich zum Start- oder Landeschweben doppelte Dämpfung und um 50 % gesteigerte Steuerwirksamkeit zu fordern sind. Ähnliche Unterschiede ergeben sich aus Größe, Gewicht, geforderter Manövrierbarkeit und für die anderen Missionsabschnitte. Die wichtigsten Steuerbarkeitsforderungen der FAR sind: • sicheres steuern und manövrieren in allen zuzulassenden Flugzuständen, • ausreichender zyklischer Steuerbereich bis vne mit kritischer Konfiguration, • volle Steuerbarkeit bis 17 kt Wind aus jeder Richtung mit kritischer Konfiguration, • sichere Beherrschung nach Triebwerksausfall, • in der Steuerung keine zu große Ausbrechkraft, Reibung und Vorspannung, • die Steuerkräfte und das Spiel dürfen sanfte Reaktionen auf Steuereingaben nicht verhindern.
12.2 Zeitkonstante, Steuerempfindlichkeit, -wirksamkeit Zeitkonstanten charakterisieren die Reaktionen des Hubschraubers in Rollen, Nicken und Gieren auf stufenförmige Steuereingaben. Zum schnellen Erreichen etwa großer Rollwinkel sind zunächst starke Rollbeschleunigungen und schließlich hohe Rollgeschwindigkeiten erforderlich. Die als Zweck der Steuereingaben erzielten Winkelgeschwindigkeiten sind im wesentlichen abhängig von der Lockzahl γ, von den Freigängigkeiten der Taumelscheibe und des Steuergestänges sowie von den Steuerübersetzungen. Sie sind weitgehend unabhängig vom Rotortyp. Als angenehm werden ca. 10 °/sec pro 1 cm Knüppelweg empfunden, für Hochleistungshubschrauber geringere Werte. Die erzielbaren Nick- und Rollbeschleunigungen sind stark vom Rotortyp abhängig.
12.2 Zeitkonstante, Steuerempfindlichkeit, -wirksamkeit
189
Bild 12.1 Steuerbarkeit
Gelenklose Rotoren erreichen die dem Steuerausschlag entsprechende Nickbzw. Rollgeschwindigkeit ca. doppelt so schnell im Vergleich zu gelenkigen Rotoren, auch auf Grund der Federsteifigkeiten ihrer Blätter, aber vor allem deshalb, weil gelenklose Rotoren in der Regel große (fiktive) Schlaggelenksabstände aufweisen, in Verbindung mit schweren Blättern. Hier liegt der Ursprung für die überlegene Steuerbarkeit und damit Agilität von Hubschraubern mit gelenklosen Rotoren, von MBB erstmalig verwirklicht und mittlerweile Weltstandard. Die Winkelgeschwindigkeiten p, q, r einzusteuern (Rate Command, RC) ist die primäre und wichtigste der Steuerungsaufgaben. Zur Quantifizierung wurde die Zeitkonstante t0,63 definiert, Bild 12.1: Sie ist die Zeit, nach der 63 % der endgültigen Nick-, Roll- oder Giergeschwindigkeiten p, q und r erreicht sind. Sie charakterisiert den ansteigenden Verlauf der Reaktionen auf die Ansteuerungen; im eindimensionalen Ansatz! Real kann der Übergang in der Form einer höherfrequenten Schwingung erfolgen, die in Bild 12.1 dargestellten Kurven sind dann deren Mittelwert. Der Anstieg der Reaktionskurve (Beschleunigung), auf den Knüppelausschlag bezogen, wird als Steuerempfindlichkeit (control sensitivity) bezeichnet. Die Verhältnisse der endgültigen Nick-, Roll-, Giergeschwindigkeiten pro entsprechendem Knüppelweg sind die Steuerwirksamkeiten (rate sensitivity). Ableitung der Zeitkonstanten t0,63 (für τ = 0): Die kleine Verzögerung τ wird zunächst als, in der Schwingung der Reaktionskurven enthalten, angenommen; auf die Reaktionen als Folgen stufenförmiger Steuereingaben ist sie auch tatsächlich ohne wesentlichem Einfluss. Die Definition der Zeitkonstanten über 63 % von p, q oder r hat einen praktischen Grund: Unsere Steuerbewegung ist eine Störung des stationären Fluges, wie sie in Kapitel 10 behandelt wurde. Als Reaktion darauf wird ein im Mittel asymptotischer Übergang in den neuen Flugzustand angenommen. Die Übergangskurven, wie in Bild 12.1 dargestellt, entsprechen in ihrer Form e-Funktionen, die asymptotisch auf einen neuen Wert einschwingen. Abgeleitet werden kann dieser Übergang von Gl. (10.17), an den vorliegenden Fall angepasst. Es kann angesetzt werden:
190
12 Steuerbarkeit d 2 x( t ) = x ∞ ⋅ 1 − e − m ⋅t mit x( t ) = 0.63 ⋅ x ∞ d 2 ⋅t m 0 ,63 =
e−
0,37 logarithmiert
d 2 ⋅ t 0 ,63 = 1 m
oder t 0 ,63 =
wird:
m d 2
Mit der vereinbarten Definition ist die Zeitkonstante also unmittelbar aus den Faktoren der Schwingungsgl. (10.6b) und aus Messschrieben abzulesen, nämlich als Kehrwert des Dämpfungskoeffizienten σ, der unseren Dämpfungsderivativa Lp, Mq, Nr entspricht. Mit Gl. (10.20) ergibt sich, dass sich t0,63 und tD/H nur durch den Faktor ln2 unterscheiden. Die Kehrwerte der Zeitkonstanten (also die Dämpfungen) und die Steuerempfindlichkeiten werden zur Beurteilung der primären Steuerbarkeit von Hubschraubern später als Steuerbarkeitsdiagramme dargestellt. Die Reaktionen auf Steuereingaben werden bei kleineren als der kritischen Dämpfung nicht asymptotisch auf den neuen Endwert zulaufen, sondern, um die angenommene Kurve als Mittelwert schwingend. Den gleichen Effekt haben höhere als die angenommenen eindimensionalen Charakteristiken unseres Systems. Die oben noch vernachlässigte Zeitverzögerung τ regt diese Schwingung an. Dieser Zeitabschnitt kann dabei als erste Halbschwingung nach unten aufgefasst werden. Die Verzögerung τ entsteht, weil das System nicht unmittelbar mit dem Beginn der Steuereingabe reagiert. Aus folgenden Gründen: • • • • • •
Luftmassenträgheiten verzögern den Aufbau der aerodynamischen Kräfte, Phasenverschiebung zwischen Einsteuerung und Rotorblattreaktion, das Steuerkommando ist nicht ideal rechteckig, es zeigt Trapezform, die mechanische Ansteuerung hat Spiel und ist elastisch. Nichtlineare aerodynamische Effekte und Dynamiken höherer Ordnung treten auf.
Moderne Hubschrauber mit gelenklosen Rotoren (wie der Beispiel-HS von Kapitel 10) weisen bei 75 kt 80 bzw. 125 ms in Roll- bzw. Nick-Richtung auf. Im Vorgriff auf die später zu behandelnden hochfrequenten Steuereingaben kleiner Amplituden ist die Zeitkonstante genauer darzustellen, nämlich mit Berücksichtigung von τ. Die Zeitkonstante setzt sich zusammen aus der Verzögerung τ und einem Zeitabschnitt 1/ωm, in dem das System wie beabsichtigt reagiert. t0,63% = τ + 1/ωm
(12.1)
Der zweite Zeitabschnitt kann als Kehrwert eines Dämpfungsparameters ωm aufgefasst werden. Für τ = 0 ist ωm gleich dem Dämpfungsderivativum. In der Regel ist τ<<1/ωm, weshalb für langsame Steuerausschläge und- reaktionen (auf die sich das Steuerbarkeitsdiagramm bezieht) τ vernachlässigt werden konnte, in die Behandlung schneller und hochfrequenter Steuerbewegungen werden τ und ωm implizit einbezogen.
12.3 Rating Scales
191
12.3 Rating Scales Piloten beurteilen auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen und Fertigkeiten unter Berücksichtigung ihrer Aufgabe. Wenn der Hubschrauber einer Steuereingabe zu langsam folgt (typisch für Hubschrauber mit gelenkigen Rotoren), dann empfinden sie ihn als träge, sie lernen aber damit umzugehen (es drohen jedoch PIO, das sind Pilot Induced Oscillations). Ist die Steuerfolgsamkeit hoch (typisch für gelenklose Rotoren), dann wird ein Pilot, der an gelenkige Rotoren gewöhnt ist, den Hubschrauber zunächst als übersensitiv empfinden. Dieses Urteil ändert sich nach einiger Übung in: „Lässt sich so angenehm steuern wie ein Starrflügler“. Tabelle 12.1 Modified Cooper-Harper Rating Scale [ 7 ]
Passagiere bezeichnen relativ steuerweiche Hubschrauber oft als angenehmer, sind andererseits aber an der hohen Manövriersicherheit straffer reagierender Rotoren interessiert, besonders bei Flügen in Bodennähe und zwischen Hindernissen. Zur zuverlässigen Beurteilung der Flugeigenschaften eines Hubschraubers im Einsatz (HQR, Handling Qualities Rating) sind aufgrund der breiten Varianz des Erfahrungs- und Ausbildungsstandes der Piloten und der zu erfüllenden Missionen eine große Anzahl von Testflügen erforderlich. Die Beurteilungen erfolgen mit Hilfe von Rating-Schemata. Am häufigsten wird das von Cooper und Harper [7] verwendet, in einer zur praktischen Anwendung etwas modifizierten Form, Tabelle 12.1.
192
12 Steuerbarkeit
Die damit erhaltenen HQR werden zu drei Güteklassen zusammengefasst: • Level 1 umfasst HQR 1 bis 3,5 • Level 2 umfasst HQR 3,5 bis 5,5 • Level 3 umfasst HQR 5,5 bis 8,5 Bewertet wird das Zusammenspiel von Pilotengeschick, Missionsanforderungen, Sichtverhältnissen und den flugdynamischen Eingenschaften des HS. Die Ratings gehen von einem voll funktionsfähigen Hubschrauber aus. Nach Ausfall eines Teilsystems, z.B. einer Stabilisierungseinrichtung, muss der Pilot, evtl. unter Vernachlässigung seiner Mission, den Hubschrauber noch sicher beherrschen können.
12.4 Normpilotenmodell Schon vor dem Erstflug eines in Entwicklung befindlichen Flugzeuges sind Aussagen über dessen Flugeigenschaften erforderlich, bzw. zu fordernde Flugeigenschaften ergeben Entwurfskriterien. In diesem Zusammenhang ist auch über das Flugreglerkonzept zu entscheiden. Diese Reglerkonzepte, in denen das noch nicht operable Flugzeug die Regelstrecke ist, von dem aber aus dem Entwurf schon erste Derivativa zu ermitteln sind, könnten noch nicht in der o.g. Art und Weise erprobt und verschiedene Alternativen verglichen werden. Um diesem Mangel durch Simulationen abzuhelfen wurde die charakteristische Pilotendynamik mathematisch nachgebildet und zu einem Normpilotenmodell zusammengefasst:
Y PΘ = k PΘ ⋅ e
− τ⋅ s
⋅ s +1 ⋅ T LΘ T N ⋅ s +1
(12.2)
mit: YPΘ Steuerweg des Piloten zur Nickwinkelsteuerung kPΘ Verstärkungsfaktor (typisch: 440 mm/rad für gelenkige, 260 mm/rad für gelenklose Rotoren) TLΘ Vorhaltezeit des Piloten bei der Nicksteuerung (0,6 bzw. 0,3 sec) τ „Totzeit“ des Piloten, Informationsübertragungszeit von der Anregung des Auges bis zu der des Muskels (0,1 bis 0,3 sec) TN neuromuskuläre Verzögerung (häufige Annahme 0,1 sec) Mit Hilfe solcher Normpiloten sind geschlossene Regelkreise möglich. Damit können schon frühzeitig Aussagen zu den Steuereigenschaften eines Neuentwurfes getroffen werden. Eine weitere wichtigen Anwendung solcher Normpiloten ist ihr Einsatz bei Vergleichen verschiedener Systeme konkurrierender Anbieter. Nur mit eindeutigen und reproduzierbaren Simulationsergebnissen ist eine nachprüfbare Bewertung möglich. Weil selbst aufwändigste und umfangreichste Beurteilungskampagnen angreifbar bleiben.
12.5 Das Steuerbarkeitsdiagramm
193
12.5 Das Steuerbarkeitsdiagramm Klassisch beschränkten sich die Steuerbarkeitsanalysen auf stufenförmige, also mehr oder weniger abrupte, einzelne, relativ große Steuereingaben auf die der Pilot ausreichend prompte Reaktionen erwartet. Geleistet werden damit folgende Aufgaben: grobes Stabilhalten des Schwebefluges in Richtung und Lage, einsteuern von Translationen. Diese Art der Steuerung ist auch weiterhin die Basis aller Steuerungsaktivitäten. Grundlage sind die Definitionen der Zeitkonstanten, der Steuerempfindlichkeiten und -wirksamkeiten entsprechend Bild 12.1. 12.5.1 Langsame Steuereingaben
Den einschlägigen Zulassungsforderungen liegen einfache mathematische Modelle zu Grunde (Systeme 1. Ordnung). Bei der Behandlung der Längsbewegung, z.B., liefert das Momentengleichgewicht um die y-Achse: ⋅
I y ⋅ q− M q ⋅ q = M η ⋅ η
(12.3)
Mit einem sprunghaften Steuerausschlag von η = 0 auf η1 erhält man: ⋅
q(t ) = − η1 ⋅
und
q(t ) = − η1 ⋅
Θ(t ) = − η1 ⋅
Mη Iy
M q ⋅ e− I ⋅t y
M q M η 1 − e − I ⋅t y M q
(12.4)
(12.5)≡(10.34)
M q I y Mη ⋅ t − 1 − e − I ⋅t y Mq Mq
(12.6)
den in einem bestimmten Zeitabschnitt erzielbaren Nickwinkel. Durch Ziehen bzw. Drücken am Steuerknüppel muss es dem Piloten möglich sein ausreichend schnell im Sinne Nicken zu beschleunigen, um Schwingungen und Störungen auszugleichen und ausreichend manövrierfähig zu sein. Die Steuerwirksamkeit Mη (oder auch Steuerempfindlichkeit) muss deshalb auf die Dämpfung in Nickrichtung abgestimmt sein. Andererseits darf die Nickgeschwindigkeit nicht zu schnell zu groß werden (typisch für HS-Modelle) sonst nimmt der Hubschrauber zu schnell große Nicklagen ein. Um dies zu verhindern darf die Nickdämpfung nicht zu klein werden. 12.5.2 Ursprüngliche Forderungen
Die MIL-H-8501 A forderte folgende Minimalwerte für die Nickdämpfung:
194
12 Steuerbarkeit
M q min = 4 ,4 ⋅ I 0y,7 für Sichtflug und M q min = 8,3 ⋅ I 0y,7 für IFR.
(12.7+8)
Entsprechend werden für die Querbewegung gefordert: M p min = 9 ,9 ⋅ I 0x ,7 für Sichtflug und M p min = 13,8 ⋅ I 0x ,7 für IFR.
