Christine Bauhardt · Gülay Çag˘ lar (Hrsg.) Gender and Economics
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Christine Bauhardt · Gülay Çag˘ lar (Hrsg.) Gender and Economics
Gender und Globalisierung Herausgegeben von Prof. Dr. Christine Bauhardt, Berlin Prof. Dr. Claudia von Braunmühl, Berlin
Geschlechterverhältnisse und Globalisierungsprozesse sind in vielfacher Weise miteinander verwoben. Die globale Restrukturierung der Ökonomie wirkt tiefgreifend – unterhöhlend, verfestigend, verschärfend – auf Geschlechterordnungen ein. Zugleich machen sich Globalisierungsakteure Geschlechterhierarchien zunutze und integrieren ungleiche Geschlechterverhältnisse in ihre Expansionsstrategien. Dabei wirkt die Kategorie Geschlecht nie allein, sondern in intersektionaler Verschränkung mit anderen Differenzkategorien, oft in spannungsreichem Widerspruch, immer in komplexen sozialen Gefügen und Pfadabhängigkeiten. Sie setzt sich ins Werk in den Kämpfen sozialer Bewegungen, insbesondere der Frauenbewegungen in aller Welt. Zugleich leiten sich aus ihren fundamentalen Anfragen an die Strukturen ökonomischer und sozialer Reproduktion sowie an die aufs engste damit verbundene Organisation politischer und kultureller Machtstrukturen Impulse für kritische Theorieentwicklung ab. Wie in all dem Subjektivität gesucht, gelebt und erforscht wird, welche Dynamiken sich im Wechselverhältnis von Strukturen und Eigensinn entwickeln, also: die Paradoxien von Stabilisierung und Transformation von Geschlechterordnungen in globalisierten Kontexten, das soll in dieser Reihe seinen Ort finden. Im breiten Feld der Globalisierungsforschung legt sie den Fokus auf feministische Genderstudien. Das inhaltliche Spektrum ist dabei so breit gestreut wie diese selbst, während die Fokussierung auf die Gender-Perspektive die Zuspitzung und theoretische Verortung der Publikationen signalisiert. Sozialwissenschaftliche oder ökonomische Studien gehören ebenso dazu wie kulturwissenschaftlich ausgerichtete Untersuchungen.
Christine Bauhardt Gülay Çag˘lar (Hrsg.)
Gender and Economics Feministische Kritik der politischen Ökonomie
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Frank Schindler VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Reihensignet: Sabine Klopfleisch, d17, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16485-4
Inhalt
Einleitung Gender and Economics. Feministische Kritik der politischen Ökonomie Christine Bauhardt und Gülay Çalar Feminist Economics: Setting out the Parameters Irene van Staveren I
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Im Fokus der feministischen Ökonomiekritik: Reproduktion und Care Ökonomie
Im Fokus: Das (Re)Produktive. Die Neubestimmung des Ökonomischen mithilfe der Kategorie (Re)Produktivität Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister
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Care Ökonomie – eine Herausforderung für die Wirtschaftswissenschaften Mascha Madörin
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The Return to Social Policy and the Persistent Neglect of Unpaid Care Shahra Razavi
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Feminism, Basic Income and the Welfare State Ingrid Robeyns
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II
Transdisziplinäre Sichtweisen auf zentrale Konzepte der Ökonomik
Hegemonie, Identität und der homo oeconomicus Oder: Warum feministische Ökonomie nicht ausreicht Friederike Habermann
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A Herstory of the Notion of Exchange in the History of Economics Edith Kuiper
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6 Geld und Geschlecht im U.S.-amerikanischen Gegenwartsroman: Beiträge zu einem kulturwissenschaftlichen Verständnis ökonomischer Dimensionen von Weiblichkeit und Männlichkeit Eva Boesenberg
Inhalt
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III Wirtschaftspolitische Beiträge der feministischen Ökonomik Macroeconomic Policy and Employment Generation: Gender Dimensions Diane Elson
221
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union – eine feministische Kritik Friederike Maier
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The Gendered Dimension of Money, Finance, and the Subprime Crisis Brigitte Young
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Transnationale Wissensnetzwerke und Geschlechterpolitik im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik Gülay Çalar
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Autorinnen und Herausgeberinnen
305
Einleitung Gender and Economics. Feministische Kritik der politischen Ökonomie Einleitung
Christine Bauhardt und Gülay Çalar
„The reason to study economics is to avoid being duped by economists“ (Joan Robinson 1971, zitiert nach Benería 2003b: 31)
Mit der Gründung der internationalen Vereinigung International Association for Feminist Economics im Jahre 1992 wurde die feministische Ökonomik als neue Forschungsrichtung innerhalb der Wirtschaftwissenschaften institutionalisiert. Seither haben Forschungsbeiträge im Bereich der feministischen Ökonomik deutlich an Sichtbarkeit gewonnen. Die Ökonomiekritik aus feministischer Perspektive hat jedoch eine weitaus längere Tradition, die weit zurück in die Anfänge des 18. Jahrhunderts reicht. Obwohl Frauen in Westeuropa bis ins späte 19. Jahrhundert von der universitären Ausbildung und dementsprechend auch von der universitären Forschung zu ökonomischen Fragen ausgeschlossen waren, gab es eine Reihe von Frauen, die sich wissenschaftlich mit ökonomischen Fragen und vereinzelt auch mit den Arbeiten einflussreicher Nationalökonomen ihrer Zeit, zum Beispiel mit den Thesen Adam Smiths, beschäftigten. Schon in diesen frühen Debatten war die Aufteilung der gesellschaftlichen Arbeit in die marktförmige beziehungsweise bezahlte Erwerbsarbeit und die nicht-marktförmige beziehungsweise unentgeltliche Reproduktionsarbeit im Haushalt Gegenstand der feministischen Kritik. Dabei ging es vor allem darum, die systematisch von Frauen erbrachte, gesellschaftlich gering und ökonomisch gar nicht bewertete Haus- und Sorgearbeit sichtbar zu machen und zu zeigen, inwiefern Frauen durch die Reproduktionsarbeit in ökonomische Prozesse eingebunden sind. Stand in den frühen feministischen Schriften in erster Linie die so genannte Frauenfrage – also die Analyse der Situation von Frauen im Haushalt und auf dem Arbeitsmarkt – im Mittelpunkt des Interesses, verschob sich die Aufmerksamkeit im 20. Jahrhundert mit der zunehmenden Professionalisierung von Frauen in den Wirtschaftswissenschaften auf die „feministische Wissenschaftsfrage“ (Harding 1986; vgl. Hoppe 2002). Dabei kommen epistemologische Perspekti-
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Christine Bauhardt und Gülay Çalar
ven ebenso in den Blick wie politische Ansätze zur Veränderung der ungleichen Verteilung und Bewertung von gesellschaftlich notwendiger Arbeit. Seit den 1970er Jahren setzen sich Ökonominnen systematisch mit Begriffen und Konzepten der Wirtschaftswissenschaften auseinander und analysieren, inwiefern diese von einem androzentrischen Bias durchzogen sind. Das Verdienst feministischer Ökonominnen ist es, Blindstellen und geschlechtsspezifische Asymmetrien in der ökonomischen Theorie- und Modellbildung identifiziert und damit Ansatzpunkte für alternative Theorien, Modelle und Politiken herausgearbeitet zu haben. Allerdings stellt die feministische Ökonomik keinen einheitlichen Forschungszweig oder Theoriestrang innerhalb der Wirtschaftswissenschaften dar. Im Gegenteil – es bestehen erhebliche Unterschiede in der wirtschaftstheoretischen Ausrichtung oder gar hinsichtlich des spezifischen feministischen Selbstund Wissenschaftsverständnisses (vgl. Çalar 2006). So ist nahezu das gesamte wirtschaftstheoretische Spektrum – von neoklassischen über institutionalistischen bis hin zu marxistischen Theorieansätzen – in der feministischen Ökonomik vorzufinden. Neben theoretischen Divergenzen bestehen zudem erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Problembearbeitung: Während die einen ökonomische Theorien und Modelle grundlegend kritisieren und alternative Ansätze zum neoklassischen Mainstream entwickeln, sind andere bestrebt, Frauen als Wirtschaftssubjekte in bestehende Theorien, beispielsweise Arbeitsmarkttheorien, zu integrieren, ohne diese grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Gemeinsamkeit der feministischen Ökonominnen besteht in ihrer Kritik an der androzentrischen Theoriebildung in den Wirtschaftswissenschaften, was sie unter anderem auf die institutionelle Marginalisierung von Frauen in der Disziplin zurückführen (vgl. Hoppe 2002; Ferber/Nelson 2003). Mit diesem Sammelband geben wir einen Überblick über den derzeitigen Stand feministischer Ökonomiekritik. Dabei gilt unsere Aufmerksamkeit vor allem drei Gegenstandsbereichen der feministischen Ökonomiekritik: Im ersten Teil des Buches widmen wir uns feministischen Analysen zur Rolle der nichtmarktförmigen Reproduktionsarbeit für ökonomische Prozesse. Ausgehend vom Konzept der Reproduktionsarbeit beziehungsweise der Care Ökonomie, das für die feministische Theoriebildung ebenso zentral ist wie für die Entwicklung von Konzepten politischer Gestaltung, wird das Augenmerk auf die Unterscheidung zwischen bewerteter und nicht bewerteter Arbeit in ökonomischen Prozessen gelegt. Bewertung meint hier zweierlei: die nicht monetarisierten, nicht in Geldäquivalenten bewerteten Leistungen der Verantwortungs- und Sorgearbeit sowie ihre gesellschaftliche Geringbewertung als Residualkategorie der Privatsphäre. Aus feministischer Perspektive ist es die Hierarchisierung von Kompetenzen und Arbeitsleistungen entlang der Geschlechterlinie, die diese (Nicht-) Bewertung
Einleitung
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erklärt und die wechselseitige Bezogenheit der Arbeitsformen ausblendet. Im zweiten Abschnitt des Buches werden ausgewählte Konzepte und Begriffe der klassischen und neoklassischen Ökonomik einer kritischen Prüfung aus verschiedenen disziplinären Perspektiven unterzogen. Dabei stehen die androzentrische Konstruktion des homo oeconomicus und die mit dieser Konstruktion historisch verbundenen Ein- und Ausschlüsse erneut auf dem Prüfstand. Der dritte Teil widmet sich wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen aus der feministischen Ökonomiekritik, wobei vor allem auf aktuelle Problemlagen der Makroökonomie Bezug genommen wird. Die Beiträge verdeutlichen, dass die Berücksichtigung der Care Ökonomie einerseits und die Überwindung geschlechtsspezifischer Diskriminierung auf institutioneller Ebene andererseits zentrale Voraussetzungen für die Realisierung einer geschlechtergerechten Wirtschaftspolitik sind.
Im Fokus der feministischen Ökonomiekritik: Reproduktion und Care Ökonomie Eine der wichtigsten Auseinandersetzungen in der feministischen Ökonomik bezieht sich auf die konzeptionelle Ausblendung der nicht-marktförmigen Reproduktionsarbeit insbesondere in makroökonomischen Theorien. Feministische Ökonominnen bezeichnen dies als „strategisches Schweigen“ (Bakker 1994) – ein Schweigen, wodurch verschleiert werde, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion maßgeblich auf der hierarchischen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern basiere. Ziel der feministischen Ökonomik ist es, dieses Schweigen zu brechen und die nicht-marktförmige Reproduktionsarbeit als zentralen Bestandteil der Ökonomie ins Zentrum von wirtschaftstheoretischen Diskussionen zu rücken. Eine international rezipierte Kontroverse über die Rolle der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit von Frauen in der Ökonomie entbrannte erstmals in den 1970er Jahren im Kontext der so genannten Hausarbeitsdebatte. Feministinnen verwiesen auf die androzentrische Perspektive in der marxistischen Theorie, in der lediglich die Lohnarbeit als produktiv beziehungsweise mehrwertschaffend betrachtet wurde (z.B. Mandel 1969). Ausbeutungsverhältnisse werden entsprechend nur im Zusammenhang mit dem Kapitalverhältnis und nicht mit dem als privat angesehenen Geschlechterverhältnis vermittelt erachtet. Der feministischen Kritik am Arbeitsbegriff in der marxistischen Werttheorie folgte die politische Forderung nach einem Lohn für Hausarbeit. Nach Mariarosa Dalla Costa, einer prominenten Vertreterin der Hausarbeitsdebatte in den 1970er Jahren, wird die Ausbeutung von Frauen gerade durch das Lohnarbeitsverhältnis organisiert (Dalla Costa/James 1973). Da Frauen keinen Lohn für die von ihnen geleistete
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Christine Bauhardt und Gülay Çalar
Hausarbeit erhielten, werde ihre kapitalistische Ausbeutung verschleiert. Der Kapitalist zahle nur dem männlichen Erwerbstätigen einen Lohn, erhalte dafür aber zusätzlich die Arbeitkraft der Frau im Haushalt. Denn gerade durch ihre Hausarbeit werde die physische und psychische Reproduktion des männlichen (und mehrwertschaffenden) Lohnarbeiters gewährleistet und somit die kapitalistische Produktionsweise sichergestellt. Nach Dalla Costa ist die Hausarbeit folglich als produktive Arbeit zu bewerten, da sie zur Mehrwertproduktion beitrage (für eine kritische Diskussion dieser These siehe: Gardiner 1976). Mit dem Ziel, die Ausbeutung von Frauen sichtbar zu machen und die geschlechtsspezifischen Machtasymmetrien in der Arbeitsteilung zum Gegenstand der marxistischen Auseinandersetzungen zu erheben, wurde von feministischen Marxistinnen ein Lohn für Hausarbeit gefordert. Dahinter stand die Argumentation, dass auch die nicht-marktförmige Verantwortungs- und Sorgearbeit in die Kategorie der produktiven Arbeit einzubeziehen und folglich als zentraler Bestandteil der gesamtwirtschaftlichen Produktion zu betrachten sei (vgl. Haug 2006). Aktuelle Ansätze, vor allem im Forschungsfeld der feministischen Makroökonomik, nehmen zwar nicht direkt Bezug auf die feministisch-marxistischen Debatten der 1970er Jahre, allerdings sind Parallelen in der Argumentation zu beobachten: So kritisieren beispielsweise Diane Elson und Nilüfer Çaatay, dass in makroökonomischen Theorien und Modellen ausschließlich marktförmige Tätigkeiten, also Erwerbsarbeit, als produktiv erachtet und als solche in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berücksichtigt werden (Elson/Çaatay 2000; vgl. Elson 1998). Sie monieren den unhaltbaren Mythos der Geschlechtsneutralität in der Makroökonomik und verweisen auf die wirtschaftspolitischen Konsequenzen solcher geschlechtsblinder Perspektiven auf gesamtwirtschaftliche Vorgänge. Vor allem im Zuge ökonomischer Restrukturierungsmaßnahmen, wie etwa im Kontext der Stabilisierungs- und Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, aber auch durch die Privatisierung und Deregulierung der öffentlichen Daseinsvorsorge in den OECD-Ländern in den 1980er Jahren, wurde die Verantwortung für die soziale Reproduktion verstärkt in den Privathaushalt verschoben und in der Konsequenz erneut Frauen aufgebürdet. Die unbezahlte Arbeitskraft von Frauen werde in solchen Restrukturierungsmaßnahmen stillschweigend als prinzipiell unendlich zur Verfügung stehende Ressource vorausgesetzt. Damit perpetuiert sich die Machtasymmetrie im Geschlechterverhältnis, die in der Priorisierung eines androzentrischen Arbeitsbegriffs und männlicher Erwerbsarbeit angelegt ist. Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister zeigen in ihrem Beitrag, dass die wirtschaftswissenschaftliche Dichotomisierung von so genannten produktiven und so genannten reproduktiven Tätigkeiten und Leistungen in der realen Welt keine Entsprechung hat. Um die Verwobenheit dieser Produktivität sowohl in
Einleitung
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gesellschaftlichen Verhältnissen als auch mit der Produktivität der Natur konzeptionell zu fassen, haben die beiden Autorinnen den Begriff „(Re)Produktivität“ geprägt. Insbesondere für die Debatte um Nachhaltigkeit aus einer kritischen Gender-Perspektive eröffnet dieses Konzept theoretische und praktische Anschlussstellen. Auf die künstliche Trennung real eng verwobener Prozesse verweist auch der Beitrag von Mascha Madörin. Am Beispiel des Gesundheitssektors analysiert die Autorin die volkswirtschaftliche Bedeutung der Care Ökonomie im Feld der personenbezogenen Dienstleistungen. Dabei rückt sie insbesondere die Frage in den Mittelpunkt, inwieweit die besonderen Qualitäten der Verantwortungsund Sorgearbeit, die sich nur begrenzt in Geldäquivalenten bewerten lassen, in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berücksichtigt werden können. Gleichzeitig verweist die Analyse des Konzeptes Care Ökonomie auch darauf, dass soziale Reproduktion nicht ausschließlich privat und unentlohnt von Frauen erbracht wird, sondern ebenso einen zentralen Bestandteil erwerbswirtschaftlicher Aktivitäten im von Frauen dominierten Feld des Gesundheits- und Sozialwesen darstellt. Die nicht-marktförmige Reproduktionsarbeit wird jedoch, wie der Beitrag von Shahra Razavi zeigt, nicht nur in wirtschaftspolitischen, sondern auch in sozialpolitischen Entscheidungen ausgeblendet. Razavi konstatiert, dass die diskursiven Verschiebungen vom Washington Consensus zum post-Washington Consensus und die damit einhergehende Wiederbelebung der Sozialpolitik im globalen Süden nicht automatisch mit der adäquaten Berücksichtigung der Care Ökonomie und der reproduktiven Rolle von Frauen einhergeht. Damit argumentiert sie gegen eine weit verbreitete Annahme innerhalb der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, dass nämlich die sozialpolitische Korrektur von ökonomischer Restrukturierung grundsätzlich dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit diene. Razavi zeigt am Beispiel konkreter Projekte in den Bereichen der Gesundheits-, Renten- und Familienpolitik, welche Folgen die stillschweigende Voraussetzung traditioneller geschlechtlicher Arbeitsteilung für die konzeptionelle Ausrichtung sozialpolitischer Reformen hat. Wie wichtig die adäquate Berücksichtigung der asymmetrischen Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern bei der Einführung von wirtschafts- und sozialpolitischen Reformen ist, verdeutlicht Ingrid Robeyns in ihrem Beitrag zum garantierten Grundeinkommen. Das Grundeinkommen gehört seit nunmehr zwei Dekaden zu den meistumstrittenen politischen Forderungen in europäischen Ländern, dessen Einführung sowohl einen sozialpolitischen als auch wirtschaftspolitischen Umbau in den jeweiligen Volkswirtschaften erfordern würde. Ziel des garantierten Grundeinkommens ist die ökonomische Anerkennung und Inwertsetzung der sozialen Reproduktion. Robeyns diskutiert in ihrem Beitrag,
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welche sozioökonomischen und geschlechterpolitischen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um das Grundeinkommens geschlechtergerecht ausgestalten zu können. Sie verweist auf die Gefahr, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männer perpetuieren und die gesellschaftliche Marginalisierung von Frauen verstärken könnte.
Transdisziplinäre Sichtweisen auf zentrale Konzepte der Ökonomik Neben den theoretisch-konzeptionellen Arbeiten zur Care Ökonomie existiert eine Reihe von feministischen Analysen, die sich mit zentralen Annahmen, Konzepten und Begriffen der klassischen und neoklassischen Ökonomik beschäftigen. Kritisiert werden insbesondere die Prämissen der neoklassischen Theorie, nämlich die Annahmen von der effizienten Funktionsweise freier Märkte, von Verfügung über vollständige Information sowie von Rationalität als zentralem ökonomischem Handlungsprinzip (z.B. Strassman 1993). Feministische Ökonominnen erachten das neoklassische Ökonomieverständnis als androzentrisch, da die Charakterisierung von Handlungssphären (Markt/Haushalt) oder Handlungen (rational/emotional) als ökonomisch oder unökonomisch stets mit einer geschlechtlichen Zuschreibung einhergeht. Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei vor allem das Konzept des homo oeconomicus (Benería 2003a; England 1993). Die Konstruktion des homo oeconomicus als rationalem, nämlich entsprechend seinem Eigeninteresse handelndem und stets nach Nutzenmaximierung bestrebtem Wirtschaftssubjekt, gehe mit der Abgrenzung von weiblich konnotierten Eigenschaften und Handlungsweisen wie altruistisch, sozial und emotional einher. Diese Konstruktion beruhe auf einer dualistisch-hierarchischen Geschlechterordnung, wonach männlich konnotierte Eigenschaften handlungsleitend seien, während weiblich konnotierte Eigenschaften als „unökonomisch“ bewertet würden (vgl. Çalar 2004). Auch die Beiträge in diesem Abschnitt setzen sich mit zentralen Konzepten und Begriffen der klassischen sowie neoklassischen Wirtschaftstheorie auseinander. Allerdings nehmen die Beiträge in diesem Band, im Unterschied zu bisher vorliegenden Publikationen zur feministischen Ökonomik, nicht allein eine feministisch-ökonomische Perspektive ein, sondern diskutieren diese Konzepte und Begriffe aus unterschiedlichen disziplinären Zugängen. So argumentiert Friederike Habermann in ihrem Beitrag, dass die feministische Ökonomiekritik allein nicht ausreiche, um die hegemoniale Wissenskonstitution und die damit einhergehende Einschreibung sexistischer und rassistischer Herrschaftsverhält-
Einleitung
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nisse in Wirtschaftstheorien zu analysieren. Unter Rekurs auf subjekttheoretische und post-koloniale Perspektiven zeigt Habermann in ihrer Analyse, wie sich das Konzept des homo oeconomicus historisch zeitgleich mit der Identitätskonstruktion des Weißen, männlichen Bürgers diskursiv verknüpft hat. Edith Kuiper beschäftigt sich in ihrem Beitrag ebenfalls mit einem zentralen Konzept der Wirtschaftswissenschaften, nämlich mit dem des Tausches. Sie unterzieht den Begriff des Tausches, wie dieser von Nationalökonomen (zum Beispiel Adam Smith und David Ricardo) und später von Neoklassikern (zum Beispiel William Stanley Jevons und Alfred Marshall) konzeptualisiert wurde, einer gründlichen Reflexion. Kuiper stellt das abstrakte, also von sozialer Einbettung losgelöste Verständnis von Tausch einem relationalen Verständnis gegenüber, das in den ökonomischen Schriften von Frauen zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert vorzufinden ist. Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive analysiert Eva Boesenberg die Verwobenheit von Geld und Geschlecht am Beispiel U.S.-amerikanischer Gegenwartsromane. Unter Bezugnahme auf Pierre Bourdieus Konzept der unterschiedlichen Kapitalsorten zeigt die Autorin anhand literarischer Texte, wie kulturelles Kapital in soziales und ökonomisches Kapital umgewandelt wird und sich zur Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit ins Verhältnis setzt. Der Raum der fiktionalen Erzählung ermöglicht dabei visionäre Perspektiven im Hinblick auf alternative Konstruktionen über den Zusammenhang von Geld und Geschlecht.
Wirtschaftspolitische Beiträge der feministischen Ökonomik Das Bemühen, die Kategorie Geschlecht in (modell-)theoretische Ansätze der Makroökonomik oder in Außenhandelstheorien zu integrieren, ist nicht nur von einem rein theoretischen Interesse geleitet, sondern auch von der politischen Zielsetzung, Ansätze für eine geschlechtergerechte Wirtschaftspolitik bereitzustellen (Elson/Çaatay 2000). Das Handlungsfeld der Wissenschaft kann nicht losgelöst von politischen Handlungskontexten betrachtet werden, eine Maxime, die im Übrigen auch von neoliberalen Wirtschaftswissenschaftlern durchaus geteilt wird. Thinktanks vornehmlich neoliberaler Ökonomen sind ja gerade zur Einflussnahme auf politische Entscheidungen und auf EntscheidungsträgerInnen angetreten (Mirowski/Plehwe 2009; Walpen 2004). Die Beiträge in diesem Abschnitt reflektieren aktuelle wirtschaftspolitische Problemlagen aus einer feministisch-ökonomischen Perspektive. Diane Elson diskutiert in ihrem Beitrag, welche makroökonomischen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu fördern.
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Dabei zeigt sie, dass sich eine restriktive Fiskal- und Geldpolitik negativer auf die Beschäftigungssituation von Frauen als auf die von Männern auswirkt. In diesem Zusammenhang argumentiert sie, dass eine keynesianische beziehungsweise expansive Wirtschaftspolitik die Verringerung der Arbeitslosenquote bewirke und folglich aus einer Geschlechterperspektive positiver zu bewerten sei. Gleichzeitig betont sie jedoch, dass eine expansive Wirtschaftspolitik auf der Makroebene durch Politikmaßnahmen auf der Mesoebene flankiert werden müssten, um der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken und somit die Erwerbschancen von Frauen erhöhen zu können. Inwieweit die Europäische Union mit ihrer Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik zu mehr Geschlechtergleichheit beiträgt, analysiert Friederike Maier in ihrem Beitrag. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass die Liberalisierung der Arbeitsmärkte nicht automatisch wie häufig postuliert zu höheren Beschäftigungsquoten führt und dass damit auch die Erwerbstätigkeit der Frauen nicht zwangsläufig wächst. Die gesellschaftliche Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, so die Autorin, sei eben nicht allein durch die Integration der Frauen in den Erwerbsarbeitsmarkt zu beseitigen, solange ihre sozialen Reproduktionsleistungen aus dem wirtschaftspolitischen Blick verdrängt werden. Der Beitrag von Brigitte Young widmet sich der U.S.-amerikanischen Immobilienkrise und ihren geschlechtsspezifischen Implikationen. Sie zeigt, inwiefern der private Immobilienbesitz in den Vereinigten Staaten als individuelle Risiko- und Altersvorsorge institutionalisiert wurde und damit sozialstaatliche Leistungen ablöste. Auch Frauen und ethnische Minoritäten erhielten durch so genannte Subprime-Kredite Zugang zum Immobilienmarkt, allerdings zu ungünstigeren Konditionen als Männer in vergleichbaren Situationen. Während die finanziellen Konsequenzen der Insolvenzen von Banken und Kreditinstituten aufgrund des Immobiliencrashs der Allgemeinheit aufgebürdet werden, werden private SchuldnerInnen, insbesondere Frauen und Arme, für ihr unverantwortliches Risiko- und Kreditaufnahmeverhalten gebrandmarkt. Gülay Çalar zeichnet in ihrem Beitrag die Entwicklungslinien der Thematisierung von frauen- und geschlechterpolitischen Forderungen im Feld der Global Economic Governance in den vergangenen zwei Dekaden nach. Sie zeigt, dass seit den 1990er Jahren die Auseinandersetzungen feministischer Ökonominnen mit makroökonomischen und handelspolitischen Instrumenten aus einer Geschlechterperspektive ihren Niederschlag in der Agenda multilateraler Organisationen finden. Çalar diskutiert die politischen Rahmenbedingungen, unter denen die feministischen Forderungen in den globalen Diskurs eingebracht und von multilateralen Organisationen wie zum Beispiel der UN oder der Weltbank aufgegriffen wurden.
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Unser Sammelband wird mit einem Überblick über die aktuellen Theoriediskussionen in der feministischen Ökonomik durch Irene van Staveren eröffnet. Sie identifiziert Anknüpfungspunkte zwischen feministischen und heterodoxen Theorieansätzen, der Sozialökonomie, dem Institutionalismus, dem Post-Keynesianismus sowie dem Capability Approach, die sich auf ein erweitertes Ökonomieverständnis beziehen. Die Gemeinsamkeit zwischen feministischen und heterodoxen Ansätzen besteht darin, dass diese sich kritisch mit den Annahmen der orthodoxen Wirtschaftslehre der Neoklassik auseinandersetzen und von den Annahmen vom freien Markt, exogen gegebenen Präferenzen und rationalen Handlungsmustern Abstand nehmen und ökonomische Prozesse nicht unabhängig von gesellschaftlichen und institutionellen Strukturen betrachten. Irene van Staverens Beitrag stellt darüber hinaus einleitend neuere Arbeiten der feministischen Ökonomik zur Care Ökonomie und zur Außenhandelstheorie vor. Die Aufsätze dieses Bandes beruhen größtenteils auf Beiträgen zu zwei Veranstaltungen zur feministischen Ökonomiekritik, die wir am Fachgebiet „Gender und Globalisierung“ der Humboldt-Universität zu Berlin organisiert haben. In einer öffentlichen Vortragsreihe zur Feministischen Ökonomik im Sommersemester 2007 sowie anlässlich des in Kooperation mit dem Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität veranstalteten Workshops „Geld und Tausch. Transdisziplinäre Annäherungen von feministisch-ökonomischen und kulturwissenschaftlichen Perspektiven“ wurde ein Teil der hier dokumentierten Beiträge vorgestellt und diskutiert. Um dem Band den Charakter eines Orientierungswerks zur feministischen Kritik an der Makroökonomie zu verleihen, wurden diese Aufsätze um zusätzliche Beiträge erweitert. Wir danken allen Autorinnen für die fruchtbare Zusammenarbeit. Ein besonderer Dank geht zudem an Frauke Ebert und Julia Rometsch für die Unterstützung bei der redaktionellen Bearbeitung der Texte. Nicole de Cuir sei herzlich gedankt für das englischsprachige Lektorat.
Berlin, im Dezember 2009 Christine Bauhardt und Gülay Çalar
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Literatur Bakker, Isabella (ed.) (1994): The Strategic Silence. Gender and Economic Policy. London: Zed Books Benería, Lourdes (2003a): Economic Rationality and Globalization: A Feminist Perspective. In: Ferber, Marianne A./Nelson, Julie A. (eds.): Feminist Economics Today. Beyond Economic Man. Chicago: The University of Chicago Press, 115-134 Benería, Lourdes (2003b): Gender, Development, and Globalization. Economics as if All People Mattered. New York, London: Routledge Çalar, Gülay (2006): Ökonomisches Wissen und Politikgestaltung. Zur Relevanz feministischer Ökonomie in Zeiten der Globalisierung. In: Steffens, Gerd (Hg.): Politische und ökonomische Bildung zur Zeiten der Globalisierung. Münster: Westfälisches Dampfboot, 85-96 Çalar, Gülay (2004): Zum Begriff der Konstruktion in der feministischen Ökonomiekritik. In: Helduser, Urte/Marx, Daniela/Paulitz, Tanja/Pühl, Katharina (Hg.): Under Construction? Konstruktivistische Perspektiven in feministischer Theorie und Forschungspraxis. Frankfurt/M., New York: Campus Verlag, 180-191 Dalla Costa, Mariarosa/James, Selma (eds.) (1973): Die Macht der Frauen und der Umsturz der Gesellschaft. Berlin: Merve Elson, Diane (1998): The Economic, the Political and the Domestic: Business, States and Households in the Organisation of Production. In: New Political Economy 3 (2), 189-208 Elson, Diane/Çaatay, Nilüfer (2000): The Social Content of Macroeconomic Policies. In: World Development 28 (7), 1347-1364 England, Paula (1993): The Separative Self. Androcentric Bias in Neoclassical Assumptions. In: Ferber, Marianne A./Nelson, Julie A. (eds.): Beyond Economic Man. Feminist Theory and Economics. Chicago: The University of Chicago Press, 37-53 Ferber, Marianne A./Nelson, Julie A. (2003): Introduction: Beyond Economic Man, Ten Years Later. In: Ferber, Marianne A./Nelson, Julie A. (eds.): Feminist Economics Today. Beyond Economic Man. Chicago, London: The University of Chicago Press, 1-31 Gardiner, Jean (1976): Political Economy of Domestic Labour in Capitalist Society. In: Barker, Diane L./Allen, Sheila (eds.): Dependence and Exploitation in Work and Marriage. London: Longman, 109-120 Harding, Sandra (1986): The Science Question in Feminism. New York: Cornell University Press Haug, Frigga (2006): Geschlechterverhältnisse – Marxistische Theorien und feministische Debatten. In: Niechoj, Torsten/Tullney, Marco (Hg.): Geschlechterverhältnisse in der Ökonomie. Marburg: Metropolis, 73-120 Hoppe, Hella (2002): Feministische Ökonomik: Gender in Wirtschaftstheorien und ihren Methoden. Berlin: Edition Sigma Mandel, Ernest (1969): Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie. 5. Auflage. Frankfurt/M.: Neue Kritik
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Mirowski, Philip/Plehwe, Dieter (eds.) (2009): The Road from Mont Pèlerin. The Making of the Neoliberal Thought Collective. Cambridge, MA: Harvard University Press Strassman, Diana (1993): Not a Free Market: The Rhetoric of Disciplinary Authority in Economics. In: Ferber, Marianne A./Nelson, Julie A. (eds.): Beyond Economic Man. Feminist Theory and Economics. Chicago, London: University of Chicago Press, 54-68 Walpen, Bernhard (2004): Die offenen Feinde und ihre Gesellschaft. Eine hegemonietheoretische Studie zur Mont Pèlerin Society. Hamburg: VSA
Feminist Economics: Setting out the Parameters Irene van Staveren
Introduction1 Feminist economics has developed its position over the past decade, towards a firmer embeddedness in economic science and a source of inspiration for activists, policy makers, and social science researchers in a wide variety of fields of research. This development has come about in a relatively short period of time, as is reflected, for example, in the follow-up book of the feminist economic primer Beyond Economic Man (Ferber/Nelson 1993), published ten years later: Feminist Economics Today (Ferber/Nelson 2003). The strengthened position of feminist economics also shows in the 10-year anniversary of the prize-winning journal Feminist Economics, the flourishing of the International Association for Feminist Economics (IAFFE), as well as the more regular demand for feminist economic policy advice by institutions like the UN, OECD and governments in developed and developing countries, and in well-established training courses in feminist economics, such as at the Institute of Social Studies and the University of Utah2. It is impossible to give a fair overview of the state of the art of feminist economics in the number of pages available, even when limited to issues pertaining to development and macroeconomics3. As a consequence, this is a very sketchy and subjective overview of what I perceive to be recent developments in feminist economics that have relevance for feminist development analysis and policy. The next section recognizes three trends in feminist economics, in par1
This paper draws on my recent work, some of which has been published: van Staveren 2002a, 2002b, 2003, 2004a, 2004b, 2005a, 2005b, 2007, 2008a. 2 At the Institute of Social Studies (ISS), a diploma course was taught in 2004 and 2005, called Feminist Development Economics, which was followed up in 2006 by a short course on Gender and Economic Policy Analysis. The University of Utah offers a three week program on macro economics and gender, with a conference attached to it. 3 A good reference for an introduction to the field is the Elgar Companion to Feminist Economics, compiled by Janice Peterson and Margaret Lewis (1999) which covers one hundred topics in feminist economics.
Feminist Economics: Setting out the Parameters
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ticular the engagement of feminist economists with heterodox schools of economics. The following sections will briefly review developments in methodology and methods in feminist economics. These will be followed by three sections on topics that have recently become key themes or areas of research in feminist economics, in particular in the area of development economics: unpaid labour and the care economy; the two-way relationship between gender and trade; and gender, efficiency and growth. Each of these topics will be introduced, with references to the main literature, and some links to policy recommendations. The paper will end with a conclusion.
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New theoretical trends in feminist economics
In this section, I would like to summarize the recent developments in feminist economics in three trends: first, the movement beyond critiquing the dominant economic theory (neoclassical economics) and its neo-liberal policy implications; second, and in relation to the first point, a stronger engagement with heterodox schools of thought in economics, in particular socio-economics, institutional economics, Post Keynesian economics, and the capability approach; and third, a shift towards the analysis of a two-way relationship between gender and the economy, rather than an exclusive focus on gender impacts of economic processes and policies. Below, I will briefly explain points two and three, thereby, as a consequence, also covering the first one. Feminist economics is one among other heterodox schools in economics, although a relatively recent one. Also, it is important to note that feminist economists have been trained in and are inspired by a wide variety of economic traditions, which also includes neoclassical economics and the mainstream in a wider sense4. Here, I will briefly go into four heterodox traditions and the extent to which they offer support and theoretical, methodological, and analytical insights for feminist economists.
1.1
Socio-economics
Let me start with the school of thought that has been most open to the ideas of feminism and to cooperation with feminist economists: socio-economics. Socioeconomics is a school of thought that came up around the Second World War 4
Mainstream economics is referred to as an expansion of neoclassical economics into the areas of game theory and experimental economics, behavioural economics and evolutionary economics and the new institutional economics.
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and develops connections between economics and sociology. The oldest journal in this area is the Review of Social Economy, but there are more journals on the intersections of economics and sociology. The objective of socio-economics is to provide a richer, more realistic description of the economy and economic behaviour, as a critique of the reductionism of neoclassical economics. Major representatives of socio-economics are, among others, Gunnar Myrdal, who won the Nobel Prize in 1974, John Davis who has published extensively on the individual as socially embedded, Amitai Etzioni, who distinguishes an “I” and “we” paradigm, and Deborah Figart, president of the Association of Social Economics in 2007, who works mainly on labour issues and gender. There are other feminist economists working in the socio-economic tradition, such as Ellen Mutari, Marilyn Power, and Zohreh Emami. Feminist economics and socio-economics have had a rather steady, though low-profile, relationship. This relatively smooth relationship is facilitated by the fact that among the various heterodox traditions, socio-economics is the most open, the least formalized, and the most interdisciplinary tradition. Socio-economists have always recognized gender as a relevant category in economic analysis, be it in labour economics, household economics, or welfare economics. The regular appearance of feminist and gender-aware articles in the Review of Social Economy reflects the self-evident understanding of gender as a social as well as economic category. This almost self-evident inclusion of genderawareness in socio-economics can be illustrated with a quote from Edward Fullbrook in the journal: “When racial and gender stratification in the economic sphere are taken as natural givens, as neoclassical economics tacitly does, then huge classes of economic phenomena disappear from economics’ view. It is only by displacing these naturalist concepts with socio-economic ones, that these phenomenal realms become accessible to human understanding” (Fullbrook 2001: 291).
Socio-economic analyses emphasize the embeddedness of the economy in society at large. An example of this with a gender perspective is Jane Wheelock’s work on small scale businesses as interacting with the household, rather than as a separate entity.
1.2
Institutional economics
The institutional economic school has a longer history, going back to Thorstein Veblen and his path-breaking work on institutions more than a century ago. Institutional economics is concerned with the role of institutions in the economy and
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their evolution. The major journals in this area are the Journal of Economic Issues and the Journal of Institutional Economics. Interestingly, Veblen regularly referred to patriarchal norms as an example of the disruptive role that institutions often play in the economy, leading not only to inequalities but also to inefficiencies. Today, institutional economics seems to be less concerned with gendered institutions. Ann Jennings (1993) has therefore argued that institutionalism may benefit from the feminist critique of Cartesian dualisms such as public/private, economy/family, mind/body, rational/emotional, and competitive/nurturant. This genderedness of dualisms underlying much of mainstream economic understandings of rationality, households, and the division of labour, is key to the understanding of the various levels at which institutions operate, according to Jennings. Indeed, institutions are the object of study in institutional economics and gender is recognized to be a major institution affecting economic behaviour and in turn influenced by economic processes. Examples are labour market segmentation into typical masculine and feminine jobs, or an open, more communicative managerial style often attributed to female leaders. Ann Mayhew (1999) has summarized the methodological parallels between feminism and institutionalism, emphasizing a shared understanding of the cultural specific and socially constructed economic reality. William Waller, in an article with Jennings, appears a bit less optimistic about the intersections between institutionalism and feminism. Waller and Jennings (1990) caution that institutionalists may not have paid enough attention to the risk of slipping into the Cartesian dualisms referred to above. They alert us to the influence of culture on knowledge creation, which may blind our view on certain issues, such as gender. It is therefore that they advise us to “… look at the cultural process of inquiry as outsiders to better see the prejudices embedded within it, and employ a method similar to the one that Thorstein Veblen applied to his inquiry into modern industrial economies” (Waller/Jennings 1990: 618).
One of the research areas where this Veblenian approach is continued is the household, because, as Anne Marie Goetz has stated, the family and the household are “(…) the primary institution[s] in which women’s entitlements and capabilities are so distorted as to undermine their capacity to manage transactions to their advantage in other institutions” (Goetz 1997: 5). So, whereas gender norms in general may be regarded as an institution, the specific expression of such norms will often be mediated through other institutions, such as the household, the labour market, property rights, or public services, to mention just a few gendered institutions. Diane Elson (1999) therefore has recognized institutions in general as frequently being ‘bearers of gender’. This leads to a re-interpretation
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of institutions as often expressing an asymmetry in the way they affect groups in society. Of course, norms are not unanimously shared but tend to be continuously contested. They are challenged, evaded, bended, and negotiated, leading to a process of institutional change. In the words of Nancy Folbre: “(…) this does not imply that the ‘game’ is completely conflictual; merely that certain solutions to coordination problems offer opportunities for collective ‘rentseeking’ (efforts to use power to get money) and aggrandizement” (Folbre 1994: 2).
In the case of gender norms, the collective interests driving certain institutions are likely to be male interests, although these should not be simply understood as conscious collective action of men. To the contrary, as Goetz has pointed out, “‘men’s interests’ are presumably just as difficult to identify ‘objectively’ as women’s, nor is the category of ‘men’ any more valid as a universal than is the category of ‘women’. The historical record, however, does show that men tend to act, across divisions like class or race, more cohesively than women do in defence of certain gender interests, and they do so in ways which mean that public institutions help to forge connections between men’s public and private power” (Goetz 1997: 17).
1.3
Post Keynesian economics
The third heterodox tradition to be included here is Post Keynesian economics. As the name indicates, it adheres to the economic tradition of John Maynard Keynes whose major work was written between the two World Wars. He developed a new macroeconomic analysis and macroeconomic policy tools in reaction to the 1929 Great Depression, with an active role of the government in order to redress the devastating role of markets in times of crises on employment, income, consumption and investment. The first representative of Post Keynesian economics was Joan Robinson, who herself contributed importantly to the tradition in her work on market power. Today, the major proponents of this school of thought are, among others, Paul Davidson, Geoffrey Harcourt, Fred Lee and Sheila Dow. Most Post-Keynesians are based in the UK, where the school of thought was established. The major two journals are the more narrowly focused Journal of Post Keynesian Economics and the broader oriented Cambridge Journal of Economics, the last one also publishing on gender. In general, the interest in gender issues in Post-Keynesian economics is rather limited. Nevertheless, feminists have discovered several useful characteristics of Post Keynesian theory that would recommend it for the analysis of gen-
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der in the economy. Colin Danby has listed five of these: “situated subjects; reflective situated subjects; patterns of interaction; structured aggregates; an open future” (Danby 2004a: 60). At the same time, he has also identified three gender blind spots in the Post Keynesian tradition: “an undersocialized entrepreneur as the maker of investment decisions; a market/nonmarket divide that ignores and devalues household activity; a neutral, powerful state and law of contract” (ibid.: 61). In a more practical sense, feminist economists benefit from the core theoretical stances of the Post Keynesian tradition, which distinguish it so much from neoclassical economics: the recognition of uncertainty in economic life, instead of the assumption of perfect information; the recognition that the economy is mostly not in equilibrium, and hence, markets are characterized by excess demand or excess supply; and the understanding of endogenous dynamics causing economic growth but also financial crises and unemployment. There are a few feminist economists who do interesting work on macroeconomics and gender, drawing on some Post-Keynesian insights. Examples are research by Stephanie Seguino on gender inequality in export industries, and by Antonella Picchio on the role of unpaid work in the macroeconomic flow. At the same time, Post Keynesian policy analysis can benefit from feminist insights such that both perspectives could re-inforce each other. Let me illustrate this with an example on the propensity to consume (the share of individual or household income spent on consumer goods). In Post Keynesian economics, there is some awareness about the relationship between the different economic roles that people have in the economy, as workers, consumers, entrepreneurs, savers, investors, tax payers, and so on. This awareness is reflected in the Post Keynesian recognition that supply and demand are interdependent. Feminist economists provide an explanation for this interdependence by drawing attention to the household, the location where different roles meet, both in one person carrying out more than one role, and in the interaction between individuals belonging to the same household, each with their own, but possibly overlapping, set of roles (van Staveren 2001). Post Keynesian analyses have shown that the propensity to save tends to be higher from capital incomes relative to wage incomes. It is well known, for example, that a higher share of women’s income is spent on – necessary – household consumer goods compared to men’s income which is spent more on personal – luxury – goods, which in turn may have a higher import and capital share than necessary goods (Dwyer/Bruce 1988; Pahl 1990). A feminist Post Keynesian policy conclusion from these combined insights would be that more income in women’s hands, either through more hours of paid work for women and lower wage gaps with men, or through increased decision making power of women over household income, might lead to more aggregate consumer spending, on more domestic wage-intensive goods, stimulating aggregate
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demand stronger (through higher consumption and lower imports) than an equal amount of income in the hands of men.
1.4
Capability Approach
The fourth heterodox stream of thought with which feminist economists engage is the interdisciplinary Capability Approach, and the work of Amartya Sen more generally5. The major journal that publishes on the Capability Approach is the Journal of Human Development. A case in point is the publication of a double issue of Feminist Economics in 2003 dedicated to the work of Sen and focusing on the capability approach, although not without critiques. This is an approach to the analysis of poverty and wellbeing that has tried to find a middle ground between purely subjective theories of wellbeing on the one hand, such as the preference-based neoclassical paradigm, and, on the other hand, purely objective theories focusing on needs and goods. Capabilities are understood as potential wellbeing achievements, (the achievements are called functionings), and hence as freedoms to be or to do what one has reason to value. Capabilities can be gendered in the sense that men and women may value them differently, or develop them unequally, due to socialisation and gendered institutions such as the gender division of labour. In his research on poverty and famines in India, Sen had come across the problem of adaptive preferences, referred to as a practice among the most deprived of accepting their grim fate as a matter of fact, adapting their expectations of life accordingly. He found this psychological mechanism to be most dramatic in a social structure of great gender inequality, exemplified by a situation in which women expressed less dissatisfaction with their lives than men, even though their objective situation was clearly worse (Sen 1990). Martha Nussbaum has elaborated the gender dimension in the capability approach and differs from Sen in several respects (Nussbaum 2000; 2003; Glover/Nussbaum 1995). Most importantly, she consistently speaks of capabilities, in plural, emphasising the incommensurability between different capabilities, as well as their interconnectedness. This has led her to develop a list of ten capabilities, such as health, bodily integrity, reflection, play, and affiliation, which is far more detailed than the commonly used indicators of human development used in the capability approach, such as the GDI: Gender Development Index (UNDP 1995). Various feminist economists have engaged with the Capability Approach, in particular Ingrid Robeyns, who connects the approach to 5 Amartya Sen is a founding member of IAFFE, member of the editorial board of Feminist Economics and enthusiastic supporter of feminist economics.
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political philosophy, and Bina Agarwal, in her work on women’s land’s rights and empowerment. As the above brief overview suggests, feminist and heterodox economists share a common interest in challenging mainstream economics and addressing issues of power in the economy. A stronger mutual engagement between feminist and heterodox economists is likely to bring new, valuable insights into the analysis of gender dimensions in the economy, as well as into possible policy alternatives. This brings me to the last trend that I mentioned at the beginning of this section: a shift from the analysis of a one-way to a two-way relationship between gender and the economy.
1.5
Two-way relationship of economy and gender
Gender is no longer analysed exclusively in terms of gender inequalities in economic variables, such as employment or wages and as the differential impacts of economic processes and policies on men and women. Gender is also understood as, first, shaping market processes in terms of access to and control over resources, such as education or incomes, second, as shaping people’s choices, for example in segmented labour markets, and third, as being inherently part of macroeconomic trends, for example through fluctuations in the female labour force participation rate or in responses to crises though increases in the supply of unpaid labour. In short, gender is more and more understood not only as an exogenous variable (coming from outside the economic system, from culture, social relations, nature, or laws), but also as endogenous – shaping and being shaped by particular economic processes, conditions, and outcomes. Because of this more differentiated understanding of the relationship between gender and the economy – as a two way rather than a one way relation, as partially positive and partially negative, and through exogenous as well as endogenous gender variables – simple, straightforward conclusions on the benefits or drawbacks of certain economic processes or policies for women can no longer be defended. Therefore, feminist economic analysis increasingly focuses on the particular economic context in which policies to reduce gender inequalities may be diminished without hampering sound economic policy objectives. For economic policies this implies that gender equality in wellbeing becomes one of the objectives, with economic variables like GDP growth, inflation rates, or trade barriers functioning as nonbinding but negotiable constraints.
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Reflections on methodology and methods
In feminist economics, there are lively debates and important contributions to economic methodology (see, for an interesting collection of recent contributions on feminist economic philosophy: Barker/Kuiper 2003). Due to a lack of space, I can only refer to one such debate that was published recently in Feminist Economics on the question whether feminist economics should be based relatively more on epistemology (the theory of knowing) or on ontology (the theory of being, also referred to as realism). The debate was set off by philosopher and supporter of feminist economics, Tony Lawson, in an article in the journal entitled ‘Feminism, Realism, and Universalism’ (Lawson 1999) making the case for ontology (realism). His paper later appeared as a chapter in his book on ontology in economics (Lawson 2003a). It provoked a remarkable set of comments by feminist economists – some of these highly critical – which was published in Feminist Economics as a dialogue, in 2003, including two responses by Lawson. His objective was “to argue that (…) there are possible advantages to feminist explanatory and emancipatory projects from engaging (or engaging more fully) in the sort of explicit ontological analysis associated with modern versions (at least) of scientific realism” (Lawson 2003b: 219).
In his view, feminists too often reject universalism wholesale (rather than only reject a priori universalism as expressed in values, experiences, objectives and interpretations of dominant groups), which would “be debilitating for the feminist project” (ibid.). The responses to his article agree unanimously with his critique on formalistic modelling, whereas they disagree almost unanimously with Lawson’s universalism underlying his arguments on epistemology and emancipation. So, what does realism offer to feminism? Most importantly, Lawson claims, realism enables feminists to study gender as an ontological category, that is, as a real kind of entity rather than (only) as a representation of certain beliefs. Since gender, and its derived concepts such as gender-relations, gender-inequality, and gender-roles, is at the heart of feminist research, including feminist economics, the potential contribution of realism to feminist research is not trivial. Lawson hastens to emphasise that an ontological understanding of gender does in no way imply essentialism: “… there is nothing essential to scientific or ontological realism that supposes or requires that objects of knowledge are naturalistic or other than transient, that knowledge obtained is other than fallible, partial and itself transient, or that scientists or
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researchers are other than positioned, biased, interested, and practically, culturally, and socially conditioned” (Lawson 2003a: 220).
The feminist participants in the dialogue, however, are not convinced, as they notice a strong universalist claim in his defence of realism6. This disagreement underlies much of the dialogue. Lawson perceives an understanding of realism among feminists that reduces this philosophy to a simple, naive version of realism, from which he distances himself. The feminists in the dialogue, however, perceive a strong version of universalism in his position, that is, essentialism, a claim about the nature of human beings, a claim against which the whole project of feminism is set up, in particular post-structuralist feminism. So, the dialogue centres around the opposition between essentialism on the one hand and relativism on the other hand. On naïve realism, Sandra Harding (1999) agrees with Lawson that this version does not do justice to realism. At the same time, however, she explains that strategically, feminists have found it more helpful to argue from an epistemological perspective, in order to be heard in the scientific debate (and get research funding, for example), than from a realist perspective, in which they often remain marginalised. But there is more than strategy to the feminist preference for epistemology and standpoint theory, expressing the situatedness of knowledge. Fabienne Peter (2003) draws the attention to Lawson’s assumption of a common human nature, referring to a genetic constitution and species-wide needs and capacities, which could be studied in analogy to the study of physical objects in the natural sciences. This assumption, Peter points out, denies the problematic character of science itself, and the still largely positivist science practices in economics. She argues that Lawson appears to suffer from this bias himself, with his notion of ‘judgemental rationality’ which seems to stem from a positivist conception of objective scientific explanation. Drucilla Barker (2003) elaborates this point by questioning the grounds of the presumably shared interests, needs, and motives of human beings – between women and men, but also between women or any other group. Referring to Donna Haraway (1988), Barker (2003: 107) clarifies that “collective subject positions are always socially constructed and partial”. Zein-Elabdin (2003: 333) therefore proposes, from a postcolonial perspective, a feminist economic philosophy of hybrid subalternity, which she defines “as subordination deriving from heterogeneous sources rather than a single axis such as gender or colonial subjectivity”. She explains that such a
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Feminist economist Charusheela (2005), however, published a book in which she analyses two ontological positions in development economics (on deflation), an individualist and a structuralist one, with the last one having (some) attention to gender issues.
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philosophy should be non-modernist and grounded in a self-critical approach and ethical sensitivity to subaltern difference: “This framework remains feminist to the extent that it is partially anchored in a concern for women’s welfare; however, it is paradigmatically guided by the multiformity and instability of difference, and is deeply aware of its own complicity in the cultural hegemony of economic discourse” (ibid.).
In his reply to the comments, Lawson (2003b: 128) re-states the objective of his chapter, as “to encourage consideration of an ontological turn in feminist theorizing.” But the dialogue that followed on his initial contribution signals that this objective, modest as it may seem, has a problematic undertone. What about a feminist turn in realist theorizing? In other words, what about a discourse in which both feminism and realism are open to mutual influencing? This seems even more desirable in the light of what Harding recognises as an oversight in Lawson’s assumption of a feminist neglect of major messages of realism. She argues that much of Lawson’s advise on ontology to feminists is ill-informed about what feminist theorists already do, and for quite some time have developed thoughtfully within feminist discourses of philosophy. She refers to work by feminist theorists from the mid-1970s onwards which “has largely already made the claims Lawson ‘proposes’ (Harding 1999: 131).” Indeed, she argues, his suggestions on acknowledging situated knowledge “are the main points of standpoint theories” (ibid.), but she finds them argued stronger in standpoint theory than in critical realism. Which methods? Feminist economics is ambivalent about the use of formal models and econometrics. In particular, feminist economists are critical about applying quantitative techniques to the study of care (Folbre 1994; Nelson 1996; Himmelweit 2003). For the study of unpaid labour and care, the limitations of modelling as I have analysed them (van Staveren 2005a) confirm the appropriateness of the practice popular among feminist economists to draw also on other quantitative techniques and in particular on a combination with qualitative methods. We need both quantitative and qualitative methods, in order to further our understanding of unpaid labour and care. At the same time, many empirical feminist studies rely, nevertheless, on econometric methods such as regression analysis, in particular in the analysis of paid work and policy evaluations. But empirical feminist economists use models in a rather pragmatic way. For example, Rebecca Blank and Cordelia Reimers (2003) argue that
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“[d]espite its limitations, we believe the economic model, even in a relatively simple version, can serve a useful purpose if it is used to provide a null hypothesis against which more complicated possibilities can be compared” (ibid.: 159).
They continue by arguing that “… the choice-based economic model provides a framework within which to examine the effects of frictions and market imperfections. The model provides a way to think about the impact on outcomes of limited information, of transaction costs, of discrimination in wages, or of other constraints. … The model allows one to think rigorously about such questions in a way that we find highly useful” (ibid.: 159f.).
They particularly refer to childcare issues and expect models to be able to answer questions such as: “Is child care a ‘lumpy good’, that is, a good that can be purchased only in certain set quantities?” Or “How will differences in child care prices affect female labour supply?” (ibid.: 160f.). Indeed, within econometrics, there are opportunities for including, to some extent, feminist alternatives to the commonly used techniques. For example, Brigitte Bechtold (1999) has sketched out what a feminist econometrics might look like. She starts by listing ten practices in econometrics that she labels as non-feminist, including the violation of random sampling for gender differences, the emphasis on monetary variables, and the use of dummy variables as a way to accommodate gender differences. She argues that some types of modelling do better than others, while she deems time-series analysis as particularly problematic. However, she does not imply that we should therefore discard econometrics, but rather use it more carefully and with more attention to data gathering. Instead, she recommends eight ‘feminist econometric habits’: look for higher tvalues; use limited dependent variable methods; avoid technical corrections for serial correlation (they may hide misspecification); avoid dummy variables; use survey and experimental methods; link to findings obtained in other disciplines; avoid re-affirming the status quo; and replace deductive hypothesis testing with inductive methods of analysis. Interestingly, this last recommendation comes close to Lawson’s recommendation of contrastive explanation as an alternative to formalistic modelling – apparently, modelling and inductive methods are not necessarily mutually exclusive. Bechtold even suggests that induction can be done through formalistic models, applying mathematical proofs. A ninth feminist econometric habit might be added to Bechtold’s list, stemming from the critiques by Deirdre McCloskey on the abuse of statistical significance tests in regression analyses, which she has illustrated, among others, with references to cost-benefit analyses for programmes for the prevention of breast cancer (McCloskey 1994; 2000). McCloskey advises to always complement statistical significance test
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with a substantive significance test, addressing the question of how much a statistical finding really matters for our understanding of a particular phenomenon, or for policy advise.
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The unpaid and care economy
Feminist economists have proposed an alternative definition of economics, allowing other transaction modes than exchange, including unpaid work and care giving, and allowing other motives than self-interest. Julie A. Nelson (1996) has characterised the economy as the human activity of provisioning, followed by Marilyn Power (2004) who has proposed to re-define economics as the science of studying social provisioning. This characterization involves the following five methodological starting points, according to Power (2004: 4f.): Unpaid work and caring labour are vital parts of any economic system; human wellbeing should be a central measure of economic success; human agency is important; ethical judgements are valid, inescapable and a desirable part of economic analysis; and women, like men, are a heterogeneous category of agents. Unpaid work is an economic category and is endogenous to the economic process, for example in relation to labour supply. Indeed, labour is a produced production factor: Cloud and Garrett (1997) have argued that part of human capital is generated through caring at home as well as caring in other social environments. Apart from unpaid work, caring is part and parcel of the economy as well. Caring is a motivation, which involves attentiveness to others’ needs, as well as a responsibility to address these needs (Tronto 1993), and may be part of the decision making of consumers, investors, entrepreneurs, workers, and employers. Caring implies carefulness, which suggests risk aversion and a tendency to reduce uncertainties by spreading activities and combining roles, or, at least, to provide buffers against uncertainties (van Staveren 2001). Hence, caring generates agency effects, which make agency far more diverse and complex than the following of self-interested, utility maximising algorithms. While in Post Keynesian economics so called ‘animal spirits’ have been praised as an optimistic risk-taking motivation of investors, which may involve speculation leading to bubbles and crises, feminists’ attention to the economic role of caring might be regarded as ‘caring spirits’, functioning as a buffer against the uncertainties and risks following from actions based on ‘animal spirits’. Therefore, risk-taking behaviour, in particular in the uncertain environment of financial markets, on the one hand, and caring behaviour, largely carried out in and for households, on the other hand, might be regarded as each other’s complements, in which the first assumes the availability of the second in case events may turn out worse than
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expected. It may even be such, that in the case of the power held by the investment decision maker over the choices of other household members, that ‘animal spirits’ may result in unjustified optimism, resulting in excess risk taking investments, while shifting the negative consequences of this behaviour to the other providers of the household (van Staveren 2002a; 2008b). Parallel to such a Post Keynesian feminist economic understanding of caring in a risky environment, Antonella Picchio (2003) has integrated unpaid work and caring in the circular flow diagram, and arguing that with an increasing ratio of profits over wages, households are likely to increase their unpaid production to make up for the income loss resulting from a lower wage sum. Some researchers of unpaid work and care use the capability approach (Chiappero-Martinetti 2003; Jochimsen 2003). Enrica Chiappero-Martinetti has related money income and the value of unpaid work to wellbeing, using fuzzy sets to analyse data covering over 60,000 individuals. She has operationalised the capability approach by distinguishing five functionings: housing conditions, health, education & knowledge, social interaction and psychological state. She found that women score, on average, lower than men. She suggests that this may well be due to the fact that women spend much more time on unpaid work than men and that the benefits of this work mainly contribute to the functioning of the other household members − men, children and adult offspring. However, we still know very little about how unpaid work and caring affect women’s and men’s economic positions. That is because unpaid work and care, as economic activities, have a wide variety of dimensions, just like many other forms of economic activity. Unpaid work and care cannot be characterised by just one variable – it has been analyzed over the past decade in an amazing variety of ways. Below, I will summarize seven of these understandings of unpaid work and care in feminist economics. 1. Caring agency Care is an expression of agency to others. Rationality, hence, cannot be reduced to self-interest but is a complex process of deliberation, which expresses an agent’s values, including values such as fairness and values of care (van Staveren 2001). Since caring is an interpersonal activity, there is an important distinction to be made between the wellbeing impact of a caring activity on the agent herself and the wellbeing impact on the care receiver (in the case of other-directed care), which may be opposite, as the care giver may see her wellbeing reduce (for example a reduction in leisure time) to the benefit of the care receiver (Himmelweit 2003: 248f.).
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2. Unpaid work and care as productive Unpaid work and care have been recognised as labour, effort, productive activity, rather than leisure or the assumption that it is ‘what women (ought to) do’. Moreover, unpaid work has also been recognised, in particular by Marxist feminists, as the process through which the labour force is reproduced, both in the long run, generating the next generation in the labour force, as well as in the short run in the daily care given to workers to enable them to resume their work the next day (Folbre 1994). In other words, labour supply is not an exogenous variable proportionate to population growth, but a production factor that is in itself (re-)produced (Elson 1995). Hence, care may have a production function with unpaid work as a major input. 3. Caring capabilities Care is more explicitly part of certain – paid and unpaid – sectors of the economy and professions attached to these sectors, for example, health care, childcare, and personal services. The care component is crucial in these professions and often constitutes the quality of the job for the worker as well as the quality of the service for the client (England/Budig/Folbre 2002). At the same time, the caring characteristics of care sector jobs are often not recognised as skills and effort but taken for granted as ‘women’s natural characteristics’. Therefore these skills and efforts often remain undervalued, which leads to low job qualifications (as low skilled labour) and consequently to low pay (Badget/Folbre 1999; Nelson 1999), or invisibility in the case of unpaid caring work. In addition, capabilities of caring, as skills and attitudes can spill over to agency in non-caring economic activities such as investment or trade (van Staveren 2002b). 4. Opportunity costs of unpaid work Unpaid work is time consuming, that is, it takes places in real time and because of its nature it cannot reap substantive productivity gains by increasing capital intensity, division of labour, or economies of scale since it is bound to intensive human interaction. This time intensity implies that unpaid work involves substantive opportunity costs, as has been stressed by the UN in the Human Development Report at the Women’s conference held in Beijing in 1995 (UNDP 1995). Given the asymmetric gender distribution of unpaid work as measured in time-use studies, it imposes a constraint on female labour supply. As a consequence, on average, women tend to be, at least partly, financially dependent upon men (Plantenga 2002). These negative impacts of unpaid work, and women’s
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disproportionate contribution to this domain, have initiated research that measures the opportunity costs of (women’s) unpaid work time (GoldschmidtClermondt/Pagnossin-Aligisakis 1995). There are different methods for measuring these opportunity costs, such as wage rates, which can be disaggregated for level of education, or market prices for comparable caring activities, such as the price for preparing meals or caring for children. 5. Substitutability between unpaid work and care, the market and the state Many goods and services that are produced with unpaid work and caring have a (imperfect) substitute in the market or the state: childcare, meals, cleaning, nursing, and many others. Depending on general economic conditions, households substitute between the three domains of market, state and unpaid economy. What has become clear from studies of structural adjustment and financial crises is that when reduced purchasing power at household level forces a decline in consumption goods obtained in the market, and when public services are reduced due to public expenditure cuts, unpaid work and caring tend to provide, to some extent, substitutes for these goods and services, thereby limiting the loss in wellbeing at the household level (Benería/Feldman 1992; Bakker 1994; van Staveren 2002a). In macroeconomic terms, unpaid work and caring seem to behave as a countercyclical response to unemployment and lost income during economic downturns (Ertürk/Çaatay 1995). This means that when employment and income go down, unpaid work goes up and so does the consumption of goods and services produced with unpaid work. This substitution of paid by unpaid work helps to keep standards of living up to minimum levels. 6. Autonomous care Care has been recognised as a core human and moral activity that is partially autonomous and therefore independent of economic activity in the market and the state and hence not substitutable because of the specific values that it represents (Tronto 1993; van Staveren 2001). Apart from the various economic dimensions and meanings of care as mentioned above, care is also a moral activity, expressing cultural meaning, as well as embedded, shaped, and challenged in social structures. This is often referred to as the paradox of care (Folbre 1995): It is in the first place moral, cultural, and social activity, not exchanged in the market, carrying no price, while at the same time it often involves labour, is productive (although sometimes invisibly so) and implies opportunity costs (if not in time than emotional). Hence, caring is an activity that is partly independent from economic processes and the value of money, and therefore it has an autonomous
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part that is not substitutable with market and state activity. Too much pressure on caring may crowd out the minimal levels of care necessary to sustain households, to improve the wellbeing of children and to develop human resources in general. 7. Power, norms and gender in unpaid work and care Last but not least, unpaid work and care have been understood by feminist economists as a highly gendered activity with gendered meanings, asymmetrically distributed over men and women. Not all unpaid and caring work that women do result from their own choices (the agency aspect mentioned above) but it is partly the result of social norms that are highly gendered (Badget/Folbre 1999; Nelson/England 2002). The social norms both determine what activities should be carried out through unpaid work, and they determine who should do these tasks. The result of these gendered social norms regarding unpaid work is that this work is perceived as low status work and is predominantly carried out by women. As a consequence, economic theory, empirical analysis as well as economic policies should be gender-aware, recognising the asymmetric distribution of unpaid work and caring over men and women, as well as the gendered opportunities and constraints for women’s economic position that result from this asymmetry.
4
Gender and trade
Diane Elson (1995) has developed the so-called micro-meso-macro approach to studying the gender impacts of macroeconomic policies. The approach focuses on the linkages between the micro and macro levels through households, structured labour markets and other structured markets (land, credit), gender asymmetries in institutions (welfare regimes, property rights, childcare arrangements, tax systems), and macro economic policies (trade, privatisation, devaluation). At the same time, the micro-meso-macro approach recognizes trends in macroeconomic variables, such as export volumes or GDP growth rates that are partly driven by gender relations (female labour force participation, household dependent agricultural export supply response, female or male intensive employment sectors). So, the micro-meso-macro approach enables a two-way analytical framework for the analysis of gender and the economy, moving back and forth between the micro and macro level of analysis. As an example, let me list some possible impacts of the relationship between gender and trade below. Trade can have the following impacts on gender variables:
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gender equality (for example in unemployment rates or wages) feminization of poverty (income, time poverty, human development) Millennium Development Goals (MDGs) as outcomes of poverty of men and women perpetuation of gender stereotypes (including labour market segregation) women’s empowerment (such as financial independence, or decision making power in the household) hours of unpaid work and caring by men and women
At the same time, existing gender structures and relations can impact upon trade outcomes. Gender can have impacts on trade in the following ways:
trade volume and trade balance trade pattern (resource based or manufacturing or services; which are the major trading partners in the region and external; stability of pattern; terms of trade; financial flows: origins, destination, breakdown between FDI and portfolio investments) sustainability of trade balance and trade pattern incl. food security sustainability of financial flows (balance of capital account as well as distribution of short term and long term capital) GDP growth (share of (EX-IM) in GDP, value added of exports, Total Factor Productivity (TFP) in export sector compared to non-trade sectors, forward and backward linkages and subsequent employment creation of export industry or FDI, tax revenues from foreign-owned export firms) macro economic stability (trade balance, dependence on foreign investment in relation to domestic savings, balance between government spending on attracting and keeping FDI in exports and tax revenues from FDI production and export; impacts of trade balance on the value of a currency or necessary reserves in the central bank; volatility of prices in export markets, currency, and financial markets (interest rates)) moral hazard in financial markets, when bail-outs and/or the buffer function of the care economy allow excessive male rent seeking which leads to instability
In the area of trade, feminist economists have done an impressive amount of research (see also van Staveren/Elson/Çaatay/Grown 2007), analysing gender impacts of trade as well as trade impacts of gender. This has not only resulted in interesting empirical findings, but has also led to the development of heterodox feminist analytical approaches (for a set of five mainstream and heterodox approaches, see van Staveren 2005b). I will go into three of these here: a gender-
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Irene van Staveren
aware value chain approach, a feminist structuralist approach, and the gender elasticities of trade approach.
4.1
Gender-aware value chain approach
Value chain analysis focuses on the vertical linkages between firms, both upstream and downstream. The value chain perspective draws attention to the sequence of activities stemming from product conception to the final consumer, involving trade between two or more countries along the chain. Control of a value chain neither requires owning the manufacturing operation nor direct management of all activities, as many value chains are characterised by subcontracting (Cowling/Sugden 1993). In value chains that produce and sell labour-intensive consumer goods, which often involve a large share of female workers, the leading actors are often large retailers, (ex-) manufacturers of established brand names and import-wholesalers. In such buyer-driven chains these lead firms to “… act as strategic brokers in linking overseas factories with evolving product niches in the main consumer markets…” (Gereffi 1999). This dependence on a small number of global buyers runs the risk of remaining lockedin to low skill and low value added export production, which limits the gains from trade for the exporting country (Hobday 1995) – a lock-in to low-road development. In turn, such lock-in into low-value added production prevents export producers from investing in the upgrading of skills and acquirement of new technology, and in turn preventing its employees from increasing their human capital and improving their wage levels through productivity increases. Since most buyer-driven value chains are in female intensive sectors, such as garments, microelectronics and agricultural processing, such value chains are likely to prevent improvements in the labour market position of female employees (beyond, obviously, an expansion of female employment). Recently, some research has been done on gender in global value chains which seems to confirm this disadvantaged position of women workers both as employees as well as own-account workers through sub-contracting at the lower end of the value chain. For an example of a gender-aware approach to value chain analysis, see Stephanie Barrientos, Catherine Dolan, and Anne Tallontire (2003), and also, in a more general sense, Marilyn Carr and Martha Chen (2004). Data collection occurs through surveys, interviews and meso-level techniques of key persons, such as a meso-card workshop, in which participants discuss the main challenges they are faced with (see, for example, Knorringa/van Staveren 2005), for example in their roles as subcontractors or as home-based workers at the bottom of a value chain. Data collected through these varied methods can subsequently be
Feminist Economics: Setting out the Parameters
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analysed in a gender-aware value chain analysis, as proposed, for example, by Barrientos, Dolan and Tallontire (2003). In particular, they have developed an analytical scheme of three interlinked levels of a so called ‘gender pyramid’ used to assess the gender awareness of codes of conduct in a value chain at three levels: formal employment, informal employment, and reproductive work. Subsequently, the authors have carried out a gender mapping of relevant codes of conduct for each value chain, in which they have assessed whether particular labour standards have been covered by these codes and to what extent each of these labour standards pay attention to gender issues. But a gender-aware value chain analysis need not necessarily focus on codes of conduct. The approach may also address wider labour issues such as gendered job segregation or the gender wage gap, as well as the question to what extent involvement of female subcontractors in a global value chain provides better income security or opportunities for upgrading towards higher value added activities with higher profit margins, compared to supplier relationships outside global value chains (see also relevant political economy questions posed in Carr/Chen 2004).
4.2
Feminist structuralist approach
Structuralist models, contrary to the general equilibrium models of neoclassical economics, do not assume market-clearing in the labour market, but allow for unemployment and a fixed nominal wage rate. In addition, many structuralist models (relying on Post Keynesian insights) assume excess capacity, which leads to a demand for labour as a function of the supply of goods and services, and an oligopolistic market structure (that is, a market in which a few big firms have market power). A structuralist model may be supplemented with an exogenous level of investment in line with the Keynesian theory of money, reflecting ‘animal spirits’. As a consequence, such structuralist models are determined at the demand side, that is, income equals the value of output, consumption is a fraction of income and output adjusts to satisfy the aggregate demand-supply balance. For the analysis of gender and trade, there are at least three examples of this type of models (Darity 1995; Ertürk/Çaatay 1995; Warner/Campbell 2000). Each of these models has brought gender into the structure of the economy as follows:
inclusion of the unpaid economy or care economy gender division of labour in the household norms stipulating female care giving to males and children unpaid production substituting for paid production
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Irene van Staveren
At the household level, gender asymmetries might be pictured through a ‘coercion parameter’ (Darity 1995). This parameter is a measure of a society’s patriarchal power, leading to gender inequalities. Recently, the OECD has produced an online database GID (Gender, Institutions and Development Database, URL: http://www.oecd.org/document/16/0,3343,en_2649_33935_39323280_1_1_1_1, 00.html). This database provides the data for such a coercion parameter, a number between zero and one, for most countries in the world. The data include, among others, the average age of marriage of women, legal protection against violence against women, and the prevalence of female genital mutilation. At the macro level, the analysis may focus on the substitution of women’s paid and unpaid work in relation to the business cycle, as Ertürk and Çaatay (1995) have done, or in relation to trade, either through women’s export production labour or through loss of jobs in the import competing sector. Feminist structuralist models allow not only for gender differentiation in the paid economy, but also in the unpaid economy, revealing, for example, substitutions between paid and unpaid work and how the productivity of unpaid work is affected by macroeconomic factors. Others have focused on gendered labour market outcomes (Blau/Kahn 2003; Houston 2005). For example, Ellen Houston (2005) has applied a neoSchumpeterian model to analyse the impacts of the gender wage gap on trade performance. That model does not rely on comparative advantage but on competitive advantage (which includes not only the use of relatively abundant production factors but also relatively low costs due to the manipulation of social structures, norms, government policies, and market power of firms). The model can address the question of whether gender structures (such as laws, discrimination in labour markets, or low female unionization rates) function as competitive advantages for some industries and countries7. Houston’s conclusion from applying the model to North-South trade is that the gender wage gap is an important determinant of exports for OECD countries, and even more relevant than the relative unit labour costs. Her paper also shows that gender inequality does not necessarily prevent countries from following the ‘high road’ to development8: for high road countries, the gender wage gap appears to be insignificant in explaining the export share while for low road countries it is highly significant.
7
More gender equality does not necessarily reduce competitiveness, if it equally enhances female labour productivity. 8 Ute Pieper (2000) suggested 3% productivity growth and 3% employment growth as a crude measure distinguishing high road from low road development.
Feminist Economics: Setting out the Parameters 4.3
39
Gender elasticities of trade
This method, developed by van Staveren (2003b), is strongly policy-oriented, as it is meant as a tool for policy makers to mainstream gender equality goals in trade policies. The indicator is formulated as an elasticity (measuring the reaction of a variable to a change in another variable, such as quantity demanded as a response to a price change). Trade elasticities of gender inequality bring together trade and gender variables in a ratio, in which the denominator measures changes in trade volumes, whereas the numerator measures changes in gender inequality. Obviously, such a simple indicator suffers from serious limitations. In particular, elasticities do not imply any causal relationship, not even a correlation, between the two variables expressed in the numerator and denominator. The major methodological limitation of an elasticity is aggravated when applied to trade impact analysis. This is because it is very difficult to distinguish between the effects of trade and the effects originating from other factors and it is almost impossible to distinguish between the impacts of trade among two trading partners on the one hand and impacts of trade with third parties on the other hand. The denominators of the elasticity can be calculated in three different ways:
trade volumes as a share of GDP of a country or a region bilateral or regional trade volumes as a share of total trade of a country or region openness measured in percentage tariff reductions
For the numerators, there is a potential wide variety of variables available for measuring gender inequality, but data limitations as well as limited availability of research on gender effects of trade leaves only a small number of variables to be included in the indicators. These are variables measuring poverty, employment, wages, time use, childcare, and household food security. These variables are for many countries unfortunately only available at the aggregate level, while trade impacts can be expected to differ between sectors of the economy, in particular between export sectors, import competing sectors and the domestic sector. Nevertheless, they may provide a rough picture of the state of the art of gender inequality among trading partners, and may point out areas for in-depth research at the sector level. Here are some examples of gender elasticities of trade for which there is data available in international statistics, for many countries:
Trade elasticity of the gender gap in earned income Trade elasticity of gender inequality in export employment Trade elasticity of gendered job segregation in the import competing sector
40
5
Irene van Staveren Trade elasticity of the gender wage gap Trade elasticity of the gender gap in unpaid labour time.
Gender, efficiency, and growth
Feminist economists reject the mainstream assumption that economic growth will automatically bring a reduction in gender inequality. Ronald Inglehart and Pippa Norris (2003: 5f.) conclude from their cross-country research that “growing affluence does tend to generate the expansion of literacy and schooling, the establishment of a social protection safety net, and the rise of white-collar jobs in the service sector, but this process is not inevitable. Nor does it necessarily automatically benefit women’s lives” (ibid.: 5f.). What matters are policies stimulating human development in a gender-aware way, as well as cultural change towards more gender equal attitudes, in combination with economic growth. At the same time, studies have shown that gender inequality can be bad for growth, because inequality excludes women from production, it demotivates efforts for improvement and hence keeps female productivity low, it may cause social conflict chasing away investment, and it allows for male rent-seeking.
5.1
Gender inequality is inefficient
Below, I will refer to three types of inefficiencies stemming from gender inequality in markets, which can all be explained by the economic principle of the law of diminishing marginal returns9. First, gender inequality is inefficient in the allocation of resources, for example in financial markets. In the experience of the Grameen Bank in Bangladesh, loans to women yield substantially higher household consumption than loans to men. In the case of women, it takes an average of 0.91 dollars lent to generate 1 dollar of household consumption, as compared with 1.48 dollars for men (Morduch 1999: 1593). The Grameen experience shows that lending to women is not less profitable than lending to men – on the contrary, female repayment rates are higher. In 1991, 15.3 per cent of male borrowers from the Grameen Bank missed repayments, compared with only 1.3 per cent of female borrowers (Morduch 1999: 1583). A similar record is found in lending to women elsewhere (Women’s World Banking 1996). Other research on micro-credit in 9
The law of diminishing marginal returns states that the last unit of input into a production process will generate a lower increase in output than the unit of input before the last one.
Feminist Economics: Setting out the Parameters
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Bangladesh concludes that loans to women generally yield higher marginal returns than loans to men (Pitt/Khandker 1998). So, discrimination against women in financial markets is not only unfair but also inefficient. Second, cost-benefit ratios of investing in women are even higher with respect to the redistribution of inputs in agriculture. A World Bank report entitled ‘Gender, Growth, and Poverty Reduction’ estimates losses in real output that result from gender biases in investment. In Burkina Faso, for example, a transfer of resources (like fertilizer and labour) from men’s to women’s plots of land within the same household could increase agricultural output by 10-20 per cent (World Bank 1999: 10). Research in Tanzania indicates that reducing time burdens of women in the care economy could increase household cash incomes for smallholder coffee and banana growers by 10 per cent, labour productivity by 15 per cent, and capital productivity by 44 per cent (ibid.: 20). Hence, redistribution of agricultural inputs from men to women can improve efficiency, because of the law of diminishing returns. When taking away an extra unit of input from land that already has such inputs and shifting it to land that has no such inputs yet (or very little), the production lost on the first plot of land will be less than the output gained on the second plot of land. Just like a glass of water brings less satisfaction to someone who just drank two glasses of water compared to someone who has not had a drink of water for a whole day. Third, at the aggregate level, gender inequality appears to lead to losses in GDP growth. A regression analysis over the period 1960-1992 with GDP growth as the dependent variable and education and employment among the independent variables indicates that Sub-Saharan Africa has suffered considerable growth losses from gender biases in educational investment. If Sub-Saharan Africa had matched East Asia’s growth of educational attainment for women, annual per capita GDP growth would have been about 0.5 percentage points higher (World Bank 1999: 15). In addition, if Sub-Saharan Africa had matched East Asia’s growth rates in female sector employment, annual per capita GDP growth would have increased by more than 0.3 percentage points (ibid.: 16). So, together, gender biases in investments in education and in employment have reduced annual per capita GDP growth in Sub-Saharan Africa by 0.8 percentage points (ibid.: 17). In a similar study on the economic losses of missing the Millennium Development Goals on gender equality, Klasen and Abu-Ghaida (2004) have calculated that off-track countries are likely to suffer between 0.1 and 0.3 percentage points per capita growth.
42 5.2
Irene van Staveren Gender inequality drives growth
There is, however, also a reverse mechanism which turns gender inequality into a competitive advantage, and hence, a mechanism for growth. This mechanism occurs when gender inequality reflects exploitation, that is, a price well below the level of productivity for one gender. This is particularly the case for the labour market, in which women’s wages tend to be not only lower than men’s wages for similar work, but also lower than women’s average level of productivity. This is generally referred to as the gender wage gap. Stephanie Seguino (2000a; 2000b) has demonstrated in two empirical studies on the relationship between growth and the gender wage gap for manufacturing exporting countries in Asia, that growth is positively correlated with the gender wage gap. In other words, her studies have shown that the fast growing Asian economies have in effect been able to grow so fast, partially by paying very low wages to women, relative to men: Countries with the highest gender wage gap appeared to reap the highest export earnings relative to their GDP, by using low women’s wages as a major competitive advantage. This practice can persist due to imperfections in the labour market, in combination with structural unemployment. On average, for developed and developing countries, women’s wages are 75% of men’s wages. Some countries do better, with gender wage gaps around 10% (such as Vietnam), whereas other countries have gaps in the range of 30-40% (such as Japan and Korea). Of this gender wage gap, about half cannot be explained by gender differences in human capital or functional characteristics of women’s and men’s jobs, while the other half is due to gender inequalities in education, and the gender division of labour in the household (expressed in temporary labour market drop-out due to child raising, or part-time or flexible work in order to combine paid work with gendered, unequally distributed child care responsibilities). In the globalised economy, it is hard to undercut this second, negative mechanism linking gender inequality to growth, when it is used as a competitive advantage. There are, however, two clear policy responses indicated in feminist economic analysis. The first is a political economy one, recommending a globally agreed minimum labour standards package, such as advocated in the ILO’s Decent Work programme. This package should explicitly include gender equality in wages, the removal of gender-based hiring and firing practices that now keep labour markets gender-segregated, and a revision of education and training systems away from stereotype feminine and masculine areas of specialisation. The second is a macroeconomic one, advocated, among others, by Blecker and Seguino (2002). This policy is geared towards the removal of dynamic inefficiencies arising from wage discrimination. These inefficiencies occur in the long
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run, and result from reductions in female labour supply and low work motivation that leads to relatively low labour productivity. If the gender wage gap were eliminated, female labour productivity would increase, while, through the increase in female labour supply responding to higher wages, the average nominal wage level would not increase proportionally. So, although in the short run women’s low wages might be instrumental in keeping production cost competitive, in the long run the disincentives to female labour input are likely to create lock-in effects of cheap female labour, low productivity, low earnings, and hence, a disadvantaged macro economic strategy for a country in the long run, also referred to as ‘low road development’. Removing gender inequalities in export sectors would help to prevent such a lock-in into low road development.
6
Conclusion
The paper has given a very brief and incomplete overview of recent developments in feminist economics, in particular relating to the area of development. The overview of heterodox economics approaches, and feminist work in these four schools of thought, has shown that there is a rich tradition of alternatives to neoclassical economics and neoliberal policies. Moreover, that section has shown that many feminist economists do indeed engage with these traditions and thereby provide important contributions to feminist economics as well as to heterodox economics. The following lessons emerge from this chapter. First, there is a way out of the dilemma between, on the one hand, criticising the neoliberal policy package of the Washington Consensus, and, on the other hand, becoming paralyzed by TINA10, because there are reasonable and feasible gender-aware economic policy alternatives. Second, alternatives require a mix of political demands, stemming from concerns with human rights and justice, and economic policies, based on heterodox feminist economics analyses of current experiences in the gendered globalized economy. Such alternatives are varied and located at different levels of policy making (national, international, local, firm, household), because there is no single unified policy answer to today’s complex problems. Therefore, alternatives require alliances with a wide variety of actors in the global economy ranging from trade unions to consumers and firms, and from national governments and trade delegations to international bodies such as the OECD and regional development banks. In order to further such alliances, it is important that feminist researchers, advisers and NGOs will take on the role, even more than before, of feeding feminist 10
TINA stands for There Is No Alternative.
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economic policy insights along these alliances, for example through genderaware economic literacy projects, showing not only how economic policy affect gender but also how gender shapes economic processes and outcomes.
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I Im Fokus der feministischen Ökonomiekritik: Reproduktion und Care Ökonomie
Im Fokus: Das (Re)Produktive. Die Neubestimmung des Ökonomischen mithilfe der Kategorie (Re)Produktivität1 Im Fokus: Das (Re)Produktive
Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister
„Wie wäre die Aufhebung der perversen Koppelung von Produktivität an Zerstörung noch denkbar?“ fragt die Autorin Christa Wolf (2003: 292) in ihrem den Zeitraum von 1960 bis 2000 überspannenden Tagebuchroman „Ein Tag im Jahr“. Wie ist es zu dieser „perversen Koppelung“ gekommen? Wie konnte es geschehen, dass ausgerechnet Produktivität – als Ausdruck lebendigen Tätigseins – Destruktivität verursacht? Diese Fragen verweisen in den Bereich des Ökonomischen: Welchen Begriff von Produktivität hat die ökonomische Theorie generiert? Welche ökonomischen Praktiken werden als „produktive“ verstanden – und: welche nicht? Diesem Fragenkomplex werden wir zunächst nachgehen, um dann Christa Wolfs Frage „Wie wäre die Aufhebung (…) denkbar?“ wieder aufzunehmen. Denn diese Frage spiegelt sich wider im Diskurs um Nachhaltige Entwicklung. Das Leitbild Nachhaltigkeit fordert zur Aufhebung dieser „perversen Koppelung“ heraus. Was zunächst paradox erscheint – nämlich „Entwicklung“ als Modus des Gestaltens zu binden an „Nachhaltigkeit“, ein Begriff, der für das Erhalten und Erneuern dessen steht, was künftige Entwicklung ermöglicht –, ist im Leitbild Nachhaltige Entwicklung direkt aneinander gekoppelt. Gefragt wird also nach einer prozessualen, erhaltenden und erneuernden Produktivität: nach Produktivität, die die „reproduktiven“ Funktionen in sich einschließt. Im Diskurs um Nachhaltige Entwicklung entsteht die Kategorie (Re)Produktivität. Und tatsächlich ist (Re)Produktivität nicht nur denkbar, sondern auch machbar: (Re)Produktives Wirtschaften realisiert sich in vielfältigen Tätigkeitsräumen – sowohl in den Haushalten als auch in den verschiedensten Formen von Unternehmen –, allerdings werden diese Räume häufig nicht als Wirtschaftsräume erkannt. 1
Der Aufsatz beruht auf unserem Buch „Die Neuerfindung des Ökonomischen. Ein (re)produktionstheoretischer Beitrag zur Sozialen Ökologie“ (Biesecker/Hofmeister 2006).
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Grund dafür ist, so werden wir zeigen, die Abspaltung des Ökonomischen von seinen ökologischen und sozial lebensweltlichen Wurzeln und Trieben (1). Die tradierte ökonomische Theorie kann aufgrund ihrer theoriegeschichtlich geprägten Grundstruktur der mit dem Postulat einer nachhaltigen Gestaltung künftiger Entwicklung verbundenen theoretischen Herausforderung nicht gerecht werden. Denn die ökonomische Theoriebildung ist durch eine Trennungsstruktur gekennzeichnet: Bei der Bestimmung von Produktivität werden die weibliche2 und die ökologische Produktivität abgetrennt. Sie gelten als das Nicht-Ökonomische, bestenfalls als das „Reproduktive“. In der Folge kann die ökonomische Praxis Erhaltung und Erneuerung ökologischer und weiblicher Produktivitäten als Aufgabe nicht wahrnehmen. Soziale und ökologische Krisenphänomene werden mithin systemisch erzeugt. Sie können jedoch auf Basis dieser Theoriestruktur nicht verstanden werden. Erst ein Perspektivenwechsel – der Blick auf das Ökonomische von den sogenannten reproduktiven Prozessen her – macht deutlich: Die Dichotomisierung von produktiven und „reproduktiven“ Tätigkeiten und Leistungen, wie sie in der ökonomischen Theorie vollzogen worden ist, hat in der physischen Sphäre keine Entsprechung. Ihre einzige Realität erhält sie durch die paradoxe Struktur moderner Ökonomie, die in der Bewertung sozial-ökologische Produktivität nicht erkennt und nicht anerkennt, diese Produktivität in den ökonomischen Verwertungsprozessen jedoch umfassend in Anspruch nimmt und aushöhlt. Mithilfe der Kategorie (Re)Produktivität – so lautet unsere zentrale These – gelingt es, die Einheit aller produktiven Prozesse in ihrer Verschiedenheit in den Blick zu nehmen und deren Erhaltung und Erneuerung in die ökonomischen Gestaltungsprozesse zu integrieren. Eine ökonomische Theorie, die ihr Denkgebäude um diese Kategorie herum entwickelt, ist daher in der Lage, zur konzeptionellen und gestalterischen Entwicklung nachhaltigen Wirtschaftens beizutragen (2). Perspektivisch eröffnet sich damit eine Vision von der „Neuerfindung“ des Ökonomischen in und für eine nachhaltige Gesellschaft (3).
2
Wir sprechen hier und im Folgenden von „weiblich“ in der Bedeutung von Gender. Der Schwerpunkt unserer Argumentation liegt mithin auf dem sozialen Geschlecht, obgleich wir uns bewusst sind, dass soziale Geschlechtlichkeit (gender) nicht unabhängig von biologischer Geschlechterzugehörigkeit (sex) gedacht werden kann.
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„Produktivität“ in der ökonomischen Theorieentwicklung3
Den folgenden Streifzug durch die ökonomische Theorieentwicklung gliedern wir in zwei Abschnitte. Zunächst werden wir entlang des Mainstream zeigen, dass und wie die Dichotomisierung zwischen Produktivem und „Reproduktivem“ durch die Theoriegeschichte der Ökonomie hindurch fortgeschritten und verfestigt worden ist (1.1). In einem zweiten Schritt richten wir den Blick auf „andere Stimmen“, auf theoretische Ansätze und Sichtweisen in der Ökonomik, mit denen vielfältig darum gerungen wurde und gerungen wird, das „Reproduktive“ partiell in die Theorieentwicklung zu integrieren (1.2).
1.1
Von der klassischen zur neoklassischen Ökonomik: Entstehung und Verfestigung der Trennungsstruktur zwischen Produktivität und „Reproduktivität“
Für die Entwicklung des Produktivitätsbegriffs, wie er sich in der heute vorherrschenden ökonomischen Theorie durchgesetzt hat, sind die Arbeiten des schottischen Moralphilosophen und Ökonomen Adam Smith (1723-1790), der bis heute als Begründer der ökonomischen Wissenschaft gilt, grundlegend. Bei ihm ist „Produktivität“ zentral, und zwar als Produktivität der Waren produzierenden Arbeit, als Produktivität der Arbeit für den Markt. Spricht Smith von den „Produktivkräften der Arbeit“ (Smith 1973 [1776]: 2)4, so ist damit ausschließlich erwerbliche, marktkoordinierte Arbeit gemeint, die Fülle weiblicher, sorgender, „reproduktiver“ Arbeiten ist explizit davon ausgenommen. Die Produktivität der Arbeit wird durch Arbeitsteilung gesteigert, worüber die Geschicklichkeit der Arbeiter erhöht und Zeit gespart wird, sowie durch die Entwicklung immer speziellerer Maschinen, die die Arbeiter in die Lage versetzen, die Arbeit Vieler zu verrichten (Smith 1973 [1776]: 10). Dass es zu dieser Arbeitsteilung kommt, liegt nach Smith am Hang zum Tauschen und zum Handeln, der der menschlichen Natur eigen ist. Auf Grundlage dieses natürlichen Hanges entstehen Märkte. Die Ausdehnung der Märkte ist somit Bedingung für weitere Produktivitätssteigerungen. Produktivität wird bei Smith gemessen in Quantitäten von Waren pro Arbeiter, Produktivitätssteigerung drückt sich in Warenvermehrung aus. Waren sind 3
Vgl. zum Folgenden Biesecker/Hofmeister 2006: 76ff. Die hier zitierte Ausgabe enthält die fünf Bücher des Smithschen Werkes in zwei Bänden. Wenn nicht anders angegeben, ist Band 1 gemeint. Angegeben ist die Seitenzahl am Kopf der jeweiligen Seite. Sie entspricht der Originalausgabe des dreibändigen Werkes 1923 in Jena.
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gemäß der Smithschen Arbeitswerttheorie Doppeltes: Gebrauchswerte und Tauschwerte. Gebrauchswerte drücken die konkrete Nützlichkeit der Waren aus, Tauschwerte dagegen stellen dar, wie viel andere Waren im Austausch gegen eine spezifische Ware zu erhalten sind. Gebrauchswerte repräsentieren die durch Arbeit für menschliche Bedürfnisse transformierten Naturstoffe, Tauschwerte repräsentieren die für diesen Transformationsprozess geleistete Arbeit.5 Im Austauschprozess am Markt zählen nur Tauschwerte bzw. Preise. Ökonomische Theorie wird Theorie von Marktprozessen, von Tauschwerten/ Preisen, sie setzt Gebrauchswerte nur als deren stoffliche Bedingung voraus. Weil diese Theorie Werte von der im Produktionsprozess verausgabten Arbeit und nicht von subjektiven Bewertungen ableitet, geht sie in die Theoriegeschichte als „objektive Wertlehre“ ein. Steigerung der Produktivkraft der Arbeit bedeutet, dass in derselben (erwerblichen) Arbeitszeit, mit derselben Arbeitskraft mehr Naturstoff pro Zeiteinheit in Waren transformiert werden kann. Die gesteigerte Warenmenge repräsentiert mehr Naturstoff. Wer hat ihn produziert? Diese Produktivitätsquelle bleibt im Dunkeln. Immler (1985: 148) kritisiert diese Analyse als „gesellschaftliche Produktivkraft ohne Natur – die Produktivkraft der Natur erscheint als Produktivkraft der Arbeit.“ Er macht deutlich, dass hier Naturproduktivität als Arbeitsproduktivität aufgefasst wird. Natur, stofflich verwandelt in Gebrauchswerte, nimmt die Form der Ware an und wird entsprechend als Tauschwert, geschaffen durch (Erwerbs)Arbeit, bewertet. Nicht warenförmige Natur geht in dieses ökonomische Kalkül gar nicht ein, und damit auch keine Natur, die nicht im Eigentum von Menschen ist, denn Warentausch setzt Wareneigentümer voraus. Vom Gegenstandsbereich der ökonomischen Analyse bei Smith scheinen alle Elemente des sogenannten Reproduktiven abgetrennt zu sein: Hier findet sich kein Verständnis von den weiblichen, sorgenden Tätigkeiten als Arbeit, keines von Naturproduktivität. Diese Aussage trifft zu – und zugleich auch nicht. Für den Smithschen Bewertungsprozess trifft sie zu. Nur in Smiths Vorstellung vom „natürlichen Preis“, der ausreichen muss, alle Auslagen einschließlich eines „natürlichen“, d. h. die Reproduktion der Familie sichernden Lohnes (vgl. Smith 1973 [1776]: 87), zu ersetzen, scheint der Reproduktionsgedanke auf. Allerdings 5
Das gilt bei Smith zunächst für einen gesellschaftlichen Zustand ohne Kapitaleigentum und damit ohne Profit wie auch ohne Bodeneigentum und damit ohne Bodenrente. Durch die Einführung insbesondere von Kapital und Profit gerät Smith zu seiner Werttheorie in Widerspruch, da er den Profit auf der Basis der Wertaussage „nur Arbeit schafft Wert“ nicht erklären kann. Er „löst“ das Problem, indem er sich schließlich von der Analyse der Wertebene trennt und stattdessen die Preisebene mithilfe einer Vorform der Produktionsfaktorentheorie (die drei Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital, Boden sind Quellen von Lohn, Profit, Rente) untersucht. Zu diesem Dilemma zwischen Wert- und Preisebene bei Smith und dessen Behandlung auch bei Ricardo und Marx vgl. Biesecker/Kesting 2003: 53ff.
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trifft diese Aussage nicht zu, wenn der ganze gesellschaftliche Produktions- und Austauschprozess in seiner Wiederholung als Verwertungsprozess betrachtet wird. Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass Smith die weibliche sowie die ökologische Produktivität als stabilisierende Grundlagen des von ihm entworfenen marktökonomischen Systems braucht. Deutlich wird dies schon bei der kritischen Betrachtung des Produktivitätsbegriffs, in dem sich Arbeitsproduktivität Naturproduktivität „einverleibt“. Es wird zusätzlich deutlich, wenn wir das historisch zuerst geschriebene Werk von Smith, die „Theorie der ethischen Gefühle“ (1759), in unsere Betrachtung einbeziehen. Hier entwirft Smith seine Moralphilosophie, der zufolge der am Markt herrschende Egoismus durch Sympathie begrenzt wird. Smith spricht von „ehrlichen Spielregeln“ (Smith 1985 [1759]: 124), die die Menschen am Markt einzuhalten haben, damit die Austauschprozesse dort dauerhaft vonstatten gehen können. Diese ehrlichen Spielregeln lernen die Menschen in der Familie. Dort üben sie, Sympathie für andere zu empfinden, eine Fähigkeit, die für Smith die Basis für Moral ist. Smith betont daher immer wieder die Wichtigkeit der Familie und die Rolle der Frauen, das familiale Umfeld zu gestalten: ein Umfeld, in dem neben Friede, Frohsinn, Harmonie und Zufriedenheit auch die Moral erzeugt wird, die die Marktakteure (aufgrund der Rollenbestimmung bei Smith vorwiegend Männer) zur Eindämmung ihres eigenen Nutzens benötigen (vgl. Smith 1985 [1759]: Kapitel I; Pujol 1992: 20; Tronto 1993: 45ff.; Biesecker 2000: 208).6 Zwar werden diese Tätigkeiten von Frauen bei Smith nicht als Arbeit betrachtet, schon gar nicht als produktive Arbeit. Sie sind jedoch eine notwendige Voraussetzung des Marktes und stellen somit einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität von Märkten und damit zum „Reichtum der Nationen“ dar. Smith selbst spricht das so nicht aus: Wie die produktiven Fähigkeiten der ökologischen Natur setzt er auch die das Marktgeschehen stabilisierenden Tätigkeiten von Frauen als unhinterfragte Existenzbedingungen voraus. David Ricardo (1772-1823) entwickelt die Arbeitswerttheorie von Smith weiter und behält den doppelten Wertbegriff (Gebrauchswert und Tauschwert) und damit die stoffliche Basis der Wertökonomie bei. Doch das – wenngleich auch lockere – Band zu den weiblichen reproduktiven Tätigkeiten über deren Rolle für die Erzeugung von Moral für den Markt wird in Ricardos Weiterent6
Kuiper (2003) bietet eine andere Interpretation an, die die Rolle der Frauen bei der „Herstellung“ der Moral weiter zurücknimmt: Sie interpretiert den „unparteiischen Beobachter“, den Smith als „Wächter“ der Moral einführt, als „father within“. D. h., der Mann orientiert sich auch im moralischen Tun am Vater, nicht an der Mutter. Als ein Indiz für diese Interpretation sieht sie das Verdrängen von „love“ durch „self-control“ im Verlauf der Überarbeitung der „Theorie der ethischen Gefühle“ von der 1. bis zur 6. Ausgabe durch Smith.
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wicklung der ökonomischen Theorie gekappt: Das Bild des am Markt handelnden ökonomischen Menschen ist das Bild eines eigennützigen Individuums ohne soziale Bindungen, dessen Handlungsziel die Maximierung seines eigenen Nutzens ist. Später wird es in der ökonomischen Theorie üblich, diesen „homo oeconomicus“, wie diese Figur später genannt wird,7 als Robinson abzubilden, der allein auf seiner Insel lebt und wirtschaftet – bis Freitag dazu kommt, ein zweiter Mann mit denselben Verhaltensweisen. Der „Homo oeconomicus“ ist in keiner Weise sozial eingebunden. Er braucht keine weiblichen Tätigkeiten für seine Reproduktion. Ein letztes Bewusstsein von der Bedeutung der Reproduktivität scheint noch in der Kategorie des „natürlichen Lohnes“ auf, den Ricardo von Smith übernimmt. Produktion heißt wie bei Smith Warenproduktion für den Markt, (Tausch)Werteproduktion über vom Kapital bezahlte Lohnarbeit. Produktivität misst sich über die hergestellte Warenmenge pro Arbeiter. Auf der Grundlage dieser Bestimmung des Gegenstandsbereichs der ökonomischen Theorie, des aller sozialen Bindungen ledigen Marktes, entwickelt Ricardo die ökonomischen Gesetze des Warentausches, der Preise, der Einkommensverteilung. Und hier zeigt sich bei ihm eine neue Beziehung zu den „reproduktiven“ Prozessen – eine Beziehung zur Natur im Sinne einer Naturschranke. In seiner Theorie der Bodenrente bestimmt Ricardo diese als Differentialrente: Fruchtbarere Böden ermöglichen eine größere Produktion von Nahrungsmitteln (Getreide) als schlechtere Böden. Wenn die schlechteren Böden für die Befriedigung der gesellschaftlichen Nachfrage nötig sind, bestimmt der Preis der dort produzierten Nahrungsmittel (d. h. der aufgrund der geringeren Fruchtbarkeit des Bodens höhere Arbeitseinsatz) den Preis aller Nahrungsmittel. Grundbesitzer, die aufgrund der höheren Fruchtbarkeit ihrer Böden niedrigere Produktionskosten haben, können zum selben Preis verkaufen und somit einen Überschuss erzielen, die Bodenrente. Diese ist eine Differentialrente, die den Bodeneigentümern zufällt. In ihr scheint Naturproduktivität auf – die unterschiedliche Fruchtbarkeit der Böden (vgl. Ricardo 1959 [1817]: 50ff.). Langfristig geht Ricardo von einem wachsenden Nahrungsmittelbedarf der Bevölkerung aus. Für die Produktion dieser lebensnotwendigen Güter sind immer neue Böden mit immer geringerer Fruchtbarkeit nötig. Aufgrund des erhöhten Arbeitseinsatzes auf diesen Böden steigt der Preis für Nahrungsmittel. Somit steigt für die Eigentümer der besseren Böden die Grundrente. Gleichzeitig steigt auch der natürliche Lohn, da er ausreichen muss, um die teureren Lebensmittel zu bezahlen. „Die natürliche Tendenz des Profits ist also zu fallen, …“ (Ricardo 1959 [1817]: 106), wodurch weniger Kapital angelegt wird und die Akkumulation erlahmt. Die Natur7
Seit der Untersuchung von Hartfiel (1968) zu Menschenbildern in Ökonomie und Soziologie gilt Ricardo als Vater dieser ökonomischen Kunstfigur. (Eine Mutter ist dagegen nicht bekannt.)
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produktivität wird hier zur Schranke kapitalistischer Entwicklung. In dieser pessimistischen Aussicht scheint in der ricardianischen Theorie der Konflikt zwischen Wertrationalität und Natur durch, ein Konflikt zwischen kapitalistischer Produktion und ihren „reproduktiven“ Grundlagen. Die Arbeitswerttheorie findet eine Art Vollendung in der Kritik der Politischen Ökonomie von Karl Marx (1818-1883). Sie wird in dialektischer Weise neu konzipiert, indem Gebrauchswert und Tauschwert nicht mehr nur zwei Seiten einer Ware sind, sondern antagonistische Widersprüche in sich tragen, die im Kapitalismus zur Herrschaft des Werts (ausgedrückt im Tauschwert) über den Gebrauchswert führen. Marx legt dar, dass alle Produktionsprozesse gleichzeitig stoffliche sowie Verwertungsprozesse sind und ausschließlich unter der Perspektive der Kapitalverwertung organisiert und durchgeführt werden. Produktive Arbeit ist Lohnarbeit, die der Kapitalverwertung dient und Mehrwert erzeugt. Die Produktivkraft der Arbeit wird vor allem mit Hilfe neuer Formen der Arbeitsorganisation sowie der Maschinerie für diesen Zweck entwickelt. Sie erscheint jetzt als Produktivkraft des Kapitals. Produktivität wird gemessen in Tauschwerten: als Wertverhältnis, als Profitrate, die den durch unbezahlte Arbeit entstandenen Mehrwert ins Verhältnis setzt zum vorgeschossenen Kapital. Ausgehend von einem Arbeitsbegriff, der Arbeit als Stoffwechselprozess zwischen Mensch und Natur versteht, „… worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert (und) (…) dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber(tritt)“ (Marx 1971 [1867]: 192)8 zeigt Marx, dass dieser Stoffwechselprozess im Kapitalismus als Verwertungsprozess organisiert wird. Gemäß den Verwertungsnotwendigkeiten werden Arbeitskräfte, männliche und weibliche, in diesen Prozess eingesogen und in die industrielle Reservearmee wieder ausgestoßen. Marx (1971 [1867]: 670ff.) nennt dies das „absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“. Er macht darin deutlich, dass Angebot von und Nachfrage nach Arbeitskraft nicht von getrennten Faktoren abhängen, sondern ausschließlich von der Bewegung des Kapitals, von dessen Verwertungsprozess. Der Reproduktionsprozess des Kapitals schafft sich so selbst die benötigte Arbeitskraft, straft jedes „Naturgesetz“ der Bevölkerungsentwicklung Lügen9 und scheint sich so wirklich von der weiblichen Produktivität, ihrer generativen und sozialen Arbeit abzukoppeln. 8
Die Marxsche Theorie des „Kapital“ ist die Theorie des späten Marx, eine ökonomisch zugespitzte Theorie, die in ihrer Stringenz besticht und provoziert, gleichzeitig aber die Nachdenklichkeit der „Frühschriften“ (insbesondere der „Pariser Manuskripte“) sowie der „Grundrisse“ vermissen lässt. In beiden finden sich viele Anregungen zu gesellschaftlichen Naturverhältnissen. 9 Ein solches „Naturgesetz“ wurde von Thomas Robert Malthus (1766-1834) aufgestellt. Es formuliert folgenden eindeutigen Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Lohnhöhe: In Zeiten des Wohlstandes vermehrt sich die Bevölkerung, insbesondere die arbeitende, über das Maß der verfügbaren Nahrungsmittel hinaus. Deren Preise steigen, während die Löhne aufgrund der
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Letztere spielt auch bei Marx keine Rolle. Die „Hausarbeitsdebatte“ sowie andere, weiterführende Diskurse im Rahmen der feministischen ökonomischen Theoriebildung (vgl. dazu Hoppe 2002) haben deutlich gemacht, dass auch bei Marx sogenannte reproduktive Tätigkeiten nicht als Arbeit gelten, dass die weibliche Produktivität wie bei seinen Vorgängern der Produktion unhinterfragt vorausgesetzt wird. Diese Tätigkeiten scheinen nur im Wert der Arbeitskraft durch, der ausreichen muss, die vernutzte Arbeitskraft zu ersetzen. Wie Ricardo spricht aber auch Marx hier keine produktive Tätigkeit von Frauen an. Das geschieht auch nicht in seiner kritischen Analyse der Zerstörung des Gebrauchswertes durch die Herrschaft des Werts und damit der Zerstörung der produktiven Grundlagen der Kapitalverwertung: „Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen allen Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter“ (Marx 1971 [1867]: 529f.).
Insgesamt lässt sich für die Marxsche Weiterentwicklung der Arbeitswerttheorie festhalten: In der kritischen Analyse dessen, was mit den produktiven Grundlagen, d. h. mit den menschlichen und ökologischen Produktivitäten, passiert, wird ein wenn auch negativer Zusammenhang zwischen diesen und dem kapitalistischen Verwertungsprozess hergestellt: Dem Verwertungsprozess des Kapitals ist das „Reproduktive“ als unsichtbare Größe einverleibt. Genauer: Einverleibt wird es durch den materiellen Prozess (die stoffliche Seite bei Marx), negiert wird es in dem gleichzeitig verlaufenden Prozess der Bewertung. Gerade weil die Bewertungsrationalität kapitalistischer Produktion diese Ausgrenzung vornimmt, ist die Zerstörungsgefahr dieser beiden Produktivitäten groß. Die Arbeitswerttheorie, insbesondere in der Marxschen Prägung, enthielt zuviel sozialkritischen Sprengstoff für die sich stabilisierende bürgerliche Gesellschaft (vgl. zu dieser Interpretation Hofmann 1971, Bd. 1: 119). Sie enthielt auch noch – nachdem die Bindung an die weibliche Produktivität durch die Figur des „homo oeconomicus“ endgültig gelöst war – im Begriff des Gebrauchswerts den Bezug zu den der kapitalistischen Warenproduktion zugrunde liegenden Naturstoffen. Die neue Wertlehre schneidet auch dieses Band ab. Die PhilosoVielzahl der Arbeiter sinken. In der nun folgenden Periode der Not sinkt die Bevölkerungszahl (Arbeiterkinder verhungern oder werden gar nicht erst gezeugt), während das Nahrungsmittelangebot ausgedehnt wird, bis es wieder zur Ernährung der nun geschrumpften Bevölkerung ausreicht. Dieses Bevölkerungsgesetz richtet sich ausdrücklich gegen die Auffassung von der sozialen Natur der Armut, sondern sieht deren Ursachen „in den Gesetzen der Natur und der Leidenschaften der Menschen“ (Malthus 1798, zit. n. Hofmann 1971: 70). Folgerichtig wendet sich Malthus gegen jede Art von Armengesetzgebung – diese würde das Problem nur verschlimmern – und fordert die Arbeiter zu geschlechtlicher Enthaltsamkeit auf.
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phie dafür, der Utilitarismus, der schon bei Smith im Handlungsmotiv des Eigennutzes durchscheint, setzt sich als philosophische Basis der neuen ökonomischen Theorie fest.10 Wert ist jetzt nicht mehr eine durch die im Produktionsprozess verausgabte Arbeit geprägte (objektive) Eigenschaft von Waren, sondern entsteht aus dem Zusammenspiel von subjektiven Bewertungen: Waren sind Nutzenbündel, und je nach den subjektiven Nutzenvorstellungen werden sie als mehr oder weniger nützlich angesehen und erzielen auf dem Markt einen entsprechenden Preis. Das Ziel des ökonomischen Handelns ist individuelle Nutzenmaximierung. Diese Werttheorie geht daher als „subjektive Wertlehre“ in die Theoriegeschichte ein. Produktion ist somit Produktion von Nutzeneinheiten. Produziert wird mit Hilfe von Produktionsfaktoren. Deren Verhältnis zum Output wird in der Produktionsfunktion abgebildet. Arbeit ist ein Produktionsfaktor neben Kapital und Boden. Produziert wird für Märkte. Individuelles Ziel ist Gewinnmaximierung, gesellschaftliches Ziel ist die „effiziente Allokation der Produktionsfaktoren“ über Wettbewerbsmärkte. Wissenschaftliche Methode wird die Grenzbetrachtung, die Betrachtung von marginalen Veränderungen, nicht von Beständen. Die neue Lehre, die später als Neoklassik bezeichnete Schule (vgl. zur Begriffsgeschichte Eatwell et al. 1987: 625), wird daher auch „Marginalismus“ oder Grenznutzen- bzw. Grenzproduktivitätstheorie genannt. Diese Konzentration auf den Nutzen lässt sich mit der Hinwendung zur Thermodynamik erklären: Wie auch die klassische Politische Ökonomie beansprucht die Neoklassik, Ökonomik wie eine Naturwissenschaft zu betreiben. War die naturwissenschaftliche Grundlage für Smith und Ricardo die Newtonsche Mechanik, so bezieht sich die frühe Neoklassik ausdrücklich auf die Thermodynamik, in deren Mittelpunkt der erste Hauptsatz der Thermodynamik steht, der Energieerhaltungssatz. Dieser besagt, dass in einem geschlossenen System keine Energie verloren gehen kann. Sie kann nur ihre Form verändern. Dies wird derart interpretiert, dass weder im Produktions- noch im Konsumtionsprozess Energie verloren gehen kann. Die produktiven Faktoren werden als Energiepotentiale interpretiert – auch die Natur. Sie ist homogen und konstant. Erhalt und Erneuerung der Natur ist nicht Aufgabe des Ökonomischen.11 Aus der Energiemetapher und der Hinwendung zur Thermodynamik erklärt Skourtos (1994: 49) auch die (seinerzeit neue) Annahme der Substitutionsmög10
Dabei ging das „Sozialprinzip“, das als allgemeines Moralprinzip „das größte Glück der größten Zahl“ beinhaltete, verloren; vgl. dazu Biesecker/Kesting (2003: 99ff.). 11 Wellhöner (2002) hat gezeigt, wie die Neoklassik in ihrer Theorie des Allgemeinen Gleichgewichts hier jedoch scheitert, weil sie trotz der Energiemetapher kein dem Prinzip der Energieerhaltung entsprechendes Prinzip formuliert hat. Und Skourtos (1994: 49) weist darauf hin, dass ein Prinzip der Energieerhaltung die Entstehung von Abfällen als Kuppelprodukte systematisch behandeln müsste.
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lichkeit zwischen Arbeit und Kapital: Produktivität ist jetzt nicht mehr nur Arbeitsproduktivität, sondern Produktivität jedes Produktionsfaktors und damit auch Kapitalproduktivität. Und dies nicht im Marxschen Verständnis, in dem das Kapital sich die Produktivität der Arbeit einverleibt, sondern gemäß der Auffassung, dass Kapital zum eigenständigen Produktionsfaktor wird, der gegen Erwerbsarbeit und Boden (als einziger Ausdruck der Natur in dieser Theorie der Produktion, der später auch im Kapitalbegriff verschwindet) substituierbar ist. Gemessen wird diese Produktivität als quantitatives, bewertetes Verhältnis zwischen dem Output und dem je zugeordneten Produktionsfaktor. Diese Theorie der Produktion hat keinerlei Bezug mehr zu den sogenannten reproduktiven Leistungen, weder zur weiblichen Tätigkeit noch zur ökologischen Natur. Die ökonomische Sphäre erscheint jetzt vollständig von den Lebensprozessen abgetrennt. Deutlich wird dies auch in der neuen Bestimmung des Lohnes: Schien im „natürlichen Lohn“ der klassischen politischen Ökonomie noch das Leben der Arbeitenden durch, die Notwendigkeit, sich über den Lohn die zum Leben nötigen Lebensmittel zu beschaffen einschließlich der Lebensmittel für die nächste Generation, so wird dieser Bezug jetzt nicht mehr hergestellt. Der Lohn wird bestimmt durch die Grenzproduktivität der Arbeit, durch das zusätzliche Produkt, das eine zusätzliche Einheit Arbeit erbringt – durch den zusätzlichen Nutzen. Dabei meint Arbeit als Produktionsfaktor nach wie vor ausschließlich Erwerbsarbeit. Auch wenn Alfred Marshall (1842-1924) die weibliche Arbeit im Haushalt als „the most valuable of capital“ bezeichnet (vgl. Kuiper 2001: 141), so gilt, dass „ … women are not considered by Marshall to be economic beings“ (Pujol 1992: 139). Ihr Beitrag zur „Produktion“ der Arbeitskraft wird als nicht produktiv angesehen. Im Ergebnis können wir festhalten: Alle Bande zu den produktiven weiblichen Tätigkeiten und ökologischen Leistungen, die bei Smith noch durchschienen, reißen durch das neue Theoriegebäude ab. Moral, erzeugt in der Familie, spielt keine Rolle mehr, da der „homo oeconomicus“ nur die „Moral“ des Nutzenmaximierens kennt. Hier ist keine Erziehungsarbeit durch Frauen mehr nötig. Und über die subjektive Wertlehre verliert diese Theorie den Bezug zur Stofflichkeit der Ware, zum Gebrauchswert. Wertvoll ist nur noch, was Nutzen stiftet. Indem sie Produktion und Konsumtion in nutzenstiftende Leistungsströme verwandelt, emanzipiert sich die ökonomische Theorie so vermeintlich endgültig von jeder Art Naturstoff. Damit verschwindet die physische Dimension von Produktion und Konsumtion von Gütern, und es spitzt sich die bei Smith beginnende Ausgrenzung der Natur zu einer systematischen Naturvergessenheit zu (vgl. hierzu Skourtos 1994: 48f. sowie Biesecker/Kesting 2003: 104f.).12 Die 12
Da auch die Bodenrente mit Hilfe der Grenzproduktivitätstheorie als Zusatzprodukt einer zusätzlichen Einheit Boden erklärt wird, könnte argumentiert werden, hier scheine die Produktivität des
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Dichotomisierung von Produktivität und „Reproduktivität“ ist abgeschlossen – das Ökonomische hat weibliche und ökologische Produktivitäten von sich abgespalten. Zugleich scheint nunmehr die Konstruktion einer autonomen Ökonomie vollzogen: Erhalt und Erneuerung der als „reproduktiv“ abgespaltenen produktiven Grundlagen des menschlichen Wirtschaftens ist nicht Teil des Zielsystems einer auf Effizienz orientierten Wirtschaft. Aber mit Aufscheinen der ersten sozial-ökologischen Krisenphänomene (etwa ab den 1970er Jahren) geht der Konstruktionsprozess weiter: Es wird versucht, beide Bereiche – die weibliche Produktivität sowie die ökologische Produktivität – durch das neoklassische Denkmodell in dessen Effizienzlogik zu integrieren und sie in dieser Weise zu ökonomisieren. Das geschieht zum einen in der neuen Haushaltsökonomik, in der das patriarchale Modell der Nutzenfunktion erhalten bleibt (vgl. Wolf 1996; Hoppe 2002): Familie wird hier als „kleine Fabrik“ behandelt und den selben Effizienzkalkülen wie das Unternehmen unterworfen (vgl. Becker 1993: 101). Und das geschieht zum anderen in der neoklassischen Umwelt- und Ressourcenökonomik, in der Umweltschadens- und Vermeidungskosten monetarisiert werden, um den optimalen Verschmutzungsgrad als Maßstab für Umweltschutzmaßnahmen berechnen zu können (vgl. u. a. Frey 1972; Cansier 1993; Wicke 1993). Das Optimalitätskriterium bleibt hier das des homo oeconomicus – die Nutzenmaximierung von Menschen am Markt. Dieses Optimum hat nichts zu tun mit Erhalt, Schutz oder gar mit Erneuerung der ökologischen Produktivkräfte. Auch im Rahmen der neuen Haushaltsökonomik geht es nicht um eine eigenständige Bewertung der weiblichen produktiven Tätigkeiten. Es handelt sich hier ausschließlich um das Hereinholen der abgespaltenen Bereiche in die nach wie vor enge ökonomische Rationalität. Die Neoklassik wird im 20. Jahrhundert die vorherrschende Theorie im angelsächsischen, nach dem zweiten Weltkrieg auch im deutschsprachigen Raum. Der Keynesianismus als die Neoklassik in einigen zentralen ökonomischen Grundannahmen kritisierende Konzeption wird in der sogenannten neoklassischen Synthese13 integriert. Gleichzeitig spielt er seine einflussreiche Rolle insBodens durch. Aber zunehmend wird Boden als Kapital verstanden, tauchen in der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion nur die beiden Produktionsfaktoren Arbeit (Erwerbsarbeit) und Kapital auf. Die Naturproduktivität geht gänzlich in die Kapitalproduktivität ein. 13 Keynes Hauptkritik bezog sich auf die Annahme der Neoklassik, Preis- und Lohnflexibilität würden immer zur Vollbeschäftigung führen. Dagegen setzte er eine Theorie, die zeigt, dass Vollbeschäftigung nur der Ausnahmefall ist. In der insbesondere von Paul A. Samuelson in den 1950er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelten sogenannten neoklassischen Synthese wird das Grundmodell der Neoklassik inklusive der Annahme rationalen, maximierenden Verhaltens der Akteure beibehalten. Verändert wird aber die Annahme unendlich schneller, vollständiger Preisanpassung. Vielmehr wird langsame Preis- und Lohnanpassung unterstellt. Die Abweichungen von der Vollbeschäftigung, die dadurch entstehen können, vor allem Arbeitslosigkeit, können jedoch durch Fiskal-
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besondere als Basis für sozialkritische Theorie gerade auch der Gewerkschaften und ihnen nahestehender Theoretikerinnen und Theoretiker. Aus ihm heraus entsteht das Konzept der öko-sozialen Marktwirtschaft, ein Konzept, welches die von der Neoklassik gezogenen Trennungslinien nicht auflöst, das jedoch die Marktergebnisse sozial (gemäß dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft) und ökologisch korrigiert – zum Beispiel über Sozialversicherung und ökologische Steuerreform. Aber auch hier erfolgt keine Reintegration von weiblichen und ökologischen produktiven Tätigkeiten in das ökonomische Denken. Die bei Smith angelegten und in der Neoklassik festgezurrten Trennungslinien bleiben erhalten.
1.2
Von der Physiokratie zur feministischen und ökologischen Ökonomik: „Andere Stimmen“ und Widerstände gegen die Trennungsstruktur zwischen Produktivität und „Reproduktivität“
Theorieentwicklung verläuft nicht eindeutig und nicht eindimensional. So gab und gibt es andere Stimmen, die in eine sozial-ökologische Richtung wiesen und weisen. Nur werden sie durch den „paradigmatischen Alleinvertretungsanspruch“ des bis heute stark neoklassisch geprägten Mainstream häufig nicht beachtet. Eine solche Theorie war – noch vor Adam Smith – die Physiokratie, die die Naturproduktivität (Produktivität des Bodens) als Grundlage des Wirtschaftens ansah und die Arbeitsproduktivität als Ko-Produktivität bestimmte. Hauptvertreter dieser Theorie war Francois Quesnay (1694-1774). Die Erde ist die einzige Quelle des Reichtums – aus dieser Grundauffassung entstand eine Naturwertlehre, die den gesamten Wertbildungsprozess den Kräften der Natur, vor allem der Fruchtbarkeit des Bodens, zuschreibt. Die Natur produziert, und der Mensch hilft nur dabei. Der Erhalt der Naturproduktivität, vor allem der Bodenqualität, ist daher wichtig, Produktion und Reproduktion werden als Einheit betrachtet. Wäre diese Theorie entsprechend der Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft weiterentwickelt worden, so hätte die Theoriegeschichte insgesamt vielleicht eine andere, (re)produktionstheoretisch fundierte Richtung eingeschlagen. Auch im Prozess der Verwandlung der klassischen Politischen Ökonomie hin zur Neoklassik gab es Stimmen, die sowohl die weibliche als auch die ökologische Produktivität ansprachen. Herausragendes Beispiel ist John Stuart Mill
und Geldpolitik ausgeglichen werden, so dass die ursprüngliche Annahme der Vollbeschäftigung wieder Geltung bekommt (vgl. Eatwell et al. 1987: 634).
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(1806-1873) gemeinsam mit seiner Frau Harriet Taylor Mill (1807-1858).14 Politisch streiten sie gemeinsam für die autonome Rolle der Frauen als ökonomische Akteurinnen (vgl. Mill/Taylor Mill 1976 [1896]) – doch in den theoretischen Analysen kann Mill sich nicht zur Anerkennung der „reproduktiven“ Tätigkeiten als produktive Arbeit durchringen (vgl. Mill 1965 [1848]: 40; Pujol 1992: 31)15. Immerhin deutet sich hier eine mögliche andere Theorieentwicklung an. Das gilt auch für die Berücksichtigung der ökologischen Natur in Mills „Principles“. Im 6. Kapitel des 4. Buches mit dem Titel “Of the stationary state“ entwirft Mill (1965 [1848]: 756), im Gegensatz zu seinen Vorgängern, ein positives Bild von einer Entwicklung, die auf einen wachstumslosen Endpunkt zusteuert, auf einen stationären Zustand, in dem es nicht mehr um mehr Reichtum, sondern um Umverteilung und um kulturellen, moralischen und sozialen Fortschritt geht. Er spricht die Hoffnung aus, dass diese Entwicklungsphase eintreten möge, bevor die ganze Natur dem Zweck der Produktion von Reichtum unterworfen ist: „If the earth must lose that great portion of its pleasantness which it owes to things that the unlimited increase of wealth and population would extirpate from it, for the mere purpose of enabling it to support a larger, but not a better or happier population, I sincerely hope, for the sake of posterity, that they will be content to be stationary, long before necessity compels it to it“ (Mill 1965 [1848]: 756).
Hier erscheint Natur als freundlich, ästhetisch, schön, in einem angenehmen Licht. Aber sie wird nicht in ihrer Produktivität gesehen, sondern wird zur Grenze des „progressive state“. Mill selbst sieht dies positiv. Und auch im 20. Jahrhundert finden sich „andere Stimmen“, die auf die Notwendigkeit des Erhaltens der Produktivitätsgrundlagen aufmerksam machen und somit (Re)Produktivität in den Blick nehmen. Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die Einkommensdefinition, die John Hicks (1904-1989) vorschlägt. In dem 1939 erschienenen Buch mit dem Titel „Value and Capital“ (2. Aufl. 1948) heißt es: „Der Zweck der Einkommensermittlung in der Praxis besteht darin, den Menschen Hinweise zu geben, wie viel sie konsumieren können, ohne zu verarmen. Auf der 14
Zwischen Mill und Taylor Mill bestand eine so intensive intellektuelle Partnerschaft, dass Mill selbst in seiner Autobiografie (1873 zit. nach Pujol 1992: 44, Fn. 20) schrieb: „… not only during the years of our married life, but during many of the years of confidential friendship which preceded all my published writings were as much her work as mine.“ Dennoch werden die gemeinsamen Gedanken in seinen Werken veröffentlicht. Er geht in die ökonomische Theoriegeschichte ein, nicht sie. 15 Pujol (1992: 34ff.) erklärt das mit dem viktorianischen Bild der Frau, wonach diese in die Privatsphäre gehört.
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Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister Grundlage dieses Ansatzes sollten wir das Einkommen eines Menschen als den maximalen Wert definieren, den er während einer Woche konsumieren kann und bei dem er am Ende der Woche genauso wohlhabend ist wie am Anfang. Wenn eine Person spart, plant sie, in der Zukunft wohlhabender zu sein; wenn sie über ihr Einkommen hinaus konsumiert, plant sie, weniger wohlhabend zu sein. Wenn wir uns daran erinnern, dass der praktische Zweck des Einkommens darin besteht, eine kluge Lebensführung zu ermöglichen, dann ist auch ziemlich klar, dass die zentrale Bedeutung genau darin bestehen muss“ (Hicks 1948: 172, zit. nach Costanza et al. 2001: 142).
Dieser Gedanke ging damals und geht bis heute in die auf nationaler Ebene erstellte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nur so weit ein, als zur Errechnung des Nettosozialprodukts von der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung, d. h. der um die Vorleistungen verminderten produzierten Menge an Gütern und Dienstleistungen, die Abschreibungen auf das investierte Kapital abgezogen werden. Costanza et al. machen deutlich, dass, um der Hicksschen Einkommensdefinition gerecht zu werden, zwei Anpassungen nötig wären: Das Einrechnen von „Abschreibungen auf Naturkapital“ sowie die Berücksichtigung der ungewollten Nebenwirkungen menschlicher Produktion, ausgedrückt in „Reparaturkosten“ wie Polizei, Korrosionsschutz gegen sauren Regen … (vgl. Costanza et al. 2001: 143ff.).16 Auch der „Alte“, „Amerikanische“ oder „Kritische Institutionalismus“ (begründet von Thorstein B. Veblen (1858-1929)) bietet einen Rahmen für sozialökologische Theorieentwicklungen. Es ist eine Theorie, die Institutionen, d. h. habitualisierte pfadabhängige soziale Handlungsmuster, in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellt (vgl. dazu Reuter 1994 sowie Biesecker/Kesting 2003: 115ff., 155ff., 184ff.). Hier wird die Ökonomik zur Kulturwissenschaft. Mit dem Verständnis von Menschen als durch Institutionen geprägt und diese prägend (worüber Präferenzbildung als Teil ökonomischer Theorie angesehen wird und somit die gesellschaftliche Prägung der Präferenzen in den Blick kommt) liegt hier ein theoretisches Konzept vor, das jede Art von dualistischer Sichtweise im Grundsatz ablehnt. Vielmehr werden Dualismen und Dichotomien als Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse erklärt. Hiermit lässt sich, wie Hoppe (2002: 119ff.) gezeigt hat, die feministische Ökonomiekritik verbinden. Von hier aus ließe sich eine ökonomische Theorie weiterentwickeln, die hinter die Konstruktion von Dualismen blickte und dadurch in der Lage wäre, diese zu überwinden – die die Trennungsstruktur von Produktivität und „Reproduktivität“ nicht mehr brauchte. 16
Die Ökologische Ökonomik knüpft später mit ihrer Einkommensberechnung hier an und entwickelt Konzepte wie den Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) oder die Umweltökonomische Gesamtrechnung (vgl. Costanza et al. 2001: 149ff.). Und die feministische Ökonomik diskutiert spätestens seit 1988 die Frage der Berücksichtigung der so genannten reproduktiven Arbeit von Frauen in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (vgl. Waring 1988).
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Hoppe (2002: 147) schreibt: „Die Alte Institutionenökonomik hält somit der Kritik der feministischen Wissenschaftsfrage stand und bietet darüber hinaus eine fruchtbare Grundlage für die Weiterentwicklung sowohl der Frauenfrage als auch der feministischen Wissenschaftsfrage in der Ökonomik.“ Auch die ökologische Natur lässt sich mit diesem Ansatz als produktive Grundlage menschlicher Produktivität wahrnehmen, wie insbesondere K. William Kapp (1910-1976), der als bedeutendster deutschsprachiger Institutionalist17 gilt, nach dem zweiten Weltkrieg gezeigt hat (vgl. Kapp 1963; 1987; Heidenreich 1997). Ökonomik wird hier zu einer evolutorischen Wissenschaft, zur Kulturwissenschaft, und verlässt die Gleichgewichtskonstruktion neoklassischer Prägung vollständig. Das gilt auch für Kenneth E. Boulding (1910-1993) und seine Metapher vom „Raumschiff Erde“, die 1966 von ihm entworfen wurde (vgl. Boulding 2006 [1966]). Boulding, der keiner der bisher genannten Schulen zuzurechnen ist, von der Ökologischen Ökonomik heute jedoch als einer der ihren, als wichtiger Vordenker, bezeichnet wird,18 beschreibt hier das Bild einer zukünftigen „geschlossenen“, d. h. begrenzten Erde gegenüber einer früher „offenen“, unbegrenzt erscheinenden: „Die Erde ist zu einem einzigen Raumschiff geworden, auf dem alle Vorratslager, die man anzapfen und verschmutzen könnte, begrenzt sind, so dass der Mensch seinen Platz in einem zyklischen ökologischen System finden muss, dem ständige Reproduktion in materieller Form möglich ist, wozu es allerdings Energieinput braucht“ (Boulding 2006 [1966]: 15).
Er versteht Ökonomie als „Teilmenge der ‚Menge Welt’“, als den gesamten Kapitalbestand zu einem beliebigen Zeitpunkt. Das ist die Summe aller „Objekte, Menschen, Organisationen usw., die für ein Tauschsystem von Interesse sind“ (ebd.: 11). Die Aufgabe der zukünftigen „Raumfahrer“-Ökonomie ist vor allem der Erhalt ihrer Kapitalbestände. Das scheint zunächst eine ausschließlich quantitative Forderung zu sein. Aber Boulding formuliert auch: „Das grundlegende Maß für Erfolg dieser Wirtschaftsform sind nicht Produktion und Verbrauch, sondern Form, Ausmaß, Qualität und Komplexität des gesamten Kapitalbestands, einschließlich des geistigen und gesundheitlichen Zustands der Menschen in diesem System“ (ebd.: 15). Die Ökologische Ökonomik, die sich insbesondere seit Ende der 1980er Jahre im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs herausbildet, nimmt Vieles von diesen Ansätzen auf (vgl. Costanza et al. 2001). Inwieweit gelingt es ihr, 17 18
Kapp war Deutsch-Amerikaner, er emigrierte während des Nationalsozialismus. Vgl. Höhler/Luks 2006.
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die Trennungsstruktur der herkömmlichen Ökonomik zu überwinden – inwieweit gelingt ihr die Entwicklung eines integrativen, die produktiven Grundlagen erhaltenden Ökonomiekonzepts? Da Herman E. Daly (geb. 1938) wesentlich zur Entstehung dieser Theoriekonzeption beigetragen hat, diskutieren wir diese Frage anhand seiner Theorie. Daly (1999)19 versteht die Natur als Ökosystem, dessen Ausmaß konstant bleibt. Die Ökonomie ist dessen offenes Teilsystem. Das Ökosystem dient als Quelle von Rohstoffen (Ressourcen und Energie), die im Wirtschaftsprozess durch das Teilsystem Ökonomie hindurchfließen, und als Senke von Abfallstoffen. Diese Natur wird bei Daly zur Schranke für die sich ausdehnende Ökonomie. Anders ausgedrückt: Dieses Naturkapital wird zum begrenzenden Faktor. „Erhalte das Naturkapital“ lautet daher seine Grundregel für eine nachhaltige Entwicklung. Die historische Entwicklung skizziert Daly als den Übergang von einer bezüglich der Ökonomie „leeren“ zu einer mit Ökonomie „vollen“ Welt (Daly 1999: 75). Er sucht nach der optimalen Größe der Ökonomie (scale) im Hinblick auf das knappe Naturkapital und nach einer Minimierung und effizienteren Gestaltung der „Durchlaufmenge“ als Teil eines umfassenden Effizienzkonzepts (vgl. Daly 1999: 121). Ist hierin der Gedanke der Integration der Produktivität der Natur zu finden? Kaum. Denn Natur in der Vorstellung von Naturkapital ist ein Bestand, ist nicht Produktivität. Natur als sich selbst erhaltendes und veränderndes Lebendiges erstarrt in dieser Kategorie zu einer konstanten Größe. Zwar scheint in Dalys Vorstellung von einer Vermehrung des natürlichen Kapitals durch „Investition des Wartens“ (Daly 1999: 117) die Produktivität der ökologischen Natur auf – denn dass dieses Warten zur Erhöhung des Naturkapitals führt, lässt sich nur durch ein Produzieren in der und durch die Natur während der Wartezeit erklären. Dennoch gerät Nachhaltigkeit in dieser Theoriekonzeption ausschließlich zu einer Frage des rechten Maßes. Das ist zwar berechtigt, denn der Umfang des Wirtschaftssystems (die Menge an menschlichen Stoff- und Energieumsätzen in der Zeit) ist mit entscheidend für dessen Nachhaltigkeit. Allein greift diese Frage jedoch zu kurz (Biesecker/Hofmeister 2001; 2009): Übersehen wird, dass die Gesellschaft und ihre Ökonomie physisch schon eine Verbindung mit der Natur eingegangen sind. Durch menschliche Produktion und Konsumtion wird Natur immer auch umgestaltet. Das so hergestellte gesellschaftliche Naturprodukt ist weder räumlich noch zeitlich begrenzbar. Diese Entwicklung ist unumkehrbar geworden. Die sogenannte Umweltkrise in ihren vielfältigen Erscheinungsformen, wie zum Beispiel Klimawandel und Verlust an Biodiversität, sind die mit-
19
Vgl. auch Costanza et al. 2001.
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hergestellten „Kuppelprodukte“ einer sich als Durchflussökonomie konstituierenden Wirtschaft. Aus der Einsicht in diese schon vollzogene Verbindung zwischen Gesellschaft und Natur folgt, dass über die Qualitäten der eingegangenen und einzugehenden Verbindungen nachzudenken ist. Es reicht nicht mehr aus, Nachhaltigkeit vor allem über Effizienzstrategien erreichen zu wollen. Die zentralen Fragen sind dann die nach der Konsistenz der aus der kooperativen Verbindung mit der ökologischen Natur resultierenden Produkte sowie nach der Organisation dieser Kooperationsprozesse selbst. Diese Fragen lassen sich jedoch in der Konzeption der Ökologischen Ökonomik nicht einmal stellen. Auch Daly sitzt der Struktur des gegenwärtigen ökonomischen Systems der Industriegesellschaft auf – einer linearen Struktur, einer Ökonomie, die als Durchflussökonomie organisiert ist und in der es kein Verständnis von Reproduktion und deren Einheit mit der Produktion gibt. So kann sich auch kein Verständnis von Naturproduktivität und von deren Qualität entwickeln. Im Umkehrschluss lässt sich hieran jedoch auch zeigen, worauf es mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung ankommt, nämlich durch die menschlichen ökonomischen Prozesse hindurch auch die Produktivität und Reproduktivität der Natur bewusst mitzugestalten. Dasselbe gilt für die weibliche Produktivität, die weder von Daly noch von anderen Theoretikern/innen der Ökologischen Ökonomik thematisiert wird.
2
Die Kategorie (Re)Produktivität und ihre Bedeutung für die Debatte um Nachhaltigkeit
Jenseits der Vorstellung von einer Durchflussökonomie entfaltet sich ein anderes Bild des Ökonomischen. Dann wird deutlich, dass die moderne Ökonomie im Gegensatz zu ihrem theoretischen Selbstverständnis physisch mit Naturproduktivität verwoben ist. Das verdeutlicht die folgende Gegenüberstellung (Abb.1):
68 Abbildung 1:
Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister Gegenüberstellung Durchflussökonomie und Ökonomie der Reproduktion
Quelle: Biesecker/Hofmeister 2006: 134, nach Immler/Hofmeister 1998: 28
In diesem Modell wird dem linearen, von den natürlichen und weiblichen produktiven Grundlagen abgetrennten Verständnis von Ökonomie, in dem nur die Funktionen (menschliche) Produktion und Konsumtion als ökonomische gedeutet und die vor- und nachgelagerten ökologischen Prozesse unsichtbar gemacht werden, ein in der Perspektive auf die physischen (stofflichen und energetischen) Prozesse zyklisches – genauer: ein spiralförmiges – Modell gegenüber gestellt. Hier bildet sich ab, dass es Aufbau- und Abbauprozesse (naturale Produktionsund Reduktionsprozesse) sind, die innerhalb des gesamten ökonomischen Prozess in- und miteinander wirken. Das Produktionssystem Natur ist zugleich Ausgangspunkt (Produktivität) und Ergebnis (Produkt) ökonomischer Prozesse. Dabei ist den Reproduktionsprozessen Veränderung und Erneuerung – in dieser
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Bedeutung Entwicklung – eigen: Nicht ein (geschlossener) Kreislauf, sondern ein spiralförmiger, prinzipiell zukunftsoffener Prozess wird beschrieben („evolutive Reproduktion“, Immler/Hofmeister 1998: 10f., 26ff.). Deutlich wird vor allem, dass die ökonomischen Funktionen anthropogene Produktion und Konsumtion in die ökologischen Prozesse eingebettet sind – Prozesse, die um nichts weniger produktiv sind als die ökonomisch bewerteten Leistungen auch. In dieser Perspektive werden die ökologischen Prozesse als primär produktive gesehen: „Naturale Produktion“ und „naturale Reduktion“ – also jene Funktionen, die in der Einheit von Naturprodukt und Naturproduktivität miteinander identisch werden – werden im Reproduktionsmodell als die Prozesse erkannt, die das menschliche Wirtschaften umschließen, es ermöglichen und wieder ermöglichen. Es sind gerade diese naturalen Prozesse, die durch ein bewusstes, auf die Reproduktion gerichtetes Gestalten der (im engen Sinne ökonomischen) Funktionen anthropogene Produktion und Konsumtion von Gütern und Leistungen zu erhalten und wiederherzustellen sind (Immler/Hofmeister 1998: 113ff.). Die Reichweite des Reproduktionsmodells nach Immler und Hofmeister (1998) bleibt jedoch durch die Perspektive ausschließlich auf die naturale Dimension begrenzt. Unser theoriegeschichtlicher Streifzug hat gezeigt, dass es erweitert werden muss um das, was im sozialen Raum ökonomisch als „Natur“ gesetzt wird: um die vermeintlich „reproduktiven“ weiblichen Leistungen. Solange die soziale Reproduktion menschlichen Lebens durch sozial Frauen zugewiesene Sorgearbeit (Care) ausgeklammert bleibt, kann die Kategorie (Re)Produktivität nicht entwickelt werden. (Re)Produktivität ist eine Kategorie, die das „Ganze“ der Produktivität umfasst. (Re)Produktivität bedeutet die „prozessuale, nicht durch Abwertungen getrennte Einheit aller produktiven Prozesse in Natur und Gesellschaft, bei gleichzeitiger Unterschiedenheit. Die Kategorie (Re)Produktivität bedeutet das Zusammendenken von ‚Produktion’ und ‚Reproduktion’.“ (Biesecker/Hofmeister 2006: 19). Es ist eine Kategorie, mit deren Hilfe sich die Verbindung gesellschaftlicher Natur- und Geschlechterverhältnisse entschlüsseln lässt. Dort, wo diese Verbindung als Ausgangspunkt für die Entwicklung sozialökologischer Theorieansätze genutzt wurde und wird – in der feministischen Debatte um den Begriff „Reproduktion“ –, wird die Produktions-Reproduktionsdifferenz zu einer fruchtbaren kritischen Analysekategorie. Indem wir die Aussage übernehmen, dass „ ... das Ziel der Naturbeherrschung die Unterdrückung der Frau einschließt, daß sich ‚Logik’ und Genesis der Polarisierung und Hierarchisierung der Geschlechter wie der zwischen Natur und Gesellschaft als gemeinsame herausstellen …“ (Scheich 1987: 3), schließen wir an diese Debatte an.
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Hintergrund für die zu Beginn der (neuen) Frauenbewegung wie der historischen Frauen- und Geschlechterforschung in den 1970er und 1980er Jahren zentrale Bedeutung des Begriffspaars Produktion vs. Reproduktion war die feministische „Hausarbeitsdebatte“. Mit der Trennung von Produktion vs. Reproduktion und Öffentlichkeit vs. Privatheit ist die Herauslösung der Erwerbsarbeit (als vermeintlich einzige produktive Arbeit) aus dem (Re)Produktionszusammenhang kritisiert worden. Frühzeitig hatten feministische Forscherinnen auf die „blinden Flecken“ der kapitalistischen Marktökonomie aufmerksam gemacht (u. a. von Werlhof 1978). Weibliche Tätigkeiten werden als „Reproduktivität“ aus dem Ökonomischen ausgegrenzt und unsichtbar gehalten. Kapitalistische Produktion für den Markt setzt das „reproduktive System Frau“ immer schon voraus. Das „Reproduktive“ hat demnach zwei verschiedene, aber funktional identische Orte: einen anscheinend außer- und vorgesellschaftlichen Ort in der ökologischen Natur und einen als vorgesellschaftlich gesetzten innergesellschaftlichen Ort in der Privatheit der Haushalte und Familien, in der die Frauen „Reproduktionsarbeit“ leisten. Wir haben gezeigt, dass nicht nur in das Verhältnis des Ökonomischen zur ökologischen Natur, sondern auch in das Verhältnis zur sozialen Lebenswelt das Prinzip der Trennung und Dichotomisierung eingeschrieben ist. Auch hier dominiert die Vorstellung von einer Durchflussökonomie: Der weibliche Tätigkeitsbereich liefert dem ökonomischen System „Ressourcen“, nämlich Arbeitskraft (Input); zurückgegeben werden (warenförmige) Güter und Leistungen (Output). Auch in diesem Verhältnis werden die weiblichen Leistungen als Produktivität nicht verstanden: Jene Tätigkeiten der Sorge und Versorgung, die nötig sind, um Arbeitskraft für den Markt herzustellen und wiederherzustellen, bleiben im ökonomischen Denken und Handeln unerkannt – werden als das vermeintlich Reproduktive abgetrennt. Wie im Verhältnis zur Natur wird die weibliche Reproduktionsarbeit als eine „Naturressource“ gesetzt und vorausgesetzt. Sie erscheint als eine „ewig sprudelnde Quelle“, deren Erhaltung und Wiederherstellung nicht Aufgabe des Ökonomischen ist. Gerade dies wird jedoch aktuell durch die Reproduktionsarbeitskrise (Rodenstein et al. 1996) vehement widerlegt: Soziale Krisenerscheinungen, wie der demografische Wandel, Armut, Vernachlässigung und „Verwahrlosung“ von Kindern, Jugendkriminalität, die sogenannte Bildungskrise, Altersarmut und Pflegenotstand beherrschen zunehmend die tagespolitischen Debatten. Alle diese Erscheinungen deuten auf eine tiefgreifende Krise der „Reproduktionsarbeit“ hin. Trennungen und Dichotomisierungen – und damit verbunden Hierarchisierungen zwischen der produktiven und der „reproduktiven“ Sphäre – bilden den Hintergrund einer zunehmend ins gesellschaftliche Bewusstsein drängenden sozial-ökologischen Krise mit ihren beiden Seiten: der „ökologischen“ Krise und
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der Krise der Reproduktionsarbeit. Beide Seiten dieser Krise werden bis heute in verschiedenen und weitgehend unverbundenen Diskursen thematisiert: In der Nachhaltigkeitsdebatte wird ohne Bezüge über die „Zukunft der Arbeit“ und über die „Zukunft der Natur“ diskutiert. Mithilfe der Kategorie (Re)Produktivität wird deutlich, dass es sich dabei um eine einzige Krise handelt: die Krise des „Reproduktiven“. Die damit verbundenen Krisenphänomene – Verlust der Natur(re)produktivität auf der einen und Verlust an weiblicher (Re)Produktivität auf der anderen Seite – betreffen jene Sphäre, die das ökonomische System nicht sieht: Dort, wo das Ökonomische seine „blinden Flecke“ hat, wo produktive Leistungen ausgeblendet und nicht in Wert gesetzt werden, entfaltet sich die Krise. Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen sprechen wir von der Gleichursprünglichkeit ökologischer und sozial lebensweltlicher Krisenerscheinungen, von einer sozial-ökologischen Krise. Die Ursachen dieser Krise und mithin die „perverse Koppelung von Produktivität an Zerstörung“ (Christa Wolf) lassen sich nun erkennen in der oben theoriegeschichtlich diskutierten widersprüchlichen Struktur des Ökonomischen selbst. Auf der Ebene der ökonomischen Verwertung werden die Sphären physisch und materiell vermischt und miteinander vermittelt. Durch jeden einzelnen Produktionsprozess hindurch entstehen Natur-Kultur-Hybride – und zwar zum einen in den bewusst und beabsichtigt hergestellten Gütern und Leistungen und zum anderen in den unbewusst und unbeabsichtigt (mit)erzeugten Nebenprodukten: Klimawandel, Hochwasserereignisse, Artenverluste, durch Chemikalien belastete Organismen, Beeinträchtigungen der generativen Reproduktion und andere Phänomene verdeutlichen, dass die Trennung zwischen anthropogenen und natürlichen Verursachungs- und Wirkungsmomenten nicht möglich ist. Die Vermittlung von Arbeits- mit Naturprodukten und -leistungen und mithin die Herstellung von Hybriden20 bildet daher nicht die Ausnahme, sondern ist systemisch in die ökonomischen Praktiken eingelassen. Doch von eben dieser materiellen Praxis des Verwertens will das ökonomische System dann nichts wissen, wenn es um das Bewerten geht: In der ökonomischen Bewertung werden die Sphären getrennt und voneinander abgespalten – nur, was das Ökonomische als seine eigene Produktivität (Kapital- und warenförmige Arbeitsproduktivität) erkennt und anerkennt, geht in die Wertrechnung ein. Ökologische und weibliche Produktivität gelten als außerökonomische Leistungen – als „Natur“. Zugespitzt lässt sich sagen: Die ökonomische Theorie versteht nichts von dem, was die Wirtschaftspraxis tut. In der ökonomischen Bewertung bildet sich nicht ab, was dem ökonomischen Handeln vorausgeht und in es eingeht (Naturund weibliche Produktivität) und was es hervorbringt (gesellschaftlich uner20
Vgl. zum Begriff des Hybriden Latour 1995 und insbesondere Haraway 1995.
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wünschte ökologische und sozial lebensweltliche Produkte). Die Grundannahmen der Ökonomik lassen dies, wie wir gezeigt haben, nicht zu. Diese widersprüchliche Struktur des Ökonomischen kennzeichnet und durchzieht die gesellschaftlichen Natur- und Geschlechterverhältnisse in der Industriemoderne. Natur-Kultur-Hybride werden durch die ökonomische Praxis produziert und zugleich in der ökonomischen Logik geleugnet. Durch die Praktiken des Vermittelns und die Logik des Trennens hindurch werden systemisch gesellschaftliche Geschlechter- und Naturverhältnisse erzeugt, die nicht nachhaltig sind und nicht sein können. Inter- und intragenerationale Gerechtigkeit, wie sie mit dem Leitbild Nachhaltigkeit geboten sind, werden durch diese widersprüchliche Struktur des Ökonomischen hindurch systematisch untergraben und ausgehöhlt. Mithilfe der Kategorie (Re)Produktivität kann dies kritisch analysiert werden. Aber die Kategorie leistet – neben der Fundierung einer Vision von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise – noch mehr: Sie eignet sich, die aktuellen Entwicklungen in der Transformation des Ökonomischen besser zu verstehen. Neue ökonomisch-technische Systeme wie die informations- und biotechnischen Industrien und die Transformationen der industriellen Ökonomie in eine Dienstleistungsökonomie weichen die Produktions-Reproduktionsdifferenz, wie sie für die Industriegesellschaft kennzeichnend ist, auf: Das vermeintlich Reproduktive (weibliche und ökologische Produktivität) wird als Basisressource für diese neuen Ökonomien erschlossen. Und dies betrifft beide Seiten des „Reproduktiven“. So werden die überwiegend Frauen zugewiesenen Kompetenzen wie Kommunikations-, Kooperations-, Koordinations- und Mediationsfähigkeiten, die vielfach Frauen durch ihren Lebensalltag als Grenzgängerinnen zwischen Erwerbs- und Versorgungsbereich erworben haben, als Schlüsselkompetenzen für die Dienstleistungsökonomien gebraucht. Die neue Ökonomie wirbt längst schon um die noch vielfach brachliegende „Ressource Frau“ (vgl. z. B. Hondrich 2006) – eine Tatsache, die inzwischen auch von Familien- und Frauenpolitikern/innen erkannt worden ist und neue politische Konzepte (zum Beispiel das einkommensabhängige Erziehungsgeld oder das Ziel der Ganztagsbetreuung für Kinder und Jugendliche) befördert. Zugleich wird auch die Naturproduktivität als Basisressource entdeckt und erschlossen. So gerät Biodiversität als die Schlüsselressource biotechnischer Industriekomplexe in den Fokus globaler Schutzpolitiken. Die neue Ökonomie verwandelt mehr und mehr das, was der Industrieökonomie als das „Reproduktive“ galt, in ihre zentrale Produktivität. Doch entstehen dabei zugleich neue Ausschlüsse. Neue „reproduktive“ Systeme werden geschaffen: Wir sehen zum Beispiel, dass die an die Erwerbsarbeitssphäre in den westlichen Dienstleistungsgesellschaften abfließende Frauenarbeit immer häufiger in der Versorgungsarbeitssphäre kompensiert wird durch
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Frauenarbeit aus den Ländern des Südens oder Osteuropas (vgl. u. a. Leitner/ Ostner 2000; Wichterich 2003). Einhergehend mit den politischen Anstrengungen zum Schutz der Biodiversität wird genetisches „Material“ in großem Maßstab durch globale Industriekomplexe privat angeeignet. Es gilt also kritisch zu beobachten, welche neuen Ausschlüsse und Abspaltungen die sich transformierende Ökonomie hervorbringt – wo entlang genau die neuen Grenzen zwischen Produktivem und „Reproduktivem“ verlaufen werden. Zugleich sehen wir jedoch auch die mit diesen Entwicklungen verbundenen Chancen. Es setzt – wenn auch in der Logik kapitalistischer Warenproduktion – allenthalben eine Umwertung, eine Neubewertung ein. Was bisher abgewertet und ökonomisch unsichtbar gehalten wurde, wird mehr und mehr Wert geschätzt. Neue familien- und frauenpolitische Konzepte holen ans Licht, was an mit Weiblichkeit assoziierten Kompetenzen bislang noch im Schatten des Industrieökonomischen verborgen gewesen war. Die politischen Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität befördern eine neue Wertschätzung für die ökologische Natur, die nunmehr nicht mehr nur als statisch konstante, sondern auch als dynamisch prozesshafte verstanden und anerkannt wird. In diesen Entwicklungen liegen Chancen für eine Nachhaltige Entwicklung, die es zu nutzen gälte. Fragen wir zusammenfassend, was die Kategorie (Re)Produktivität für die Nachhaltigkeitsdebatte in kritisch-analytischer Hinsicht zu leisten vermag, so ist deutlich geworden, dass das Zusammendenken der zentralen theoretischen Kategorien ökologischer und feministischer Ökonomik ein Neudenken des Ökonomischen ermöglicht: Beides, Naturproduktivität und weibliche Produktivität, wird durch die ökonomischen Bewertung abgespalten und zugleich in der ökonomischen Verwertungspraxis vollständig und umfassend vereinnahmt. Dies bildet den Hintergrund der sozial-ökologischen Krise. Die Einsicht in die Gleichursprünglichkeit der Krise der „Reproduktionsarbeit“ und der „ökologischen“ Krise als eine Krise des Reproduktiven eröffnet einen Denkraum, der dem mit dem Leitbild Nachhaltigkeit geforderten Integrationsanspruch gerecht zu werden vermag. Das Verständnis, dass beide Problemkomplexe mit- und ineinander verwoben sind, fordert zu neuen Formen auch des wissenschaftlichen Arbeitens heraus. Nachhaltigkeitswissenschaften sind daher notwendig inter- und transdisziplinär zu konzipieren. Doch ist mit der Kategorie (Re)Produktivität nicht nur ein neues Denken gefordert, sondern es geht zugleich auch um neue integrative Handlungsformen und Strategien. Ein Neudenken dessen, was Ökonomie ist und was das Ökonomische leistet, verweist zugleich auf eine Vision: Die „Neuerfindung“ des Ökonomischen auf Basis der Kategorie (Re)Produktivität vermag eine Vorstellung vom Wirtschaften in einer nachhaltigen Gesellschaft zu vermitteln.
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Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister
Visionärer Ausblick: (Re)Produktive Ökonomie in einer nachhaltigen Gesellschaft
Eine nachhaltige Ökonomie21 agiert in der Gewissheit, dass Produzieren und „Reproduzieren“, Herstellen und Wiederherstellen/Erneuern, untrennbar zusammengehören, dass Produkt und Produktivität identisch sind. Sie versteht sich als (re)produktive Ökonomie und weiß um ihre Verantwortung, gesellschaftlich gewünschte sozial-ökologische Produkte zu generieren. Ökonomisches Handeln ist hier mehr als marktkoordiniertes und geldvermitteltes Handeln. Zwar sind Märkte und ist Geld Bestandteil dieser Ökonomie, sie sind jedoch gesellschaftlich bewusst gestaltete und genutzte Mittel für nachhaltige Lebensprozesse. Unter der Voraussetzung dieses umgekehrten Zweck-Mittel-Verhältnisses wird (re)produktives Wirtschaften auch marktökonomisch wirksam22. Voraussetzung für das Gelingen dieses grundlegenden Transformationsprozesses des Ökonomischen ist die Überwindung der Differenz zwischen Bewerten (bisher bedeutet das Trennen) und Verwerten (Vermitteln) als inneres Widerspruchsverhältnis moderner Ökonomie. Das bedeutet, den bisher geltenden abstrakten, quantitativen Produktivitätsbegriff durch einen qualitativen, an sozialökologische Kriterien gebundenen Begriff von (Re)Produktivität zu ersetzen. Die Auswahl solcher Kriterien unterliegt gesellschaftlicher Bestimmung. Das Ökonomische dehnt sich daher einerseits auf jene Bereiche aus, die in der Moderne als außerökonomische abgetrennt sind (vor allem auf die Versorgungsökonomie und auf ökologische Produktionsräume). Zum anderen unterliegt es demokratischen Bewertungs- und Gestaltungsprozessen. In Anknüpfung am und in Erweiterung des Reproduktionsmodells (vgl. Abb.1) lassen sich drei Dimensionen benennen, die es in diesem Transformationsprozess besonders zu beachten gilt: die materiell-technische, die sozial-kulturelle sowie die kulturell-symbolische. Materiell-technisch ist (re)produktive Ökonomie primär eine Stoffwirtschaft und erst sekundär eine Geldwirtschaft. Zweck ist es, ein gesellschaftlich erwünschtes Natur- und Sozialprodukt herzustellen. In den materiell-technischen (Re)Produktionsprozess sind sowohl die stofflichen Reduktionsfunktionen als auch das Alltagswissen aller beteiligten Akteure und Akteurinnen integriert. Insbesondere werden die Alltagserfahrungen der Konsumenten/innen für die qualitative (Re)Produktentwicklung mit dem Wissen aus Naturwissenschaft und
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Vgl. zum Folgenden Biesecker/Hofmeister 2006: 158ff. „Es besteht keine Notwendigkeit, den Markt ausschließlich jenen zu überlassen, die nur ihren persönlichen Nutzen suchen.“ Dies sagt Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger 2007 und Begründer der Grameen- Bank, die Mikrokredite insbesondere an Frauen zunächst in Indien, zunehmend auch in anderen Ländern, vergibt.
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Technik verbunden. Dabei verändert sich auch das bisherige Geschlechterverhältnis (vgl. Weller 2004). Sozial-kulturell werden alle Produktivitäten – alle menschliche Tätigkeiten und die Naturleistungen – in das Ökonomische einbezogen, Wert geschätzt und bewertet. Das bedeutet eine radikale Erweiterung des Begriffs Arbeit: Es gilt, die Produktivitäten der verschiedenen Arbeiten sowie die Naturproduktivität im (Re)Produktionsprozess anhand demokratisch ausgehandelter Kriterien und Ansprüche an die (Re)Produktionsprozesse und an die Qualitäten der daraus hervorgehenden (Re)Produkte kooperativ zu verbinden. Alle Produktivitäten sind hier gleichwertig und gleich wichtig. Damit sind in einer (re)produktiven Ökonomie die Dichotomisierungen Gesellschaft vs. Natur und männlich vs. weiblich belanglos geworden. Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit sind nicht mehr nur moralische Anliegen, sondern Gerechtigkeit wird zur Basis, zu einer essentiellen Ressource nachhaltiger Ökonomie. Die kulturell-symbolische Dimension einer (re)produktiv verfassten Ökonomie bildet sich im Transformationsprozess erst heraus. Ausgehend von den derzeit beobachtbaren Auflösungserscheinungen der tradierten kulturell-symbolischen Ordnungen (Bourdieu 2005) wird deutlich, dass sich sowohl neue Natur- als auch neue Geschlechterordnungen auszubilden beginnen. Ob diese einer (re)produktiven Verfasstheit von Gesellschaft und Ökonomie gerecht zu werden vermögen, ist offen (vgl. 2). Im biotechnischen Zeitalter verschwinden zum Beispiel kulturelle Männlichkeitsvorstellungen mehr und mehr aus den gesellschaftlichen Entwicklungsvorstellungen, tradierte Natur- und Weiblichkeitsverständnisse verlieren an Bedeutung (Schultz 1996: 203). Mit dem Aufbrechen der tradierten Muster geschlechtlicher Arbeitsteilung sind die kulturell-symbolischen Zuweisungen von männlicher Erwerbsarbeits- und weiblicher Familienarbeitsbiografie nicht mehr selbstverständlich. Ein für eine nachhaltige Gesellschaft charakteristisches kooperatives Geschlechterverhältnis könnte sich in diesem Transformationsprozess herausbilden. Die beschriebenen drei Dimensionen des Transformationsprozesses kennzeichnen auch dessen Resultat – eine (re)produktiv verfasste Ökonomie. Diese lässt sich als Regulationsordnung verstehen, deren Aufgabe es ist, die materielltechnische, sozial-kulturelle und kulturell-symbolische Regulation gesellschaftlicher Natur- und Geschlechterverhältnisse entlang sozial-ökologischer Kriterien zu ermöglichen und sie zu sichern. In Abb. 2 ist der Modus einer solchen Regulationsordnung skizziert.