(12.9+10)
und für die Gierbewegung: M r min = 14 ,9 ⋅ I 0z ,7 für Sichtflug und Flug unter IFR-Bedingungen,
(12.11+12)
wovon 12.11 nur eine Empfehlung ist. AGARD Empfehlungen nennen Mindestwerte für Nickwinkel, die mit einem Knüppelausschlag von: 1 cm nach 1 sec (12.13) erreicht werden müssen. Jeweils für Sicht bzw. Instrumentenflug werden empfohlen: Für die Längsbewegung: ∆Θ1cm ,1 sec =
1,36 3
Gt + 0 ,454
°/sec und ∆Θ1cm ,1 sec =
2 ,2 3
Gt + 0 ,454
°/sec
(12.14+15)
Und entsprechend für die Querbewegung: ∆Φ1cm ,0 ,5 sec =
0 ,82 3
G t + 0 ,454
°/sec u. ∆Φ1cm ,0 ,5 sec =
0 ,97 3
G t + 0 ,454
°/sec
(12.16+17)
zu beachten ist hier die halbe Reaktionszeit! Es dürfen maximal 20°/sec Rollrate erreicht werden. Und die Gierbewegung: ∆Ψ1cm ,1 sec =
3,33 3
Gt + 0 ,454
°/sec und ∆Ψ1cm ,1 sec =
3,33 3
Gt + 0 ,454
°/sec
(12.18+19)
In alle sechs Gleichungen ist Gt in Tonnen einzusetzen. Für die Nickrichtung kann folgende empirische Formel für das Massenträgheitsmoment herangezogen werden: Iy = 160 Gt1,724
(12.20)
um Gt durch Iy zu ersetzen (für die Massenträgheitsmomente um die beiden anderen Achsen stehen entsprechende Regressionen zur Verfügung, deren Basisdaten streuen aber stärker. Neben den Grenzen nach MIL-H-8501A sind auf Bild 12.2, im Steuerbarkeitsdiagramm in seiner älteren Form, Grenzwertempfehlungen zu Parameterkombinationen dargestellt. Sie stammen von Edenborough und Wernicke [8] und geben an: zu erreichende Drehgeschwindigkeiten pro Steuerausschlag. Alle modernen und vor allem auf hohe Agilität ausgelegten Hubschrauber orientieren sich an den Empfehlungen von Edenborough und Wernicke.
12.5 Das Steuerbarkeitsdiagramm
195
Bild 12.2 Steuerbarkeitsdiagramm in seiner älteren Form
In der Darstellung abgesetzt in die Richtung zum Ursprung hin liegt der Bereich gelenkiger Rotoren, außerhalb der E.+W.-Empfehlung, vor allem aber bei nicht mehr zeitgemäß hohen Zeitkonstanten. Unterhalb des E.+W.-Bereiches werden Auslegungen als zu träge reagierend empfunden, oberhalb als übersensitiv. Die eingezeichneten Werte für den praktischen Fluggeschwindigkeitsbereich verdeutlichen warum der Hubschrauber Bo105 in Bezug auf Steuerbarkeit Maßstäbe gesetzt hat, in einer Zeit in der ausschließlich gelenkige Rotoren verwendet wurden. Die beiden für den Hubschrauber Bo105 angegebenen Bereiche (Prototypen!) charakterisieren den Übergang von gelenkigen Rotoren auf gelenklose (der erste Prototyp des Bo105 sollte mit einem gelenkigen Rotor des Hubschraubers Scout der Firma Westland ersterprobt werden). Sie zeigen, dass bei der Auslegung von Hubschraubern mit gelenkigen Rotoren die Dämpfung kritisch werden kann, vor allem wenn eine IFR-Zulassung angestrebt wird. Die Darstellung in Bild 12.2 ist hubschrauberspezifisch. Das bezieht sich vor allem auf die Lage der E.+W.-Grenzlinien, aber auf auch die horizontalen Grenzlinien entsprechend MIL-H-8501A! Aus diesen Gründen konnten in diese Form des Steuerbarkeitsdiagrammes die Werte verschiedener Hubschrauber nicht eingetragen, d.h. nicht in Relation zueinander gesetzt werden. Für Rollen und Gieren werden entsprechende Darstellungen verwendet. Allerdings streuen die Statistiken für die zu verwendenden Massenträgheitsmomente in diesen Richtungen stark, so dass diese Steuerbarkeitsdiagramme für Vergleiche verschiedener Hubschrauber miteinander noch begrenzter verwendbar sind. 12.5.3 Neufassung der Steuerbarkeitsforderungen
Um das Steuerbarkeitsdiagramm praktikabler zu machen, die aktuellen Entwicklungstrends zu berücksichtigen und um inzwischen auf allen Ebenen weiterentwickelte Forderungen zu integrieren, wurde die MIL-H-8501A zur MIL-F-83300 weiterentwickelt.
196
12 Steuerbarkeit
Grundlage bleiben die eindimensionalen Übertragungsgleichungen. Gefordert werden: Tabelle 12.2 Antworten auf Steuereingaben nach einer Sekunde oder weniger. (Dimension: Grad pro inch)
HQR Level 1 2 3
Nickrichtung min. max.
Rollrichtung min. max.
Gierrichtung min. max.
3,0 2,0 1,0
4,0 2,5 1,0
6,0 3,0 1,0
20,0 30,0 40,0
20,0 30,0 40,0
23,0 45,0 50,0
Daraus können mit Hilfe entsprechender Gleichungen, wie Gl. (12.5) für Nicken, die Steuerbarkeitsdiagramme in der neuen Form errechnet werden:
Bild 12.3 Steuerbarkeitsdiagramm Nicken
Wie das Bild 12.3 zeigt setzt die MIL-F-83300 in Bezug auf die Steuerbarkeit keine besonders engen Grenzen, gar keine in Richtung zu hoher Zeitkonstanten. Beides ist akzeptabel wenn an die Präzision des Fluges keine besonderen Ansprüche gestellt werden (wie in den Anfängen des Hubschraubereinsatzes), der Pilot steuert ein und wartet bis die Reaktion erfolgt ist (dies entspricht einem openloop-Prinzip). Heutige Einsatzmissionen verlangen Präzision. Die dafür erforderlichen, oft rückkoppelnden, hochfrequenten Steuereingaben werden im Steuerbarkeitsdiagramm nicht erfasst, dies liegt am (traditionellen) Ansatz dem lediglich ein niederfrequentes eindimensionales System zu Grunde liegt, was zur Erfassung und Beurteilung der primären Steuerbarkeit ausreicht. Im europäischen Rahmen hat man sich als Ergebnis der Studie „Active Control Technology“ [9] von 1995 auf engere Grenzen als nach MIL-F-83300 geeinigt
12.5 Das Steuerbarkeitsdiagramm
197
und vor allem die Zeitkonstante auf maximal 0,5 Sekunden für Nicken und Gieren und 0,33 Sekunden für Rollen begrenzt.
Bild 12.4 Steuerbarkeit Rollen
Bild 12.5 Steuerbarkeit Gieren
Die Steuerbarkeitsdiagramme der Bilder 12.3 bis 12.5 bieten: • Quantitative Aussagen zu den wichtigsten Parametern der Steuerbarkeit. • Gute Vergleichbarkeit zu Grenzempfehlungen, Konkurrenzvergleich. Sie bieten nicht: • Aussagen über Eigenschaften bei hochfrequenter Ansteuerung. • Gelten nur für Einsteuerungen von Bewegungen, nicht von Kräften. • Sagen nichts aus zu: Ausbrechkräften, Totzeiten, Kraftgradienten, evtl. veränderlichen Steuerempfindlichkeiten.
198
12 Steuerbarkeit
12.6 Höherfrequente Ansteuerungen/Reaktionen Die Steuerbarkeitsdiagramme der Bilder 12.3 bis 12.5 basieren in ihrem Ansatz auf großen, einmaligen, in ihrem Verlauf rechteckigen Steuereingaben oder -impulsen durch den Piloten; sowie auf Reaktionen des Hubschraubers entsprechend eines linearen eindimensionalen Systems, auf der Grundlage der Gl. (12.3). Als Steuerwirkungen werden geänderte, bis zur nächsten Einsteuerung bleibende, Flugbahnparameter (meist Drehgeschwindigkeiten um die Hauptachsen) erzielt. Die kleine, aber doch zu beobachtende Zeitverzögerung τ, wie sie dem Bild 12.1 dargestellt ist, wird hierbei vernachlässigt. Die durch den Piloten so eingesteuerten Manöver bleiben niederfrequent, sie werden bei dieser Art der Steuerung nicht feinkorrigierend rückgekoppelt. In der Sprache der Verstärkertechnik ausgedrückt, handelt es sich um ein open loop-System. Gesteigerte Anforderungen an die Präzision der zu fliegenden Manöver können dabei nur sehr sekundär berücksichtigt werden. Diese Art der Ansteuerung führte bei den ersten Hubschraubern zu deren bekannter eher trägen Flugweise. Solche Flugeigenschaften reichen heute, vor allem im militärischen Sektor bei weitem nicht mehr aus. Moderne Rotortechnologien und elektronische Steuerungssysteme ermöglichen hochreaktive Flugführung. Dies ist die Entwicklung die mit dem Hubschrauber Bo105 eingeleitet worden ist. Gestiegene Anforderungen an die Präzision von Flugmanövern (Hindernis- und Bodennähe) bedingen laufend mittel- bis hochfrequente korrigierende Steuereingriffe kleiner Amplitude durch den Piloten bzw. das SCAS (Stability and Control Augmentation System), zur exakten Einhaltung der mit den normalen niederfrequenten Steuerbewegungen primär eingeleiteten Manöver. Teile der Steuerung arbeitet dadurch rückkoppelnd und damit als closed loopSysteme. Die Eigenschaften und Grenzen solcher Systeme werden dementsprechend für die Steuerbarkeit moderner Hubschrauber hoch relevant. Die deshalb neu zu berücksichtigenden Kriterien und Anforderungen sind unter Angabe von zu erreichender Güteklassen in der Vorschrift ADS-33 (Aeronautical Design Standard [10]) zusammengefasst. Dieser Standard ist in deutsch/US-amerikanischer Zusammenarbeit erarbeitet worden, im Rahmen eines MoU zur HubschrauberFlugmechanik. 12.6.1 Dynamische Stabilitätskriterien mittelschneller Reaktionsbewegungen
Die Steuerbarkeitsdiagramme gelten für Bewegungen, die auf einen neuen Endwert zulaufen, im Sinne des Bildes 12.1. Die beiden im Rahmen der Parameter Identifikation festgestellten Eigenbewegungen Bahn- und Taumelschwingung zeigen diese Eigenschaft nicht, das hat sich schon in der Tabelle 10.3 durch fehlen der Zeitkonstanten manifestiert, die erste ist instabil und erreicht deshalb keinen Endwert, die zweite pendelt in die Ausgangslage zurück. Beurteilt werden diese beiden mittelschnellen Bewegungen seit langem über deren Schwingungsdauern T, Doppel- bzw. Halbwertszeiten tD und tH.
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
199
Ein Bewertungsschema unter Verwendung von HQR-Levels, das auch Vergleiche verschiedener Systeme ermöglicht, enthält der ADS-33 (zum Teil als Neufassungen älterer MIL-STD). Dabei wird in der Gaußschen Ebene gearbeitet. Die Darstellung, etwa wie in Bild 10.2, wird dafür in der Praxis etwas abgeändert. Unter Verwendung der in Kapitel 10.2.3 eingeführten schwingungsmechanischen Begriffe und unter Einbeziehung des kritischen Dämpfungsverhältnisses entsprechend der Gl. (10.19) entstehen neue Achsenbezeichnungen. Aus den Gln. (10.7), (10.8) und (10.19) wird für die σ =ζ⋅ ω 0
Re-Achse:
(12.20)
Eingesetzt in Gl. (10.10) entsteht für die Im-Achse:
ω =ω0 (1-ζ²)1/2,
(12.21)
mit ω0 als der natural frequency ωn. Die Zeitfunktionen entsprechend Gl. (10.16) sind damit auf die beiden Größen Dämpfungsverhältnis und Eigenfrequenz zurückgeführt. Beide können mit Hilfe der Parameter Identifikation (Kapitel 10) und andererseits, wie hier gezeigt, durch Flugerprobung ermittelt werden. In den entsprechenden Darstellungen, Bilder 12.6 und 12.7, sind Grenzen festgelegt, innerhalb derer günstigere HQR-Levels erreicht werden. Die Grenzlinien sind durch Forderungen bestimmter Mindestdämpfungen definiert, in Relation zum kritischen Dämpfungsverhältnis. In Nickrichtung sind die Bereiche für HQRLevel 1 und 2 in der Nähe der Im-Achse durch ωn= 0,5 bzw. 1,0 rad/sec nach oben begrenzt, im Rollen für HQR-Level 1 mit 2 und 3 durch ωn= 1 bzw. 0,4 rad/sec. Damit sind zu schnelles Nicken und zu langsames Rollen ausgeschlossen. Die Begründung für die mit ζ = 0,35 bezeichneten Linie wurde im Zuge von Bild 11.2 gegeben. In Nickrichtung kann im Bereich moderater Eigenfrequenzen und höherer tD bzw. tH von dieser Grenzlinie abgewichen werden, wie dargestellt. Der bekannt guten Steuerbarkeit der HS in diesem Bereich, trotz teilweiser Instabilität, wird damit Rechnung getragen. 12.6.1.1 Die Nickbewegung
Im Kapitel 10 über die Flugeigenschaften wurde die Bahnschwingung als die für die dynamische Längsstabilität unseres Hubschraubers wesentliche Schwingung identifiziert. Dafür typische Lösungspole, hier solche für den Hubschrauber Bo105, sind im Bild 12.6 relativ zu den HQR-Levels dargestellt. Die eingezeichneten Ergebnisse von Flugmessungen mit dem Hubschrauber Bo105 bestätigen die praktische Flugerfahrung, dass dieser Hubschrauber trotz instabiler Phygoidschwingung sehr gut zu fliegen ist, er erreicht HQR-Level 1. Besonders wichtig ist diese Feststellung für Flüge nach IFR und die Zulassbarkeit. In Bild 12.6 sind abzulesen: ωn = 0,32 rad/sec T = 19,5 sec
ζ = -0,06 tD = 37 sec
Diese Zahlenwerte bestätigen die erreichte vorbildlich gute HQR-Bewertung der Bo105.
200
12 Steuerbarkeit
Bild 12.6 Bewertung Nicken (Achsendimensionen rad/sec)
Mit dem Sektor zwischen ζ = -0,2 bis 0,0 und unter ωn(1-ζ²)1/2 = 0,5 ist für Hubschrauber weit mehr dynamische Instabilität zugelassen als für Starrflügler mit deren Grenzlinie –ζωn = 0,01 zum Level2-Bereich hin. Bild 12.6 gilt bei voller Aufmerksamkeit des Piloten für die Flugführung. Für geteilte Aufmerksamkeit fällt der Sektor zwischen ζ = -0,2 und 0,35 auf Level2 ab. Auch deshalb werden in moderne HS Flugregler eingebaut, um nicht gerade bei anspruchsvollen Missionen oder schwierigen Flugbedingungen diese Einbuße zu erleiden. 12.6.1.2 Die Rollbewegung
Die Rollschwingung entsteht aus der Taumelschwingung. Einzelne Bereiche erhalten hier für verschiedene Missionsabschnitte (MTE Mission Task Elements, s.u.) unterschiedliche HQR-Levels.