76 Abbildung 2:
Adelheid Biesecker und Sabine Hofmeister Modus des (Re)Produzierens in einer nachhaltigen Gesellschaft
Quelle: Biesecker/Hofmeister 2006: 166
Das (re)produktive System ist hier durch die Einheit der aus dem physischen Reproduktionsmodell (vgl. Abb.1) übernommenen vier Produktionsphasen gekennzeichnet. Diese verändern sich jedoch in einer (re)produktiven Ökonomie: Sie sind jetzt zugleich sozial-ökologische Tätigkeitsräume. In jedem wird eine je spezifische Produktivität benötigt und entfaltet (P1 bis P4) – eine je spezifische Arbeitsproduktivität in Kooperation mit Naturproduktivität. In jeder Phase des gesellschaftlichen (Re)Produktionsprozesses geht es darum, den je spezifischen Vermittlungsprozess von Arbeits- und Naturproduktivität zu verstehen und zu
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praktizieren – als Produktivitätsbündel (vgl. Biesecker/Hofmeister 2009). Für die Entwicklung dieser neuen Ökonomie werden in den verschiedenen Phasen alle jeweils beteiligten und betroffenen Menschen mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung gebraucht – Alltagswissen mischt sich mit professionellem Wissen. Das macht auch deutlich: Gestaltet und gesteuert wird dieses (re)produktive System durch bewusste Prozesse gesellschaftlicher Regulierung auf allen Ebenen (betrieblich, lokal, regional, national, global), über die auch die stofflichen Qualitäten der Prozesse und Produkte und deren Bewertungen (Werturteilsbildung) bestimmt werden. Diese gesellschaftlichen Prozesse sind demokratisch und partizipativ angelegt und in ihrer prozessualen Form diskursiv. So bilden sich nach und nach neue Natur- und Geschlechterordnungen heraus, die selbst auf den Prozess des (Re)Produzierens (des Vermittelns) zurückwirken und auch die Bewertungsmaßstäbe beeinflussen. Deutlich wird hiermit: Das Ökonomische wird in einer nachhaltigen Gesellschaft nicht mehr das sein (können), was es heute noch ist. Es wird kein durch Geldströme gesteuerter Marktmechanismus sein, sondern eine (re)produktive Regulationsordnung. In ihr ist das Ökonomische gleichzeitig erweitert und durch politisch gesellschaftliche Bewertungs- und Gestaltungsprozesse geprägt: Ein im (Re)Produktiven verankerter ökonomischer Raum ist ein bewusst konstituierter sozial-ökologischer Handlungsraum.
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Care Ökonomie – eine Herausforderung für die Wirtschaftswissenschaften Mascha Madörin
Einleitung Unbezahlte Arbeit, das Aufziehen von Kindern, die tägliche Arbeit in Haushalt und Garten, die Pflege und Unterstützung von Erwachsenen, Frauen als letztlich Zuständige für das Wohlergehen von Menschen sind seit den frühen 1970er Jahren zentrales Thema der neuen Frauenbewegung. Sie haben die Debatte zur Sozialpolitik, zur sozialen und ökonomischen Diskriminierung der Frauen im Erwerbsleben wesentlich mitgeprägt. Im Zentrum der Debatte stand von Beginn an die Unsichtbarkeit der unbezahlten (Frauen)Arbeit, die besonderen Charakteristiken, die dieser Arbeit innewohnen, die damit verbundene „weibliche“ Sozialisation und die Frage, wie es dazu kommt, dass Frauen so viel mehr Arbeit unbezahlt verrichten als Männer.1 Seit rund zwanzig Jahren gibt es in der feministischen Ökonomie eine etwas anders gelagerte Theoriedebatte und Forschung, die unbezahlte Arbeit als Teil der Produktion von Wohlfahrt und Lebensstandard thematisiert:2 Wie kann das Nebeneinander und die Artikulation von bezahlter und unbezahlter Care Arbeit in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Zusammenhängen analysiert werden? Welche Rolle spielt die unbezahlte Arbeit für das Wohlergehen und den 1
So hatte ein damals wichtiges Buch von Anke Wolf-Graaf (1981) den bezeichnenden Titel: „Frauenarbeit im Abseits. Frauenbewegung und weibliches Arbeitsvermögen“; mehr dazu siehe Madörin 2006. 2 Diese Debatte begann mit der marxistischen Hausarbeitsdebatte, welche die unbezahlte Arbeit als Teil der Reproduktion der Arbeitskräfte – eine gesellschaftliche, für das Überleben notwendige Arbeit – und damit der kapitalistischen Akkumulation und Reproduktion diskutierte. Eine interessante Zusammenfassung und Auseinandersetzung mit dieser Debatte findet sich bei Molyneux (1979). Als Weiterentwicklung dieses theoretischen Ansatzes kann im deutschen Sprachraum die Subsistenztheorie der „Bielefelderinnen“ (Maria Mies, Claudia von Werlhof, Veronika BennholdtThomsen) gesehen werden (vor allem: Mies 1988). In den späten 1980er Jahren begann eine neue ökonomische Debatte, die weniger von der marxistischen als von der institutionellen und klassischen Wirtschaftstheorie geprägt ist.
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Mascha Madörin
Lebensstandard von Menschen und welche Rolle spielt dabei die bezahlte und unbezahlte Care Ökonomie? Welche Veränderungen finden gegenwärtig statt? Unter ÖkonomInnen, die sich mit Geschlechterverhältnissen befassen, kann als unbestritten gelten, dass unbezahlte Arbeit als Teil wirtschaftlichen Handelns angesehen werden und deshalb Teil ökonomischer Analysen sein muss (Bakker 1994; Folbre 1995; Himmelweit 2001; Budlender 2004; Jochimsen/Knobloch 2006: 10; Madörin 1996). Im Zentrum dieser feministischen Analyse steht nicht nur die „Frauenarbeit“, sondern umfassender die Geschlechterverhältnisse3, welche die „Produktion“ von Wohlfahrt und Lebensstandard prägen. So schreibt Diana Strassmann im Editorial von „Feminist Economics“ zum zehnjährigen Jubiläum dieser Fachzeitschrift: „By opening the doors to those who had been kept out, we hoped to enhance the quality of economic debate, and ultimately – as reflected in the journal’s mission statement – human well-being“ (2004: 1). Die drei folgenden Zitate von Ökonominnen aus verschiedenen Kontinenten umschreiben diese neuere Fragestellung. Die Zitate illustrieren auch, wie sehr immer noch nach geeigneten Kategorien, Fragestellungen und Eingrenzungen des Themas gesucht wird: Zitat 1 „(...) die Lebensweltökonomie [untersucht] das alltägliche Handeln zur Versorgung der Menschen mit dem zum Leben und zum guten Leben Notwendigen und arbeitet den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beitrag dieser versorgungswirtschaftlichen Tätigkeiten heraus. Zu den Tätigkeiten, die sich auf die Versorgung der Menschen mit den notwendigen Gütern und Dienstleistungen konzentrieren, zählen vor allem Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, Nachbarschaftshilfe und Freiwilligenarbeit. Es sind Tätigkeiten, die oft schlecht oder gar nicht bezahlt werden, die aber für jedes Wirtschaftssystem überlebenswichtig sind. (...) Lebensweltökonomische Tätigkeiten werden in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen erbracht, wobei der Schwerpunkt auf der bezahlten und unbezahlten Versorgungswirtschaft liegt“ (Jochimsen/Knobloch 2006: 11). Zitat 2 „To define economics as the study of social provisioning is to emphasize that at its root, economic activity involves the ways people organize themselves collec3
Für die Geschlechterverhältnisse ist nicht nur charakteristisch, dass Frauen wesentlich mehr unbezahlte Arbeit verrichten als Männer und Männer wesentlich mehr und vergleichsweise besser bezahlte Arbeit als Frauen. Außerdem besteht eine ausgeprägte Asymmetrie darin, welchen Tätigkeiten Frauen und Männer sowohl unbezahlt als auch bezahlt nachgehen. Ob bezahlt oder unbezahlt, Frauen sind vor allem im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen tätig, zu der die Care Arbeit gehört (s. dazu Abschnitt 3).
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tively to get a living. (...) Starting economic analysis from this standpoint illuminates the ways a society organizes itself to produce and reproduce material life. This organization is a set of social activities, rather than individual choices, and its outcome in social production and reproduction, rather than individual happiness (although, of course, individual choices do occur and individual happiness is directly relevant – the point is that this is not utility maximization). Social provisioning is a classical, not a neoclassical, concept, a descriptive category rather than a motivation. At any historical moment within a given economic system, a specific aspect of provisioning can be carried out in myriad ways. The dynamics of economic relations (themselves embedded within power relations) interact with societal institutions and social divisions (by for example, class, race, and gender) to construct specific outcomes (...)“ (Power 2004: 7). Zitat 3 „If the feminist critique of economics were to be taken seriously, what would be different about economic theory and practice? In other words, what might a new “feminist economics” look like? (...) I do not think that attempting to expand the standard economic model to include children and caring work will prove to be of much use to feminist economists. The new Household Economics4 (…) is one attempt to do this; it has not provided a useful framework for analyzing questions of interest to most feminist economists. (...) I think that feminist economics needs to insist that there are not one, but two equally important economic stories or models or metaphors. There is the story about competition in markets, but there is also the story about the other economy. The other economy is concerned with the direct production and maintenance of human beings. This production and maintenance of human beings is an end in itself, not a means to producing commodities. Producing and caring for children is one very important part of the other economy, but it is not the only part. There is also the care needed to sustain adults throughout their lives. Much of this care is self-care, but there is also a great deal of unpaid care that women provide for men. This care does not occur only within the household, but in all areas of life where there are personal interactions, including the workplace. Health care settings and educational institutions are particularly important nonhousehold sites of the other economy“ (Donath 2000: 115ff.). Es gibt also den Anspruch, eine Ökonomie-Theorie zu entwickeln, in der das Nebeneinander und die Verflochtenheit der bezahlten und unbezahlten Arbeit und die damit verbundenen Arbeitsverhältnisse und generell Produktionsverhält4
Gemeint ist die von Gary Becker entwickelte neoklassische Haushaltstheorie (Anm. M.M.).
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nisse als Gesamtes analysiert werden. Das ist schwierig. Wer das versucht, wird rasch mit dem Problem konfrontiert, dass sämtliche modernen Wirtschaftstheorien, egal welcher Denktradition, geprägt sind von der Industrialisierung der Güterproduktion5 und den damit verbundenen Analysen von Wirtschaftswachstum, Warenproduktion und dem Funktionieren von Märkten, von der Rolle des Staates etc. Das Wirtschaften außerhalb dessen, was normalerweise „Wirtschaft“ genannt wird, wurde in der Mainstream-Ökonomie als „Soziales“ und „NichtÖkonomisches“6 analysiert, in einer ersten Phase der feministischen ÖkonomieDebatte als „Reproduktionssphäre“ oder „Subsistenzproduktion“. Feministische Ökonominnen treten seit etwa zwanzig Jahren mit dem Anspruch auf, den Dualismus zwischen dem Ökonomischen und der „anderen Ökonomie“, dem irgendwie doch nicht „richtig“ Ökonomischen, zu durchbrechen.7 Im Jahr 2006 startete UNRISD (United Research Institute for Social Development) ein Forschungsprogamm zur „Political and Social Economy of Care“ in acht Ländern (Argentinien, Nicaragua, Südafrika, Tanzania, Indien, Südkorea, Japan, Schweiz), das sich als interdisziplinär versteht.8 Das Projekt geht wesentlich vom Konzept des „Care Diamanten“ aus: von der bezahlten und unbezahlten Care Arbeit und denjenigen, die diese Arbeit in den unterschiedlichsten institutionellen Zusammenhängen leisten. Es wird nach Größenordnungen, Geschlechterverhältnissen und nach den sozio-ökonomischen, sozialpolitischen und weiteren institutionellen Bedingungen gefragt, welche die Care Diamanten prägen. Das Besondere – und für eine Ökonomin Attraktive – an dieser Forschung liegt in diesem Ausgangspunkt. Im Zentrum anderer, ähnlich gelagerter sozialwissenschaftlicher Analysen stehen in der Regel Vergleiche zwischen „Welfare Regimes“ verschiedener Länder oder zwischen ihren „Gender Regimes“. 5
Bien (2006: 27) sieht das Aufkommen des Begriffs des Ökonomischen gleichzeitig mit der Ausweitung der Märkte. Wenn es um die Care-Tätigkeiten geht, um den Arbeitsprozess, so ist die aufkommende Erfahrung der Industrialisierung der Güterproduktion als Grundlage für moderne Vorstellungen über Rationalität und Effizienz meiner Ansicht nach relevanter für die aktuellen Schwierigkeiten, Care in ökonomische Begriffe zu fassen. Auch das wäre genauer zu eruieren. 6 Das „Soziale“ wird heute in der Regel als das Nicht-Marktwirtschaftliche verstanden. In der englischen Sprache gibt es den Unterschied zwischen „gesellschaftlich“ und „sozial“ nicht. Alles heisst „social“. Zum Teil wird jetzt auch der Begriff „societal“ (s. Zitat von Powers) gebraucht, der aber eine sprachliche Neuerfindung darstellt. Die Konnotation des Begriffs „social“ hat meiner Ansicht zu etlichen Missverständnissen in der feministischen Ökonomiedebatte geführt, besonders in derjenigen, die sich an gesellschaftskritischen Analysen orientieren und in englischsprachigen Gebieten (weiter)entwickelt werden. 7 Es geht hier nicht um die viel beklagte „Ökonomisierung“ des Sozialen, sondern um die Analyse von Austausch-, Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen und ihren unterschiedlichen ökonomischen Logiken in den verschiedenen institutionellen Zusammenhängen des Wirtschaftens. 8 Eine Übersicht über die Interdisziplinarität der Diskussion findet sich im Paper von Shahra Razavi (2007), Direktorin des Projekts, das sich gegenwärtig (Anfang 2009) in einer Endphase befindet.
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Wie wir uns die Unterschiede zwischen der „Wirtschaft“ und der „anderen Wirtschaft“ und deren Verknüpfungen denken, ist eine eminent theoretische Frage. Ansatzpunkt meiner Arbeit ist wie bei der UNRISD-Studie die bezahlte und unbezahlte Care Arbeit9 einerseits und das von Donath (2000) skizzierte Konzept einer „anderen Ökonomie“. In – historisch gesehen – früheren Diskussionen steht ein institutioneller Blickwinkel im Vordergrund: Die „Ökonomie“ und die „andere Ökonomie“ werden vor allem danach unterschieden, ob Arbeit bezahlt oder unbezahlt verrichtet wird, also in unterschiedlichen institutionellen respektive sozialen Zusammenhängen stattfindet und vorwiegend deshalb andere ökonomische Logiken aufweist als monetarisierte Dienstleistungen für den Markt oder im Rahmen des Staates. Donath geht in ihrer Argumentation „zur anderen Ökonomie“ von einer anderen ökonomischen Logik des Arbeitsprozesses und damit verbunden der Arbeitsproduktität aus, egal, ob es sich um bezahlte oder unbezahlte Care handelt. Gleichzeitig definiert sie einen Wirtschaftssektor, der die „production and maintenance of human beings“ umfasst respektive zum Ziel hat. Sowohl bei Donath als auch bei Power gibt es Probleme der Abgrenzung: Gehört beispielsweise beim Konzept des „Social Provisioning“ auch die Produktion von Medikamenten oder die Fertigmahlzeiten der Nahrungsmittelindustrie dazu? Welche Bereiche der bezahlten Arbeit gehören zur „anderen Ökonomie“? Auch die Arbeit einer Verkäuferin im Detailhandel, eines Coiffeurs und einer Ärztin?10 In diesem Artikel geht es um drei ökonomische Aspekte, die meiner Ansicht nach Ausgangspunkte11 bieten können, welche das Zusammendenken der Öko9
Zusammen mit Nadia Baghdadi bin ich am Projekt Schweiz beteiligt, deren fünf Teilberichte noch nicht veröffentlicht sind. Bei den meisten quantitativen Angaben in diesem Artikel handelt es sich um Resultate aus den von mir verfassten Teilberichten. 10 Diese Fragestellungen sind sehr stark von meiner Forschungsarbeit im Rahmen von Gender Budgeting und im Rahmen der UNRISD-Forschung geprägt. Bei dieser Arbeit gehören notwendigerweise Quantifizierungen dazu, welche unausweichlich die Frage aufwerfen, was denn da eigentlich genau statistisch ausgewiesen ist und in Tabellen unter einer Rubrik sinnvollerweise zusammengefasst werden soll und kann. Denn auch der ganze statistische Apparat zur Volkswirtschaft und zu Sozialversicherungen basiert auf der Annahme, dass Lebensstandard und Wohlfahrt nur im bezahlten Sektor produziert wird und Haushalte, dort, wo am meisten unbezahlt gearbeitet wird, nur konsumieren. 11 Ich selbst habe diese nicht nur in der UNRISD-Forschung angewendet, sondern auch im Zusammenhang mit gesundheitsökonomischen Fragestellungen und Gender Budget-Analysen. Die Analyse der Wirkung öffentlicher Finanzen auf die Care Ökonomie sind eine grosse technische und wirtschaftstheoretische Herausforderung (Madörin 2007a; 2007b). Zu einer Weiterentwicklung der Theorien würde auch der Miteinbezug von ökonomischen Voraussetzungen von Care Arbeit gehören, eine umfassende „Betriebsökonomie“ der Haushalte, der Spitäler und deren Arbeitsorganisation und Geschlechterverhältnisse, die Frage der Finanzierung und der Geltungsbereiche von Sozialversicherungen etc.
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nomie und der „anderen Ökonomie“ und eine Weiterentwicklung feministischer Wirtschaftstheorien ermöglichen. Es geht dabei im Folgenden um Besonderheiten der ökonomischen Logik von Arbeits- und Austauschprozessen bei personenbezogenen Dienstleistungen (Abschnitt 1), Größenordnungen der Care Ökonomie und ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung (Abschnitt 2) und volkswirtschaftliche Dynamiken angesichts der Tatsache, dass die bezahlten Care Jobs an Bedeutung zunehmen (Abschnitt 3).
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Personenbezogene Dienstleistungen als Arbeits- und Austauschprozess
Es ist nicht klar, was genau Care Arbeit ist und wann Arbeit Care ist. Einige AutorInnen sehen vor allem „Abhängigkeit“ von der Sorge anderer, wie sie für Kinder, Kranke und Gebrechliche bestehen, als Hauptkriterium für Care. Zentral für diese Sicht sind Begriffe wie „altruistische Motivation“ und „Verantwortung“ für andere, die dem ökonomischen Begriff des Eigeninteresses widersprechen, der den neoklassischen Markttheorien zugrunde liegt. Das Zitat von Susan Donath (2000) zeigt, dass sie die Frage der Abhängigkeit nicht als entscheidend ansieht: Mit Care ist aus ihrer Sicht die Sorge für und Versorgung von allen Menschen gemeint. Sie argumentiert, dass alle Menschen abhängig von Care sind, selbst am Erwerbsarbeitsplatz. Im Forschungsbericht von UNRISD wird zwecks statistischen Vergleichen zwischen drei Kategorien unterschieden, die sich zum Teil überschneiden, zwischen unbezahlter Arbeit, Care Arbeit und unbezahlter Care Arbeit. Care Arbeit wird von Shahra Razavi (2007) wie folgt definiert: „Care work involves direct care of persons; it can be paid or unpaid. Those with intense care needs include young children, the frail elderly and people with various illnesses and disabilities, but able-bodied adults also require and receive care. Paid carers include nannies, childminders, nurses and care workers in homes for the elderly and other institutional setting; they can work in a variety of institutions (public, market, not-for-profit). Direct care of persons (bathing them, feeding them, accompanying them to the doctor, taking them for walks, talking to them and so on) is often seen as separate from the other necessary activities that provide the precondicions for personal caregiving such as preparing meals, shopping and cleaning sheets and clothes. But such boundaries are arbitrary, especially since the persons needing intensive care are often also unable to do such tasks themselves. (...) Unpaid care work is care of persons for no explicit monetary reward“ (Razavi 2007: 6).
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Die in diesem Artikel präsentierten Quantifizierungen folgen dieser doppelten Definition von bezahlter und unbezahlter Care Arbeit (s. Tabellen im Abschnitt 2). In diesem Kapitel geht es weniger um die statistische Erfassung von Care als um die Beschreibung der besonderen ökonomischen Logik des Arbeitsprozesses: Was unterscheidet Care Arbeit von anderen Arbeiten? Maren A. Jochimsen beginnt ihr bemerkenswertes Buch „Careful Economics. Integrating Caring Activities and Economic Science“ (2003)12 mit dem Satz: „To care is to relate: to fellow human beings, to the environment, to the self, as individuals and members of society, consciously, existentially, and over time“ (ebd.: 3). Jochimsen geht vom Begriff Care als generellem Konzept eines sorgenden respektive vorsorgenden Verhältnisses zur Welt aus und untersucht am Beispiel der Pflege die Besonderheiten des Arbeitsprozesses. Ausgangspunkt meiner Überlegungen hier ist jedoch als Oberbegriff nicht „Care“, sondern der Begriff der „personenbezogenen Dienstleistung“, ein Begriff, der in der Mainstream-Ökonomie gebraucht wird.13 Eine der großen, dem bisherigen ökonomischen Denken ziemlich fremde Frage besteht darin, was eine personenbezogene Dienstleistung von anderen Dienstleistungen und der Güterproduktion unterscheidet und wie das ökonomisch auf den Begriff gebracht werden kann. Nicht alle Dienstleistungen sind, was den Arbeits- und Austauschprozess anbelangt, gleich: Alle Produktions- und Dienstleistungsprozesse setzen Zusammenarbeit und damit zwischenmenschliche Beziehungen und auch Care voraus, wie Donath im obigen Zitat antönt. Aber hier geht es nicht um die persönlichen Beziehungen und damit verbundener „Beziehungsarbeit“, die bei jeglicher Art von Zusammenarbeit entstehen, sondern es geht um eine Dienstleistung, die ohne Gegenwart der EmpfängerIn der Dienstleistung nicht möglich ist. Und es gibt unterschiedlich stark personenbezogene Dienstleistungen sowie solche, bei denen starke persönliche Abhängigkeitsverhältnisse und/oder grundlegende Bedürfnisse bestehen. Personenbezogene Dienstleistungen können nicht nur mehr oder weniger lebensnotwendig sein, sie können auch in unterschiedlichem Grad intim sein, einem unterschiedlich „nahe“ 12
Bemerkenswert deshalb, weil Jochimsen akribisch versucht, die Besonderheiten des Arbeitsprozesses, der mit Pflegearbeit verbunden ist, aus den verschiedensten Blickwinkeln zu beleuchten und sie mit Hilfe vorhandener (mikro)ökonomischer Konzepte und Begrifflichkeiten am Beispiel der Pflege durchzuspielen. 13 Im deutschsprachigen Raum ist von der neuen Frauenbewegung der Begriff „Beziehungsarbeit“ geprägt worden. Dieser Begriff hat eine andere Konnotation als Care und ist dem Begriff „personenbezogene Dienstleistung“ näher als der Begriff Care. Die Konnotation von „Beziehungsarbeit“ hat sich aber im Verlauf der Zeit verändert – weg vom Konzept Arbeit hin zu starker Betonung von der Qualität der Beziehung. Beziehungsarbeit beinhaltet im Unterschied zum Begriff personenbezogene Dienstleistung auch die Idee, dass es Arbeit braucht, um Beziehungen aufrecht zu erhalten: z.B. Weihnachtsfeste oder Parties organisieren, Geschenke kaufen oder Ansichtskarten schreiben.
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gehen. Trotz dieser Unterschiede ist allen diesen personenbezogenen Dienstleistungen gemeinsam, dass sie ebenso zuverlässig, präzis und pünktlich ausgeführt werden müssen wie Arbeiten in der Güterproduktion, aber gleichzeitig müssen sie eine zusätzliche Qualität aufweisen: Sie müssen den EmpfängerInnen der Leistung direkt Gefühle von Wohlbefinden und Zufriedenheit vermitteln (Reich 1992: 176; s. dazu auch Hochschild 1990). Wichtiges Merkmal aller personenbezogenen Dienstleistungen ist erstens, dass – im Unterschied zur Güterproduktion und zu nicht-personenbezogenen Dienstleistungen – Produktions- und Konsumtionsprozesse nicht getrennt sind und nicht getrennt werden können. Der Austausch findet direkt zwischen Subjekten – den DienstleisterInnen und EmpfängerInnen – statt und nicht über den anonymen Markt. Zwischenmenschliche Beziehungen sind Teil des Arbeitsprozesses und des wirtschaftlichen Austauschs. Die Arbeitszeit, die aufgewendet wird, ist Teil der Leistung (Hochschild 1990; Himmelweit 1995; Jochimsen 2003). Zweitens sind Care-Tätigkeiten wie die Pflege von Kranken oder Betreuung von Kindern durch ein Machtgefälle zwischen Dienstleistenden und KlientInnen charakterisiert, durch ein Verantwortlichkeits- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den BetreuerInnen und Betreuten. Drittens sind Care-Arbeiten meistens prozesshafter Natur. Diese drei Punkte sollen hier anhand von Beispielen aus dem Gesundheitswesen kurz dargestellt und illustriert werden. Im Bildungs-, Beratungs- und Sozialwesen stellen sich ähnliche Fragen.
1.1
Care-Tätigkeiten setzen Subjekt-Subjekt-Beziehungen und Zeit für Gespräche und andere Interaktionen voraus
Als meine Mutter mit fast 96 Jahren in ein Alters- und Pflegeheim eintrat, war sie anfänglich über die Wortkargheit des Personals schockiert und fühlte sich sehr verunsichert. Meine Schwester und ich ließen sie – ohne ihr Wissen – in eine höhere Pflegestufe einteilen. Dies wäre aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht unbedingt nötig gewesen. Es bedeutete aber, dass sie nun mehr Kontakt mit dem Pflegepersonal hatte. Meine Mutter äußerte sich kurz darauf befriedigt darüber, dass die Pflegenden gesprächsfreudiger geworden seien. Wir wagten nicht, ihr zu sagen, was die neue Vereinbarung war und vor allem, wie viel mehr diese kostete. Der entscheidende Punkt an diesem Beispiel ist aus ökonomischer Sicht, dass Zwischenmenschlichkeit, Freundlichkeit und ein bisschen Unterstützung Zeit, Energie und ein Minimum an Beziehungs-Kontinuität brauchen. Was im unbezahlten Bereich vielleicht nicht als Arbeit empfunden wird, wird bei der bezahlten Arbeit zur ökonomischen Dimension: Es braucht Zeit, die bezahlt werden muss.
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Alle personenbezogenen Dienstleistungen, seien es diejenigen einer Ärztin, einer Bergführerin, eines Pflegers, einer Vermögensberaterin, einer Lehrerin oder eines Kleinkindererziehers, setzen unvermeidlich zwischenmenschliche Beziehungen und damit „Beziehungsarbeit“ voraus, also Subjekt-Subjekt-Beziehungen und nicht Subjekt-Objekt-Beziehungen wie bei der Güterproduktion oder anderen Dienstleistungen. Neben fachlicher Kompetenz spielen Beziehungskompetenz und Kommunikation eine wichtige Rolle. Sie sind – das ist zentral – Teil der Leistung und Teil der Qualität der Leistung. Leistungsmessungen und ihre Standardisierung haben bei personenbezogenen Dienstleistungen daher enge Grenzen. Empathie und Interesse für den Anderen wurden von den ÖkonomInnen lange Zeit als etwas „Nicht-Ökonomisches“ gesehen und vorwiegend von unbezahlt arbeitenden Frauen erwartet. Altruismus erfordert Zeit und Energie. Zeitmangel kann bei ÄrztInnen, PflegerInnen und TherapeutInnen zum Verlust dieser Motivation führen, weil sie nicht mehr so arbeiten können, wie sie es als gut empfinden – gut für die PatientInnen und gut für sich selbst. Umgekehrt wird womöglich eine Behandlung weniger Erfolg haben, wenn sich die PatientInnen abgefertigt fühlen. Dazu kommt, was die Intersubjektivität des Arbeitsprozesses auszeichnet: Es braucht zwischenmenschliche Kommunikation, um zu erfahren, was die EmpfängerInnen einer Care Leistung wirklich brauchen. Ältere Untersuchungen in England haben beispielsweise gezeigt, dass etwa 85 Prozent der Informationen für medizinische Diagnosen aus Gesprächen mit den PatientInnen stammten, etwa 7 Prozent aus physischen Untersuchungen und etwa 7 Prozent aus technischen Diagnoseverfahren (Hart 2006: 117). Der Versuch, im Sozial-, Gesundheits- und Bildungssektor Kosten zu senken, dreht sich letztlich immer wieder um die Verkürzung des Zeitaufwandes für Beziehungsarbeit oder um eine Arbeitsteilung und Hierarchisierung der Arbeitskräfte, die eine Reduktion der Lohnsumme ermöglicht.14
1.2
Die Frage der Abhängigkeit: Was ist Abhängigkeit aus ökonomischer Sicht?
Die Tatsache allein, dass ich auf Beziehungen zu anderen angewiesen bin, als Abhängigkeit zu bezeichnen, wäre wenig hilfreich für das Verständnis der Be14
Eine Physiotherapeutin hat mir erzählt, dass im Spital, in dem sie gearbeitet hat, jeweils am Morgen vor Verteilung der Arbeit gefragt wurde: Wer will noch ein Knie, eine Schulter etc.? Es wird zunehmend zwischen der „Behandlung von Krankheit“ oder von kranken Körperteilen durch qualifiziertes, gut bezahltes Personal und „Behandlung von Kranken“ durch weniger qualifiziertes respektive weniger gut bezahltes Personal unterschieden.
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sonderheiten eines Aspekts der Care Ökonomie, welche die Betreuung von Kindern und die Betreuung und Pflege kranker und gebrechlicher Menschen besonders betrifft. Bei allen personennahen Dienstleistungen, welche die Intimsphäre tangieren oder wo ein großes Wissensgefälle wie zum Beispiel im Fall von Beratungen in Sozialämtern oder bei der privaten Vermögensverwaltung15 besteht, wird die Frage des Machtgefälles wichtig. Das ist eine Variante von Abhängigkeit. Bei vielen Care-Dienstleistungen geht es um eine andere Form von Abhängigkeit, nämlich um ein Grundbedürfnis. Kochen für andere schafft an und für sich kein großes Machtgefälle, obwohl die tägliche Mahlzeit für das Überleben wichtig ist. Notfalls kann ich selbst kochen, kann Fertigprodukte kaufen oder das Restaurant wechseln – vorausgesetzt, ich habe ausreichend Geld. Aber wie steht es mit den Mahlzeiten für Kleinkinder oder für kranke Erwachsene, die nicht in der Lage sind, selbst zu kochen und darauf angewiesen sind, dass dies täglich jemand für sie tun? Kranke können meistens für sich selbst verantwortlich entscheiden, was getan werden müsste, aber können es krankheitshalber teilweise nicht selbst tun. Im Fall des Kleinkindes geht es zwar auch um die tägliche Versorgung, aber auch gleichzeitig um eine Verantwortung für das Kind. Es fehlen differenzierte ökonomische Begriffe für die Beschreibung dieser unterschiedlichen Care-Verhältnisse und Care-Arbeiten, nicht zuletzt deshalb, weil in der Mainstream-Ökonomie von der grundlegenden Annahme von Wahlfreiheit16, von der Autonomie des Individuums und von der Anonymität des Austauschprozesses ausgegangen wird. Bei vielen personenbezogenen Dienstleistungen ist wie bei der Hausarbeit der Übergang zwischen dem Erweisen eines Dienstes, der Beziehungsarbeit und der körperlichen und emotionalen Verfügbarkeit einer Person, die selbst zum Teil der Dienstleistung wird, fließend. Die Problematik zeigt sich beim umstrittenen Begriff der „Sexarbeit“ besonders klar. Worin diese Übergänge genau bestehen und wann sie in Ausbeutungsverhältnisse, Unterwerfung und Verletzung der körperlichen und psychischen Integrität einer Person umkippen, ist schwer auf den Begriff zu bringen (Adkins 1995; Enloe 1989; Madörin/Plüss 1996).
15
Wer versteht schon, was ein „strukturiertes Produkt“ oder ein Derivat ist? Die Wahlfreiheit ist das einzige Menschenrecht, das in der neoklassischen Ökonomie und damit in den Markttheorien vorgesehen ist. Der Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen hat versucht, das neoklassische Konzept der Wahlfreiheit mit der Frage zu verbinden, welches die ökonomischen Bedingungen dafür sind, dass eine Wahlfreiheit faktisch besteht. Wahlfreiheit setzt die reale Möglichkeit zu wählen (es braucht beispielsweise dazu Geld) und die Fähigkeit zu wählen (zum Beispiel Kenntnisse und Zugang zu den Leistungen) voraus. In der Fachzeitschrift „Feminist Economics“ befinden sich zahlreiche Artikel zum wirtschaftstheoretischen Denken Sens und dessen Relevanz für feministische Ökonomiedebatten. 16
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Komplexität und Prozesshaftigkeit personenbezogener Dienstleistungen
Ein erfahrener indischer Homöopath, der seinen Lebensunterhalt als Atomphysiker bestreitet und seit Jahren in Indien Homöopathie praktiziert, hat mir erzählt, dass es für ihn unvorstellbar sei, für eine homöopathische Behandlung vor Behandlungsabschluss Geld zu verlangen. Es sei unethisch, von Leuten Geld zu verlangen für eine Behandlung, die nichts bringt oder gar alles noch schlimmer macht. Seine PatientInnen würden ihn am Ende der Behandlung bezahlen, je nachdem, ob die Behandlung erfolgreich war und wie sie seine Bemühungen einschätzen. Die Leute bezahlen also für die von ihnen gespürte Wirkung der Behandlungen und die von ihnen wahrgenommenen ernsthaften Bemühungen des Homöopathen sowie abhängig davon, über wie viel Geld sie verfügen. Effizient ist die Arbeit des Homöopathen aus seiner Sicht nur, wenn er Erfolg hat – und zwar aus der Sicht des Patienten. Eine Arztkonsultation oder Pflegeleistung wird jedoch in unserem Gesundheitswesen bezahlt, ob sie Erfolg gehabt hat und für den Patienten gut gewesen ist oder nicht. Die Markttheorien nehmen an, dass das, was ich kaufe, ein fertiges Produkt mit eindeutigen Eigenschaften ist. Der Anbieter produziert das Produkt (auf die Dauer) nur, wenn er mit dem Verkauf die Produktionskosten decken und wenn möglich einen Gewinn erzielen kann. Er wird versuchen, möglichst effizient, d.h. kostenminimierend zu produzieren und dazu in entsprechende Techniken investieren. Der Konsument will ein möglichst gutes Produkt zu einem möglichst günstigen Preis. Der Markt, so die Mainstream-Theorie, vermittelt nicht nur zwischen anonymen ProduzentInnen und KonsumentInnen, sondern auch zwischen einem optimalen Verhältnis zwischen Kosten und Ertrag (Effizienz) für die Unternehmer/ProduzentInnen und einem optimalen Verhältnis zwischen Preis des Produktes und Nutzen (Effektivität) für die KonsumentInnen. Der „freie Markt“ vermittelt zwischen frei entscheidenden, voneinander isolierten Individuen einerseits und führt zu technisch und ökonomisch optimierter Produktion von Gütern andererseits. Durch den Markt wird also laut (neoklassischer) Theorie die Frage der Effizienz und Effektivät miteinander verknüpft, sie sind beide Teil der Preisbildung. Bei der Behandlung von Kranken ist dieser Austauschprozess wesentlich komplizierter – jedenfalls für die Wirtschaftstheorie. Effizienz und Effektivität müssen unterschieden werden. Dazu kommt, dass nicht klar ist, zu welchem Zeitpunkt die Wirkung einer Behandlung überhaupt beurteilt oder gemessen werden soll. Zudem wäre auch die Frage zu stellen, wer den Nutzen der PatientInnen beurteilt.
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Diese hier aufgezählten Unterschiede17 zwischen Güterproduktion und personenbezogenen Dienstleistungen stellen wesentliche Argumente heutiger ökonomischer Debatten zum Bildungs-, Beratungs- und Gesundheitswesen in Frage.
2
Volkswirtschaftliche Größenordnungen
Die Sichtbarmachung der Arbeit der Frauen, insbesondere der unbezahlten Arbeit (Himmelweit 2001; Budlender 2004; Razavi 2007), ist seit Jahrzehnten eine wichtige Forderung der Frauenbewegung und des Gender Mainstreaming in der Wirtschaftspolitik. In der Aktionsplattform der UNO-Frauenkonferenz in Beijing von 1995 wurde im Paragraph 68 b) explizit von den nationalen und internationalen statistischen Organisationen gefordert: „Devise suitable statistical means to recognize and make visible the full extent of the work of women and all their contributions to the national economy, including their contribution in the unremunerated and domestic sectors, and examine the relationship of women's unremunerated work to the incidence of and their vulnerability to poverty.“
Diesbezüglich wurden in den letzten zehn Jahren einige Fortschritte erzielt. Im Folgenden sollen kurz einige dieser ausgewerteten Daten zur Schweiz aus dem erwähnten Forschungsprogramm von UNRISD dargestellt und kommentiert werden.18 Tabelle 1 zeigt die Größenordnungen der bezahlten und unbezahlten Arbeit in der Schweiz.19 Sie zeigt, wie wichtig die unbezahlte Arbeit ist – als Teil der Tätigkeiten, welche der gesellschaftlichen Versorgung und der Sorge für Menschen dienen und wichtig für unser Wohlbefinden sind. Die Größenordnungen sprechen für sich. Wir wissen es eigentlich schon: Es sind vor allem die Frauen, die die große Last der unbezahlten Arbeit tragen. Und es sind vor allem Frauen, die personenbezogene Dienstleistungen erbringen, ob bezahlt oder unbezahlt. 17
Es sind nicht die einzigen, hinzu kommen unregelmäßige und nicht steuerbare Zeitrhythmen, Unplanbarkeit des Arbeitsbedarfs (wenn z.B. Kranke in eine Krise geraten und sofort reagiert werden muss) und unberechenbare zukünftige Verläufe von Krankheit etc. 18 Die Informationen und Statistiken zu den alle vier Jahre im Rahmen der Schweizerischen Arbeitskräfte SAKE erhobenen Daten zur unbezahlten Arbeit und zum Haushaltssatellitenkonto sind online zu finden beim Bundesamt für Statistik (www.bfs.admin.ch) unter dem Thema „Lebensstandard“. Hier kann nicht auf die Problematik dieser Messungen eingegangen werden. (Siehe dazu BFS 2004; Budlender 2007; Madörin/Pfeifer 2003). 19 Bezahlte und unbezahlte Sexarbeit und die unbezahlten Beziehungstätigkeiten des Zuhörens, Tröstens und Ermutigens sind in dieser Statistik nicht inbegriffen.
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Was vielleicht weniger klar ist: Die unbezahlte Arbeit ist in der gesamten Volkswirtschaft ein ins Gewicht fallender ökonomischer Faktor. Eine bedeutende Reduktion unbezahlter Arbeit – beispielsweise, weil Frauen vermehrt erwerbstätig sind und weniger unbezahlt arbeiten können – hat große Auswirkungen, aus dem einfachen Grund, weil es sich um sehr viel Arbeit handelt. Allein das Zubereiten von Mahlzeiten zu Hause ist, was das Arbeitsvolumen anbelangt, die größte Wirtschaftsbranche (verglichen mit NOGA-Branchen20)! Eine substantielle Entlastung der Frauen von unbezahlter Arbeit setzt Veränderungen voraus, die Verschiebungen in der Wirtschaftsstruktur, wie wir sie in den letzten zwei Jahrzehnten vom Industrie- zum Finanzsektor erlebt haben, relativ bescheiden aussehen lassen. Reduzieren die Frauen beispielsweise ihre unbezahlte Arbeit um 15 Prozent, dann entspricht diese Reduktion mehr als dem Gesamtvolumen an Stunden, die im ganzen Gesundheits- und Sozialwesens bezahlt gearbeitet werden. Der direkte Aufwand für die Betreuung der Kinder (ohne Hausarbeit) betrug in der Schweiz im Jahr 2004 rund 1300 Millionen Stunden (s. Tabelle 1). Bei dieser Art der Datenerhebung ist allerdings nicht klar, ob neben den Hausarbeiten auch noch Kinder betreut werden, wenn beispielsweise während des Kochens Kleinkinder mit Pfannendeckeln spielen (Multitasking). Untersuchungen in Australien haben gezeigt, dass die in Umfragen angegebene Zeit von Betreuungsarbeit um das Vierfache steigt, wenn gefragt wird, ob gleichzeitig mit anderen Arbeiten – meist Hausarbeiten – Kinder betreut werden, und wenn notwendige Präsenzzeiten eingerechnet werden (Ironmonger 1995: 56). So berechnet würde der Zeitaufwand für das unbezahlte Kinderaufziehen allein knapp drei Vierteln des gesamten Volumens der Erwerbsarbeit entsprechen. Aufgrund der vorhandenen Daten lässt sich schätzen, wie viel mehr Hausarbeit Kinder zusätzlich zur direkten Betreuung verursachen. Wenn wir den Aufwand an Hausarbeit von kinderlosen Paaren mit demjenigen von Paaren mit Kindern vergleichen, dann macht dieser Zusatzaufwand an Hausarbeit durchschnittlich rund 40 Prozent der direkten Kinderbetreuungsarbeit und rund 20 Prozent des Aufwandes für Hausarbeit in einem Paarhaushalt ohne Kinder aus. Die gesamte Care-Arbeit für Kinder hätte demnach im Jahr 2004 über 1700 Millionen Stunden betragen – ohne das Multitasking mitzurechnen. Dies entspricht ungefähr der Zeit, die Männer und Frauen in Industrie und Gewerbe (Wirtschaftssektor 2, siehe Tabelle 1) für ihre Erwerbsarbeit aufwenden!
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NOGA (Nomenclature Générale des Activités économiques) klassifiziert die Wirtschaft nach verschiedenen Wirtschaftsbranchen. Sie entspricht bei Eurostat den „NACE“- Wirtschaftsbranchen (Nomenclature générale des activités économiques).
94 Tabelle 1:
Mascha Madörin Volumen der bezahlten und unbezahlten Arbeit in der Schweiz (Personen ab 15 Jahren), 2004 In Millionen Stunden
Frauen In % des Totals %
Total Frauen Männer Unbezahlte Arbeit* Hausarbeiten total 6394 4192 2202 65.6 Mahlzeiten 1623 1181 442 72.8 Abwaschen 690 444 246 64.4 Einkaufen 733 462 271 63.1 Putzen 1089 841 249 77.2 Wäsche 496 430 66 86.7 Handwerkliche Tätigkeiten 489 174 315 35.6 Gartenarbeit / Haustiere 878 493 385 56.1 Administrative Arbeiten 395 167 228 42.2 Kinderbetreuung 1264 787 477 62.2 Kleinkinder Essen geben, waschen 288 202 86 70.0 Mit Kindern spielen, Hausaufgaben machen 868 518 350 59.7 Kinder begleiten 108 67 41 61.7 Betreuung, Pflege von Erwachsene 39 27 11 70.6 Betreuung, Pflege von Erwachsenen 39 27 11 70.6 Freiwilligenarbeit total 747 404 343 54.1 Institutionalisierte Freiwilligenarbeit 376 130 246 34.7 informelle Freiwilligenarbeit 371 274 98 73.7 Total 8444 5410 3034 64.1 Erwerbsarbeit** nach NOGA-Branchen a-b Sektor 1 365 91 274 24.9 a-b Land- und Forstwirtschaft 365 91 274 24.9 c-f Sektor 2 1763 312 1451 17.7 c-e Industrie; Energie- u. Wasservers. 1235 273 962 22.1 f Baugewerbe 528 39 489 7.3 g-p Sektor 3 4847 2116 2731 43.7 g Handel, Reparaturgewerbe 1077 449 628 41.7 h Gastgewerbe 401 200 201 49.9 i Verkehr und Nachrichten 459 115 344 25.1 j Kredit- u. Versicherungsgewerbe 388 145 242 37.4 k Immobilien, Informatik, F&E 820 266 554 32.5 l Öffentliche Verwaltung 318 115 203 36.3 m Unterrichtswesen *** 380 187 193 49.2 n Gesundheits- und Sozialwesen 685 476 208 69.6 o Sonstige Dienstleistungen 276 130 146 47.0 p Private Haushalte 44 32 11 74.2 Total 6974 2519 4455 36.1 Anzahl Erwerbstätige **** (in 1000) 4169 1854 2315 44.5 * Unbezahlte Arbeit: Ständige Wohnbevölkerung ab 15 Jahren ** Erwerbsarbeit: Inlandkonzept: Total aller produktiven Tätigkeiten auf Schweizer Territorium. Die Population unterscheiden sich leicht z.B. betr. PendlerInnen aus dem Ausland *** Weil die Arbeit über die Wochen und innerhalb der Wochen ungleich aufgeteilt ist, veröffentlicht das BFS diese Zahlen nicht mehr; die hier benützten Zahlen beruhen auf online Daten des BFS von 2007. **** Hier 15-jährige und ältere Personen, die mindestens 1 Std. pro Woche erwerbsarbeiten. Quelle: Bundesamt für Statistik: SAKE, AVOL, ETS (online 12/2008), Zusammenstellung M.M.
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In der UNRISD-Studie haben wir geschätzt, wie hoch der Anteil der Care Arbeit im engeren Sinn (Care für Kinder und Kranke) an der gesamten unbezahlten Arbeit ist: Dem Volumen der gesamten unbezahlten Arbeit von über 8000 Millionen Stunden, wie sie in Tabelle 1 ausgewiesen ist, kann grob geschätzt knapp 25 Prozent dem Aufziehen von Kindern zugeordnet werden und etwa 2 Prozent der Pflege und Betreuung von kranken und gebrechlichen Erwachsenen. Bei rund 70 Prozent der unbezahlten Arbeit handelt es sich um Arbeit im Haushalt, die Personen ab 15 Jahren für sich selbst oder andere, die nicht spezielle Betreuung oder Hilfe brauchen, aufwenden. Bei rund 4 Prozent handelt es sich um unbezahlte Arbeit in Organisationen wie Parteien, Kirchen, Verbänden, Vereinen und Gemeinden21. Das Aufziehen von Kindern beansprucht also in der Schweiz viel unbezahlte Arbeit und ist rund zehn Mal umfangreicher als grob geschätzt die unbezahlte Arbeit, die für die Betreuung und Pflege von kranken, behinderten und gebrechlichen Erwachsenen aufgewendet wird. Die Verteilung dieser unbezahlten Arbeit ist sehr ungleich: In Haushalten, in denen Kleinkinder oder stark betreuungsbedürftige Erwachsene leben, ist der durchschnittliche Aufwand für Arbeit ungleich höher als in Haushalten ohne Kinder oder betreuungsbedürftige Personen. Letztere sind sehr viel weniger zahlreich als Haushalte mit Kindern. Frauen in Haushalten mit Kindern oder Kranken leisten sehr viel mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Die Unterschiede sind größer als in Paarhaushalten oder Einzelhaushalten. Zeitreihen aus den USA seit den 1920er Jahren zeigen, dass trotz Erleichterung der Haushaltsarbeit durch so genannte dauerhafte Konsumgüter (wie Waschmaschinen) die unbezahlte Arbeit nicht wesentlich abgenommen hat. Antonella Picchio vertritt die These, dass Haushalte als Orte der Produktion von Lebensstandard angesehen werden müssen (Picchio 2003). Der technische Fortschritt bei den Konsumgütern ermöglicht es, einen höheren Lebensstandard zu produzieren. Ähnlich argumentiert Campanelli, deren Forschung zeigt, dass „in the case of time devoted to laundry, technical progress incorporated into convenience consumption, instead of reducing unpaid labour, actually increased it. The explanation for this apparent paradox is simple: the standard of an activity can rise – in this case people have more clothes and want them to be cleaner. The standard of
21
Auch dort wird (zu einem kleinen Teil) Care-Arbeit geleistet, beispielsweise wenn in Sportvereinen Kinder trainiert werden oder Kirchenmitglieder Besuche bei Kranken machen. Aber es war unmöglich, diese Tätigkeiten statistisch auszusondern und wurde deshalb in den statistischen Analysen nicht als Care Arbeit in Betracht gezogen. In der Kategorie der unbezahlten Arbeit in Institutionen leisten Männer bedeutend mehr unbezahlte Arbeit als Frauen: vor allem im Sport, in Interessenverbänden und in der Politik.
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Mascha Madörin family care has also shown a dramatic increase over the years“ (Campanelli 2003: 166f.).22
Für die Schweiz gibt es Berechnungen eines „erweiterten Bruttoinlandprodukts“ für die Jahre 1997, 2000 und 2004, dem die Berechnung der Bruttowertschöpfung der unbezahlten Arbeit in Haushalten (Produktionskonto Haushalt) zugrunde liegt (s. Tab. 2 unten).23 Das „erweiterte Bruttoinlandprodukt“ entspricht der Summe aus der im Produktionskonto Haushalt errechneten Bruttowertschöpfung plus dem Bruttoinlandprodukt (BIP), wie es regulär in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung berechnet wird. In der Schweiz nimmt das Zubereiten von Mahlzeiten ein Viertel der gesamten unbezahlten Arbeitszeit in Anspruch und entspricht einem Wert von knapp 45 Mrd. Franken, was ungefähr 90 Prozent der Bruttowertschöpfung des gesamten Groß- und Detailhandels entspricht. Allein Frauen haben mit ihrer unbezahlten Care Arbeit für Kinder und betreuungsbedürftige Erwachsene eine „Bruttowertschöpfung“ erzielt, die ungefähr der gesamten Bruttowertschöpfung des Finanzsektors in der Schweiz entspricht (s. Tab. 2).24 Die Tabelle 2 eröffnet eine überraschende Perspektive auf die wirtschaftlichen und sozialstaatlichen Verhältnisse in der Schweiz. Wohlfahrtsökonomisch gesehen gibt es neben Staat und Privatwirtschaft einen sehr großen produzierenden und Dienste leistenden Sektor: den Haushaltssektor. Die Tabelle zeigt auch, welche Bedeutung die unbezahlte Sorge und Versorgungsarbeit, insbesondere der Frauen, hat, verglichen beispielsweise zu den Steuern, die Unternehmen bezahlen, oder zu den verschiedenen Leistungen der Sozialversicherungen. Zentral für Gender Budgets ist die Frage des Verhältnisses zwischen öffentlichen Finanzen und finanziellen Ausschüttungen der Sozialversicherungen und der Care Ökonomie. Es kann angenommen werden, dass die Betreuung, Pflege und Versorgung von Kindern und unterstützungsbedürftiger Erwachsenen eine Art Realsteuer oder reale Sozialleistung darstellt, die, wenn sie nicht unbezahlt gemacht werden, aufgrund der Sozialgesetzgebung vom Staat garantiert werden müssen (Madörin/Pfeifer 2003). 22
Gershuny (2000) hat dieses Thema auch aufgenommen, betont aber die Freizeit, die durch technische Errungenschaften im Haushalt und die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit entsteht. Freizeit wiederum ist wichtig für die Entwicklung der Freizeitindustrie. Dazu kommt, dass Freizeit selbst Teil des Lebensstandards ist. Die Zusammenhänge zwischen Entwicklungen in der „Wirtschaft“ und den Haushalten als Produktionsbetrieb hat also mehrere Dimensionen. 23 Die Daten befinden sich online beim Bundesamt für Statistik (www.bfs.admin.ch) unter dem Thema Lebensstandard/unbezahlte Arbeit/Satellitenkonto. Die Bruttowertschöpfung wird berechnet aufgrund der Zuordnung eines Lohnes für die unbezahlte Arbeit, die aufgrund von vergleichbaren Marktlöhnen (Marktkosten mit Spezialistenansatz) zugeordnet wird. Die Idee dahinter ist, dass unbezahlte Arbeit auch durch bezahlte ersetzt werden könnte (Substitutionsidee). Die Argumentationen dazu: siehe die Publikation vom BFS (2004 online verfügbar). 24 Und das in der Schweiz!
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Die Berechnungen der Tabelle 2 sind vor allem interessant, wenn über Fragen der Verschiebung von unbezahlten Tätigkeiten in die monetarisierte Wirtschaft und über die Entlastung von Frauen von unbezahlter Arbeit nachgedacht werden soll. Sie zeigen zum einen, dass eine substantielle Entlastung der Frauen von unbezahlter Arbeit sehr große Verschiebungen in andere Bereiche der Care Ökonomie erfordert, aus dem einfachen Grund, weil es sich bei der unbezahlten Arbeit der Frauen um große Quantitäten handelt. Gleichzeitig ist aber offensichtlich, dass der unbezahlte Sektor so umfangreich ist, dass allein mit Kompensation durch Staatsausgaben die Frage der Entlastung der Frauen von unbezahlter Arbeit nicht gelöst werden kann. Es braucht eine Reihe von wirtschaftspolitischen Massnahmen, die sich auf die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit beziehen, auf eine gerechtere Verteilung der unbezahlten und bezahlten Arbeit auf Frauen und Männern, auf die Übernahme des Staates von Sozialleistungen etc. (Madörin/Pfeifer 2003). Die Tabelle zeigt, wie stark die Sozialpolitik immer noch vom Nebeneinander sozialer Maßnahmen zur Einkommenssicherung und von sehr großen unbezahlten Care Leistungen der Frauen geprägt ist. Kurzum: Die Tabelle 2 stellt in relativ wenigen Zahlen wesentliche Charakteristiken des Gender Regimes im Sozialstaat dar und liefert grundlegende Daten für makroökonomische Überlegungen. Unter anderem geht es darum, die ökonomischen Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen volkswirtschaftlichen Entwicklungen, Lebensstandard, der Care Ökonomie, Geschlechterverhältnissen und Sozialstaat zu verstehen.25 Diesbezüglich gibt es nach wie vor immer noch wenig Forschung.
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So kann vermutet werden, dass die Zeit, die für unbezahlte Arbeit zu Hause zur Verfügung steht, einen großen Einfluss auf die Sparquote von Haushalten hat, insbesondere, wenn der Staat Kinderkrippen und Kindertagesstätten nicht finanziert oder nicht mindestens substantiell subventioniert. Berechnungen in der UNRISD-Studie zur Schweiz haben gezeigt, dass für die Substitution unbezahlter Arbeit durch den Kauf von Dienstleistungen (Putzen, Kinderkrippen bezahlen) für eine Mehrheit der Erwerbstätigen pro Stunde mehr kostet als sie pro Stunde netto verdienen, wenn die Fixkosten im Haushalt abgezogen werden. Working poor heißt: Mangel an Geld und an Zeit für unbezahlte Arbeit. Der Lebensstandard hängt auch von der verfügbaren Zeit für unbezahlte Arbeit ab. Es gibt beispielsweise Anhaltspunkte für die Vermutung, dass die Verschuldung der Haushalte in den USA nicht nur mit den sinkenden Reallöhnen, sondern auch mit der zunehmenden Erwerbstätigkeit der Frauen zu tun hat: Die Einkommen der Haushalte stiegen zwar, konnten aber nicht die höheren Haushaltsausgaben kompensieren, welche durch die Erwerbstätigkeit der Frauen entstanden.
98 Tabelle 2:
Mascha Madörin Bruttowertschöpfung (BWS) der unbezahlten Arbeit verglichen mit anderen makroökonomischen Daten
2004 in Millionen Sfr. Bruttowertschöpfung der unbezahlten Arbeit Hausarbeit Direkte Betreuungs- und Pflegearbeit (inkl. ) Unbezahlte Arbeit in informellen Netzwerken und in Institutionen und Vereinen Total „Produktionskonto Haushalte“ Davon Schätzung BWS: Care Arbeit für Kinder und betreuungsbedürftige Erwachsene Geschätzter Anteil am Total: 26% Davon geschätzter Anteil von Frauen mindestens 2/3
202'152 55'066 32'001 289'219
75’200 50’100
Verglichen mit: Bruttowertschöpfungen laut volkwirtschaftlicher Gesamtrechnung Bruttoinlandprodukt zu laufenden Preisen (BWS der gesamten "Wirtschaft") Davon Bruttowertschöpfungen von Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften Finanziellen Kapitalgesellschaften (Banken, Versicherungen etc.) Staat Steuereinnahmen des Staates (Bund, Kantone, Gemeinden) Alle Davon: Einkommens- und Vermögenssteuern Ertrags- und Kapitalsteuern Mehrwertsteuern
451'379 317'141 51'703 47'381 97'643 46'590 12'218 17'666
Leistungen der Sozialen Sicherheit* Alle 123'253 Davon: Alter 54'735 Krankheit/Gesundheitspflege 31'944 Invalidität 15'500 Familien/Kinder 5'885 * Soziale Sicherheit umfasst sämtliche Maßnahmen des Staates und privater Institutionen zur Sicherung der Existenz und insbesondere zum Schutz der Bevölkerung vor sozialen Risiken. Eine Sozialleistung bildet nur dann einen Bestandteil der Sozialen Sicherheit, wenn sie das Kriterium der gesellschaftlichen Solidarität (Umverteilung) erfüllt oder zumindest einem Obligatorium bzw. einer bindenden sozialen Vereinbarung unterliegt. Quelle: Bundesamt für Statistik: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung; Finanzrechnung der Eidg. Finanzverwaltung, Gesamtrechnung der Sozialen Sicherheit (online Feb./Jun. 09), Zusammenstellung M.M.
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Bezahlte personenbezogene Dienstleistungen: Dynamiken
Man kann zwar schneller Autos produzieren, aber nicht schneller Kinder aufziehen. Schon 1967 hat der bekannte Wirtschaftstheoretiker und Wohlfahrtsökonom William Baumol mit großer Weitsicht auf das Problem hingewiesen, dass es Wirtschaftszweige gibt, in denen Produktivitätsfortschritte nur sehr begrenzt möglich sind. Er hat vom „Cost disease“, von einer Kostenkrankheit dieser Branchen (z.B. personenbezogene Dienstleistungen, Kunst, Wissenschaft) gesprochen. Nach den Theorien der Marktwirtschaft26 müssten die Löhne in Branchen mit niedriger Arbeitsproduktivität (Bruttowertschöpfung pro Stunde Arbeit) verglichen mit solchen mit hohen Arbeitsproduktivitäten entsprechend niedriger sein. Sie sind es aber nicht, weil sich tendenziell das Lohnniveau demjenigen der arbeitsproduktiven Sektoren anpasst.27 Dazu kommt, dass es sich bei personenbezogenen Dienstleistungen beispielsweise im Bildungs- und Gesundheitswesen um Leistungen handelt, die aus sozialpolitischen und menschenrechtlichen Gründen nicht abgeschafft werden sollten, auch wenn die Löhne sehr hohe Kosten verursachen. Solche Leistungen können für die breite Bevölkerung nur gewährleistet werden, wenn der Staat diese Leistungen selbst anbietet oder subventioniert. Baumol hat deshalb zum einen für weit entwickelte Volkswirtschaften eine Verschiebung der Erwerbsarbeit aus den „produktiven“ zu den Erwerbssektoren mit niedrigerer Arbeitsproduktivität vorausgesagt, ebenso einen steigenden Anteil an staatlichen Sozialausgaben und eine verringerte Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts.28 Wie die Tabelle 3 zeigt, hat diese Verschiebung der Arbeitsplätze zu weniger ertragreichen, zum Teil öffentlich finanzierten Wirtschaftsbranchen in der Schweiz seit 1991 in einem beeindruckenden Ausmaß stattgefunden. Bemerkenswert sind vor allem der Anstieg der Arbeitsplätze im Gesundheits- und So26
Baumol beruft sich auf neoklassische Markttheorien und modifiziert sie. Baumol begründet die relativ hohen Löhne damit, dass es sich beim Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesen um staatliche Löhne handelt, und dass eine grosse Disparität des Lohnniveaus politisch nicht akzeptabel ist. Das führt beispielsweise zum Verschwinden von Restaurants oder kleinen Läden, weil die Leute die hohen Preise, die durch die Personalkosten entstehen, nicht bezahlen wollen respektive können. Aber die Leistungen müssen im Gesundheitswesen trotzdem erbracht werden, weil es sich dabei um elementare sozialstaatliche Einrichtungen geht. Deshalb braucht es den Staat. Robert B. Reich argumentiert etwas anders: Auch er unterscheidet die Dienstleistungen danach, ob sie personengebunden sind (in-person services) oder nicht. Reich erklärt die Unterschiede in den Löhnen jedoch primär durch die Unterschiede in der Ausbildung zum einen und die fehlende Mobilität bei personengebundenen Arbeitsplätzen zum andern: Es besteht nur eine beschränkte Möglichkeit, personenbezogene Dienstleistungen zu globalisieren. Sie werden weniger vom Lohnniveau des Weltmarktes beeinflusst (Reich 1992: 176f). 28 Eine neuere Darstellung und Diskussion der Relevanz von Baumols Thesen für die Entwicklung der Gesundheitskosten in OECD-Ländern findet sich bei Hartwig (2005; 2006a; 2006b; 2007). 27
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zialwesen. Die einzigen Branchen, die vor allem ab 2005 noch stärker gewachsen sind, betreffen den Immobilienmarkt und die Dienstleistungen für Unternehmen. Die Arbeitsplätze der letzteren haben ab 2005 dank des enormen Wachstums der Export- und Finanzindustrie stark zugenommen, nehmen jedoch, zusätzlich zu den Arbeitsplätzen in der Exportindustrie, seit 2009 wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise wieder ab. Ein wesentlicher Teil der massiven Verluste von Erwerbsarbeitsplätzen im Industriesektor wurde also durch die klassischen Care Sektoren (Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen) wettgemacht. Die Tabelle weist auch eine andere Auswirkung der Baumolschen „Kostenkrankheit“ hin (s. Anm. 27): Im Gastgewerbe und im Detailhandel haben trotz traditionell tiefer Löhne die Jobs stark abgenommen. Die Lohnkosten fallen in diesen Bereichen ins Gewicht, können jedoch nicht noch mehr gesenkt werden. Wegen fehlender staatlicher Subventionen schrumpfen die Arbeitsplätze in diesen Branchen Jahr für Jahr. Was aus der Tabelle nicht ersichtlich ist: Seit 1991 haben die Arbeitsplätze insgesamt (ohne Landwirtschaft) für Männer um rund 125.000 Vollzeitäquivalente abgenommen, diejenigen der Frauen haben jedoch um knapp 110.000 Vollzeitstellen zugenommen. Es handelt sich um eine Entwicklung, die beispielsweise auch für die USA zu beobachten ist: Anfang 2009 waren mehr Frauen als Männer erwerbstätig – das erste Mal in der Geschichte der USA. 1990 machten in den USA die personenbezogenen Dienstleistungen rund 30 Prozent aller Arbeitsstellen aus. In einer einzigen Kette von privaten Pflegeheimen, der Beverly Enterprises, waren beispielsweise mehr Menschen angestellt als beim Autokonzern Chrysler. Und doch, so schreibt Robert B. Reich, der frühere Arbeitsminister der Regierung von Bill Clinton, wissen die AmerikanerInnen sehr viel mehr über die Ökonomie von Chrysler als über wirtschaftliche Probleme von und über Arbeit in Pflegeheimen (Reich 1992: 176f.). Seit 2001 bis Mitte 2006 sind in den USA im Gesundheitswesen 1,7 Millionen neue Jobs geschaffen worden, die Zunahme der Arbeitsstellen in der Pharma- und Krankenversicherungsindustrie nicht eingerechnet (Business Week online 25.9.2006). Die Arbeitsstellen in der Privatwirtschaft – Jobs der Gesundheitsindustrie ausgenommen – haben im gleichen Zeitraum stagniert. Die IT-Industrie hat im gleichen Zeitraum mehr als 1,1 Millionen Jobs in den USA verloren, trotz riesigen Wachstums des Internets. Auch im Dezember 2008 sind laut Meldungen der New York Times (vom 10.1.2009) im Erziehungs- und Gesundheitswesen 45.000 Arbeitplätze geschaffen worden, während im Saldo 524.000 Jobs verloren gingen. Der US-Futurologe Ian Person (2005) vermutet in einem Artikel, dass diese Tendenz wegen der Entwicklung der Robotik noch weiter gehen wird. Roboter werden in Zukunft nicht nur manuelle, sondern auch „Kopf“-Arbeiten übernehmen. Arbeitsplätze im Bereich personenbezogener Dienstleistungen
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werden jedoch laut Peterson nicht verschwinden, insbesondere nicht im Bereich des Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesens (Peterson 2005). Tabelle 3:
Vollzeitäquivalente nach Wirtschaftsabteilungen in der Schweiz: 3. Quartal 1991 und 4. Quartal 2007
SEKTOR 2 (Industrie- und Bausektor) SEKTOR 3 (Dienstleistungen) Grosshandel, Autohandel, Reparaturen Detailhandel; Reparatur v. Gebrauchsgütern Gastgewerbe Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kredit- und Versicherungsgewerbe Immobilien; Dienstleistungen für Unternehmen Öffentl. Verwalt.; Landesverteidigung, Sozialversersich. Unterrichtswesen Gesundheits- und Sozialwesen Erbringung v. sonst. öff. u. pers. Dienstleist.
QIII 1991 in 1000 1 212.4 2 069.1 266.1 301.6 209.9 221.5 186.0 257.4
QIV 2007 in 1000 974.9 2 289.6 260.3 247.3 182.5 218.6 193.4 391.5
126.1 135.9 247.5 117.1
149.6 176.9 343.5 126.0
Veränderung 1991-2007 in 1000 in % - 237.6 -19.6 220.5 10.7 - 5.9 -2.2 - 54.2 -18.0 - 27.4 -13.1 - 2.8 -1.3 7.4 4.0 134.1 52.1 23.5 41.0 96.0 9.0
18.6 30.2 38.8 7.6
Quelle: Bundesamt für Statistik: Beschäftigungsstatistik (BESTA) online, Zusammenstellung M.M.
Die Thesen von Baumol treffen, jedenfalls, was die Arbeitsplatzstruktur in der Schweiz heute anbelangt, zu: Es fand eine Verschiebung der Arbeitsplätze von sehr ertragreichen („produktiven“) Bereichen der Industrie in die Bereiche der staatlich subventionierten bezahlten Care Ökonomie mit einem hohen Anteil an Lohn- und Honorarkosten („Kostenkrankheit“) statt. Diese Entwicklungen werfen neue Fragen auf, beispielsweise – um nur eine zu nennen – bezüglich der gegenwärtig diskutierten Konjunkturpakete und wirtschaftspolitischen Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise. Zum einen geht es dabei um die Frage, in welchen Wirtschaftszweigen überhaupt in weit entwickelten Volkswirtschaften nachhaltig Arbeitsplätze geschaffen werden können, zum andern darum, wie sich eine solche Verschiebung der Arbeitsplätze auf die Kaufkraft der erwerbstätigen Bevölkerung und damit auf den gesamten Konsum eines Landes auswirkt. Die Auswirkungen dürften je nach Land sehr unterschiedlich sein. Der Vergleich des mittleren Lohneinkommens (Median) im Industrie- und Bausektor mit demjenigen im Gesundheits- und Sozialwesen zeigt für verschiedene europäische Länder enorme Unterschiede. In der Schweiz und in den Niederlanden lag im Jahr 2004 das mittlere Einkommen in den beiden Wirtschaftszweigen fast gleich hoch, während beispielsweise das Erwerbseinkommen im Gesundheits- und Sozialwesen Österreichs und Frankreichs ver-
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gleichsweise tief war.29 Allein eine Verschiebung der Arbeitsplätze vom Industriesektor ins Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen kann deshalb, ohne dass die Löhne sinken und die Beschäftigung abnimmt, eine Verminderung der Kaufkraft der Bevölkerung bewirken. Susan Donath (2002) hat im oben zitierten Artikel darauf hingewiesen, dass die These von Baumol für die Debatte über die bezahlte und unbezahlte Care Ökonomie sehr fruchtbar ist und eine Grundlage für eine feministische Theorie öffentlicher Güter neuen Typus darstellen könnte. Ich hoffe, in diesem Artikel gezeigt zu haben, dass das von Donath skizzierte Konzept der „anderen Ökonomie“ interessante theoretische, wirtschafts- und sozialpolitisch relevante Weiterentwicklungen der feministischen Ökonomie ermöglicht.
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The ascendance of social policy
Judging by the policy pronouncements of diverse development actors, if the 1980s were about abstracting ‘the economic’ from ‘the social’, then the 1990s and beyond signal a rediscovery of ‘the social’ (Mkandawire 2004), and a welcome, if belated engagement with it (Molyneux 2002). By the late 1980s it was already evident that poverty and the social disruptions associated with stabilization and adjustment were not merely transitional phenomena. This realization was fuelled by popular protests against adjustmentrelated measures as well as the publication of empirical studies documenting its social costs (Cornia/Jolly/Stewart 1987). Feminist economists, in particular, argued that fiscal austerity and the cutback in public social expenditure that it entailed were effectively shifting the costs of adjustment onto households and families, within which women and girls were acting as “shock absorbers” and carers of last resort through the intensification of their unpaid work (Elson 1991). Subsequent global policy pronouncements became less assertive about the imperative of cutting social spending, more apologetic about the imposition of user fees on public services, and began to acknowledge that social policy could have a positive role to play in the development process. The softening of tone was evident within the World Bank in the work being done on ‘human capital’ (Ribe et al. 1990), which suggested that cutbacks in health and education expenditure would be harmful for economic development.2 The dilemma of how to respond to social needs while remaining within the constraints of macroeconomic stabilization was resolved by attempting to ‘target’ social expenditures to 1
Parts of this paper were originally published in Razavi (2007). I am grateful to Gülay Çalar for her comments and support in the preparation of this paper. 2 In mainstream conceptualizations of ‘human capital’ the time that family members (especially women) spend on caring and socializing their children does not constitute a human capital investment. For a different understanding of human capital see Gardiner (1998).
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populations most in need. Certain expenditures were thereby re-allocated, for example from secondary to primary education, and supplementary programmes, ‘safety nets’ and ‘emergency funds’ were developed for the poor (Vivian 1995). The 1990s were marked by financial crises that wreaked havoc with the real economies and livelihoods of people in countries as diverse as Mexico, South Korea and Russia. The 1997 Asian financial crisis was a defining moment that prompted the G7 to request the World Bank to formulate ‘social principles’ and ‘good practice of social policy’ as a guide to policy makers worldwide (Holzmann/Jorgensen 2000: 2). Some of the subsequent work on social protection within the World Bank was reflected in its World Development Report: Attacking Poverty (World Bank 2000), which identified ‘social risk management’ (SRM) as the most sustainable basis for coping with risk and reducing the vulnerability of the poor. In the SRM approach, which was subsequently adopted by other multilateral lending agencies, the state was expected to provide ‘risk management instruments where the private sector fails’, in addition to social safety nets for risk-coping for the most vulnerable (Holzmann/Jorgensen 2000: 18, my emphasis). The continuities with the earlier generation of residual safety nets were unmistakable, re-confirming that social security should no longer reside solely with the state and shifting a greater share of the responsibility for its provision to the market and to families and individuals who now had to make their own provisions against risk. The ‘post-Washington Consensus’ thus seemed to embrace some of the concerns that had been hitherto voiced by critics, such as poverty reduction, social protection and ‘good governance’, yet without abandoning the neo-liberal basics centred on economic liberalization, fiscal restraint, and a nimble state that facilitates the integration of people into the market. Indeed, there seems to be widespread adherence today to the view that if neo-liberal globalization (that is, economic liberalization, both domestic and external) is to stay on course, then it must be ‘tamed’ through social policies, anti-poverty programmes, and political reforms. What scope is there within this eclectic (if not incoherent) framework for a serious engagement with unpaid care work that forms the bedrock of social protection and provisioning? Unpaid care work refers to such as housework, cooking, caring for children, old people, and those who are sick and frail, where the person doing the work – very often a woman – is not paid.3 This is an important question to address because of the assumption often made that the deleterious effects of market-led growth can be redressed through ‘social policies’, where 3
Strictly speaking, housework such as preparing meals, cleaning clothes and shopping does not constitute direct care of persons, but they are necessary activities that provide the preconditions for personal care giving.
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the latter are implicitly assumed to be gender-equitable. That assumption, this chapter argues, is highly questionable.
2
The contribution of feminist economics
It would not be an exaggeration to say that the subdiscipline that is now referred to as feminist economics grew in response to the restricted and inadequate view of ‘the economy’ offered by mainstream economic thinking. The dissatisfaction stemmed from two key elements. One was the fact that mainstream economics traditionally privileged the monetized aspects of the economy, while ignoring the sphere of ‘social reproduction’ or ‘unpaid work’, which included both subsistence production (particularly significant in much of the developing world) and unpaid care (for family, friends and neighbours) that kept the social fabric together. The second element of dissatisfaction – shared by other heterodox economists, whether from a structuralist, political economy or human development perspective – concerned the validity and usefulness, for rich countries as well as poor ones, of the neoclassical assumption of ‘rational choice’ as a model of individual behaviour and of the broader macroeconomy and society.4 One strand of thinking within economics that did not ignore the unpaid/ invisible sphere of social life, but that, nevertheless, analysed it with limited neoclassical analytical tools, was the New Household Economics (NHE) pioneered by Gary Becker and colleagues. The result was a problematic view of family relations that was premised on heroic assumptions (altruism on the part of the head of household), ignored power relations and inequalities (in welfare outcomes and in access to income and assets) and produced circular arguments (women specialize in homemaking because they earn less in the market, and they earn less in the market because of their household responsibilities).5 Feminist economics was not only critical of the fact that neoclassical economics ignored the invisible and unpaid sphere of social reproduction, but that even when it did turn its gaze to this realm its analytical tools effectively dissolved all differences between an idealized market sphere (found in economic textbooks) and the social sphere. Parallel to the neoclassical work on the household, the 1960s and 1970s also witnessed an important set of debates within Marxist and feminist intellectual 4
To put it simply, rational choice theory reduces all behaviour to the attempt to maximize individual utilities in the face of economic scarcity; and by aggregating the behaviour of individuals, neoclassical economics builds a theory of the entire economy (methodological individualism). 5 There exists a rich feminist response to the NHE; for a comprehensive overview, see Kabeer (1994: Chapter 5).
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circles, in France and the United Kingdom in particular, subsequently referred to as the ‘domestic labour debate’ (DLD). Much of this debate was about how to conceptualize the domestic work of women and its relation to the capitalist ‘mode of production’, so as to better understand the material basis of women’s subordination. To fit women’s domestic work into Marxist analytical categories, designed for the analysis of paid commodity-producing labour, domestic labour was described as a client mode of production, somewhat similar to non-capitalist sectors (such as subsistence production) within peripheral social formations (Harrison 1973). The central argument was that domestic labour produced ‘surplus value’, which was then transferred from the domestic to the capitalist sphere – an argument that was refuted by others for being inconsistent with the Marxist theory of value (Molyneux 1979).6 There were also concerns that the recourse to ‘functionalist modes of argument in constructing the relationship between capitalism and domestic labour’ (Molyneux 1979: 3) had a tendency to economic reductionism. This critique was in fact part of a much broader attempt by feminist analysts at the time to develop a theory of gender, which was integrated into and informed by the general analysis of changes in the global economy and, yet, which avoided crude analyses of gender relations made exclusively in terms of their function for capital and ‘the reproduction of capitalist relations of production’ (Pearson/Whitehead/Young 1981: x).7 Despite some of the limitations of the DLD already alluded to, the central argument that unpaid domestic labour produces vital inputs for the economy in the form of a labour force that is available for work and a variety of other intangible social assets, is one that needs to be retained and has in fact been retained within feminist economics. There have also been important debates within feminist economics on how to conceptualize the connections between the sphere of market-based capital accumulation (the commodity economy), on the one hand, and that of non-market-based social reproduction (the unpaid care economy), on the other, while giving full recognition to the real divisions and differences be-
6
Molyneux maintained that Harrison’s argument was based on a false premise that treats as equivalent and, therefore, comparable the concrete labour in the domestic sphere and the abstract labour time of commodity production; thus, his argument could only hold if the “law of value” was redefined. 7 The international conference in 1978 on The Continuing Subordination of Women in the Development Process and the edited volume that emerged from it entitled Of Marriage and the Market: Women’s Subordination Internationally and its Lessons (Pearson/Whitehead/Young 1981), were important milestones in establishing a feminist political economy analysis that was neither reductionist nor functionalist.
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tween them that ‘are grounded in their different rhythms and modalities’ (Elson 2004: 63). As Himmelweit put it: “the emphasis on care and how to theorise it within an economics that also deals with exchange relations and the production of tangible goods is a defining feature of the new field of Feminist Economics that has grown up in the 1990s” (2000: 2).
One set of arguments, emerging as a response to, and critique of, structural adjustment policies, began to theorize the gendered cost of macroeconomic policies by documenting the ways in which women’s unpaid work was acting as the ‘shock absorber’ in times of economic crisis (Elson 1991; Palmer 1991). In the context of fiscal restraint and the creeping commercialization of public welfare services (through the imposition of user fees and other charges), it was argued that the cost of providing care was being increasingly shifted from the monetized public sector to the unpaid care sector. For example, changes in the organization of the health sector, which were leading to shorter stays of patients in hospitals – essentially cost-saving devices for the public sector – were being ‘matched by longer periods of convalescence at home and greater expenditure of nonmonetized resources on patient care’ (Elson 1995: 1856).8 At the same time, structural adjustment policies also favoured the production of tradable goods – agricultural commodities and manufactured products. This, too, often translated into an intensified demand for female labour, especially in the context of economic crisis that was pushing large numbers of women into the paid work force (especially of the informal kind) as a way of countering the drop in real wages of other earners in the household (Çaatay/Özler 1995). Women, it was argued, were, thus, the ones who took on a disproportionate share of the costs of adjustment through the intensification of both their paid and unpaid work, with adverse implications for their physical and mental health (Çaatay/Elson/Grown 1995). While the tensions between the commodity economy and the unpaid care economy become particularly stark during periods of economic crisis, with adverse implications for women, the process of capital accumulation, Elson (2005) suggested, even in successful development episodes such as in East Asia in the 1960s and 1970s, engenders a potential trade-off with levels of non-market output. A process of accelerated growth requires imports of productivity-enhancing equipment and intermediate inputs. Exports are needed as a way of generating foreign exchange (to avoid long-run aid dependency), through agriculture as well as diversification of exports toward manufactures and services. Countries that 8
This is, of course, not just a developing country phenomenon: cost-cutting measures within health services in many rich countries have entailed similar consequences.