Bild 12.7 Bewertung Rollen (Achsendimensionen rad/sec)
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
201
Die Bo105 erreicht in Rollrichtung im normalen Einsatz beste HQR, im Präzisionsflug mittlere. Die Flugmesswerte streuen stark. Im Mittel sind hier: ωn = 2,5 rad/sec ζ = -0,16 Der Seitwärtsflug in Schwebeflugnähe ist im Vergleich zum schnelleren Flug ähnlich anspruchsvoller wie in x-Richtung. Folgendes sei noch besonders betont: in Rollrichtung sind Instabilitäten nicht zugelassen. 12.6.2 Sekundärreaktionen
Wiederholt wurden Bewegungen angesprochen, die zwar auch dynamische Eigenschaften unseres Systems sind, die sich aber überwiegend der zwangsläufig niedrigdimensionalen Parameter Identifikation entziehen, also allein durch Flugerprobung, primär mit den Prototypen neuer Hubschrauber, zu identifizieren sind. Die Übergänge in neue Flugzustände als Wirkungen von primären Einsteuerungen wurden bei der Analyse der Steuerwirksamkeit in Kapitel 12.2 als e- Funktionen idealisiert. Bereits erwähnt wurde, dass diese Übergänge in der Regel als Schwingungen erfolgen. Mit solchen Einschwingvorgängen befassen sich die ersten zwei Kriterien, sie dienen vor allem der Beurteilung der Agilität. 1. Das Kriterium moderater Amplituden oder Anstellungen (attitude quickness). Bei ihm werden die auf die maximal auftretenden Lagewinkeländerungen bezogenen maximal erreichten Winkelgeschwindigkeiten über dem Minimum der Lagewinkelschwingung aufgetragen. Der Quotient charakterisiert wie schnell eine neue Fluglage erreicht wird, nach Einsteuerung. Wichtig wird dabei die Agressivität des Piloten und wie weit er die Kapazitäten des Rotors ausnutzt. In diesem Diagramm sind Grenzwerte angegeben um Level 1, 2 oder 3 zu erreichen. Es gilt für langsamen Flug und UCE = 1. Das Kriterium kommt in NickRoll- und Gierrichtung zur Anwendung. 2. Beim Kriterium für große Amplitudenausschläge (large amplitude) im Schwebeflug sind zu erreichende Winkelgeschwindigkeiten bzw. Lagewinkel festgelegt. Für RC-Systeme müssen, um Level 1 zu erreichen, für aggressive MTE, in Nickrichtung, mindestens 30 °/sec erreicht werden, für AC-Systeme 30 °, in Rollen RC: 50 °/sec bzw. AC: 60 ° und Gieren allein RC: 60 °/sec. Im Vorwärtsflug wirkt das Seitenleitwerk dämpfend, die Forderung für Gieren ist deshalb auf 16 °/sec reduziert. 3. Unter dem Kriterium control power sind im Vorwärtsflug stationär fliegbare Lastvielfache nachzuweisen, vor allem an den Grenzen der OFE. (Hierzu siehe Bild 9.5, Rotorauslegung, Bestimmung der Blattbelastung). 4. Das Kriterium Manöverstabilität fordert die Überprüfung der in Kapitel 11 dargestellten Stabilitäten. Speziell die Forderungen bezüglich der Kräfte am Stick. 5. Für die bei der Parameter Identifikation festgestellten Spiralbewegung ist leichte Instabilität zugelassen. Begrenzt durch tD > 20 sec bis zur Verdoppelung des Querwinkels, nach lateraler Störung, für Level 1. 6. Zur Bedienung der Giersteuerung sollte die Pedalkraft bei Geschwindigkeitsänderungen um ± 20 % oder ± 30 % der Trimmgeschwindigkeit 167 N nicht überschreiten um Level 1 zu erreichen.
202
12 Steuerbarkeit
7. Im Vorwärtsflug sollten die Drehgeschwindigkeiten abhängig von den Pedaleingaben nicht inakzeptabel von der Linearität abweichen, Pedaleingaben und Gierbewegung müssen gleichsinnig sein. 8. Nachzuweisen sind Charakteristika für den Seitwärtsflug. Sie beziehen sich auf die Trimmbedingungen und stationären Stabilitäten. Für die Giersteuerung werden Trimmstellungen und Pedalkräfte definiert. Der Querwinkel muss der Seitengeschwindigkeit proportional sein. Seitliche Steuerausschläge müssen zu Bewegungen in gleicher Richtung führen. 9. Kriterien zu den Vertikalbewegungen beziehen sich auf: Das Ansprechen der Bewegung auf die Kollektiveinsteuerung, die Dämpfung und die Zeitverzögerung werden gemessen, die Reaktion sollte der eines Systems erster Ordnung entsprechen. Die vertikale Fahrtaufnahme, sie soll 1,5 sec nach der Kollektiveingabe größer als 0,81 m/sec sein um Level 1 zu erreichen. Gegenüberstellung des Drehmomentes am Triebwerk zur Drehgeschwindigkeit des Rotors. Die Zeit bis zum Punkt des Überschießens und das Überschwingverhältnis sind die Charakteristika. Die Rotordrehzahl muss die Grenzen einhalten, die zur Erfüllung aller MTE innerhalb der OFE nötig sind. Das ist stark vom Rotorträgheitsmoment abhängig, vor allem aber von der Reaktionsgeschwindigkeit des Triebwerksreglers. Zusätzlich sind Steuerungscharakteristiken gefordert bezüglich Zentrierungen, Ausbrechkräften, Kraftgradienten, Kraftgrenzen, Freigängigkeiten und Abstimmungen der verschiedenen Steuerungsorgane untereinander. Schließlich werden die in der Erprobung zu fliegenden Manöver genau festgelegt. Bereiche der neuen Vorschriften sind noch in Diskussion. Eine umfangreiche Auflistung von noch zu klärenden Punkten bringt [6]. Der überwiegende Teil der genannten zusätzlichen Forderungen ist mit theoretischen Berechnungen nicht vorherzubestimmen, und damit auch nicht mit Hilfe von Simulationen darstellbar. Für beides sind unsere Werkzeuge zu stark vereinfacht. Zur Feststellung bleibt allein der Flugversuch, weshalb der Bau von Prototypen unabdingbar bleibt; dies sind Maschinen, deren flugmechanisches System mit Hilfe aufwändiger Messkampagnen und feinkorrigierender Eingriffe in die Systeme optimiert wird, bis schließlich die endgültige Konfiguration gefunden ist. 12.6.3 Hochfrequente rückkoppelnde Steuerbewegungen kleiner Amplituden
Piloten steuern nicht so abrupt, wie es bei impuls- oder stufenförmigen Eingaben angenommen ist, sondern mit stetigeren Bewegungen. Vor allem aber korrigiert der Pilot im Hochleistungsflug laufend nach, meist schon bevor sich die Reaktion auf die ursprüngliche Steuerbewegung voll entwickeln konnte, die grob eingesteuerte Flugbahn wird dadurch laufend fein korrigiert, oft die Flugbewegungen antizipierend. Die Steuerbewegungen und -reaktionen bekommen durch diese Praktiken höherfrequentere Anteile im Sinne der Fourier-Reihenentwicklung. Daneben steuern Systeme wie das SCAS systembedingt hochfrequent. Vergleiche von
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
203
(zwangsläufig niedrigdimensionalen) Simulationen mit Flugversuchen führten für moderne Hubschrauber in anspruchsvoller Mission zu völlig unterschiedlichen Aussagen bezüglich Fliegbarkeit. Die Steuerungscharakteristika in der Zeitebene, speziell die Dämpfungen, verloren offensichtlich an Bedeutung. Bei Schiffslandungen stellte sich die schnelle Feinsteuerung als entscheidend heraus. Aus solchen Erfahrungen wurde klar, dass die hochfrequenten Anteile der Steuereingaben und die höhere Ordnung unseres Systems hierfür die Ursachen sind. Durch die Rückkopplung der Flugbahnparameter auf die Steuereingaben, zur Einhaltung vorgegebener Flugbahntoleranzen, entstehen closed loop-Systeme. Zur Analyse dieses Problemkreises und vor allem um später Auslegungsgrenzen zu definieren, wird auf die Systematik und die Arbeitsmethoden der elektronischen Verstärker- oder auch der Regeltechnik zurückgegriffen. Bei deren Analyse im hochfrequenten Bereich (0,5 bis 25 rad/sec) wird in der Frequenzebene gearbeitet, mit Bandbreiten (Band Width) und Phasenverschiebungen (Phase Delay). Die Reaktionen des Systems auf immer höherfrequentere Steuereingaben werden in der Form des Bode- (Amplituden)- und des zugehörigen Phasendiagrammes dargestellt. Die Arbeitsweisen sind im Aeronautical Design Standard ADS-33 [10] zusammengefasst. Damit können im stark missionsbezogenen Hochleistungsflug auftretende flugmechanischen Probleme und Grenzen identifiziert und später quantifiziert werden, über die die klassische Flugmechanik in der Zeit- und Komplexebene keine Aufschlüsse geben kann. Die klassischen Flugeigenschaftsforderungen für die niederfrequente Primärsteuerung und die mittelschnellen Bewegungen bleiben aber bestehen. 12.6.3.1 Grundlagen
Das Bode-Diagramm zeigt die Amplitudenverstärkung aufgetragen in Abhängigkeit von der Erregerfrequenz. Es entspricht dem der Schwingungslehre, jedoch in der in der elektronischen Verstärkertechnik üblichen Form.
Bild 12.8 Bode-Diagramm [3]
204
12 Steuerbarkeit
Und zwar: • • • •
in doppel-log-Auftragung, mit der Ordinateneinheit dB ( Dezibel = 20 mal die 10er Potenz ), mit der Abszisseneinheit Hertz oder rad/sec, oft mit dem Anfangswert normalisiert.
Das Bild 12.8 zeigt ein Bode-Diagramm für den Hubschrauber UH-60A Black Hawk der Firma Sikorsky, gültig für die Rollbewegung, im oberen Teil die Amplitudenverstärkung und im unteren den zugehörigen Phasenwinkel zwischen Einsteuerung und Reaktion. Es ist [3] entnommen. Die angegebenen Flugmessdaten wurden mit Hilfe der „schnellen FourierAnalyse“ aus Messschrieben ermittelt, die Vergleichskurven entstanden mit Hilfe von Übertragungsfunktionen. Bei niedrigen Frequenzen folgt der Hubschrauber unmittelbar den Steuereingaben, die gewünschten Bewegungen sind proportional den Steuerausschlägen, es existiert keine Phasenverschiebung. Dieser Arbeitspunkt entspricht weitgehend den Arbeitsbedingungen des in Kapitel 12.5 behandelten Steuerbarkeitsdiagrammes. Mit zunehmender Ansteuerungsfrequenz steigt die Kurve der Amplitudenverstärkung zunächst an, bis zur Resonanzfrequenz, um anschließend stark abzufallen. Die Amplitudenüberhöhung ist dabei von der Dämpfung abhängig, sie tritt auf bis zu Dämpfungsbeiwerten unter 2−1 2 , darüber nicht. Bei zu hohen Eingabefrequenzen kann das System nicht mehr ausreichend folgen, die Ausgangsamplituden und damit die Steuerwirksamkeiten schwinden drastisch. Schon unterhalb der Resonanzfrequenz beginnend, verschiebt sich die Phase zwischen Einsteuerung und Reaktion immer stärker von -90 ° ausgehend zu höheren Beträgen. Bis zu den Frequenzen, bei denen das System noch ausreichend folgt („die Kurve flach ist“), reicht dessen Bandbreite (BW, Band With), im Bode-Diagramm also etwa bis zur cross-over-Frequenz und im Phasengang etwa bis zur Phasenverschiebung von -135 °. Der Abstand der Phase zu -180 °, damit würde Steuerumkehr auftreten, muss ausreichend groß bleiben, zur Vermeidung der Steuerumkehr und als Sicherheit zur Kompensation von Totzeiten des Steuerungssystems, der Piloten- und Rotorreaktionszeiten und der begrenzten Stellgeschwindigkeiten der Hydraulik. Innerhalb der Bandbreiten sind ausreichende Wirksamkeit (Amplitude) und Sinnfälligkeit (Phase) der Reaktionen auf Steuereingaben sichergestellt. Noch höhere Eingangsfrequenzen führen (wenn diese für die verwendete Rotortechnologie überhaupt verträglich sind) zum Verlust der Steuerwirksamkeit und vor allem zu Steuerumkehr und damit sehr schnell zu PIO (Pilot Induced Oscillations). Um dies zu vermeiden, muss sich der Pilot zu weniger Aggressivität, also niederfrequenterem Steuern, zwingen (wenn dies möglich ist und was ihn stärker belasten kann), bzw. diese Frequenzen müssen für das FCS ausgeschlossen sein. Die Bandbreiten geben demnach an, bis zu welchen Frequenzen ωBW closed loop- Systeme noch sinnvoll anzusteuern sind, ohne die erforderlichen Steuerwirksamkeiten zu gefährden. Hubschrauber überlegener Bandbreiten können andere zuverlässiger verfolgen oder andererseits Hindernissen und Bedrohungen gezielter ausweichen.
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
205
Die neuen Flugeigenschaftskriterien nach ADS-33-PRF, für hochfrequente Steuerungseingaben, fordern Mindestbandbreiten, zu bestimmen aus dem Bodediagramm entsprechend dem in Bild 12.9 dargestellten Verfahren:
Bild 12.9 Bandwith und Phase Delay
Phase Delay:
τP =
∆Φ 2 ω180° 57,3 ⋅ 2 ⋅ ω180°
Rate Response - Types: ωBW is lesser of ωBWgain and ωBWphase Attitude Command/Attitude Hold Response-Types: ωBW ≡ ωBWphase Bestimmung der Bandbreiten: Ausgangspunkt für die Bestimmung der BW ist der Schnittpunkt des Phasenganges mit der -180 °-Linie (Steuerumkehr !) bei ω180°. Von diesem Punkt ist ausreichend Abstand zu halten um eine gewisse Steuerbarkeitsreserve beizubehalten. Der Funktionswert im Bodediagramm bei dieser Frequenz erhält deshalb einen Zuschlag (GM, Gain Margin) von 6 dB. Der neue Funktionswert markiert ωBWgain, bis hierher reicht die Bandbreite BWgain, aus der Verstärkungskurve bestimmt. Die Bandbreite aus dem Phasengang BWphase ergibt sich aus dem Schnittpunkt der Phasenkurve mit der -135 °-Linie. Hohe BWgain sichert dem Piloten exaktes Steuern bis zu höchster geforderter Agilität, trotz eventuell schon etwas reduzierter Steuerwirksamkeit. Die BWphase-Begrenzung schützt vor Steuerumkehr. Die im Bestimmungsdiagramm angegebenen Steuerungscharakteristika (responses) beziehen sich auf die Art der Reaktion auf die Steuereingabe. • Rate Response (oder Rate Command RC):
206
12 Steuerbarkeit
Die Steuereingabe (pitch und roll) erzeugt eine stetige Änderung des zu steuernden Freiheitsgrades (Mindestforderung, gut fliegbar). • Attitude Command / Attitude Hold Response (ACAH): Die Steuereingabe erzeugt eine Änderung bis zu einem Endwert (verbessert fliegbar). Für RC ist die zu verwendende Bandbreite die kleinere der beiden aus dem Verstärkungs- bzw. Phasendiagramm. Für ACAH ist die Bandbreite aus dem Phasendiagramm zu verwenden. Diese Einschränkung wurde eingeführt, weil die Verstärkungskurven für ACAH gerade im wichtigen Bereich in der Nähe der cross-over Frequenz in der Regel sehr flach verlaufen, d.h. Steuereingaben wenig Wirkung zeigen. Aggressiv steuernde Piloten laufen dadurch Gefahr, zu übersteuern und dadurch in den Bereich der Steuerumkehr zu geraten. Solche Systeme, besonders wenn ωBWphase<ωBWgain ist, sind stark PIO-gefährdet. In der Praxis ist die Situation etwas entspannter, da die typische ACAHAufgabe, die Höhenhaltung, in der Regel vom SAS gesteuert wird. Das Phase Delay: Das Kriterium Phase Delay τp ist ein Maß für das Anwachsen der Frequenzverschiebung jenseits der Frequenz neutraler Stabilität ω180°. Charakteristiken mit sehr stark abfallendem Phasengang in der Nähe der Bandbreitenobergrenze erschweren dem Piloten die Steueraufgabe entscheidend. Das Voraussteuern misslingt. Obendrein ergeben sich in solchen Fällen kleine Bandbreiten. Für vereinfachte Systeme ist die Bandbreite ωBWphase gleich dem Kehrwert der Zeitkonstanten in rad/sec. Bei einer Bandbreite von 3 rad/sec wird also t0,63 in einer Drittel Sekunde erreicht. Hier wird sichtbar, dass die neuen Betrachtungsweisen eine Weiterentwicklung der bisherigen sind, dass die hochfrequente Steuerung die Primärsteuerung als Basis hat. In der Nähe der cross-over-Frequenz führt der Pilot bereits sehr schnelle Bewegungen aus, bei BW = 10 z.B. 1,6 Steuerzyklen pro Sekunde, d.h. sie liegen schon mehr in den Arbeitsbereichen von Steuerungssystemen. Hohe Bandbreiten können durchaus in Resonanzbereiche anderer Hubschrauberbauteile reichen und diese anregen, z.B. in die der Rotorschwingungen, oder aber auch die Stabilität der Simulationssoftware im SCAS überfordern. 12.6.3.2 Geforderte Systemeigenschaften
Aus der Flugpraxis und aus Simulationen mit Piloten und Normpiloten in closedloop-Systemen ist seit langem bekannt, je aggressiver in Frequenz und Steuerweg versucht wird, kritische Flugsituationen exakt einzuhalten, desto instabiler kann das System werden, bis hin zur Wirkungslosigkeit, zur Steuerumkehr und absoluter Instabilität. Die für noch ausreichend wirksame Reaktionen auf Steuereingaben möglichen Bandbreiten der Ansteuerungsfrequenzen sind systemspezifisch und deshalb aussagekräftige Bewertungskriterien. Hohe Bandbreiten ermöglichen exakteres Steuern im agilen Hochleistungsflug. Allerdings können sehr schnelle Steuerbewegungen die workload für den Piloten übersteigern. Hier kommen dann die Vorteile der hochfrequent arbeitenden automatischen Steuerungssysteme zum Tragen.
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
207
Piloten antizipieren die Bewegungen des Systems, um den beobachteten Phasenverschiebungen zuvorzukommen. Dies funktioniert aber nur bis in Bereiche ausreichend kleineren Frequenzen als etwa der cross-over-Frequenz. Darüber ändert sich die Phasenverschiebung so schnell, dass die Voraussteuerung nicht mehr gelingt. Aus diesem Grund wird die Steigung des Phasenverlaufes im Bereich hoher Frequenzen, als zweites Steuerbarkeitskriterium genutzt, sie wird als Phasedelay τp bezeichnet. Die BW und τp enthalten implizit die in Kapitel 12.2 im Vorlauf zu den Steuerbarkeitsdiagrammen definierten Charakteristika τ und ωm. Um dies zu zeigen, können Amplituden- und Phasenverlauf für ein closed-loop-System qualitativ durch die Ansätze (12.22 und 12.23) dargestellt werden. Daraus lassen sich mit Hilfe der vorgegebenen Verfahren zu den bekannten Größen τ und ωm die BW und das τp ermitteln [9]. 1 (12.22) Amplitude( ω ) = 2 ω ω ⋅ 1 + ωm ω − τ ⋅ ω − π Phase( ω ) = − tan −1 2 ωm
(12.23)
Bild 12.10 Zusammenhang der Steuerempfindlichkeit zu hochfrequenter Steuerung
Für τ = 0 werden die ωm gleich den Bandbreiten BW. Die den Dämpfungen entsprechen und in den Steuerbarkeitsdiagrammen der Bilder 12.3 bis 12.5 über den Steuerempfindlichkeiten aufgetragen sind. Hier wird der Zusammenhang sichtbar, dass die Berücksichtigung der Verzögerungszeiten τ in der neuen Methodik zur Untersuchung der Flugeigenschaften eine Weiterentwicklung der grundlegenden und weiterhin gültigen, bisher ausschließlich benutzten Systematik ist. Ausgehend vom Steuerbarkeitsdiagramm wird mit τp und BW eine neue Betrachtungsebene eingeführt um solche, wie die seit der
208
12 Steuerbarkeit
Einführung des Hubschraubers Bo105 technisch möglichen Flugeigenschaften (s. Bild 10.1), auch flugmechanisch erfassen zu können. Duellsituationen und NoE-Flüge, die hohe Agilität erfordern, mit Steilkurven und bob-ups sind nur möglich durch prompte Reaktionen des Hubschraubers auf schnelle Steuereingaben. Als Grundlage zur Quantifizierung dieser Forderungen werden die Missionen vom Auftraggeber in Abschnitte typischer Anforderungen (Mission Task Elements, MTE) unterteilt z. B. in: • • • • • • • •
Präzisionsschweben, einschließlich schnellem Drehen im Schwebeflug, Präzisionslanden, auch auf Schiffen, schneller Slalom, Landung auf geneigten Flächen, Pull-up/push-over Manöver, schnelles bob-up/bob-down, schnelle Transitionen aus dem und in den Schwebeflug, hohe Beschleunigung/Verzögerung.
Zusätzlich werden zu berücksichtigende Neben- und Randbedingungen festgelegt: • IMC (Instrument Meteoroglogical Conditions, Flug nur nach Instrumentenanzeige), • volle oder geteilte Aufmerksamkeit, innerhalb OFE (Operational Flight Envelope) oder SFE (Service Flight Envelope), • DVE (Degraded Visual Environment), • UCE (Usable Cue Environment: zu bewertende, dem Piloten zur Verfügung stehende Sichthilfen/-anzeigen), • Wetter/atmosphärische Bedingungen, • Reaktionsarten (Bewegungs- oder Lageeinsteuerung) u.a. Auch hierzu gibt es weitere Detaillierungen: In der OFE ist HQR Level 1 zu erreichen, in der SFE mindestens Level 2. Zu den einzelnen MTE sind Reaktionsarten definiert. Bei einem Komponentenausfall darf der Level höchstens mit definierten Wahrscheinlichkeiten abfallen, z.B. in der OFE auf Level 2 nur mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens 2,5 ⋅ 10-3 pro Flugstunde. Bei einem Komponentenausfall muss der Übergang in einen neuen Flugzustand problemlos möglich sein. Es dürfen keine PIO (Pilot Induced Oscillations) auftreten. Für die Beurteilungskriterien BW und τp sind Grenzkurven gegeben über denen bestimmte HQR-Levels zu erreichen sind, diese sind in den Bildern 12.11 bis 12.13 dargestellt. Die Diagramme gelten von Schwebeflugnähe bis in Bereiche mittlerer Geschwindigkeiten, getrennt für Nicken, Rollen und Gieren. Die mit a) bezeichneten Diagramme enthalten die schärfsten Forderungen, sie sind auf AH anzuwenden. Weniger anspruchsvolle, etwa solche für UH oder CH, sind in den Diagrammteilen b) und c) mit All Other MTE angegeben. In Nicken und Rollen wird zusätzlich unterschieden nach VMC, UCE = 1, FAO bzw. IMC, UCE > 1 und/oder DAO.
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
209
Die senkrechten Äste der Grenzkurven entsprechen Mindestforderungen bezüglich zu erreichender BW. Die sich anschließenden oberen Teile in den Bildern 12.11 bis 12.13 berücksichtigen, dass die Nachteile größerer Zeitkonstanten in Grenzen durch höhere Bandbreiten kompensiert werden können. Allerdings wird es baulich nur schwer möglich sein, bei hohen Zeitkonstanten auch höhere Bandbreiten zu erreichen.
Bild 12.11 Bandbreiten in Nickrichtung
Bild 12.12 Bandbreiten Rollen
Bild 12.13 Bandbreiten Gieren
210
12 Steuerbarkeit
12.6.3.3 Ergebnisse aus der Flugerprobung
Zur Analyse des hochfrequenten Steuerverhaltens werden die Antworten des Systems auf steigend höherfrequente Steuereingaben des Piloten erfasst. Das folgende Bild 12.14 zeigt entsprechende Messschriebe der Reaktionen über der Ansteuerungsfrequenz für den Hubschrauber Bo105 in Nickrichtung bei 80 kt:
Bild 12.14 Reaktionen über der Ansteuerungsfrequenz [6]
In Bild 12.14 sind zwei Messreihen dargestellt. Die sehr gute Übereinstimmung zeigt gute Reproduzierbarkeit an. Die Unstetigkeit bei 16 rad/sec ist durch Luftresonanz verursacht. Eine Auswertung ergibt, für den Hubschrauber Bo105: • In Nickrichtung: BW = 2,5 bzw. 2,8 rad/sec und τp = 79 bzw. 75 msec. Aus entsprechenden Schrieben ergeben sich: • In Rollrichtung: BW = 5,5 bzw. 6,1 rad/sec und τp = 49 bzw. 46 msec, • In Gierrichtung: BW = 3,3 bzw. 3,6 rad/sec und τp = 28 bzw. 5 msec. Diese Maßzahlen charakterisieren den Hubschrauber Bo105 als den hoch agilen Hubschrauber, als der er bekannt ist. Dies ist erreicht durch höchst effektive Steuerwirksamkeiten und -folgsamkeiten bis in die Bereiche hochfrequenter Steuereingaben, wie sie für moderne, präzise Steuerungen zur exakten Einhaltung vorgegebener Flugbahnen unabdingbar sind. Diese Charakteristika haben die Bo105 zum Vorbild aller neuen Hubschrauberentwicklungen gemacht. Um die neuen Flugeigenschaften erfassen, quantifizieren und qualifizieren zu können, war die beschriebene Erweiterung der flugmechanischen Methoden erforderlich. Die relativ starke Streuung bei der Phasenverschiebung in Gierrichtung resultiert aus nichtlinearen Effekten des Rotorabwindes auf den Heckrotor. Sie stört
12.6 Höherfrequentige Ansteuerungen/Reaktionen
211
nicht, da der lineare Bereich der BW-Grenze bis τp = 150 msec reicht und der festgestellte Bereich weit darunter liegt. Durch die quantitative Gegenüberstellung ihrer BW und τp können Hubschrauber qualifizierend verglichen werden. Bei der Entwicklung des bereits in Kapitel 10 verwendeten Beispielhubschraubers, einem zivilen Mehrzweckhubschrauber, wurde bewusst auf maximale Agilität verzichtet, sie waren im Aufgabenspektrum nicht gefordert und hätten die Kosten gesteigert. Für ihn ergeben sich: • In Nick-Richtung: BW = 1,84 rad/sec und τp = 92 msec, • In Roll-Richtung: BW = 3,7 rad/sec und τp = 55 msec. Weitere Gegenüberstellungen zeigen, dass moderne Transporthubschrauber dem Trend in Richtung weniger Agilität folgen, siehe auch Bild 13.1. Auch erreichen ältere Kampfhubschrauber keine hohen Agilitäten, aus konstruktiven Gründen, sie sind noch traditionell ausgelegt, obwohl gerade dies für ihre Klasse dringend erwünscht wäre. Der PAH2 Tiger erreicht nach [13] HQR Level 1: • • • • •
Bell OH-58D Rollen Bell 214ST Rollen Sikorsky UH-60A Rollen NH90(Simulation) Rollen PAH2 Tiger Rollen Nicken • MDD AH64 Rollen Nicken
BW = 3,4 rad/sec BW = 2,4 rad/sec BW = 2,3 rad/sec BW = 2,6 rad/sec BW = 3,0 rad/sec BW = 1,9 rad/sec BW = 1,9 rad/sec BW = 2,15 rad/sec
τP = 120 msec τP = 85 msec τP = 181 msec τP = 130 msec τP = 70 msec τP = 180 msec τP = 80 msec τP = 270 msec
12.6.3.4 Vergleichende Darstellung von Messergebnissen
Zivil- und Transporthubschrauber benötigen keine so extreme Agilität wie sie für Kampfhubschrauber entscheidend wichtig ist. Durch die heute üblichen Einsatzbedingungen und Flugregler treten aber auch bei ihnen höherfrequente Anteuerungen auf, die Analysen der Bandbreiten und der Time Delays erfordern. Die dann innerhalb von Konkurrenzanalysen auch verglichen werden. In den folgenden beiden Diagrammen Bilder 12.15 und Bild 12.16, aus [13] sind für vergleichbare Flugsituationen zwei Kampfhubschrauber gegenübergestellt, ergänzt um die Werte der Bo105. • EC PAH2 Tiger PT 2, mit 5748 kg Flugmasse, einer Schwerpunktslage von xCG = 7,07 m, bei einer Fluggeschwindigkeit von 100 kt, mit step input angesteuert. • MD AH64 Apache, bei einer Fluggeschwindigkeit von 120 kts. • Bo105, mit 2100 kg Flugmasse, bei einer Fluggeschwindigkeit von 80 kts. Unter anderem wird hier deutlich, dass der Hubschrauber Bo105 in der, vor allem zum Erreichen hoher Agilitäten, wichtigen Roll-Richtung Level 1 übererfüllt. Er erreicht nahezu BW, wie sie von Starrflüglern erwartet werden. Auch wenn moderne Entwicklungen dieses hohe Niveau verlassen, hat die Bo105 (Erstflug 1967, Musterzulassung 1970) damit die Maßstäbe für alle Neuentwicklungen gesetzt. Das erste Entwicklungsprogramm, auf das die neuen For-
212
12 Steuerbarkeit
derungen voll angewendet werden, ist die, inzwischen allerdings eingestellte, RAH-66 Comanche. Allerdings erreichte dieser Hubschrauber die Vorgaben nur durch umfangreichen Einsatz von Steuerungselektronik.