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have grown rapidly (in East Asia, for example) have managed such diversification, typically by increasing exports of garments and electronic products, which are often produced by employing ‘cheap’ female labour. ‘The basic problem is that a sustainable capital accumulation process requires an increase in marketed output to generate tax revenue and foreign exchange, but this may be at the expense of production of non-marketed output’ (Elson 2005: 6). Extending the working day cuts into time for sleep, leisure and self-care, with adverse implications for human capabilities. But the tensions outlined above between the commodity-based and the unpaid economies can be attenuated through both productivity increases in the unpaid economy and/or by shifting some of the unpaid work into the paid economy. This, as Himmelweit (2005) argued, is, indeed, what has been happening across a wide range of developed economies for which data are available. First, within the unpaid economy itself, the balance of unpaid work time between different activities has been changing, with a larger proportion of domestic time devoted to caring activities as of 2005 compared to the early 1920s when the first time use studies were carried out. The balance of unpaid work time between these tasks (caring versus domestic work) is shaped by differential productivity growth, since for some domestic tasks (for example, cleaning and cooking) productivity has been rising through the introduction of domestic machinery and/or the purchase of processed raw materials, freeing up more time for the care component (Himmelweit 2005: 8). Similar productivity enhancements are much more difficult to achieve in ‘person care’ or direct care of persons (bathing them, feeding them, accompanying them to the doctor, taking them for walks, talking to them and so on). Second, in nearly all developed economies those with unpaid caring responsibilities have been increasingly shifting their time to paid work; the labour market participation rates of married women, then women with older children and finally those with pre-school children have successively risen (Himmelweit 2005: 8). Historically, the paid care sector has tended to evolve alongside the unpaid care sector: as women have entered paid employment they have often entered jobs in the paid care sector (as domestic workers, childcare workers, teachers, nurses and so on). Thus, paid care is an increasingly important economic activity, both as an expenditure item in household and public budgets and as an employer of labour. In the United States, for example, while only 4 per cent of all workers were employed in professional care services in 1900, by 1998 these services employed one-fifth of the paid labour force (Folbre/Nelson 2000: table 3). This is not to suggest that the problem of gender inequality in the care domain has been resolved in the developed economies. Gender differences remain
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significant in the division of both unpaid domestic and unpaid caring work as time use surveys repeatedly show, as well as in the structuring of the paid care economy. Neither in terms of total unpaid work nor unpaid childcare do any of these countries approach gender equality, even though there are noteworthy variations across countries, with some countries appearing at the more egalitarian end of the spectrum (for example, Australia, Canada and Sweden) and others at the opposite end (for example, Austria, Italy and the Netherlands). Moreover, good quality care, whether paid or unpaid, is very labour intensive. The attempt to increase the productivity of care work by increasing the numbers of people cared for at any one time quickly runs into the risk of reducing the quality of the output (the output being the care itself). The difficulty of increasing productivity without cutting into the quality of the output is in fact one of the distinctive features of care work (Himmelweit 2005). In other words, there is a definite limit to the number of infants and small children or frail elderly and handicapped adults that one person can care for. “Going beyond this limit results in neglected children, not productivity improvements” (Donath 2000: 118). However, productivity increases elsewhere in the economy and related wage increases, it has been suggested, will exert an upward pressure on wages in caring professions and, hence, the costs of providing care will rise relative to those goods that are experiencing increasing productivity. Baumol first used this argument in the 1960s to explain why productivity inherently rises much more slowly in the arts than in the rest of the economy (Baumol/Bowen 1965). Feminist economists have drawn on Baumol’s analysis of the “cost disease” of the service sector to explain some of the problems afflicting the paid care sector (Donath 2000; Himmelweit 2005). How the problem of high labour content (and relatively constant productivity) in care services is dealt with varies depending on the sector of the economy where care takes place. Care providers operating within markets frequently attempt to keep wages down (or to increase the hours of work for the same wage) by using “docile” labour. Women, particularly from rural, immigrant, minority and marginalized communities, are frequently recruited for such work, with disadvantaged ethnic and racial groups often overrepresented as frontline carers. In low-wage and lowcost care markets, labour turnover tends to be high, and opportunities for training and retaining labour are rarely used (Folbre 2006). These factors underpin the vulnerability of paid care services in poorly regulated markets to low-pay and low-quality outcomes (Folbre 2006). The problem of low productivity growth and the related cost increases in the public care sector are often interpreted as signs of inefficiency, “rather than as the consequences of an inherent characteristic of care” (Himmelweit 2005: 7). To date, the problem of spiralling costs seems to afflict the public care sectors in a number of developed countries (Folbre
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2006; Madörin 2006). This contributes to political pressures for “privatization” of public services, and for efforts to make the public sector behave more like profit-making entities, by raising user charges and/or “rationalizing” staff time, sometimes with perverse outcomes as far as the quality of care is concerned. The labour-intensive nature of care and the difficulties in improving the productivity of care work in the not-for-profit sector are dealt with in a variety of ways, depending on the characteristics of the organization under consideration. In many “voluntary” and “community”-based organizations and initiatives, the labour costs are absorbed, in part at least, by frontline care workers who may, for a variety of reasons, perform the work for less pay (than in the market sector) or even for no pay at all. Some of these organizations have emerged out of women’s mobilization and collective struggles (for example, Mothers’ Clubs in Peru) and, thus, the performance of collective duties is tied to broader social goals and benefits. The attraction to cash-strapped governments of partnering with these organizations for the provision of care is understandable as the subsidies that governments give are often a fraction of the full cost of care that these organizations provide. There is a limit, however, to how much care providers can absorb the costs (through self-exploitation) without negative implications for the quality of care that is offered, especially as “partnership” with governments and international donors tends to change the character of such organizations with adverse implications for the voluntary spirit that once underpinned their work. Conventional wisdom suggests that time devoted to non-market work in general, and unpaid care work in particular, tends to decline in the course of economic development. Yet empirical evidence suggests that non-market work remains remarkably and persistently important within the advanced capitalist countries—let alone in many middle-income and low-income countries. The key question therefore is whether in the context of the current ascendance of social policy the need to reduce and address unpaid care burdens is being sufficiently addressed? Are women in low-income households who can neither rely on the paid domestic/care worker nor on accessible and good quality public services going to benefit from the new social policies that are being put in place? These are the questions that the following sections of this chapter will explore.
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Developmental social policy: Is there a place for care?
The concept of ‘developmental social policy’, used interchangeably with the notion of ‘productivist’ welfare state, has appeared in diverse policy settings. It has gained increasing prominence over the past decade as a response to the neoliberal critique of welfare and ‘as a prescription to cure the ills of post-war wel-
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fare regimes and re-design them for new times’ (Jenson/Saint-Martin 2003: 84). Ideas about welfare have travelled across countries and regions and been shaped and adapted in the process.9 In East Asia the ‘developmental’ logic has been characterized by an ideology that subordinates welfare to economic development and industrialization, discourages dependence on the state,10 promotes private sources of welfare (especially the family, firm and community), and diverts the financial resources accumulated through social insurance programmes to investments in industry and infrastructure (Goodman/White 1998; Kwon 1998). One of the downsides of the model has been the heavy reliance on the family for the provision of welfare and care, which has imposed a heavy unpaid caring load on women and has entrenched gender inequalities (Goodman/White 1998). Another major shortcoming of the model has been its weak redistributive capacity, largely due to the regulator type of welfare financing (Kwon 1998). Both features, as we shall see later, are undergoing some change under the new democratic dispensation. Recently, the concept of ‘developmental social welfare’ has appeared in various South African government documents, including the White Paper on Social Welfare adopted in 1997 (Hassim 2006: 114). This has come with an emphasis on public works programmes as the policy of choice (as opposed to the expansion of welfare benefits), and a confirmation of the importance of non-state actors (religious organizations, non-governmental organizations and communities) in welfare provisioning. Critics see the concept of ‘developmental welfare’ as a thinly disguised cover for a normative choice that sets up a ‘two-tier system of benefits, with people in work-related programmes treated as “deserving poor” and those on welfare (and particularly mothers drawing the child support grant), as either passive and dependent subjects or cunning exploiters of the system’ (ibid.: 116). There are also concerns that concepts and practices such as ‘community care’ and ‘home-based care’ (which are being promoted in the context of HIV/AIDS) dilute ‘the particular (and greater) responsibility of the state in meeting social security needs through the redistribution of public resources’ (ibid.) and conceal the fact that it is women and not some abstract ‘community’ who ultimately carry the burden of care, often under very difficult circumstances (Budlender 2004; Lund 2006).
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White and Goodman (1998) show how Western perceptions of welfare in East Asia (‘positive Orientalism’), and in a parallel manner, Eastern perceptions of Western welfare systems (‘negative Occidentalism’) are being used to draw policy lessons for social policy reform in both contexts. 10 In comparative terms, East Asian governments are relatively low spenders on welfare, even though the state’s financing role tends to be underestimated: the state is to varying degrees a regulator enforcing welfare programmes without necessarily financing them (Goodman/White 1998).
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A key concern that underpins the ‘productivist’ logic in its different regional manifestations is the long-standing anxiety about the disincentives created by welfare ‘handouts’ and the culture of ‘dependence’ – an idea that gained particular prominence in the 1980s in the UK and elsewhere and percolated to other policy communities. Paid work, on the other hand, is seen as contributing to development while providing a route out of poverty. While it would be foolish to deny the importance of economic dynamism and job creation, there are concerns that a ‘work first’ strategy in the context of competitiveness and ‘flexibility’ is not necessarily going to lead to what the ILO calls ‘decent work’, especially for women whose presence is overwhelmingly in the more precarious forms of work with little or no social protection. Conversely, unpaid forms of care work seem to have no place or legitimacy in a framework that is wedded to ‘active’ welfare.
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Social investment (in children) and the invisible carer
This notion of ‘developmental’ welfare resonates with the post-neoliberal ‘social investment state’ endorsed and promoted by both European (as noted above) and OECD social policy actors.11 This approach is centred on ‘productive’ (or ‘active’) social welfare, which means investments in ‘human capital’ and ‘life-long learning’ (especially in the capabilities and opportunities of children) and in employability programmes (Jenson/Saint-Martin 2002; Myles/Quadagno 2000). Its proponents often contrast the ‘social investment’ approach with the ‘passive’ approach to welfare of the post-war welfare state which is seen in largely negative terms as being oriented to consumption and accused of nurturing ‘dependency’ (Jenson/Saint-Martin 2003). These are powerful ideas that are being translated into the redesign of welfare systems, though occurring in diverse ways and shaped by regional and country specificities. Nevertheless there are two key elements that appear across contexts: one is the theme of ‘investing in children’, and the other is the need to ensure the active participation of all adults in the labour force (ibid). The implications of these two elements for gender equality have not been given much attention in the mainstream scholarly literature, yet gender inequalities and the issue of unpaid care are, as we shall see, central to both.
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The term ‘social investment state’ was coined by the eminent British sociologist, Anthony Giddens (1998), who is sometimes credited for having systematized ‘Third Way’ thinking.
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Social sector restructuring and the welfare and security of unpaid carers
The restructuring of the social sectors in the post-1980s period has been driven by a number of objectives in line with the logic of fiscal restraint, multi-tierism and pluralization of service providers. This has led to the increasing liberalization of private sector provision, pressures for cost recovery within the public sector (leading in turn to the imposition of various fees and charges for public services), decentralization of service provision to local governments, and a general shift to a pluralistic system with a ‘mix’ of public, private and voluntary providers (Mackintosh/Tibandebage 2006). A perverse logic seems to be at work: more care work is being shifted onto the family or household (which means women, in a context where care work remains feminized), but those who are expected to provide care in the space of the care deficit – the unpaid carers – have difficulties in accessing social services and support for themselves and their dependents because these are now increasingly provided either on a commercial basis or on the basis of years in paid work (labour contributions). Below we will consider some of the reforms in health, pensions and family benefits that have followed this logic, while drawing attention to alternative arrangements that are more inclusive. The emphasis on ‘alternatives’ underlines the point that depending on the political alliances and social forces at play, there may be spaces for policy experimentation even under the current neoliberal hegemony.
5.1
Health sector reform and unpaid care work
Nowhere is the perverse logic outlined above more apparent than in the context of the changes taking place in the health systems of many low-income countries, especially in sub-Saharan Africa where the HIV/AIDS epidemic places a heavy demand on unpaid care. In these contexts the ‘health sector reform’ requirements of ‘liberalized clinical provision and public sector commercialization have generated and legitimated high levels of out-of-pocket health spending by the poor as well as the better off’ (Mackintosh/Koivusalo 2005: 4). The ‘health sector reform’ model, as promoted in sub-Saharan Africa in particular, is facilitating ‘a shift to greater “commodification” of health care – that is, its provision as a set of discrete services for market payment or government “purchase” on behalf of citizens – plus reduction of government activity and more systematic prioritysetting in government spending based on cost-effectiveness of interventions’ (Mackintosh/Tibandebage 2006: 239). These authors further argue that the key
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change – to more extensive and explicit reliance on private payment – is likely to have disproportionately disadvantaged poor women, who typically undertake a larger share of unpaid care and who often need to finance their own health expenses (and those of their children). The evidence showing how women have suffered disproportionately from fee-based care provision in countries such as Nigeria, Zimbabwe and Tanzania, and evidence of falling hospital admissions of pregnant women and increased maternal deaths capture some of the dire outcomes (Kutzin 1995; Standing 2002). At the same time, the inaccessibility of institutional health care often means that the household has to take on a greater share of the responsibility for caring for sick people, with women generally acting as the main informal providers of care. For example, when inpatient stays are reduced as a cost-cutting mechanism, and when sick people avoid hospital care because it is unaffordable, increases in self-treatment over treatment by service providers tend to impose greater time and labour costs on women (Leslie 1992). One of the responses to the shortcomings and exclusions of user fees has been the promotion of mutual health insurance schemes as well as social insurance schemes. Unlike social insurance schemes, which are employment based, mutual health insurance (MHI) schemes are voluntary schemes which seek to promote the inclusion of the poor and vulnerable by pooling their risks and providing exemptions for those unable to pay. MHI is therefore one form of insurance that does not demand huge upfront payment (as in private insurance which is beyond the reach of low-income populations) or labour force attachment (as in most social insurance models). Those providing unpaid work would, in theory at least, have a place in these schemes. However, most community-based MHI schemes face the problem of low participation rates and lack of financial sustainability. In Tanzania, for example, many rural Community Health Fund (CHF) schemes have not been able to extend their participation rates beyond 10 per cent of eligible households (Tibandebage 2004). Inability to pay constitutes one of the main reasons for non-enrolment. Moreover, it is not clear how such schemes can provide exemptions for the poor and ensure financial sustainability in the absence of significant subsidies from the state – given the difficulties of having cross-subsidies from the better off in small-scale voluntary schemes in poor communities. Enrolment in social insurance programmes is very often employment based, and a fundamental problem in the traditional design of these programmes is the close link of the provision of health care to formal employment (Huber 2000). Coverage has thus tended to be limited, even in middle-income countries of Latin America, due to the large size of the informal economy, and the high rate of evasion of contributions by those in both informal and formal workplaces
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(ibid.).12 For these reasons, even though social insurance schemes facilitate resource mobilization via contributions, they may not be the most effective vehicle for extending coverage to the majority of the population, particularly women who have tenuous connections to the labour market. This can be seen as a major lacuna in the health sector reforms being undertaken in China at present (Wang 2006). Health sector reform in China is taking place alongside a fundamental restructuring of the labour force marked by massive unemployment in the state industrial sector and large-scale migration of the rural workforce into industrial cities where export-oriented factories are located (Lee 2005). Under the pre-reform health system women enjoyed very high employment rates, and hence direct entitlements as workers to some form of health insurance via their enterprise. Additionally, as spouses of workers, they had the right to have 50 per cent of their medical expenses reimbursed. However, women have constituted a disproportionate share of those laid off from the state enterprises and a disproportionate share of the long-term unemployed.13 The Urban Employee Basic Health Insurance Scheme, which is the principal component of China’s health insurance scheme for the urban population, covers those who are in the formal workforce (both public and private employees) and who have permanent residence permits (hukou).14 This translates into the exclusion of informal workers, migrant labourers and those who are not part of the workforce (unpaid workers). These exclusions are exacerbated by the scheme’s highly individualistic design, which does not provide coverage for ‘dependants’ (which means the exclusion of unpaid workers attached to those covered by the insurance scheme as well as their children). Furthermore, a social insurance model with gender-neutral design and individualized accounts is likely to produce very unequal outcomes for men and women in terms of access to benefits (relative to need) when it is filtered through structural inequalities, especially inequalities in wages/income, years of employment, retirement age and life expectancy (Wang 2006).
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The Mexican social insurance programmes – composed of the Mexican Social Security Institute (IMSS) for private-sector workers and the Social Security Institute for State Workers (ISSSTE) for public employees – cover no more than 55 per cent of the population who are in formal employment (Laurell 2003). 13 In 1993 women made up 37 per cent of all state workers, but accounted for 60 per cent of those laid-off and unemployed; by 1999 they constituted 44.6 per cent of those laid-off and unemployed (Lee 2005). Although the gender gap thus had narrowed, women were still over-represented in the latter category. 14 The Chinese government has been encouraging the development of commercial health insurance, which is seen as playing a complementary role in a multi-layered health insurance system (Sun 2005).
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If coverage in social insurance programmes remains employment-based and individualized with little subsidy from the state, then women’s labour market disadvantages are likely to feed into their weaker claims on health care, and unpaid workers will be categorically excluded. If, on the other hand, the government steps in with financial subsidies to compensate those with lower contributions and those outside the workforce, then the potential for a more egalitarian welfare system will be enhanced. This is the path taken by the South Korean National Health Insurance (NHI), which has expanded its coverage since the late 1970s, and which can claim to be universalistic since the latest wave of reforms undertaken in 2000 (Kwon/Tchoe 2005). Universalization was achieved in 2000 by integrating two health insurance funds (or risk-pooling groups) into NHI, that are now managed by the NHI Corporation: one fund is for wage and salary earners who pay contributions on their taxable incomes, and the other is for ‘residence-based’ members (the self-employed, farmers, temporary workers who are not classified as wage and salary earners, and female-headed households). The contributions of residence-based members are calculated on the basis of different criteria, such as the assets they own, sex, age, and number of family members. The third source of funding comes from government subsidies. The core premise of the integration reform has been that ‘integration will widen the risk pool of health insurance, and enhance equity by redistributing financial responsibility’ (Kwon/Tchoe 2005: 242). Kwon and Tchoe’s (2005) assessment of the redistributive impact of NHI integration (across different income groups) shows that among the wage and salary earners integration has had a positive impact on redistribution, with the lower income groups paying much less than before, while the highest income groups are now paying more. Their data are not disaggregated by gender; however, if we assume that women cluster among the lower income categories (a realistic assumption), then the impact of integration can be judged positively from a gender perspective. The assessment also found positive evidence of redistribution among the residence-based members, where women in precarious work conditions and in full-time care roles are likely to be found. Yet the evidence from household expenditure surveys reviewed by the authors also shows that out-of-pocket payment for health has in fact increased relative to income for the lowest income groups in 2000 compared to 1996, which dampens the overall redistributive impact of NHI.
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Pension reform and unpaid care work
In general, women have not been well covered in pension programmes, whether public or private, given their exclusion from the more formal segments of the labour market. But the privatization and individualization of pension provision has exacerbated the existing gender-based exclusions and inequalities. The reform of public pension programmes has gone ahead in a large number of middleincome countries over the past decade or so, especially in Latin America and Eastern and Central Europe. While the old pension systems were in most cases encountering serious problems (low contributions by both employers and employees, and by the self-employed), the problems were exacerbated when economic crisis struck, bringing in its wake rising unemployment and labour market informalization. Pension reform therefore became part of the structural adjustment programmes undertaken by governments and overseen by the international financial institutions (IFIs). However, while there was a general consensus that pension systems needed urgent reform, there was no corresponding consensus on a desirable model for replacing them (Huber/Stephens 2000). Moreover while there was a range of possible remedies to the problems of pension systems, the IFIs and their domestic allies promoted a particular model of reform, which had been tried in Chile in 1980/1 but was not tried elsewhere in the region because of the Latin American dislike of Chile’s authoritarian regime (Mesa-Lago 2004). The superiority of the ‘Chilean model’ was justified on several grounds, including its financial viability (by establishing closer links between contributions and benefits, and improving work and saving incentives), its positive impact on capital markets, and its lower administrative costs. Interestingly, Huber and Stephens (2000) find that while the model was pushed forward in a number of countries (including Mexico, El Salvador and Bolivia), pressures from the World Bank proved less effective in countries with a more pluralist political system (such as Costa Rica and Brazil) where it was strongly resisted by opposition political parties and trade unions. Meanwhile in Central and Eastern Europe, by the late 1990s Hungary and Poland introduced mandatory systems of commercially managed individual savings accounts (which replaced a portion of the public pay-as-you-go schemes and put part of the workers’ contributions into private investors’ hands), while the Czech Republic debated this reform, but in view of the transition costs ended up rejecting it (Fultz/Steinhilber 2003). In the debates surrounding the adoption of reforms, concerns with gender equality were largely mute. Yet the move towards privatization and individualization of benefits has negative gender implications (Arenas de Mesa/Montecinos 1999; Huber/Stephens 2000; ILO 2001; Fultz/Steinhilber 2003; Mesa-Lago
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2004). In a nutshell, the fact that pension benefit levels in privatized and individualized systems correspond closely to each individual’s record of earnings effectively eliminates redistribution toward low-income groups. The fact that women typically earn lower wages, and have a shorter and more interrupted tenure than men (taking more regular breaks for various care-related reasons), means that they receive considerably lower benefits. Since women’s higher life expectancy is taken into account in most private systems, women’s benefits are further comparatively depressed. Other factors that disadvantage women include the fixed commission on wages (for administrative costs), which affect workers with low incomes more adversely (among whom women are over-represented), and the difficulties for women of qualifying for a minimum pension because it is more difficult for them to fulfill the number of required monthly contributions (Mesa-Lago 2004). In public systems with defined benefits, there are generally similar gender discrepancies. Here, though, women’s disadvantages are usually mitigated by generous minimum pensions, by a weighted benefit formula that favours the lower paid, by the fact that life expectancy does not affect benefit levels, and by credits that are sometimes given for years spent caring for children. The last feature was particularly strong in the ex-socialist countries, where ‘caring credits’ were financed by cross-subsidy within the pension system; these have been severely reduced in some countries (such as Poland and Hungary). Pension reforms are implemented gradually over many years, and the time lag is very long in the case of radical reforms which replace one type of system (public pay-as-you-go) with another (private fully funded). This makes it very difficult to assess the outcomes of the reforms precisely; assessments therefore have to be based on educated guesses about long-run effects using existing data and macroeconomic simulation (Fultz/Steinhilber 2003). The results of a simulation exercise for Poland show widening gender gaps in pension benefits (measured as a percentage of average wage in the Polish economy) as a result of the 1998 pension reform which established a two pillar pension system wherein benefit levels (under both pillars) depend on the sum of contributions paid during working years, and life expectancy at retirement (Woycicka et al. 2003). Non-contributory ‘social pensions’ can work in more advantageous ways as far as women are concerned. A case in point is the South African Old Age Pension (OAP) system. It is a non-contributory scheme financed from general revenue rather than individual contributions. Women at age sixty and men at age sixty-five become eligible to receive a monthly pension from the state, provided that they qualify in terms of an income-based means test. Recent evaluations of the South African OAP suggest that it is well-targeted in racial terms (it reaches 80 per cent of the African population, most of whom are poor, and an insignifi-
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cant number of the white population); it reaches rural areas; it reaches women very effectively because they live longer, draw the pension earlier, and are poorer (three times as many women as men receive a pension); it contributes to the security of the households in which elderly people live and is valued for its reliability (Lund 2006). Unpaid workers (like workers with incomes that fluctuate and are below the cut-off rate) effectively have a guarantee of partial economic security in their elderly years, affording them an earned place in the household. The OAP is now recognized for making a distinctive contribution to poverty alleviation – both for pensioners themselves, and for people in the households in which they live (the majority of poorer older people in South Africa live in three generation households).
5.3
Family benefits and unpaid care work
States support families and children in a multitude of ways, including maternity/parental leaves and childcare benefits, cash transfers or tax exemptions to name a few. These can be provided as universal flat-rate benefits, or can be means-tested and targeted to families that fall below a certain level of income. While family allowances vary widely, a common characteristic is that they ‘defray only a small percentage of the cost of children, and fail to protect women adequately from the increased risk of poverty that motherhood imposes’ (Folbre 1994: 122f.). Moreover, while concern for the well-being of families and children is often the stated aim of these provisions, what states do and the conditions on which benefits are made available carry other implicit objectives and consequences, supporting particular models of the family and of gender relations. One of the conundrums facing the design of family/child benefits is how to support families without enforcing a uniform model of the family which naturalizes motherhood as women’s lifetime vocation (often in contradiction to their daily reality of having to balance care with some form of paid work) while excluding men from the domain of care. The attention to children and their needs is of course nothing new, but the recent policy interest in ‘human capital’ and the shift to the ‘social investment state’ seem to have given child-centred programmes renewed impetus and force.15 This section briefly considers two different models for rolling out bene-
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Interestingly, even as countries in the EU cut back on their levels of social expenditure, child and family benefits have increased as a proportion of spending on social protection (cited in Jenson/SaintMartin 2003: 95).
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fits to children, and the ways in which they have sought to redress gender-based disadvantages. By far the more publicized of the two interventions is the Education, Health, and Nutrition Programme of Mexico, Oportunidades (Progresa before 1997) which has received considerable praise in recent years (IPC 2005; World Bank 2003). It is a conditional cash transfer programme that, in return for cash stipends given to female heads of poor families, requires that children attend school, family members go for regular health check-ups, and that mothers attend hygiene and nutrition information sessions (Adato et al. 2000). While it is a targeted programme that identifies beneficiaries based on a means test, its actual reach is more extensive than the narrow targeting associated with ‘safety net’ type programmes. By 2005, it covered close to 5 million families with 21 million beneficiaries – a quarter of the country’s population (IPC 2005). The average monthly transfer stands at around US$ 35 per family (World Bank 2003). As a human development intervention, the programme has had a number of important achievements: school attendance rates have increased and dropout rates have declined (especially for girls), with positive knock-on effects on child labour; improvements in child nutrition (height and weight increases) have also been registered. The programme has shown sensitivity to gender issues, by making the cash transfers directly to the mother of the family (motivated by the literature which finds that resources controlled by women are more likely to be allocated to child health and nutrition than resources allocated to men) as well as providing larger education stipends for girls than boys. Oportunidades is widely praised for its openness to external evaluations and reviews, as well as its efforts to shun the political patronage that is so endemic to social programmes (Molyneux 2006). There are nevertheless elements in the design and implementation of the programme that have received critical appraisal in recent years. IFPRI’s qualitative research (based on focus group discussions and semi-structured interviews) finds extensive discontent among communities in relation to the beneficiary selection process and the exclusion of non-beneficiaries (Adato 2000). The beneficiaries, the non-beneficiaries, the doctors and the promotoras (voluntary workers) describe non-beneficiaries’ resentment over their exclusion from the programme as well as their lack of understanding of the basis for the differentiation (questioning its accuracy and fairness), leading to social tensions, occasional direct conflict and social divisions that affect participation in community activities (Adato 2000: vii). In other words this programme, like many other targeted interventions, breeds social divisions and tensions in communities where the distinctions made by the programme between ‘poor’ and ‘extreme poor’ are not
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apparent to the people who live there and who see themselves as ‘all poor’ and all in need of assistance (ibid.). The criticisms made by researchers with regard to the gender aspects of the programme have been more contested. On the one hand, there is some evidence from evaluation reports to support the programme’s claims of enhancing women’s self-esteem and financial security as a result of the cash stipends; there are also other positive aspects to the programme voiced by women beneficiaries in terms of giving women more opportunities to leave the house, and providing new spaces in which to communicate with other women, producing some impacts on ‘personal empowerment’ (Adato et al. 2000). On the other hand, others have drawn attention to some of the more contentious aspects of the programme. One issue that is considered problematic is the requirement that mothers contribute a set amount of hours of community work, such as cleaning schools and health centres – which non-beneficiaries are not expected to do – in addition to the commitments they have to make to taking their children for regular health checks and attending workshops on health and hygiene (Molyneux 2006: 435). Although the time devoted to such tasks has been reduced in recent years (in response to feedback from evaluations), it remains an aspect of the programme that is still under consideration (ibid.).16 More significantly, attention has been drawn to the ways in which women in such programmes seem to be ‘primarily positioned as a means to secure programme objectives; they are a conduit of policy, in the sense that resources channelled through them are expected to translate into greater improvements in the well-being of children and the family as a whole’ (ibid.: 439). Women may be happy to contribute their time to their children’s future, but they still need programmes that can further their own economic security, through training and links to employment. There is little in the design of the programme that can further women’s economic security, and ‘scant, if any, childcare provision for those women who want or need it because they work, train or study’ (ibid.). Despite stated aims of ‘empowering women’, the success of the programme has de-
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There is some confusion regarding the unpaid work requirements of Progresa/Oportunidades which were apparently not featured in the design of the programme but implemented in some states and even in some communities (and not others), beyond the control of the programme’s central authorities. There is also some overlap between the faenas (traditional collective work performed in indigenous communities) and the expectations of the programme administrators (Molyneux, personal communication, 16 October 2006). The IFPRI report (Adato 2000), for example, notes that nonbeneficiaries are increasingly reluctant to contribute to such community work, because they are not included as beneficiaries in the programme. This seems to suggest that the design of the programme did not include a requirement for certain hours of community work in return for the stipend, but that in practice this has become an element closely associated with the programme.
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pended on ‘fortifying and normalizing the responsibilities of motherhood as a way to secure programme goals’ (ibid.: 440). Donor and government enthusiasm for the kind of conditional cash-transfer programmes of which Oportunidades is a shining example is curious in many ways. The ‘conditional’ element in these programmes, imported from the US welfare model, seems to assuage deep-seated fears that without regulation of their behaviour the poor would squander their cash stipends (on beer and gambling, or on clothes and lipstick). But evaluations of non-conditional cash transfers suggest that such fears may be misplaced. Hanlon (2004), for example, shows that in the case of Mozambique it was possible to reach poorly educated rural residents with stipends, that the money was used sensibly (in the absence of any conditionality), and the administrative costs were as low as 5 per cent. A more pertinent example of a non-conditional child-centred programme is the South African ‘child support grant’ (CSG), which replaced the racially based ‘state maintenance grant’ (SMG) in the aftermath of the democratic transition (Goldblatt 2005; Hassim 2006). To the extent that the South African CSG is nonconditional, it provides useful evidence for questioning the extent to which it is the conditionality, rather than other characteristics of such grants, that result in beneficial outcomes for children (Budlender/Woolard 2006). While the SMG was developed by the apartheid government and was mainly of benefit to White, Coloured and Indian families, with Africans largely falling outside its reach, the grant included both a parent and a child allowance. In the early years of the new democracy the grant was increasingly rolled out to African families. Concerned with the future affordability of the grant, the government appointed a committee (Lund Committee on Child and Family Support) to provide recommendations for restructuring the system. One of the unfortunate outcomes of this restructuring was the removal of the parent grant (mainly received by mothers). Feminist critics see this as a ‘major blow to the struggle for the recognition of women’s unpaid caring work in society’ (Goldblatt 2005: 241).17 The CSG nevertheless has several commendable features which circumvent some of the problems already mentioned with respect to Oportunidades, although a thorough assessment of the grant would require more detailed evaluations than are currently available. For example, in recognition of the great diversity of family and household forms in the South African context, and the need to move away from the ‘male worker/female carer’ model, the Committee redesigning the grant chose to adopt a ‘follow the child’ approach, whereby the grant 17
Hassim (2006) considers the racial and gender politics surrounding the extension of the grant to the majority African population, which implied cutbacks in the size of the grant going to the Indian and Coloured families who were its main beneficiaries prior to the reform.
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would be paid to the primary care-giver on behalf of the child (Lund Committee 1996 cited in Hassim 2006). This has been judged an important symbolic and discursive shift away from the familial male worker model of the household (Hassim 2006). More controversially, perhaps, for those advocating ‘conditionality’ and ‘co-responsibility’, receipt of the grant is not conditional on the child attending school, or on the mother/carer having to attend ‘nutrition and hygiene’ sessions or having to perform unpaid community work. While the Lund Committee was not able to resist the pressure for means testing (the Committee favoured a universal grant but had to concede), and while there are concerns about the small size of the grant (the budget had to be extended to a much larger population, but within a fiscally constrained climate) as well as problems in its delivery (children who are not being reached because they lack the relevant identity papers), recent evidence suggests a substantial increase in the number of beneficiaries receiving the grant. This makes the CSG one of the fastest growing grants in South Africa. In March 2003, approximately 2.6 million children (in the 0–7 year age group) were receiving the grant; exactly a year later the number had gone up to 4.3 million (in the 0–8 year age group), in part due to the extension of the age bracket by one year, as well as an increase in the number of children under seven receiving the grant (Leatt 2004). In May 2006 the size of the grant stood at 190 Rand (US$ 25.50) per child per month, and children up to the age of fourteen years were eligible; 6.98 million children were recorded as beneficiaries (Budlender/Woolard 2006). For children aged six and younger at the national level, the grant went to 71 per cent of poor children and to slightly more than half of all children in this age group; for those aged seven and eight the grant reached 61 per cent of poor children applying to slightly less than half of all children in the relevant age group (Leatt 2004). Recent evidence suggests that receipt of the grant has a statistically significant, although small, impact on school enrolment rates; it also confirms that school enrolment of children who are not direct CSG beneficiaries is more likely when another child in the household is a direct CSG recipient (Budlender/Woolard 2006). The authors of the same study also note that CSG receipt may tend to decrease the likelihood of older children in the household working, but they advise the latter finding be treated with caution given the small numbers of children that are reported to be working. Importantly, these impacts exist despite the absence of any explicit conditionalities.18 18
In fact the experience of the early years of the grant when conditionalities were in place (such as the requirement that the care-giver had to participate in development programmes) suggested that these conditionalities would restrict access in unintended ways and exclude the truly needy. This was one of the reasons why the Lund Committee decided not to include any additional conditionalities on top of the means test (Budlender/Woolard 2006: 37).
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These are noteworthy tangible outcomes, and together with the important shifts that were introduced in the design of the grant, they suggest that the CSG could serve as a useful example for the design of child benefits elsewhere.
6
Concluding remarks
So, how has the (re)turn to social policy affected the unpaid care burdens assumed by women and girls in many developing countries? And how are women likely to fare, in terms of access to social rights and entitlements, in the new welfare ‘mix’ where markets, families, and ‘community’ are supposed to assume a prominent role? While feminists have often shown an interest in the redistributive mechanisms of social policy, such mechanisms have weakened in recent years as the core values of equality and redistribution which underpinned public policy have been displaced by a market-oriented logic that introduces individualized methods of risk and benefit calculation into social insurance programmes, and weakens public service provision. This is a logic that condemns the core values of solidarity and redistribution and penalizes those whose contributions are unpaid or on the periphery of the formal/visible economy. It condemns poor women in particular to elusive programmes that, apart from being patchy, can also invoke and depend on essentialist views of their identities, interests and responsibilities. However, social pensions and minimum pensions, and social health insurance models that facilitate the inclusion of informal workers can go a long way toward addressing the needs of many women who are informal and marginalised workers. In a context where child poverty has become a major concern and ‘investing in children’ a policy priority, how women are positioned in programmes targeted at children (as ‘conduit’ or agents in their own rights) and what happens to their rights (as citizens and not merely as mothers) are important questions to address. While parental leaves are important in countries with formalized labour markets, their relevance is questionable in many low-income developing countries where labour relations are largely informal and labour regulations weakly enforced even in formal work situations. The provision of care services, especially for young children but also for the frail elderly and those with disabilities, are an especially effective tool for poor women who often do not have the choice not to work. The provision of primary education and health services is seamlessly connected to the unpaid care work assumed by households – in many lowincome countries improved basic social services would relieve some of the most time-consuming tasks associated with unpaid care work, as would public investment in appropriate infrastructure (piped water, electrification, sanitation). Un-
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fortunately, the provision of care services, especially public services, which are accessible and affordable, has not been a priority in many developing countries, although in some middle-income countries like Uruguay and Argentina progress has been made. In many poorer countries, investing in public health services and infrastructure (clean water, sanitation) remains an urgent task. Without such investments the care burden placed on the shoulders of poorer women will remain heavy, while those who need care (young children, sick people) may have to do without (young children being left unattended or watched over by equally young siblings, and sick people not receiving the food and medication that they need). A difficult question is how to use these different policies, or other policies, to redistribute unpaid care work that takes place largely within the private domain (so that boys and men do more of it, and girls and women do less). The sharing of unpaid care work between women and men in many developing countries would require different strategies from those used in advanced welfare states, since the bulk of paid work is unregulated in many of these countries and family forms are far more diverse. Given that political constituencies behind many of these reforms are not sufficiently organized and vocal, bringing these issues onto the policy agenda remains a challenge.
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Feminism, Basic Income and the Welfare State Ingrid Robeyns
Introduction Basic income is one of those radical ideas about how we could transform welfare states in order to make societies more just and a better place to live.1 The idea of basic income is largely utopian, since in its pure form it only exists in Alaska where part of the oil dividends are distributed among the citizens in the form of an unconditional individual annual grant. Basic income is not a new idea: historians have traced back basic income proposals to as early as the first half of the 19th century (Erreygers/Cunliffe 2006). The idea of basic income has passionate advocates, and equally passionate critics. This paper wants to reconsider the basic income debate through a feminist lens. I will limit my discussion to affluent welfare states, such as those of Western Europe, since the dynamics of a basic income may be different in developing countries and this may also affect the arguments in favour or against implementing a basic income in such societies.2 After giving a definition of basic income and clarifying its main features, I will highlight some problematic aspects of the current debate on basic income. Then I will present the main insights from the academic literature on gender and basic income. Finally I will ask some questions which – to my mind – feminists who are considering whether or not to embrace a basic income should ask.
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This paper is based on a lecture given at the Humboldt-Universität zu Berlin and a discussion paper presented at the Heinrich Böll Stiftung, Berlin, June 2007. I am grateful to members of the audiences for raising interesting questions and comments, and to Gülay Çalar for editorial comments. 2 See Standing and Samson (2003) for an analysis of basic income proposals in South Africa, and Basic Income Grant Coalition (2009) for an analysis of the effects of a small basic income grant in a pilot project in Namibia.
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What is basic income?
Basic income is often defined as an income paid by a political community to all its members on an individual basis, without a means test or work requirement (Van Parijs 2004). Let us unpack the different elements of this definition one by one.3 Basic income is an income paid by a political community to all its members individually. Basic income is an income, that is, it is paid in cash, rather than in kind. Recipients of a basic income can freely decide what to do with this income: whether to consume it (hence spend it on whatever goods and services they like), to save it, to invest it, to give it away, or choose whatever else they like to do with the money. Hence, this is different from some existing welfare state entitlements, such as housing benefits or food stamps which only allow one to spend it on a narrow range of consumer goods, or a negative income tax which one is only entitled to if one pays taxes. Basic income is an income that is paid on a regular basis. In continental Europe this would presumably be a monthly payment, whereas in the UK a weekly payment is more in line with existing customs. A basic income is different from a basic capital or citizen’s stake, as defended by Ackerman and Alstott (1999), among others. A basic capital is a large sum of money which is given to each citizen once in their lifetime, for example at age 18 or 21. Basic income is paid by a political community, which in most discussions is taken to be at the level of a country. However, it could also be a lower-level political community, such as a state of a federal country; or it could be a supranational political community, such as the European Union. Some have suggested that the UN should give each person in the world a basic income which would be equivalent to one or two dollars a day, as this would take away the worst forms of severe poverty worldwide. For current purposes, we will assume that the political community will be the state level, and that we are focussing on postindustrial welfare states only. The decision makers of that political community can still choose among many different ways to finance the basic income. Most proposals suggest that the basic income should be funded by a flat tax on labour income, for example 50% (e.g. Atkinson 1995). This means that independent of whether one would earn 400 Euro or 4000 Euro from one’s employment, one would pay half in taxes. This is a significant difference to the current situation, since all European countries have progressive income tax on labour earnings, whereby the tax rates on 3
My explanation follows Van Parijs (2004), although he discusses some further features of basic income that are not relevant for the present discussion, and I add additional (sometimes more recent) theoretical and empirical insights.
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lower income brackets are lower than on higher income brackets (hence the more one earns, the higher the percentage one has to pay in taxes, but also the more hours one works as an employee, the less one takes home in net income from working an additional hour). Note, however, that one could also fund a basic income in different ways, for example by ecological taxes, a tax on kerosene or other fuels, wealth taxes, increases in the levels of value added taxes (VAT), and so forth. A basic income is paid to all the members of that political community, but this part of the definition is also open to different interpretations. Generally one specifies this requirement as the requirement of legal permanent residency. However, this requirement could be stricter (for example those who live within a particular country and who are in possession of the relevant passport), or broader (also including all legal residents within the borders or the citizens who live outside the territory of the country). Another question is whether children are treated on an equal footing as adults. Some basic income proposals argue that it is a right from cradle to grave, and hence the amount should be the same for all, independent of age. However, one could also give children a lower or higher basic income, and even make the level of the basic income dependent on the rank of the child (for example by giving a higher basic income to the first child, and lower levels for subsequent children of the same parents.) A basic income is paid on an individual basis. It is an individual right that is given to each and every individual, independent of whether he or she lives alone or with a partner. It thereby seeks to provide no incentives or disincentives on household formation. The level of income or wealth of the partner plays no role at all in being entitled to a basic income. This is different from many existing benefits. For example, the basic pension in the Netherlands, which senior citizens are entitled to on the basis of having lived in the country, is larger for single elderly than for married or cohabiting elderly. Basic income is non-means-tested and without work-requirement. It is nonmeans-tested, hence everyone is entitled irrespective of one’s income or wealth level (or that of one’s family members). Basic income is given to both the affluent and the poor equally. Most proposals suggest that the implementation of a basic income should go hand in hand with the (partial) abolition of existing transfer payments, such as child benefits, unemployment benefits, and so forth. Since basic income is equally given to the affluent and the poor, one may wonder whether it will be a good thing for the poor. Yet we have good arguments to believe that it would be an effective anti-poverty strategy. Firstly, the take up rate will be higher. Currently the poor often do not take up the transfers they are entitled to, sometimes because they do not know that they qualify, sometimes because they do not know their way to the appropriate bureaucratic agencies,
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sometimes because of language barriers or illiteracy, sometimes because of bureaucratic hurdles. A basic income would be given to all as a matter of citizenship, and hence one can expect these problems to be much less severe. Second, current transfer payments are sometimes experienced as humiliating by the poor, since these benefits are targeting those in need; a basic income would avoid the stigma that is currently attached to some benefits. Thirdly, the poor are for good reasons risk averse, and therefore don’t want to risk the regular monthly payments of their benefits to the insecure prospect of a job which they might soon lose; a basic income avoids this part of the so-called ‘poverty trap’, since the regular payment of the basic income will remain intact, whether the poor work or not. Economists often add another benefit of a basic income, namely that it makes work pay (Atkinson 1995: 3). In current means-tested welfare state transfers the financial difference between claiming benefits versus being employed in a badly paid job are often very small, since employees lose their benefits and also incur certain costs related to holding a job, such as transportation or childcare costs. A basic income avoids this unemployment trap, since the financial difference between being employed and not being employed will always be positive, as one does not lose the basic income if one earns income from labour on top of that. Another key characteristic of basic income is that it is not conditional on being employed or being available for the labour market: a basic income is a citizen’s right, independent of one’s employment status, willingness or ability to work, or previous work history. This is different from many current welfare states entitlements, not only unemployment benefits but for example also the right to paid parental leave, or the level of the compensation received during parental leave. Clearly, in the societies that are still characterized by a strong work ethic, this aspect of basic income attracts many opponents. Some critics argue that a basic income allows non-workers to free-ride on the efforts of workers; others argue that it is a good thing that non-market work, especially care, would be rewarded by a basic income, but that there is no justification for collectively paying an income to those who are not contributing in any way to society. The British economist Tony Atkinson (1996) has therefore suggested that basic income advocates may want to consider a slightly different type of income, called a participation income, which would be conditional upon being employed, looking for employment, being in education or training, or performing care work or voluntary work in a recognised association. At what level should a basic income be pitched? There is nothing in the definition of basic income that specifies at what level it should be paid. To my mind this creates a serious challenge to the entire basic income literature, since only rarely do scholars specify the level of the basic income that they have in
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mind when arguing for basic income schemes. Often they start with a definition that a basic income should be at or above the poverty line, so that the basic income grant virtually by definition eradicates financial poverty. But what kind of poverty level do we have in mind then? Do we define poverty as the very minimal existence level, which is reflected in the existing guaranteed means-tested minimum incomes in Western Europe (very roughly around 500 Euros a month)? Or do we have a somewhat different idea of poverty in mind, where one is able to lead a minimally decent life? In that case, we would probably shift the poverty threshold (and thus the basic income level) from 500 Euros monthly into the direction of 1000 Euro a month. Clearly it would make a huge difference for our analysis whether we are talking about a basic income grant of 500 or 1000 Euros a month. In public debates, some sceptics who were willing to consider the advantages of basic income became convinced opponents once they understood that the feasible proposals on the table are not of the order of around 1000 Euro, but rather 500 Euro at best. As a prominent member of the Belgian feminist movement once said to me, “I’ll be happy to embrace a basic income when it is at a level at which I can lead a decent life and have money left to daily buy the newspaper.” The implicit message is that we do not want to just survive or stay out of material poverty, but that citizens also aspire to be social and cultural participants in their society. If basic income would serve as a replacement income (e.g. for someone who is a full-time carer and therefore not able to top-up the basic income with income from paid labour), then it would likely be too low to cover all the costs of being such a full participant in society. Studies that have tried to estimate feasible levels of basic income suggest that those feasible levels are not very high. A 2003 micro-simulation for Spain calculated that a basic income at the level of 360 Euro for singles, 540 Euro for couples and 110 Euro for children and adults under the age of 25 would require a flat tax of 38%; it would reduce the percentage of people living under the standard poverty line of 60% of median income from 19.8 to 10.95%, and the percentage of people living under the severe poverty line of 40% of median income from 7.8 to 0.3% (Pinilla-Pallejà/Sanzo-González 2004). An early study by Gilain and Van Parijs (1995) calculated for Belgium that all existing social security and welfare state benefits could be reformed without raising the existing tax burden into a basic income of about 200 Euro’s monthly. One would need to account for 15 years of inflation, and a back-of-the-envelope calculation would suggest that a basic income of EUR 200 in 1995 would correspond with, roughly, 270 Euros in 2010. So these feasibility studies are giving us rather low levels of basic income. Many authors and political advocates seem to have much higher basic incomes in minds. In any case, whatever the proposal, it seems crucial to specify
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the details of the basic income proposal – the precise level for adults and children, the tax basis, the tax rate, and the other transfers, benefits and public provisions that will be eliminated or maintained. In my view, the absence of the specification of the level of basic income and the absence of a minimal package of details on how a basic income at that specified level would be funded, is one of the most persistent and pervasive problems in the basic income literature – both in general, but also more specifically for the feminist contributions to that literature.4
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A largely gender blind literature
After this general introduction of the basic income idea, let us move to a discussion of basic income from a gender perspective. The first observation that I would like to offer is that most international academic discussions on basic income are gender-blind, that is, they do not consider how the implementation of a basic income would have different effects on women versus men, nor do they consider how a basic income may (or may not) change gender relations in society. This was the case when I surveyed the literature about ten years ago (Robeyns 2000: 121), and I have seen very little evidence, beyond sketchy analysis and lipservice, that anything has fundamentally changed. Several feminists have argued that the key philosophical and economic works on basic income are gender blind.5 I think it is no exaggeration to say that several key authors in this debate have only a limited appreciation of what gender is, how it can be conceptualised, how gender ‘works’ in everyday life, and what the very many causes and manifestations of gender are.6 Many contributors to the basic income literature split up their empirical analyses into an analysis of socio-economic effects for men versus for women, thereby claiming, for example, that the labour supply effects of a basic income will be different for men than for women. Yet these analyses are not based on a solid understanding of the workings of gender as a social and normative force in society. There is little appreciation in the mainstream basic income literature of the fact that most differences between men and women are not because women and men are biologically different, but are rather culturally specific and in part the legacy of a sexist and patriarchal history, which continues into the present. Thus, key notions such as gendered social norms, or gender identity, or the content of dominant masculinities and femininities, are largely 4
Bergmann (2004) is a notable exception; see Robeyns (2008) for some more recent examples from the feminist literature on basic income that do not specify any levels. 5 See e.g. Krebs (2001) and Robeyns (2001) on Van Parijs (1995). 6 See Brown (2007) for an introduction to a range of views on what gender is and how it works.
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unknown terrain for most philosophers and economists and for some social policy scholars writing in this field. As a consequence, these basic income scholars fail to appreciate that there are important questions of gender justice attached to the basic income proposal. This is very unfortunate since it is increasingly acknowledged that the new welfare state needs to entail a new ‘gender contract’ and should much stronger support the interests of children without thereby harming the interests of their mothers (e.g. Esping-Anderson et al. 2002; Gornick/Meyers 2008).
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Predicting changes in labour supply and income
A second observation on the basic income literature from a gender perspective is that most analyses are rather speculative. Some of the academic literature has tried to estimate or predict what the effects of the implementation of a basic income on the absolute and relative positions of women and men would be. This literature is highly speculative for the simple reason that a basic income is as yet purely hypothetical: there does not yet exist a country on earth where basic income has been introduced as a pillar of welfare state reform, hence we do not know what the effects on the gender differences in labour force participation, or gender effects on income changes, or changes to gender roles and ideologies will be. There are basically two types of analyses for making these predictions. One part of the literature on gender and basic income simply makes ‘informed guesses or theoretical reasoning’. In this strand of literature one can find all possible predictions. Some believe that men will do more unpaid and care work, others believe they will do less, based on some theoretical reasoning. For example, some feminists think (or hope?) that a basic income would lead to a paradigm change in societal values whereby unpaid and care work would be much more valued, and ‘feminine’ values would be given a greater prominence in public discourse and societal interactions (e.g. Baker 2008; Elgarte 2008; Zelleke 2008). However, it should be acknowledged that these predictions are very speculative, and that they express more the hope of those who are ‘predicting’ these effects than that we have any empirical evidence on which to base these expectations. Another part of the literature tries to draw conclusions based on empirical studies of the effects of similar social policy measures that have been implemented in the last decades, especially in Europe. An example of such a policy are the introduction or extension of paid parental leave, which has been introduced in a range of countries, or the so-called ‘time credits’ given to Belgian employees who have temporary caring duties related to illness of a family member.
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These studies ask what the real effects of these measures were on gender inequalities and the gendered nature of society. For example, we know that the right to parental leave, hence leave equally available to fathers as to mothers, is used almost exclusively by mothers. The same has been observed in relation to the Belgian time credits. Such studies thus allow us to conclude something about the effects that we can expect from a basic income which will be paid at a similar level. Based on such empirical studies of similar types of social policies, my best prediction is that the effects of a basic income will be as follows (Robeyns 2000): (a) changes in labour supply: The labour supply of men will hardly change with the introduction of a basic income: men will keep on working (or being available for work) on the labour market. This is to a large extent due to the fact that paid work is an essential part of western masculine identities. Women, on the other hand, have much more elastic labour supply, and micro-simulations which have modelled the introduction of a modest basic income suggest that the total labour supply of women could drop between 20 and 30%. If part-time jobs are widely available, we may expect that women would especially move to parttime jobs, rather than quitting the labour market altogether. However, it should be said that the labour supply changes of women are hard to predict, since they are influenced by many factors. (b) income effects: On the one hand women will receive an unconditional income, but on the other hand they may earn less labour income, in part due to the higher taxation on labour income, and in part because women may reduce their hours on the labour market. Since it is unlikely that a basic income will be very generous, it is important that women do not entirely lose touch with the labour market for too long, since this will jeopardize their long-term chances on the labour market and therefore will severely depress their expected lifetime earnings. It will also increase the risk of financial hardship at separation or divorce. For women who currently do not work on the labour market and are very unlikely to hold a job ever, their share of household income will univocally increase. But for other women it is likely that a basic income would lower the share of income that these women bring into the household. If a basic income is funded by a flat-tax, and the woman earns less than her husband/partner, and they both do not change their labour supply after the introduction of a basic income, then her relative income in her household will most likely decrease. The relative share of women in their household’s total income has been argued to be an important determinant of their intra-household bargaining power.
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A problem not solved: the gender division of labour
Another gender effect of the implementation of basic income is the effect on the gender division of labour, that is, the way men and women divide up paid work, unpaid work and care work, between themselves and other household members (Robeyns 2001; Baker 2008; Elgarte 2008; Gheaus 2008). Feminists have for many decades argued that the traditional gender division of labour, whereby men do more paid work, and women more unpaid (especially care) work, is the cornerstone of women’s disadvantaged position in society. Thus, for feminists it should be of major concern to find out how this division would change after the introduction of a basic income. Some basic income advocates are optimistic in speculating that a basic income will prompt men to do more care and unpaid work, and will give mothers therefore a better chance to hold a job (Standing 1992; Jordan 1998; Zelleke 2008). Unfortunately, in my reading of the available empirical evidence this is overly optimistic. The empirical evidence that I reviewed of similar policy measures that have been implemented, indicate that the gendered division of labour in a basic income society will at best remain the same, but is in fact more likely to become more ‘traditional’, with women doing a larger share of the care and unpaid work (Robeyns 2000; 2001). According to many feminists, this gender division of labour is the cornerstone of women’s disadvantage in society (e.g. Okin 1989; Bubeck 1995). The problem is not only that women are financially disadvantaged because they ‘specialise’ in care and household and community work, but that the enormous tasks of caring for children, the ill and the elderly makes it difficult to develop themselves in other areas of life, including paid work. Too often we think of paid work as being a pure burden that people perform only because they have to earn a living; but for many people, and not just the best-paid or those in the nice sectors of the labour market, work has many more intrinsic values, such as being able to contribute to society at large, having regular contacts with other adults, being able to develop one’s talents, being able to be creative and stretch one’s own imagination or develop professional skills, or having a structure to one’s day. Ironically, both in public debates and, I dare to add, also in the minds of many people who do not perform care work themselves, care work is idealised as being leisurely and intrinsically enjoyable work, rather than also being a burden. But this is not how care workers experience care work: while virtually all care workers stress the intrinsic importance of care work, for many it is also very demanding work which gives the carer little autonomy, and which is sometimes emotionally or psychologically draining. Fathers who took parental leave have expressed that only after caring for their infant did they realise how difficult this
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kind of work was, and they gained a much greater respect for people doing care work. Seen from this perspective, there are good reasons to redistribute market/paid and care/unpaid work more equally, independent of the changes in its financial remuneration or compensation. A basic income may contribute toward a financial redistribution related to these kinds of unpaid work, but I fear that if we believe that it will significantly alter the distribution of the work itself, we are engaging in an exercise of wishful thinking. The distribution of unpaid care work and paid market work will have to be encouraged by other measures – some of them possibly residing in the realm of personal and cultural change and beyond the scope of legitimate government intervention.
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Will a basic income revalue care work?
Care work is of crucial importance for the well-being of citizens. Without dedicated care work, children do not grow up into emotionally and physiologically healthy adults who can contribute to society, the ill are not decently treated and cared for, and the frail elderly are not given the attention and company that protects them from loneliness and depression. Our market-oriented society, however, values primarily the work that is done in return for money, and insufficiently values and appreciates the unpaid work, especially the care work, that is done within households, families and communities (Himmelweit 2000; Folbre 2008). Will a basic income revalue care and other unpaid work, as is often suggested by basic income advocates? This is far from clear. Indeed, a feminist analysis of (the literature on) the basic income proposal signals a few problems. The first problem is that there is little evidence that basic income advocates (within academia) genuinely understand what the nature of care work is. All too often it is depicted as pleasant work that is always intrinsically satisfying, which most women would like to do if only they were not forced by economic necessity to work on the labour market. However, if care work were so intrinsically enjoyable, why is it then so difficult to encourage men to do more care work? Caring is not just baking cakes and drinking tea at 3 in the afternoon, or going to the park and feeding the ducks. Caring is not just receiving cuddles and smiles. Care work is also emotionally draining and psychologically highly demanding work, whereby one is constantly on call, and whereby one has limited opportunities for personal adult development or peer interaction. If (male) basic income advocates would acknowledge this highly ambiguous nature of unpaid care
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work, they would be much more sensitive to understanding the need of discussing not just the revaluation, but also the redistribution of care/unpaid work. The second problem is that since a basic income is given to all citizens, including those who do not contribute to society in any possible way, it is hard to see how it signals a positive societal (financial) appreciation for care work. If a mother of three small children who stays at home to care for them receives a basic income, but an 18-year old anti-social school dropout gets a basic income as well, then in what way does the fact that both receive a basic income signals a valuation for this mother’s care work? In this respect a participation income would do a better job, since it would only be given to either the citizens who contribute to welfare creation and public funds (e.g. the workers), those in need (e.g. the disabled), and those who perform socially useful work, such as careworkers. The third problem is that a basic income would not provide any financial compensation for an employee who would temporarily quit his or her job in order to care for an ill relative. Before quitting her job, her income would consist of her basic income plus her labour earnings; after quitting her job, her income would drop to her basic income. Her ‘choice’ of quitting her job in order to care for her seriously ill relative (that is, in so far as this can be considered a choice rather than performing a moral duty), is in no way financially supported: she loses her earnings income, but does not receive any compensation for her care work. In sum, it is doubtful that a basic income truly signals a societal revaluation of care work; rather, it signals a view of citizenship which includes the right to some financial means purely in virtue of belonging to a certain political community.
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Unemployment traps, poverty trap, and childcare traps
It is often claimed that basic income allows the primary caretakers of children (which predominantly are their mothers) to make a genuine choice between taking care of these children themselves, or being employed and paying someone else to care for their children, or combining both. This claim may not be true for at least three reasons. Firstly, often the levels of basic income for children are too low to compensate for the cost of quality day care. The full (that is, not subsidised) costs of full-time childcare can easily reach 1,000 Euro a month or more; most levels of basic income that have been suggested for children would therefore be insufficient to fund adequate professional daycare at a non-subsidised rate. Thus, at many or most levels of basic income, it
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seems that we would need to supplement the basic income with childcare subsidies if we want to make employment for parents (mostly mothers) of small children a genuine option. Secondly, what mothers and fathers with caring responsibilities really need is flexibility in the labour market to be able to combine work with care; for example ample opportunities for part-time work or support systems for caring parents. A basic income may increase the option set for mothers and fathers to choose their preferred combination of paid work, caring themselves, and paying others to care. But this depends not only on the financial fall-back position (which the introduction of a basic income may provide for some parents and other carers), but also on the institutional properties of the labour market and the care institutions. If, for example, childcare is unregulated and of poor quality, then these aspects restrict the set of valuable options of parents. Thirdly, basic income introduces a very high total (direct and indirect) cost for the primary caretaking parent to take up a job, since they will have to pay for childcare and at the same time are likely to be paying between 40 and 60% of their gross labour income on taxation. The net income differential between staying at home with one’s children and being employed while paying for professional childcare may be extremely small or even negative. So while basic income is often applauded for eliminating (part of) the unemployment trap or poverty trap, a society with a basic income for all but in which childcare is no longer provided or subsidised is likely to introduce a childcare trap. Again, the exception would be if childcare were to be very heavily subsidized on top of the basic income. But that is unlikely to happen since the idea of a basic income is precisely to do away will all specific support and subsidy systems that focus on specific needs. This brings us to another point – the more general point of the de facto trade-off between merit goods and basic income, to which we will now turn.
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Do we have to choose between merit good provisioning and a basic income?
Advocates of basic income often argue that in addition to a basic income, we also have to maintain a number of other government provisions, such as affordable and high quality childcare, a good school system, an affordable health care system, and so forth. This would indeed be one way to answer part of the feminist concerns, such as the expected negative effects of basic income on the gendered division of labour. But is it possible to finance everything that is on our wish list?
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The feminist economist Barbara Bergmann has argued that we need to choose between a Swedish-style welfare state and a basic income, and that all the merit goods that are currently publicly provided for in Sweden – childcare, schooling, health care, free or partially subsidised higher education, mental health care, decent housing, public transportation and social work services – and in addition targeted cash payments to those in need and in special circumstances, amount to 60% of Swedish GDP. It is thus impossible, she believes, to add a universal basic income to this list. Bergmann argues that for feminists it is not desirable to drop all these services in order to replace them by a universal cash transfer, since it will not guarantee us any of these merit goods, and the basic income may not be high enough to buy them when provided by the market. Whether or not one agrees with Bergmann, an important lesson to draw is that basic income proposals have to spell out which other social policies will have to be implemented, or which ones will be dropped, and what the implications for the tax revenue side will be. As I argued in the previous section, subsidised high-quality childcare is an absolute prerequisite if we want to give mothers of small children a genuine opportunity to work on the labour market; but the public provisioning, or at least public financing of such a day-care and preschool system is very expensive. The same argument can be made of decent quality elderly care and caring institutions for the disabled. Hence it is an important question whether it is financially feasible to provide for affordable elderly care homes, childcare facilities, good schools, and all the other merit goods that we believe every citizen should have, in addition to a basic income of a certain size. It is important to discuss which one of these will get priority in case it is not financially feasible to fund both a basic income and a number of merit goods.
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The power to say No to poor jobs?
Basic income is often praised since it would give workers more independence and bargaining power on the labour market. If these workers are currently only able to find poorly paid and intrinsically unpleasant jobs, then a basic income would allow these citizens to say No to either these jobs in general, or to the poor wages that they currently receive for their work. Since women are overrepresented among badly paid employees, an important gender effect of a basic income may be that low-paid workers will be in a stronger position to refuse to work for low pay, or refuse to do demeaning jobs at all. Will this effect materialise when we introduce a basic income? I think that the answer depends on two parameters. Firstly, on the level of the basic income: If the basic income is paid at a low level, which is not sufficient to lead a decent
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life, then these women (and men) will still have to go out to work out of economic necessity, and the range of jobs open to them will still be narrow. If they have the right skills and talents for intrinsically rewarding jobs that were previously not feasible simply because the wages were too low (say, being an artist), then even a low basic income may improve their employment situation. But is it realistic to assume that this will hold for large numbers of people? Secondly, we need to know about the other legal and social measures that affect the situation of those in the worst paid jobs. If a basic income is introduced simultaneously with minimum wage legislation (or the existing decent minimum wage legislation is maintained), then a generous basic income may indeed improve the bargaining position of the worst-off; but if a basic income is introduced together with an abolishment of the minimum wage legislation, and the basic income is not generous, then the effects on the worst-off workers may in fact be rather disastrous. In sum, this section shows, once again, that in real life politics the effects of the basic income proposal depend crucially on the details of the entire package of social policies in the society where basic income is being proposed.
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Feminism and basic income: some conclusions
Feminists who are considering whether or not to advocate a basic income should ask themselves what the ultimate goals for feminist politics should be. Here are a few suggestions of what I think could be considered appropriate feminist goals; yet note that this is by no means intended as a complete list. Firstly, we need a welfare state reform that re-values unpaid and care work without reinforcing women’s responsibilities for it, and which would enlarge their opportunities to choose not to be the only primary carer of children and other dependents. For too long we have forced women to choose between being a primary carer (with perhaps a small job on the side) and being a worker (with no opportunity to spend sufficient time on caring for children and other dependents). The decline in fertility rates in many EU countries may be taken as an indication what women increasingly prefer when they are forced to choose. Secondly, we need more flexibility to combine care with paid work: high quality affordable childcare facilities, part-time work on the same pro-ratio conditions as full time workers, parental leave, care leaves. Thirdly, by default every worker should be a carer too: this requires changes in organisational values and rules. Fourthly, arguably the biggest challenge is how to make men do more care and unpaid work. This has proven a very difficult issue for politicians and social scientists, since this requires changes in the dominant societal ideologies and cultural representations,
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which are often thought to be outside the scope of legitimate government intervention. Only when the ultimate goals are agreed on, can one proceed to ask the question: does basic income contribute to these goals? So let me, by way of conclusion, offer the following thoughts. To my mind, basic income (considered as a real-life welfare state change rather than a utopian and ideal-theoretical philosophy) is primarily an anti-poverty strategy. But even if perceived as such, the desirability of such a basic income will to a large degree depend on its level and the details of how it will be funded, and which other welfare state institutions will be introduced or maintained. Moreover, a basic income society that would be successful in tackling poverty would still be a very different society from those in which we are autonomous and free to choose to pursue non-remunerated work, as some basic income advocates seem to have in mind. Whether or not basic income will lead to the kind of paradigm change that is often hoped for by its advocates is an entirely open question. It would be prudent to start from the assumption that values will not change radically. If these values do change, then this is all the better for those who champion these value changes. Yet it is unwise to construct a model of society that depends on these paradigm changes, since it is entirely unclear whether they will take place or not. Another important conclusion, which I have elaborated in more detail in earlier work (Robeyns 2000), is that basic income affects different groups of women differently. If basic income is good for women, it will primarily be good for those women who are now poor, who will never hold down a paid job and for whom the feminist goals of flourishing professionally are of no interest. For all other groups of women, the overall effects are a combination of different effects. It is very hard to say anything in general, since many of the behavioural effects are unknown and also depend on the precise combination of the level of the basic income and the set of merit goods that will be provided. Although it is hard to make firm predictions and statements about the effects of basic income on society and the well-being of its people, my estimation is that basic income is unlikely to be an effective tool for a gender-justice strategy. A basic income will certainly not lead to more gender justice if it would not be complemented with other measures that redistribute care and unpaid work between women and men, challenge gender stereotypes and remove gender discrimination on the labour market. Moreover, gender issues have to be included in our discussions whether or not to advocate and install a basic income, since once a basic income is implemented, it may be too late to notice that (a) it has adverse effects on the gender division of labour and thus on women’s position in society, and (b) that there is no money left to spend on the merit goods that are of special importance to women (such as childcare facilities). If one chooses to advocate basic income and wants to make it as good for women as for men, then three
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important factors are: the level of the basic income for children, whether or not childcare provisions and provisions for others who are dependent on family care would remain intact or would be expanded in the basic income society, and what other measures will be implemented that will create the flexibility which employed carers need.
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II Transdisziplinäre Sichtweisen auf zentrale Konzepte der Ökonomik
Hegemonie, Identität und der homo oeconomicus Oder: Warum feministische Ökonomie nicht ausreicht Hegemonie, Identität und der homo oeconomicus
Friederike Habermann
Während dieser Artikel entsteht, laufen die Präsidentschaftswahlen in den USA. Barack Obama wird gewählt, Bundeskanzlerin Angela Merkel schickt eine Grußbotschaft – das Geschlecht oder die Hautfarbe scheinen heute in keinem Widerspruch zur Karriere mehr zu stehen. Das Bild des homo oeconomicus, dem Subjekt in der Wirtschaftstheorie – jung, dynamisch, gesund, unabhängig, erfolgreich etc. – gilt heute auch für Frauen und people of colour als hegemoniales Ideal – inzwischen mit einigen soft skills angereichert. Was ist geschehen? Der homo oeconomicus war von jeher der Lieblingsfeind feministischer ÖkonomInnen: Als angeblich völlig abstraktes Subjekt der Wirtschaftstheorie impliziere er dennoch eine weiße, männliche, gesunde, heterosexuelle etc. Identität. Nun nicht mehr? „Sind Sie machtgeil?“ fragt zur gleichen Zeit ein Redakteur des Magazins ‚Stern’ Andrea Ypsilanti wegen ihres Versuchs, sich als Ministerpräsidentin einer linken Koalition in Hessen wählen zu lassen. Eine journalistische Frage ohne Beispiel, konstatiert Martin Hecht in der ‚Frankfurter Rundschau’ vom 3. November 2008. Noch nie zuvor sei in der deutschen Politik einem Kandidaten auf ein hohes politisches Amt diese Frage gestellt worden. Dies sei umso erstaunlicher, als der politische Gegenspieler dieser Frau wie kein anderer in der Republik über Jahre Beweise „höchster Machtgeilheit“ geliefert habe. Aber auch die ‚FAZ am Sonntag’ halte mit Kritik nicht zurück: Die Frau habe früher einmal Andrea Dill geheißen, sie schmücke sich aber mit dem exotischen Namen Ypsilanti – sie behielt den Namen ihres Ex-Mannes. Was ist da los? Sind dies nur Überbleibsel von Ressentiments auf dem Weg zur Gleichberechtigung? Es gibt jedenfalls noch viele weitere solcher Indikatoren: Der Karrierehöhepunkt für Frauen ist statistisch gesehen mit 32 Jahren erreicht (IAB 2006), und Frauen werden aus ihrer Verantwortung für Reproduktionsarbeiten nicht entlassen – auch wenn das bei den Privilegierteren (nur) bedeuten mag, sich um die Einstellung einer Migrantin als Haushaltshilfe zu kümmern. Weniger Privilegierte zählen auch heute nicht zu den neuen ‚Alphamäd-
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chen’. Strukturelle Ungleichheiten lösen sich auch unter den aktuellen ökonomischen und sozialen Bedingungen nicht einfach auf, einige verstärken sich sogar, doch stets kommt es zu Verschiebungen. Wie lässt sich dies mit feministischer Ökonomiekritik erklären? Das Anliegen dieses Artikels ist ein Doppeltes: Zum einen möchte ich aufzeigen, wie sehr Ökonomie(theorie) und die Konstruktion von Identitäten zusammenhängen. Meine These ist, dass der homo oeconomicus als Fundament der heutigen Wirtschaftstheorie nicht nur das Stereotyp des weißen, männlichen Bürgers abbildet, sondern diskursiv mit ihm verknüpft entstand. Der homo oeconomicus eröffnet nach emanzipatorischen Kämpfen um Inklusion auf der einen Seite neue Möglichkeiten für Frauen / people of colour, während er auf der anderen Seite durch die mit ihm verwobenen Identitätskonstruktionen massiv, wenn auch in ‚verflüssigterer’ Form, entlang der Linien sex, race und class weiterwirkt. Im Sinne von Michel Foucault ist der homo oeconomicus dabei als das Korrelat einer Gouvernementalität zu verstehen, das heißt in ergänzender Wechselbeziehung stehend zu der politischen Rationalität einer Form von Regierung, die auch die Selbstregierung von Subjekten umfasst. Diese Gouvernementalität hat sich historisch als verbindendes Element zwischen verschiedenen Herrschaftsverhältnissen herausgebildet und begünstigt die Verhaltensmuster einiger Identitäten – jener, die analog zum homo oeconomicus entstanden –, unterwirft letztlich jedoch alle Subjekte. Zum anderen durchzieht diesen Artikel die Frage danach, welche Anforderungen an eine feministische Ökonomie und für emanzipatorische Theorie generell daraus entstehen, Identitäten nicht als unabhängig von, sondern als verwoben mit Wirtschaft und Wirtschaftstheorie zu fassen. Nach einem kurzen Abriss feministischer Kritik am homo oeconomicus soll ein Rückblick auf dessen Ursprung in der bürgerlichen Wirtschaftstheorie erfolgen. Danach wird die Verwobenheit mit der Konstruktion unserer Identitäten schlaglichtartig aufgezeigt.1 Dies bildet die Grundlage für eine Reflektion der Anforderung an feministische Ökonomie.
1
Wirtschaftstheorie
1.1
FeministInnen und der homo oeconomicus – Eine Hassliebe
Im Fremdwörterbuch des Duden (2005) wird der homo oeconomicus als „der ausschließlich von wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitserwägungen geleitete Mensch“ bezeichnet. Sein Handeln wird durch positive und negative Anreize 1
Eine ausführliche Herausarbeitung dieser Zusammenhänge findet sich in Habermann 2008.
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bestimmt, welche überwiegend mit den monetären Kategorien von Gewinn und Verlust gleichgesetzt werden. Während der homo oeconomicus theoretisch durchaus fähig ist, Altruismus als individuelle Präferenz einzubeziehen – er sollte also nicht per se mit egoistischem Handeln gleichgesetzt werden –, wird er dies nur tun, wenn er hierdurch mehr Lustgewinn, Selbstwert oder anderweitigen Nutzen ziehen kann als durch egoistisches Handeln. Er ist also nichtsdestotrotz stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Im Duden findet sich noch eine zweite Definition, „gelegentlich Bezeichnung des heutigen Menschen schlechthin“. Dass sich Ende des 20. Jahrhunderts die Akzeptanz des ökonomischen Modells als Instrument der Analyse gesellschaftlicher Fragen erhöht habe, gelte als Tatsache, so Gebhard Kirchgässner in dem Vorwort zur zweiten Auflage seines Buches Homo Oeconomicus (2000: VII). Dieser Erfolg des homo oeconomicus steht in Verbindung mit dem ‚ökonomischen Imperativ’ des Nobelpreisträgers von 1992, Gary S. Becker. Von KritikerInnen auch als ‚ökonomischer Imperialismus’ bezeichnet, erhebt dieser Ansatz den Anspruch, jegliches menschliche Verhalten durch ökonomische Kriterien erklären zu können (Becker 1993; Becker/Becker 1998). Adam Smith (1776) war dagegen von perfektem Egoismus auf dem Markt ausgegangen, postulierte aber gleichzeitig perfekten Altruismus gegenüber der eigenen Familie. Bereits 1825 wies William Thompson zusammen mit Anna Wheeler auf den Widerspruch einer politischen Ökonomie hin, nach welcher Männer sich vollkommen egoistisch untereinander, aber völlig altruistisch gegenüber (ihren) Frauen und Kindern verhielten (Thompson 1997). Wenn das Verhalten der einen Hälfte der Menschheit zu der anderen Hälfte als Ausnahme für das allgemeine Gesetz angesehen werde, wie könne dies dann noch als allgemeingültig gelten? Zumal, so muss hinzugefügt werden, Adam Smith implizit davon ausging, dass diese andere Hälfte der Menschheit, also Frauen, nicht zu rationalen Entscheidungen fähig seien (Bodkin 1999: 47). Seither haben viele FeministInnen die männliche Besetzung des homo oeconomicus kritisiert. Dies geschieht in der Regel auf zwei Arten: Die erste besteht darin, wie bei Thompson und Wheeler Frauen ebenfalls die Fähigkeiten des homo oeconomicus, insbesondere Rationalität, zuzusprechen. Auch der Politikansatz des Gender Mainstreaming – die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in allen Bereichen – ist in diesem Sinne zu interpretieren. Demnach geht es darum, Frauen zu erleichtern, in der bestehenden Gesellschaft erfolgreich zu sein (Wöhl 2007: 219). Umgekehrt liegt die zweite Form der Kritik darin, als weiblich definierte Eigenschaften zu der männlich geprägten Form von Rationalität addieren zu wollen. Danach ist das Konzept der Rationalität im westlichen Denken durch das Ausklammern all dessen, was als ‚weiblich’ gilt – Körper, Gefühl, Intuition etc.
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– unzureichend (u.a. McCloskey 1993). Die Eigenschaften des homo oeconomicus wie Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit für die eigenen Bedürfnisse seien wohl typisch für die Erfahrungswelt von erwachsenen, weißen, bürgerlichen, gesunden und heterosexuellen Männern, nicht aber für die ‚Anderen’ – jene also, auf die diese Charakteristika nicht zutreffen. Gesellschaftliche Zwänge würden ebenso ignoriert wie Bedürftigkeit, denn auch wenn die kindliche Abhängigkeit mit der Zeit abnehme, so bleibe doch das gesamte Leben eine Mischung aus Verbundenheit und Getrenntsein. Durch die Einbeziehung dieser Erfahrungen könnte eine ganzheitliche Wirtschaftstheorie entstehen (McCloskey 1993: 76). Während dieser Kritik an der ‚Männlichkeit’ der herrschenden Wirtschaftstheorie sicher zuzustimmen ist, muss allerdings die Folgerung, die ‚weiblichen Erfahrungen’ hinzuaddieren zu wollen, in Zweifel gezogen werden. Helen E. Longino zweifelt an, dass ein solcher Ansatz Veränderung bewirken könne. Sie argumentiert: „[F]eminine minds – really feminine minds – are created to reflect and to defer to the masculine, so they won’t bring about much change“ (Longino 1993: 160). Beide Ansätze also – den ‚Anderen’ Rationalität zuzusprechen oder deren Eigenschaften addieren zu wollen – vernachlässigen in ihrer Kritik am homo oeconomicus den identitätskonstruierenden Aspekt, der sich historisch herausgebildet hat. Zur Untersuchung dessen bedarf es eines Rückblicks in die Geschichte. Zugegeben: Diese Erkenntnis ist nicht neu. Rebecca Blank äußert schon 1993 in dem Sammelband Beyond Economic Man (Ferber/Nelson 1993) ihre Ungeduld „with extensive analysis of how the development in science went wrong in the seventeenth century with Descartes […] this sort of historical research is not going to produce persuasive and usable models of feminist economics for the next generation of scholars“ (Blank 1993: 17). Insofern feministische Ökonomie sich als innerhalb der auf diese Weise historisch entstandenen Disziplin versteht und deren implizite Annahmen übernimmt, so ist dies sicherlich richtig: Mainstream-TheoretikerInnen lassen sich nur durch Modelle beeindrucken, die die Annahmen der hegemonialen Wirtschaftstheorie übernehmen. So formuliert im Bereich der Internationalen Beziehungen Robert Keohane (1998), ein wissenschaftliches feministisches Forschungsprogramm müsse auf empirisch überprüfbaren Hypothesen über kausale Zusammenhänge aufbauen. Unter feministischen Ökonominnen war dieser Anspruch lange weitgehend akzeptiert. Rhonda Williams kritisierte in dem eben schon erwähnten Band (Ferber/Nelson 1993), dass innerhalb (der damals noch sehr jungen) feministischen Ökonomie ein Widerwillen bestehe, sich von den neoklassischen Grundlagen loszulösen, obwohl hierin selbst sich bereits der maskulinistische und rassistische Subtext festgeschrieben habe (Williams 1993). Zehn Jahre nach dem Erscheinen von Beyond Economic Man urteilen die postkolonialen Theoretikerinnen S. Charusheela and
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Eiman Zein-Elabdin in dem Nachfolgeband Feminist Economics Today (2003), dieser Subtext sei noch immer nicht überwunden. Fundamental entgegengesetzt zu Rebecca Blanks Unbehagen mit wiederholtem Aufarbeiten der epistemologischen Grundlagen modernen Denkens bezeichnen sie die bisherige feministische Kritik daran als unzureichend: „While feminist critiques of the masculinized Cartesian self in Beyond Economic Man (Nelson 1993; Strassmann 1993) and this volume (especially England, chap. 1, Benería, chap. 5) have addressed modernism in mainstream economics, postcolonial critique goes further, uncovering modernist limits in both heterodox and mainstream analyses“ (Charusheela/Zein-Elabdin 2003: 176).
Die Tatsache, dass race und class sowenig in feministischer Ökonomie mit betrachtet würden, habe mit der Übernahme des methodologischen Individualismus zu tun. Wie viele postkoloniale Feministinnen kritisieren sie, dass es nicht erst im Subjekt zu Überschneidungen von Herrschaftsverhältnissen komme, sondern bereits auf der Ebene der diskursiven Konstruktion. Dies bedeute, Identitäten nicht als Ausgangspunkt von Analyse zu verstehen, sondern als Ergebnis eines historischen Prozesses, den es zu untersuchen gelte. Dies soll im Folgenden in einem kurzen Abriss geschehen. Darin soll gezeigt werden, dass es nicht reicht, den homo oeconomicus zu hassen, die Theorien, deren Gegenstand er darstellt, jedoch weiter zu benutzen. Dies bedeutet nichts anderes als von ihm nicht loszukommen und die Beziehung mit ihm trotz allem fortzuführen.