Bild 12.15 BW Vergleich Nicken
Bild 12.16 BW Vergleich Rollen
Im Laufe der Arbeiten zur Erstellung der neuen Systematik haben sich die in den Bildern 12.11 bis 12.13 dargestellten Grenzkurven wiederholt verschoben. Dies, die geringeren Ansprüche an Vielzweckhubschrauber und Transporthubschrauber einerseits und andererseits die weitaus extremeren Manöverleistungen der Bo105 legen nahe, diese Grenzkurven für verschiedene Einsatzklassen möglicherweise nach Typ und Größenklasse spezifischer festzulegen. Die Bo105Technologie ermöglichte dann etwa eine Klasse von Jagdhubschraubern, die es heute noch gar nicht gibt.
12.7 Flugerprobung unter Berücksichtigung der neuen Kriterien
213
12.7 Flugerprobung unter Berücksichtigung der neuen Kriterien Die neuen Ansätze zur Definition flugmechanischer Eigenschaften von Hubschraubern weiten den Umfang der Flugerprobung zur Nachweisführung sehr stark aus (dadurch stark anwachsende Kosten!). Daneben bergen die Flüge zum Nachweis der nach ADS-33 definierten neuen Flugeigenschaften erhebliche Gefahren für den Hubschrauber, wenn er nicht oder noch nicht entsprechend ausgelegt ist. Um diese zu vermeiden ist zusätzlicher Versuchsaufwand erforderlich. In der zu überdeckenden Bandbreite treten in der Regel Resonanzen auf, welche die Struktur stark, möglicherweise zu stark, beanspruchen. Angeregt werden können alle Rotorblattschwingungen mit ihren Höherharmonischen, Rumpfbiegeund Torsionsschwingungen, Relativschwingungen von Anbauten, Schwingungen des Antriebsstranges, aber auch flugmechanische Schwingungen. Das typische Beispiel in diesem Bereich ist die Luftresonanz, eine Schwingung des MassenFeder-Dämpfungsystems: Rotorblätter/Rumpf. Diese Schwingung zeichnet sich in gemessenen Bode-Diagrammen in der Regel deutlich ab, siehe auch Bild 12.14. Im Gegensatz zur klassischen, erfordert eine zeitgemäße Flugerprobung zusätzlich volle Beachtung aller Struktureigenschaften der Gesamtmaschine wie Massenverteilungen, Elastizitäten und Dauerfestigkeiten. Die Erprobungshubschrauber müssen entsprechend instrumentiert sein. Die gewonnenen Daten müssen während des Versuchsfluges online übertragen, ausgewertet, angezeigt und von Vertretern der einzelnen Fachdisziplinen überwacht werden. Nichtlinearitäten in der Kette: Anregung-Übertragung-Resonanz erfordern ein Herantasten an kritische Frequenzen und Lasten. Der Flugversuchsingenieur am Boden muss den Piloten jederzeit warnen können, wenn dieser Gefahr läuft, eine Festigkeitsgrenze zu überschreiten. Der Pilot kann dann z.B. bei gleicher Eingangsfrequenz zu kleineren Steueramplituden übergehen. Die strukturdynamische Auslegung von neuen Hubschrauberentwürfen gewinnt damit stark an Bedeutung. Durch Festigkeitsgrenzen kann die SFE (Service Flight Envelope, Bild 13.1) Eingrenzungen erfahren. Sehr eingehende und praxisbezogene Hinweise zur Durchführung der erforderlichen Flugversuche werden in [6] gegeben; vor allem aber auch Informationen zur Datenreduzierung, d.h. zur Auswertung der Messschriebe. Die klassische Art, die strukturelle Festigkeit von Hubschraubern nachzuweisen, ist mit Einführung der modernen Steuerungssysteme in weiten Bereichen nicht mehr ausreichend. Ihre Anpassung ist dringend erforderlich. Weitere Ausweitungen der Flugerprobung ergeben sich aus den in den beiden Abschn. 13.1.2 und 13.1.3 beschriebenen zu berücksichtigenden Sichtverhältnissen und Wahrnehmungshilfen, sowie der Pilotenbelastung, Abschn. 13.1.5.
13 Spiegelung des Aeronautical Design Standard 33 an Projekten
Mit Einführung des ADS-33 D1 ist die traditionelle Art verlassen, neue Projekte zu definieren. Es werden keine technischen Lösungen mehr festgeschrieben, sondern die zu erreichenden Kapazitäten, Leistungen und Eigenschaften werden spezifiziert und quantifiziert. Die Auslegung muss sich aus diesen Forderungen ergeben, speziell die Festlegung der Abflugmasse, und die zu verwendenden Technologien. Diese neue Art, Hubschrauberprojekte zu definieren, geschieht durch den Bedarfsträger, der dazu selbstverständlich entsprechende Fachkapazitäten bereithalten muss, dafür aber auch seine Erfahrungen mit dem abzulösenden Gerät direkt einbringen kann. Seine Forderungen korrelieren unmittelbar mit den Kosten des Gerätes, zunächst für die Entwicklung und später für den Betrieb. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sollten wirklich nur Leistungsniveaus gefordert werden, die den vorgesehenen Einsätzen entsprechen. Um diese neue Praxis zu unterstützen, wurde die Vorschrift zum ADS-33 PRF weiterentwickelt (PRF steht für Performance; im Zuge dieser Änderungen wurde die ursprüngliche Version zusätzlich in eine praktikablere Form gebracht). Der ADS-33 in seiner Urform wurde als System-Spezifikation für den Hubschrauber RAH-66 Comanche herangezogen, also für einen ausgesprochenen Kampfhubschrauber (Scout Attack oder Armed Helicopter, AH). Er spezifiziert eine Reihe von Forderungen, die für Vielzweck-Hubschrauber (Utility-, UH) oder gar Transportmaschinen (THS, Cargo-, CH), gemessen an deren Aufgaben, überzogen wären. Z.B. benötigt ein CH keine extreme Agilität. Der ADS-33 enthält aufgrund seiner Entstehung Maximalforderungen. Er ist damit eine Art übergeordnete Vorschrift, auch für Hubschraubersysteme mit weniger anspruchsvollen Missionen. Für sie dient er als Basis zur Definition von Abschlägen bei den flugmechanischen Leistungen. Mit diesem Vorgehen bleibt für alle Hubschrauberklassen die Systematik erhalten, d.h. die flugmechanischen Leistungsfähigkeiten bleiben vergleichbar. Der ADS-33-PRF beschreibt die für den betreffenden Hubschraubertyp relevanten Aufgaben, legt die zu erreichenden Leistungseckwerte fest und beschreibt die Flugmanöver (Flight Test Manoeuvres, FTM) zum Nachweis der dabei zu erreichenden Messwerte. Die Forderungen an die Missionen müssen dem entsprechend in zwei Schritten angepasst werden:
1
Die angehängten Buchstaben unterscheiden fortentwickelte Versionen.
13.1 Nachweisbedingungen
215
• durch Angaben darüber, unter welchen Bedingungen diese erreicht werden müssen, • durch Festlegungen quantitativer Standards bezüglich Leistung, Präzision und Aggressivität.
13.1 Nachweisbedingungen Folgendes ist für die Nachweisführungen festzulegen: • zu berücksichtigende Grenzen bei den quantitativen Kriterien, • anzuwendende Missionselemente (Mission Task Elements, MTE). • Sichtverhältnisse bei Tag und Nacht (Good/Degraded Visual Environment, G/DVE), • Hilfen zur Wahrnehmung der Umwelt (Usable Cue Environment, UCE), • Pilotenbelastung durch anderweitige Aufgaben (Divided Attention Operation, DAO), • Einsatzenvelopen (Operational Flight Envelope, OFE), • zu erreichende HQR–Levels • im Normalbetrieb bei G/DVE, • nach Ausfällen – mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintretend und – gesondert spezifizierter Art.
13.1.1 Zuordnung der Leistungskategorien zu den MTE Die Flugeigenschaften müssen immer so sein, dass der Pilot seine Aufgaben mit annehmbarer Arbeitsbelastung erfüllen kann. Und diese bestehen, vor allem im militärischen Sektor, nicht nur aus der Führung des Luftfahrzeuges. Um die Arbeitsbelastung festzustellen, werden die Missionen in charakteristische Elemente zerlegt (Mission Task Elements, MTE), in denen die vorgeschriebenen Eigenschaften zum tragen kommen. Die Tabelle 13.1 zeigt typische solcher Elemente für verschiedene Hubschrauberklassen mit ihrer Bedeutung für die Hubschrauberkategorien. Die gegebene Liste ist um CH-typische MTE ergänzt. Noch nicht enthalten sind solche mit Außenlast und aus Marine-Missionen. Hier kann davon ausgegangen werden, dass ein Marine-UH oder -CH mit ScoutEigenschaften z.B. Schiffslandungen bis zu Seegang 4 ausführen muss. Die Vielzweckeigenschaft des UH erfordert eine breitere Spezifikation; für Begleitschutz-Hubschrauber werden mehr Scout- und für Transporter mehr CHEigenschaften zu fordern sein. Die MTE sind in Tabelle 13.1 in Aggressivitäts-Kategorien (PPC) eingeteilt. Sie legen fest, welche Grenzkurven aus dem ADS-33D-PRF zur Erfüllung der HQ-Parameter maßgebend sein sollen. Die angegebene Aufzählung ist geordnet nach aufsteigender Aggressivität bzw. zu fordernder Präzision. In der Regel legt die schärfste für einen neuen Hubschrauber geforderte PPC ganz allgemein dessen Leistungsfähigkeit auch in anderen MTE fest.
216
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
Tabelle 13.1 Typische MTE verschiedener Hubschrauberkategorien
MTE
PPC Attack-HC ScoutHC
UtilityHC
Cargo-HC
L L L L L L L
A A ADS-33 A ADS-33 ADS-33 not aplic.
A A ADS-33 A ADS-33 ADS-33 not aplic.
ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33
C+E C ADS-33 C -ADS-33 ADS-33
Turn to Target T Bob-up and Bob-down T Vertical Manoeuvre L Vertical Remask A Acceleration and Deceleration. A Normal Departure.from / Abort to theL Landingzone Sidestep A Lateral Reposition L Slalom L Deceleration to Dash A Transient Turn A Pullup/Pushover A Rollreversal at Load Factor A High Yo-Yo C Low Yo-Yo C
ADS-33 ADS-33 not aplic. ADS-33 ADS-33 not aplic.
ADS-33 ADS-33 not aplic. ADS-33 ADS-33 not aplic.
not aplic. not aplic. ADS-33 not aplic. ADS-33 ADS-33
not aplic. not aplic. C+E not aplic. not aplic. C+E
ADS-33 not aplic. ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33
ADS-33 not aplic. ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33
ADS-33 not aplic. ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33 not aplic. not aplic.
not aplic. C+E ADS-33 not aplic. not aplic. not aplic. not aplic. not aplic. not aplic.
ADS-33
ADS-33
ADS-33
ADS-33
A A ADS-33 A
A A ADS-33 A
A A ADS-33 A
C+E C ADS-33 C
ADS-33 ADS-33 ADS-33 not aplic.
ADS-33 ADS-33 ADS-33 not aplic.
ADS-33 ADS-33 ADS-33 ADS-33
ADS-33 not aplic. not aplic. C+E
not aplic. ADS-33
not aplic. ADS-33
ADS-33 ADS-33
C+E not aplic.
Precision Tasks in GVE Hover Hovering Turn Landing Pirouette Slope Landing Formation Flight Cruise with Load
Agresssive Tasks in GVE
Tasks in IMC Conditions Decelerating Approach
Precision Tasks in DVE Hover Hovering Turn Landing Pirouette
L L L L
Moderate Aggressive Tasks in DVE Bob-up and Bob-down L Acceleration and Deceleration. L Sidestep L Normal Departure from / Abort to theL Landingzone Lateral Reposition L Slalom L
13.1 Nachweisbedingungen
• • • • • •
217
PPC: Performance Parameter Category, L: Limited and Moderate Manoeuvering, A: Aggressive Manoeuvering, T: Target Acquisition and Track, in hover and low speed, C: Air Combat, in forward flight, ADS-33: perform manoeuvres as described in ADS-33D and -PRF.
Vor allem bei A kann die Auslegung der Maschine Grenzen setzen, besonders auch bei älteren Hubschraubern. 13.1.2 Sichtverhältnisse, G/DVE Es bringt taktische und im zivilen Sektor ökonomische Vorteile, auch nachts und/oder bei schlechter Sicht fliegen zu können. Im Idealfall sollten die Hilfen zur Wahrnehmung der Umgebung (oft, prägnant, aber nichtoptische Technologien unterschlagend, als Sichthilfen bezeichnet) für GVE leistungsfähig sein. Dazu muss genau beschrieben werden, bis zu welcher Sichtbehinderung noch volle Flugleistungen erbracht werden müssen. Der ursprüngliche ADS-33 gilt für NoEFlug, er ist damit für UH oder CH sicher zu scharf, außer in Bodennähe und in der Umgebung von Hindernissen und eventuell bei Schiffslandungen. DVE können, bei weniger leistungsfähigen Sichthilfen (UCE = 2) zusätzliche Stabilisierungen erfordern, wenn z.B. ACAH gefordert ist; bei UCE = 1 wäre das nicht notwendig. Im Grunde sollten Sichthilfen so entwickelt werden, daß auch bei DVE die maximalen Flugleistungen erbracht werden können (was eigentlich bedeutet, dass es gar keine DVE gibt). Hierfür steht jedoch die Technologie (noch) nicht zur Verfügung, ganz abgesehen von entsprechenden Kosten-trade-offs im Vergleich zu leistungsverbesserter Auslegung des Hubschraubers. Praktisch werden heute bei DVE Abstriche bei den Flugleistungen in Kauf genommen, wie in der Tabelle 13.1 MTE verschiedener Hubschrauberklassen enthalten. Volle Missionsfähigkeit zu erhalten über strukturlosem Terrain stellt die höchsten Anforderungen. 13.1.3 Hilfen zur Wahrnehmung der Umgebung, UCE Die Wahrnehmungsverhältnisse stehen in starker Abhängigkeit zu den vorgesehenen technischen Hilfen und deren Leistungsfähigkeit. So sind z.B. Leuchtstärken für IR-Visiere irrelevant, und Temperaturunterschiede sind für BiV-Brillen ohne Bedeutung. Das Einsatzterrain kann wesentlich werden, z.B. im Hinblick darauf ob es strukturiert ist, oder konturlos wie Wasser oder Wüste. Leistungen bei DVE sind deshalb immer gleichzeitig mit den vorgesehenen Sichthilfen zu behandeln. Beim RAH-66 Comanche wurden dafür spezifiziert: • mondlose Nacht, bedeckter Himmel mit definierter Wolkenuntergrenze, Restlicht 4,0 * 10-5 ft candela, • Nacht, Regen und/oder Nebel, nach einem Tag mit nicht mehr als zwei Stunden Sonnenschein, Temperaturkontraste etwa 0,10 °C, • Terrainstruktur: offene Grasfläche.
218
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
Die Leistungsfähigkeit der zu verwendenden Sichthilfen muss bekannt sein. Auf Grund von Erfahrungen oder bewertender Tests, in der Stufung UCE = 1, 2, oder 3, wie im ADS-33 PRF vorgegeben. Heutige BiV-Brillen erreichen UCE = 1 in klarer Nacht, bei Halbmond oder mehr. Sie leisten UCE = 2 bei Sternenlicht oder Wolken und fallen auf UCE = 3 bei konturlosem Terrain und bedecktem Himmel. Höhere UCE-Werte können durch mangelnde Stabilität verursacht sein, sie sind hubschrauberseitig zu verbessern. Sind reduzierte Leistungen der Sichthilfen die Ursachen, muss weniger aggressiv geflogen werden. Mangelhafte UCE können den Nutzen eigentlich auslegetechnisch vorhandener HQR zunichte machen. 13.1.4 Einsatzenvelope (Operational Flight Envelope, OFE) Eine typische Einsatzenvelope ist das schon aus der allgemeinen Luftfahrt bekannte Lastvielfachendiagramm, Bild 13.1 OFE/SFE, allerdings nur als OFE. Weitere gibt es für Flughöhen, Steiggeschwindigkeiten, Roll- und Seitengeschwindigkeiten - im Prinzip für alle Parameter, die zu Einschränkungen bei der Missionserfüllung führen können. Die OFE ist eine typische Vorgabe des Auftraggebers. Innerhalb der OFE erfüllt die Maschine alle Leistungen wie gefordert. Sie ist aber in der Regel leistungsfähiger. Die sich dadurch ergebende Einhüllende der schließlich technisch oder anderweitig begründeten endgültigen Grenzen ist die Serviceenvelope (Service Flight Envelope, SFE). Die SFE umschließt die OFE, außerhalb des Überdeckungsbereiches sind Leistungseinbußen die Regel. Diese müssen dem Auftragnehmer bekannt sein, wenn er die geforderte OFE akzeptieren soll. Sie ist eine gewisse Sicherheitsmarge und für Weiterentwicklungen eine entwickelbare Wachstumsreserve einschließlich der Informationen über sinnvolle Entwicklungsrichtungen. Neuentwürfe gehen in der gesamten OFE und bei GVE von HQRLevel 1 aus. Auch für UH und CH, weil anzunehmen ist, dass deren Piloten durch zusätzliche Aufgaben belastet sind. Im Bereich zwischen OFE und SFE kann auf Level 2 zurückgegangen werden, ebenso bei höheren DVE und UCE. Ist Level 2 nicht zu erreichen, dann ist die OFE stärker einzugrenzen. Die Grenzen der OFE setzen Kenntnisse darüber voraus, wie ein NeuHubschrauber technisch zu definieren ist, damit er die Missions- und Flugeigenschaftsforderungen erfüllt, und schließlich, mit welchen Manövern (Mission Task Elements, MTE) diese Flugleistungen nachzuweisen sind. Für den Comanche wurden folgende Manöver für die Systemspezifikation vereinbart: • • • • • • • • •
Einschwenken auf das Ziel, in Deckung gehen, rückwärts versetzen, Kurven fliegen bei gleichbleibender Geschwindigkeit und Höhe, beschleunigter Kurvenflug, Abbremsen, Konturenflug, Scharfe Wende, Kurven im Verlauf von Verfolgungsflügen, NoE -Verzögerungen.
13.1 Nachweisbedingungen
219
Bild 13.1 OFE/SFE am Beispiel des Lastvielfachendiagrammes
Die zur Erfüllung der typischen MTE inherent benötigten Flugleistungen, um ausreichende Manövrierbarkeit zu gewährleisten, definieren die Grenzen der OFE. 13.1.5 Geteilte Aufmerksamkeit (Divided Attention Operation, DAO) Wird die Aufmerksamkeit des Piloten für erhebliche Zeitabschnitten durch andere Aufgaben als die der Flugzeugführung beansprucht, dann muss dem durch konstruktiv gesteigerte Stabilität (durch geeignete Auslegung des Rotors oder den Einbau einer SAS-Anlage) Rechnung getragen werden, um entstehende Unsicherheiten zu vermeiden. Höchste Ablenkung erfährt ein Single-Pilot im militärischen Einsatz auf JagdMission, niedrigste die Besatzung eines CH. Solche DAO sind festzustellen, einschließlich ihrer Auswirkungen auf die zu fordernden Bewertungsgrenzen und den MTE, in denen sie wirksam werden. 13.1.6 Ausfälle Nach dem Ausfall von Teilsystemen sind Einbußen bei den HQR-Levels akzeptabel. Vorausgesetzt, sie treten nicht zu häufig auf. Empfohlen werden: • • • •
Abfall auf Level 2 <2,5*10-3 pro Flugstunde in der OFE, Abfall auf Level 3 <2,5*10-5 pro Flugstunde in der OFE, Abfall auf Level 3 <2,5*10-5 pro Flugstunde in der SFE, Abfall unter Level 3 <2,0*10-7 pro Flugstunde, was einer Flugsicherheitsforderung entspricht. Dieser Wert wird für Militärmaschinen empfohlen.
Sonstige Ausfälle im Einzelnen zu bestimmender Systeme und Komponenten oder Kombinationen davon minimaler Häufigkeit des Auftretens im Flug fallen nicht in diese Bereiche, wenn sie als Sonderfälle aufzufassen und mit dem Auftraggeber als solche vereinbart sind. Solche Ausfälle sind dem Piloten sofort und eindeutig anzuzeigen. Die Übergänge in den neuen Flugzustand nach Ausfall einer Komponente des Steuerungsystems sollen ohne besondere Anforderungen an die Geschicklichkeit des Piloten möglich sein. Für Hubschrauber ohne Ausfallwarnung dürfen bestimmte Grenzwerte in den Fluglagen nicht überschritten werden.
220
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
13.2 Die neue Systematik in der Praxis Der NATO-Hubschrauber 90 (NH90) ist der erste Utility-Helicopter, für den die neue Systematik anzuwenden ist, in entsprechend angepasster Form. Die mehr praxisbezogene Version ADS-33 PRF war zum Zeitpunkt dieser Arbeiten zwar inhaltlich schon punktuell bekannt, aber noch nicht veröffentlicht. Die folgenden Angaben zeigen, auf welche Kriterien man sich zur Quantifizierung der Flugeigenschaften geeinigt hat, die neue Vorschrift antizipierend, [12]. Selbstverständlich können hier nicht alle Details dargestellt werden, die zwischen dem Auftraggeber NAHEMA und dem -nehmer NHI zu vereinbaren sind. Missionstypische MTE sind zu beschreiben, einschließlich der entsprechenden zu fordernden Flugeigenschaften und Sichthilfen, sowie die vom Auftraggeber geforderten OFE. Relevante, messtechnisch erfassbare, wiederhol- und damit nachprüfbare FTM sind abzuleiten. Das FCS des NH90 arbeitet mit voller Autorität und ist so ausgelegt, dass es in der gesamten OFE HQR-Level 1 sicherstellt. Die Steuerung besteht aus einem FbW-System (Fly by Wire) vierfacher Redundanz, um die Sicherheitsforderungen zu erfüllen. Das FCS des NH90 ist in zwei Untersysteme geteilt, dem Primary FCS (PFCS) und dem Automatic FCS (AFCS). Das erste unterstützt den Piloten durch Verbessern der Flugeigenschaften des Hubschraubers, das zweite entlastet ihn durch automatisierte Ausführung einer Reihe einsatztechnisch häufiger, flugtechnisch anspruchsvoller und mit hoher Präzision auszuführender Aufgaben. Die Steuereigenschaften (control laws) des FCS stimmen mit den im ADS-33 empfohlenen überein. Dabei sind die meisten Funktionen dem PFCS zugeordnet: • SCAS, mit diesem Stability and Control Augmentation System wird für alle drei Achsen Stabilität und damit bei GVE Level 1 erreicht, Scheinlotzentrierung im Vorwärtsflug trotz ”feet-off“ sowie Gierwinkel-Nullhaltung in Schwebe- und Langsamflügen. • ATT (Attitude hold), enthält zusätzliche Stabilisierungsfunktionen zu denen des SCAS, nämlich Nick- und Roll-Lagehaltung, Heading-Haltung bei niedrigen Geschwindigkeiten. Ziel ist im Schwebe- und Langsamflug bei IMC und DVE Level 1 zu erreichen, in einigen MTE kombiniert mit Funktionen des AFCS. • TAC (TACtic NoE operations), erzeugt zusätzlich zu ATT automatische Trimmung und Einfangen von Fluglagen in Nick- und Rollrichtung, vermittelt durch geeignete Kräfte am Stick. Nicht für IMC-Flug und kein DAO! • Das PFCS enthält noch weitere Funktionen zur Sicherstellung der Fliegbarkeit bei Ausfall von Systemen, es garantiert dann eine Mindeststabilisierung. Das AFCS enthält die übergeordneten Aufgaben zur Erfüllung missionsbedingter ”hands-off“-Flugaufgaben, darunter auch typischerweise HH (Hight Hold), PH (Position Hold) in Bodennähe oder nahe dem Meeresspiegel bei schlechten Sichtverhältnissen.
13.2 Die neue Systematik in der Praxis
221
Die hauptsächlichen Aufgaben sind: • • • • • • • • • • • • •
IAS, Indicated airspeed Acquisition and Hold, ALT, barometric ALTitude acquisition and hold, RHT, Radar HighT acquisition and hold, V/S, Vertical/Speed acquisition and hold, HDG, HeaDinG acquisition and hold, HOV, position/ground speed hold, TD, automatic Transition Down to hover, TU, automatic Transition Up to cruise, NAV, automatic NAVigation, APP, automatic APProach, GA, automatic Go Around, WTR, Winchman ground speed TRim, SCH nur NFH! Automatic SONAR Cable Hover.
13.2.1 Definitionen und Generelles Im Prinzip werden hier und in den folgenden Kapiteln die Anforderungen an das FCS verfeinert. Aus den im Entwicklungsauftrag festgeschrieben Einsatzmissionen sind auch für den NH90 MTE bestimmt und beschrieben worden, für welche die im angepaßten Aeronautical Design Standard geforderten Flugeigenschaften relevant sein sollen. Diese Liste der Tabelle 13.2 MTE für den UH NH90, mit den Versionen TTH und NFH ist im Prinzip ein Auszug aus der oben gegebenen Tabelle 13.1, hier aber, aus der Sicht des Auftraggebers, angepasst an UH und nach Geschwindigkeitsbereichen und Versionen (Tactical Transport Helicopter TTH und New Frigate Helicopter NFH) unterteilt. Die Sichtverhältnisse G/DVE entsprechend atmosphärischer Störungen und Wetterbedingungen ergeben sich aus dem Entwicklungsvertrag. Sie werden im Zusammenhang mit den Hilfen zur Wahrnehmung der Umgebung behandelt; beim NH90 sind diese tatsächlich ausschließlich Sichthilfen. Während aller MTE, außer bei Übergangsmanövern, können anderweitige Aufgaben den Piloten zu geteilter Aufmerksamkeit (DAO) zwingen. Deshalb sind hier besondere Vereinbarungen zu treffen, wie z.B. für das FTM ”precision hover“ folgende: Der Pilot muss für eine Minute die erwünschte/erforderliche Leistung erbringen unter der Annahme einiger mehrere Sekunden dauernder Phasen der Ablenkung. Die OFE ergeben sich aus dem Entwicklungsvertrag. Bei voller Funktion aller Systeme • wird in allen OFE HQR Level 1 zu erreichen sein, • in den SFE darf dieser Level auf 2 fallen.
222
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
Tabelle 13.2 MTE für den UH NH90, TTH und NFH Hover Low Speed MTE’s
TTH
NFH
vertical take-off and transition precision hover slung load pick-up + delivery slung load carrying ship board landing vertical TO+trans. to NOE
vertical take-off and transition precision hover IGE + OGE slung load pick-up + delivery slung load carrying
vertical take-off and transition precision hover IGE + OGE slung load pick-up + delivery slung load carrying ship board TO + landing
vertical TO+trans. to NOE VTO + transition to near sea
hover-taxi / NOE traveling slope landing precision vertical landing pull up / push over rapid hovering turn sonar dunking rapid trans. to precision hover rapid sidestep rapid accel- and decelleration
hover-taxi / NOE traveling slope landing precision vertical landing rapid accel.with hight loss hovering turn
forward flight MTE’s
TTH
slalom pull up / push over
slalom pull up / push over
assault landing sonobuoy deploy VMC cruise/climb/descent IMC departure IMC appr.(cte.speed+decel.) weapon delivery, stabel platf.
assault landing
slope landing ground precision vertical landing rapid accel.with hight loss hovering turn sonar dunking manual rapid trans. to precision hover rapid trans. to precision hover sidestep sidestep rapid accel- and decelleration rapid accel- and decelleration rescue hoist operation rescue hoist operation torpedo delivery, stable platf.
VMC coordinated turns IMC departure IMC appr.(cte.speed+decel.)
NFH
pitch reversal roll reversal sonobuoy deploy VMC coordinated turns IMC departure IMC appr.(cte.speed+decel.) weapon delivery, stabel platf. mad location pattern
13.2.2 Quantitative Kriterien Quantitative Forderungen sind zu stellen in folgenden Bereichen: • Hilfen zur Wahrnehmung der Umgebung (UCE). • Die für den NH90 laut Vertrag vorgesehenen Sichthilfen BiV-Brille und FLIR erbringen erfahrungsgemäß im bodennahen Flug oder nahe der Meeresoberfläche auch bei zu erwartenden DVE in den meisten Flugsituationen mindestens UCE = 2. • Empfohlene Reaktionen auf Steuereingaben ”response types“. • Hier wurden die Empfehlungen des ADS-33 übernommen, dem Piloten wird damit die gleiche Unterstützung bei der Kontrolle der Maschine gewährt wie beim AH. Die Tabelle 13.3. zeigt die empfohlenen Reaktionen auf Steuerein-
13.2 Die neue Systematik in der Praxis
223
gaben im Schwebe- und langsamen Vorwärtsflug, und Tabelle 13.4. diese Reaktionen auf Steuereingaben im Vorwärtsflug. • Beide Tabellen gelten für volle Funktion aller Systeme. Tabelle 13.3 Reaktionen auf Steuereingaben im Schwebe- und langsamen Vorwärtsflug PFCS/AFCS Modes
Response-Type Hover &Low Spd Hover &Low Spd UCE>1, or DAO
PFCS
pitch/roll yaw hight UCE=1
P+A-FCS
SCAS
TAC
ATT
ATT,RHT,HOV
AC RCDH RC Level 1 Level 2 (nor HH/PH)
ACAH RCDH RC Level 1 Level 2 (nor : HH/PH, loss of alt. ref. on stick input)
ACAH RCDH RC Level 1 Level 2 (nor HH/PH)
ACAH+PH/VH RCDH RCHH Level 1 Level 1
Tabelle 13.4 Reaktionen auf Steuereingaben im Vorwärtsflug PFCS Modes
SCAS
TAC
ATT
Response-Type
pitch roll yaw
AC Rate TC
ACAH RCAH TC
ACAH RCAH TC
Forward flight
VMC
Level 1
Level 1
Level 1
Forward flight
IMC or DAO
Level 2 (no AH)
Level 1 but not recommended (loss of alt.ref.on inadvertent stick input)
Level 1
Mit: RCAH: Rate Command Attitude Hold AC: Attitude Command ACAH: Attitude Command Attitude Hold PH: Position Hold VH: Velocity Hold TC: Turn Coordination RCHH: Vertical-Rate Command with Altitude (Hight) Hold RCDH: Rate Command with Heading (Direction) Hold AH: Attitude Hold HH: Altitude (Hight) Hold PH: Position Hold • Flugdynamische Kriterien. Aggressive MTE’s treten beim NH90 nicht auf. Es bleiben die im ADS-33 dargestellten Kriterien für hochfrequente Steuereingaben der Kategorie ”all other MTE“. Hier müssen HQR Level 1 erreicht werden, und sie werden es auch.