1.2
Adam Smiths Menschenbild: männlich, bürgerlich und weiß
Adam Smith gilt als geistiger Vater der liberalen Ökonomie und hat damit die entscheidende Grundlage für die Entstehung des homo oeconomicus gelegt. Auch wenn der Begriff selbst nicht von ihm stammt, so wird Smith doch das Verdienst zugeschrieben, die wirtschaftliche Bedeutung und den sittlichen Wert des Eigeninteresses erkannt und dargestellt zu haben: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an ihre Menschen-, sondern an ihre Eigenliebe“ (Smith 1990 [1776]: 17). Der von Smith nur an einer einzigen Stelle verwendete Ausdruck, wonach jeder, der nach dem eigenen Gewinn strebe, von einer „unsichtbaren Hand“ geleitet werde (Smith 1990 [1776]: 371), machte Karriere. Grundlage dafür ist die Fähigkeit, rational entscheiden zu können, was dem eigenen Nutzen dient. Allerdings geht Smith eben implizit davon aus, dass weder Frauen noch people of colour zu rationalen Entscheidungen fähig seien.
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Hinsichtlich der Ausgrenzung von Frauen aus der Theorie der rationalen Entscheidung kommt Ronald G. Bodkin in seinem Essay über Women’s Agency in Classical Economic Thought (1999) zu diesem Schluss. Seine Textbelege für diese Feststellung erweisen sich zwangsläufig als dünn, da sich in dem ursprünglich mehrbändigen Werk Wohlstand der Nationen (1776) lediglich ein einziger Absatz explizit mit Frauen beschäftigt. Dieser findet sich in dem Unterkapitel Ausgaben der Bildungseinrichtungen für die Jugend und stellt lediglich einen kurzen Exkurs dar, der jedoch erstens deutlich macht, dass sämtliche anderen Ausführungen implizit als für die männliche Jugend verstanden werden müssen, und zweitens, dass jungen Frauen offensichtlich nicht zugetraut wurde, selbst zu entscheiden, was sie lernen, geschweige denn werden wollten. Diese ‚Doppelethik’ zieht sich durch Smiths gesamtes Werk, meist – so wie hier – entnannt. Auch aus Smiths Theorie der ethischen Gefühle (1949 [1759]) lässt sich herauslesen, dass seine Aussagen auf Männer zugeschnitten sind. Hier werden ideale Tugenden („sorgfältig in der hohen Schule der Selbstbeherrschung erzogen“) beschrieben und männliche und bürgerliche Identität festgeschrieben (Smith 1949 [1759]: 177f). Das Ideal des Mannes erscheint gleichzeitig als Ideal des Menschen, da die als optimal dargestellten Eigenschaften angeblich durch Männer verkörpert werden. Frauen werden dagegen als dazu so wenig imstande angesehen, dass diese Idealvorstellungen gar nicht erst von ihnen erwartet, sondern sie direkt aus der (Männer-)Gesellschaft ausgeschlossen werden, da sie „eine schlechte Gesellschaft“ abgäben (Smith 1949 [1759]: 55). Smith macht deutlich, dass seine Ausführungen an bürgerliche Männer gerichtet sind. Diese entwickelten eine reflektierte Sensibilität, und es sei ihre verinnerlichte Zivilisation und nicht pure körperliche Stärke, die sie dazu befähige, ihre Gefühle zu kontrollieren. Der innere Kampf ist für Smith wesentlich. Er elaboriert seitenlang über sowohl die „Gerichtsbarkeit des ‚inneren’ Menschen“ als auch die „Gerichtsbarkeit des ‚äußeren’ Menschen“ (Smith 1949 [1759]: 159ff). Der Schöpfer der Natur, der immer noch die oberste Kontrollinstanz bleibe, habe den Menschen zu seinem Statthalter auf Erden bestellt, um das Benehmen seiner Brüder zu beaufsichtigen – dies stelle die Gerichtsbarkeit des ‚äußeren Menschen’ dar. Ein weit höheres Tribunal aber bilde das Tribunal des eigenen Gewissens – die Gerichtsbarkeit des ‚inneren Menschen’, jenes angenommenen unparteiischen und gut unterrichteten Beobachters in der Brust des Menschen. Es sei „offenkundig, dass ich mich in allen derartigen Fällen gleichsam in zwei Personen teile“ – in den Prüfer und Richter auf der einen Seite sowie in den Geprüften und Handelnden auf der anderen Seite (Smith 1949 [1759]: 150). Smith betont, ein Mensch von niedrigem Stand könne sich nicht durch Eigenschaften auszeichnen, welche einem Mann höheren Standes dazu dienten,
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sich Autorität zu verschaffen – sei es das Aussehen, die Art oder das Betragen (vgl. Smith 1949 [1759]: 79). Doch es sind nicht nur Frauen und Menschen der Unterklasse, die Smith aus seinen ethischen Überlegungen ausschließt. Alle zivilisatorischen Vorteile werden als Folge kapitalistischer Errungenschaften angesehen. Die Handel und Gewerbe treibende Gesellschaft steht für Smith in einer hierarchischen Entwicklungslinie von Kulturen an der Spitze – und mit ihr europäische Weiße (Marshall/Williams 1982: 245). Staat und Regierung sind für ihn lediglich dort notwendig, wo Eigentum geschützt werden müsse (Smith 1990 [1776]: 601ff). Bei „primitiven Völkern“ besäße jeder „ein beachtliches Maß an Wissen, Einfallsreichtum und Phantasie, aber kaum einer eine außergewöhnliche Intelligenz“ (Smith 1990 [1776]: 663). Zusammenfassend lässt sich feststellen: Smiths Theorie der ethischen Gefühle und das damit vorgestellte Identitätskonzept hat eine ganze Bandbreite von Implikationen sowohl für das als weiß, männlich und bürgerlich definierte Subjekt als auch für die in sexistischer, rassistischer und klassistischer Abgrenzung dazu konstruierten ‚Anderen’. Als ideal und damit hegemonial gilt ihm nur eine einzige Form der Männlichkeit. Edith Kuiper vergleicht Adam Smiths Geschlechterkonzept in ihrem Gender Reading of Economic Texts (Kuiper 2001) mit dem von Sir William Petty, der hundert Jahre früher lebte. Sie stellt einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden fest: Smith „not only ascribes different tasks to women and men as Petty did, but also different characteristics and features to both sexes to a point where ‘the fair sex’ almost becomes another species” (Kuiper 2001: 93). Im folgenden historisch-empirischen Teil wird deutlich werden, dass diese veränderte Auffassung darüber, was die Differenz zwischen den Geschlechtern darstellt, nicht nur in den Schriften von Petty und Smith gefunden werden kann, sondern einen Wechsel im hegemonialen Verständnis davon, was Geschlechter ausmacht, widerspiegelt. Dafür werden zunächst die Diskurse, die das dem homo oeconomicus entsprechende Subjekt sowie sex, race und class ausformten, in einem allgemeineren historischen Kontext dargestellt.
2
Warum Freiheit und Gleichheit nicht für alle galten: Von der Biologisierung der Ungleichheit
2.1
Vom Ein-Geschlecht-Modell zum Zwei-Geschlechter-Modell
Thomas Laqueur hat in seinem Werk Making Sex (1992) gezeigt, dass von der klassischen Antike bis zum Ende des 17. Jahrhunderts die Vorstellung existierte,
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Weiblichkeit sei eine Sache gradueller Abweichungen und Abstufungen von einem männlichen Grund- und Idealtypus. Man stellte sich die Vagina als innen liegenden Penis und die Schamlippen als Vorhaut vor sowie die Gebärmutter als dem Hodensack entsprechend und die Eierstöcke den Hoden (Laqueur 1992: 17). Es wurde davon ausgegangen, dass ein Mangel an vitaler Hitze dazu führe, dass sich die weiblichen Geschlechtsorgane nicht wie bei Männern nach außen richten könnten (Laqueur 1992: 17): Frauen galten demnach als weniger vollkommene Männer. Laqueur bezeichnet dies als Ein-Geschlecht-Modell. Dieses zog sich durch die gesamte Zeit von der Antike bis in das 18. Jahrhundert hinein: „Ein Mann oder eine Frau zu sein, hieß während eines Gutteils des 17. Jahrhunderts eine soziale Stellung innezuhaben und eine kulturelle Rolle zu übernehmen; nicht jedoch, organisch das eine oder andere von zwei Geschlechtern zu sein“ (Laqueur 1992: 164).
Der Penis war folglich eher ein Statussymbol denn ein Zeichen irgendeiner anderen, tief eingewurzelten ontologischen Wesenheit des wirklichen Geschlechts. Generell kann für das Mittelalter nicht von einem Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Bereich gesprochen werden. Dem Ein-Geschlecht-Modell entsprechend wurden Frauen als defizitär und damit als subsidiär aufgefasst: Insbesondere dort, wo der Mann abwesend, krank oder tot war, konnte die Frau damit aber jederzeit die Männerrolle übernehmen, sei es in der Welt der Herrschaft oder in der Welt der bäuerlichen, handwerklichen und kaufmännischen Arbeit (Müller 1993: 49). Dabei wurde der Übergang vom Ein- zum Zwei-Geschlechter-Modell bereits durch die Hexenverfolgung geprägt (Frietsch 2002: 101f.). Entgegen der landläufigen Meinung, Hexenverbrennungen seien eine Erscheinung des Mittelalters gewesen, kennzeichnen sie im Gegenteil den Umbruch zur Neuzeit. Die Hexenverfolgung ist nicht zu trennen von der Entstehung der modernen Gesellschaft und des bürgerlich-männlichen Subjekts, seiner Moral und seiner Rationalität (Bovenschen 1995: 75; Honegger 1978: 10f.). Als Ergebnis hinterließ sie die Dominanz des vernunftbegabten Mannes. Die Frau wurde mehr und mehr der Natur zugeordnet und als emotional konstruiert. Diese komplementär verstandene Hierarchie wurde zur Grundlage der modernen Staatsordnung. Während Klassen in der Amerikanischen und der Französischen Revolution neu gemischt wurden, wurde die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen umso sichtbarer gemacht: In der Öffentlichkeit des 18. und vor allem des postrevolutionären 19. Jahrhunderts verschob sich das Schlachtfeld für soziale Rollen zur Natur hin, angeblich biologische Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Körpern wurden in einer Vielzahl von Kontexten erzeugt, und der Ausschluss von Frauen aus der neuen Zivilgesellschaft auf diese Weise legitimiert (Laqueur
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1992: 224). Wie auch immer das Argument im Detail formuliert wurde, das Ergebnis war, dass Frauen aus in der Natur liegenden Gründen nicht gleich seien und damit auch nicht als zur politischen Gleichheit fähig galten. Eine biologisch begründete Unvergleichbarkeit der Geschlechter bot die Möglichkeit zu erklären, wie bereits im Naturzustand und vor dem Bestehen gesellschaftlicher Beziehungen Frauen den Männern untergeordnet waren und warum ihr Reich ‚das Private’ sei. Hatten sich bereits seit dem Beginn der Neuzeit die Möglichkeiten der Männer erweitert und die der Frauen verringert, so stand es im frühen 19. Jahrhundert um die Möglichkeiten der europäischen Frauen schlechter als jemals zuvor (Anderson/Zinsser 1995: 20; Mosse 1997: 18).
2.2
Von der Great Chain of Being zur Dichotomie von Schwarz und Weiß
Die Geschlechtszuschreibungen für Frauen entwickelten sich zur gleichen Zeit wie die rassistischen Rechtfertigungen von Kolonisierung und Sklaverei. Denn hier ergab sich dasselbe Dilemma: das Ideal von gleichen und damit freien Individuen auf der einen Seite und die Rechtfertigung von Unterdrückung auf der anderen. Der Ausweg bestand auch hier darin zu argumentieren, dass ‚Schwarze’ den ‚Weißen’ von Natur aus nicht gleich seien und damit wie bei den Geschlechtern mit dem Verweis auf ein biologisch bedingtes Unvermögen hinsichtlich staatsbürgerlicher Tugenden (Jordan 1968: 304ff). Wie beim Übergang vom EinGeschlecht-Modell zum Zwei-Geschlechter-Modell diente beim Übergang von der ebenfalls kontinuierlich hierarchisch gedachten Great Chain of Being zur Dichotomie von ‚schwarz’1 und ‚weiß’ nicht das Ergebnis naturwissenschaftlicher Forschung, sondern eine naturwissenschaftliche Gedankenkonstruktion als Legitimierung des Ausschlusses ‚Schwarzer’ von der Staatsbürgerschaft bis hin zu ihrer Versklavung. Um soziale Unterschiede plausibel zu machen, bekam die Haut Farbe. Der Ruf nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ blieb in den französischen Kolonien nicht ungehört. Doch bedurfte es eines Sklavenaufstandes auf Santo Domingo (heute Haiti), der, im Jahr 1791 beginnend, trotz einem aus 1
‚Schwarz’ wird als politischer Begriff meist als Adjektiv großgeschrieben, und um die Konstruiertheit von Weißsein in Erinnerung zu rufen, inzwischen häufig auch ‚Weiß’. Dies wiederum wird teilweise als weiße Aneignung kritisiert, da sich mit dem Begriff ‚weiß’ nicht eine politische Geschichte im Sinne eines Widerstandspotentials wie mit dem Begriff ‚schwarz’ verbinde. Während aus diesem Grund einige ‚weiß’ klein, aber kursiv schreiben, lehnen andere es wiederum ab, diesen hegemonialen Ausdruck derart hervorzuheben. So gibt es hier keine widerspruchsfreie Möglichkeit. Insbesondere aber angesichts der Tatsache, dass m.E. nicht nur ‚Rassen’, sondern auch Geschlechter sowie unsere gesamte historische Wirklichkeit es als konstruiert zu verstehen gilt, habe ich mich entschlossen, auf Kennzeichnungen von Konstruktion zu verzichten.
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Frankreich entsandten Heer von 18.000 Soldaten nach jahrelangen blutigen Kämpfen letztlich zur rechtlichen Gleichberechtigung in den Kolonien führte. Fast eine Million Sklaven wurden nun Staatsbürger von Frankreich. Doch unter Napoléon Bonaparte wurde bereits 1802 die Sklaverei und das Kriterium der Hautfarbe in den französischen Kolonien wieder eingeführt, und zwar nach der Regel, wer nicht völlig weiß sei, sei schwarz.2
2.3
Der homo oeconomicus als paradoxes Ideal
Heute gilt die Möglichkeit ökonomischen Erfolgs von Frauen / people of colour als Selbstverständlichkeit: Sklavenaufstände und die sozialen Bewegungen gegen Kolonisierung und zur Abschaffung der Sklaverei, die Suffragetten und die späteren Frauenbewegungen haben dies mit viel Einsatz erkämpft. Gleichzeitig aber kann durchaus auch von einer Kontinuität der Ungleichheit gesprochen werden. Zum einen gilt dies hinsichtlich der Einkommen, da people of colour / Frauen immer noch deutlich weniger verdienen als ihre weißen / männlichen Kolleg(inn)en, und zum anderen, wenn sich die Frage ergibt, wieso Arbeitszeiten und damit Lebensentwürfe zwischen den Geschlechtern sowie Arbeitsarten zwischen verschiedenen Identitäten nach wie vor so stark differieren (Peterson 2003: 11; Persaud 2003: 144). Auch besteht keine kontinuierliche Aufholbewegung, weder in Bezug auf Lohngleichheit noch hinsichtlich der Karrierechancen (Fröse 2004: 71f.; DIW 2007: 91). Bei einem Seminar im Mai 2000 im mexikanischen Bundesstaat Chiapas unter dem Titel ‚Ni hombres, ni mujeres, sino todo lo contrario – Nicht Männer, nicht Frauen, sondern ganz das Gegenteil’, an dem Menschen aus Asien, Afrika, Europa und Nord- sowie Südamerika teilnahmen, wurde die Aufgabe gestellt, die in den Medien als ideal dargestellten Bilder einer Frau und eines Mannes zu beschreiben.3 Über die Eigenschaften wurden sich die Teilnehmenden trotz der sehr unterschiedlichen Herkunft sehr schnell einig: Der Mann sei jung, groß, stark, mit modischer Kurzhaarfrisur und grünen Augen sowie sportlich mit festem Körperbau, dabei sowohl heldenhaft männlich und beschützend als auch elegant und intelligent. Er sei selbstbewusst, ja sogar dominant und der Prototyp des modernen und erfolgreichen Privatunternehmers. Gleichzeitig entspreche er dem Bild des heterosexuellen Latin Lover und habe seine soft skills verfeinert. Er spreche Englisch, rede gewandt, besitze eine Mastercard, ein sportliches Auto und sei mit Mobiltelefon und Computer ausgestattet. 2
Einzige Ausnahme blieb Santo Domingo. Nach weiteren Befreiungskriegen konnte am 1. Januar 1804 die erste schwarze Republik offiziell ausgerufen werden. 3 Hieran hatte ich Gelegenheit, selbst teilzunehmen.
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Das weibliche Idealbild sei ambivalenter – auch darin waren sich alle einig. Auf jeden Fall sei die Frau heterosexuell, feminin, blond, schön und schlank, zudem elegant, mit langen Haaren und Beinen. Sie lächle, sei sinnlich und zärtlich, doch zugleich ein sexuell erfahrener Vamp. Die Ambivalenz ergebe sich daraus, dass sie einerseits süß sei, gefühl- und verständnisvoll, mütterlich besorgt um andere, emotional abhängig und in Beziehungen stark engagiert sowie andererseits dem Bild einer gebildeten, progressiven und teilweise aggressiven Unternehmerin entspreche. So sei sie auch unternehmungslustig und ökonomisch unabhängig. Beide Ausprägungen schützten sie nicht davor, hysterisch zu sein. In dem hier gezeichneten Frauenbild findet sich sowohl die Übernahme und Verkörperung des Ideals vom homo oeconomicus als auch die biologisierte Andersheit, die es gleichzeitig verunmöglicht, diesem Ideal zu entsprechen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Linda McDowell (1997) in ihrer Untersuchung der vergeschlechtlichten Organisation im Finanzsektor am Beispiel der Londoner Handelsbanken. Sie geht dabei davon aus, dass es bedeutend ist, die Verbindung von Körper, Sexualität, dem Individuellen und der Organisation zu verstehen, um die Resistenz von geschlechtsspezifischen Segregationen fassen zu können. Hieran macht sie sichtbar, wie die Organisationen mit männlicher Macht und männlichen Werten ‚gefüllt‘ werden. Vor allem werde eine Reihe von alltäglichen Verhaltensweisen dazu benutzt, auf die Verkörperung von Frauen hinzuweisen und sie an ihre ‚Andersartigkeit‘ am Arbeitsplatz zu erinnern. McDowell trägt Aussagen von Frauen zusammen, wonach diese permanent als heterosexuelle und verkörperte Wesen bestätigt werden (McDowell 1997: 140ff). Eine Direktorin der North Bank kommt für sich zu dem Schluss: „It’s not going to work. I’ll never be a man as well as a man is“ (zit. n. McDowell 1997: 156). Da das hegemoniale Ideal mit der Konstruktion von Männlichkeit verwoben ist, gilt wie beim historischen Ein-Geschlecht-Modell, dass Frauen als die unvollkommenere Version gelten. Die Aktualisierung der klassischen Modellfigur des homo oeconomicus und seine Ausweitung auf das weibliche Geschlecht stellt ein individualisiertes Emanzipationskonzept dar, bei dem es darum geht, dass sich die einzelne Frau ‚fit für den Markt’ macht. Susanne Schunter-Kleemann (1998) formuliert diesbezüglich: „Dass bei diesem, dem weiblichen Geschlecht anempfohlenen, edlen Wettstreit die Verliererinnen schon vor dem Wettbewerb feststehen dürften, liegt auf der Hand. Und es liegt weder am mangelnden Leistungswillen noch an der fehlenden Risikobereitschaft vieler Frauen, sondern hat mit ‚Standortnachteilen’ zu tun“ (SchunterKleemann 1998: 135).
Die moderne Frau hat schön und intelligent und damit perfekt zu sein, konstatiert Naomi Wolf (1991), ohne das männliche Vorbild je erreichen zu können. So
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wählen immer mehr Frauen die Schmerzen im Körper durch Operationen für den vermeintlich perfekten äußeren Körper, selbst wenn dies mit Bewegungseinschränkungen der Mimik oder Gefühlsbeeinträchtigungen durch Silikon verbunden ist; es zählt das Äußere, nicht das Gefühl (Wolf 1991: 350). Entsprechend betont Wolf, dass der Schönheitsmythos in Wahrheit Verhaltensmuster vorschreibe und keine äußeren Qualitäten; er impliziere eine Selbstprüfung, wie sie einst für die Seele reserviert gewesen sei (Wolf 1991: 136/388). Der Schönheitsmythos habe damit die Funktion des Häuslichkeitskults beziehungsweise des ‚cult of true womanhood’ übernommen, der ab den 1830er Jahren weiblichen Enthusiasmus in als weiblich definierte Tugenden gelenkt hatte: „Der Weiblichkeitswahn löste sich in Luft auf. Was blieb, war der Körper“ (Wolf 1991: 91). Die Ungerechtigkeit werde den Frauen damit als etwas Natürliches präsentiert, etwas, das in ihnen selbst begründet sei (Wolf 1991: 76). Mit anderen Worten: Über den Körper wird weiterhin die biologisierte Ungleichheit transportiert. Margrit Brückner (1994) betont dabei, dass gerade der Übergang von einer unanstößigen Damenhaftigkeit zu dem Bild einer Frau, die eine mit Leichtigkeit gelungene Synthese aus Weiblichkeit und Professionalität darstelle, die Gesellschaft von Schuldgefühlen entlaste: „Nicht zuletzt dieses Wunschbild einer emanzipierten modernen Frau, die alles kann und jedes Problem meistert, macht deutlich, dass diesem Ideal jede in der Öffentlichkeit real existierende Frau nur mehr oder weniger mangelhaft Genüge zu leisten vermag. Sie scheint mit ihrer Person den Beweis dafür zu liefern, dass zwar ideale, nicht aber die tatsächlich vorhandenen Frauen für wichtige Positionen geeignet sind“ (Brückner 1994: 41).
Aus der Ausrichtung auf das Ideal des homo oeconomicus, welches weiblich besetzte (feminized) und ethnisierte (racialized) Eigenschaften als minderwertige Abweichungen konstruiert, ergeben sich neue Ausprägungen von sexistischen und rassistischen Kräfteverhältnissen. Der vor allem im angelsächsischen Raum verbreitete Ansatz des Diversity Management betont die kulturellen Unterschiede der Menschen nach territorialer Herkunft, wenn auch überwiegend nicht in abwertender Absicht. Diversity Management erhöht die Aufstiegschancen der vormals Ausgeschlossenen – allerdings in einer nach wie vor existierenden rassistischen Hierarchie, insofern es gilt, die dem homo oeconomicus entsprechenden Eigenschaften herauszuarbeiten. Da der homo oeconomicus nicht zu trennen ist von der Entstehung des männlichen, weißen, bürgerlichen Subjekts und hierin eine Ambivalenz liegt, ist der Aufstieg möglich für alle, jedoch bei Kontinuität einer Vielzahl von teilweise gravierenden strukturellen Ungleichheiten – und bei Ausschluss all jener, denen das passing, also der individuelle Wechsel in die hegemoniale Gruppe, nicht gelingt.
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So ergibt sich wie bei class auch bei sex und race der Effekt, dass die jeweiligen dem homo oeconomicus adäquaten Eigenschaften eines einzelnen Individuums die Merkmale Frau und / oder person of colour aufwiegen können. Dies ist für Frauen / people of colour sicherlich ein Emanzipationserfolg, wenn es auch wiederum mit neuen Ausschlüssen verbunden ist. Doch geht es bei der Figur des homo oeconomicus nicht nur um die Frage, wer sich erfolgreich darum bemühen kann, diesem Ideal zu entsprechen und wer nicht. Im Folgenden liegt der Fokus darauf zu zeigen, wie sehr unsere Gesellschaft mit dieser Konstruktion von hegemonialer Identität verwoben ist.
3
Der homo oeconomicus als conditio sine qua non unserer Gesellschaftsform
Ernesto Laclau betont, dass zur Zeit der Veröffentlichung des Wohlstands der Nationen Adam Smiths „unsichtbare Hand“ für seine Zeitgenossen alles andere als einleuchtend war (Laclau 1981: 10). Das gleiche gilt für dessen Theorie der ethischen Gefühle: Das Bild des Menschen, das er hier beschreibt, mit all seinen Abgrenzungen gegenüber Nicht-Männern, Nicht-Weißen und Nicht-Bürgern, war noch im Prozess, hegemonial zu werden. Die Entwicklungsgeschichte der Wirtschaftswissenschaften und des homo oeconomicus sowie der kurze historische Rückblick zeigen, dass dies weniger ein bewusster Prozess der Verschleierung war als die Entwicklung einer Theorie, die deshalb immer konsistenter wurde, weil die an ihr Arbeitenden sich selbst immer mehr in diese Richtung entwickelten. Smiths Ausführungen zum “inneren und äußeren Richter“ erinnern deutlich an Michel Foucaults Analyse der Disziplinargesellschaft und die Techniken des Selbst. Er beschreibt, wie sehr sich dieses zum Ideal erhobene Subjekt daran orientiert, was seinesgleichen von ihm denken werden. Er illustriert mit dem Bild des „inneren Richters“ so drastisch die Verinnerlichung dieser Verhaltensregeln, dass sie unwillkürlich an die Wirkung von Jeremy Benthams Panoptikum denken lassen – Bentham, der als zweiter Vater des homo oeconomicus gilt, hatte zugleich diese Gefängnisform entworfen, in welcher die Insassen nie wissen, wann sie beobachtet werden, weshalb sie die Disziplin verinnerlichen müssen. Foucault hat dies zum Sinnbild der modernen Gesellschaft gewählt (Foucault 1997). Edith Kuiper (2001) stellt mit Blick auf Smiths Ausführungen zur Selbstkontrolle fest:
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Friederike Habermann „In the end, it is no longer the balance between humanity and self-command which constitutes the perfect human being but the identification with the impartial spectator and self-command“ (Kuiper 2001: 106).
Ähnlich, wenn auch kritisch, beschreibt John Stuart Mill, der neben Smith und Bentham als dritter Vater des homo oeconomicus gilt, die Entstehung dessen, was Michel Foucault „Selbsttechnologien“ nennt: „In our times, from the highest class of society down to the lowest, every one lives as under the eye of a hostile and dreaded censorship. Not only in what concerns others, but in what concerns only themselves, the individual, or the family, do not ask themselves – what do I prefer? or, what would suit my character and disposition? or, what would allow the best and highest in me to have fair play, and enable it to grow and thrive? They ask themselves, what is suitable to my position? what is usually done by persons of my stations and pecuniary circumstances? or (worse still) what is usually done by persons of a station and circumstances superior to mine? […] even in what people do for pleasure, conformity is the first thing thought of […]: their human capacities are withered and starved“ (Mill 1961 [1859]: 255).
Mit historischer Weitsicht beschreibt Mill nicht nur, wie die Handlungen – und sogar der Wille, so zu handeln – habitualisiert werden (Mill 1961 [1832]: 368), sondern auch, wie vergänglich solche hegemonialen Praktiken sind: „The entire history of social improvement has been a series of transitions, by which one custom or institution after another, from being a supposed primary necessity of social existence, has passed into the rank of an universally stigmatized injustice and tyranny. So it has been with the distinctions of slaves and freemen, nobles and serfs, patricians and plebeians; and so it will be, and in part already is, with the aristocracies of color, race, and sex“ (Mill 1961 [1832]: 396).
Auch was als rational gilt, unterliegt einer solchen Historizität. Ähnlich wie Max Weber dies später analysiert, weist Mill bereits auf die Ausweitung der calvinistischen Ethik und Rationalität auf Nicht-Calvinisten hin (Mill 1961 [1859]: 256). Michel Foucault argumentiert, die Zeremonie einer öffentlichen Folter sei in keiner Hinsicht weniger rational als jemanden ins Gefängnis zu werfen. Es sei nur dann irrational, wenn durch die Bestrafung zugleich eine Eingliederung in die Gesellschaft als eines ihrer ordentlichen Mitglieder erfolgen solle. Jede Praktik unterliege einem bestimmten „régime de rationalité“, aber eine transzendentale Rationalität könne es nicht geben.4 4
„Table ronde du 20 mai 1978“, in: Dits et Écrits IV, Paris 1994, S. 20-34, hier S. 26; zit. n. Lemke/ Krasmann/Bröckling 2000: 20.
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Entsprechend ist auch die innere und äußere Gerichtsbarkeit in Adam Smiths Theory of Moral Sentiments, wodurch die weiße, männliche und bürgerliche Identität ausgeformt wird, hegemonialen Verschiebungen unterworfen. Rationalität wird heute zunehmend als unternehmerische Rationalität definiert. Michel Foucault nennt dies „eine Art permanentes ökonomisches Tribunal“, und spricht von einer „Verallgemeinerung der Unternehmensform“ (Foucault 2004: 333, 342). Das Leben des Individuums solle sich in den Rahmen einer Vielheit verschiedener verschachtelter und miteinander verschränkter Unternehmen einfügen können, dabei selbst ausgerichtet an betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien und unternehmerischen Kalkülen. Der Mensch, der einen Mangel an Initiative zeige, an Anpassungsfähigkeit, Dynamik, Mobilität und Flexibilität, beweise scheinbar objektiv seine Unfähigkeit, ein freies und rationales Subjekt zu sein. Die Fähigkeit, sich im eigenen Lebensentwurf nach betriebswirtschaftlichen Kriterien wie Effektivität und Effizienz zu verhalten, gilt aber zunehmend als Grundlage der aus autonomen Individuen bestehenden Gesellschaft (Lemke/Krasmann/Bröckling 2000: 30). „Wer Erfolg hat, hat ihn verdient; wer keinen hat, hat etwas falsch gemacht. Alle Fehler wiederum reduzieren sich im Grunde auf den einen, sich nicht (hinreichend) am Markt orientiert zu haben. Empowerment und Demütigung gehen Hand in Hand. Wenn jeder erreichen kann, was er will, haben es jene, die auf der Strecke bleiben, nicht besser gewollt (und folglich ihr Schicksal verdient)“, fasst Ulrich Bröckling dies zusammen und schlussfolgert mit der Abänderung eines HegelZitates: „Der Weltmarkt ist das Weltgericht“ (Bröckling 2000: 162). Wenn der homo oeconomicus heute zum hegemonialen Leitbild aller geworden ist, so bedeutet dies nicht, dass weiße Männer stets die Gewinner wären. Es geht um die Privilegierung einer bestimmten Form von weißer Männlichkeit. Diese symbolische/ kulturelle/ diskursive Hierarchisierung aber schlägt sich als naturalisierte körperliche/ materielle/ ökonomische/ strukturelle Machtbeziehung nieder (Peterson 2003: 14). Auch Connell (2000) zeigt auf, dass es zu kurz greift, von männlicher Hegemonie zu sprechen, denn dies vernachlässige, dass es nicht die Männlichkeit gibt, sondern dass auch hier Identitätsunterschiede bestehen. Connell sieht den Manager, der sich auf globalen Märkten bewegt, als Inbegriff einer hegemonialen Männlichkeit – nur wenige Männer entsprächen diesem Ideal tatsächlich, es diene vielmehr als soziales Orientierungsmuster. Allerdings spricht er eine „patriarchale Dividende“ allen Männern und damit den Nutzen des Patriarchats auch jenen zu, die innerhalb der hierarchisch strukturierten Männlichkeit subaltern sind. Dies, so sei hinzugefügt, betrifft unter anderem auch nicht-weiße Männer. Gleichzeitig besteht eine rassistische Dividende für alle Weißen, eine heterosexistische für alle Heter@s, eine abilistische für alle Menschen ohne Be-
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hinderungen etc. Doch letztlich gibt es auch patriarchale (rassistische/ heterosexistische/ abilistische) Kosten für als Männer (etc.) lebende Menschen. Thomas Lemke, Susanne Krasmann und Ulrich Bröckling (2000) arbeiten in ihrem Versuch, die Veränderungen in den Kräfteverhältnissen unter neoliberalen Konditionen herauszuarbeiten, mit Foucaults Begriff der gouvernementalité. Dieser beinhaltet den Gedanken, dass hegemoniale Beziehungen von den Subjekten nicht nur passiv aufgenommen werden, sondern – im Althusserschen Bild gesprochen – sie sich auf die Anrufung hin umdrehen müssen. Neoliberaler Diskurs ist wesentlicher Bestandteil des Alltagsverstandes und der Selbsttechnologien geworden. Autonomie, Selbstbestimmung oder Verantwortlichkeit sind kaum hinterfragte Werte in der Gesellschaft und werden nicht nur als Selbstverwirklichung re-artikuliert, sondern auch als Konkurrenzfähigkeit von Individuen. An die Stelle der Kennzeichen, die Standeszugehörigkeit und Privilegien sichtbar machten, sei ein System von Normalitätsgraden getreten, so Foucault: Diese zeigten die Zugehörigkeit zu einem homogenen Gesellschaftskörper an, wirkten dabei jedoch klassifizierend, hierarchisierend und rangordnend (Foucault 1997: 237). Als normal aber gilt die Höchstleistung; was davon abweicht, gilt als ungenügend. So fragt ein Selbstmanagement-Ratgeber: „Sind alle Ihre Persönlichkeitsteile voll im Einsatz? Arbeitet jeder Teil an der Stelle, wo er seinen Fähigkeiten entsprechend optimale Ergebnisse erzielen kann?“5 Die Selbstverwaltung des individuellen Humankapitals greift dabei weit über das Berufsleben hinaus und kennt weder Feierabend noch Privatsphäre. Unternehmer seiner selbst bleibt das Individuum auch, wenn es seine Anstellung verlieren sollte: „Das Ich kann sich nicht entlassen; die Geschäftsführung des eigenen Lebens erlischt erst mit diesem selbst“ (Bröckling 2000: 155). Ulrich Bröckling kommentiert weiter: „Als bloßes Rollenspiel würde das Selbstmarketing seine Wirkung verfehlen; der Einzelne muss sein, was er darstellen will. Es macht deshalb wenig Sinn, hier in kritischer Absicht Charaktermasken entlarven zu wollen und das Selbstmanagement als Selbstentfremdung zu perhorreszieren. Es gibt nichts, was hinter den vermeintlichen Masken verborgen wäre, und fremd wäre sich nur ein ‚unglückliches Bewusstsein’, das äußeren Schein und inneres Sein, objektives Sollen und subjektives Wollen überhaupt zu unterscheiden vermag“ (Bröckling 2000: 160).
Wenn Regierung nach Foucault immer auf einer umfassenden politischen Rationalität beruht, die ein „diskursives Feld, innerhalb dessen die Ausübung der Macht ‚rationalisiert’ wird“ (Lemke 1997: 147) erzeugt, dann lieferte Adam 5
Besser-Siegmund, Cora/Siegmund, Harry (1991): Coach Yourself. Persönlichkeitsstruktur für Führungskräfte. Düsseldorf u.a.: Econ Verlag, S. 130; zit. n. Bröckling 2000: 159.
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Smith die erste moderne und bis heute gültige politische Rationalität (Dahm 1998: 147). Denis Meuret (1994) stellt fest: „Die Form der Regierung moderner Gesellschaften verdankt Adam Smith mehr als den in einem strengeren Sinne politischen Autoren der Aufklärung, als Locke, Montesquieu oder Rousseau“ (Meuret 1994: 14). Seine politische Ökonomie habe sich nicht durchgesetzt, weil sie eine wahre Beschreibung realer ökonomischer Vorgänge wäre, sondern weil „ihre Repräsentation der Wirtschaft und des Politischen besser als andere geeignet war, insofern sie ein Abbild der Realität lieferte, auf die deren Regierung gegründet werden konnte“ (Meuret 1994: 15). In einer bestimmten historischen Situation mit bestimmtem Kräfteverhältnis war diese Repräsentation als allgemeines politisches Programm für alle relevanten Akteure insbesondere deshalb annehmbar, weil sie die Rolle des Staates neu definierte. Sie legitimierte ihn als über der Gesellschaft stehende und ihren Fortschritt garantierende neutrale Instanz und band seine Legitimation an die Respektierung der Grenze, die die bürgerliche Gesellschaft als äußeres Objekt und die Freiheit der Individuen ihm setzten. Entsprechend bildet der homo oeconomicus das in Wechselbeziehung stehende Gegenstück, die conditio sine qua non, oder, in Foucaults Worten, das ‚Korrelat’ dieser Gouvernementalität. Damit lässt sich an Adam Smiths Politischer Ökonomie recht gut verdeutlichen, warum für Michel Foucault das Problem nicht die Ideologie, sondern die Wahrheit ist: Die Effektivität von Smiths Ansatz liegt weniger in der Rechtfertigung von Handeln und der Verschleierung realer Interessen, sondern gerade darin, dass dieser sehr gut als Realität herstellende Wahrheit funktioniert (Dahm 1998: 148).
4
Die Schlussfrage: Darf’s etwas mehr sein?
Sich innerhalb einer ideologischen Konstruktion zu bewegen, die Kategorien wie Mann, Frau, Schwarz, Weiß, heterosexuell oder homosexuell als gegebene Eigenschaften von Individuen versteht, bedeutet laut Joan W. Scott zu vergessen, dass Widerstand bereits auf der Ebene der diskursiven Konstruktion von Identitäten ansetzen muss (Scott 1992: 25ff.). Es reicht also nicht, Frauen / people of colour in die ökonomische Theorie einzubeziehen und sich auf die Untersuchung von Aspekten wie ‚Auswirkungen einer bestimmten Wirtschaftspolitik auf eine bestimmte Identitätsgruppe’ zu konzentrieren. Mit diesem Artikel habe ich versucht, die Verwobenheit zwischen Identitäten und der Wirtschaftstheorie – und damit auch von Identitäten mit Kapitalismus, Sexismus und Rassismus – aufzuzeigen. Zunächst geschah dies anhand der entscheidenden Rolle, welche Adam Smiths Arbeiten gewonnen haben: nicht für die gesellschaftliche Bedeutung der Figur des homo oeconomicus, sondern auch
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für die Ausformung des männlichen, weißen, bürgerlichen Subjekts. Ich konnte hier nur andeuten, wie sich der Ruf nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und damit die bürgerliche Demokratie mit Herrschaftsverhältnissen verwoben hat, die sexistischen und rassistischen Interessen entsprachen. Um bestehende Interessen zu wahren und abzusichern, entstand ein Diskurs, der biologisch begründete, warum Frauen / people of colour nicht als Staatsbürger(innen) gelten konnten. Es handelt sich um Diskurse mit ihren Materialisierungen und Verkörperungen, die hegemonialen Interessen verschiedener Ausprägungen dienen, wobei sie in der Regel nicht bewusst in die Welt gesetzt wurden, sondern schlicht den Weltbildern von Menschen aus ihrer bereits weitgehend hegemonialen Stellung heraus entsprachen. Gleichzeitig haben die Rufe der Aufklärung nach universalen Rechten sich als ambivalenter Prozess erwiesen, da Frauen / people of colour in langen emanzipatorischen Kämpfen um (rechtlichen) Einschluss schließlich weitgehend erfolgreich waren. Auch für heute gilt selbstverständlich, dass unser Verständnis von Identitäten historisiert ist, dass es, mit Antonio Gramsci gesprochen, dem hegemonialen Alltagsverstand entspricht und nicht mit Wahrheit zu verwechseln ist (Gramsci 1991: 1393). Es ist wesentlich, die implizit in Theorien vorhandenen Annahmen und Subjektpositionen herauszuarbeiten und nach neuen Theorien zu suchen, weil sich darin schon Herrschaftsverhältnisse eingeschrieben haben. Stuart Hall macht dies deutlich mit seinem Ausdruck des omnipotent ‚white eye’, dem allwissenden weißen Auge. Hall bezeichnet damit den unbenannten Standpunkt, von dem aus Beobachtungen erfolgen und von dem aus sie Sinn machen (Hall 1989: 159). Das ‚weiße Auge’ befindet sich scheinbar immer außerhalb vom Rahmen des zu Beobachtenden – sieht und reguliert gleichzeitig jedoch alles (Hall 1989: 162). Ähnlich ist die ökonomische Theorie geprägt durch einen male bias und einen colonial bias – das wurde oft konstatiert, aber meist damit verwechselt, Frauen / people of colour Gleichberechtigung verschaffen zu wollen im gegebenen System. „Anti-racist or anti-sexist theory is not about a place under the sun like everybody else“, wendet sich Eiman Zein-Elabdin gegen ein solches Verständnis6: „It is about overcoming these categories themselves.” Emanzipation bedeutet immer sowohl Emanzipation als Identität wie auch Emanzipation von einer Identität. Darum muss feministische Ökonomie Konzepte erarbeiten, die Identitäten hinterfragen – eine Praxis, die in anderen feministischen Disziplinen schon lange als selbstverständlich gilt. Dies bedeutet keinen einfachen, klaren Schnitt mit vergangenen Diskursen. Michel Foucault, der sich gerade durch das Herausarbeiten der repressiven Momente der Aufklärung einen Namen gemacht hat, entwickelt einen explizit über6
Bei der preconference der International Association for Feminist Economics am 4. August 2004 in Oxford.
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wiegend positiven Bezug zur Aufklärung (vgl. Lemke 1997: 351). Ambivalenz spiegelt sich auch in den Theorien poststrukturalistischer oder postkolonialer Ausprägung. S. Charusheela und Eiman Zein-Elabdin beziehen sich auf Gayatri C. Spivak, die postkoloniale Theorie als ‚an impossible No’ bezeichnet und einen ‚Missbrauch’ historisch-europäischer Konzepte wie Demokratie und Staatsbürgerschaft vorschlägt, da der Moderne weder zu entkommen sei noch sie völlig abzulehnen wäre (Spivak 1990). Die Aufklärung habe weltweit nicht nur Subjekte geprägt und geformt, sondern, so Charusheela und Zein-Elabdin weiter, „one cannot not want its promises of liberation, nor should one seek to disavow them. At the same time, the terms of modernist emancipation have too many hegemonic connotations – thus one needs to force new meanings onto them“ (Charusheela/Zein-Elabdin 2003: 179f).
Ein Teil der hegemonialen Wissenschaftskonstruktion liegt in der Aufteilung in Disziplinen. Darum, so Zein-Elabdin und Charusheela weiter, benutze postkoloniale Theoriebildung in der Regel transdisziplinäre Methoden, wobei auch die jeweiligen disziplinären Prämissen und Grundlagen in Frage gestellt würden (Charusheela/Zein-Elabdin 2003: 185). In diesem Sinne charakterisieren sie ihr eigenes Projekt als counter-disciplinary, welches sich den traditionellen Disziplinen verweigere (Zein-Elabdin/Charusheela 2004: 6). Dies verweist darauf, warum feministische Ökonomie, die sich als wirtschaftstheoretisch im engen Sinne begreift, nicht ausreichen kann. Aus einer kritisch-feministischen Sicht kommt es darauf an, deutlich zu machen, wie sich sexistische und rassistische Herrschaftsverhältnisse in Theorien unsichtbar eingeschrieben haben, und anzuerkennen, dass auch wir selbst als ForscherInnen und Subjekte unserer Gesellschaft in Relation dazu konstruiert sind. Dies weitergedacht zeigt, dass Theorie zu verändern auch bedeutet, uns selbst zu verändern. Dies ist nicht wenig. Darum muss die Frage an feministische Ökonomie lauten: Darf’s etwas mehr sein? Etwas mehr als nur ‚add women and stir’? Etwas mehr als nur die Kategorie gender? Etwas mehr als nur ein Verbleiben innerhalb ökonomischer Modelle, welche von Machtverhältnissen so durchtränkt sind, dass sie eben diese unsichtbar machen? Ja, bitte! Etwas mehr grundsätzliches Infragestellen sowohl unserer heutigen Wissenschaften als auch unserer Wahrheiten. Es kann hilfreich sein, sich vorzustellen, wie zukünftige WissenschaftlerInnen sich mit Foucaults Methode der Archäologie darum bemühen werden, unsere Vorstellungen von der Welt ‚auszugraben’ – und damit eine Wirtschaftstheorie, welche täglich den Tod von hundertausend Menschen, die es nicht geschafft haben, sich als homo oeconomicus zu verwerten, zum Kollateralschaden erklärt. Raj Patel erinnert uns in seiner Untersuchung über das heutige Paradox von soviel Leid durch Hunger auf der einen und soviel Überfluss auf der anderen Seite, Stuffed &
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Starved (2008: 255), daran, „that ‘normal’ can often be a thin veil that blinds us to poverty, racism and sexism“. Die Unterdrückung unter dem Schleier der jeweiligen Normalität sichtbar zu machen, wird stets die Aufgabe emanzipatorischer Wissenschaft bleiben.
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A Herstory of the Notion of Exchange in the History of Economics Edith Kuiper
Introduction Exchange is something we all are daily engaged in. The Oxford Dictionary defines exchange as “The action, or an act, of reciprocal giving and receiving (of goods, money, prisoners, blows, ideas, etc.)” Exchange differs widely in form and content: a wide variety of things, materials, thoughts, words and even people are exchanged under various circumstances. It is also in exchange that values and prices are expressed, negotiated and accepted. Not only humans, but also animals and even things are engaged in exchanging materials and energy; to mention one example, think for instance of the colors in your clothes in the washing machine. Stated more generally, exchange is going on between everyone and everything all the time. Exchange at the same time, is a central and crucial concept in economics,1 where it is used with a specific meaning: exchange between equal individuals of goods or services for goods or services, of goods or services for money and vice versa, and of money for money. Exchange is perceived in economic theory as context free in the sense that the exchange process as economists perceive it, has a universal meaning; a meaning that is the same the world over. When we take a closer look however, we see that the economic concept of exchange is not as value-neutral and context-free and its meaning is not as selfevident and clear-cut as economists and others may think or may want us to think. Moreover, the economic concept of exchange has been developed by economists within a specific historical context and with a specific aim. Therefore, we can say that the one concept of exchange that is applied in economics is a specific kind of exchange, one out of many.
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For a discussion on the distinction between social and economic exchange, see Peter. M. Blau (1986): Exchange & Power in Social Life, New Brunswick, Oxford: Transaction Books.
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In this article I address the question of what the content and meaning is of the economic conceptualization of exchange and, considering its value ladenness, what its use for feminist economists can be. After categorizing various possible kinds of exchange and against that background, I outline the specificity of the economic concept of exchange, and assess the gender ladenness of the particular economic conceptualization of exchange. To explore and elaborate a feminist economic conceptualization of exchange, I provide a brief ‘herstory’ of the economic concept of exchange and discuss the use and content of the economic concept of exchange from a feminist perspective. The concluding remarks indicate some ways in which feminist economists can take the outcomes into account and work with them.
1
About exchange
There are various kinds of exchange. Think for instance of people shaking hands, or exchanging blows in a boxing match or making love. These are direct interactions between humans in which exchange takes place. These exchanges can be considered as different forms of communication with various aims, rules and use of the body. Other kinds of exchanges are intermediated by or consist of materials, money, promises, etc. You may think for instance of negotiations, sales, gift giving, having people for dinner, marriages, and there are a range of other examples that we can think of. These are also forms of communication, but the exchange of goods or other items including people, are here on center stage. A specific form of these kinds of exchanges is the exchange of goods for money and money for goods. Not only humans exchange signs of respect, ideas, money and goods, animals are also involved in exchange. Animals feed each other, fight, copulate, and exchange information about occurring danger. Parents feed their young to make them stop screaming. Think, for instance, of apes that search for and kill each other’s flees. Some animals live together in a symbiotic way, each profiting from the other, exchanging services so to say. We see similar kinds of exchange occur in the world of plants: there are trees and parasites, plants that live off each other. The hippopotamus gives food to birds living on its back and in exchange these birds clean its skin. A tree may give a living environment to the lichen on its bark. The above-mentioned exchanges, among others, are not always equal in the sense that each entity involved in the exchange does not get the same result out of the exchange. There are cases in which an animal eats the plant and the plant
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gets nothing particular out of it. In a more general perspective the plant has lived off the system that is reproduced by birds eating plants, but in this particular exchange, this specific exchange is very one-sided, to the extent that we would not speak of ‘exchange’ anymore. There are however, also cases in which the animal eats the plant, and thus helps the plant to reproduce itself over a wider area than would be possible without the plant being eaten by the animal. So what we see is this ongoing back and forth of giving and taking, we see these processes of exchange going on all the time; and it keeps the system together and functioning. To obtain a better grasp on the various kinds of exchange that exist, I propose a categorization. There are of course various ways to do that. Here I distinguish different types of exchange by looking at context, content, time frame, and meaning. I discuss these elements in more detail below. Context Types of exchange can be characterized along the lines of those who define the context of the exchange itself; by those who are actively involved in the exchange process as agents. In other words, we look here at who or what are the subjects that execute the exchange, consciously or unconsciously. Those concerned here can be humans, but also animals, goods and even materials. Content We can also distinguish kinds of exchange by looking at what or who is being exchanged; this step identifies what the object of the exchange process is. Not only materials or chemical substances are being exchanged, also goods, services, animals and people. In some cases those who exchange are the same as the ones being exchanged: the distinction between subject and object is hard or impossible to make in such a case. Shaking hands is a simple example of such a case. Time frame Another characteristic of kinds of exchange is the time frame within which an exchange process is completed. This can be extremely short, short, long, rather long or very long. The timeframe defines to an important extent the kind of exchange we are dealing with. When gifts are given, expectations are raised and obligations are put in place. The return of the gift that resolves these obligations can take days, years or even decades, but is still part of this one exchange process. For a specific form of exchange the time frame is short: this is when the
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exchange of goods and money take place at the same instant. Ultra-short exchanges of a hypothetical kind are those exchanges of, for instance, goods for money that are assumed to take place at the very same moment, and thus can be considered as to take place outside time; as a-historical. Meaning Exchanges express and can be distinguished by the meaning that subjects, especially humans, attach to them. When there is confusion about the actual meaning of the exchange at hand, the outcome will be disappointing to at least one of the parties involved. There are of course many meanings that can be attached to an exchange of any kind, just let me mention and use here four main ones:
Game: as an activity children and adults do for pleasure, experimentation and the passing of time. Confirmation: as expressing and demanding acknowledgement of feelings, status, and identity. One can think here of the exchanging of greetings, of gifts, caring and sharing. Survival: as defending one’s own life. War and fights can be seen as examples here, as are certain sharp forms of competition. Gain: as aiming at improving ones financial position and security by selling one’s work or trading goods and services.
These various elements by which exchanges can be distinguished are put together in Table 1. Table 1:
Kinds of exchange
Context
Content
Time frame
Meaning
Materials
People
Long
Game
Goods
Animals
Medium
Confirmation
Animals
Goods
Short
Survival
People
Materials
Ultra short/ a-historical
Gain
Since the categories ‘context’, ‘content’, ‘time frame’ and ‘meaning’ all contain four distinct kinds of exchange, the total amount of the various kinds of ex-
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change is, according to Table 1, 44 = 256. Some kinds of exchange may occur very often, while others will hardly ever occur. People exchanging animals over a medium time period for the sake of confirmation may be an example of the first while animals exchanging animals over a long time period for survival purposes may be rarer. How much of all the exchange processes are covered by every kind of exchange here indicated is an issue I will not go into. Here, my aim is to get an idea of the specificity of the economic concept of exchange compared to a wider variety of kinds of exchange that exist and that we know of.
2
Exchange as used in economics
The concept of exchange that economists usually apply goes back a long time. For Aristotle, ‘exchange’ was central to his thinking about economic issues. In Aristotle’s view the economy as such is the economy of household management. It is on the one hand the economy of men’s desires, satisfaction in the household – importantly based on the institution of slavery – and on the other hand it is the science of supply, in which exchange plays an important role. Aristotle distinguished between natural and unnatural forms of exchange. Natural exchange was perceived as an extension of the household and as an exchange that involved money, and the unnatural form of exchange, as the selling of produced goods for the sake of money making. It is here that Aristotle introduces the difference between the value that goods have because they are useful and the value that goods have when they are sold on the market, which comes back later more prominently in the work of political economists such as Adam Smith and Karl Marx (Roll 1983 [1938]: 32). With the emergence of political economy as a science in the second half of the eighteenth century there has been a major shift in focus in the thinking of early economists from the household to the market processes outside the family. Adam Smith (1723-1790) was a major mover in this respect. In his economic theory, the family and households became relegated outside the view of the political economist and invisible in the analysis of the economic process, as economic exchange is perceived as taking place outside the family in the market. According to Adam Smith’s Wealth of Nations (1776) the tendency to exchange goods for other goods and for money is typical for humans; it can even be considered as a biological trait that makes humans different from animals. In Adam Smith’s words:
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“It is the necessary, though very slow and gradual consequence of a certain propensity in human nature, which has in view no extensive utility; the propensity to track, barter, and exchange one thing for another.”
The propensity Smith refers to here is in his perception “common to all men, and to be found in no other race of animals, which seem to know neither this nor any other species of contracts” (Smith 1981 [1776]: 25). Linking it to the making of contracts, Smith clearly states here exchange as an exclusive characteristic of the realm of human interaction; as a process that is closely intertwined with speech and reason, perhaps even the very result of it. As we are particularly interested here in a feminist perspective of exchange, it is relevant to make explicit here that Smith’s use of the term ‘men’ is not generic. The use of ‘Man’, ‘man’ and ‘men’ was common in academic texts of that period, and mostly had a mixed gender meaning; sometimes it included women, but more often it referred to men only (see e.g. Spender 1980). When we read this text, we need to realize that at the time that Smith wrote his Wealth of Nations, women were not allowed to enter into contracts without their father, husband or another male representing them (Anonymous 1777; Pott-Buter 1992; Pujol 1992). Therefore Smith’s use of the term ‘men’ must be understood to exclusively refer to men. Not only were women not considered eligible to take part in contracts, but over the course of the eighteenth and most of the nineteenth century women were also excluded from universities, public institutions and the public sphere more generally in England and other Western countries. It is in this context that economics came to define the analysis of exchange as containing the changing of goods or services for money, money for goods or services, and money for money between equal and independent individuals as a core focus in the field. The term exchange becomes closely connected to what happens in the market; to the trading of goods for money, to the exchange of one kind of money for another – British for American, silver for gold – and, the most important and central in economic science, to cover the process in which value is assessed and made explicit in the price of what is exchanged. Smith, Ricardo and most other classical political economists, distinguish between the use-value of goods and their exchange value. The value of goods needed to be explained and was claimed by the classical economists as determined by the amount of labor that produced it. Most of these economists also acknowledged the importance of the costs made to produce the good, which included the profit for the entrepreneur as an explanation of the price. The input of unpaid work of women in the household was not included, and assumed to be unproductive. Focusing on paid work in factories, Karl Marx (1999 [1867]) stated that the capitalists pay the workers the use-value of their labor (that what
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is needed to reproduce the worker) and appropriate the difference between the exchange value of the products (that what is paid for the goods, produced by that labor, at the market) and the use-value of labor paid to the workers. Marx states that in the capitalist system money is exchanged for goods, which are then again exchanged for money. Thus, instead for their use and use-value, goods are produced to make money. In classical economic theory the focus was on production, the division of income over the factors of production and trade, and for these economists value originated in labor applied in the production process that is outside the family. Later in the nineteenth century, a new school of economists, the so-called neoclassical economists, such as William Stanley Jevons and Alfred Marshall, claim that value is constituted in the process of exchange, and originates in consumption. The value of a good is then perceived as being determined by the extent to which a scarce good can satisfy the wants of the buyer of the good, the consumer. The production process and the division of income over the factors of production (land, labor and capital) become secondary issues. The focus in mainstream economics therewith shifts towards market exchange and the analysis of how quantities supplied together with the consumer demands determine equilibrium prices. Paul Samuelson, an economics Nobel Prize winner and an author of important textbooks in economics, stated that economics’ first main aim is to analyze activities that, with or without money, concern exchange between people (Samuelson 1973: 22). At the same time however, the context of the exchange becomes defined and explained as universal; as abstract and timeless in which the focus is on the content; the money, goods and services exchanged. Let’s zoom in on this conceptualization of the exchange process, as we are particularly interested in the mainstream, neoclassical economic conceptualization and understanding of the process of exchange. The main actors here are the individual, characterized by his utility function, and the individual firm, characterized by its production function. The preferences of the individual are assumed constant, and the utility function gives the relation between the amounts of goods demanded and various prices. Faced with a certain income and current prices (and fixed preferences), the quantity of a good that the individual will demand can be derived. In a competitive market the individual is a price taker; he has no influence on the price, there are no negotiations, no personal relations between buyer and seller, no habits or otherwise attachments between buyer and seller that play a role. Here the price and the quantity of the good are the only determining factors. In a monopolist market, the firm can decide which quantities to supply against which price. No media, advertisements, etc. are considered; the producer of goods and the buyers communicate through the setting of prices and the supplying and buying of quantities.
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The conceptualization of exchange that is thus used in economics is a specific concept of exchange. When we consider this concept of exchange and reassess it against the broader perspective we developed in the last section and the categories used in Table 1, we arrive at the following: Context: Economic exchange takes place between equal individuals, represented by a set of fixed preferences,2 who demand goods and services to satisfy wants, and firms that offer goods and services to obtain money for profit. Although in real life the outcome of an exchange differs according to the relative power position of those involved, economists address each exchange process as an exchange between equals. More generally, differences between people involved in exchange processes are assumed away. As the focus is on prices and quantities exchanged, the individuals engaged in the buying and selling shift into the background. Content: Economic exchange involves goods, services and money. Everything is addressed as if it can be owned and be traded without considerable consequences. The role of money in exchange processes is assumed to be neutral, in the sense that bringing in money in the exchange process does not impact the kind of exchange or the outcome of the exchange process as such. The exchange of people however, women in particular, has until recently been excluded from economic investigation. Timeframe: The time frame of economic exchange is ultra short; or rather the exchange takes place outside historical time. There is little theoretical conceptualization of the actual process of exchange in real time; how goods and money are actually exchanged is considered of no considerable importance or influence on prices and quantities bought and sold. Meaning: The aim of economic exchange is perceived as maximizing/ optimizing utility and profit. The obtaining of status, respect, security and dignity has not been perceived as aims of exchange. When these aspects and considerations are perceived to play a role in the exchange process, they are considered as either part of the utility function or as cost or constraint. The implicit aim of the exchange process however, is assumed to remain the same: optimization of want satisfaction and gain. That the same exchange process can mean a game to some and a fight for survival for others remains in this way invisible. As we can see in Table 2 the economic concept of exchange is specific in the sense that out of many possibilities, this kind of exchange is one that takes place between equal individuals, who exchange goods and services, within an ultra short time frame, and aiming at achieving gain. 2
For a discussion on the conceptualization of the individual in mainstream economics, see John B. Davis (2003): The Theory of the Individual in Economics. Identity and Value. New York: Routledge.
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Table 2:
Economic concept of exchange
Context
Content
Time frame
Meaning
Materials
People
Long
Game
Goods
Animals
Medium
Confirmation
Animals
Goods
Short
Survival
People
Materials
Ultra short/ a-historical
Gain
According to this account of various kinds of exchange, the economic concept of exchange concerns two out of many more: [people, materials, ultra-short, gain] and [people, goods, ultra-short, gain]. This concept of economic exchange however, is perceived by mainstream economists to be universally applicable, and thus provides us with the economists’ glasses through which all economic activity is perceived. This specific economic concept of exchange developed over time in political economy and later in economics, particularly over the past two and a half centuries. It developed in the context of the male dominated academia of Western Europe. Over the past few decades however, economists have realized that culture and institutions are relevant and have impact on economic choices and behavior more broadly. A religion, for instance, may set boundaries of what is conceived of as acceptable behavior. The so called Neo-institutionalist economists realize that formal and informal institutions have a considerable impact on economic exchange and its outcomes, for instance, through the impact of norms and values, cultural images and stereotypes, and institutional rules and regulations (see e.g. North 1990). Their response has been to include or integrate such aspects into the rational choice model by either pricing it, stating it as alternative blocks of consumer packages or by including these aspects as part of the utility function (see. e.g. Mayhew 2008; Guiso/ Sapienza/Zingales 2008). The basic model, the rational choice model as such, however, remained intact. Instead of a natural and universal concept, this economic concept of exchange deserves to be considered as ‘a cultural construct on a par with other social constructs’ as Ann Mayhew states in her article “Institutions, culture and values” (2008); one that deserves questioning because ‘actual markets for broccoli or automobiles, may not be good analogies for the complex and conflicted processes that cause cultural/institutional change.’ (Mayhew 2008: 38). The simple economic models that may work to explain simple choices between broc-
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coli and potatoes or between various brands of automobiles, are far too simple and limited to help us understand most of the complexities of the economy. In the subsequent section my aim is to explore a more women’s based or feminist economic perspective on the role and function of economic exchange.
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A herstory of exchange notions
At the time of political economy’s emergence in the second half of the eighteenth century women were excluded and invisible at the level of laws; legal statements, theory and concepts, and contracts were officially made between men. It was men who represented women in court, in contracts and in economic theory as well. Payments were perceived to be made from man to man, some of whom represented women. In practice and daily life however, women did buy and sell materials, managed small and larger households, ran businesses, were retailers and went to markets to sell and buy goods. At these markets the social process of bidding was important, and trust, respect, habits, animosity and friendships played their role in the negotiations and in the final price setting. Although women were conceptually and physically excluded from universities and from the fora where the economic discussions took place, such as salons, clubs, societies and journals, women did write and express their thoughts. They described their experiences and reflected on them, and developed their views and insights in economic matters. Thus, women’s economic writing focused more than the work of their male colleagues on women’s work, gender equality, household economics, institutions and social policy (see also Madden 2002). When we take women and women’s economic writing over the centuries into account, we obtain women’s perspectives on economic history and on the history of economics, including the conceptualization of economic exchange. Overall, these writings tend to be less abstract and speculative then those of political economists and, later the economists. The economic texts written by women address and reflect on women’s economic experiences and problems and articulate women’s roles in the economic process. We are especially interested here in what they say about the exchange processes. For instance, at the end of the seventeenth and the beginning of the eighteenth century Mary Astell (1666-1731), who is seen by many as the first feminist, was a famous public figure in Britain. In her publications she discussed women’s education and their position in marriage. In A Serious Proposal to the Ladies for the Advantage of their Truth and Greatest Interest (1694) she addresses young women and argues the importance of self cultivation and development for women. Astell especially criticizes the education of young women
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for being almost entirely addressed to cultivating the young women’s attractiveness for men, and for stating marriage as the main goal in a young woman’s life. In Some Reflections upon Marriage (1700) Astell addresses the institute of marriage and more specifically women’s dependence on men. An important concern for her are the moral problems of women caught within a bad marriage. Astell criticizes the exchange of women in the marriage contract, in which a woman handed over her independence, wealth and promised obedience in exchange for food, shelter, social status and protection. She considers this deal, which left women helpless in the hands of their master/husband, as unequal, because it does not take both sides and all arguments and consequences into account. Grisell Baillie of Jerviswood (1665-1746) was a well known Scottish contemporary of Astell, who, for a certain time, ran three large estates; those owned by her husband, her father and her brother-in-law. She documented the exchange processes within these households by meticulously keeping the books. The Household Books of Lady Grisell Baillie 1692-1733 (Edinburgh, 1911) provide a profound insight into the exchanges taking place in household management in the first decades of the eighteenth century. The running of such large estates as these involved managing hundreds of people, including all kinds of economic activities, such as bakeries, breweries, stables, etc. Her Household Books show, among other things, that exchange not only took place outside the household, but also within households. They indicate, however, that other considerations than self-interest and monetary gain play a role here. For instance, in the items listing the money paid to older servants as a pension, considerations such as the responsibility for servants, gratitude for past services, the need to be able to find new servants, and what were probably also the servants’ arguments that were submitted into the negotiations come to the fore, and we see the results in these books. Where economists focused on men’s work and men as workers, merchants and entrepreneurs, there were some women who wrote about women’s work (see e.g. Collier 1739; Masters 1755; Bodichon 1857; Schreiner 1911). Mary Collier (1690-1762) is an example of a working woman who put her experiences on paper. Her poem The Woman’s Labour (1739) (Ferguson 1985) tells the story of a washing woman and the gender division of labor in the household. She stressed the cooperation between the men and the women in the field, and claims that women work at least as much as men, even more so. She is one of the first to articulate the concept of women’s double burden; paid work alongside child care and household tasks. She criticizes the misogynist poem by Stephen Duck The Thresher Labour (1736) (Ferguson 1985) that denies the contribution of girls and women in the harvest, and she demands respect for the work done by women in the field, in the household and as domestic workers. Collier also stresses explicitly, and that is of special interest here, the importance that caring for others has
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in determining how one is to evaluate one’s own work and that of others. Collier proposes a more comprehensive concept of labor and exchange in which women are brought in as economic agents and their work as services that are part of the economic process. Throughout the nineteenth century there were a set of women economic authors who sought to explain, clarify and popularize academic economic ideas in part propagating and educating the larger public in political economic ideas and concepts. The larger tomes, such as that by Adam Smith, were not very accessible and addressed mainly male colleagues from academia and the government. It was women, however, who opened up the field to the wider public. Jane Marcet (1769-1858) wrote, under the title Conversations on political economy (1816), dialogues between a teacher, Mrs. B., and her pupil, Caroline, to whom she explains the economic ideas and concepts of Malthus, Ricardo and Smith. Inspired by Jane Marcet’s work, Harriet Martineau (1802-1876) wrote decades later an impressive oeuvre of economic tales, published as Illustrations of Political Economy (1832-1834). In her tales, she addressed and explained economic choice and exchange to the larger public, drawing a rich and nuanced image of human behavior. Instead of using abstract language, Martineau describes in rich detail the lives and problems of a fishermen’s village on one of the isles off of the West coast of Scotland. In her tale ‘Weal and Woe in Garveloch’, she illustrates the effects of population growth on the incomes and wealth of these people. The theory of Thomas Malthus on the relation between population growth and wealth guides her reasoning here. Where in Malthus’ theory, however, women are not portrayed as agents, but as passive victims of the situation, in Harriet Martineau’s stories women and men are educated and thus encouraged to take responsibility in order to improve their situation. Martineau often characterizes women as strong, lively and active persons who play a central role in the story. She also addresses sensitive issues such as birth control and gives the reader insight into the considerations of her characters, the decisions they take and the consequences of these decisions and actions. Much later, at the end of the 19th century Charlotte Perkins Gilman (18601935) develops in her book Women & Economics. A Study of the Economic Relation Between Men and Women as a Factor in Social Evolution (1899) a comprehensive social and economic theory about the relation between the genders, and the changing economy. She questions the typical nineteenth century marriage arrangement often referred to as ‘economic chivalry’; in this model the man is the head of and financially responsible for the household. Herein the wife, whose main task it is to give birth and take care of the children, is economically dependent on the husband. It is through this backward and out-dated model, as Gilman states, that civilized countries such as the United Kingdom and the USA
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take care of the reproduction of their population. Human beings, she argues, are the only species among which the female is dependent on the male for survival. The detrimental effects of this model on women and children in her view also hampered economic development and gender equality would enable women to contribute fully to the well-being of human kind. Against a background that had profoundly changed since the days of Mary Astell, as women could now, though limited, work for pay, and had, though limited, property rights and the right to divorce, Gilman proposed gender equality as the basis for the marriage contract. She called on women to liberate themselves from the drudgery of domestic work and was actively involved in the organization of public kitchens that took over one of the tasks assigned to women, thus freeing them to do more productive work. Women entered the economic profession around the beginning of the twentieth century, after the emergence of political economy as a science. The economics department of Cambridge University, then the center of mainstream economics in the UK, remained closed for women as long as Alfred Marshall reigned there. Later the New London School of Economics admitted women freely, and a lot of them turned to economic history there, making important contributions to that field (see e.g. Berg 1992; Libby 1987). The work of Alice Clark (1919) and Ivy Pinchbeck (1930) for instance, focused on long-term developments and empirical and historical investigations on the changes in women’s roles in society over the past centuries. Other female economic researchers became involved in investigations carried out by the Labour Commission for the UK government. These investigators set out to do empirical social and economic research on poverty, sweat shops, wages and labor conditions. Beatrice Potter Webb worked on several of these research projects and in 1919 published her Minority Report on Women in Industry. In her report she concludes that indeed distinct men’s and women’s wages for the same work did exist; apparently the gender of a person entered in the exchange process as an argument and made a 20-50% difference in the resulting wage. In the debate about equal wages for women and men, some feminist economists reasoned along the lines of the dominant economic discourse and argued for equal wages for women and men. Therewith they also called for an end to the Factory Laws that protected women from certain jobs and limited their working hours. Beatrice Webb considered this a theoretical standpoint that took too little notice of class differences. Instead she argued for minimum wages and protection against bad labor conditions for all workers. Beatrice Potter Webb was an influential person, and together with her husband Sidney Webb, she contributed substantially to the founding of the British welfare state.
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In the US women economists focused on Household Economics at the University of Chicago, Iowa State College and in a few other places. The approach to Home Economics founded by Hazel Kyrk and Margaret G. Reid emerged out of the scientific household management approach (see Kyrk 1923; Reid 1934). In this field, women’s experience in consumption and household production were taken into account and used in the analysis and explanation of the choice and exchange process basic to the understanding of productive consumption. Hazel Kyrk (1923) and Elizabeth Hoyt (1928) address in their works on consumer behavior the factors that influence decision making, such as advertisement, status, habit, education and information, etc. In their approach to economic research they made use of a variety of methods and theories available in anthropology, psychology, political science and sociology. This approach to economics was part of the American Institutionalist approach that was replaced after the Second World War by the Neoclassical approach. All of these examples of works by women/feminist economists show that gender plays an important role in exchange; in the way the process takes place, the arguments that are assessed, the costs and consequences considered, and thus in the final outcome of the exchange process. Parallel to recent discussions on the influence of culture, institutions, and trust, gender can also be considered as having a direct impact on the exchange process and its outcomes. As we saw in the above-mentioned examples of women economic writers, there are various ways to incorporate concerns, arguments and considerations into economic discussions. Most of these approaches are still represented in discussions in feminist economics today. Some feminist economists work with mainstream concepts and theories, and integrate women’s experiences and concerns into the neoclassical notion of exchange in terms of demand and supply of goods and services. Thus they develop concepts and theories in which gender differences are perceived as either part of the constraints – women face different constraints than men (i.e. gender wage differences and availability of child care) – or of the utility functions – women may have different preferences and values then men. Feminist economists such as Soshana Grossbard-Schechtman (1993), Siv Gustafsson and Daniele Meulders (2000) among many others take this approach in their research, which facilitates the communication and interaction with more mainstream economists. Gary Becker (1965; 1981) is an important mainstream economist who works on family and gender issues. He received the economics Nobel Prize partly for his research on the family. Becker analyzes issues of discrimination and the division of work in the family in terms of what he defines as ‘the economic method’. He theorizes marriage in terms of exchange between equal individuals, who optimize their utility under constraints, perceiving women and men
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as being biological orientated towards household work and market work respectively. The outcome is a rationalization of the male-headed household or the model of economic chivalry as the optimal approach to family life, in which he refers to the male as the Altruist and the female as the Beneficiary (see Becker 1981). Feminist economists found his models lacking and, for instance, proposed to take time into account and to acknowledge the possibility of divorce. Notburga Ott (1992) thus proposes to take at least two periods into account instead of only one, as Becker does. She uses a game-theory model in which she analyzes the effects that a woman’s labor participation has on her negotiation power within a marriage. Ott shows that the negotiating power of the marriage partners is directly based on earned income, the time frame considered and the exit options, such as divorce, available. When women expect or consider the possibility of divorce, it will be rational for them to maintain their relation to the labor market and to keep working while having children. Their income will provide them with an exit option and thus with a stronger negotiating position inside the family. This will have an impact on the economic decisions taken in the family, thereby playing a major role in determining the outcomes of the intra-family exchange processes. Changing the context and time frame of the exchange process for the family thus enabled Ott to include important considerations of women and to improve economic theorizing on the family. In order to take gender and power in exchange processes into account Bina Agarwal (1997) moved beyond the rather strictly defined game-theoretical approaches, and elaborated the bargaining approach to further develop feminist economic theorizing on the family. Agarwal states that the bargaining approach can be helpful in clarifying and better understanding the role of norms, values and perceptions in the exchange process. She considers formal analytical approaches useful and considers these approaches as complementary to the bargaining approach: “The difficulty of including them [values and perceptions of values] in formal specifications and testing, however, should not preclude recognition of the importance of these factors; and here accompanying analytical descriptions would be illuminating” (Agarwal 1997: 38).
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Concluding remarks
The dominant notion of exchange used in economics assumes a specific context, content, time frame and meaning. The economic concept of exchange is conceptualized as an interaction between adult, healthy (male) equal and independent
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individuals, who exchange goods/services for money, money for goods/services and money for money on the market, in an ultra-short/a-historical time frame and who aim at personal gain. This economic concept of exchange that is applied by mainstream economists is assumed to be universal, abstract, and context free. As such it is applied as a looking glass for all exchange processes and economic problems. As such however, this specific definition is too narrow to capture all forms and processes of exchange and in many cases assumes away or distorts those aspects that we are particularly interested in. When we approach the economic concept of exchange from a women’s and gender perspective, we see that this conceptualization needs modification:
Context: People involved in exchange processes differ in ways highly relevant to the exchange that takes place. Gender, race, class, power, and also norms, values, needs, property, personal connections and affections play a role in the exchange process. By taking an overly abstract approach to exchange processes, relevant features are missed. For feminist economists this means that the process of exchange needs to be looked at more closely and should be investigated at a more concrete level taking notice of those who are involved in the process, and how. Content: The subjects of real economic exchanges are not only goods and services, but can also include women, children and people more generally. Therefore analyses of real economic exchange will also include analyses of marriage, trafficking, slavery, and prostitution. This economic research should not reduce people to the status of goods, but analyze them as economic agents, taking the psychological costs and consequences of these trades into consideration. Time frame: Economic exchange processes more often than not have effects that go beyond an ultra-short period and that are not taken into account, which can easily result in price distortions. Real economic exchange includes real life exchange processes including short, longer and long time timeframes, thus considering longer time effects and consequences of the exchange. Meaning: When an exchange process is for one party a game and for the other party involved a matter of survival, analyzing this process simply as a matter of personal gain, mystifies rather than illuminates. Real economic exchanges also includes forms of exchange that aim at confirmation, survival and having fun, as these are also important ways to produce and distribute goods and income and help us to a better understanding of the process at hand.
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Before two or more people come to an actual exchange, they will have to agree on what kind of exchange they are taking part in. Negotiation is an important part of the exchange process that establishes this fact. Part of this negotiation process is deciding the kind of deal that is on the table and the parameters of the exchange process at hand. On the other hand, what is actually perceived as the exchange process and the parameters/prices, determines who has the best outcomes and who profits the most. Over the past centuries men have defined what was perceived and included in the exchange process, and thus also who finally bore the costs. It is time that more women bring their views and concerns to the table, and make visible the consequences of current prices. Instead of perceiving this as a political matter only, the use of scientific reasoning and methods can be of great help in developing a more sophisticated concept of exchange that can help to get rid of some prejudiced economic outcomes. When we want to take women and gender into account, we may need a broader notion of exchange and exchange processes. Depending on the aim and strategy chosen, we can either use and adapt mainstream economic theory, or go beyond that and investigate the real economic exchange process. Do we need to adapt economic theory to be able to do so? Perhaps we can leave mainstream economics for what it is, and use it as such: a set of tools for the analysis of a specific kind of exchange process. When we are not interested in showing the relevance of gender to economists, but rather focus on the analysis of real economic exchange processes, there may be various possible contexts to work in. It can perhaps be more productive to work in fields such as Business Economics. Here a wider variety of methods and methodologies are applied in researching on an even wider set of questions. For instance, decision-making theory and research may prove fruitful when broaching the questions discussed here. Women’s and Gender Studies, where economic issues have been neglected over the past decades, can also accommodate more interdisciplinary research with other social scientists. When economics defines itself along the lines of concepts and methods that leaves little to no space for taking women and gender into account, we may find it more inspiring and enabling to connect with those academics with whom we can exchange ideas to get a better understanding of real economic exchange processes. On the other hand, realizing that the very definition of economic exchange processes importantly determines the terms and arguments taken into account in real economic exchanges processes, feminist economists may want to further strengthen their position in economic science to have their voice heard in the exchange process of ideas on these and related topics.
A Herstory of the Notion of Exchange in the History of Economics
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Geld und Geschlecht im U.S.-amerikanischen Gegenwartsroman: Beiträge zu einem kulturwissenschaftlichen Verständnis ökonomischer Dimensionen von Weiblichkeit und Männlichkeit Geld und Geschlecht im U.S.-amerikanischen Gegenwartsroman
Eva Boesenberg
Dieser Aufsatz analysiert die Darstellung von Finanz- und Geschlechterfragen in U.S.-amerikanischen Romanen, die seit etwa 1980 veröffentlicht wurden. Dabei möchte ich anhand der amerikanischen Beispieltexte deutlich machen, welche spezifischen Aspekte des Nexus von Ökonomie und Geschlecht ein literatur- und kulturwissenschaftlicher Zugriff genauer beleuchten kann. Dieser Frage wende ich mich zunächst aus wissenschaftstheoretischer Sicht zu, um im zweiten Abschnitt die ausgewählten Romane zunächst kurz historisch zu kontextualisieren. In zwei Schritten diskutiere ich dann konkrete Repräsentationen der Thematik – zunächst Konstruktionen von Geld und Geschlecht in Erzählungen männlicher Autoren, die häufig um die sogenannte Männlichkeitskrise des späten 20. Jahrhunderts kreisen, und anschließend Darstellungen der Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Geschlecht in Texten von Autorinnen, die eine größere Variationsbreite aufweisen. Ein kurzes Fazit beschließt den Aufsatz.
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Geld und Geschlecht in literarischen Texten
Literarische Texte thematisieren in besonders aufschlussreicher Weise die Interaktion von Geld, Sprache und Blickbeziehungen, das heißt von finanziellen, sprachlichen und visuellen Ökonomien bei der Konstruktion von Geschlecht. Nach Luce Irigaray, die diese Zusammenhänge unter anderem in Speculum de l’autre femme diskutiert, sind Frauen in patriarchalen Gesellschaften vom Zugang zu Geld, Sprache und dem „Blick“ ausgeschlossen (Irigaray 1976; 1980).1 Männlichkeit dagegen ist durch den Besitz dieser Ressourcen charakterisiert. 1
Weiblichkeit und Männlichkeit sind für Irigaray strukturelle Positionen, die nicht mit historischen Personen gleichgesetzt warden können.
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Der Ort, an dem diese Konstellation besonders deutlich wird, ist die Eheschließung, in der die Frau von einem Mann/Besitzer (ihrem Vater) dem nächsten (ihrem Ehemann) übergeben wird. Der Objektstatus der Frau in diesem Szenario zeigt sich traditionellerweise daran, dass sie keine Kontrolle über finanzielles Kapital (das Familienvermögen, über das die Männer verfügen) oder Sprache/verbale Autorität, eine Form kulturellen Kapitals hat – ihre Stimme wird nicht gehört. Der Heiratsvertrag wird unter den Männern ausgehandelt, und die Tatsache, dass sie mit der Heirat einen neuen Nachnamen annimmt, zeigt, dass sie nun einem neuen Mann gehört. Parallel zu diesen finanziellen und sprachlichkulturellen Ökonomien wird die Frau in einer patriarchalen visuellen Ökonomie, in der das männliche Subjekt über den „Blick“ verfügt, der in Bezug auf die Frau gleichzeitig Begehren und einen Besitzanspruch ausdrückt, zu einem (Sexual)Objekt gemacht. Frauen dagegen besitzen kein solches visuelles Kapital: Sie dürfen oder sollen Männer in der Regel nicht auf diese Weise ansehen. Obwohl das hier skizzierte klassische patriarchale Geschlechterverhältnis mittlerweile an verschiedenen Stellen, etwa in der Ehegesetzgebung, modifiziert wurde, wirkt es als kulturelles Muster auch heute noch sehr stark fort. Pierre Bourdieu hat weiterhin deutlich gemacht, wie speziell pekuniäres und kulturelles Vermögen die soziale Position einer Person, die er unter dem Gesichtspunkt der Klasse betrachtet, bedingen (Bourdieu 1996). Er unterscheidet dabei finanzielles, soziales, kulturelles und symbolisches Kapital, die jeweils unter spezifischen Bedingungen in andere Kapitalsorten umgewandelt werden können. „Kulturelles Kapital“ umfasst für ihn nicht nur materielle Kunstwerke wie etwa Gemälde, deren Besitz Status verleiht, sondern auch bestimmte Formen von Wissen (zum Beispiel Bildungskapital) und spezifische Fähigkeiten (wie gute Tischmanieren, eine dialektfreie Aussprache, die Beherrschung von Standardtänzen usw.) sowie „Geschmack“, also klassenspezifische ästhetische Präferenzen für der „Hochkultur“ zugerechnete Stile in Musik, Malerei, Kleidung, Sportarten etc.. Dieses „inkorporierte“, also im Körper lokalisierte kulturelle Kapital, das auch eine autoritative Stimme und die Fähigkeit, selbst Kunst zu produzieren, einschließt, ist nach Bourdieu für eine gehobene soziale Position genauso ausschlaggebend, wenn nicht sogar wichtiger als der Besitz finanziellen Kapitals. Eine Erweiterung seines Modells erlaubt es, diese Hierarchisierungsprozesse auch im Hinblick auf die Kategorie Geschlecht zu diskutieren. Eine bestimmte klassenspezifische Position würde dann durch den Besitz beziehungsweise Nichtbesitz von Männlichkeit (und analog dazu whiteness, Heterosexualität, able-bodiedness, etc.) als einer Form sozialen oder symbolischen Kapitals ge-
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nauer bestimmt.2 Ein erweiterter Bourdieuscher Ansatz ermöglicht also eine Analyse des Nexus von Geld und Geschlecht, die gleichzeitig Kategorien wie Ethnizität, Sexualität usw. mit in den Blick nimmt. Bourdieus Erkenntnis, dass der Wert aller Ressourcen oder Kapitalformen in politischen Prozessen fortlaufend neu ausgehandelt wird, ist für mein Thema von besonderem Interesse. Die Kontrolle über Geld geht für die weiblichen Charaktere in den von mir untersuchten Romanen nämlich mit der Wertschätzung ihres kulturellen Kapitals, zum Beispiel ihrer Sprache oder ihrer künstlerischen Produktion, einher beziehungsweise resultiert aus ihr. Das Verhältnis von Geld und Kunst hat die U.S.-amerikanische Literatur seit jeher beschäftigt. Einerseits zielt die Publikation eines Textes, seine Präsenz auf dem literarischen Markt, darauf ab, kulturelles Kapital in monetären Gewinn umzumünzen. Andererseits herrscht zwischen „the dreams of riches and the dreams of art“ traditionell ein gewisses Spannungsverhältnis (Rich 1987). Reflexionen des Verhältnisses von Geld und Kultur in fiktionalen Texten spiegeln daher häufig eine ökonomiekritische Haltung wieder. Viele Romane portraitieren die literarische Sprache als eine dem Geld ethisch wie ästhetisch überlegene alternative Währung, die auf dem Prinzip von Qualität statt Quantität beruht und die wesentlich differenziertere Darstellungen ermöglicht als die Sprache des Geldes. Über den Kontrast zum Beispiel zwischen Bankiers und Künstlern beziehungsweise Künstlerinnen innerhalb des fiktionalen Universums hinaus bedeutet dies für die Interpretation literarischer Texte, dass die Erzähltechnik wesentlich zur Repräsentation ökonomischer Zusammenhänge beiträgt. So kommentiert narrative Ökonomie, das heißt eine Reduktion der literarischen Sprache (wie etwa bei Hemingway), monetäre Diskurse auf eine andere Weise als eine Rhetorik des Überflusses, wie sie etwa in der sentimental novel vorherrscht. In diesem Fall wird – etwa in Stowes Uncles Tom's Cabin – der Knappheit des Geldes, die den Egoismus und die Ausbeutung Anderer fördert, die unbegrenzte Liquidität der Tränen gegenübergestellt, die produktive soziale Beziehungen stiftet und so alle bereichert. Während (als männlich codierte) finanzielle Ressourcen begrenzt sind und der Kampf darum das Eigeninteresse des Individuums in den Vordergrund rückt, sind (weiblich codierte) Tränen im Überfluss vorhanden. Sie gemeinsam (etwa aus Mitleid mit der Not Anderer oder als Ausdruck geteilter tiefer Emotionen) zu vergießen, schafft Freundschaften oder andere menschliche Verbindungen und generiert so sozialen und spirituellen Mehrwert. 2
Ich verwende die in der Forschung etablierten englischen Begriffe, da es in der deutschsprachigen Literatur noch keinen Konsens über deutsche Äquivalente gibt. Das Verständnis von whiteness als einer Kapitalform geht unter anderem auf Cheryl Harris' bahnbrechenden Aufsatz „Whiteness as Property“ zurück (Harris 1993).
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Auch der Aspekt narrativer Kontrolle, das heißt die Frage, inwiefern ein Text Dialogizität fördert oder im Gegenteil zum Beispiel ein allwissender Erzähler die fiktionalen Charaktere kaum zu Wort kommen lässt, thematisiert die Verteilung von – hier sprachlichen – Ressourcen. Die Form, in der der Leser oder die Leserin angesprochen wird, kann ebenfalls einer spezifischen ökonomischen Logik folgen, etwa dem Prinzip des Gabentausches oder der Überredungskunst der Werbung. Schließlich spielt die Geldmetaphorik eine wichtige Rolle. So verweist etwa die exzessive Goldmetaphorik mancher Texte des späten 19. Jahrhunderts auf Ängste, die Stabilität der U.S.-amerikanischen Währung sei durch den Übergang von Edelmetall- zu Papiergeld nicht länger gesichert. Auf einer anderen Ebene signalisiert die bildliche Darstellung einer Frau als leere Geldbörse den Verlust ihrer Jungfräulichkeit, während die Identifikation eines italienischen Adligen mit einer alten Goldmünze in einem Roman von Henry James deutlich macht, dass er für seinen reichen amerikanischen Schwiegervater ein museumsreifes Kunstwerk darstellt, was seine Männlichkeit kompromittiert.
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Geld und Geschlecht im späten 20. und 21. Jahrhundert
Bevor ich zu konkreten Romaninterpretationen komme, möchte ich die im folgenden genauer untersuchten Konstruktionen von Geld und Geschlecht zumindest kurz historisch situieren, da finanzielle Diskurse ebenso wie Geschlechterdiskurse signifikantem historischem Wandel unterliegen. Für das späte 20. Jahrhundert lässt sich vor allem eine Diversifizierung von Geschlechterdiskursen im Gefolge der Frauen- und Bürgerrechtsbewegungen, des gay and lesbian movement, des American Indian movement, des Chicano/a movement und anderer Protestbewegungen marginalisierter ethnischer Gruppen, der Studentenbewegung und unterschiedlichster Strömungen der Gegenkultur beobachten. Mit Bourdieu gesprochen fand dadurch eine Aufwertung des sozialen, kulturellen und symbolischen Kapitals von Frauen, nicht-Weißen und nicht-heterosexuellen Personen beziehungsweise eine Reduktion des „Marktwerts“ von Männlichkeit, Heterosexualität und whiteness statt. Eine genauere Betrachtung der finanziellen Auswirkungen dieser politischen Veränderungen macht allerdings deutlich, dass es sich dabei um Teilerfolge handelt. Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen aller beruflichen Schichten trug generell zu stärkerer finanzieller Unabhängigkeit bei. Noch immer existieren aber auch im frühen 21. Jahrhundert signifikante Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen sowie Weißen und Nichtweißen. Angehörige diskriminierter sozialer Gruppen profitierten außerdem in sehr unterschiedlichem Maße von den seit den 1960er Jahren eingeleiteten sozialen und politischen Re-
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formen. In den Führungsebenen der Politik wie großer Wirtschaftsunternehmen sind Weiße Männer jedenfalls nach wie vor eklatant überrepräsentiert. Noch drastischer fällt der Vergleich der Vermögen aus. Hier diagnostiziert Gloria Steinem für die 1980er und 1990er Jahre eine „Maskulinisierung des Reichtums“ (Steinem 1994). Auch die Tatsache, dass ethnische Gruppen wie zum Beispiel Native Americans und African Americans überproportional häufig von Armut betroffen sind, verweist auf den Fortbestand historischer Privilegierungs- und Diskriminierungsmechanismen. Von der Neubewertung solcher Kategorien wie Ethnizität und Geschlecht profitierten insbesondere diejenigen, die über Bildungskapital verfügten beziehungsweise verfügen, also Weiße Frauen der Mittelklasse und Mitglieder marginalisierter ethnischer Gruppen, denen der Wegfall rassistischer Zugangsbarrieren und Programme wie Affirmative Action eine universitäre Ausbildung ermöglichte. Im Zuge des Übergangs von einer auf industrielle Produktion ausgerichteten zu einer Informations- und Dienstleistungsökonomie gewann ihr kulturelles Kapital an Wert, während Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Berufen, die keine spezifische Qualifikation erfordern, seit 1973 kontinuierlich an Einkommen eingebüßt haben (Schor 1992: 80). Wenn die durchschnittlichen Einkommen von Frauen heute näher an die Gehälter von Männern herangerückt sind, so liegt dies nicht unwesentlich an den monetären Einbußen, die ein Teil der männlichen Beschäftigten hinnehmen musste. Mit Verweis auf die erwähnten Lohnverluste eines signifikanten Teils der männlichen Erwerbstätigen kommt Barbara Ehrenreich für die Gegenwart zu dem Schluss, die Position des alleinigen Familienernährers sei ein Privileg besonders wohlhabender Männer geworden. Patriarchale Macht in ihrer klassischen Ausprägung, „… power which is historically exercised within the family by the male as breadwinner, property owner, or armed defender of women and children. […] … the rule of the father, including the rule of older men over younger men and of fathers over daughters, as well as husbands over wives…“ sei für eine immer größere Zahl von Menschen Geschichte (Ehrenreich 1995: 284).3 Dennoch entfaltet das Modell des Familienernährers nach wie vor eine solch normative Wirkung, dass Paare, deren ökonomische Situation andere Strukturen aufweist, viel Zeit und Energie darauf verwenden, diese Tatsache zu verschleiern, zu trivialisieren oder ganz zu verleugnen. In den Fällen, in denen verheiratete Frauen mehr Geld verdienten als ihre Ehemänner (nach Susan Maushart im späten 20. Jahrhundert etwa 25 Prozent), trug dies nicht zu ausge-
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„Macht, die historisch innerhalb der Familie durch den Mann als Familienernährer, Eigentümer von Besitz oder bewaffneten Verteidiger von Kindern ausgeübt wurde. […] … die Herrschaft des Vaters inklusive der Herrschaft älterer Männer über jüngere und von Vätern über Töchter sowie von Ehemännern über Ehefrauen …“ (eigene Übersetzung).
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glicheneren Machtverhältnissen innerhalb der Beziehungen, sondern zu höheren Scheidungsraten bei (Maushart 2002: 193, 197f.). Barnett und Rivers wiesen schon Mitte der 1990er Jahre darauf hin, dass es sich bei dem Konzept des Familienernährers um ein historisches Auslaufmodell handelt: Nur drei Prozent aller U.S.-amerikanischen Familien bestanden ihnen zufolge noch aus einem männlichen Alleinverdiener und einer nicht berufstätigen Hausfrau sowie gegebenenfalls Kindern (Barnett/Rivers 1996: 3). Stefanie Coontz hat darüber hinaus nachgewiesen, dass dieses Mittelklasse-Familienmodell historisch nur selten für eine Mehrzahl der U.S.-amerikanischen Bevölkerung überhaupt erschwinglich war (Coontz 1992). Die ökonomischen Veränderungen trugen ganz wesentlich zur sogenannten „Männlichkeitskrise“ der späten 1980er und 1990er Jahre bei. Ein zentraler Auslöser waren die deutlich zunehmenden sozialen Unterschiede, die unter anderem durch den Börsenboom des späten 20. Jahrhunderts und eine veränderte Steuerpolitik, die insbesondere die Steuersätze für sehr hohe Einkommen senkte, ausgelöst wurden. Angesichts der flächendeckenden medialen Präsenz zu plötzlichem Reichtum gekommener Börsenmakler, Hedge-Fonds-Manager und DotCom-Millionäre nahmen sich die angeblich von der „Krise“ betroffenen Weißen Männer der Mittelklasse als Verlierer wahr und lasteten ihren gefühlten Statusverlust in vielen Fällen dem Feminismus oder dem Streben marginalisierter ethnischer Gruppen nach finanzieller Gleichberechtigung an. Die häufig gravierenden Folgen zunehmender Klassenunterschiede zwischen Weißen Männern blieben dagegen sowohl in der Berichterstattung der Medien als auch in literarischen Darstellungen weitgehend unbeleuchtet und unhinterfragt. Eine aufschlussreiche Reaktion auf diese historischen Entwicklungen stellt etwa Tom Wolfes The Bonfire of the Vanities (1987) dar, den ich im folgenden Teil über literarische Darstellungen von Geld und Geschlecht behandeln werde.
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Weiße Männlichkeit in der Krise
Meine Romaninterpretationen beleuchten die eingangs skizzierten, Geschlecht mit konstituierenden finanziellen, sprachlichen und visuellen Ökonomien insbesondere im Hinblick auf die folgenden Fragen:
Welche Charaktere kontrollieren (wieviel) Geld/finanzielles Kapital? Wer spricht? Welchen Wert beziehungsweise Einfluss haben seine oder ihre Worte? Über welches andere kulturelle Kapital (zum Beispiel Kunst) verfügen die Charaktere?
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Wer ist Herr (Herrin?) des Blicks und besitzt damit visuelles Kapital? Wer sieht wen wie an? Aus wessen Perspektive werden die Ereignisse geschildert? Wie reflektiert die Erzählstimme das Verhältnis von Finanz- zu kulturellem Kapital?
Dabei interessiere ich mich insbesondere für Abweichungen von der Norm, also für Konstellationen, in denen weibliche Charaktere über die oben genannten Ressourcen verfügen und Männlichkeit im Gegenzug nicht unbedingt über ihren Besitz definiert wird. Solche neuen Verhältnisse reflektieren meiner Meinung nach flexiblere Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit als derzeitige hegemoniale Geschlechterdiskurse und können so zum Abbau von Geschlechterhierarchien beitragen. Der Protagonist von The Bonfire of the Vanities, Sherman McCoy, ein erfolgreicher und angesehener Börsenmakler, strukturiert sein Verständnis von Männlichkeit einerseits um die Familienernährerrolle, anderseits um sexualisierten Konsum. Sein sozialer Status beruht unter anderem darauf, dass seine Frau Judy seinen finanziellen Erfolg repräsentiert, etwa indem sie die palastartige Wohnung der Familie regelmäßig neu einrichtet, die dann als Beispiel wegweisender Innenarchitektur in den entsprechenden Magazinen abgebildet wird. Auch seine Tochter dokumentiert mit ihrer Designerkleidung und dem Besuch einer renommierten Privatschule seine Fähigkeit, sehr viel Geld zu verdienen. Andererseits wirkt sich der profitable Umgang mit Millionen und Milliarden auf McCoy unmittelbar körperlich aus, indem er seinen Testosteronspiegel erhöht: „By five o'clock Sherman was soaring on adrenaline. He was part of the pulverizing might of Pierce & Pierce, Masters of the Universe. The audacity of it all was breathtaking. To risk $ 6 billion in one afternoon ... [...] The audacity of it flowed through Sherman's limbs and lymph channels and loins. Pierce & Pierce was the power, and he was wired into the power, and the power hummed and surged in his very innards“ (Wolfe 1987: 71f.).4
Aufgrund der in der Wall Street-Kultur fest verwurzelten Analogie von männlicher finanzieller und sexueller Potenz fühlt er sich angesichts seiner monetären 4
„Um 17 Uhr war Sherman im Adrenalin-Höhenrausch. Er war Teil der pulverisierenden Macht von Pierce und Pierce, Herren des Universums. Die Waghalsigkeit des Ganzen war atemberaubend. An einem einzigen Nachmittag 6 Milliarden Dollar zu riskieren … […] Die Waghalsigkeit floss durch Shermans Glieder und Lymphkanäle und Lenden. Pierce und Pierce war die Macht, und er war in die Macht eingebunden, und die Macht summte und schoss in seinen eigenen Eingeweiden hoch.“ (eigene Übersetzung)
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Gewinne dazu berechtigt, nicht nur die teuersten Luxusgüter, sondern auch die begehrenswertesten Frauen zu konsumieren. Er leistet sich daher eine Affaire mit einer „trophy mistress“, die wesentlich jünger ist als seine Ehefrau. Als seine Geliebte und er auf dem Weg zu einem Rendezvous einen Autounfall verursachen, bei dem ein junger Schwarzer stirbt, verliert McCoy im Zusammenhang mit dem anschließenden Gerichtsprozess nicht nur seinen Arbeitsplatz und einen großen Teil seines Vermögens, sondern auch seinen guten Ruf und seine Familie. Der Text stellt den Verlust von McCoys sozialem Kapital – seiner Stellung als Mitglied einer alteingesessenen New Yorker Familie der oberen Mittelklasse, verschiedener exklusiver Clubs usw. – als Ergebnis einer medialen Kampagne dar, die sein öffentliches Bild vollständig bestimmt. Der Macht dieses dominanten Blicks ausgeliefert und damit seines visuellen Kapitals beraubt, verliert er seine bisherige soziale Identität. Sein finanzieller und sozialer Abstieg spiegelt sich unter anderem in einem neuen Kleidungsstil, in dem Anzüge und Hemden durch Poloshirts und Freizeithosen abgelöst werden, im zunehmenden Gebrauch von Flüchen und gegen Ende des Romans sogar in der Anwendung physischer Gewalt. Dieser Mangel an kulturellem Kapital signalisiert zwar eine neue Form von Männlichkeit. Sie ist aber in der Rhetorik des Textes der hegemonialen Variante, die McCoy früher verkörperte, eindeutig unterlegen. Seine fehlende Selbstbeherrschung und seine Aggressivität signalisieren vielmehr, dass mit seinem gesellschaftlichen Wiederaufstieg kaum mehr zu rechnen ist. McCoys Verhalten reflektiert die Reaktionen vieler im späten 20. Jahrhundert von der „Männlichkeitskrise“ betroffener Weißer U.S.-Amerikaner, die ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein durch die Hinwendung zu Extremsportarten, den Konsum von Filmen wie Fight Club und „Macho-TV- Shows“, Viagra oder andere prosthetische Mittel wieder aufzurichten versuchten (Faludi 1999; Szeman/Giroux 2000/2001). In Wolfes Roman bestätigen die hilflosen Selbstbehauptungsstrategien des Protagonisten allerdings nur die Tiefe seines Falls. Der Verlust an kulturellem Kapital im Fall des Protagonisten kontrastiert auffällig mit seiner demonstrativen Zurschaustellung von Seiten des Erzählers. Zwar legt der Erzähler deutliche Sympathien für McCoy an den Tag, der teilweise als Opfer fehlender weiblicher Loyalität und skrupelloser Machenschaften insbesondere nicht-Weißer Politiker erscheint. Dennoch macht schon die ironisch-abwertende Einführung des Begriffs „Masters of the Universe“, die McCoy auf sich und seine Kollegen anwendet, deutlich, dass auf finanzieller Überlegenheit basierende Allmachtsphantasien nur eine Selbsttäuschung darstellen. Der Text propagiert stattdessen aber nicht etwa eine partnerschaftlichere, auf gerechtere Ressourcenverteilung zielende Form von Männlichkeit. Vielmehr zelebriert er mit seinem expliziten Bezug auf naturalistische Schreibtraditionen (Smith 1991) mit ihrem allwissenden Erzähler McCoys Dominanzstreben auf der
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sprachlichen Ebene. Wie im naturalistischen Roman des späten 19. Jahrhunderts übt der Erzähler eine unbegrenzte Kontrolle über die Charaktere aus. Er profiliert sich damit als „Master of the Universe“, als Herr der fiktionalen Welt (Angelo 1989), der sie auf eine Art und Weise dominiert, von der die Herren der Wall Street in ihrem Einflussbereich nur träumen können. Auch sprachlich identifiziert sich der Erzähler mit den Reichen und Mächtigen, indem er die Äußerungen aller Charaktere mit niedrigerem sozialen Status als von der Norm abweichend repräsentiert. Und während McCoy am Ende des Romans kaum noch über finanzielle, soziale oder kulturelle Ressourcen verfügt, zeugen der schiere Umfang des Romans und der nie versiegende Diskurs des Erzählers mit seinem Wortreichtum davon, dass von Liquiditätsengpässen bei ihm keine Rede sein kann. Während The Bonfire of the Vanities eine auf Finanzkapital basierende Form hegemonialer Männlichkeit dekonstruiert oder zumindest hinterfragt, demgegenüber aber kulturelles Kapital als geeignetes Mittel Weißer männlicher Dominanz darstellt, meldet Don DeLillos Cosmopolis (2003) in Bezug auf beide Währungen Zweifel an. Wie Wolfes Roman signalisiert der Text eine Faszination vieler Autoren des späten 20. Jahrhunderts mit der Figur des Wall StreetFinanciers, der als Inkarnation hegemonialer Männlichkeit erscheint. Eric Packer, der Protagonist, entspricht dem Klischee bis ins Detail. Als junger, Weißer, sagenhaft reicher CEO eines nach ihm benannten Investment-Fonds bewegt er sich in seiner Stretchlimousine durch Manhattan, während er Finanztransaktionen durchführt und am laufenden Band weibliche Körper, in der Regel die seiner Angestellten, konsumiert. Seiner finanziellen Macht entspricht eine Position, aus der er alles sieht, also nahezu unbeschränktes visuelles Kapital. Sein Auto ist mit einer Reihe von Monitoren ausgestattet, die es ihm erlauben, die internationalen Finanzmärkte, seine unmittelbare Umgebung und seinen eigenen Körper gleichzeitig zu überwachen, während er selbst hinter den getönten Scheiben der Limousine für andere unsichtbar bleibt. Wiederholt macht der Text deutlich, dass er den Großteil seiner Mitmenschen seiner visuellen Aufmerksamkeit nicht für wert hält. Seine rein instrumentelle Sicht Anderer, seine emotionale Kälte und seine Egozentrik äußern sich am deutlichsten in der absichtlichen Vernichtung des Vermögens seiner Frau und dem Mord an seinem Leibwächter, den er grundlos erschießt. Jerry A. Varsava (2005) beschreibt ihn als exemplarischen Vertreter eines „rogue capitalism [...] that seeks special advantage and unfair profit […] through the covert undermining of contracts and, implicitly, of the norms upon which they are based“ – eines „Schurkenkapitalismus, der sich spezielle Vorteile und unfaire Profite durch die verdeckte Unterminierung von Verträgen und implizit der Normen, auf denen sie basieren, zu verschaffen versucht“ (Varsava 2005: 79, eigene Übersetzung).
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Kulturelles Kapital dient Packer in erster Linie zur Machtausübung beziehungsweise zur Dokumentation seines sozialen Status. Neben dem Finanzmarkt interessiert er sich vor allem für aktuelle technologische Entwicklungen. „Technology is Packer's means to hegemony“, „Technologie ist Packers Mittel, um Hegemonie zu erreichen“, schreibt Varsava. „[H]e is nearly a cyborg in his integration of high technology with his daily life“, „durch die Integration fortgeschrittener Technologie in sein alltägliches Leben ist er fast ein Cyborg“ (Varsava 2005: 88), allerdings weit entfernt von Donna Haraways optimistischerer Formulierung des Konzepts. Sein Wissen reproduziert er häufig in Form von Wörterbucheinträgen ähnlichen Definitionen, die es ihm erlauben, die jeweilige Situation zu beherrschen. Zeitgenössische Kunst erwirbt er vor allem, um die begehrtesten Werke zu besitzen und Andere von ihrem Genuss auszuschließen. Während sein Vermögen auf einer speziellen Form von kulturellem Kapital beruht – der Fähigkeit, die Bewegungen internationaler Währungen richtig zu interpretieren -, führt seine unvollständige Beherrschung dieser Diskurse letztlich zu seinem finanziellen Ruin. Seine Unfähigkeit, „den Yen zu lesen,“ sein Beharren auf seiner eigenen Sichtweise angesichts ihr widersprechender Informationen resultiert in Fehlinvestitionen und dem Verlust seines Vermögens. Der Roman führt damit Packers Scheitern nicht, wie The Bonfire of the Vanities, auf externe Einflüsse zurück, sondern stellt sie als intrinsisch dar. Während Packers Hybris, sein Glaube an seine eigene Unfehlbarkeit, mit McCoys hypertrophiertem Selbstbewusstsein vergleichbar ist, trägt er für seinen Fall ausschließlich selbst die Verantwortung. Seine finanziellen Verluste gehen im Laufe des Tages, den der Text repräsentiert, mit zunehmend selbstzerstörerischem Verhalten einher. Dieses kulminiert in seiner Entscheidung, die Wohnung zu betreten, von der aus auf ihn geschossen wurde, und seiner Selbstverstümmelung durch einen Schuss in seine linke Hand. Kurz vor seinem Tod sieht er in seinem Leben keinen Sinn mehr: „Maybe he didn't want that life after all… […] He understood what was missing, the predatory impulse, the sense of large excitation that drove him through his days, the sheer and reeling need to be“ (DeLillo 2003: 209).5 Eine auf finanzieller, visueller und sexueller Dominanz beruhende Form von Männlichkeit wird in Cosmopolis durch dieses Verdikt wesentlich gründlicher diskreditiert als in Wolfes Roman: Es ist hier der Investmentbanker selbst, der sein Scheitern konstatiert. Im Gegensatz zu The Bonfire of the Vanities suggeriert der Text auch nicht ohne Weiteres, dass literarische Sprache als Mittel zur Aufrechterhaltung männlicher Vorherrschaft die Währung der Wahl sei. Einerseits betrachtet der Erzäh5
„Vielleicht wollte er dieses Leben doch nicht mehr …[…] Er verstand, was fehlte, der RaubtierImpuls, das Gefühl großen Aufgeregtseins, das ihn durch seine Tage trieb, das schiere und schwindelerregende Bedürfnis, zu sein.“ (eigene Übersetzung)
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ler den Protagonisten mit demselben kühl-kontrollierenden Blick, den dieser selbst auf andere Leute richtet. Selbst Passagen erlebter Rede, die traditionell besondere Empathie zwischen Erzähler beziehungsweise Erzählerin und fiktionalem Charakter signalisieren, zeichnen sich in DeLillos Roman durch große Distanz zwischen den beiden Instanzen aus und dienen in erster Linie der Demaskierung des Protagonisten. Auch die Tatsache, dass der Text bereits im ersten Teil den Tod Packers vorausnimmt, unterstreicht die Überlegenheit des Erzählers über den Protagonisten. Diese allwissende Erzählinstanz kontrastiert aber merklich mit der Figur des Schriftstellers im Text, Sheets, einem Ex-Angestellten Packers, der zu seinem Mörder wird. Ein ehemaliger College-Professor und wie Packer Spezialist für Währungen, sieht sich Sheets nach seiner Entlassung nicht mehr in der Lage, die Rolle des Familienernährers auszufüllen. Er kommt zu dem Schluss, sein eigenes Weiterleben erfordere den Tod seines früheren Arbeitgebers. Sein auf 10 000 Seiten angelegtes Opus „The Confessions of Benno Levin“, ein unter Pseudonym verfasster Text über den Mord, stellt ein ähnlich ambitioniertes Projekt wie Wolfes Roman dar und würde in gewisser Weise die Überlegenheit kulturellen Kapitals über finanzielle Ressourcen demonstrieren. Aber obwohl Sheets insofern triumphiert, als er den entscheidenden Fehler in Packers Lesart des Yen diagnostiziert und sich somit als besserer Analyst von Währungsentwicklungen erweist, scheitert er als Schriftsteller. Nachdem er feststellen muss, dass er nicht wirklich zu Papier bringen kann, was in ihm während des „schrecklichen Moments“ vorging, als er Packer erschoss, resümiert er resigniert: „So what is left that's worth the telling?“ (DeLillo 2003: 61) – „Was bleibt also übrig, das sich zu erzählen lohnt?“ Dieser metatextuelle Kommentar zu den Grenzen literarischer Sprache steht in einem gewissen Gegensatz zu einer Erzähltechnik, die bis zum Schluss auf Spannungserzeugung abzielt und in der letzten Äußerung des Textes zwei unterschiedliche Realitätsebenen vereint. Während Packers Uhr ihm schon das Bild seiner Leiche gezeigt hat, ist er in diesem Moment innerhalb des fiktionalen Universums noch am Leben: „This is not the end. He is dead inside the crystal of his watch but still alive in original space, waiting for the shot to sound“ (DeLillo 2003: 209).6 Diese Passage demonstriert einerseits die Fähigkeit von Sprache, im Gegensatz zu Geld gleichzeitig verschiedene, sogar widersprüchliche Bedeutungen zu transportieren. Sie ist aber chronologisch vor Sheets' Desillusionierung in Bezug auf die Möglichkeiten literarischer Diskurse angesiedelt. Selbst wenn das symbolische System der Sprache mehr Ausdrucksmöglichkeiten bietet als mone6
„Dies ist nicht das Ende. Auf dem Kristall seiner Uhr ist er tot, aber im ursprünglichen Raum lebt er noch und wartet auf das Geräusch des Schusses.“ (eigene Übersetzung)
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täre Diskurse, scheint seine Effizienz als Mittel männlicher Selbstvergewisserung zumindest sehr fraglich. Sowohl in The Bonfire of the Vanities als auch in Cosmopolis bleiben weibliche Charaktere marginal; auch die zahlreichen Geschäftsfrauen in DeLillos Roman fungieren als Sexobjekte des Protagonisten und sind von ihm finanziell abhängig. Nur seine Ehefrau Elise Schifrin, die ein Vermögen geerbt hat und als Dichterin über kulturelles Kapital verfügt, scheint ihm annähernd gewachsen und entzieht sich wiederholt seinem possessiven Blick. Sie entspricht aber in so vieler Hinsicht dem Stereotyp der Tochter aus reichem Hause – unter anderem durch ihre Frivolität und ihre Naivität in Geldangelegenheiten –, dass sie kaum als Modell einer konstruktiven Konstellation von Geld und Weiblichkeit taugt. Deutlich anders stellt sich die Situation in Paul Beattys Tuff (2000) dar. Zwar ist auch hier die Romanhandlung um einen männlichen Protagonisten herum strukturiert, weibliche Charaktere spielen aber eine entscheidende Rolle und gehen auch mit finanziellen Ressourcen eher souveräner um als ihre männlichen Gegenüber. Der Roman thematisiert unter anderem die Schwierigkeiten junger nicht-Weißer Männer, in einer Ghettoökonomie wie der East Harlems ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen. Ohne realistische Berufsperspektiven schmieden der Protagonist Winston Foshay und seine multiethnische Truppe fortwährend mehr oder weniger phantastische Pläne, „major dollars“ zu machen, wobei ihnen das Magazin Black Enterprise nur bedingt weiterhilft. Winston, der sich bisher überwiegend mit Kleinkriminalität mehr schlecht als recht über Wasser gehalten hat, kommt zu Beginn der Handlung nach einer Schießerei im Drogenmilieu, die er nur wegen eines Ohnmachtsanfalls überlebt hat, wieder zu sich. In der Folge distanziert er sich zwar nicht explizit von den „get rich quick“-Strategien seiner Freunde, die in der Regel die eine oder andere gesetzwidrige Handlung beinhalten, aber seine Entwicklung nimmt eine neue Richtung, als er beschließt, für den Stadtrat zu kandidieren. Sein Wahlkampf wird durch seine Ersatz-Mutter und Mentorin Ines Nomura, eine U.S.-Amerikanerin japanischer Abstammung, finanziert. Die 15.000 Dollar, die sie in ihn investiert, sind teils Kompensation für ihre Internierung im Zweiten Weltkrieg, teils Schweigegeld eines Kongressabgeordneten, dessen kommunistische Vergangenheit sie kennt.7 Durch seine überraschende Liquidität beflügelt, die ihm auch den Respekt Weißer Geschäftsleute einbringt, mobilisiert Winston im Wahlkampf sein soziales Kapital, die Tatsache, dass er im Viertel fast jeden kennt, in dem Versuch, eine transkulturelle Koalition der Bewohner und Bewoh7
Während des zweiten Weltkriegs wurde ein großer Teil der japanisch-amerikanischen Bevölkerung von der U.S.-amerikanischen Regierung in Internierungslager umgesiedelt, wodurch viele einen Großteil ihres Eigentums verloren. 1988 entschuldigte sich der U.S.-amerikanische Kongress für diese Maßnahme, und Überlebenden wurde eine finanzielle Kompensation zugestanden.
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nerinnen East Harlems zustande zu bringen. Seine politischen Anstrengungen reflektieren so den Charakater des Geschenks über ethnische, Generationen- und Geschlechtergrenzen hinweg. Die Tatsache, dass der Protagonist die Wahl gegen den geschniegelten Amtsinhaber nur knapp verliert, wird von Mrs. Nomura am Ende des Textes als wichtiger Erfolg gewertet. Obwohl Winston viele seiner moralisch zweifelhaften Gewohnheiten (zum Beispiel den Konsum von Pornographie und Alkohol sowie gelegentliche Gewaltanwendung) beibehält, ändert er sich durch den Wahlkampf in signifikanter Weise, indem er neues soziales und kulturelles Kapital erwirbt. Dies wird gegen Ende des Romans besonders sichtbar, als er seine Freunde nach einem fehlgeschlagenen Banküberfall rettet. Durch die Mobilisierung seines symbolischen Kapitals als Kandidat für den Stadtrat gelingt es ihm, den Zwischenfall ohne großes Aufsehen und vor allem ohne Beteiligung der Polizei zu beenden, auch wenn sich seine Freunde eine dramatischere, filmreifere Intervention gewünscht hätten.Winstons persönlicher Erfolg besteht weniger in der Kontrolle über finanzielle Ressourcen (Mrs. Nomuras Geld ist am Ende der Kampagne zum größten Teil aufgebraucht), sondern in seinem erweiterten Horizont und seinem Interesse an politischen Fragen über sein eigenes Interesse und das seines inneren Zirkels hinaus. Am Ende des Textes ist es der Akt des Wählens, die Teilnahme an politischen Willensbildungsprozessen statt das Gewähltwerden, das seine Bildung bezeugt. Tuff revidiert hegemoniale Männlichkeitsbilder auch auf einer zweiten Ebene. Der Protagonist teilt sich die Versorgung und Erziehung seines Sohns mit seiner Frau Yolanda auf ausgesprochen partnerschaftliche Weise, ohne dabei die Familienernährerrolle auszufüllen oder auch nur anzustreben. Mit ihrer CollegeAusbildung und einem Sinn für Geschäftliches, der seinem überlegen ist, ist seiner Meinung nach Yolanda für diese Aufgabe prädestiniert: „That's why you going to college. You the one who going to be making the money in this family“ (Beatty 2000: 256).8 Dieser Logik folgend investiert er einen größeren Teil seines Wahlkampf-Fonds in ihre Studiengebühren. Nicht nur in Bezug auf seinen Protagonisten ruft der Roman eine Reihe ethnischer Stereotypen auf, um sie zumindest teilweise zu dekonstruieren. So erweist sich zum Beispiel Fariq, Winstons bester Freund, zumindest in der Theorie als Spezialist für Portfolio-Management, dessen Anlageempfehlungen für seine Kollegen der eines Finanzberaters in nichts nachstehen (Beatty 2002: 9). Indem er die Charaktere weitgehend selbst zu Wort kommen lässt und ihnen einen hohen Grad an Autonomie zugesteht, dokumentiert Beattys Roman ihren Besitz 8
„Deswegen gehst Du aufs College. Du bist die, die in dieser Familie das Geld machen wird.“ (eigene Übersetzung)
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kulturellen Kapitals und die poetischen Ressourcen des Black English Vernacular, des Schwarzen Ethnolekts, den sie benutzen. Der Erzähler selbst wechselt zwischen zwei Registern: einem deskriptiven, ins (un)absichtlich Komische gleitenden Stil, der dem des Protagonisten gleicht, und der zweistimmigen Form des Signifyings (Gates 1988). In dieser spezifisch afrikanisch-amerikanischen Sprachform transportiert dieselbe Äußerung für Nicht-Mitglieder der Gruppe (zum Beispiel Weiße) eine andere Bedeutung als für Insider, wobei die zweite die erste in der Regel kritisch kommentiert.9 Die dem Signifying eigene Ironie richtet sich dabei in Beattys Roman weniger gegen Winston und seine finanziell wenig erfolgreichen Freunde als vielmehr gegen Weiße Leser beziehungsweise Leserinnen. Der Erzähler zündet ein wahres verbales Feuerwerk, das wie die Äußerungen der Charaktere die metaphorischen, metonymischen, rhythmischen, tonalen, kommunikativen und expressiven Qualitäten des Black English Vernacular demonstriert. Wie Handlung und Charakterisierung dient diese sprachliche Virtuosität vor allem einem Ziel: der Kritik an einer hegemonialen Sicht, die blackness als negatives soziales Kapital verbucht. Während The Bonfire of the Vanities und Cosmopolis in der Logik hegemonialer Männlichkeit, deren Krise sie diagnostizieren, weitgehend gefangen bleiben, offeriert Tuff darüber hinaus zumindest Ansätze für ihre konstruktive Revision.
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Ähnlich wie Beattys Roman zielt Alice Walkers The Color Purple (1982) auf eine doppelte Neubewertung kulturellen und sozialen Kapitals: eine höhere Wertschätzung weiblicher Kreativität und einen umfassenden Abbau männlicher, heterosexueller und Weißer Privilegien sowie eine Rekonstruktion der Institutionen, die sie reproduzieren, wie die patriarchale Kleinfamilie und die christliche Religion. Der Text setzt an einem Punkt ein, an dem die Protagonistin Celie bar jeglicher Ressourcen scheint: Mit 13 Jahren von dem Mann vergewaltigt, den sie für ihren Vater hält, verliert sie bald darauf ihre Mutter. Ihrer Kinder, weiterer Schulbildung und der Unterstützung durch ihre Schwester Nettie beraubt, wird sie schließlich mit einem deutlich älteren Mann verheiratet, der sie in erster Linie als billige Arbeitskraft betrachtet.
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Wenn etwa eine Schwarze Bedienstete auf die Frage ihrer Arbeitgeberin: „Und wie können Sie es sich bei einem wöchentlichen Lohn von 18 Dollar leisten, solche schicken Sachen zu tragen?“ antwortet: „Mit 20 ginge das natürlich noch besser“, dann beanstandet sie damit indirekt ihre schlechte Bezahlung.
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Ihre erstaunliche Entwicklung zu einer erfolgreichen Künstlerin und Unternehmerin am Ende des Romans wird in erster Linie durch die Solidarität anderer Frauen ermöglicht. Von zentraler Bedeutung ist ihre Liebesbeziehung zu Shug Avery, der (Ex-)Geliebten ihres Mannes. Celies Selbstwahrnehmung als aktives sexuelles Subjekt, das sein Begehren durch das Anschauen der Partnerin ausdrückt und sich durch ihren Blick in seinem Wert bestätigt findet, trägt wesentlich zu ihrem wachsenden Selbstbewusstsein bei. Diese Revision patriarchaler Ökonomien des Blicks geht mit Celies zunehmender sprachlicher und textiler Kreativität, d.h. dem Erwerb kulturellen Kapitals einher. Die Protagonistin nutzt ihre in der gemeinsamen Arbeit an Quilts entwickelten Kenntnisse textilen Designs, um jeweils auf den individuellen Träger beziehungsweise die Trägerin abgestimmte Hosen zu entwerfen. Sie ist damit so erfolgreich, dass sie sich mit einem eigenen Unternehmen selbständig machen kann und zum Schluss zwei Näherinnen und mindestens zwei Verkäufer beziehungsweise Verkäuferinnen beschäftigt. Noch deutlicher als in der Originalität ihrer „Folkspants“ (etwa: „Hosen für alle“), deren Unisex-Charakter einen Beitrag zum Abbau von Geschlechterdichotomien leistet, wird Celies künstlerischer und emotionaler Reifeprozess in ihren Briefen an ihre Schwester Nettie. Das Black English Vernacular, das zunächst vor allem ihren Mangel an Bildung signalisierte, entfaltet zunehmend seine literarischen Qualitäten. Seine originelle Bildlichkeit, seine Rhythmik und sein Witz bezeugen Celies außergewöhnliches Talent. Der Text kreiert sogar mit einer Form, die ich als „freie direkte Rede“ bezeichnen würde, ein neues erzählerisches Stilmittel, eine spezifische Form von kulturellem Kapital, das gegenüber der erlebten Rede, der es ähnelt, den Eindruck größerer Unmittelbarkeit erzeugt (Boesenberg 1999). Indem dieses Register den Wechsel zwischen verschiedenen Zeitebenen und fiktionalen Charakteren erleichtert, verstärkt es die dialogische Qualität von Celies Sprache, die sich auch in ihrem Gebrauch der ersten Person Plural äußert. Die Form des Briefs, einer weiblich codierten Gattung, die auf den Austausch mit einer anderen, häufig nahe stehenden Person zielt, repräsentiert diese dialogische Orientierung auf einer zweiten formalen Ebene. Der Text geht in seiner Rekonstruktion hegemonialer Geschlechterökonomien noch weiter. Am Ende des Romans besitzt die Protagonistin so gut wie alles: Geld, Liebe, künstlerischen Erfolg, Kinder, ein eigenes Haus, Freunde und Freundinnen – also finanzielles, sexuelles, kulturelles und soziales Kapital. Die patriarchale Kleinfamilie wird durch eine um die Schwestern herum konstruierte Großfamilie abgelöst, Zwangsheterosexualität verschwindet zugunsten lesbischer Liebe, die den „Besitz“ einer anderen Person kategorisch ablehnt, und christliche Religiosität wird durch eine Art Animismus ersetzt, der das Göttliche
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in allen Lebewesen lokalisiert. Beziehungen zwischen den Geschlechtern zeichnen sich durch partnerschaftliche statt Dominanzstrukturen aus. Das Problem dieses Happy Ends besteht nicht nur in seinen Anleihen beim Märchen und den wenig plausiblen Umständen, die die Protagonistin zum Schluss wieder mit ihrer Schwester und ihren Kindern vereint. Celies finanzielle Karriere droht auch, zumindest bestimmte Hierarchien in die sonst demonstrativ egalitären Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Großfamilie wieder einzuführen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Sophia, Celies kämpferischer Schwiegertochter, die sich ihr Leben lang massiv gegen rassistische und sexistische Unterdrückung zur Wehr gesetzt hat. Celie stellt sie als Verkäuferin in ihrem Textilgeschäft ein, wo sie unter der Aufsicht eines Weißen Mannes mit einer Parodie ihres früheren unbestechlichen Verhaltens Kunden und Kundinnen äußerst erfolgreich zum Kauf der Waren animiert. Analog zu Celies ökonomischer Machtausübung subsumiert sie in ihrem letzten Brief alle anderen Stimmen unter dem Pronomen „us“, in dessen Namen sie für alle spricht. Sie unterminiert damit genau die vitale Dialogizität, die das Markenzeichen ihrer künstlerischen Produktion war. Trotz dieses in mancher Hinsicht unbefriedigenden Endes repräsentiert der Roman ein außerordentlich umfassendes Verständnis von Geschlechterhierarchien. Mit seiner detaillierten Analyse des Nexus’ finanzieller, visueller, sprachlicher und sexueller Ökonomien bei der Konstruktion von Geschlecht bietet er ein ganzes Spektrum von Ansätzen für weniger hierarchische Szenarien von Geld und Geschlecht. Wie Celie ist auch Monica Szabo, die Protagonistin in Mary Gordons Spending (1998), am Ende des Romans rundherum erfolgreich. Wie in Tuff katalysiert in Gordons Text eine Ökonomie der Gabe den Erwerb kulturellen und sozialen, aber hier auch finanziellen Kapitals. Indem der reiche Warenterminhändler B sich der Malerin als Muse offeriert, ein Privileg, das traditionell nur männlichen Künstlern durch weibliche Musen zukommt, bietet er ihr Chancengleichheit in Bezug auf ihre Kollegen, die sie umgehend und mit großem Erfolg nutzt. Aufgrund seiner finanziellen Macht dominiert B allerdings zu Anfang eindeutig in ihrer Beziehung, die durch die Verquickung von Geld und Sexualität kompliziert wird. Finanzielle Unterstützung durch ihren Liebhaber rückt Szabos Position in die Nähe der Prostitution, ein Problem, das die Beziehungen vieler Frauen zu Geld psychologisch belastet (Königswieser et al. 1990). Die Situation ändert sich merklich, als B beginnt, der Malerin für eine Serie von Bildern Modell zu stehen, was patriarchale visuelle Ökonomien quasi auf den Kopf stellt. Obwohl er begeistert davon ist, Teil eines künstlerischen Projekts zu sein, fühlt er sich durch ihren professionellen Blick seiner Individualität beraubt und objektifiziert. Die Grundidee der „SPENT MEN, AFTER THE MASTERS“, „ERSCHÖPFTE
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MÄNNER, NACH DEN MEISTERN“ genannten Serie, a „series of paintings of postorgasmic men based on the great Italian Renaissance portraits of dead Christs“, „einer Serie von Gemälden postorgasmischer Männer, basierend auf den großen Renaissance-Portraits toter Christusse“ (Gordon 1998: 55), macht die Sache nicht unbedingt leichter. Szabos Sicht auf den Körper ihres Liebhabers oder männliche Sexualität im allgemeinen ist aber mitnichten eine abschätzige. Vielmehr ist B für sie auch und gerade in einem Zustand erotisch, in dem er ihr nichts geben kann. Sie entkoppelt damit die Idee männlicher Attraktivität von ihrer Identifikation mit finanzieller und sexueller Liquidität, mit Dominanz und Dynamik (vgl. Burstyn 1999; Dijkstra 1996). Die Kombination mit den Christusfiguren der Renaissance verweist darüber hinaus auf eine Variante von Männlichkeit, deren Merkmal das selbstlose Opfer ist. Dieses „neue Bild vom Mann“ trägt Szabo großen finanziellen Erfolg sowie den Respekt der Kunstkritiker und –kritikerinnen, das heißt zusätzliches kulturelles Kapital ein ein. Als B aufgrund von Fehlspekulationen auf dem Kakaomarkt bankrott geht, bietet sie ihm eine Million Dollar an, damit er sich an der Wall Street wieder etablieren kann. Dieser zweite Teil des Geschenkezyklus stellt sich aber noch komplizierter dar als der erste. Während Bs Finanztransfers Szabos Respektabilität zu kompromittieren drohen, stellt ihr Gegengeschenk in der Logik hegemonialer Geschlechterdiskurse seine Männlichkeit grundsätzlich in Frage. Wie Jerry, Bs machomäßiger Händlerfreund, ausführt, kann es sich ein Mann nicht leisten, Geld von einer Frau anzunehmen – erst recht nicht, wenn sie seine Geliebte ist. B kann sich erst dazu durchringen, das Geschenk anzunehmen, nachdem er es als Herausforderung definiert hat, die es feige, also unmännlich wäre abzulehnen. Der in der ersten Person erzählte Text kommentiert das komplexe Verhältnis von Kunst, Sex und Geld – kulturellem, sexuellem und finanziellem Kapital – durchgängig auf eine offene, persönliche Weise. Gerade zu Anfang schildert die Erzählerin sehr detailliert und nicht ohne Ambivalenz die Veränderungen, die ihre finanzielle Prosperität mit sich bringt. Die Erzähltechnik, die mit der Verwendung der ersten Person die Autorität der Erzählerin unterstreicht, reproduziert eine Ökonomie der Gabe auch auf der sprachlichen Ebene. Sie suggeriert einen mündlichen Dialog mit einer als weiblich markierten Adressatin, dessen Intimität einen geeigneten Rahmen für die Diskussion komplexer persönlicher Fragen bietet. Im Verlauf der Erzählung wird Szabos Reichtum zusehends naturalisiert, und Vergleiche mit weniger privilegierten Menschen wie ihrer Putzfrau oder ein gewisses Unbehagen angesichts des Kontrasts zwischen dem eigenen finanziellen Überfluss und der relativen Armut anderer verschwinden. Selbst Wall Street,
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die zu Beginn von Szabo als Hort ausbeuterischer Praktiken wahrgenommen wird, wird dadurch rehabilitiert, dass sich B auf dem Börsenparkett am lebendigsten fühlt. Wie schon in The Color Purple maskiert das Happy End des explizit als utopisch gekennzeichneten Romans einige nicht unwesentliche Probleme, die auch hier wieder Hierarchien zwischen Frauen betreffen. Szabos phänomenaler künstlerischer und finanzieller Aufstieg ist nur möglich, weil sie die klassische „Frauenarbeit“ – Hausarbeit – delegiert, und dies nicht an B. Zwar tauchen Bedienstete nur selten als Charaktere im Text auf, aufgrund der Arbeitsmarkthierarchien in den USA ist aber zu vermuten, dass es sich um nicht-Weiße, schlecht bezahlte weibliche Angestellte handelt. Eine Geschichte weiblichen Erfolgs, der auf der Ausbeutung weniger privilegierter Frauen beruht, kann aber kaum als wegweisendes Modell weiblicher ökonomischer Emanzipation dienen. Dennoch revidiert der Roman hegemoniale Geschlechterstereotypen auf vielfache Weise. Er unterläuft die Dichotomie von Mutterschaft und beruflicher Karriere, die Frauen im Geschäftsleben nach wie vor deutlich behindert (Hewlett 2002), und portraitiert die Protagonistin als gleichzeitig begehrenswert und finanziell erfolgreich – auch das eine Innovation. Vielleicht am interessantesten ist aber seine Erhellung des Nexus von finanziellen, visuellen und sexuellen Ökonomien durch Szabos Kunst und ihren Entstehungszusammenhang. Insbesondere mit seiner Rekonfiguration von Männlichkeit eröffnet Spending originelle Perspektiven für die Entwicklung weniger hierarchischer Geschlechterökonomien. Mit seiner Gegenüberstellung von Geld und Land führt der Roman The Bingo Palace (1994) der indianischen Autorin Louise Erdrich einen neuen Aspekt in die Darstellung von Geld und Geschlecht ein. Gleichzeitig schließt sie damit an eine lange Tradition ökonomischer Debatten in den USA an, die bis zum Republikanismus Thomas Jeffersons und den Frühzeiten der Republik zurückreicht.10 Der eine Hauptstrang der Handlung, der um die Frage kreist, ob die Chippewa auf Stammesland ein neues Kasino, den im Titel erwähnten „Bingo Palace“ bauen sollen, thematisiert den relativen Wert von Geld vis-à-vis Land, das dezidiert nicht als Ware, sondern als gleichzeitig physische und spirituelle Ressource verstanden wird. Während die ‚modernen’ Chippewa finanzielles Kapital – die Möglichkeit, durch das Kasino Geld zu verdienen – für wichtiger halten, betonen die traditionelleren Mitglieder der indianischen Nation, wie zent10
Jefferson stellte sich eine ideale Republik aus Farmern bestehend vor, die es sich aufgrund ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit leisten konnten, das Wohl der Nation als Ganzes im Auge zu haben. In seinem Verständnis brachte nur das Land in Verbindung mit dem Mann, der es kultivierte, wirklich Produkte hervor. Handel und Industrie waren in dieser Wertphilosophie sekundär, wenn nicht sogar parasitär. Im besten Falle verwalteten sie den Reichtum, den der Farmer und sein Land gemeinsam produzierten. Nur das Land, nicht Geld, besaß in diesem Modell einen intrinsischen Wert.
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ral das ursprüngliche, unverbaute Land für ihre Kultur ist, und lehnen daher die Baupläne ab. Für sie stellt die Erde ihrer historischen Siedlungsgebiete eine Art mütterlicher Präsenz dar, die die Chippewa sowohl materiell als auch psychologisch trägt und erhält. Der prominenteste Vertreter des Kasino-Projekts, Lyman Lamartine, „an island of have in a sea of have-nots“, „eine Insel des Habens in einem Meer von Habenichtsen“ (Erdrich 1994: 16), hat die materielle Variante des American Dream zu seinem Lebensinhalt gemacht. Seine emotionalen Investitionen in die Idee sozialen Aufstiegs führen dazu, dass er sein finanzielles Eigeninteresse und das Wohl der Chippewa nicht mehr auseinanderhalten kann. Seine Korruption durch die hegemoniale Weiße Kultur wird in seiner Spielsucht besonders deutlich. Er verliert nicht nur sein eigenes Vermögen, sondern auch Stammesgelder in signifikanter Höhe und versetzt sogar eine Friedenspfeife mit einer langen Geschichte in der Hoffnung, mit dem Geld beim Roulette seine Verluste wieder wettzumachen. Seine wichtigste Gegenspielerin, die halb-mythische Fleur Pillager, zeichnet sich durch ein ganz anders gelagertes Verhältnis zu Besitz aus. Sie benimmt sich, „...as though she owned everything and nothing: sky, earth, those who crossed her path, road, and Pillager land“, „als ob sie alles und nichts besäße: den Himmel, die Erde, die, die ihr über den Weg liefen, die Straße, und das Land der Pillagers“ (Erdrich 1994: 140). Wie schon viele Generationen ihrer Vorfahren bewohnt sie das Land, das Lyman „entwickeln“ möchte. Angeblich im Besitz übernatürlicher Kräfte, kann sich Fleur nach Meinung der Stammesmitglieder in einen Bären verwandeln – im Börsendiskurs ein aussagekräftiges Symbol. „Bear markets“, „Bärenmärkte“, sind durch fallende Börsenkurse gekennzeichnet. Fleur repräsentiert damit die Unbeständigkeit spekulativer Gewinne und des Geldes im Allgemeinen – so schnell es an der Börse verdient wurde, kann es durch Kursstürze auch wieder verschwinden. Der Text unterstreicht diese Botschaft mit der Wahl eines Spielkasinos als zentralem Einkommen generierenden Projekt. Er verweist damit auf den „Casino-Kapitalismus“ des späten 20. Jahrhunderts (Strange 1992), dessen letztlich auf Wetten beruhenden spektakulären Profite sich schnell in Luft auflösen können, wie derzeit wieder gut zu beobachten ist. Der zweite Handlungsstrang des Romans greift die Dichotomie von finanziellem versus kulturellem Kapital und traditionellen Landrechten im Rahmen einer Dreiecksbeziehung wieder auf. Die junge Shawnee Ray Toose, die sowohl von Lyman, mit dem sie einen gemeinsamen Sohn hat, als auch von seinem Neffen Lipsha umworben wird, versucht in ihrer eigenen Praxis finanziellen Erfolg und traditionelles kulturelles Kapital der Chippewa miteinander zu verbinden. Sie studiert einerseits Betriebswirtschaft und strebt eine Karriere als Geschäftsfrau an. Sie finanziert diese Ausbildung aber zumindest teilweise durch
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ihre Beherrschung traditioneller Chippewa-Tänze, mit der sie bei Powwows, traditionellen Festen mit Tanzwettbewerben, Geldpreise gewinnt. Dem gleichen Ziel dient ihre Produktion von „Mode mit Chippewa-Flair“, durch die sie ihren Lebensunterhalt bestreitet. Sie entscheidet sich letztlich gegen den wirtschaftlich erfolgreichen Lyman, an dessen Seite sie ein Leben als „Trophy Wife“ führen würde, wie Lipsha argumentiert: „You're a perfect accessory to his future. You go with his life, his success, all those ramifications. You'd make a great Senator's wife. Just don't bother doing anything else“ (111).11 Es ist nicht nur Lipshas Charme und die Überlegung, dass sie als seine Partnerin „ihre eigene Frau“ wäre, die zu ihrer Entscheidung führt. Vielmehr entwickelt Lipsha, der zunächst auch der Faszination des schnellen Bingo-Geldes erlegen war, im Lauf der Handlung seine fürsorgerischen Fähigkeiten und sein kulturelles Kapital als traditioneller Heiler weiter. Seine Einsicht, dass Stammesland und traditionelle Chippewa-Kultur wertvoller sind als finanzielle Ressourcen, wird durch eine Visionssuche befördert, durch die junge Chippewa traditionell versuchen, besondere Erkenntnisse zu erlangen. Dieses Wissen wird ihnen im Idealfall durch eine Vision, in der ihnen häufig das Wappentier ihres Clans erscheint, zuteil. Lipsha begegnet ein Stinktier, sogar „the mother of all skunks“, „der Mutter aller Stinktiere“. Sie weist ihn mit den Worten „this ain't real estate“ – „das ist keine Immobilie“ – noch einmal auf den Wert des Landes hin – es ist für die Chippewa im Gegensatz zur U.S.amerikanischen Mehrheitsgesellschaft keine Ware, die den Menschen gehört und verkauft werden kann. Ihr Wert ist mit einem Preis, also im Diskurs des Geldes, nicht adäquat auszudrücken. Zum Abschied besprüht das Stinktier Lipsha mit seinem Parfum und antwortet damit symbolisch auf die bisher auch von Lipsha vertretene Meinung, dass Geld nicht stinke. Der Protagonist erfährt damit am eigenen Leib, dass seine bisherige Jagd nach finanziellem Kapital aus Sicht traditioneller Chippewa-Kultur, die das Stinktier repräsentiert, anrüchig ist. Aber Shawnees Entscheidung gegen den wohlhabenden Lyman und Lipshas zunehmende Wertschätzung des Chippewa-Landes sind nicht mit einer kategorischen Ablehnung finanzieller Ressourcen gleichzusetzen. Vielmehr verwirft der Text eine Logik des Entweder/Oder: Um seine kulturellen Traditionen zu bewahren, muss man überleben, wie Lipsha treffend bemerkt. Geld hat also im Leben der Chippewa durchaus seinen Platz. Auch der Bingo-Palast wird gebaut werden, wie das Ende des Textes suggeriert. Aber obwohl Fleurs Hütte einem Parkplatz weichen muss und Spielautoma11
„Du bist ein perfektes Accessoire für seine Zukunft. Du passt zu seinem Leben, seinem Erfolg, allem, was dazugehört. Du wärst eine Super-Senatorenfrau. Bemüh Dich nur nicht, irgendwas anderes zu tun.“ (eigene Übersetzung)
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ten über den Gräbern ihrer Vorfahren erreichtet werden, lässt sie sich nicht von ihrem Land vertreiben. Die Chippewa, die im neu gebauten Kasino dem Glücksspiel nachgehen, fühlen sich von ihrem Geist weiterhin beobachtet: „We believe she [Fleur Pillager] follows our hands with her underwater eyes as we deal the cards on green baize, as we drown our past in love of chance, as our money collects, as we set fires and make personal wars over what to do with its weight … […]. She doesn't tap our panes of glass or leave her claw marks on eaves and doors. She only coughs, low, to make her presence known“ (Erdrich 1994: 273f.).12
Es bleibt offen, ob das Gebiet nicht irgendwann an ihre Familie zurückfallen wird – auch Kasinos können schließen und wieder abgerissen werden. Bereits in der Vergangenheit hatte Fleur, nachdem der Regierungsbeamte Jethro Parker das Land an sich gebracht hatte, es in einem Kartenspiel zurückgewonnen und ihn dabei auch gleich um seinen eigenen Besitz erleichtert. Die Zurückweisung rigider Binaritäten betrifft nicht nur die Opposition von Geld und Land, sondern auch dichotome Modelle von Geschlecht, die Erdrichs Roman mit hegemonialer Weißer Kultur identifiziert. Charaktere wie Fleur und Lipsha dagegen, die westliche Geschlechtergrenzen überschreiten, indem sie sich anderen Geschlechtern zugeschriebene Eigenschaften und Fähigkeiten aneignen, dokumentieren die Flexibilität von Geschlechterdiskursen bei den Chippewa (Cooperman 1999). Auch die Erzähltechnik reflektiert diese Ablehnung binärer Strukturen. Die Stimme des Protagonisten ist nur eine unter vielen, Teil eines narrativen Mosaiks, das unterschiedliche Positionen und Sichtweisen artikuliert. Wie Lipsha sprechen auch die Chippewa als Ganzes in der ersten Person. Diese durch interne Dialoge charakterisierte Stimme repräsentiert keine letztgültige Autorität, sondern vielmehr eine kollektive Suche nach Sinn und der besten Strategie für die Zukunft. Mit dieser polyphonen Darstellung, seiner Flexibilisierung von Geschlecht und seiner kritischen Analyse monetärer Diskurse auf dem Hintergrund eines Verständnisses von Land, das mit der Kapitalmetaphorik Bourdieus nicht mehr adäquat fassbar ist, dafür aber für ökologische Fragestellungen anschlussfähig scheint, wirft der Text eine ganze Palette produktiver Fragen an hegemoniale Geschlechterökonomien auf.
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„Wir glauben, dass sie [Fleur Pillager] unseren Händen mit ihren Unterwasseraugen folgt, wenn wir die Karten auf dem grünen Filz austeilen, wenn wir unsere Vergangenheit in der Liebe zum Zufall ertränken, wenn sich unser Geld ansammelt, wenn wir Feuer legen und persönliche Kriege darüber führen, was wir mit seinem Gewicht anfangen sollen…[…] Sie klopft nicht an unsere Fensterscheiben oder hinterlässt Spuren ihrer Tatzen an Dachsimsen und Türen. Sie hustet nur leise, um zu zeigen, dass sie anwesend ist.“ (eigene Übersetzung)
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Fazit: Ansatzpunkte für Veränderungen
Alle hier untersuchten Texte machen deutlich, dass hegemoniale Geschlechterökonomien nicht nur auf männlicher finanzieller Dominanz beruhen, sondern dass pekuniäre, sprachliche und visuelle Ökonomien eng miteinander verflochten sind. Mehr Geschlechtergerechtigkeit erfordert daher den Zugang von Frauen nicht nur zu (mehr) Geld, sondern auch zu kulturellem Kapital wie wirkmächtiger Sprache und visuellem Kapital, der Macht des Blicks. In The Bonfire of the Vanities und Cosmopolis dienen Kontrolle über Finanzkapital und den Blick zunächst dazu, die Macht der Weißen männlichen heterosexuellen Protagonisten aus der oberen Mittelklasse beziehungsweise Oberschicht zu behaupten. Der Verlust fast aller ihrer Ressourcen kann in beiden Texten als Diagnose der Weißen „Männlichkeitskrise“ im späten 20. Jahrhundert gelesen werden, wobei The Bonfire of the Vanities mit seinem allwissenden Erzähler, einem Herrn der Sprache und des Blicks, suggeriert, Verfügungsgewalt über kulturelles Kapital könne hegemoniale Männlichkeit (re)stabilisieren. Cosmopolis dagegen kontrastiert seinen allwissenden Erzähler mit einer Figur des Schriftstellers, der weder Geld noch den Blick besitzt (Sheets zieht sich charakteristischerweise ein Handtuch über den Kopf) noch kulturelles Kapital kontrolliert – er ist nicht in der Lage, sein geplantes 10.000-Seiten-Manuskript zu verfassen. Während der Wert kulturellen Kapitals in DeLillos Roman unwägbar bleibt, marginalisiert der Text wie The Bonfire of the Vanities weibliche Charaktere als finanziell abhängige Sexobjekte ohne sprachliche Autorität. In Beattys Tuff dagegen kontrollieren weibliche Figuren signifikante Mengen an Geld und verschaffen sich auch gegenüber dem Protagonisten Gehör. Mrs. Nomuras Geldgeschenk ermöglicht es Winston, sein soziales und kulturelles Kapital zu vermehren und erleichtert die ansatzweise Herausbildung einer kommunalen politischen Koalition über ethnische, Geschlechter-, Alters- und andere Grenzen hinweg im Rahmen seines Wahlkampfs. Der Roman verbindet seine Darstellung einer nicht auf der Familienernährerrolle basierenden Männlichkeit mit einer Aufwertung Schwarzen kulturellen, speziell sprachlichen Kapitals im Modus des Signifying. The Color Purple wirkt ebenso auf eine größere Wertschätzung afrikanischamerikanischer Ressourcen hin. Kulturelles Kapital fungiert darüber hinaus als Königsweg zu finanzieller Unabhängigkeit für seine weiblichen Charaktere; Celie hat als Hosendesignerin Erfolg, Shug als Blues-Sängerin. Interessanterweise führt allerdings gerade die ökonomische Prosperität der Protagonistin zur Wiedereinführung von Hierarchien, die der umfassenden Revision hegemonialer Geschlechterökonomien im Text zuwiderlaufen. Mit seiner Demokratisierung sprachlicher wie visueller Ökonomien und seiner Rekonstruktion von Familie,
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Religion und Sexualität gibt der Roman dennoch viele Anstöße für den Abbau von Geschlechterhierarchien. Auch in Spending bildet die verborgene Ausbeutung unterprivilegierter Frauen – hier von Hausangestellten – den blinden Fleck einer Erzählung, die wie Tuff die positiven Effekte einer Ökonomie der Gabe expliziert (Hyde 1979). Vielleicht noch innovativer als eine Darstellung von Weiblichkeit, die Reichtum mit künstlerischem Erfolg, dem Blick, Sex-Appeal und Mutterschaft verbindet, ist hier die visuelle Rekonstruktion des Wall Street-Händlers, der gerade in einem Zustand mangelnder finanzieller und sexueller Liquidität erotisch erscheint. Wie The Color Purple stellt auch Spending die zentrale Bedeutung von Sexualität in Geschlechterökonomien deutlich heraus. The Bingo Palace schließlich identifiziert sowohl rigide Geschlechterbinaritäten als auch exzessive emotionale Investitionen in finanzielles Kapital als Merkmale hegemonialer Weißer U.S.-amerikanischer Kultur, und plädiert anhand einer Gegenüberstellung von Geld und Land, das explizit nicht als „Grundbesitz“ verstanden wird, für flexiblere Geschlechterökonomien sowie ein deutlicheres Bewusstsein der Grenzen pekuniärer Diskurse. Wie auch die anderen Texte insbesondere von Autorinnen zeigt der Roman, dass die Interaktion von finanziellen mit sprachlichen und visuellen Ökonomien viele Ansatzpunkte für Veränderungen bietet – vielleicht nicht nur innerhalb der Literatur. So würde zum Beispiel ein Hinterfragen des an der Wall Street weit verbreiteten Männlichkeitsbildes, das Virilität durch die Kontrolle über finanzielle Ressourcen und visuelles Kapital (einen Blick auf Frauen, der sie in erster Linie als Sexobjekte wahrnimmt) definiert, den Abbau von Geschlechterhierarchien begünstigen. Eine höhere Wertschätzung des kulturellen Kapitals von Frauen, zum Beispiel ihrer Leistungen im Finanzsektor, würde ebenfalls zu mehr Geschlechtergerechtigkeit beitragen (vgl. Roth 2006). Wenn Frauen in nationalen und internationalen Finanzorganisationen stärker vertreten wären und ihre Stimmen dort mehr Gewicht hätten, wäre viel gewonnen. Vor allem aber wäre eine Anerkennung von Frauen als ökonomische Subjekte von großer Bedeutung. Da viele ihrer Leistungen wie Hausarbeit und Subsistenzproduktion zumindest bisher nicht in Geld gemessen werden, hieße das, dass finanzielle Ressourcen nicht länger als einziger, oder einzig wichtiger, Wertmaßstab dienen könnten.
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Eva Boesenberg
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Geld und Geschlecht im U.S.-amerikanischen Gegenwartsroman
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Macroeconomic Policy and Employment Generation: Gender Dimensions Diane Elson
Introduction This paper examines the employment of women and men at the macro level, with a particular focus on developing countries. Much of the research and policy development on gender equality in employment has been focused on micro and meso level measures to enable women to compete with men on an equal basis, including measures to improve women’s access to education and training, credit, land and other assets; and measures to reform the governance of markets to create a “level playing field” (see, for example, World Bank 2001; 2006). Such measures are important, but this paper argues that they are not sufficient. To the extent that they are successful, they will simply redistribute some jobs from men to women. This will reduce gender gaps, but not in a way that meets the United Nations objective of “full and productive employment and decent work for all”. There needs to be an expansion of the number of decent jobs, as well as an improvement of women’s access to them. This requires supportive macroeconomic policies. The first section provides a brief discussion of global trends in labour markets. The second section focuses on gender and unemployment, with particular reference to studies on countries in the Caribbean and the OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development). The third section considers how macroeconomic policies (such as monetary and fiscal policy), which are generally considered gender neutral policies, nevertheless can have gender-differentiated impacts. The conclusion suggests that micro and meso level polices to combat gender inequality in the labour market need to be complemented by appropriate expansionary macro level polices.
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Diane Elson
Women and men in labour markets: global trends
There was an upward trend in female labour force participation in the last 40 years of the 20th century, especially pronounced in the 1980s. The upward trend in the global female labour force participation rate had come to an end by 2005, while the global male participation rate continued to decline (ILO 2006: 3). The trend in female labour force participation is the result of structural changes, including commercialization of agriculture, industrialization, and the replacement of unpaid provision of services by women in families and communities, with the paid provision of services by women employed in both the public sector and private firms. An exception to the general rising trend has been the fall in female participation rates in most formerly centrally planned economies over the 1990s. For instance, in Eastern Europe, female labour force participation fell from an average of 60.9 per cent in 1980 to 51.8 per cent in 2000 (Heintz 2006: 16). This is related to the large-scale job loss that followed transition to the market (around one-third of jobs were lost) and the loss of services that facilitated combining paid employment with women’s domestic responsibilities. A reduction in the gap between male and female labour force participation is not the same as an increase in gender equality in the labour market. As the ILO (International Labour Organization) points out, the labour force participation rate does not indicate anything about the likelihood of being employed, or of having decent work1. In almost all regions, the female unemployment rate is higher than the male rates, occupations are sex-segregated and gender gaps persist in earnings (ILO 2004). To summarize the global picture, women are relatively more concentrated than men in informal employment that lacks the characteristics of “decent work”. “Women are not only in different and more precarious types of employment than men, but within a given category women’s earnings are generally lower than men’s” (Chen et al. 2005: 46). Informal employment is much more likely to yield poverty wages than formal employment, and a high proportion of informally employed people are part of the working poor, employed, but living in 1
The ILO defines decent work as follows: “Decent work sums up the aspirations of people in their working lives – their aspirations for opportunity and income; rights, voice and recognition; family stability and personal development; and fairness and gender equality. … Decent work is captured in four strategic objectives: fundamental principles and rights at work and international labour standards; employment and income opportunities; social protection and social security; and social dialogue and tripartism. These objectives hold for all workers, women and men, in both formal and informal economies; in wage employment or working on their own account; in the fields, factories and offices; in their home or in the community” (http://www.ilo.org/global/About_the_ILO/ Mainpillars/WhatisDecentWork/lang--en/index.htm [accessed 21/08/09]).
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households whose income is below the poverty line. It is estimated that of the approximately 2.8 billion employed people in the world in 2005, nearly half did not earn enough to lift their families above US$2 a day, and almost a fifth did not earn enough to lift themselves and their families above US$1 a day (ILO 2006: 11). It is important to recognize that the prevalence of low-paying informal employment is not only related to the supply side of the labour market, but also the demand side of the labour market. People are crowded into low-paying informal employment, not only because they lack much in the way of education and capital assets, but also because there is insufficient aggregate demand in the economies in which they work to support enough “decent jobs”.
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Gender and unemployment
Full employment was a policy goal of the international system of economic governance set up at the Bretton Woods meeting in 1944, but 50 years latter the focus had shifted to financial variables, such as inflation, the fiscal deficit, and debt to GDP ratios. A low rate of inflation became the dominant goal and macroeconomic policy became increasingly characterized by “deflationary bias”, with governments cutting expenditure and raising interest rates, policies likely to stifle the growth of decent employment in both public and private sectors (UN 1999: 46-54). This began to change in the autumn of 2008, as the prospect of global recession legitimated the use of macroeconomic policies to increase aggregate demand in an attempt to avoid mass unemployment. At the time of writing it is too soon to be able to analyse the effects of this change. Women in many countries are particularly likely to have been disadvantaged by “deflationary bias” because it interacts with other biases, such as “male breadwinner bias”, the assumption that men are more deserving of decent jobs because they are believed to be the essential economic support of families, while women’s incomes are regarded as supplementary, and not essential to family well-being (Elson/Çaatay 2000: 1354ff.). The latest available data from the International Labour Organization (ILO 2008) showed that in 2007, the global female unemployment rate was 6.4 per cent compared with a male rate of 5.7 percent. In some regions women were particularly likely to have a higher rate of unemployment than men. In Latin America and the Caribbean the female unemployment rate was 10.9 per cent, compared to a male rate of 6.9 per cent; and for young women the rate was as high as 21.6 per cent, compared to a rate of 14.0 per cent for young men. In fact, the idea that families are dependent on male breadwinners is more of a myth than a reality, especially for poorer families. Many women provide the
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principal economic support for families, and in many other families, women’s earnings are critical for lifting families above the poverty line (see, for example, Moser 1997; Sethuraman 1998). Moreover, the right to work is equally a right of women and men, and non-discrimination in employment is one of the core labour standards set out in the ILO Declaration on Fundamental Principals and Rights at Work (June 1998). To ensure gender equality in productive employment and decent work, both deflationary bias and male breadwinner bias need to be avoided. It is true that in countries that lack unemployment insurance, unemployed people are frequently not among the poorest people, but are among the better educated, who can afford to be openly unemployed for a time, while poor people are forced to undertake low-paying informal jobs. The latter are often underemployed in the sense that they are unable to find as much work as they would like, or that they have to take employment that does not make full use of their skills. Both underemployment and unemployment signals a waste of human resources, with adverse consequences, both for the individuals who are unemployed and for the societies is which they live. The global unemployment rate has fluctuated in the period 1995-2005, but the trend has definitely been upward (ILO 2006: 1). The major increases in unemployment rates were in Latin America and the Caribbean, and the Central and Eastern Europe and Commonwealth of Independent States (CIS) region. The only regions with significant decreases were the Developed Economies and the EU. In many countries, female unemployment rates are likely to underestimate the true extent of women’s unemployment because of the “discouraged worker” effect. Discouraged workers are people who have sought employment in previous periods, but due to their failure to find jobs, cease to actively search for one, although they would like to have a job if one were available. Women are more likely than men to be discouraged workers because their responsibilities for unpaid domestic work constrain the time they have available to search for work, and also provide a sense of identity that men may lack, if they are without a job. A further factor, in countries that have social insurance for unemployed people, is that women are less likely to be eligible, and therefore have less incentive to demonstrate that they are actively looking for work (which is usually a condition for claiming unemployment benefits). A further complication is that women are more likely than men to respond to loss of formal employment, both their own and that of their spouses, by moving into informal employment, with lower productivity, lower pay, and shorter hours, than their formal employment. This is best characterized as “underemployment”, but data is not collected on a regular basis on underemployment. The discouragement and underemployment of women appear to have been significant in the aftermath of the Asian financial
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crisis in 1997-1998. For instance, in South Korea, the rate of job loss for women was higher than for men, but subsequently, male unemployment rates appeared to be higher than female rates, while a higher proportion of women than before were employed in various types of informal employment (UNRISD 2005: 42). Gender differences in unemployment cannot be attributed only to supply side factors, such as differences in education, skills, and reservation wages. Demand side factors also play a role. When there is a shortage of jobs in the economy, groups lower down the social hierarchy, or considered less deserving of employment, may be placed at the back of the job queue by employers. There is evidence that this is at the root of higher unemployment rates of AfricanAmericans than White Americans (Shulman 1991). Stephanie Seguino (2003) argues that, similarly, women may be placed at the back of the job queue in a society in which men are perceived to be the rightful breadwinners, with a stronger claim on jobs. She explores the role of this and other factors in determining why women are much more likely to be unemployed than men in Barbados, Jamaica and Trinidad and Tobago, using data for the period 1980-1999. In these three countries, as in much of the Caribbean, the female unemployment rate has been high and considerably higher than that of men. For the period 1980-99, the average unemployment rate of women in Barbados was 20.6 per cent compared to 12.6 per cent for men; in Jamaica it was 28.6 per cent for women, compared to 12.2 per cent for men; in Trinidad and Tobago it was 19.8 percent for women, compared to 14.3 per cent for men. Seguino finds that women’s higher unemployment rate cannot be explained in terms of women being less educated than men, since women have a higher unemployment rate than men with the same education. For instance, in Barbados in 1999, university educated women were more likely than men to be unemployed, with an unemployment rate more than two percentage points higher than men with the same education. In Trinidad and Tobago, women with a secondary education had a higher rate of unemployment than men with any level of education, including those with no education. Nor was it simply a matter of women being concentrated in sectors or occupations experiencing slower rates of growth, since the probability of women being unemployed was higher than that of men being unemployed in every sector and occupational group in all three countries. Seguino examines the impact of macroeconomic demand side factors through an investigation of how economic upturns and recessions affect gender differences in unemployment, controlling for other demand and supply side factors. The analysis is informed by a Keynesian perspective that assumes that economies do not automatically tend to full employment; and that employment is
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constrained by the aggregate level of demand for goods and services.2 Her independent variables are the female unemployment rate, the male unemployment rate and the ratio of female to male unemployment rates, and her explanatory variables are the deviation of the rate of GDP growth from its trend, a measure of foreign direct investment (since such investment is often argued to have a positive impact on the creation of jobs for women), a time trend (to allow for long run influences on male and female unemployment rates aside from the variables included in the model), and the change in the female share of the labour force (to control for the impact of changes in the relative size of the female labour supply). The analysis uses data for 1980-1999. The analysis showed that both male and female unemployment rates fell in economic upturns, but the unemployment rate for women fell less than that for men, so that in the upturn, there was a rise in the ratio of the female to the male unemployment rate. Men benefited more than women from economic upturns, thus widening the gender gap in enjoyment of paid work. Over the period 19801999, both male and female unemployment declined at a statistically significant rate, but the ratio of the female to the male unemployment rates did not, indicating the persistence of gender inequality. Foreign direct investment had no significant effect on unemployment rates. A rise in the female share of the labour force was positively associated with a rise in the female to male unemployment ratio, consistent with the hypothesis that women and men are not full substitutes3 in the labour market, so that a relative increase in the female labour supply leads to crowding of women into a narrow range of job slots. In an extension of the analysis, Seguino disaggregated the economy into four sectors – manufacturing, agriculture, industry and services. She found that expansion or recession in manufacturing and agriculture did not have any impact on the ratio of female to male unemployment rates. But increases in the output of services and industry were associated with an increase in the ratio of female to male unemployment rate. This was not surprising for industry, in which most employment is in male-dominated occupations, but was surprising for the service sector, in which women are relatively concentrated, and in which they have a high share of jobs. Seguino’s results are consistent with the hypothesis that women’s higher unemployment rates may be related to employer’s preference for hiring male workers (perhaps due to male breadwinner bias), as the econometric results show 2
A neoliberal perspective assumes the opposite that economies do automatically tend to full employment, unless inappropriate government policies prevent this. 3 This occurs because of gender segregation in the labour market, with some jobs typically constructed as male jobs and some jobs typically constructed as female jobs, and many men and women typically educated and trained for jobs that are considered appropriate for their gender.