224
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
Anders bei UCE > = 1, IMC und/oder DAO. Bei diesen Bedingungen gelten die schärferen Grenzkurven aggressiver MTE. Dies wird in der Anfangsphase eines Neuentwurfes durch Simulation überprüft, später wird dies durch Flugversuche nachzuweisen sein. Für den NH90 ergab die Simulation in den Richtungen Nicken/Rollen für UCE > = 1, IMC und/oder DAO die in Bild 13.2 NH90 HQR Levels Nicken dargestellten Ergebnisse.
0,4 Level 3
τpΦ 0,3 0,2 sec 0,1 0
Level 2
τpΘ
Nicken im Schwebeflug Nicken bei 140 kt Rollen im Schwebeflug Rollen bei 140 kt Level 1
0 1 2 3 4 5 ωBWΘ, ωBWΦ (rad/sec) Entsprechend den Bildern 12.11.c) und 12.12.c) All Other MTE, IMC and/or DAO
Bild 13.2 NH90 HQR Levels Nicken und Rollen (Simulation)
• Steuerungscharakteristika: Mit dem verwendeten FbW-Steuerungssystem bestehen keinerlei mechanische Verbindungen zwischen dem Cockpit und den Steuergliedern. Die dadurch fehlenden Rückkopplungen der Steuerkräfte werden künstlich erzeugt. Mechanische Steuerungscharakteristika wie z.B. Ausbrechkräfte oder Kraftgradienten können mit dem vorgesehenen (Trimm-) System problemlos in optimaler Größe und Wirksamkeit dargestellt werden. 13.2.3 Hochfrequente Steuerbarkeit der UH-60A Black Hawk Zu den im Bild 13.2 dargestellten Werten für den NH90 sind in [11] Vergleichswerte angegeben, gültig für den UH-60A Black Hawk der US Army, bei 80 kt. Dieser Hubschrauber ist noch traditionell entworfen, die Anwendung der neuen Kriterien kann deshalb keine Bewertung sein. In Nickrichtung sind BW = 2,0 rad/sec und τp= 0,12 sec. Werden die gleichen Kategorien verwendet wie für Bild 13.2, dann liegt dieses Wertepaar auf der Grenzlinie zwischen HQR Level 1 und 2. Im o.g. Bericht ist allerdings das leichter zu erfüllende Kriterium nach Bild 12.11b herangezogen, nach dem sich Level 1 ergibt. In Rollen und Gieren werden mit BW = 4,1 rad/sec bzw. 3,4 rad/sec und τp= 0,07 sec bzw. 0,08 sec alle Kriterien mit Level 1 erfüllt. Auch entsprechend den Bildern 12.12a und 12.13a für hohe Agilität, im zweiten Fall auf der Grenzlinie.
13.3 Flugversuchsmanöver
225
13.3 Flugversuchsmanöver Für die Durchführung der Versuche müssen Flugversuchsmanöver (Flight Test Manoeuvres FTM) definiert werden, die alle verlangten Missionen oder Missionsabschnitte bezüglich der zu fordernden Flugleistungen abdecken. Mit ihnen sind die Flugeigenschaften nachzuweisen. Werden für sie HQR-Level 1 erreicht, dann erfüllen sie die MTE mit gleicher Güte. Dazu werden: • mit den MTE korrelierende FTM definiert, • die auszuführenden FTM beschrieben, • die numerischen Werte festgelegt, die erreicht werden müssen um die gewünschten HQR nachzuweisen, • das Vorgehen bei der Beurteilung festgelegt. 13.3.1 Flugversuchsmanöver für Transporthubschrauber Für den NH90 können folgende FTM gelten: • Präzisionsschweben IBE (precision hovering IGE), • Drehen im Schwebeflug (hovering turn), • Abheben und senkrechte stufenförmige Auf- und Abbewegungen (TO and vertical step up & down), • präzise Schräglandung (precision slope landing), • Pirouette (Kreisflug mit dauernder Ausrichtung der Nase zum Mittelpunkt), • Seitliches Versetzen (side step) (mit Seitwärtsflug), • Beschleunigung/Verzögerung längs (acceleration/deceleration), • Slalom, • Ziehen-/Drücken-Manöver (pull-up/push-over), • Übergangskurve (transient turn). Mit den ausgewählten FTM sind die Kreuzkopplungen nach einachsigen, aber auch mehrachsigen Steuereingaben ausreichend repräsentiert. Die für den NH90 NFH speziell geforderten MTE: • Start vom bzw. Landung auf einem Schiff und • Beförderung von Außenlasten müssen gesondert nachgewiesen werden. Auf Grund von Unwägbarkeiten wie Pilotengeschick und -flugstrategie, Versuchsbedingungen, Konfigurationen, Geometrie, Seegang und Schiffsgrößen wären zu starke Streuung bei den HQR und damit mangelhafte Reproduzierbarkeit zu befürchten.
226
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
13.3.2 Definition der Versuchsbedingungen und -manöver Der Hubschrauber operiert in normalem Betriebszustand. Das FCS arbeitet also mit angewählter Optimaleinstellung. Die FTM müssen zutreffend, messbar und reproduzierbar sein. Sie sind dafür hinreichend detailliert zu definieren. Der im ADS33 immer wieder angesprochene Aggressivität entspricht beim UH mehr die zu fordernde Präzision, die allerdings flugmechanisch weniger anspruchsvoll ist. Dem kann durch Zeitvorgaben für die Ausführung der Manöver entsprochen werden; für einen UH sind folglich höhere zuzulassen und noch höhere für einen CH. Die Windbedingungen für die Flugversuche müssen festgelegt werden. Die Sichthilfen müssen dem Piloten immer ohne Einschränkungen erlauben die zu fliegenden Missionen auszuführen. Im Folgenden sind für wichtige FTM die Maßzahlen angegeben, die erreicht werden müssen um die Missionsleistungen nachzuweisen. Sie sind zwischen Auftraggeber und -nehmer vereinbart, im genannten Beispiel für den NH90. Die originalen Kriterien laut ADS33 sind ihnen gegenübergestellt. Beurteilungskriterien sind kursiv gedruckt. • Schwebeflug (Tabelle 13.5): Geprüft werden die Präzision und der Aufwand um vom Vorwärtsflug in den Schwebeflug überzugehen und die Fähigkeit den Schwebeflug nach Position, Richtung und Höhe zu halten. Bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 6 bis 10 kts muss der Schwebeflug in drei bis fünf Sekunden erreicht sein. Die exakte Position ist über einen längeren Zeitabschnitt zu halten, um auch die closed-loop-Eigenschaften zu erfassen. Der Wind kommt aus der kritischen Richtung mit 10 bis 20 kt. Tabelle 13.5 Maßzahlen Schwebeflug Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Horizontaler Versatz Höhe Richtung Wind Schwebedauer
< ± 0,91 m < ± 2 ft <±5° moderat 30 sec
< ± 1,0 m < ± 3 ft < ± 5° 10 – 20 kts 1 Min
• Drehen im Schwebeflug (Tabelle 13.6): Vor allem sind Einleiten und Ausleiten der Drehungen wichtig. Noch nicht festgelegt werden konnte, ob die Drehung um den Schwerpunkt oder um den Piloten zu erfolgen hat. Im ersten Fall handelt es sich um eine reine eindimensionale Eingabe, im zweiten sind zusätzlich laterale und longitudinale Eingaben erforderlich, was die entsprechenden Kopplungen verursacht.
13.3 Flugversuchsmanöver
227
Tabelle 13.6 Maßzahlen Drehen im Schwebeflug Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Horizontaler Versatz Höhe Richtung Dauer der Drehung Wind
< ± 0,91 m < ± 3 ft <±3° 10 sec moderat
< ± 1,5 m < ± 5 ft < ± 5° 10 sec 10 – 20 kts
• Senkrechte stufenförmige Auf- und Abbewegungen (Tabelle 13.7): Für den UH abgemilderte Form des bob-up/bob-down, und zwar bei minimaler Nickbewegung. Dämpfungen. Die Kopplungen und der Bodeneffekt wirken sich aus. Tabelle 13.7 Maßzahlen Auf- und Abbewegung Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Horizontaler Versatz Schwebehöhe Richtung Wind
< ± 1,83 m < ± 3 ft <±3° moderat
< ± 2,0 m < ± 3 ft < ± 5° 10 – 20 kts
• Präzise Schräglandung (Tabelle 13.8): Aufsetzen auf einer 9°-Schrägen zur Beurteilung von Mehrachsenmanövern. Tabelle 13.8 Maßzahlen Schräglandung Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Längsversatz Seitlicher Versatz Richtung Wind
< ± 0,91 m < ± 0,61 m <±5° ruhig
<±1m <±1m < ± 5° 10 kts
• Pirouette (Tabelle 13.9): Ein Kreisflug, bei den Hubschraubernase stets ins Zentrum gerichtet ist. Zur Beurteilung der Koordination aller drei Steuereingaben. Tabelle 13.9 Maßzahlen Pirouette Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Kreisradius Horizontaler Versatz Höhe Richtung Dauer Mittlere Geschwindigkeit Wind
30,5 m <±3m < ± 3 ft < ± 10 ° 45 sec 8,3 kts moderat
20 m <±3m < ± 3 ft < ± 10 ° 30 – 40 sec 7 kts 10 – 20 kts
228
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
• Seitliches Versetzen (Tabelle 13.10): Zum Prüfen der Eigenschaften im Seitwärtsflug mit Höhenhaltung und trotz Kreuzkopplungen. Der Rollwinkel soll bei 20 bis 30° liegen, eine Zielfläche von 6 mal 6 m ist einzuhalten. Tabelle 13.10 Maßzahlen seitliches Versetzen Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Versatz in Längsrichtung Höhe Richtung Rollbeschleunigung Geschwindigkeit über Grund Rollverzögerung Abschlußposition Schwebeposition Wind
<±3m < ± 10 ft < ± 10 °
<±3m < ± 10 ft < ± 10 °
25 ° pro 1,5 sec 45 kts 30 ° pro 1,5 sec < 10 kts
20 - 25 ° 35 kts 25 - 30° +0 / -6 <±3m ruhig
• Beschleunigen / Verzögern (Tabelle 13.11): Beschleunigen bis 80 kt. Zur Beurteilung der Wirksamkeit der Kollektivsteuerung und Test der Kreuzkopplungen aller drei Achsen in Verbindung mit der Kollektivsteuerung. Tabelle 13.11 Maßzahlen Beschleunigen/Verzögern Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Seitlicher Versatz Höhe Richtung Negativer Nickwinkel Geschwindigkeit über Grund Positiver Nickwinkel Abschlußposition Schwebeposition Wind
± 3m < 50 ft < ± 10 °
±3m < 50 ft ≤ ± 10 °
Entsprechend OFE 50 kts ≤ 30 ° +0 / -8 m mäßig
15 – 20 ° 80 kts 20 – 25 ° +0 / -15 m ±3m ruhig
• Slalom (Tabelle 13.12): Ein Mehrachsenmanöver, geflogen mit 60 kt. Es ist wichtig für den koordinierten Kurvenflug trotz der Kreuzkopplungen. Hier tritt die volle Breite möglicher Steuerungsfrequenzen auf. Tabelle 13.12 Maßzahlen Slalom Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Seitlicher Versatz Höhe Geschwindigkeit relativ Luft Wind
< 15,2 m < 100 ft > 60 kts mäßig
±3m < 50 m 55 – 65 kts mäßig
13.3 Flugversuchsmanöver
229
• Ziehen-/Drücken-Manöver (pull-up/push-over) (Tabelle 13.13): Für den TH abgemilderte Form des bob-up/-down der Urforderung. Vor allem zur Quantfizierung der möglichen Nickbewegungen. Dieses Manöver ist wichtig für den Konturenflug und zum Test der Kreuzkopplungen, Gier- und Rollausschläge müssen unter 10° bleiben. Tabelle 13.13 Maßzahlen Ziehen/Drücken Wertungsparameter
ADS33D
NH90
Höhe Horizontaler Versatz Rollen Richtung maximale Lastvielfache
Up & away ± 10 ° ± 10 ° nL(+) nL(-) 120 kts ruhig
< 500 - 600 ft 12 m x 40 ft ≤ ± 10 ° ≤ ± 10 ° nL(+) nL(-) 130 kts ruhig
Anfangsgeschwindigkeit Wind
• Übergangskurven (transient turns) (Tabelle 13.14): Sie sind entscheidend für den NoE-Flug. Tabelle 13.14 Maßzahlen Übergänge Wertungsparameter
ADS33D
NH90
maximales Lastvielfaches Höhe Anfangsgeschwindigkeit Dauer Wind
nL(+) 200 ± 50 ft 120 kts < 10 sec ruhig
nL(+) 200 ± 50 ft 100 kts TBD ruhig
13.3.3 Auswertung der Messkampagnen Grundlagen der Bewertungen sind in erster Linie die Messschriebe und das Bewertungsschema von Cooper und Harper. Um die erhaltenen Ratings noch besser zu verifizieren und um eventuell starke Streuungen zu analysieren, hat es sich bewährt, unmittelbar im Anschluss an die Messflüge ein debriefing abzuhalten. In dem die Piloten etwa zu folgenden Bereichen klärend Stellung nehmen: • erforderliche normale und eventuelle ungewöhnliche Kontrollaktivitäten, • Kompensationen (im Sinne von Korrekturen, um die geforderten MTE einzuhalten), mit dem hierfür notwendigen Aufwand pro Achse; eventuell unzulängliche Rahmenbedingungen; mangelbehaftete Funktionen des Steuerungssystems; ungünstige Reaktionen des Gesamtsystems; abweichende äußere Bedingungen, • Stress durch hohe Beanspruchung durch zu enge Zeitvorgaben oder durch unvorhergesehene Schwierigkeiten bei der Ausführung der Aufgaben, • Bemerkungen zu den FTM, zu deren Spezifizierungen, zu den Parametern, zur Art und Aggressivität der Ansteuerung, zu den Leistungskriterien.
230
13 Spiegelung des ADS-33 an Projekten
Sicher erfüllen die ersten Exemplare des NH90 alle Missionselemente. Allerdings möglicherweise nicht mit höchstmöglicher Güte. Ein Grund für diese Unsicherheit liegt in den notwendigen Vereinfachungen zur theoretischen Vorausberechnung unseres Systems im Vergleich zu dessen Vieldimensionalität. Könnte der Hubschrauber auf Anhieb alle Forderungen optimal erfüllen, dann benötigte man keine Prototypen, auch der wiederholte Durchlauf der Entwicklungsspirale entfiele. Beides ist in der Luftfahrtindustrie, und nicht nur dort, noch nie erreicht worden. Beim NH90 können anfangs eventuell noch festzustellende Verbesserungsmöglichkeiten der flugmechanischen Eigenschaften relativ einfach durch Korrekturen am FCS ohne Änderungen der Konfiguration des Hubschraubers behoben werden. Oder anders ausgedrückt: Die FTM führen zu den Forderungen, zu deren Erfüllung das FCS zu entwickeln ist, besonders im Hinblick auf dessen quantitative Leistungsfähigkeit.