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that male workers have been the first to be hired in upturns, even in the female intensive service sector. Her study did not investigate the reasons for this, though she speculates that women’s child care responsibilities lead employers to prefer men; and that women may be disadvantaged by systems of maternity leave in which all costs fall on the employer, rather than being met in whole or part from tax revenues. It is worth noting that there is a high prevalence of female-headed households in the three countries in the study, and many women are the de facto breadwinners for their households. Her conclusion is that policies to create more jobs by stimulating economic growth will not, by themselves, be enough to reduce the gender gap in unemployment. Not only deflationary bias, but also male breadwinner bias has to be addressed. Seguino’s study appears to be the only cross-country study available on gender differences in unemployment in developing countries. One hindrance is the lack of sex-disaggregated time-series data on unemployment in developing countries. Much more sex-disaggregated data on unemployment are available for developed countries. Even so, there has been relatively little research on gender differences in unemployment in developed countries. An exception is a study of the gender gap in employment rates in selected OECD countries (14 EU countries plus USA) by Azmat, Guell and Manning (2003), using micro-data sets from household surveys in the EU and the US Current Population Survey. The study covers the period 1994-1999, a period in which female unemployment rates were higher than male rates in all the countries in the study except Sweden, Ireland and UK. Female unemployment was highest and the gap widest in Spain, Greece and Italy. In Germany the female rate was higher than the male, but the gap was narrow. The study investigates flows from employment to unemployment and from unemployment to employment, estimating the probability that an individual will make these transitions, controlling for characteristics of the individuals and the jobs they do. The study examines both supply side and demand side factors. It finds that domestic responsibilities do not play a large direct role in explaining why employed women become unemployed, and are no more significant in countries with a high gender gap in unemployment than in those with a low (or negative) gender gap in unemployment. What is significant, are the characteristics of the jobs that men and women occupy. The key factor that differentiates the high and low gap countries is the degree to which employers make use of temporary contracts, in which women workers are over-represented. It is easier to fire women workers than men workers, if the former are more concentrated in jobs with temporary contracts and the latter in jobs with permanent contracts. Some of the high gap countries, such as Spain, do have two-tier labour markets of this kind. One possible explanation of a higher female unemployment rate is
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that women in high gap countries who are unemployed are not as serious in their job search as men who are unemployed, or are more selective about the jobs they will take. But the study finds no support for this. Again, the key factors lie on the demand side. Differences in the costs employers face in employing women in different countries as a result of differences in maternity leave costs were not found to be important. The Nordic countries, which have generous maternity leave provisions, have smaller gender gaps in unemployment than other countries in the sample. Using data from the 1996 Eurobarometer Attitude Survey, support was found for the hypothesis that gender gaps are highest in countries in which more people believe that “When jobs are scarce, men should have more right to a job than women”. Azmat, Guell and Manning (2003: 31) suggest that employers may be influenced by such social norms when labour markets are slack: “putting prejudices into practice is easier when unemployment is high and there are long queues for jobs, as has been the situation in most of the high gap countries in the 1980s and 1990s”. They test this by examining the impact on the gender gap in unemployment of the combination of the male unemployment rate and the attitude variable, and they find a positive and statistically significant impact, confirming their suggestion. The study reviewed here of gender differences in unemployment rates in selected OECD countries provides indirect support for my hypothesis that deflationary bias in macroeconomic polices interacts with existing forms of gender bias to intensify gender gaps in unemployment, though it does not directly investigate a link with specific macroeconomic policies. The study of gender differences in unemployment rates in selected Caribbean countries (Seguino 2003) provides indirect support for the hypothesis that policies to promote growth of GDP will not necessarily be sufficient to overcome gaps in unemployment, though it does not directly investigate a link with specific macroeconomic policies. In the next section, we discuss the only available study that does directly link gender inequality in the labour market with macroeconomic policies.
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Gender inequality and macroeconomic policies
As noted above, achievement of full employment has ceased to be an objective of macroeconomic policies. Instead, the objectives have been financial. For instance, reducing the rate of inflation and keeping it very low has become the most important objective of monetary policy. Policies of raising interest rates and reducing the money supply have been used in many countries to achieve this. In a pioneering and unique study, Braunstein and Heintz (2006) have inves-
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tigated the link between these policies and gender equality in employment in 17 low and middle income countries in the period 1970-2003. The countries are Barbados, Brazil, Chile, Colombia, Costa Rica, India, Jamaica, Kenya, Malaysia, Mauritius, the Philippines, Singapore, South Korea, Sri Lanka, Taiwan, Thailand and Trinidad and Tobago. The choice of countries was restricted by the availability of time-series sex-disaggregated data on employment. The employment data used (from the ILO LABOURSTA on-line data base) are likely to cover formal employment much better than informal employment, but because of this, are better indicators of decent and productive work than more comprehensive data would be. The first step in the analysis was to identify inflation reduction episodes in these countries in the time period selected, and to examine employment trends in these periods. Fifty-one such periods were identified, and it was found that in thirty-six of them, the growth of employment fell below its long run trend; these are therefore labelled “contractionary inflation reduction episodes” (Braunstein/Heintz 2006: 8). In the remaining fifteen episodes, employment expanded faster than the long run trend in employment growth; these episodes are therefore labelled “expansionary inflation reduction episodes” (ibid.: 8). Since governments often use increases in positive real interest rates as an inflation reduction tool, Braunstein and Heintz examined the trends in long run positive real interest rates in relation to inflation reduction episodes in which real interest rates were positive. They found that in almost all the expansionary inflation reduction episodes, real interest rates were, on average, kept below their long-run trend. However, in most contractionary inflation reduction episodes, real interest rates were, on average, kept above their long run trend (the presence of real interest rates above the long-run trend is often used as an indicator of deflationary bias). Their results are consistent with the hypothesis that reducing inflation by increasing positive real interest rates above their long-run trend tends to sacrifice employment for inflation reduction. They also investigated inflation reduction episodes in which real interest rates were negative. In the majority of these cases, they found that negative interest rates were kept below the long run average, but nevertheless, employment grew more slowly than its long run trend. They conclude that this suggests that keeping interest rates negative and below the long run trend cannot be relied upon to increase employment. Braunstein and Heintz also investigated the relation between the real money supply and inflation reduction episodes. They found that in 67 per cent of the contractionary episodes for which data were available, the average annual growth rate of real money supply fell below its long-run trend; while in 60 per cent of the expansionary episodes, real money supply grew faster than its longrun trend. Thus, policies of raising positive real interest rates (relative to long run
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trend) and tightening real money supply (relative to long run trend) were more likely to be associated with contractionary inflation reduction episodes, in which inflation reduction was achieved at the expense of employment growth. Braunstein and Heintz investigated whether these policies have genderdifferentiated effects by disaggregating employment by sex and examining the behaviour of the female to male employment ratio in relation to its long run trend. They found that in 67 per cent of the contractionary inflation reduction episodes, the female to male employment ratio fell below its long run trend, indicating that women were disproportionately affected by the slowdown in employment. However, in expansionary inflation reduction episodes, there was no clear disproportionate affect on either women or men. The female to male employment ratio increased faster than trend in 53 per cent of cases, and at or below trend in 47 per cent of cases. Braunstein and Heintz conclude that a policy of responding to inflationary pressures by raising positive real interest rates above their long run trend, and reducing real money supply below its long run trend tended to be associated with a greater loss in female than in male employment (relative to long run trends in both). They noted that in 33 per cent of cases, women’s employment was not disproportionately affected by deflationary policies, and investigated whether there is a link between this and the behaviour of the real exchange rate. If women’s employment is growing fastest in export sectors (as has been the case in many industrializing developing countries), then avoiding an appreciation of the real exchange rate may offer some protection to the growth of women’s employment. They found that in the 33 per cent of contractionary inflation reduction episodes in which women’s employment improved relative to its long run trend, the real exchange rate either depreciated or remained at its long run trend. They conclude that “maintaining a competitive exchange rate may offset some of the gender bias observed during contractionary inflation-reduction” (Braunstein/Heintz 2006: 12). This is a pioneering study because of the way that it makes a direct link between gender differences in employment outcomes and macroeconomic policies. However, macroeconomic policy makers might respond that they have no responsibility for these gendered outcomes. They might argue that it is only micro level factors that are responsible, such as a preference of employers for hiring male workers (except in labour intensive manufacturing where ‘nimble fingers’ are required). This preference may rest on beliefs that men are more productive, because they have higher skills, lower rates of absenteeism and lower turnover than women; that men have more need of jobs because they are the breadwinners; and that women are more costly because of requirements to pay maternity leave and because women take time off for family responsibilities. The macroeconomic
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policy makers might argue that to address these barriers to hiring women, micro level policies are required, such as antidiscrimination legislation, more training for women, and funding of maternity leave through general taxation. But we might argue that macro level economy wide factors are also implicated. The fundamental problem is that an economy co-ordinated by markets has no system for signalling to employers or macroeconomic policy makers the economic value on the unpaid care of children and adults. For the individual employer, employees that have to do a lot of unpaid care work are more costly than those that do not (and this typically means that on average, women employees are more costly than men, given the same wage rates). But for the economic system as a whole, the provision of such care is essential, as it is needed to reproduce the labour force on a daily and intergenerational basis. Macroeconomic policy as well as microeconomic policy can help to deal with this contradiction. Appropriate macroeconomic policy can help to offset male breadwinner bias. Expansionary inflation reduction was found to be more or less gender neutral in its employment effects, while contractionary inflation reduction tended to have more adverse effect on women than on men, unless offset by other macroeconomic policies that stimulated demand for labour such as maintaining a competitive exchange rate that promotes expansion of export industries employing women.
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Conclusions
The evidence reviewed in this chapter supports the view that women’s employment and unemployment is sensitive to demand side as well as supply side of the economy. Micro, meso and macroeconomic factors all play a role. At the micro level, women tend to be concentrated in jobs that are stereotyped as ‘women’s jobs’, but this is not just because there is supply of women for those jobs, it is also because employers tend to seek women to fill those jobs. At the meso level of the governance of markets and institutions, norms, and laws, especially those that construct men as the primary earners and women as the primary carers, also contribute to gendered patterns of employment and unemployment. At the macro level, deflationary bias in monetary policy also contributes, depressing the demand for women’s labour. Women are likely to be particularly disadvantaged by an intersection of deflationary bias in macroeconomic policy with male breadwinner bias in labour markets. To realize “full and productive employment and decent work for all, including for women and young people” requires a combination of and micro- and meso policies that combat male breadwinner bias, promote dual earner/dual carer families, and break down occupational segregation
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Diane Elson
of men and women; plus employment-focused macroeconomic polices that avoid deflationary bias.
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III Wirtschaftspolitische Beiträge der feministischen Ökonomik
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union – eine feministische Kritik Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union
Friederike Maier
Die ökonomische Integration der Länder Europas ist weit vorangeschritten. Im Verlauf der vergangenen fünfzig Jahre hat sich mehr und mehr ein Wirtschaftsraum herausgebildet, in dem wirtschaftspolitische Strategien zwischen nationalen Akteuren abgestimmt werden beziehungsweise – wie im Bereich der Länder, die dem Euroraum beigetreten sind – eine einheitliche Geld- und Währungspolitik verfolgt wird. Die wirtschaftspolitischen Konzepte und Strategien, die dabei vorherrschen, verfolgen widersprüchliche Ziele und sind selten verknüpft mit einer Strategie des Gender Mainstreaming. Das bedeutet, dass die Wirkungen der Wirtschaftspolitik auf die Geschlechter und insbesondere auf die Frauen nur selten untersucht und reflektiert werden. Aber auch dann, wenn sie bekannt sind, werden sie politisch nicht handlungsleitend, oder es werden sogar Verschlechterungen der Situation der Frauen in Kauf genommen. Damit widerspricht die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik implizit dem selbst formulierten Ziel der europäischen Gleichstellungspolitik: „Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung für die Verwirklichung der allgemeinen Ziele der EU – Wachstum, Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt. Eine höhere Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt gewährleistet nicht nur deren wirtschaftliche Unabhängigkeit, sondern trägt auch wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Tragfähigkeit der Sozialversicherungssysteme bei“ (Europäische Kommission 2009a).
Im folgenden Beitrag werden die in den letzten Jahren verfolgten wirtschaftspolitischen Leitlinien der EU kritisch daraufhin analysiert, welche wirtschafts- und geschlechterpolitischen Paradigmen ihnen zugrunde liegen, und es wird gezeigt werden, dass die einseitige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf Preisstabilität, Haushaltskonsolidierung, Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Dienste einerseits und Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte andererseits verknüpft ist mit einem Stillstand bei der Verfolgung von Gleichstellungspolitiken. Der ohnehin begrenzte Ansatz der europäischen Gleichstellungspolitik, die
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Friederike Maier
sich auch bisher schon auf die ökonomische Gleichstellung bezog und eine explizite Thematisierung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der GenderRegime der EU-Mitgliedstaaten nur vergleichsweise selten einschloss, ist in den vergangenen zehn Jahren weiter relativiert worden: Zum einen wird in den aktuellen Leitlinien zur Beschäftigungspolitik der EU auf eigenständige geschlechterpolitische Leitlinien verzichtet, zum anderen trugen die ökonomischen Entwicklungen nicht dazu bei, dass sich die Beschäftigungssituation der Frauen qualitativ verbessert hätte.
1
Wirtschaftsraum Europäische Union
Die EU war von Beginn an in erster Linie ein ökonomisches Projekt. Die Gründung ihrer Vorläuferorganisationen Montanunion und EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) Anfang und Mitte der 1950er Jahre1 basierte auf der Vorstellung, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum in Europa zu schaffen, der durch den Abbau von Handelshemmnissen in der Lage ist, Wirtschaftswachstum und ökonomischen Wohlstand in allen Mitgliedstaaten zu fördern. Die drei wichtigsten Abschnitte der wirtschaftlichen Integration waren die Schaffung einer Zollunion (1968), der gemeinsame Binnenmarkt (1993) und die Wirtschafts- und Währungsunion (1992). Mit der Zollunion wurden die Grundlagen für den freien Warenhandel geschaffen. Der Binnenmarkt beseitigte die bürokratischen Hindernisse im Warenhandel und war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem freien Dienstleistungshandel. Die vier Grundfreiheiten, die mit der Schaffung des Binnenmarktes verwirklicht werden sollten, waren der freie Warenverkehr, der freie Dienstleistungsverkehr, der freie Kapital- und Zahlungsverkehr und die Freizügigkeit der Arbeitskräfte. Das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde im Zuge der Einführung der Unionsbürgerschaft durch den Vertrag zur Europäischen Union (1993) zu einem allgemeinen Recht aller Unionsbürgerinnen und -bürger auf Freizügigkeit erweitert. Mit der Wirtschafts- und Währungsunion (1990 – 1992) wurden weitere Hindernisse für grenzübergreifende Investitionen beseitigt und die Wirtschafts1
1951: Sechs Mitglieder bildeten die Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EGKS): Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Italien und die Niederlande. Wie vorgesehen, lief der Vertrag über die Montanunion 2002 nach 50 Jahren Geltungsdauer aus. 1957: Durch die Unterzeichnung der Römischen Verträge wurden die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gegründet. Ziel der Mitgliedstaaten war dabei die Beseitigung von Handels- und Zollhemmnissen zwischen den einzelnen Staaten und die Gründung eines Gemeinsamen Marktes.
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union
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politik stärker aufeinander abgestimmt. 1992 wurden zudem die fünf Kriterien festgelegt, die entscheidend dafür sind, ob ein Mitgliedstaat die einheitliche Währung Euro einführen kann. Diese Kriterien werden nach der Stadt, in der der entsprechende Vertrag unterzeichnet wurde, Maastricht-Kriterien genannt. Die Kriterien waren und sind:
Preisstabilität: Die Inflationsrate darf höchstens 1,5 Prozentpunkte über dem Wert der drei Mitgliedstaaten mit der besten Vorjahres-Inflationsrate liegen Haushaltsdefizit (der Unterschied zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Staates): Es muss grundsätzlich niedriger sein als 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Öffentliche Schulden: Die Grenze wurde auf 60 % des BIP festgelegt. Ein Land mit einer höheren Schuldenquote kann sich trotzdem am Euro beteiligen, wenn seine Schuldenquote ständig sinkt Langfristige Zinsen: Diese dürfen nicht mehr als zwei Prozentpunkte über dem Niveau in den drei Mitgliedstaaten mit der günstigsten VorjahresInflationsrate liegen Wechselkursstabilität: Der Wechselkurs muss zwei Jahre lang innerhalb einer vorher festgelegten Fluktuationsbreite liegen. Diese Bandbreiten entsprechen dem europäischen Wechselkursmechanismus, an dem sich die Mitgliedstaaten beteiligen können, die ihre Währung an den Euro binden wollen
Nicht nur die heute 15 Staaten2, die den Euro inzwischen als gemeinsame Währung eingeführt haben, orientieren ihre Wirtschaftspolitik an diesen Kriterien, auch für die anderen EU-Mitgliedsstaaten, die (noch) ihre eigene Währung haben, sind diese Kriterien zu einer wichtigen Leitlinie ihrer Wirtschaftspolitik geworden. Zwei der Kriterien (Haushaltsdefizit und öffentliche Schulden) müssen auch nach dem Beitritt zum Euro von den Mitgliedsländern eingehalten werden, wie es im europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbart wurde.
2
Ökonomische Wirkungen von Binnenmarkt und einheitlicher Währung
Die EU als Wirtschaftsraum lebt vom Konzept des gemeinsamen Binnenmarkts und der einheitlichen Währung. Beides bildet seit Anfang der 90er Jahre den 2
Dies sind 2009: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien, Spanien und Zypern.
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Friederike Maier
Rahmen, in dem die EU-Staaten ihre Politiken abstimmen. Die Schaffung des Binnenmarktes hat über viele Regelungen tatsächlich dazu beigetragen, den Handel zwischen den EU-Mitgliedsländern zu intensivieren. Viele Handelshemmnisse wurden abgebaut und die Verbraucherinnen und Verbraucher können heute Waren und zunehmend auch Dienstleistungen EU-weit beziehen. Gleichzeitig hat der Binnenmarkt die Freizügigkeit des Kapitals beschleunigt, so dass es heute viel leichter als früher möglich ist, Unternehmen zu verlagern und Finanzkapital zu transferieren. Unternehmensverlagerungen, Unternehmenszusammenschlüsse und finanzielle Verflechtungen haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Um Wirtschaftskartelle und -monopole in der EU zu verhindern, wurden die Kartellbehörden der einzelnen Staaten durch die Einrichtung des Amts des Wettbewerbskommissars ergänzt. Neben der Kontrolle der Wirtschaft ist er auch für die Genehmigung von Subventionen in den Mitgliedstaaten zuständig. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Staaten bestimmte Firmen wettbewerbswidrig unterstützen. Subventionen sind eigentlich nur für wirtschaftlich schwache Regionen zulässig (zum Beispiel Ostdeutschland), jedoch ist zwischen den EULändern aufgrund der Mobilität der Unternehmen eine Standortkonkurrenz entstanden, bei der mit vielen, darunter auch finanziellen Anreizen gearbeitet wird, unter anderem im Bereich der Besteuerung oder des Zugangs zu (öffentlichen) Ressourcen. Die EU-Wettbewerbspolitik in Verbindung mit der Politik, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und die Verschuldung zu begrenzen, hat wesentlich dazu beigetragen, dass viele öffentliche Unternehmen, zum Beispiel im Telekommunikationsbereich, bei der Gas-, Wasser- und Stromversorgung und im Eisenbahnbereich, privatisiert oder teilprivatisiert wurden und/oder sich der Konkurrenz anderer Anbieter auf dem Markt stellen mussten. Unter diesem Druck ist es in den davon betroffenen Unternehmen nicht nur zu veränderten Lohn- und Arbeitsbedingungen gekommen, sondern auch vielfach zu einem umfangreichen Abbau von Arbeitsplätzen sowie zum Teil zu schlechteren Produkten und Dienstleistungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Auch die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit öffentlichen Gütern im sozialen und kulturellen Bereich sowie bei der Daseinsfürsorge ist schlechter geworden, teils weil die Steuereinnahmen aus konjunkturellen Gründen zurückgegangen sind und die öffentlichen Haushalte nicht höher belastet werden sollten, teils weil Leistungen gekürzt wurden, um die Steuern und Abgaben insbesondere der Unternehmen senken zu können. Diese Liberalisierung der Märkte wurde und wird in Teilen der Öffentlichkeit und der Wissenschaft sehr kritisch gesehen. Nicht nur auf den Waren- und Kapitalmärkten hat die durch den Binnenmarkt forcierte Liberalisierung zwei-
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union
237
schneidige Ergebnisse mit sich gebracht3, auch die Arbeitsmärkte der EU-Mitgliedsländer wurden liberalisiert und flexibilisiert, und nach Meinung der Europäischen Kommission müsste dies noch weiter vorangetrieben werden. Gemeint ist damit nicht nur die volle Freizügigkeit der Unionsbürgerinnen und -bürger, die zur Zeit noch nicht gewährleistet ist, denn zum Beispiel dürfen Arbeitskräfte aus den mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern noch nicht in allen EULändern arbeiten. Vielmehr werden auch viele Regelungen auf den Arbeitsmärkten wie zum Beispiel der Kündigungsschutz, der Berufsschutz (Zugang zu bestimmten Berufen nur mit entsprechender Ausbildung) oder die Höhe und Dauer der Arbeitslosenunterstützung als Hemmnisse eines flexiblen Arbeitsmarktes gesehen. Die soziale Dimension der Gestaltung des Binnenmarktes war lange Zeit kein explizites Thema der EU. Dies hat sich inzwischen geändert und ist einer Politik gewichen, die zwischen Liberalisierung und Flexibilisierung aller Märkte und konstruktiver Weiterentwicklung der europäischen Sozialpolitik unter dem Stichwort „Flexicurity“ einen Weg sucht. Die einheitliche Währung bedeutet, dass die Geld- und Zinspolitik nun von der Europäischen Zentralbank (EZB) verfolgt wird. Diese ist in ihren politischen und institutionellen Regelungen sehr ähnlich konstruiert wie die Deutsche Bundesbank. Ihre primäre Zielsetzung ist die Preisstabilität und die Kontrolle des Geldmarktes. Ähnlich wie bei der Bundesbank wird die Priorität bei der Preisstabilität als zentralem Ziel der EZB von vielen Seiten kritisiert, erschwert eine solche Festlegung doch flexibles Handeln zum Beispiel in konjunkturellen Abschwüngen. Auch in der aktuellen Krise der Finanzmärkte soll die EZB – anders als die US-amerikanische Zentralbank – nicht direkt regulierend eingreifen. Für die Politik der EZB selbst hat sich vor allem die Geld- und Zinspolitik im heterogenen Wirtschaftsraum als schwierig erwiesen, da beispielsweise Wachstumsraten von über 5% in Irland mit Raten nahe Null in den iberischen Staaten in Einklang gebracht werden mussten. Der irischen Situation wäre nach bisher angewandten Methoden mit Leitzinserhöhungen und Geldmengenverknappung zu begegnen gewesen, während im Gegenbeispiel Lockerungen üblich gewesen wären. Regionale Unterschiede lassen sich mit der einheitlichen Geldpolitik aber nicht hinreichend abbilden.
3
Die Liberalisierung der Finanzmärkte und die aktuelle dramatische Finanzmarktkrise werden in den kommenden Monaten tiefgreifende Auswirkungen auch auf die Güter- und Arbeitsmärkte haben, nicht nur in der EU und den anderen hochentwickelten Ländern, sondern weltweit. Trotz kurzfristiger ökonomischer Konjunktur- und Stabilisierungsprogramme, die für alle Länder eine Abweichung von den Zielvorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakt bedeuten, ist eine grundlegende und dauerhafte Neuorientierung der Wirtschaftspolitik nicht erkennbar, im Gegenteil soll nach Überwindung der Krise an den bisherigen Politiken festgehalten werden.
238
3
Friederike Maier
Strategie für Wachstum und Beschäftigung und Stabilitäts- und Wachstumspakt
Unter dem Stichwort „Lissabon-Strategie“ versucht die EU seit dem Jahr 2000 den Spagat zwischen Marktliberalisierung und sozialer Sicherung. So soll Europa bis 2010 der „wettbewerbsfähigste und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt“ werden, mit „mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt“, einem Wirtschaftswachstum von jahresdurchschnittlich drei Prozent und einer Gesamt-Beschäftigungsquote von 70%, das heißt 70% der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren sollen tatsächlich beschäftigt sein. Explizite Beschäftigungsziele bis zum Jahr 2010 sind zudem eine Mindestquote von 60% für die Frauenbeschäftigung sowie eine Mindestquote von 50% für die Beschäftigung älterer Arbeitskräfte über 55 Jahren. Diese beiden Zielvorgaben lassen sich vor allem auf Basis der demographischen Entwicklung begründen: Europa insgesamt ist eine Region mit alternder Bevölkerung – vor diesem Hintergrund sollen die Mitgliedsländer darauf achten, dass Ältere länger im Erwerbssystem bleiben und dass die „nicht-aktive“ Bevölkerung, insbesondere die Frauen, in den Arbeitsmarkt integriert werden. Gerade weil es in den letzten Jahren gelungen ist, die Ausbildungsniveaus der Frauen in allen Ländern zu erhöhen, sieht die EU steigende Frauenerwerbsquoten als eine notwendige Bedingung des ökonomischen Wachstums an. „In der erneuerten Sozialagenda hat die Kommission ihren Einsatz für die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen im Rahmen der Europäischen Strategie für Beschäftigung und Wachstum bekräftigt. Die Geschlechtergleichstellung ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie und spielt eine entscheidende Rolle bei der Reaktion auf den Arbeitskräftemangel und die neuen Qualifikationserfordernisse. Heutzutage sind nahezu 60 % der Hochschulabsolventen in der EU Frauen, aber der Anteil von Frauen mit einem wissenschaftlichen oder technischen Hochschulabschluss ist nach wie vor niedrig. Es gibt immer noch Hemmnisse, die Frauen daran hindern, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und Zugang zu Arbeitsplätzen und Positionen zu finden, die ihrer Qualifikation entsprechen“ (Europäische Kommission 2009a).
Die im Stabilitäts- und Wachstumspakt („Maastricht-Strategie“) vereinbarten Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedsländer beziehen sich primär auf die Gestaltung der öffentlichen Haushalte, das heißt auf die Frage, wie die Haushaltsdefizite der verschuldeten Mitgliedsländer abgebaut werden und in welcher Höhe eine Neuverschuldung geplant ist. Stärker als bei der LissabonStrategie sind die vereinbarten Ziele verbindlich (Haushaltsdefizit nicht über 3%
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union
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des BIP, Darlegung der Strategie zum Abbau der Schulden beziehungsweise zur Konsolidierung der Haushalte, bei Mitgliedern der Nicht-Euro-Zone zusätzlich Preisstabilität, Zins- und Währungskursstabilität), und die Europäische Kommission kann Sanktionsverfahren einleiten. Abbildung 1:
Wirtschafts- und beschäftigungspolitischer Rahmen
Maastricht-Strategie Stabilitäts- und Wachstumspakt Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten Haushaltsdefizit (60% des BIP)/ Neuverschuldung (3% des BIP) Jährliche Berichterstattung der Länder Stellungnahmen Kommission und Rat Sanktionen möglich
Lissabon-Strategie Wachstum und Beschäftigung „employment strategy“ + „economic policy strategy“=Integrated Guidelines 2005 – 2008 und 2008-2010 Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung (Quoten 70% Beschäftigungsquote, dabei 60% für Frauen, 50% für Ältere (55-64J.)) Jährliche Berichterstattung der Länder Stellungnahmen Kommission und Rat Keine Sanktionen möglich
Quelle: eigene Darstellung
Wurden die beiden Strategien bis 2005 getrennt verfolgt, so entwickelte die Kommission, in Abstimmung mit den Mitgliedsländern und dem Europäischen Parlament, ab 2005 so genannte Integrierte Leitlinien, in denen sich die Maastricht-Kriterien und die Lissabon-Strategie gleichermaßen wieder finden. Diese Integrierten Leitlinien definieren die Unterziele und strategischen Weichenstellungen in insgesamt 23 Leitlinien, und sie sind unterteilt in Leitlinien zur makroökonomischen Entwicklung, zur mikroökonomischen Entwicklung und zur Beschäftigung. Die integrierten Leitsätze der Wachstums- und Beschäftigungsstrategie aus dem Jahr 2005 (Europäische Kommission 2008b), die gerade eben für den Zeitraum bis 2010 noch einmal neu gefasst wurden (vgl. die englische Fassung im Anhang), zeigen den Balanceakt zwischen Liberalisierung und sozialer Verantwortung besonders deutlich. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Mitgliedsländer der EU wollen auch in Zukunft ihre öffentlichen Haushalte konsolidieren, insbesondere die staatlichen Schulden abbauen sowie die sozialen Sicherungssysteme so reformieren, dass diese finanziell tragfähig und dabei sozial angemessen und zugänglich sind. Sie wollen ihre öffentlichen Ausgaben so gestalten, dass damit Wachstum gefördert werden kann, und sie werden Rahmenbedingungen für eine Lohnentwicklung schaffen, bei denen Lohnerhöhungen und Arbeitskosten mit der Produktivitätsentwicklung in Einklang stehen. Dabei sollen Unterschiede bei den Qualifikationen und in den lokalen Arbeitsmarktbedingungen beachtet werden. Die Rahmenbedingungen für Güter- und Arbeitsmärkte
240
Friederike Maier
sollen so gestaltet werden, dass Flexibilität, Mobilität und Anpassungsfähigkeit der Märkte gestützt werden. Insbesondere soll es darauf ankommen, dass mehr Menschen in bezahlte Arbeit kommen. Dies soll unter anderem durch die Umgestaltung der Steuer- und Sozialleistungssysteme so erreicht werden, dass sich Arbeit für die Arbeitslosen und die Unternehmen „lohnt“, das heißt, dass die Unterstützungsleistungen deutlich unter den niedrigsten Löhnen liegen und die Lohnnebenkosten nicht zu hoch sind. Zugleich sollen mehr Investitionen in Humankapital angeregt werden, das heißt mehr Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Investitionen in Forschung und Entwicklung sollen forciert werden, unter anderem im öffentlichen Bildungs- und Forschungsbereich, Innovationen sollen gefördert werden, die Informations- und Kommunikationstechnik soll verbreitet werden, die industrielle Basis Europas soll gestärkt werden. Umweltschutz und wirtschaftliches Wachstum sollen gemeinsam verfolgt werden. Bei den Regelungen zum Binnenmarkt sollen bürokratische und Handelshemmnisse abgebaut, ein Dienstleistungsbinnenmarkt soll realisiert werden (unter Wahrung des europäischen Sozialmodells!), und das Unternehmensumfeld soll wettbewerbsfreundlicher gestaltet werden. Dabei sollen die Unternehmen auch zur Entwicklung ihrer sozialen Verantwortung angeregt werden. Gleichzeitig soll eine „unternehmerische Kultur“, insbesondere im Bereich der Existenzgründung, geschaffen werden, das heißt, die Europäische Kommission möchte mehr Menschen zur Übernahme unternehmerischer Verantwortung anregen. Die Öffnung der Netze in den Märkten für Verkehr, Energie und Informations- und Kommunikationstechnik soll weiter vorangetrieben werden. Der Arbeitsmarkt und die sozialpolitischen Sicherungssysteme sollen so umgestaltet werden, dass die Flexibilität der Arbeitsmärkte erhöht wird, ohne dass die Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abnimmt (Flexicurity), Arbeitssuchende sollen gefördert und gefordert werden. Durch neue Regelungen in der Arbeitsmarktpolitik und Arbeitslosenunterstützung soll den Arbeitsmarkterfordernissen besser entsprochen werden, zugleich sollen die Arbeitsproduktivität und die Qualität der Arbeitsplätze gesteigert werden. Die integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung sind von allen Mitgliedstaaten als Orientierungen für ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik akzeptiert, und viele der Formulierungen kommen in der Begründung zu den Arbeitsmarktreformen in der Bundesrepublik Deutschland vor, die unter den Namen Hartz I - IV bekannt sind. Die Leitlinien sind voller widersprüchlicher Annahmen und Aussagen, die auch sehr unterschiedlich interpretiert werden können: einerseits als Programm der weiteren radikalen Liberalisierung der europäischen Ökonomien, andererseits als Bekräftigung des europäischen Sozialmodells, das aufbaut auf Solidarität, sozialem Ausgleich, guten Arbeitsbedingungen und
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union
241
Gleichstellung der Geschlechter, wie es die EU Kommission selbst formuliert. In jedem einzelnen Mitgliedsland wird um die Interpretation einer richtigen Wirtschafts- und Sozialpolitik politisch gerungen, und auch auf der Ebene der Europäischen Leitlinien sind Veränderungen immer wieder möglich gewesen. Dies zeigt sich aktuell darin, dass die erforderlichen Neuverschuldungen zur Bekämpfung der Finanzkrise und der Rezession ohne größere Diskussionen ermöglicht wurden. Eine solche Flexibilität war in den vergangenen Jahren immer wieder eingefordert worden, und Skeptiker hatten befürchtet, dass das Dogma der Haushaltskonsolidierung über die konjunkturpolitischen Erfordernisse siegen würde.
4
Zwischenbilanz generell …
In einer Zwischenbilanz hatte die Europäische Kommission schon 2005 festgestellt, dass die angestrebten Ziele unter anderem wegen der schwachen Konjunktur nicht erreicht wurden. In den Jahren 2001 - 2004 lagen die Wachstumsraten immer unter dem Wert von 3% und die Beschäftigungsquoten erreichten gerade einmal 63%. Die Arbeitslosenquote blieb mit über 8% hoch, die Hälfte davon waren Langzeitarbeitslose mit einer Arbeitslosigkeitsdauer von über 12 Monaten. Erst 2006 und 2007 verbesserte sich die gesamtwirtschaftliche Situation spürbar, das Wachstum lag nun fast bei 3%, die Arbeitslosenquote sank unter 8%, die Beschäftigungsquote stieg auf nunmehr 65%. Ob diese Entwicklungen erste Erfolge der neu formulierten Strategie für Wachstum und Beschäftigung sind, wie es die Europäische Kommission betont, oder das Ergebnis einer gesamtwirtschaftlich positiven Entwicklung, die auf andere Einflussfaktoren zurückzuführen ist, sei dahingestellt. Das gleiche gilt für die Maastricht-Kriterien. In den Jahren der ökonomischen Krise, insbesondere 2003 und 2004, konnten sie kaum erfüllt werden. Seit der konjunkturellen Erholung 2006 dagegen sinkt die jährliche Neuverschuldung, und die Haushaltsdefizite über alle 27 Länder zusammengefasst lagen unter 60% des BIP. Als Folge der aktuellen Finanzmarktkrise und der tiefen Rezession werden die zentralen Maastricht-Kriterien in den kommenden Jahren vermutlich nicht mehr zu erreichen sein, denn schon heute haben alle Mitgliedsländer und die Kommission höhere Neuverschuldungen zur Eindämmung der Krise realisiert. In einigen Ländern sind zudem die Krisenfolgen auch schon auf dem Arbeitsmarkt in höherer Arbeitslosigkeit sichtbar. Auch die Kommission selbst geht davon aus, dass das Beschäftigungsziel von 70% nicht mehr erreicht werden wird und die Arbeitslosigkeit auf über 11% ansteigen wird (Europäische Kommission 2009b).
242 Tabelle 1:
Friederike Maier Entwicklung wichtiger ökonomischer Größen in Europa (EU 27), 2001-2007
Wirtschaftswachstum (reales BIP-Wachstum) Arbeitslosenquote Inflation Wachstum der Arbeitsproduktivität (reales BIP/Erwerbsperson) Beschäftigungsquote insgesamt Beschäftigungsquote Frauen Beschäftigungsquote Frauen in Vollzeitäquivalenten Beschäftigungsquote Ältere (55 - 64J.) Langzeitarbeitslosenquote (mehr als 12 Monate) Finanzierungssaldo öffentlicher Haushalte Haushaltsdefizit (in % des realen BIP)
01 2,0 7,8 2,2
02 1,2 8,2 2,1 0,8
03 1,3 8,7 2,0 0,9
04 2,4 8,6 2,0 1,6
05 1,7 7,8 2,2 0,7
06 2,9 7,8 2,2 1,3
07 2,9 7,1 2,3 1,3
62,5 54,3 47,2
62,3 54,5 47,3
62,5 54,9 47,7
62,9 55,3 47,6
63,4 56,0 47,9
64,5 57,1 49,0
65,4 58,3 49,8
37,7 3,9 -1,4 61,0
38,5 4,0 -2,5 60,3
40,0 4,1 -3,1 61,8
40,6 4,2 -2,8 62,1
42,3 4,0 -2,5 62,6
43,5 3,6 -1,4 61,3
44,7 3,0 -0,9 58,7
Quelle: Europäische Kommission 2008a und 2008d
Trotz steigender Erwerbsbeteiligung wird die Ziel-Beschäftigungsquote der Frauen von 60% nicht erreicht, weder in den „guten“ Jahren vor der Krise noch danach. Bei der Berechnung dieser Quote wird nicht die tatsächliche Arbeitszeit der Arbeitskräfte zugrunde gelegt, sondern pro Kopf gezählt. Berechnet man die Beschäftigungsquote in Vollzeitäquivalenten, das heißt, berücksichtigt man, dass in vielen EU-Mitgliedsstaaten Frauen oft nur in Teilzeit beschäftigt sind, dann liegen die Beschäftigungsquoten für die Frauen deutlich unter 50%. Da nur sehr wenige Männer Teilzeit arbeiten, verändert die Berechnung in Vollzeitäquivalenten deren Beschäftigungsquote praktisch kaum. Die aggregierten Größen aus Tabelle 1 verbergen jedoch die ungeheure Heterogenität zwischen den 27 Mitgliedsländern, das heißt, hinter den vorne dargestellten Daten verbergen sich erhebliche Unterschiede zum Beispiel in Bezug auf die Wirtschaftskraft eines Landes und die Integration von Erwerbspersonen in den Arbeitsmarkt und dabei insbesondere der Frauen. In der Abbildung 2 werden einmal die Beschäftigungsquote von Männern und Frauen und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung4 dargestellt und einmal nur die Beschäftigungsquote der Frauen und das BIP. Die Unterschiede in der Kaufkraft der jeweiligen Währungen werden durch die Berücksichtigung von Kaufkraftparitäten erfasst. 4
Die Verwendung des BIP als Indikator für Wirtschaftskraft ist immer problematisch, da das BIP die gesamte unbezahlte Care-Ökonomie eines Landes nicht erfasst. Diese unbezahlte Arbeit trägt in erheblichem Maß zur Wohlfahrt einer Gesellschaft bei, und sie ist überwiegend Arbeit, die Frauen leisten.
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union Abbildung 2:
243
Wirtschaftskraft und Beschäftigung
BIP/Kopf in KKS* 150
Wirtschaftskraft und Beschäftigung 2006 Irland Niederlande Österreich Schweden
Belgien
120
GB
Finnland Deutschland Frankreich Spanien
Italien
EU (27 Länder)
Griechenland
Zypern Slowenien
90
Tschechische Republik Portugal
Malta
Estland Ungarn
Slowakei
60 Litauen Polen
Bulgarien
Lettland
Rumänien
30 30 * KKS = Kaufkraftstandards
35
40
45
50
55
60
Quelle: Eigene Darstellung nach Eurostat
BIP/Kopf in KKS* 150
65
70
75
Beschäftigungsquote gesamt
Wirtschaftskraft und Beschäftigung 2006 Irland
120
Niederlande Österreich Schweden Dänemark GB Finnland Deutschland Frankreich
Belgien
Spanien
Italien
EU (27 Länder)
Griechenland
Zypern Slowenien
90
Tschechische Republik Portugal
Malta
Estland Ungarn
Slowakei
60
Litauen Polen
Rumänien
Lettland
Bulgarien
30 30
* KKS = Kaufkraftstandards
35
40
45
Quelle: Eigene Darstellung nach Eurostat
50
55
60 65 70 75 Beschäftigungsquote Frauen
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Friederike Maier
Generell gilt: Je höher die Beschäftigungsquote eines Landes, umso höher ist das Bruttoinlandsprodukt. Allerdings sind die Unterschiede enorm: Während das BIP 2007 in Bulgarien oder Rumänien nur 30% des EU-Durchschnitts (EU 27=100) betrug, hatte Irland in 2007 ein BIP, das 40% über dem EU-Durchschnitt lag. Alle neuen Beitrittsländer haben ein unterdurchschnittliches BIP, bezogen auf die Beschäftigungsquote insgesamt liegen die Länder jedoch relativ nahe beieinander. Vergleicht man allerdings die Beschäftigungsquoten der Frauen, so wird das Bild sehr viel heterogener: Die Spanne reicht von einer extrem niedrigen Beschäftigungsquote in Malta (35%) bis zur Quote von über 73% in Dänemark. Jedoch auch mit Bezug zur Frauenbeschäftigung gilt: Je höher die Frauenbeschäftigung, desto höher die Wirtschaftskraft des Landes. Dabei ist die Kausalität dieses Verhältnisses durchaus unklar: Führen mehr Frauen im Beschäftigungssystem zu einer Ausweitung der Produktion von Gütern und Dienstleistungen oder führt ein höheres Produktionsniveau zur Ausweitung der Erwerbsarbeit auch auf Frauen? Für beide Richtungen des Zusammenhangs gibt es plausible Argumente: Werden Frauen als Beschäftigte in den Arbeitsmarkt integriert, dann setzt ihre Integration die Übernahme gewisser CareArbeiten durch den Markt oder den Staat voraus, zum Beispiel in Form von Kinderbetreuung. Dies schafft unmittelbar Beschäftigung für Frauen in Kinderbetreuungseinrichtungen und ermöglicht andererseits die Erwerbstätigkeit anderer Frauen in anderen Sektoren der Volkswirtschaft. In dem Moment, wo Kinderbetreuung durch bezahlte Arbeitskräfte übernommen wird, ist sie Teil des BIP – steigende formelle und bezahlte Kinderbetreuung erhöht somit das BIP und die Beschäftigtenzahlen der Frauen. Ob aber der Impuls zur Integration der Frauen in das Beschäftigungssystem als Ergebnis der höheren Erwerbsorientierung des Frauen quasi von selbst geschieht (das Angebot schafft sich seine Nachfrage selbst, sogenanntes Say’sches Theorem, und aufgrund der geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede für die Unternehmen sogar zu günstigen Bedingungen) oder aber darauf beruht, dass Unternehmen aufgrund der Nachfragesituation auf Gütermärkten ihre Produktion ausdehnen wollen und dabei dann auch auf Frauenarbeit zurückgreifen (Argument der Reservearmee), sei dahingestellt – faktisch haben Länder mit höherer Frauenerwerbstätigkeit auch ein höheres BIP. In allen Ländern ist die Erwerbsbeteiligung der Frauen gestiegen. Eine – nicht nach Geschlecht differenzierte – Analyse der Position einzelner EU-Mitgliedsländer in Bezug auf die Lissabon-Strategie und die MaastrichtKriterien für den Zeitraum 2000 bis 2005 kommt zu folgenden Ergebnissen:
Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Europäischen Union
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„Ein (…) zentrales Resultat ist, dass Europa insgesamt noch einen weiten Weg zum ‚dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Erde’ vor sich hat, welcher darüber hinaus auch durch fiskalische Nachhaltigkeit geprägt sein sollte. Die Zielerreichung, die hier Länder wie die USA, Kanada oder auch die Schweiz vorzuweisen haben, wird bisher nur von wenigen EU-Staaten erreicht“ (Bertelsmann Stiftung 2007: 6).
Die Ergebnisse der Studie5 können wie folgt interpretiert werden: Unter den EUMitgliedsländern erreichen Luxemburg, Finnland, Schweden und Dänemark sehr gute Ergebnisse in allen Dimensionen, Norwegen ist ebenfalls unter den Spitzenreitern, Irland erreicht die Maastricht-Kriterien besser als andere, dafür sind die Daten bei der Lissabon-Strategie nicht überdurchschnittlich. Großbritannien liegt dicht hinter dem nordischen Cluster, gefolgt von Spanien. Die kontinentaleuropäischen Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich und Italien schneiden deutlich schlechter ab: Deutschland und Italien vor allem bei der Staatsverschuldung und der Haushaltskonsolidierung, Frankreich auch bei den Indikatoren, die sich auf Wachstum und Beschäftigung beziehen. Die Bertelsmann Stiftung kommt zu folgender Schlussfolgerung: „Dies scheint dafür zu sprechen, dass zwei sehr unterschiedliche Gesellschafts- und Sozialmodelle erfolgreich sein können: das nordische, wohlfahrtsstaatorientierte Modell und das angelsächsische, auf Eigenverantwortung und relativ geringe Staatsquoten setzende Modell“ (Bertelsmann Stiftung 2007: 6).
Zumindest für die Zeit vor der Finanzmarktkrise kann also die Aussage getroffen werden, dass eine positive ökonomische Entwicklung nicht zwangsläufig mit einem liberalisierten Wohlfahrtsstaatsmodell verknüpft sein muss. Auch andere Studien, die sich zum Beispiel intensiv mit der Frage der Liberalisierung der Arbeitsmärkte auseinandersetzen, kommen zu ähnlich Ergebnissen: Coats (2006), Baker et al. (2004) oder Carlin/Soskice (2006) können ebenfalls zeigen, dass die oft postulierten positiven Zusammenhänge zwischen der Liberalisierung der Arbeitsmärkte und der Entwicklung der Arbeitslosigkeit beziehungsweise Beschäftigung keinesfalls empirisch nachgewiesen sind, dass im Gegenteil oft sogar Länder mit strengen Arbeitsmarktregulierungen höhere Beschäftigungsquoten beziehungsweise niedrigere Arbeitslosenquoten haben als die deregulierten Länder. Die Ergebnisse der auch von der EU verfolgten Politik der Deregulierung und Liberalisierung sind nicht so eindeutig positiv, wie sie von den Verfechtern oft behauptet werden. 5
Auf eine detaillierte Diskussion der Daten und Indikatoren, die zur Berechnung der Werte herangezogen wurden, muss hier verzichtet werden.
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… und für die Frauen?
Sie kommen – wie vorne schon erwähnt – in der europäischen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik vor: In den Leitlinien der Lissabon-Strategie spielen Frauen eine Rolle als Arbeitskräftepotential, als Humankapital, das es zu aktivieren gilt, als (potentielle) Mütter, denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht werden muss. Ihre ökonomische Schlechterstellung in den Bereichen Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Entgelt wird bemängelt, und es werden entschlossene Maßnahmen angemahnt. Allerdings, und dies ist ein Unterschied zur politischen Agenda vor 2005, gibt es keine eigene Leitlinie zur Geschlechtergleichheit mehr, die Gleichstellung ist aufgegangen in einigen der allgemein gehaltenen Leitsätze zum Arbeitsmarkt und zur Beschäftigung. Noch im Jahre 1999 war in den beschäftigungspolitischen Leitlinien dagegen formuliert worden, dass Gleichstellungspolitik nicht nur Integration in die Erwerbstätigkeit beinhaltet, sondern „ein angemessenes Angebot an guter Betreuung und Pflege für Kinder und andere im Haushalt lebende Personen geschaffen werden müsse“ und dass „die partnerschaftliche Teilung der Versorgungsarbeit unumgänglich sei“ (zitiert nach Gerhard/Knijn/Weckwert 2003: 18). Damals waren die Bedingungen für weibliche Erwerbsarbeit in den zentralen wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Dokumenten der EU klarer und deutlicher formuliert als heute. Die ökonomische und soziale Gleichstellung der Geschlechter hat in den neuen strategischen Dokumenten als eigenständiges Thema an Sichtbarkeit und politischer Relevanz verloren, sie taucht nur noch in den entsprechenden Berichten zur Gleichstellung der Geschlechter auf (siehe zum Beispiel Europäische Kommission 2009a). Die geringere Sichtbarkeit von politischen Initiativen zur Verbesserung der ökonomischen Situation der Frauen in der EU ist auch ein Rückschritt gegenüber den 1970er und 1980er Jahren, in denen Gleichstellungspolitik eine hohe politische Priorität hatte. In vielen Mitgliedsländern wurden in dieser Zeit fortschrittliche rechtliche Regelungen ermöglicht sowie eine starke institutionelle Verankerung im Prozess der europäischen Politikformulierung erreicht (vgl. dazu auch Wobbe/Biermann 2009). Nachdem in den Anfängen der Europäischen Gemeinschaften die ökonomische Gleichstellung der Frauen nur als Randthema vorkam (die Römischen Verträge enthielten einen Artikel, der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern verbot), änderte sich dies – nicht zuletzt durch die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen forciert – Anfang der 1970er Jahre. Aufbauend auf dem Lohngleichheitsgebot, das seinen Eingang aus wettbewerbspolitischen Gründen in die Römischen Verträge fand und damals wenig gleichstellungspoli-
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tisch gemeint war6, baute die Europäische Kommission zusammen mit dem Europäischen Gerichtshof eine bemerkenswerte Gleichstellungspolitik auf. Erstmals wurden in den frühen achtziger Jahren die strukturellen Bedingungen der Ungleichheit von Männern und Frauen insbesondere als ökonomische Akteurinnen und Akteure analysiert und mit Hilfe vielfältiger Richtlinien ein System der rechtlichen Gleichstellung in den Feldern Beschäftigung, soziale Sicherung und Entlohnung entwickelt. Die von der Europäischen Kommission angeregten Untersuchungen zu geschlechtsspezifisch segregierten Arbeitsmärkten, zur Ungleichheit im Bildungs- und Beschäftigungssystem, zur anhaltenden Ungleichheit bei den Löhnen wurden nach und nach ergänzt um Forschungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu geschlechtsspezifischen Bedingungen der sozialen Integration, zur Beteiligung von Frauen und Männern an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen7. Diese vergleichenden Analysen zeichnen nicht nur die Entwicklungen in den Mitgliedsländern auf und analysieren die Effekte der jeweiligen Politiken in den Bereichen Arbeitsmarkt und Beschäftigung, sie zeigen auch die Heterogenität der Länder und ihr unterschiedliches Selbstverständnis in Bezug auf Geschlechtergleichheit und -gerechtigkeit. Bezogen auf die gleichstellungspolitische Situation ließ die EU-Kommission die Expertinnengruppe Anfang 2002 eine Studie erarbeiten, die messen sollte, wie es um die Gleichstellung der Geschlechter in den alten 15 Mitgliedsländern bestellt ist. In dieser Studie wurden die folgenden Dimensionen untersucht: Wie viele Frauen sind erwerbstätig (Arbeitszeit umgerechnet in Vollzeitäquivalente), wie viele Frauen sind arbeitslos, wie groß ist der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen und wie viele Frauen beziehungsweise Männer in Einpersonenhaushalten sind arm. Darüber hinaus wurde gefragt, wie stark Frauen in politischen Entscheidungsprozessen vertreten sind und wie hoch der Frauenanteil in Führungspositionen der privaten und öffentlichen Wirtschaft ist. Zudem wurde geprüft, ob es noch Unterschiede im allgemeinen und beruflichen Ausbildungsniveau zwischen den Geschlechtern gibt. Von Ökonominnen und Ökonomen sonst nie berücksichtigt, floss hier auch als Indikator ein, wie viel 6
In einem einheitlichen Markt können Unterschiede in den Lohnmechanismen der beteiligten Länder zu Wettbewerbsvor- und/oder -nachteilen führen. So war die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern in der französischen Verfassung verankert, während andere Länder dieses Prinzip 1956 noch nicht realisiert hatten. Für Frankreich war die Verankerung der Entgeltgleichheit in den römischen Verträgen daher wettbewerbspolitisch relevant (vgl. dazu Wobbe/Biermann 2009 sowie die dort zitierte Literatur). 7 Die Kommission stützte sich in den vergangenen Jahren auch auf die Arbeiten einer Expertinnengruppe, deren Analysen veröffentlicht sind unter den folgenden Adressen: http://www.mbs.ac.uk/ research/europeanemployment/projects/gendersocial/publications-egge.aspx (1998-2003) sowie http:// ec.europa.eu/employment_social/gender_equality/gender_mainstreaming/gender/exp_group_de.html (2004-2008)
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Zeit Männer und Frauen mit privater Kinderbetreuung verbringen und wie viel Freizeit ihnen bleibt. Leider konnten weitere Faktoren wie die Ausstattung mit öffentlicher Kinderbetreuung oder andere familienbezogene öffentliche Dienste noch nicht berücksichtigt werden. Doch auch ohne diese Indikatoren waren die Ergebnisse sehr deutlich, wie die folgende Abbildung zeigt: Abbildung 3:
Länder Ranking im Gender Equality Index 20038
Quelle: Plantenga et al. 2003: 36
In keinem Land wurde 2003 Geschlechtergleichheit in allen Dimensionen erreicht (kein Land hat den Wert 1,00 erzielt), aber die aus wirtschaftspolitischer Sicht erfolgreichen nordischen Länder sind auch in der ökonomischen und sozialen Gleichstellung der Geschlechter erfolgreicher. Die angelsächsischen Länder wie Großbritannien und Irland, die nach den Lissabon- und Maastricht-Kriterien gut abgeschnitten haben, haben in Punkto Geschlechtergleichheit nur unterdurchschnittliche Ergebnisse. Die zentraleuropäischen Ökonomien wie Deutschland und Frankreich liegen im Mittelfeld. An dieser Reihenfolge hat sich seit Beginn dieses Jahrtausends wenig geändert, im Gegenteil: Seit der EUErweiterung sind die Unterschiede zwischen den Ländern eher größer geworden, und das politische Selbstverständnis über die Relevanz der Gleichstellungspolitik ist eher heterogener als homogener geworden. 8
Note that for Sweden data on two sub-dimensions are missing. In these cases the European average was inserted, but in the Swedish case these values may result in an underestimation of the actual values.
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In allen Veröffentlichungen, wie jüngst wieder in den Gleichstellungsberichten der Kommission für die Jahre 2008 und 2009 (Europäische Kommission 2008c und 2009a), finden wir das gleiche ernüchternde Bild: Zwar ist die Erwerbsbeteiligung der Frauen in der EU insgesamt gestiegen und auch die Beschäftigungsquote ist heute höher als vor zehn Jahren. Umgerechnet auf Vollzeitäquivalente hat sich aber wenig geändert, da insbesondere die Teilzeitbeschäftigung stark gewachsen ist. Die Entwicklungen in den Bereichen Lohngleichheit, geschlechtsspezifische Spaltung des Arbeitsmarkts, Frauen in Führungspositionen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Arbeitslosigkeit sind kaum als positiv zu bezeichnen.9 Die Kommission selbst kommt zu der Schlussfolgerung, dass die LissabonStrategie in Bezug auf Frauen allenfalls quantitative Erfolge hatte, in dem Sinn, dass die zusätzlichen Arbeitsplätze in der EU im Wesentlichen mit Frauen besetzt wurden. Dass dabei nicht nur die Teilzeitbeschäftigung rasch zunahm, sondern auch andere Formen „schlechter Arbeit“ für Frauen wie geringfügige Beschäftigung, Beschäftigung zu sehr niedrigen Löhnen und befristete Arbeitsverhältnisse, wird zwar konzediert, aber nicht in Bezug gesetzt zur eigenen politischen Strategie: Wird nicht in den Leitlinien gefordert, dass der Arbeitsmarkt flexible Arbeitsverhältnisse bereitstellen soll und dass Löhne an die Arbeitsmarktverhältnisse angepasst werden sollen? Wird nicht betont, dass expandierende Märkte rasch mit Arbeitskräften versorgt werden müssen – auch und gerade in den (schlecht entlohnten) Dienstleistungssektoren? Sollten nicht die sozialen Sicherungssysteme nach unten angepasst werden, so dass sich auch niedrig bezahlte Arbeit „wieder lohnt“? Bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und fortschreitender Lohndifferenzierung ist es allerdings kein Wunder, dass die Armut unter arbeitslosen und allein erziehenden Frauen in vielen Mitgliedsstaaten zunimmt. Und hat – auf der anderen Seite – nicht die Maastricht-Politik der EU die Gemeinden, Länder und Bundesverwaltungen angehalten, ihr Personal abzubauen beziehungsweise wurden im Zuge der Liberalisierung und Privatisierung (Binnenmarkt) nicht in großem Umfang Arbeitsplätze abgebaut wie zum Beispiel in den einstmals staatlichen Monopolunternehmen –und damit auch „gute“ Arbeitsplätze von Frauen? Haben die meisten EU-Mitgliedsländer und die Europäische Kommission in den vergangenen Jahren nicht eine Wirtschafts- und Sozialpolitik verfolgt, die unter Berufung auf Lissabon- und Maastricht-Prozesse die Zuspitzung der ökonomischen und sozialen Verteilungsprobleme in Kauf genommen hat? Sind die mageren Fortschritte im Bereich Gleichstellung nicht auch das Ergebnis einer Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, die die Ungleichheit der Geschlechter (und auch andere Ungleichheiten wie zwischen Arm 9
„The indicators for pay, labour market segregation and the number of women in decision-making jobs have not shown any significant increase for several years“ (EU 2008c: 8).
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und Reich) zumindest billigend in Kauf genommen hat? Und haben nicht die Länder mit den besseren Ergebnissen in Sachen Gleichstellung auf wirtschaftsund sozialpolitischen Konzepten bestanden, die eben gerade nicht im Zentrum der Lissabon- und Maastricht-Leitlinien lagen wie zum Beispiel die Aufrechterhaltung eines hohen Kinderbetreuungsstandards trotz Haushaltskonsolidierungsanforderungen? Das wirtschaftspolitische Konzept, das der Maastricht- und der LissabonStrategie zugrunde liegt, hat in weiten Teilen eine Ausrichtung, die als einseitig auf den Markt orientierte Politik interpretiert werden muss. Den Markt für Güter und Dienste als die zentrale zu optimierende Instanz zu formulieren bedeutet, dass Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nur dann relevant sind, wenn sie im Markt Bedeutung haben. Wie schon bei der Formulierung der Entgeltgleichheit in den Römischen Verträgen bleibt das Geschlechterverhältnis immer noch eine Wettbewerbsangelegenheit – und Geschlechtergleichheit dann relevant, wenn sie dazu beiträgt, dass Europa zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt wird. Die Entwicklung in den einzelnen Ländern scheint zu bestätigen, dass diejenigen Länder ökonomisch erfolgreich waren, die eine hohe Erwerbsbeteiligung der Frauen haben, die Geschlechterpolitiken selbst können dabei mehr (nordische Länder) oder weniger (Großbritannien, Irland) der Gleichheit verpflichtet sein. Aus dieser Perspektive betrachtet haben gleichstellungspolitische Unterschiede kaum eine Wirkung auf die ökonomische Effizienz, die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt dagegen ist hochgradig relevant, und Länder wie Deutschland oder Italien könnten besser abschneiden, würden sie die Hemmnisse zur Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt abbauen. Während sich die Erwerbsbeteiligung der Frauen generell positiv entwickelt hat, bleiben erhebliche Zweifel, ob die gewählten wirtschaftspolitischen Ziele und Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, eine Verbesserung der ökonomischen Situation der Frauen zu erreichen. Zu groß scheinen in vielen Mitgliedsländern insbesondere die Zielkonflikte zwischen Haushaltskonsolidierung beziehungsweise Regulierung der Finanzkrise und weiterer Arbeitsmarkt-Liberalisierung einerseits und der Notwendigkeit des Ausbaus der familienbezogenen öffentlichen Dienste und der Schaffung besser bezahlter, sicherer und sozialrechtlich abgesicherter Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen, andererseits. Die Gewichte in den politischen Entscheidungen sind zurzeit zu Gunsten der Konsolidierung beziehungsweise Krisenbekämpfung und Liberalisierung verschoben. Diese einseitige Ausrichtung der Politik nimmt in Kauf, dass zwar mehr Frauen erwerbstätig sind oder sein müssen, dass sich die Arbeitsbedingungen, Löhne und Sozialleistungen jedoch in vielen Mitgliedsländern, insbesondere auch in Deutschland, nach unten bewegen. Für die Jahre der Rezession ist zu erwarten, dass sich die Erwerbsmöglichkeiten auch der Frauen dramatisch verschlechtern
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und deregulierte Arbeitsmärkte und gekürzte Sozialleistungen dazu beitragen werden, dass die relative Armut vieler Frauen steigen wird. Der Ansatz, die gesellschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern auf eine Frage der Arbeitsmarktintegration von Frauen, insbesondere von Müttern, zu reduzieren, war in der EU-Politik latent immer vorhanden, da sich die gesamte politische Legitimation ihrer Gleichstellungspolitik auf einen wettbewerbspolitischen Artikel der Römischen Verträge stützte. Dass die Ermöglichung gleicher Chancen in der Erwerbsarbeit geknüpft ist an eine Reihe von anderen Faktoren, die sowohl in ökonomischer wie politischer Hinsicht zu verändern sind – wie zum Beispiel diskriminierungsfreier Zugang zu Ausbildung und Weiterbildung, qualifikationsgerechte Beschäftigung und Entlohnung, individueller, das heißt familienunabhängiger Zugang zu Zeit, Geld und Infrastruktur im Bereich Kinderbetreuung, Neugestaltung der unbezahlten Reproduktionsarbeit zwischen Männern und Frauen einerseits, Familie, Staat und Markt andererseits – ist eine zwar weitgehend geteilte Erkenntnis, die jedoch in der aktuellen wirtschaftspolitischen Strategie der EU ausgeklammert bleibt. Die Maßnahmen, die die Leitlinien vorsehen, zielen darauf ab, die Anreize für die Frauen zu erhöhen, ein Beschäftigungsverhältnis einzugehen, indem zum Beispiel Unterstützungsleistungen wie Arbeitslosengeld oder Elterngeld weniger lang bezahlt werden als früher, indem Lohnersatzleistungen gesenkt werden, damit sich „Arbeit wieder lohnt“ auch zu Löhnen, wie sie typisch sind für Frauenarbeitsplätze in Teilen der Dienstleistungsbranchen. Durch Ausnahmen von der Sozialversicherungspflicht werden finanzielle Anreize gesetzt, auch schlecht bezahlten Jobs zu akzeptieren, so dass die Expansion der nicht-sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Form der Mini-Jobs von der Bundesrepublik Deutschland im jüngsten Nationalen Reformprogramm sogar als Erfolg der Gleichstellungspolitik dargestellt wird. Die Verschiebung des Rentenalters auf 67 Jahre, begründet mit der Zielsetzung, die Erwerbsquote der Älteren anzuheben, wird erhebliche negative Auswirkungen auf Frauen haben, die schon unter den gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen kaum in der Lage sind, existenzsichernde Rentenansprüche zu erwerben. Maßnahmen, die auf eine Veränderung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und damit auch auf eine Verringerung der statistischen Diskriminierung von Frauen hinzielen könnten wie zum Beispiel die Vätermonate beim Elterngeld, haben dagegen einen viel geringeren Stellenwert in der politischen Strategie. Nachfrageorientierte Politiken – wie zum Beispiel der gezielte Ausbau von öffentlicher Infrastruktur in den Bereichen Kinderbetreuung und Bildung, die Stabilisierung der Binnenmärkte durch den Ausbau öffentlicher Investitionen und öffentlicher Dienstleistungen oder die Förderung privater Nachfrage durch Mindestlohnregelungen, großzügige Lohnersatzleistungen oder niedrige Steuer-
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sätze für GeringverdienerInnen – spielen in der EU-Strategie nicht nur keine Rolle, sondern werden zum Teil sogar als wachstumshemmend diskreditiert. Da das Geschlechterverhältnis tatsächlich in fast allen ökonomischen Bereichen eine Rolle spielt, ist es prinzipiell richtig, in allen Bereichen nach dem Geschlechterbezug zu fragen (Prinzip des Gender Mainstreaming) und die Wirkungen der jeweiligen Politikbereiche auf das Geschlechterverhältnis zu analysieren. Diesen Anspruch verfolgt der Gender Mainstreaming-Ansatz der Europäischen Kommission zumindest auf dem Papier. Jedoch wird dieser Ansatz nicht umgesetzt, denn der Geschlechterbezug geht in den allgemein formulierten Richtlinien weitgehend verloren. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Beschäftigung, den Einkommen und der Arbeitslosigkeit, die die EU auch in ihren Berichten zur Gleichstellung10 immer wieder konzediert, werden so nicht tatsächlich zum Gegenstand der einzelnen Politikbereiche gemacht, sondern einfach nicht mehr thematisiert. Eine detaillierte Analyse der nationalen Berichte zur Umsetzung der Integrierten Leitlinien zeigt, dass der Stellenwert gleichstellungspolitischer Aktivitäten in fast allen Mitgliedsländern zurückgegangen ist und dass die Vorgaben der EU sogar dazu beitragen, dass nationale Gleichstellungsmaßnahmen mit weitreichenden Folgen gar nicht mehr erwähnt werden (vgl. Fagan/Grimshaw/Rubery 2006). Die ohnehin niedrige Beachtung, den die Politik des Gender Mainstreaming in der Praxis der meisten EU-Mitgliedsländer fand, hat sich in den vergangenen Jahren weiter verringert. Auch deswegen ist es ein Rückschritt, dass es keine eigenständigen Leitlinien zur Gleichstellung mehr gibt. In zentralen Politikfeldern der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist es bisher nicht im Ansatz gelungen, das Gender Mainstreaming-Konzept tatsächlich zu verankern. Bei Diskussionen um die „richtige“ Gestaltung der öffentlichen Ausgaben, des Steuersystems oder der Rahmenbedingungen für ökonomisches Wachstum finden sich keine Analysen, in denen untersucht wird, welche Wirkungen die vorgeschlagenen Maßnahmen für das Geschlechterverhältnis haben werden. Obwohl feministische Ansätze zum Gender Mainstreaming von Wirtschafts- und Finanzpolitik zum Beispiel Instrumente wie das Gender Budgeting entwickelt haben, wird auf der EU-Ebene über solche Ansätze in eigenen Haus oder in den Mitgliedsländern nicht diskutiert. Einzig bei den Förderprogrammen im Rahmen des Europäischen Strukturfonds spielen Kriterien wie Beteiligung von Frauen und Männern oder Auswirkungen auf Frauen und Männer eine Rolle und wird ein expliziter Gender Mainstreaming-Ansatz verfolgt11. Der Verzicht der EU auf eine eigenständige Leitlinie zur Gleichstellungsund Frauenpolitik macht die Verfolgung gleichstellungspolitischer Ziele nicht 10
Vgl. dazu den jüngsten Bericht Europäische Kommission 2009a. Siehe zum Beispiel die Umsetzung in Deutschland auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit.
11
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gerade einfacher. Die Einbettung der mageren Aussagen zur Erwerbstätigkeit in die arbeitsmarktpolitischen Leitlinien macht zudem den begrenzten Ansatz der EU-Gleichstellungspolitik deutlich, die sich auf den Bereich Arbeitsmarkt hat zurückdrängen lassen und die Entwicklung der makro- und mikroökonomischen Leitsätze vollständig „genderfrei“ lässt. Fagan, Grimshaw und Rubery (2006) formulieren ein Dilemma, vor dem sie die gleichstellungspolitischen AkteurInnen sehen: „The task of changing the overall policy agenda is so huge that it may not happen at all if we rely on the gradual development of a gender mainstreaming approach. However, the alternative approach of promoting gender-specific policies combined with gender mainstreaming in the policy areas where gender issues are most apparent, runs the risk that progress may in fact be overturned by unfavourable developments in the wider economy“ (Fagan/Grimshaw/Rubery 2006: 576).
Der Rückgang der Gender Mainstreaming-Aktivitäten selbst im begrenzten Bereich der Beschäftigungspolitik wird in einem aktuellen Bericht der Expertinnengruppe12 deutlich, in dem es im Fazit heißt: „Die vorliegende Studie zeigt, dass die meisten Länder immer noch weit von der Anwendung eines umfassenden Gender Mainstreaming-Ansatzes in der Beschäftigungspolitik entfernt sind. Insbesondere im Bereich der Lohnpolitik und der Flexicurity-Politik ist das Bewusstsein für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Regel noch relativ gering. Außerdem wird die Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Ausarbeitung politischer Maßnahmen oft nicht berücksichtigt“ (Plantenga/Remery/Rubery 2008: 23).
6
Fazit
Das ehemals „ökonomische Projekt Europa“ ist heute kein ausschließlich ökonomisches Projekt mehr, es verändert die europäischen Gesellschaften in sozialer und kultureller Hinsicht tiefgreifend. Dennoch wird Europas Entwicklung vor allem als ökonomische Integration vorangetrieben. Die großen Projekte Binnenmarkt, einheitliche Währung, Wachstum und Stabilität dominieren die Diskussion und die Politik. Andere Dimensionen wie zum Beispiel die soziale und kulturelle Entwicklung oder auch das Verhältnis der Geschlechter spielen allenfalls insoweit eine Rolle, wie sie zur ökonomischen Entwicklung positiv oder negativ beitragen. Über die Jahre ist festzustellen, dass die Gleichstellungspolitik an 12
Vgl. Fußnote 7; http://ec.europa.eu/employment_social/gender_equality/gender_mainstreaming/ gender/exp_group_de.html (2004-2008).
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Sichtbarkeit und Relevanz in den strategischen Vorhaben der EU verloren hat, da sich ökonomische „Erfolge“ auch erzielen lassen, ohne dass die Gleichstellung der Geschlechter vorankommt, wie die Beispiele der angelsächsischen Länder oder der Transformationsländer zeigen. Die zentralen Projekte der EU, Binnenmarkt, Währungsunion und ökonomisches Wachstum, werden verfolgt, ohne dass die zum Teil negativen Folgen für Frauen thematisiert werden. Die Gleichstellung der Geschlechter stagniert auf vielen Feldern, und die strategische Orientierung auf eine marktwirtschaftliche Liberalisierung bei gleichzeitiger Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist nicht geeignet, die ökonomische und soziale Situation der Mehrheit der Frauen zu verbessern. Nicht nur unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten ist fraglich, ob es gelingen kann, die ökonomischen Integrationsprozesse so voranzubringen, dass in diesem Prozess alle Länder gewinnen können und die Verteilungsprobleme innerhalb der Länder nicht zu Lasten der ökonomisch Schwächeren gehen. Im aktuellen Gleichstellungsbericht der Kommission beschwört diese die Mitgliedsländer: „In Anbetracht des Beitrags, den die Gleichstellung von Frauen und Männern zur Förderung des Wachstums, der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts leisten kann, ersucht die Kommission den Europäischen Rat, die Mitgliedstaaten aufzufordern, unverzüglich auf die in diesem Bericht beschriebenen Herausforderungen zu reagieren, indem sie die geschlechtsspezifische Dimension in partnerschaftlichem Zusammenwirken mit den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft in alle Politikfelder integrieren“ (Europäische Kommission 2009a). Es bleibt zu fordern, eine ernsthafte politische Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung des europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells zu führen, das sich klar an den Erfolgsbedingungen des skandinavischen Modells orientieren sollte. Sollte es nicht gelingen, wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit einschließlich der Geschlechtergerechtigkeit miteinander zu verbinden, werden große Teile der Europäerinnen und Europäer das Projekt Europa eher als Bedrohung ihrer sozialen Lage denn als Verbesserung erfahren, und die Zustimmung zu diesem Prozess wird weiter abnehmen.
Literatur Bertelsmann Stiftung (2007): LiMa-Benchmark – Eine Performance-Analyse der EUMitgliedstaaten im Licht der Lissabon und Maastricht-Zielsysteme. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung Baker, Dean/Glyn, Andrew/Howell, David/ Schmitt, John (2004): Unemployment and Labour Market Institutions: The Failure of the Empirical Case for Deregulation, Policy Integration Department, Statistical Development and Analysis Unit. International Labour Office. Working Paper No. 43. Genf: ILO
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Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Europäischer Sozialfonds für Deutschland. http://www.esf.de/portal/generator/940/foerderperiode__2007-2013.html [24.7.2009] Carlin, Wendy/Soskice, David (2006): Macroeconomics – Imperfections, Institutions and Policies. Oxford: Oxford University Press Coats, David (2006): Who’s afraid of labour market flexibility? London: Work Foundation Europäische Kommission (2008a): Wachstum und Beschäftigung – Schlüsselindikatoren. http://ec. europa.eu/growthandjobs/key-statistics/index_de.htm [20.3.2008] Europäische Kommission (2008b): Wachstum und Beschäftigung – Integrierte Leitlinien. http://ec. europa.eu/growthandjobs/guidelines/index_de.htm [20.3.2008] Europäische Kommission (2008c): Report on equality between men and women 2008. Directorate-General for Employment, Social Affairs and Equal Opportunities Unit G.1. Brüssel Europäische Kommission (2008d): Indicators for monitoring the Employment Guidelines. 2008 compendium. http://ec.europa.eu/employment_social/employment_strategy/ pdf/2008compmonitoring_en.pdf [20.3.2008] Europäische Kommission (2009a): Bericht der Kommission zur Gleichstellung von Frauen und Männern – 2009. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri= COM:2009:0077:FIN:DE:PDF [25.7.2009] Europäische Kommission (2009b): Economic forecast, Spring 2009. In: European Economy 3/2009 Fagan, Colette/Grimshaw, Damian/Rubery, Jill (2006): The subordination of the gender equality objective: the National Reform Programmes and ‘making work pay’ policies. In: Industrial Relations Journal 37 (6), 571- 592 Gerhard, Ute/Knijn, Trudie/Weckwert, Anja (Hg.) (2003): Erwerbstätige Mütter – Ein europäischer Vergleich. München: C. H. Beck Plantenga, Janneke/Figueiredo, Hugo/Remery, Chantal/Smith, Mark (2003): Towards an EU gender equality index, Feasibility study. http://www.mbs.ac.uk/research/ Europeanemployment/projects/gendersocial/documents/EU%20index%20final%20 report%20December%202003.pdf [20.3.2008] Plantenga, Janneke/ Remery, Chantal/ Rubery, Jill (2008): Gender mainstreaming of employment policies – A comparative review of 30 European countries. http://ec. europa.eu/employment_social/gender_equality/gender_mainstreaming/gender/ exp_group_de.html. [20.03.2008] Wobbe, Theresa/Biermann, Ingrid (2009): Von Rom nach Amsterdam. Die Metamorphosen des Geschlechts in der Europäischen Union. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Anhang
INTEGRATED GUIDELINES FOR GROWTH AND JOBS (2008-2010) Macroeconomic guidelines (1) (2) (3) (4) (5) (6)
To secure economic stability for sustainable growth. To safeguard economic and financial sustainability as a basis for increased employment. To promote a growth and employment orientated efficient allocation of resources. To ensure that wage developments contribute to macroeconomic stability and growth. To promote greater coherence between macroeconomic, structural and employment policies. To contribute to a dynamic and well-functioning EMU.
Microeconomic guidelines (7) (8) (9) (10) (11) (12) (13) (14) (15) (16)
To increase and improve investment in R&D, in particular by private business. To facilitate all forms of innovation. To facilitate the spread and effective use of ICT and build a fully inclusive information society. To strengthen the competitive advantages of its industrial base. To encourage the sustainable use of resources and strengthen the synergies between environmental protection and growth. To extend and deepen the internal market. To ensure open and competitive markets inside and outside Europe and to reap the benefits of globalisation. To create a more competitive business environment and encourage private initiative through better regulation. To promote a more entrepreneurial culture and create a supportive environment for SMEs To expand, improve and link up European infrastructure and complete priority cross-border projects.
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Employment guidelines (17)
(18) (19)
(20) (21)
(22) (23) (24)
Implement employment policies aimed at achieving full employment, improving quality and productivity at work, and strengthening social and territorial cohesion. Promote a lifecycle approach to work. Ensure inclusive labour markets, enhance work attractiveness, and make work pay for job seekers, including disadvantaged people and the inactive. Improve matching of labour market needs. Promote flexibility combined with employment security and reduce labour market segmentation, having due regard to the role of the social partners. Ensure employment-friendly labour cost developments and wage setting mechanisms. Expand and improve investment in human capital. Adapt education and training systems in response to new competence requirements.
The Gendered Dimension of Money, Finance, and the Subprime Crisis Brigitte Young
Introduction The recent financial market instability in the US, and its world wide spill-over into regional and local financial markets with its devastating impact on the real side of the economy in both industrial and developing countries, has shifted the discourse from the benefits of financial liberalization to the costs of fast and excessive financial liberalization (Semmler/ Young 2009). The Efficient Market Hypothesis, the cornerstone of neoclassical economics, has largely been refuted as a myth (Stiglitz et al. 2006). Even the representative voice of liberal international capital, The Financial Times, published an article which read: “On September 15, 2008 the era of Ronald Regan officially came to an end” (Freeland 21.9.2008: 9). This statement is in response to the collapse of the investment banking structure (Lehman Brothers, Merrill Lynch) and the conversion of Morgan Stanley and Goldman Sachs into regular commercial banks. The collapse, according to the argument, has undermined the confidence in the superiority of the American free market philosophy by the fact that the financial crisis has its epicentre on Wall Street and not in the periphery such as in Latin America, Russia or Asia. When financial crisis occurred in the periphery during the 1980s and 1990s, analysts could safely argue that the financial instabilities were not systemic, but were the result of shortcomings in the affected countries (Wade 2008: 1), meaning that these countries needed to clean-up their crony capitalism and start dismantling their protective domestic barriers. The picture has changed dramatically since the emergence of the financial crisis starting as a subprime crisis in mid2007. The problem is no longer a crisis of the periphery, rather the crisis has hit the heartland of financial capital, i.e., Wall Street, the epitome of deregulation and liberalization of capital markets.
The Gendered Dimension of Money, Finance, and the Subprime Crisis
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A heated academic debate has now emerged among neoclassical and heterodox1 economists on who is to blame for the crisis. The former continue to believe that the market is not to blame, but rather that the folly lies in what John Maynard Keynes has called the “animal spirit”2 of human behaviour. Alan Greenspan, the former Federal Reserve Chairman, while agreeing that he made a mistake in presuming to rely on the “banks’ self-interest to protect the shareholders” (Greenspan 2008: 524), nevertheless, continues to believe in the philosophy of self-disciplinary markets. In contrast, heterodox economists challenge the belief in the perfect market and start from the more realistic assumption of imperfect capital markets, which need to be embedded in regulatory structures of supervision (Stiglitz et al. 2006; Minsky 1986; Semmler/Young 2009). In the present debate on the past and future of the global financial architecture, questions on how gender relations influence the very structure of how finance is organized and operates globally and how different regulatory regimes have distinct distributive effects are largely missing. But the role of women in finance has come to play a role, albeit in a rather essentialist form. So has the Icelandic government taken the quite unusual step to call in women bankers to clean up ‘young men’s mess’ (O’Connor 14.10.2008) after the collapse of the three Icelandic banks. Elin Sigfúsdóttir and Birna Einarsdóttir have become chief executives of the new nationalised Icelandic banks. The intent, according to the government, is to signal a new culture within the banking system by curbing the bonus-driven risk-taking male-culture which is believed to have been responsible for the banking collapse. In a similar vein, the British Times followed with an article suggesting that economists focus too much on the technicalities to find the causes for the crisis. What may be overlooked as a culprit for the crisis, according to The Times, are men: “After all, it is men who dominate the financial system that got us into this mess; it is men, by and large, whose trading inflated the profits of banks to levels that now seem like the stuff of testosterone-fuelled fantasy; and it is men who pocketed most of the bulging bonuses that even Gordon Brown reckons were a key cause of the crisis. All of which raises an important and deliciously controversial question: what would have happened if global financial institutions had been run by women?” (Syed 30.9.2008)
1
Heterodox economics represent different schools of thoughts such as neo-Keynesianism, postKeynesianism, feminist economics, “autistic” economics, Gramscian economics, international political economics, who are united in their rejection of free-market orthodoxy and its belief that “markets, private property and minimal government will achieve maximum welfare” (Hayes 2007: 3). 2 Keynes referred to “animal spirits” as the psychological forces driving the economy, such as fear or exuberance (Akerlof/Shiller 2009).