14 Ausblick
Die Einbeziehung der hochfrequenten Ansteuerungen und entsprechenden Reaktionen in die Auslegung und Analyse unseres multidimensionalen flugdynamischen Systems Hubschrauber hat dieser Luftfahrttechnik einen starken Schub in Richtung anspruchsvollster Hochtechnologie verliehen. Alle wichtigen Flug- und Steuereigenschaften können damit weitaus umfassender und tiefgreifender als bisher auf Kompatibilität zu den Anforderungen des Marktes geprüft und bewertet werden. Andererseits können heute neue Hubschrauber gezielt so ausgelegt werden, dass ihre Eigenschaften mit Sicherheit besser als akzeptabel werden, was in der Regel bedeutet, dass sie im Bezug auf die Flugeigenschaften optimiert sind. Auch wenn unser Kenntnisstand und die Systematik in dieser Technologie eine praktikable Einsatzreife erreicht hat, bedeutet das nicht, dass schon alle Details erkannt und verstanden sind, dass die damit verknüpften Verfahren und Vorschriften schon in allen Einzelheiten endgültig sind. Die Erfahrungen laufender Versuchsreihen mit in der Nutzungsphase befindlichen Hubschraubern und solchen in der Entwicklung, werden sicher noch zu schließende Lücken und sogar Widersprüche bei der Erfassung aller Effekte aufzeigen. Was die Nützlichkeit der neuen Technologie aber sicher nicht in Frage stellt. Eine umfangreiche Liste solcher noch zu klärender Fragen steht im Forschungsbericht [6]. Als Folge werden weiterentwickelte Versionen des ADS-33 erscheinen. Das Know How um gewünschte Flugeigenschaften in praktische Entwürfe umzusetzen besitzen nur sehr wenige Hubschrauber-Entwickler, diese Fähigkeit ist aber entscheidend im weltweiten Wettbewerb. Auf der Gegenseite, auf dem Sektor der Auftraggeber, erfordert die moderne Art neu zu entwickelnde Hubschrauber zu definieren, auch tiefgreifendes Wissen. Flugmechanisch weist der Hubschrauber von Natur aus spezifische Besonderheiten auf. Durch die Art diese Extravaganzen sowohl technisch als auch flugmechanisch in den Griff zu bekommen, entfernt sich die Hubschraubertechnik mittlerweile in Teilen schon sehr stark von der allgemeinen Flugtechnik. Der Hubschrauberbau stellt weitaus höhere Anforderungen. Sicher nicht funktionieren wird eine aktuell kolportierte Strategie, nach der ein HS möglichst kostengünstig konstruiert werden soll, um anschließend seine Eigenschaften elektronisch auf Erfüllung aller Forderungen zu trimmen. Der Hubschrauber als Lufttransportgerät, aber auch im Einsatz für besondere Aufgaben, besitzt mit Sicherheit noch umfangreiches Entwicklungspotential.
Herangezogene Literatur
[1] [2] [3]
[4] [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] [ 11 ] [ 12 ] [ 13 ] [ 14 ] [ 15 ] [ 16 ]
[ 17 ] [ 18 ]
Bölkow, L.: „Der Zukunft verpflichtet“, Herbig München, 2000 The Helicopter Blue Boock and HELP, Helivalue$, 2000 Prouty, R.W.: „Helicopter Performance, Stability and Control“ PWS Engineering Boston, 1986 „Practical Helicopter Aerodynamics“ PJS Publ. Peoria 1982 „Helicopter Aerodynamics“ News Plaza Peoria 1985 „More Helicopter Aerodynamics“ PJS Publ. Peoria 1988 „Even More Helicopter Aerodynamics“ PBI Inf. 1993 Padfield, G. D.: „Helicopter Flight Dynamics“, Blackwell Science Oxford 1996 Ockier, C. J., Pausder, H.-J., Blanken, C.: „An Investigation of the Effects of Pitch-Roll (De)-Coupling on Helicopter Handling Qualities“, DLR Forschungsbericht 95-08 Ockier, C. J.: „Evaluating of the ADS-33D Handling Qualities Criteria Using the Bo105 Helicopter“, DLR Forschungsbericht 98-07 Cooper, G. E., Harper, R. P.: „The Use of Pilot Rating in the Evaluation of Aircraft Handling Qualities, NASA TM D5133, 1969 Edenborough, H. K., Wernicke, K. G.: „Control and Manoeuvre Requirements for Armed Helicopters“, 20th AHS-Forum Washington 1964 Schimke, D., Melz, C., Mödden, H., Lane, R., Charlton, M., Guyomard, C., Damotte, S.: „Active Control Technology“ ECD 1995 ADS-33E-PRF, „Aeronautical Design Standard, Performance Specification, Handling Qualities Requirements for Military Rotorcraft“, US Army AMCOM Alabama 2000 Blanken, C. L., Pausder, H.-J.: "Investigation of the Effects of Bandwidth and Time Delay on Helicopter Roll-Axis Handling Qualities“, Journal of the AHS 1994 Benquet, P., Pausder, H.-J., Rollet, P., Gollnik, V.: „Tailoring of ADS-33 for the NH90 Program“, 52nd AHS-Forum Washington 1996 Rougier, P., Wennekers, R.: „The Tiger… New Potentials for a New Helicopter“, 21st European Rotorcraft Forum 1995 Kampa, K., Enenkl, B., Roth, G., Polz, G.: „Aeromechanic Aspects in the Design of the EC135“, Journal of the AHS 1999 Götzfried, K.: „Survey of Tiger Main Rotor Loads from Design to Flight Test“, 23rd European Rotorcraft Forum 1997 Bousman, W. G.: „A qualitative Examination of Dynamic Stall from Flight Test Data“, Journal of the AHS 1998 „Evaluation of Airfoil Dynamic Stall Characteristics for Maneuverability”, Journal of the AHS 2001 Fletcher, J. W.: „Identification of UH60 Stability Derivative Models in Hover from Flight Test Data“, Journal of the AHS 1995 Tishchenko, M. N., Nagaraj, V. T.,.Chopra, I.: „Preliminary Design of Transport Helicopters“, Journal of the AHS 2003
Umfangreiche Literaturangaben finden sich in [ 3 ] und [ 4 ].
Bildnachweis
Bibliothèque de l’Institude de France Paris 1.2 Deutsches Museum München 1.3 DLR Köln 11.3, 11.6, 11.7, 12.14 Jane’s Information Group Limited 1.11, 1.12, 1.13, 1.14, 1.15, 1.16 MBB/ECD 1.9, 1.17, 7.4 Musée de l’Air et de l‘Espace Paris 1.4 PWS Publishers Boston 12.8 Royal Library Copenhagen 1.1 Sikorsky Aircraft Corporation 1.10 Für die Darstellung des Flugprogramms vor dem Inhaltsverzeichnis, auch in der Form von Bild 10.1, liegt das Copyright beim Autor
Stichwortverzeichnis
A
D
ACT, Active Control Technology 181 ADS-33-PRF, Aeronautical Design Standard 33 Performance 198, 199, 203, 205, 213 Agilität von Hubschraubern 80, 201, 208-10 Agressivitäts-Kategorien 215 AHS, American Helicopter Society 28 Ansteuerungswinkel 83 Army/Navy Hot Day 121 Aufgelöste Polare 56, 63 Auftriebspotential 9 Ausfallsicherheit von Reglern 180 Autogiro, Tragschrauber 8, 18 Autopilot 172 Autorotation (AR) 6, 8, 50, 52, 54, 59, 80, 116-118, 150 Avoid Zones 115-117
Dämpfung, Dämpfungsglieder 74, 77, 195197 Dämpfungskoeffizient 157 Dämpfungsmaß 73, 74, 158, 169 De la Cierva 8, 12 Derivativa 154 Dienstgipfelhöhe 96 DIN9300 (früher LN) 148, 150 Diskriminante 161; Routhsche D. 162 DOC/LCC, Direct Operating/Life Cycle Cost 34 Doppelwertzeit 159, 165, 169, 177, 199, 201 Drehmomentenausgleich 2, 3, 98 DTC Design to Cost 34 Dutch Roll, Taumelschwingung 169, 200 Dynamikmatrix 161 Dynamische Verwindung 69, 132
B Balanced Design 103, 116 Bandbreiten 203-206 Bewegungsformen 158 Bewegungsgleichungen 73, 148, 154 Blattbelastung 60, 62, 123, 128, 140 Blattspitzenantrieb 17 Blattspitzenebene 37, 164 Blattspitzenverlust 65 Blattspitzenwirbel 139, 144 Bodeneffekt 67, 96, 103, 108, 109 Boden- und Luftresonanz 75, 87, 92, 94, 172, 210 Bréguet 12
C CA, Control Augmentation 181 CAS calibrated air speed 99 C/SAR, Combat/Search and Rescue 20 CFD Computational Fluid Dynamics 141 Charakteristische Gleichung 157, 161, 179 Chinesischer Luftkreisel 1 Corioliskraft 9, 35, 85 Control Sensitivity 189 Cutout 59, 67, 144
E ECD Eurocopter Deutschland 17, 26, 30 Eigenfrequenzen 73, 86, 91 Eigenwerte, -formen, -schwingungen, 90, 157, 162, 168, 169, 170 EMV, Elektromagnetische Verträglichkeit 34
F FADEC, Full Authority Digital Engine Control 143, 150 FbW/L, Fly by Wire/Light 31, 35, 180, 224 FCS, Flight Control System 178, 187, 226 Fiktive Gelenke 39 Fiktiver Schlaggelenksabstand 39, 78, 189 Flächendichte 60, 124, 129 Flat Rated 107, 124 Flattergrenze 63, 140 Flugeigenschaften 187 Flugerprobung 154, 159, 168, 202, 213 Flughandbücher 108 Flugleistungen 98-113 Flugversuchsmanöver 225 Focke, Fw61 11, 13
Stichwortverzeichnis
235
Frequenzgleichung 157, 161
LUH VII
G
M
Gelenkloser Rotor 35, 39, 78, 94, 118, 144, 187, 189, 195 Geometrischer Einstellwinkel 59 Grenzschicht 69 GTV, Ground Test Vehicle 94 Gummitriebwerke 107
Mach-Tuck 129, 139 Manöverleistung 102 MBB, Messerschmitt Bölkow Blohm VII Mischhebelgetriebe, MHG 31, 39 Mittlerer aerodynamischer Auftriebsbeiwert 63 Modellfolgeregler 179, 181
H Halbwertszeit 159, 169 HGH, Hochgeschwindigkeits-HS, 139 HHC, Higher Harmonic Control 34, 94, 141 Hochleistungsflug 202 Hochfrequente Steuerung 202 Hubschrauberkategorien 216 HUMS, Health and Usage Monitoring System 25
N Neutralpunkt 164 NH90 31, NFH/TTH 33, 222 ff Nickdämpfung 193, 196 NOE, Nap On Earth, bodennaher Flug 115, 185, 219 NTSB, National Transportation Safety Board USA 26
I
O
IFR 175, 176, 195, 199 Induzierte Geschwindigkeit 48 Induzierte Leistung 49, 99, 100 Induzierter Widerstand 100 Instabilität 162, 163, 201 Instationärer Betrieb 150
OAT, Outboard Air Temperature 106, 109113 OEI, One Engine Inoperative 112, 115
J JAR OPS3 21, 116
K Kämmender (Flettner-) Rotor 15, 16 Kipprotor 17 Koaxial Rotor 3, 15, 40, 118, 139, 175 Kollektive und zyklische Steuerung 5, 37, 38 Konuswinkel 36, 81, 83, 183 Koppeleffekte 150 Kopplungen 40, 181-186, 227-229 Kritische Machzahl 136, 143
L Lastvielfachendiagramm 170, 219 Lastvielfachenkapazität 129 Leistungsbilanzen 108 Leistungspolare 98, 103-105, 108 Leonardo da Vinci 2, 3 Lilienthal 4 LN9300 (heute DIN) 148, 150 Lockzahl 82, 182, 188 Logarithmisches Dekrement 157, 159 Luft- und Bodenresonanz 75, 87, 92, 94, 173, 210
P PAH2 Tiger 31, 41, 144, 146, 211, 212 Pfeilung 119, 144 Phygoide 165-170, 179, 199 PIO, Pilot Induced Oscilations 191, 206, 208 Power Settings 107 Profilierung 134 Profilpolare 4, 106, 119 Prototypen 150, 159, 163, 166, 168, 170, 201, 230
R Rate Sensitivity 189 Regelungstechnik 172, 178 Resonanz, -diagramm 73, 74, 89, 90 Response Types 222, 223 Rezirkulation 53 Rotorauslegefrequenz 90 Rotorharmonische 91 Rotorkreisflächenbelastung 49, 51, 120 Routhsche Kriterien 162
S S(C)AS, Stability (and Control) Augmentation System 175, 179, 198, 206, 219 SbS, Side by Side 6, 15, 40, 175 Schädlicher Widerstand 101 Schlaggelenk 9, 34, 35, 36, 71, 72, 75
236
Stichwortverzeichnis
Schlaggelenksabstand 36, 38, 75 Schlaggleichung 73-80 Schlagkoeffizienten 80, 83 Schwebegüte 49, 121 Schwenkbewegung 85-88 Schwenkgelenk 34, 35, 85 Schwerkraftsteuerung 187 Schwerpunktlage 33, 41, 170 Schwingungsdauer 157, 199 Shock Stall 137 Short Period 167, 169, 170 Sikorsky 14, 204 Simulation 156, 166 Spiralbewegung 168, 201 Stabilitäten 118, 153, 165, 174-180 Stabilitätsbedingungen 162 Stall Flutter 128, 140 Steuerbarkeit 193-197 Steuerbarkeitsdiagramm 171, 190, 195-197 Steuerelemente 38, 39, 185 Steuerempfindlichkeit 190 Steuermomente 37-39, 187 Steuerwinkel 59 Steuerwirksamkeit 189, 193, 195, 197 Strahl- oder Stromfadentheorie 45 Stück/Systempreis 23, 34
T Tandem-HS 7, 15, 16, 40 TAS true air speed 99 Taumelscheibe, TS 31, 35-39 Taumelschwingung 169, 200 TBO Time Between Overhaul 25 TCI Time Change Items 25 Tiefenverteilung, Trapezform 57, 66, 69, 70, 130 Tip Path Split 139, 140 Tracken 91
Trägheitskraft 72 Tragschrauber 8, 18 Transition 55 Transitionskorridor 114, 115 Trapezform 66, 119, 144 Trimmrechnung 58, 105, 147, 149 Trimmwiderstände 105, 106 Trimmwinkel 107, 147
U Übertragungsfunktionen 170, 179 UH 72A Lakota VII UHT, Unterstützungshubschrauber Tiger 146 Unfallraten 26, 187
V Verbundhubschrauber 18 Verwindung 58-63, 119, 132 - aerodynamische 133 - dynamische 68, 69 Verzögerung der Steuerwirksamkeit 189, 190 VTOL, Vertical Take Off and Landing 8, 19, 23, 96
W Winkelungslager 35 Wirbelring 52, 53 Wright 4 Wuchten 91 Wurzelortkurven 180
Z Zeitkonstante 169, 189 Zentrifugalkraft 72 Zirkulation 68, 100 Zuspitzung 66, 119, 144