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While these examples seem to say more about the failure of the Icelandic government to regulate the banking structure and its intent to look for scapegoats, and at the media’s yearning for raising deliciously controversial questions, the problem for feminist economists remains how to intervene theoretically in the present debate and offer a gendered analysis of the crisis. To this date, we do not have feminist economic theories on how gender relations shape global financial markets. The theoretical difficulty stems from the fact that the field of macroeconomics operates with aggregate variables, such as interest rates, currency rates, monetary policy, capital flows, investment rates, which appear “gender-neutral”. Unlike the field of micro- and meso-economics, where labor market segregation and/or the wage gap between women and men can be measured, the same is not true at the level of macroeconomics. The challenge for feminist economists is to make visible the gender assumptions which are inherent at both the epistemological and the ontological levels. Epistemologically, we need to ask how knowledge is produced such that it creates “the illusion that policy has no choice but to react in favor of the claims of financial capital” (Mooslechner et al. 2006: i). At the ontological level, the crucial question is whether the financial actors’ interests are purely economic or also driven by political and ideological factors. In other words, is there a causal relationship between ideas and discourse and the formulation of capital market policies (ibid. p.i)? This article makes no claim to fill the deficit in feminist theorizing. At this point of our limited understanding of the financial crisis in all its complexities starting with the subprime markets and its link to financial innovations to the near financial meltdown, this paper focuses on how “credit becomes debt” (Langley 2008) and how women were integrated into the ideology of the home ownership society (Bush 2004) via private debt. The first part of the paper focuses on the social relations of money and its double purpose as functioning both as a claim (credit) and as a corresponding obligation (debt). Discussing the social role of money is important in that it shows the specific dynamics of inclusion and exclusion of the poor to a money society based on the “financialization of everyday activities”3 (Froud et al. 2007; Seabrooke 2008). In the second part, the focus shifts to the discourse on how “welfare as we know it”4 was de-legitimized starting with Ronald Reagan in the 1980s, and how privatized 3
Financialization of everyday activities is defined as a way “to understand how new financial practices are created through government regulation and the role of private institutions, and particularly to understand how they alter everyday routines, risk behaviors, and intersubjective understanding among the broader population” (Seabrooke 2008: 6). 4 Bill Clinton declared at his State of the Union Address before both Houses of Congress in 1993 that he would „end welfare as a way of life and make it a path to independence and dignity” (White House, Press Release 1993).
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Keynesianism became a functional substitute for the publicly provided social service system (Crouch 2009; Young 2009b). This transformation corresponds to important changes in the governance framework of gender orders from a bread winner model to a home ownership model. At the centre of this discursive shift is the home ownership society being both inclusive of the poor and minorities, but also exclusive in that home ownership implies a sharp reversal of social equality due to a new emerging asset price regime. This integration into an asset-regime has both costs and benefits. Poor women and minorities became integrated into the market through the availability of subprime loans. Subprime owners could thus fulfill the American dream of home ownership and join the asset price regime of residential capitalism (Schwartz 2008) by leveraging the equity in the home to gain access to further credit. At the same time, being integrated into the economy via private debt meant that the poor carry the full risk of fluctuations in the capital markets. As the subprime crisis develops and the housing boom turned into a bust, women face a higher rate of foreclosures in the subprime category than men (US Senate Committee 2008).
1
The social form of money: creditors and debtors
The literature on financial market liberalization focuses mostly on the consequences for efficiency in terms of financial stability and economic growth. Missing in these neoclassical models is the fact that different regulatory regimes have distinct distributive effects which go far beyond the narrow scope of the financial sector itself (Mooslechner at al. 2006). These distributive effects are highly gendered. Diane Elson (2002) has suggested that there are three gender biases built into the theories of macroeconomic policies, which from the point of women spread the financial risks to those who can least afford to shoulder such individualized risks. These are the deflationary bias, the male breadwinner bias, and the commodification or privatization bias. Male breadwinner bias refers to public policies which prioritize the right of males to decent employment while relegating women to the status of secondary workers (part-time) with fewer rights, less pay and highly restricted access to state-provided social benefits. Although the majority of women participate in the paid labor force, either in the informal or formal sector of the economy, public policies in many countries still rely on the assumption that women’s livelihoods are provided by the incomes earned by husbands and fathers. This male breadwinner bias is re-enforced by a commodification or privatization bias, which occurs when public provisions are replaced by market based, individualized entitlements for those who can afford them. “Rather than pooling and sharing risks and resources, with scope for the
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solidarity of cross-subsidy, there is a separate insurance for specific contingencies” (Elson 2002: 33), such as private pensions, private health insurance, private hospitals, private schools, private paid care for children and old people, privatized utilities for energy and transport. In addition to the macroeconomic gender biases of the male breadwinner and the privatization biases, the deflationary bias is directly linked to the international financial governance processes and the interests they prioritize. The increasing power of capital on a global scale means that the financial markets exert pressure on governments to keep inflation as well as taxation and expenditures low. The benefits from such policies accrue overwhelmingly to owners of financial investments and exclude those who are mostly dependent on the “labour society” (Altvater 1997). However, there is an additional bias which could be called creditor bias. This bias goes to the heart of the functions and institutions of money (and thus the financial system) with quite different distributional impacts for women and men. Traditionally, the functions of money are defined as a store of value, as a medium of exchange, a unit of account, and as a means of payment. The unit of account is the measurement in which values are stated and recorded. In addition, the medium of exchange is the unit in which the exchange in the world of commodities is expressed (i.e. in British Pound, the Euro, US-Dollar, Yen, Renimbi etc.), and the store of value expresses the monetary value of the assets, i.e., money as wealth. This latter definition of money as wealth implies a social relation which establishes a system of incentives for those with wealth to gain access to resources with the object to amass further wealth. As Altvater has reminded us that “Marx had already pointed out in the 19th century, the ‘wealth of nations’ (Adam Smith) appears not only as a ‘huge collection of commodities’ (Marx), but also in the form of monetary assets” (Altvater 1997: 48). This monetary asset, in the form of money as money, expresses the social form of money and has a two-fold function. On one side is the claimant (monetary asset) and on the other the debtor (corresponding obligation). As such, the creditor owns and disposes over the monetary assets while the debtor has the monetary obligation imposed by the owners of money. Debtors have to follow the logic of money and pay the price of money (i.e., interest) to the creditors. The relationship between debtor and creditor is not static. It is quite normal that creditors become debtors and debtors become creditors. But the increasing power of capital on a global scale has meant that the relationship between creditors and debtors has become highly asymmetrical (Gill 1997). The logic and the rules of money have transformed “society into a money society, into a divided society, as owners of monetary assets draw income from their monetary assets and debtors
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must bear the costs of their debt service through real production. Money and work thus become opposites” (Altvater 1997: 50). This one-sided and conflictual relationship between debtors and creditors is, as will be shown in the next section, particularly visible in the subprime mortgage markets, which erupted in the United States in the summer of 2007. The staggering amount of privatized debts of many women and minorities and the subsequent high rates of repayment problems, delinquencies, and foreclosures is a case in point when “credit becomes debt” (Langley 2008) and when debtors are no longer in a position to service their debts. The financialization of everyday activities which has permeated every aspect of the consumption and production processes shows how the nature of financial power at the micro-level of the individual is linked to the macro-financial global structure. However, when credit becomes debt, as is the case with the subprime market crisis, the responsibility of the borrowers for outstanding obligations is increasingly enforced through market discipline and political pressure. In this process of mass debt/credit markets, the social form of money gives rise to what Stephen Gill has referred to as the “normalization of the individual through disciplinary practices” (Gill 1997: 73). Not only does money establish new social relations. More importantly, the market discipline helps to sustain the prevailing forms of dominance and domination in the conflict between those belonging to the monetary asset regime (creditors) and those (debtors) who must obey the logic of monetary rationality. In other words, the “reproduction of credit obligations has become normalized in novel ways in the contemporary market through a combination of legal techniques of punishment, calculative and disciplinary technologies of risk, and the calling up of a population of responsible, entrepreneurial and self-disciplined financial subjects” (Langley 2008: 1).
The process of normalizing and disciplinary trends in the social relations of money is highly gendered in that it systematically includes and excludes individuals from the “monetary society” and thus also from the symbols of economic and social citizenship (Gill 1997; Altvater 1997). While generally women and minorities were the last in, and the first out in having access to the housing wealth, they often were not able to convert the housing wealth into other investment used to launch social mobility. Invariably the money used in the refinancing resulted in cash pull-outs which were used by families to keep pace with rising costs and burgeoning debt to pay-off credit-card debts (Montgomerie 2008; Montgomerie/Young 2009). The integration of poor women into the financialization of every day activity through subprime home ownership shows a disturbing disparity in both the loan products for which women and minorities
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were able to get approval as opposed to loans obtained by similarly situated men. The same disparity can now also be seen in the process of deleveraging of the subprime debt in that it has caused financial stress for many more women and minorities at the lower end of the economic ladder who are already struggling to make ends meet (Fishbein/Woodall 2006; Secor 2007; Oliver/Shapiro 2008).
2
New gender order: home ownership as “Welfare for the Masses”5
To understand the recent subprime crisis in the United States it may help to situate home ownership within a specific US-American context before discussing how women became integrated into the model of residential capitalism (Schwartz 2008). First of all, home ownership has historically been part of the American dream irrespective of class, race and gender. Property ownership is deeply ingrained in US-American conservative values of individualism, freedom and self-responsibility. In contrast to most European countries in which the elderly rely on public pension systems for their income, in the United States the retirees’ primary store of wealth is ownership of a house (Schwartz 2008: 277). In fact, Castles (1997) has argued that there is an inverse relationship between the level of home ownership and the degree of welfare state provision in industrial countries during the post-war period. In other words, widespread home ownership may reduce the need for generous income maintenance for the aged and is believed to be a mechanism to redress the overall extent of inequality amongst the population. Unlike citizens in high taxation countries, citizens in Anglo-Saxon states have engaged in a welfare trade-off, “where they have chosen to use residential property as means of storing wealth over the income lifecycle, while paying less tax and relying less on the state for social support” (Seabrooke 2008: 11). Home-ownership and social service provisions are thus functional equivalents (Schwartz 2008; Castles 1997). Given the positive values associated with property rights and at the same time the negative discourse on state provided welfare, it is not surprising that G.W. Bush announced the moral advantages of an ownership society in 2004. The emphasis on a market friendly ownership society is not just intended for domestic consumption, it also squares readily with the US hegemonic project to transport the values of individualism, democracy and freedom around the globe. Similarly to the conservative tenets of Margaret Thatcher, who initiated the privatisation of the British public council housing projects in the 1980s, G.W. Bush 5
Seabrooke 2008: 8.
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defined the pillars of the ownership society in a speech on 17th June 2004 as follows: “If you own something, you have a vital stake in the future of our country. The more ownership there is in America, the more vitality there is in America, and the more people have a vital stake in the future of this country” (Bush 2004). In addition to the moral tenets associated with home ownership, an additional factor accounting for the development of the subprime market was the weak wage growth since the 1990s and the reforms of the New Deal welfare provisions. Since the rise of Margaret Thatcher in 1979 and Ronald Reagan in 1980s, the pillars of the Keynesian welfare state model have been challenged. These included the promise for full employment pursued through state guided demand management, the availability of social policies with a strong welfare orientation to spread mass consumption to all national citizens, thereby favouring a growth dynamic based on a virtuous cycle of mass production and mass consumption. Within this matrix, as Jessop pointed out, “it was national states that were mainly held responsible for developing and guiding Keynesian full employment and welfare policies” (Jessop 2006: 146). Feminists have criticized the male assumptions of this Fordist model of industrial production. This criticism is only insofar important for our discussion in that it permits to differentiate among specific gender orders. The concept of gender order is used here to refer to institutionalized practices and forms of gendered systems of governance structures that are constituted as social ordering principles. Social norms, rules, regulations, and principles are never gender neutral entities, but are inscribed with specific norms for the roles men and women are designed to play in the polity. The networks of overlapping social and cultural mores then become embedded in the institutional structures of the polity and relations of citizenship. The process of institutionalization creates conditions that tend to reproduce specific forms of practice and intersubjectivity over long periods of time (Bakker 2003; Young 1998). A particular gender order (bread winner model) emerged within the confines of the Fordist production model, which is based upon a specific idealized model of workplace, home and family. The gender model associated with the bread-winner sets the framework for income transfers. The family is seen as consisting of a male breadwinner who supports a dependent wife and children. The state through the tax system and expenditure policies is active in constructing a gender order and shaping social reproduction. For this model to work in reality, it requires the wife’s unpaid domestic labour to provide the care services. The state, in turn, guarantees a “family wage” through policies such as income transfers (e.g., government child benefits, social welfare payments, unemployment insurance). Tax policies to varying degrees are designed to impose more of
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the costs of social reproduction on the wealthy and the owners of capital. Despite this unequal system of social citizenship – within which entitlements are largely structured through the labour market participation of men with residuals accruing to married women – it at least publicly recognizes the necessity of social reproduction and collectivizes its costs (Bakker 2003; Elson/Çaatay 2000). However, research since at least the 1980s has shown that a shift has taken place away from the Keynesian welfare state toward a system based on permanent innovation, enterprise and flexibility focusing on the supply-side of the economy in order to strengthen the competitiveness in global markets. In this Schumpeterian Workfare regime (Jessop 2006: 145), the national state has largely retreated from the traditional demand management of the national economy, and the responsibility for social reproduction is subordinated to the demands of labour flexibility which means that activities previously provided through the state have now shifted to the family (esp. women). Due to the “fiscal squeeze” of governments (Grunberg 1998: 591), created by the declining resource allocation to public finance, the publically provided social services have been replaced by the market to those who can afford the services. This commodification bias, as pointed out in the previous section, has made it increasingly difficult for many women across race and ethnicity to gain access to marketized services. The shift towards a Schumpeterian Workfare regime has also witnessed a change in the gender order. No longer is the bread winner model based on the workplace, home and family the dominant order. Rather we see a tendency toward a more individualized gender order with women trying to gain middle class status by purchasing homes via subprime loans. Instead of a bread winner model, we see an emerging trend toward an (indebted) home ownership model. It was the subprime lending sector which made it possible for many women and in particular black and Latino minorities to gain access to the ownership society, but as will be shown in the next section, in ways that point to disparities in mortgage lending across gender, race and ethnicity, thereby increasing the financial risks for such communities (Fishbein/Woodall 2006; NCJW 2008). While most traditional political economists continue to analyse the contradiction between the rising power of global capital and the weakened role of labour within the era of “disciplinary neo-liberalism” (Gill 1997), much less attention has been paid to the role of land (i.e., home ownership) and the development of an “asset-based welfare of the ownership society” (Langley 2008: 9). Important in the American context is the fact that this new regime is not associated with the negative connotation of state welfare (Seabrooke 2008: 12). The new consumption model of privatized Keynesianism (Crouch 2009; Young 2009) is fuelled through personal debt-financed home ownership. Once the state retreated from the goal to secure full employment with distinctive welfare norms to spread
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mass consumption among its national citizens, the housing market and access to mortgage finance has became the functional equivalent of the Keynesian demand management, since home ownership meant that the wealth accumulated in the home could be “cashed-out” to meet consumer demands. The underlying assumption is that house prices will rise and thus owners could remortgage to either reduce the interest rates payable on their loans, or release equity from their homes, as such home ownership becomes an object of leveraged investment (Schwartz 2008; Watson 2009). Of course, the system of leveraged home ownership could not have happened without the innovations in the financial markets over the past 30 years. Until the 1980s, mortgage markets were highly regulated and mortgage lending was dominated by the quasi-public lending institutions Fannie Mae6 and Freddie Mac7 which until their de facto nationnalization on 6th September 2008 had been privatized during the 1970s and 1980s, but continued to function with a public mandate. A range of legislative changes had been made in the early 1980s to deregulate the mortgage markets, which resulted in more responsive pricing and also in an extended supply of tailorized services, which broadened the access to mortgage credits. In the United States, the deregulation of housing finance coincided with the phasing out of interest rate controls, and the development of a secondary mortgage market which introduced more competition into new segments of the credit markets. It also facilitated funding of mortgage markets via capital markets (Bank of International Settlements 2008). In particular, the liberalization of the capital markets made it possible to recycle the international savings glut that accumulated globally due to the US high current account deficit into mortgage-backed securities (Schwartz 2008; Young 2009). The link between local mortgage markets and international capital markets was greatly facilitated through new mortgage instruments (such as securitization, collaterized debt obligations (CDOs), structured investment vehicles, credit default swaps (CDS)) as well as new types of shadow banking (such as hedge funds and private equity funds) and easier lending policies, which contributed to the rapid growth of mortgage credit in the United States, later also in Great Britain, Ireland, Spain and Australia (International Monetary Fund 2008: 3, Bank for International Settlements 2008). 6
Fannie Mae was created in 1938 as a Federal National Mortgage Association in response to the massive foreclosures as a result of the depression. Fannie Mae was then privatized between 19681970, but was taken over by the Federal Housing Finance Agency (FHFA) on September 6, 2008 due to its horrendous losses. http://www.fanniemae.com/aboutfm/index.jhtml;jsessionid=1DJZG2KGO JCLJJ2FQSHSFGI?p=About+Fannie+Mae 15.09.2008. 7 Freddie Mac is a Federal Home Loan Mortgage Corporation and was created as part of the Emergency Finance Act in 1970. Similarly to Fannie Mae, Freddie Mac was privatized in 1989, but also taken over by the FHFA on September 6, 2008.
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In the present game of who is to blame for the subprime crisis, which then turned into a banking and credit crisis, the fingers are pointed to excessive leveraging, misrepresentation, insider conflict of rating agencies, lack of transparency, neglect of supervisory controls, and the “triumph of engineered euphoria over evidence” (Kuttner 2007), one aspect has largely been overlooked. Easing the standards of lending had also to do with the desire to ensure that home ownership was accessible to households who had historically been underserved by mortgage lenders (Bank for International Settlements 2008: 5).
3
The ownership society and the gendered subprime loan market8
The subprime sector was not an illicit mortgage market, but very much part of a legitimate and highly celebrated mass ownership society (Langley 2008). Already under the 1968 Civil Rights Act (Title VIII), the Fair Housing Act created a new government sponsored enterprise, Ginnie Mae, to address the lending needs of low-income and minority borrowers. While Fannie Mae and Freddie Mac competed in the private mortgage market, Ginnie Mae dealt with the pure public market. It was the federal government’s belief that there was a need for greater rights for lower income groups and minorities to gain access to affordable housing. Starting in the 1970s, as Seabrooke (2008) has pointed out in his convincing analysis of the role of the quasi-public institutions Fannie Mae, Freddie Mac, and Ginnie Mae, numerous legislative acts were signed such as the Community Reinvestment Act (CRA) of 1977 to empower low-income and minority borrowers. These quasi-public institutions, even when they were privatized in the 1970s and 1980s, are an example of how these institutions mediated between the interests of private capital and public social values. Further progressive legislation was enacted in the 1980s and 1990s to ensure that Freddie Mac and Fannie Mae catered not only to the middle-class, but also to groups which had hitherto been denied access to affordable mortgage loans. The 1974 Equal Credit Opportunities Act outlaws discrimination in credit sanctioning based on the characteristics of gender, marital status, race, national origin, religion or income source. In 1989 an amendment to the Home Mortgage Disclosure Act (HMDA) of 1975 required mortgage lenders to collect information on who were 8
At this point of the subprime/financial/credit crisis, it is rather difficult to gain access to reliable data. I made numerous telephone calls to obtain gender disaggregated data on housing from Fannie Mae, Freddie Mac, Ginnie Mae, the Treasury Department, the Federal Reserve, the Census Bureau, the Federal Housing Finance Agency (FHFA), but was told that the home ownership data (and thus data for foreclosures) existed for households only.
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denied loans, including information on income, gender, race, and location (Seabrooke 2008; Montgomerie/Young 2009). The development of the subprime sector thus needs to be seen through the lens of a rights discourse within the United States in that home ownership and subprime lending became politically legitimized because it was seen as providing access to credit for marginalized communities. Most important in the American context, the various legislative changes to make home ownership available to the poor by lowering the costs of home loans and to allow homeowners to deduct the interest on their mortgage9 as tax deduction are not seen as state-supported welfare for the poor. Leveraged home ownership thus became an accepted form of “welfare for the masses” (Seabrooke 2008: 8) and fitted with the cultural values of the American private ownership mentality. The Wall Street Journal (2006) reports that subprime lending helped to increase home ownership from 65 percent to 69 percent over the last ten years. The normative shift away from state social welfare to state welfare based on home ownership is shared equally across gender, class and ethnicity (Young 2009a). Owning property and gaining assets through real estate thus became one of the few avenues open to women across class and ethnicity for social mobility and securing middle-class status. “Income helps families get along, but assets help them get and stay ahead” (Oliver/Shapiro 2008). This shift to an ownership society meant that a more individualized gender order based on women’s wealth accumulation replaced the previous dependent male breadwinner model. Important in this new order is the shift away from the household and the male breadwinner bias toward the full integration of women into the financialization of every day activities, albeit through privatized debt. But women across class and ethnicity did not enter the asset price regime, as will be shown below, on a level playing field. The access to affordable mortgage rates was highly skewed in that mortgage banks targeted women across the board as “risk borrowers” in relation to men in similarly situated circumstances (Fishbein/Woodall 2006). Since the 1980s, the number of women heads of households who are home owners has increased from 48 percent to 53 percent (NCRW 2008). However, while women have had the legal right for over 40 years to purchase property in their own name, yet they are still vulnerable to unfair lending practices. This can best be shown in terms of the subprime market. The concept of subprime refers to loans to consumers who are unable to meet the approval standards of the prime lenders. Thus the interest rate associated with subprime loans is higher (often by as much as 125 basis points, or 7 percent as opposed to 5 percent) in order to compensate for the higher risks lenders assume when making these 9
Mortgage interest tax deductions go back to 1913.
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loans. In addition, subprime lenders encounter also higher fees for processing the loan. This means that subprime lenders have to divert a greater share of their monthly mortgage payments to paying interests and fees, rather than paying off their equity (Secor 2007; Tucker 2007). Despite that women have on average higher credit scores than men (682 versus 675), women borrowers are more likely to receive sub-prime loans at every income level. Women with income levels twice the median income are 46.4 percent more likely to have to accept subprime loans than men with similar earnings (Secor 2007). As Graph 1 shows, female households make up 29 percent of borrowers for mortgages, 24 percent receive prime loans, but 32 percent of female households receive subprime loans. Graph 1:
Female share of home purchase loans and household
Source: The National Council for Research on Women 2008: 2
While the mortgage industry claims that approval ratings are strictly on the merits of credit rating and financial standing, studies show the opposite. This disparity is found across all home loans and include home purchase, refinancing and home improvements (Secor 2007). At a recent US Senate Committee Hearing on Health, Education, Labor and Pensions, chaired by Sen. Edward Kennedy, evidence was given, as Graph 2 illustrates that women disproportionally receive subprime mortgages in comparison to men. Also women are found more often in
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the high-cost subprime market.10 More than one in ten (10.9 percent) compared to about one in thirteen (7.7 percent) for men. Graph 2:
Women disproportionately receive subprime mortgages
Source: US Senate Committee 2008: 7
The additional costs of such subprime loans are substantial. For families, who took out mortgages in 2005 (prior to the start of the present mortgage crisis), a subprime loan on a median price home would translate into an extra $235 per months and $85,000 more in total payments.11 The Hearing pointed out that the present housing crisis is so devastating for women, since women represent a disproportionate share of the recipients of such subprime mortgages. African American women were the most likely to receive subprime loans regardless of income. While single women across ethnic lines have made strong inroads into home ownership, purchasing nearly one in five homes sold in 2003, it was African American and Latino women who actively sought out home purchase loans. As can be seen from Graph 3, African American women’s share of home purchase borrowers was 46.7 percent, 31.4 percent of borrowers were Latino women while 28.4 percent were white women. Particularly older women of colour are more vulnerable to sub-prime loans because of their cumulative effect of lower wages, occupational segregation, and smaller retirement savings. 10
The high-cost subprime category is an even more risk-prone market and thus interest rates and fees for administration are even higher than in den subprime market. 11 A high-cost subprime loan could mean an extra $517 in payments each month and an extra $186,000 in total extra payments.
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“Even with a median retirement income, older women who carry mortgages are still 20 percent short of a level that would provide economic security” (NCRW 2008: 2). Graph 3:
Women’s share of purchase borrowers by race, 2005
Source: National Council for Research on Women, 2008: 2
African Americans were twice as likely to receive sub-prime loans than whites in all income ranges. The only group less likely to receive sub-prime loans than whites were Asian Americans (NCRW 2008). Housing wealth has been one of the most important avenues for African Americans to accumulate wealth. As Oliver/Shapiro (2008) pointed out in their study on the “Sub-prime as a Black Catastrophe”,12 home equity is the most important reservoir of wealth for average American families and disproportionately so for African Americans. According to the authors, home equity accounts for 63 percent of total average net worth for black households. In contrast, home equity represents only 38.5 percent of average white net worth. Especially in minority communities, home equity is used as collateral to finance retirement, start small business, pay for college education and rely on this equity for times of hardship: “Between 2003 and 2007, the amount of housing wealth extracted more than doubled from the previous period, as families pulled out $1.19 trillion – an incredible sum that allowed families to adjust to shrinking purchasing power and that significantly boosted gross national product. So, while home ownership reached historic highs, families today actually own a lesser share of their homes than at any previous times, because they have borrowed against their housing wealth” (Oliver/Shapiro 2008: 2). 12
Unfortunately, this article does not break down the data between African American women and men, but refers to African American households.
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Especially tragic is the timing of the subprime crisis for women across race and ethnicity. Just as poorer women were making inroads into this critical avenue of wealth building, the integration of women via the subprime market has left them so much more vulnerable to indebtedness and even foreclosure (Montgomerie/ Young 2009). Although subprime loans are only 13 percent of all mortgages, they represent already 54 percent of all foreclosures (US Senate Committee 2008: 8; Glaister/Bruce-Lockhart 2008).
4
Conclusion
The subprime/financial/credit crisis is still unfolding and thus we do not know the full impact across the intersectionality of class, race and gender. While the paper does not provide a theoretical framework for analysing financial markets, nevertheless it suggests an analytical focus by expanding and re-defining the functions of money. If money as wealth is seen as a social relation between creditor and debtor, in which the latter has to obey the logic of monetary rationality, then market discipline is the dominant disciplinary form to ensure that the risks of the creditor/debtor relationship shifts completely to the individual debtor. The same logic does not seem to apply to the insolvent banks. They were largely able to immunize themselves from the disciplinary market measures and socialize the risks. The increasing power of capital on a global scale has not only changed the financial practices and operations of banks and investment houses, it has also altered “the everyday routines, risk behaviors, and intersubjective understanding among the broader population” (Seabrooke 2008: 6). This can readily be observed in the present subprime unfolding. At one level, subprime borrowers were integrated into the ownership society via privatized debt, a strategy which had the support of the political, financial and business community. Leveraging one’s home was praised by the economic journal Forbes in an article entitled “Hock your House” in 2004 with the undertitle: “Some advisors say to pay off your mortgage. We say leverage up and invest” (Carnahan 2004). Acquiring mortgages with virtually no assets (the NINJA loans – no income, no job and no assets) during the boom phase was legitimized as welfare for the masses. In fact, this shift entailed a change to a new gender order based on individualized home ownership rather than relying on the traditional gender order of a male bread winner. However, as the subprime crisis spiraled into a financial crisis, the cultural politics of the response to the subprime crisis (Watson 2009) has turned into a behavioral issue of constructing the poor as irresponsible mortgage borrowers. By discursively constructing the poor as irresponsible and lacking the necessary economic logic, the blame and the risks
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for the housing meltdown is shifted to the individual debtor. The other side of the narrative is, as Kuttner’s (2007) testimony to the US House of Representative has shown, that the securitization of mortgages benefitted mostly the mortgage broker, the mortgage banker, the investment banker, and the bond-rating agencies, while the borrower was left with the fees and the systemic risks (Kuttner 2007: 6). If we analyze the official response by the Treasury Department and the Federal Reserve to the financial crisis, it seems that lending institutions are largely sheltered from exposure to the market logic in their own business practices. Watson (2009) has argued that the pricing structure/regulation of financial instruments has remained outside the social control, while the subprime borrowers are fully subjected to the rationale of market discipline. For women across class and ethnicity there is the added impact that they have been integrated in this leveraged ownership society through discriminatory lending practices. Women were targeted more often for subprime loans than their male counterparts in similar financial situations. They have been the last in, and the first out, but they also bear much higher interest rates and administrative fees. The challenge confronting many women who are facing default, delinquency and foreclosures is how to gain access to a modicum of state protection, and how in the long run they are guaranteed a more level playing field in the mortgage market.
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Transnationale Wissensnetzwerke und Geschlechterpolitik im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik Transnationale Wissensnetzwerke und Geschlechterpolitik
Gülay Çalar
Einleitung Im Zuge der UN-Weltkonferenzen in den 1990er Jahren haben sich für die internationalen Frauenbewegungen Möglichkeiten der politischen Einflussnahme eröffnet, die von diesen insbesondere in den Bereichen der internationalen Umwelt- und Menschenrechtspolitik erfolgreich genutzt werden konnten. Transnationalen Frauenorganisationen und -netzwerken gelang es, geschlechterpolitische Forderungen in den Verhandlungsergebnissen der UN-Konferenzen, zum Beispiel der UN-Menschrechtskonferenz 1993 in Wien, zu verankern. Es war nicht zuletzt dieser Erfolg, der Mitte der 1990er Jahre eine geschlechterpolitische Mobilisierung in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik begünstigt hat. Den Anstoß dafür gab die feministische Kritik an den ökonomischen Restrukturierungs- und Stabilisierungsmaßnahmen der 1980er Jahre. Interessanterweise ging die Mobilisierung jedoch nicht allein von Aktivistinnen aus, sondern vor allem auch von feministischen Ökonominnen: Sie waren es, die mit der Formulierung Engendering Macroeconomics and International Economics die Forderung nach einer geschlechtergerechten Ausgestaltung der globalen Wirtschafts- und Handelspolitik geprägt haben. Im Bereich der internationalen Wirtschaftspolitik fordern feministische Ökonominnen die Einführung von Gender Budgeting als einen Ansatz für eine geschlechtergerechte makroökonomische Politik. Im Kontext der Handelspolitik wird dagegen kein einheitlicher Typus von Politikansätzen oder Projekten propagiert. Vielmehr bezieht sich die Formulierung Engendering der Handelspolitik auf verschiedene Ansätze, um eine geschlechtergerechte Handelspolitik zu erwirken. Seit Mitte der 1990er Jahre hat die Forderung nach einem Engendering auf globaler Ebene sichtlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Ein Indiz dafür ist nicht nur die Fülle der Publikationen seitens bi- und multilateraler Organisationen zum Themenfeld Gender, Makroökonomie und Handelspolitik (z.B. CIDA 2003;
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Commonwealth Secretariat 1999; UNCTAD 2004; UNIFEM 2002; World Bank 2004; 2007a; 2007b; WTO 2004), sondern auch die Vielzahl von Aktivitäten in Form von Sensibilisierungsmaßnahmen und so genannten Capacity BuildingWorkshops. In diesem Beitrag gehe ich der Frage nach, wie sich in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik ein geschlechterpolitisches Themen- und Handlungsfeld herausbilden konnte. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Bedingungen für die politische Einflussnahme: Welche Faktoren haben eine geschlechterpolitische Mobilisierung in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik bewirkt? Wie haben geschlechterpolitische Forderungen in diesen Bereichen an Sichtbarkeit gewonnen? Wie ist diese Sichtbarkeit zu bewerten? Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Zunächst gehe ich auf die Rolle von feministischen Ökonominnen und ihrer Ökonomiekritik auf internationaler Ebene ein. Dabei zeige ich, wie feministische Ökonominnen über ein von ihnen gegründetes Wissensnetzwerk politisch agieren (Abschnitt 1). Anschließend stelle ich die Forderungen nach Gender Budgets und nach einer geschlechtergerechten Handelspolitik vor. Zudem skizziere ich, welche Ereignisse auf internationaler Ebene in den 1990er Jahren (Abschnitt 2) und im neuen Millennium (Abschnitt 3) diskursive Anschlussmöglichkeiten für die Thematisierung von Geschlechterfragen im Zusammenhang mit wirtschafts- und handelspolitischen Themen eröffnet haben. Meine Ausführungen werden zeigen, dass die zunehmende Sichtbarkeit der Forderung nach einem Engendering gleichzeitig mit einem Ringen um dessen thematische Verortung innerhalb von Global Economic Governance-Strukturen einher gehen. Zwar werden geschlechterpolitische Fragen in Bezug auf wirtschafts- und handelspolitische Probleme diskutiert, allerdings bleibt umstritten, ob Geschlechterfragen in diesem Kontext tatsächlich eine ökonomische oder eher eine soziale Bedeutung zugewiesen wird (Abschnitt 4).
1
Feministische Ökonominnen und ihr Wissensnetzwerk im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik
In den 1980er Jahren – im Zuge der Verschuldungskrise im globalen Süden und der negativen Erfahrungen mit den Strukturanpassungsprogrammen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds – wuchs seitens feministischer Aktivistinnen und Ökonominnen das Interesse, sich näher mit makroökonomischen und handelspolitischen Fragen zu beschäftigen. Insbesondere feministische Ökonominnen setzten sich intensiv mit den geschlechtsspezifischen Implikationen der neoliberalen Restrukturierung auseinander. Mitte der 1990er Jahre änderte sich der Fokus von den geschlechtsspezifischen Auswirkungen hin zu
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den Ursachen dieser Geschlechtsspezifik. Seither analysieren feministische Ökonominnen wie beispielsweise Diane Elson oder Nilüfer Çaatay, welche Rolle der Kategorie Geschlecht bei der Konzeptualisierung makroökonomischer Politik zukommt. Sie verweisen auf die Geschlechtsblindheit makroökonomischer Modelle, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen zugrunde liegen. Die Geschlechtsblindheit resultiere aus dem ausschließlichen Fokus der Makroökonomik auf marktvermittelte Tätigkeiten und monetäre Größen. Die vornehmlich von Frauen geleistete nicht-marktförmige Reproduktionsarbeit werde auf diese Weise bei der Modellierung makroökonomischer Zusammenhänge ausgeblendet (Elson 1995; Bakker 1994).1 Sie kritisieren die gängige Annahme, dass die Deregulierung sowie die Privatisierung öffentlicher Leistungen zu volkswirtschaftlichen Effizienzsteigerungen führten. Es werde verschleiert, dass diese „Effizienzsteigerungen“ mit einer Ausweitung der nicht-marktförmigen Reproduktionsarbeit im Privathaushalt – also auf Kosten von Frauen – einherginge. Aufgrund dieser modelltheoretischen und politischen Blindstellen, aber auch aufgrund der Ignoranz innerhalb der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin gegenüber geschlechtersensiblen Forschungsansätzen gründeten unter anderem die oben genannten Ökonominnen im Jahre 1994 gemeinsam ein Netzwerk namens International Working Group on Gender, Macroeconomics and International Economics (GEM-IWG). Es handelt sich um ein Netzwerk von heterodoxen feministischen Ökonominnen, die das Ziel verfolgen, geschlechtersensible makroökonomische und handelstheoretische Modelle zu entwickeln und innerhalb der Disziplin zu etablieren. Die Mitglieder des Netzwerks sind insofern heterodox, als sie sich entschieden von orthodoxen beziehungsweise neoklassischen Theorieansätzen abgrenzen und sich unter anderem als post-keynesianische Ökonominnen verstehen.2 Im Jahre 2003 wurde das Projekt Knowledge Networking for Engendering Macroeconomics and International Economics in Leben gerufen, wodurch das Netzwerk einen politischen Charakter erhalten hat. Dieses Projekt ist ein so genannter Capacity Building-Intensivkurs, der auf einen TeilnehmerInnenkreis aus WissenschaftlerInnen, Aktivistinnen sowie VertreterInnen sowohl aus nationalen Regierungsbehörden als auch aus internationalen Organisationen (vornehmlich UN-Unterorganisationen) ausgerichtet ist. In den Intensivkursen werden die TeilnehmerInnen in den Themenbereich Gender, Makroökonomie und Handelspolitik eingeführt und darin geschult. Hinter dem Projekt steht die folgende Zielsetzung:
1
Eine ausführliche Darstellung dieser Kritik und der Reformulierung makroökonomischer Modelle aus Geschlechterperspektive ist zu finden in Çalar 2009. 2 Siehe dazu Beitrag von Irene van Staveren in diesem Band.
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„[F]irst, to engage with fellow economists in order to enhance capacity building in research, teaching, policy making and advocacy in this area; second, to strengthen the intellectual links among practitioners in networks working on similar issues“ (GEM-IWG 2006).
Das Ziel der Wissensgenerierung und disziplinären Sichtbarkeit und Anerkennung ist damit um das Ziel der politischen Einflussnahme durch Wissensdiffusion erweitert. Allerdings sei angemerkt, dass das Bestreben, auch politisch Einfluss zu nehmen, nicht erst im Zuge der Capacity Building-Workshops deutlich wurde. Im Gegenteil, im Selbstverständnis der Initiatorinnen des Netzwerks sind die Prozesse der Wissensgenerierung selbst bereits ein politischer Akt und eine Form advokatorischer Interessenpolitik. Nilüfer Çaatay äußert sich zur Zielrichtung des Netzwerkes wie folgt: „Our purpose was not just sort of ‘let’s do modelling, because it’s fun to do modelling’. But we always wanted to draw out the political and policy implications of the work. It wasn’t very easy, because we were starting at a very abstract level, with very abstract principals and it wasn’t always easy to say what the policy or the political implications were. […] I suppose one political thing to do was to say – to show for example in the context of modelling that gender matters and to us this was itself a political statement. That gender matters in macroeconomics itself would be a political statement!“ (Interview Nilüfer Çaatay, 30.06.2003)
Daher kann diese Form der Wissensgenerierung auch als advokatorische Wissensgenerierung beziehungsweise Wissenspolitik bezeichnet werden. Den Ökonominnen dieses Netzwerkes kommt als Wissensakteurinnen in zweierlei Hinsicht eine zentrale Bedeutung zu: Einerseits dienen ihre theoretisch-konzeptionellen Arbeiten zu Engendering Aktivistinnen als Referenzrahmen für die Mobilisierung und Lobbyarbeit in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik. Andererseits greifen multilaterale Organisationen wie zum Beispiel der UNEntwicklungsfonds UNDP, der UN-Frauenfonds UNIFEM oder die Weltbank häufig auf das Wissen der feministischen Ökonominnen zurück, wenn sie Expertise in Bezug auf die Frage benötigen, wie sich geschlechterpolitische Ziele mit makroökonomischen und handelspolitischen Maßnahmen verknüpfen lassen.
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2
Engendering der Makroökonomie und Handelspolitik: politische Gegenentwürfe
2.1
Gender Budgeting als alternativer Politikansatz
Mit dem zunehmenden Interesse am Themengebiet Gender und Makroökonomie in bi- und multilateralen Organisationen erlangten die wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Themenkomplex zunehmend an Aufmerksamkeit. Das gestiegene politische Interesse ist in erster Linie auf die vierte Weltfrauenkonferenz in Peking und das dort verabschiedete Abschlussdokument „Platform for Action“ (Aktionsplattform) zurückzuführen. Sowohl die Mitgliedsstaaten der UN als auch die bi- und multilateralen Organisationen erhielten im Abschlussdokument das Mandat, die vereinbarten Zielsetzungen und Handlungsstrategien umzusetzen – so auch die strategische Zielsetzung im wirtschaftspolitischen Bereich: „Review, adopt and maintain macroeconomic policies and development strategies that address the needs and efforts of women in poverty“ (UN 1995: Kapitel IV, A.1). Auf diese Weise stieg die Nachfrage nach wissenschaftlicher Expertise rasch an, denn es galt, Ansatzpunkte zur Umsetzung dieser Zielsetzung zu identifizieren und auszugestalten. Als ein konkreter Handlungsansatz für ein Engendering der Makroökonomie gewann Gender Budgeting schnell an Popularität. Die Idee der Gender Budgets als Bestandteil einer geschlechtergerechten Wirtschaftspolitik fand sich bereits im Abschlussdokument der vierten Weltfrauenkonferenz, allerdings noch ohne die entsprechende Bezeichnung „Gender Budgeting“.3 Gender Budgeting wurde nämlich zunächst als umfassende Mainstreaming-Strategie eingeführt, die sich möglichst auf alle Politikbereiche beziehen sollte. Die Berücksichtigung der Geschlechterperspektive in Finanz- beziehungsweise Haushaltsentscheidungen wurde zu einer der zentralen Forderungen im Abschlussdokument. Internationale Organisationen, allen voran die UN mit ihren Unterorganisationen, waren nunmehr gefordert, ihre Ausgabenposten und somit ihre politische Prioritätensetzung aus einer geschlechterpolitischen Sicht zu überprüfen und eine Reallokation von Ressourcen zur Umsetzung der Aktionsplattform vorzunehmen. Auch die Mitgliedsstaaten sollten ihre Ausgabenpolitik in allen Politikbereichen grundlegend überprüfen und nach geschlechterpolitischen Gesichtspunkten modifizieren (UN 1995: Kapitel IV, A.1 §60e). Erst im Anschluss an die vierte UN-Frauenkonferenz avancierte Gender Budgeting auch mit dieser Bezeichnung zum exemplarischen Politikansatz für ein Engendering der Makroökonomie. 3
Im gesamten Abschlussdokument findet sich keine der folgenden Bezeichnungen: Gender Budgets, Gender Budgeting, Gender-sensitive Budgeting oder Women’s Budgets.
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Gender Budgets waren zum Zeitpunkt der vierten Weltfrauenkonferenz allerdings kein Novum. Sie existierten bereits seit Mitte der 1980er Jahre. Als 1984 die neue sozialdemokratische Regierung in Australien ihr Amt antrat, bekundete sie ihren starken politischen Willen zur Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung und rief die so genannte Women’s Budget Initiative4 ins Leben. Organisiert und koordiniert wurde die Initiative von feministischen Bürokratinnen, also von den staatlichen Gleichstellungsbüros auf nationaler und regionaler Ebene (Sharp/Broomhill 2002: 26). Alle Ministerien waren dazu verpflichtet, so genannte Gender Budget-Analysen durchzuführen, die Ergebnisse zusammenzutragen und diese anschließend in Form von Haushaltsberichten zu veröffentlichen. Populär wurde die Idee der Gender Budgets jedoch erst Mitte der 1990er Jahre im Kontext der südafrikanischen Women’s Budget Initative – ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als gerade die australische Initiative im Zuge des Regierungswechsels von der sozialdemokratischen zur konservativen Regierung zum Erliegen kam.5 Es war die historisch spezifische Situation Südafrikas, die der Idee des Gender Budgetings eine gewisse Anziehungskraft verlieh, nämlich die Post-Apartheid-Ära: Die 1994 aus den ersten demokratischen Wahlen hervorgegangene neue südafrikanische ANC-Regierung strebte eine grundlegende politische, ökonomische und soziale Umwälzung an. Es ging um die Rekonstruktion Südafrikas, mit der sie das Vermächtnis des ehemaligen Apartheidregimes, die durchgreifende Segregation der südafrikanischen Gesellschaft in allen Lebenslagen, überwinden wollte (Budlender 2000: 1369). In einer politischen Atmosphäre, in der eine Reallokation von Finanzmitteln für eine gerechte – auch geschlechtergerechte – soziale Entwicklung in Südafrika programmatisches Ziel war6, haben 1995 Vertreterinnen von Nichtsregierungsorganisationen und Parlamentarierinnen die südafrikanische Women’s Budget Initiative gegründet. Das Vorhaben stieß international auf große Resonanz. In kurzer Folge initiierten nun bilaterale Entwicklungsorganisationen wie die Canadian International Development Agency (CIDA), die Swedish International Development Cooperation 4
Die ersten Gender Budget-Initiativen in Australien und später in Südafrika verwendeten noch den Begriff Women’s Budget statt Gender Budget. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine andere Bezeichnung und nicht um eine inhaltliche Differenz, da auch in Australien und Südafrika die Verteilung des Budgets zwischen den Geschlechtern analysiert wurde. Nicht zuletzt wegen des möglichen Missverständnisses, mit Women’s Budget könnte eine Beschränkung auf Frauenbudgets gemeint sein, setzte sich in der Folgezeit die Begriffsgruppe Gender Budget, Gender Budgeting bzw. Gendersensitive Budgets international durch. 5 Dies geschah ironischerweise im Rahmen von Budgetkürzungen, mit denen die konservative Regierung die Finanzmittel der staatlichen Gleichstellungsbüros verringerte und somit ihre Handlungsspielräume – insbesondere im Zusammenhang der Women’s Budget Initiative – einschränkte (Sharp/Broomhill 2002: 31). 6 Siehe dazu „Reconstruction and Development Programme“ unter: http://www.anc.org.za/rdp/rdp. html (letzter Zugriff: 30. November 2009).
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Agency (SIDA), das britische Department for International Development (DFID), aber auch multilaterale Organisationen, allen voran das Commonwealth Secretariat und der UN-Entwicklungsfonds UNDP, in vielen Ländern der Welt Gender Budget-Initiativen (Hewitt/Mukhopadhyay 2002: 63f.). Viele dieser Organisationen bezogen feministische Ökonominnen des Netzwerkes GEMIWG (vor allem Diane Elson und Nilüfer Çaatay) als Beraterinnen ein, die die theoretische Begründungsgrundlagen für die Gender Budget-Projekte lieferten. Der internationale Durchbruch und die Thematisierung von Gender Budgeting im Zusammenhang mit makroökonomischen Fragestellungen fiel mit zwei bedeutenden diskursiven Veränderungen auf internationaler Ebene zusammen, nämlich erstens mit der Einführung des Konzepts der guten Regierungsführung (Good Governance) und zweitens mit der Entschuldungsinitiative der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds, der so genannten Heavily Indepted Poor Countries-, kurz: HIPC-Initiative: 1) Bereits Ende der 1980er Jahre hielt die Weltbank der Kritik an den Stabilisierungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen entgegen, dass die richtige Implementierung der Maßnahmen vor allem in den Staaten Afrikas südlich der Sahara aufgrund der schlechten Regierungsführung, also unter anderem aufgrund schwerfälliger Verwaltungsstrukturen, Korruption und der Intransparenz in haushaltspolitischen Entscheidungsverfahren, ausgeblieben sei (World Bank 1989; vgl. Adam 2000: 272). Daraufhin entstand in den 1990er Jahren das Konzept der guten Regierungsführung als politische Konditionalisierung, wobei es der Weltbank primär um Reformen von ökonomischer Relevanz ging und weniger um politische Reformen im engeren Sinne wie etwa im Wahlrecht. Im Mittelpunkt stand vielmehr die Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen oder die Herstellung der Transparenz im öffentlichen Sektor sowie in den Prozessen der Haushaltsaufstellung (Adam 2000: 273). Das Konzept Good Governance bot diskursiv gute Anknüpfungspunkte für Gender Budget-Vorhaben: Unter der Formel „democratising macro-economic decision-making“ beziehen sich Geberorganisationen wie beispielsweise der UN-Entwicklungsfonds UNDP, der UN-Frauenfonds UNIFEM und das Commonwealth Secretariat auf Gender Budgeting als wichtiges Politikinstrument im Bereich makroökonomischer Politikformulierung. Sie begründen ihre Aktivitäten im Kontext der Gender Budget-Initiativen damit, dass diese durch Gender-Analysen und den partizipatorischen Ansatz entscheidend zur Transparenz von Haushaltsentscheidungen beitragen (siehe u. a. Commonwealth Secretariat 1999; Çaatay et al. 2000; Hewitt/Raju 1999; UNIFEM 2002). 2) Die systematische Verbindung von Gender Budgeting mit Fragen makroökonomischer Steuerung im engeren Sinne entstand jedoch vor allem im Zuge der Entschuldungsinitiative. Angestoßen wurde die Entschuldungsinitiative durch die Einsicht, dass der Verschuldungsproblematik der ärmsten Länder we-
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der durch die Konditionalisierungspolitik und Schuldenreduzierungsfazilität der Weltbank – also die Kopplung der Kreditvergabe beziehungsweise Schuldenreduzierung an wirtschaftspolitische Bedingungen – noch durch den Erlass der bilateralen Schulden beizukommen sei. 1996 erhielten die Weltbank und der Internationale Währungsfonds auf ihrer Jahrestagung das Mandat, „[…] Lösungsansätze für die Probleme derjenigen hoch verschuldeten armen Länder (HIPC) weiterzuentwickeln und umzusetzen, bei denen trotz solider Wirtschaftspolitiken nicht davon auszugehen war, dass das traditionelle Instrumentarium zur Schuldenerleichterung zu einer tragfähigen Schuldenbelastung führen würde“ (Kampffmeyer 2000: 17).
Die somit ins Leben gerufene HIPC-Initiative war neuartig und erfuhr international ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, denn erstmals waren neben bilateralen Schulden auch die Forderungen multilateraler Finanzinstitutionen in eine Entschuldungsinitiative miteinbezogen (ebd.). Die HIPC-Initiative zielt jedoch nicht auf den Erlass der gesamten multilateralen Schulden eines hoch verschuldeten armen Landes. Es geht vielmehr darum, die Verschuldung auf ein tragfähiges Niveau herabzusenken. Zu Beginn der HIPC-Initiative wurde eine Verschuldung als tragfähig eingestuft, wenn der Barwert der Verschuldung unter 200 Prozent und der Schuldendienst unter zwanzig Prozent der jährlichen Exporterlöse lag. Auf dem Kölner G7-Gipfeltreffen 1999 wurde die HIPC-Initiative jedoch in ihrer Reichweite ausgebaut, indem die Tragfähigkeitsgrenze von 200 bis 250 auf 150 Prozent der Exporterlöse herabgesenkt wurde. Darüber hinaus – und dies ist zentral – änderten sich die Bedingungen für die Entschuldung. Gab es anfangs Schuldenerleichterung nur unter dem Nachweis erfolgreicher Strukturanpassungsprogramme, änderte sich dies im Zuge der massiven Kritik an der Konditionalisierungspolitik des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Im Anschluss an das G7-Gipfeltreffen beschlossen die unter Druck geratenen Bretton-Woods-Institutionen auf ihrer Jahrestagung die Ablösung der Strukturanpassungsfazilitäten durch so genannte „Armutsminderungs- und Wachstumsfazilitäten“ (Poverty Reduction and Growth Facility). Als Voraussetzung für den Schuldenerlass und weitere Strukturhilfen forderten der IWF und die Weltbank nun die Erarbeitung und Umsetzung landesspezifischer Armutsminderungsstrategien. Die betroffenen Länder waren also nicht mehr dazu verpflichtet, die von Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds vorgeschriebenen Strukturanpassungsmaßnahmen zu implementieren, sondern eigenverantwortlich eine Strategie zur Armutsminderung in so genannten „Poverty Reduction Strategy Papers“ (PRSP) zu entwerfen. Um auch die gesellschaftliche Eigenverantwortlichkeit (Ownership) der Armutsminderungspolitik zu sichern, sollten die PRSP unter Einbindung zivilgesellschaftli-
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cher Akteurinnen und Akteure wie beispielsweise Basisgruppen, Gewerkschaften und auch Frauenorganisationen entwickelt und ausformuliert werden (Kampffmeyer 2000). Bei der Entwicklung der Strategiepapiere geht es vor allem darum, die Wirtschafts- und Finanzpolitik mit sozialpolitischen Zielsetzungen zur Armutsreduzierung abzustimmen. Zum einen soll aus den PRSP deutlich hervorgehen, wie die durch die Entschuldung freigesetzten Finanzmittel für armutsmindernde Maßnahmen verwendet werden. Hier bieten sich unmittelbar Anschlussstellen für Gender Budget-Vorhaben. Zum anderen soll dargelegt werden, wie die makroökonomische Steuerung auf das Ziel der Armutsminderung ausgerichtet werden soll. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff des armutsorientierten Wachstums (Pro-Poor Growth) verbreitet. Pro-Poor Growth ist zum Inbegriff der neuen Konditionalisierungspolitik geworden. Der Begriff deutet an, dass das Wirtschaftswachstum auch Armen zugute kommen soll und entsprechend eine makroökonomische Wachstumsstrategie gewählt wird, mit der das Ziel der Armutsreduzierung realisiert werden kann. Allerdings ist bisher unklar, ob der Begriff des armutsorientierten Wachstums tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der Ausrichtung von makroökonomischen Politikmaßnahmen beinhaltet. Waren die Politikempfehlungen der beiden Finanzinstitutionen im Zusammenhang der Strukturanpassungsfazilitäten vornehmlich monetaristisch7 geprägt, suggeriert der Begriff Pro-Poor Growth eine Abkehr von der Ansicht, dass eine Volkswirtschaft nur unter der Bedingung von Budgetkürzungen und von geringen Inflationsraten wachsen könne. Der Bedeutungsinhalt des Begriffes ProPoor Growth ist im internationalen Diskurs weitgehend unklar, da er je nach Deutungs- und Verwendungszusammenhang unterschiedlich gefüllt wird (siehe unten). Dies hat den Raum für verschiedene Interpretationen geöffnet, in dem um die Bedeutung des Begriffs gerungen wird – und genau in diesem Zusammenhang wurde nun Gender Budgeting nicht mehr nur als ein Gender Mainstreaming-Ansatz, sondern auch als Bestandteil makroökonomischer Politik zur Sicherstellung eines armutsmindernden Wachstums thematisiert (Commonwealth Secretariat 1999; Çaatay et al. 2000). Seit Ende der 1990er Jahre fördern Ge-
7
Die monetaristische Position basiert auf der neoklassischen Annahme, dass Märkte bei flexiblen Preisen einen stabilen Gleichgewichtszustand erreichen. Es handelt sich um ein mikrofundiertes Verständnis von Makroökonomie, das heißt, die effiziente Funktionsweise von Einzelmärkten (z.B. Güter- und Arbeitsmärkte) wird als Vorraussetzung für einen Wachstum in der Gesamtwirtschaft erachtet. Wirtschaftspolitisch hat diese Perspektive zur Folge, dass jegliche Eingriffe, die zum Beispiel auf dem Güter- und Arbeitsmarkt zu Preisveränderungen führen (z.B. Steuern, Sozialversicherungen, etc.), abgelehnt werden. Dagegen werden Politikansätze bevorzugt, die zur Verstetigung von Erwartungen der WirtschaftsakteurInnen führen, wie etwa die Sicherstellung der Preisniveaustabilität. Hohe Inflationsraten werden als wachstumshemmend beurteilt (siehe Gabler 2000: 2159ff.).
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berorganisationen Gender Budget-Initiativen zunehmend im Kontext von landesspezifischen PRSP-Prozessen (siehe DFID 2004; World Bank 2003). Für feministische Ökonominnen wie beispielsweise Diane Elson stellt Gender Budgeting in diesem Zusammenhang ein (geschlechtersensibles) makroökonomisches Steuerungsinstrument im keynesianischen Sinne dar. Das heißt: Nach Ansicht der feministischen Ökonominnen geht es nicht nur darum, die Finanzpolitik, also die Struktur der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, geschlechtergerecht zu gestalten. Gender Budgeting umfasst nach ihrem Verständnis auch die Fiskalpolitik, also die Entscheidung darüber, ob das Wirtschaftswachstum über eine nachfrageorientierte (expansive) Konjunkturpolitik angestrebt wird (Elson 1998). Eine auf Armutsminderung ausgerichtete makroökonomische Wachstumsstrategie umfasst danach also die Abkehr von einer monetaristischen beziehungsweise effizienzorientierten Wirtschaftspolitik. Bei näherer Betrachtung verschiedener Gender Budget-Projekte von Geberorganisationen wird jedoch deutlich, dass sich ihr Verständnis von Gender Budgeting und Pro Poor Growth deutlich von dem der feministischen Ökonominnen unterscheidet. Organisationen wie beispielsweise UNDP und UNIFEM konzentrieren sich vornehmlich auf die Finanzpolitik und in diesem Zusammenhang vor allem auf die Ausgabenseite des Staatshaushalts. Für sie umfasst Gender Budgeting folglich eine geschlechtersensible Umverteilungspolitik (vgl. Çalar 2009). Die Weltbank hingegen hält an ihrer monetaristischen Wachstumsstrategie fest, wie aus einem Handbuch zur Armutsreduzierung deutlich hervorgeht: „Prudent macroeconomic management is a precondition for growth. Macroeconomic stability, and the avoidance or removal of significant distortions in the economy and costs […] are needed to underpin sustained improvements in poverty. […] The macroeconomic framework should promote […] a level of inflation that does not undermine private sector growth“ (Klugman 2002: 16).
Folglich versteht die Weltbank Gender Budgeting nicht als ein makroökonomisches Steuerungsinstrument im keynesianischen Sinne – im Gegenteil: Nach diesem eher mikrofundierten Verständnis von Makroökonomie umfasst Gender Budgeting eben keine expansive Konjunkturpolitik, sondern entweder eine geschlechtergerechte Sparpolitik oder – im besten Falle – eine humankapitalorientierte Investitionspolitik (d.h. Investition in die Bildung von Frauen) (siehe World Bank 2007).
288 2.2
Gülay Çalar Gender and Trade: Geschlechter-sensitive Politikansätze im Bereich der Handelspolitik
Neben Gender Budgeting bildete sich in den 1990er Jahren sukzessive noch ein weiteres Handlungsfeld feministischer Ökonominnen auf globaler Ebene heraus, nämlich Gender and Trade. Zwar beschäftigten sich zahlreiche Aktivistinnen aus dem Süden bereits in den 1980er Jahren mit handelspolitischen Fragen. Doch die politische Mobilisierung von frauen- und geschlechterpolitischen Aktivistinnen im Bereich der internationalen Handelspolitik begann erst nach der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Zuge der ersten Ministerkonferenz in Singapur (1996). Die Mobilisierung im handelspolitischen Feld fand unter Rekurs auf das Abschlussdokument der vierten UN-Weltfrauenkonferenz statt (Interview IGTN, 29.06.2003). Darin haben sich die Unterzeichnerstaaten zu Folgendem verpflichtet: „[…] to ensure that national policies related to international and regional trade agreements do not adversely impact women's new and traditional economic activities“ (UN 1995: §167(l)). Darüber hinaus wird in der Aktionsplattform die UN-Generalversammlung dazu angehalten, in Erwägung zu ziehen, wie die WTO aktiv zur Implementierung der Pekinger Aktionsplattform beitragen könnte, indem sie enger mit den Einheiten des UN-System kooperiert (ebd.: §343). Mit dem Ziel, die Arbeit im Themenfeld Gender and Trade zu verstetigen und zu institutionalisieren, gründeten Aktivistinnen im Jahre 1999 das Netzwerk International Gender and Trade Network (IGTN).8 Die Gründungsinitiative ging von einem globalen Frauenprojekt der in Washington ansässigen katholischen Nichtregierungsorganisation Center of Concern in Kooperation mit dem SüdNetzwerk Development Alternatives with Women for a New Era (DAWN) aus (Goodson Førde 2006: 5). Neben Aktivistinnen aus Nord und Süd nahmen auch feministische Ökonominnen des Netzwerkes GEM-IWG am Gründungsseminar teil. Historisch fiel die Gründung von IGTN mit dem Scheitern der dritten WTO-Ministerkonferenz in Seattle zusammen. In Seattle sollte eine neue Welthandelsrunde, die so genannte „Millenniumsrunde“, eingeläutet werden. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch vor allem wegen der massiven Unstimmigkeiten im Bereich der Agrarwirtschaft, sowohl zwischen den großen Handelsblöcken (USA, EU, Japan) als auch zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie unter den Entwicklungsländern9 selbst. Auf großen Widerstand stieß zudem der 8
Das Netzwerk hat sieben regionale Büros, so genannte Focal Points in Lateinamerika, Afrika, Asien, der Karibik, im Pazifik, in Europa und in den USA. 9 Die Differenzen zwischen den Entwicklungsländern beruhten vor allem auf der Rolle, die sie dem Export landwirtschaftlicher Produkte einräumten. Institutionellen Ausdruck findet diese Interessen-
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intransparente und exklusive Verhandlungsstil gegenüber den ärmsten Ländern des globalen Südens (Fuchs 1999). Die anhaltenden Proteste zivilgesellschaftlicher Organisationen stärkten überdies die kritische Haltung und den Widerstand der Entwicklungsländer gegenüber den exklusiv handelnden Industrienationen und gegen eine weitere Liberalisierungsrunde. Im Zuge der gescheiterten Verhandlungen in Seattle schienen die Kritik an der WTO und die Mobilisierung gegen weitergehende Liberalisierungsschritte nicht mehr aussichtslos. Die Motivation für die Gründung von IGTN ist genau vor diesem Hintergrund zu verstehen. Sie steht im Lichte der politischen Aufbruchstimmung innerhalb der ‚globalen Zivilgesellschaft’: „[I]t was a coincidence […] that Seattle crashed. So, the meeting became even more important, because this whole globalisation, trade liberalisation was in the popular consciousness. And after four days of consultation with the effort of the women from all over the world, we decided to launch the ‚International Gender and Trade Network’, which would be the network that would provide kind of technical services around trade issues for women’s groups as well as for civil society, governments and NGOs from a critical feminist perspective“ (Interview IGTN, 29.06.2003).
Das IGTN hat seine Arbeit im Jahre 2000 aufgenommen und setzt sich seither unter Bezugnahme auf die Aktionsplattform von Peking und die FrauenMenschenrechte für die geschlechtergerechte Ausgestaltung des multilateralen Handelsregimes und von nationalen Handelspolitiken ein (Goodson Førde 2006). Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Erfolg der transnationalen Frauenorganisationen auf der UN-Menschenrechtskonferenz 1993 in Wien. Hier gelang es ihnen, Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung zu definieren und somit die „Unverletzbarkeit der Würde von Frauen als Bestand der internationalen Menschenrechtsnorm“ (Ruppert 2004: 706) festzuschreiben. Der zuvor als privat angesehene Tatbestand der Gewalt gegen Frauen geriet auf diese Weise zum Gegenstand von internationalen Verhandlungen und Politikmaßnahmen. Gestärkt durch diesen Erfolg knüpften zahlreiche Frauenorganisationen im Verlauf der 1990er Jahre an die FrauenMenschenrechte als Bezugsrahmen an und erweiterten den Rechtsanspruch auf ökonomische und soziale Themenfelder (siehe auch UN 1995: Kapitel IV, F1). Mit dem Inkrafttreten der „Convention On The Elimination Of All Forms Of Discrimination Against Women“ (CEDAW) wurde dieser Rechtsanspruch im Jahre 2000 international rechtsgültig. Durch die Konvention werden alle Vertragsstaaten dazu verpflichdifferenz in der Cairns-Gruppe, zu der sich die süd- und mittelamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay, Costa Rica und Guatemala, aber auch Malaysia, Thailand, Indonesien, die Philippinen und Südafrika zusammengeschlossen haben. Die genannten Staaten sind im landwirtschaftlichen Sektor stark exportorientiert.
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tet, „Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens festzuschreiben und die Umsetzung dieser Rechtsetzung zu gewährleisten“ (Ruppert 2004: 707). Der FrauenMenschenrechtsansatz bietet transnationalen Frauenbewegungen ein „normatives Dach“ (ebd.) für frauen- und geschlechterpolitische Forderungen in den Bereichen der Wirtschafts- und Handelspolitik. Sowohl Gender Budgets als auch handelspolitische Fragen werden seit Beginn des neuen Millenniums verstärkt unter Bezugnahme auf ökonomische Rechte als zentrale Bestandteile von FrauenMenschenrechten thematisiert. Das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit ist hier als Menschenrechtsfrage formuliert.
3
Das Ringen um die thematische Verortung geschlechterpolitischer Forderungen
Zu Beginn des neuen Millenniums griff die UN nach dem Konferenz-Marathon der 1990er Jahre die Probleme der globalen Armut und der ungerechten Entwicklungschancen abermals auf und bearbeitete sie im Rahmen von zwei wichtigen Initiativen intensiv: zum einen im Rahmen der Millennium Development Goals und zum anderen im Kontext der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development) in Monterrey/Mexiko im Jahre 2002. Die Rückbesinnung auf entwicklungspolitische Kernthemen war im internationalen Diskurs unübersehbar. Während der Internationale Währungsfonds und die Weltbank eine Kehrtwende von der Strukturanpassung zur Armutsminderung vollzogen, waren in der WTO die Industrieländer zu Zugeständnissen an die Entwicklungsländer bereit, wie die Doha-Development Agenda zeigt. Diese diskursiven Verschiebungen im Feld der Global Economic Governance konnten sowohl feministische Ökonominnen als auch transnationale Frauenorganisationen für sich nutzen und Fragen der Geschlechtergerechtigkeit besonders erfolgreich in die internationale Debatte zur Entwicklungsfinanzierung einbringen. Die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung verdeutlichte gleichzeitig jedoch auch die Grenzen dieser Thematisierung, da die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit in diesem Zusammenhang nur selektiv aufgegriffen wurden.
3.1
Entwicklungsbekenntnisse auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner
Im September 2000 verabschiedete die UN-Generalversammlung auf ihrem Millenniums-Gipfel die Millennium Declaration, in der sie das Bekenntnis zu
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den Prinzipien und politischen Zielen der UN ausdrücklich bestätigte (UN 2000b). Die Erklärung enthält acht Entwicklungsziele (siehe Tabelle 1), die Millennium Development Goals, mit denen sie die zukünftige Richtung der biund multilateralen Entwicklungszusammenarbeit umriss. Tabelle 1: 1
2
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Die Millennium-Entwicklungsziele
Ziel Armut und Hunger bekämpfen Allen Kindern eine Grundschulausbildung ermöglichen Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und der Gestaltungsmacht von Frauen Kindersterblichkeit reduzieren Gesundheit von Müttern verbessern HIV/AIDS, Malaria und andere übertragbare Krankheiten bekämpfen Den Schutz der Umwelt verbessern
Eine weltweite Entwicklungspartnerschaft aufbauen
(Quelle: BMZ 2006; UN 2000a)
Teilziele Den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut (weniger als $1 am Tag) und Hunger leidet, bis 2015 halbieren. Bis 2015 sollen alle Kinder eine Grundschulausbildung erlangen können. Die Geschlechterdisparität in der primären und sekundären Schulbildung bis 2005 und hinsichtlich des Bildungsniveaus bis 2015 überwinden. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter 5 Jahren bis 2015 um zwei Drittel reduzieren. Die Müttersterblichkeit bis 2015 um drei Viertel reduzieren. Die Verbreitung von HIV/AIDS, Malaria und anderen übertragbaren Krankheiten aufhalten und verringern. Die Prinzipien der Nachhaltigkeit in allen nationalen Politiken integrieren und den Verlust von Umweltressourcen aufhalten. Den Anteil der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser halbieren. Bis 2020 die Lebensbedingungen von mindestens 100 Millionen Slumbewohnern verbessern. Ein auf verlässlichen Regeln basierendes, nichtdiskriminierendes multilaterales Handelsregime entwickeln. Bilaterale Schulden erlassen und großzügigere Finanzierung der Entwicklungshilfe. Zugang zu Medikamenten und neuen Technologien in Kooperation mit der Privatwirtschaft sowie der Pharmaindustrie sichern.
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Bei genauerer Betrachtung der Millennium Entwicklungsziele fällt auf, dass diese nicht neu sind, sondern gewissermaßen die Zusammenfassung und Bekräftigung aller Ziele und Aktionspläne darstellen, die auf den UN-Konferenzen der 1990er Jahre beschlossen wurden. Beweggründe waren nach Christa Wichterich die mangelnde Umsetzung der bisherigen Aktionspläne und die damit einher gehenden Legitimationsprobleme der UN (Wichterich 2005: 20). Erstmals – und dies war das wirklich Neue an den Millennium Development Goals – legte das Dokument quantitative und folglich auch überprüfbare Ziel- und Zeitvorgaben zur Verwirklichung der Ziele fest. Die vorherigen Ziele und Aktionspläne der UN hatten sich stets auf unverbindliche Absichtserklärungen beschränkt (Nuscheler/Roth 2006: 21). Während einige AkteurInnen, allen voran die UN selbst, die Millennium Entwicklungsziele vor diesem Hintergrund als Paradigmenwechsel feierten, kritisierten andere, vornehmlich die Nichtregierungsorganisationen, die acht Entwicklungsziele als internationalen Minimalkonsens, in dem die strukturellen Ursachen der Armut nicht adressiert würden. Die strukturellen Probleme im Zusammenhang mit den Millennium Entwicklungszielen waren Gegenstand der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, wenn auch nur am Rande. Die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung wurde bereits 1997 von der UN-Generalversammlung beschlossen (Resolution A/RES/52/ 179 vom 18. Dezember 1997). Ziel der Konferenz war eine Beratung darüber, wie die fehlenden finanziellen Ressourcen für die Umsetzung der Beschlüsse der vergangenen Weltkonferenzen und vor allem der Millennium Entwicklungsziele zu mobilisieren seien (Martens 2002: 3). Im Sinne der achten Zielsetzung der Millennium Development Goals – der globalen Entwicklungspartnerschaft – sollte in einem Dialog zwischen UN, Weltbank, Internationalem Währungsfonds und WTO, den nationalen Regierungen, den Nichtregierungsorganisationen sowie der Privatwirtschaft ausgelotet werden, welche Finanzierungsspielräume existierten und wie die strukturelle Benachteiligung vor allem der ärmsten Ländern im Finanz- und Handelssystem zu überwinden sei.10 10
Im Abschlussdokument der UN-Konferenz haben die Regierungen in sechs Themenbereichen ihre entwicklungspolitischen Ziele festgelegt: Mobilisierung der einheimischen Ressourcen, Mobilisierung internationaler Ressourcen, internationaler Handel, internationale finanzielle und technische Zusammenarbeit, Verschuldung und „systemische“ Fragen (UN 2003, vgl. Anhang II.1). Im Mittelpunkt steht die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer hinsichtlich der Mobilisierung einheimischer sowie internationaler Ressourcen. Die Länder des Südens werden dazu verpflichtet, zum einen für ein effizientes Steuersystem zu sorgen, um das inländische Steuerpotenzial auszuschöpfen (ebd.: §15), und zum anderen ein gutes Investitionsklima zusichern, um ausländische Direktinvestitionen anzuziehen (ebd.: §20, 21). Die Industrieländer werden dagegen schwerpunktmäßig im Bereich der öffentlichen Entwicklungshilfe in die Verantwortung genommen. Das Dokument betont die Notwendigkeit, die Finanzvolumina im Bereich der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des jeweiligen nationalen Bruttosozialproduktes zu erhöhen (ebd.: §42). Darüber hinaus sollen die Industrienationen den
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Im Abschlussdokument der UN-Konferenz, dem so genannten Monterrey Consensus, verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten zur Umsetzung der vereinbarten Ziele, doch es existieren keine Sanktionsmechanismen, um die Umsetzung auch tatsächlich forcieren zu können. Folglich kommt der Monterrey Consensus wiederum einer recht unverbindlichen Absichtserklärung gleich. Die eigentliche Wirkungsmacht der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung speist sich daher nicht etwa daraus, dass die beschlossenen Ziele tatsächlich durchgesetzt worden wären. Viel bedeutsamer ist die Tatsache, dass die Konferenz an bestehende entwicklungspolitische und ökonomische Diskurse anknüpfte, diese teilweise modifizierte, teilweise fortführte, aber vor allem eine Anschlussfähigkeit in alle Richtungen herstellte, wie später noch zu sehen ist. Als diskursiv anschlussfähig erwiesen sich auch die geschlechterpolitischen Forderungen, die die transnationalen Frauenorganisationen und -netzwerke in enger Kooperation mit feministischen Ökonominnen bereits während des Vorbereitungsprozesses zur Konferenz auf den Sitzungen des Vorbereitungsausschusses einbrachten. Die Akteurinnen verorteten ihre Forderungen explizit im Themenfeld Engendering Macroeconomics and International Economics und thematisierten diese unter Rekurs auf die sozialen und ökonomischen Rechte von Frauen. Es gelang ihnen, einige Aspekte ihrer Forderungen im Monterrey Consensus zu verankern, und im Gegensatz zu den in den Millennium Development Goals anvisierten Zielen können die im Monterrey Consensus festgeschriebenen geschlechterpolitischen Zielsetzungen in wirtschaftspolitischer Hinsicht als weitreichender bewertet werden. Zwar rücken die Millennium Entwicklungsziele die Ermächtigung von Frauen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit als übergeordnete Zielsetzung in den Mittelpunkt. Doch auf der operativen Ebene reduziert sich das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit vornehmlich auf die Bildungsförderung von Frauen und die Gesundheitsförderung von Müttern. Der Monterrey Consensus wird international als wirtschaftspolitisches, wenn auch primär entwicklungspolitisch motiviertes Dokument wahrgenommen. Die Berücksichtigung von geschlechterpolitischen Zielen in diesem Dokument dokumentiert daher auch die hinzugewonnene Anerkennung ihrer ökonomischen Relevanz: „The Monterrey Consensus underlines that the gender perspective must be mainstreamed into development policies in order to strengthen the global economic system“ (Statement des dänischen Außenministers Per Stig Møller auf der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, UN 2002: 152). Auf einer übergeordneten Ebene verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten also dazu, die Geschlechterperspektive bei der Planung aller Maßnahmen systematisch zu berücksichtigen (ebd.: §8, 16, 64). Zudem greift das Dokument Ländern des Südens, insbesondere den ärmsten Ländern, den Zugang zu ihren Märkten ermöglichen und tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen (ebd.: §31, 33, 34).
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die Forderung nach Gender Budgeting explizit auf, jedoch nicht in Verbindung mit Fragen zur makroökonomischen Restrukturierung (ebd.: §19). Unberücksichtigt blieb das Thema der Geschlechtergerechtigkeit auch im Zusammenhang mit strukturellen Fragen zum internationalen Handels- und Finanzregime. An dieser Stelle ist eine widersprüchliche Entwicklung zu diagnostizieren. Einerseits festigte sich das Handlungsfeld Engendering Macroeconomics and International Economics im Zuge des Financing for Development-Prozesses. Hatten die transnationalen Frauenorganisationen und -netzwerke gegen Ende der 1990er Jahre – nämlich im Kontext der Armutsminderungsstrategie – gerade erst angefangen, sich systematisch mit dem Engendering in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik auseinander zu setzen, war im Zuge des Vorbereitungsprozesses zur UN-Konferenz bereits eine enorme Mobilisierung und Professionalisierung zu beobachten, was nicht zuletzt entscheidend zur Sichtbarkeit des Themenfeldes auf internationaler Ebene beigetragen hat: „In just two years we went from Beijing + 5 where gender and macroeconomic policy just wasn’t understood by anybody – by governments or feminist activists. And now I think it’s taking centre stage. So, that’s a huge success“ (Interview mit Carol Barton, 22.03.2002).
Die zunehmende Sichtbarkeit des Engendering ging andererseits mit dem Ringen um dessen thematische Verortung innerhalb der Governance-Strukturen einher. Das Thema des Engendering war im Bereich der internationalen Wirtschaftsund Handelspolitik zwar präsent. Doch umstritten blieb, ob es sich dabei tatsächlich um ein wirtschaftspolitisches oder eher um ein entwicklungspolitisches beziehungsweise soziales Thema handelt.
3.2
Die Doha-Entwicklungsrunde: Chance für ein Engendering?
Das Ringen um die thematische Verortung feministischer Forderungen tritt besonders deutlich im handelspolitischen Feld hervor. Auch dort hat es diskursive Verschiebungen gegeben, die für transnationale Frauennetzwerke neue Anschlusspunkte eröffneten. Nach dem Debakel von Seattle hatten sich die WTO-Mitgliedsstaaten auf der vierten WTO-Ministerkonferenz 2001 in Doha/Katar um die Wiederbelebung der neuen Welthandelsrunde bemüht. Im Abschlussdokument – der Doha Declaration – rückten erstmals entwicklungspolitische Ziele beziehungsweise Fragen ungerechter Handelsbedingungen ins Zentrum der WTO-Agenda (vgl. Williams 2004: 74). Die Doha Development Agenda enthielt eine der zentralen Forderungen der Entwicklungsländer in Bezug auf den Agrarhandel, nämlich „[the] sub-
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stantial improvement on market access, the phasing out of all forms of export subsidy, and substantial reduction in domestic support” (Ministerial Declaration 2001: § 13, zitiert nach: Williams 2004: 74). In Doha war zudem die Bereitschaft zu erkennen, Themen wie Umwelt, Biodiversität und Ernährungssicherung in die Agrarverhandlungen aufzunehmen. Ein sehr wichtiges Ergebnis von Doha war zudem die gesonderte Ministererklärung, dass Regierungen durch das TRIPSAbkommen (Trade-related Aspects of Interellectual Property Rights) nicht daran gehindert werden sollten, ihren gesundheitspolitischen Verpflichtungen nachzukommen und gesundheitssichernde Maßnahmen zu treffen. Damit erhielten Regierungen die Möglichkeit, im Sinne der öffentlichen Gesundheit zu handeln und die medizinische Verwendung patentierter Produkte ohne den Erwerb einer Lizenz zu genehmigen (vgl. UNDP 2003: 51). Neben diesen zunächst positiv zu bewertenden Veränderungen kamen jedoch gleichzeitig zur WTO-Agenda weitere Themen hinzu, die so genannten Singapore Issues: Investitionen, Wettbewerbspolitik, Handelserleichterungen und Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen. Über diese vier Bereiche, so die Abschlusserklärung, seien ebenfalls Verhandlungen zu führen, allerdings nur, wenn auf der fünften WTOMinisterkonferenz 2003 in Cancún ein Konsens über Verhandlungsmodalitäten erzielt werde (Williams 2004: 75). Damit wurde die Doha-Entwicklungsagenda mit der Erweiterung der WTO-Verhandlungen um nicht-handelsbezogene Themen, zum Beispiel ein Investitionsabkommen innerhalb der WTO, verknüpft. Dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel eines gerechten und entwicklungsfördernden Handelssystems einerseits und der Erweiterung der Handelsregeln auf weitere, nicht-handelsbezogene Themen andererseits verstärkte 2003 auf der fünften WTO-Ministerkonferenz in Cancún die Zielkonflikte zwischen den Ländern des Südens und den Industrienationen. Das International Gender and Trade Network (IGTN) thematisierte geschlechterpolitische Fragen genau in diesem Spannungsverhältnis. Vor dem Hintergrund ihrer liberalisierungskritischen Haltung positionierte sich das Netzwerk entschieden gegen die Erweiterung der WTO-Agenda auf nicht-handelsbezogene Themen und Politikbereiche. Grundsätzlich geht IGTN davon aus, dass nur ein Nord-Süd-gerechtes Handelsregime auch geschlechtergerecht sein kann. Neben diesen langfristig angelegten Zielen forderte IGTN unter Bezugnahme auf den Anspruch der WTO-Mitglieder, entwicklungspolitische Ziele zu berücksichtigen, kommende Liberalisierungsschritte bezüglich ihrer geschlechtsspezifischen Auswirkungen zu bewerten und sie dementsprechend geschlechtergerecht auszugestalten. Die Forderung impliziert, vor jedem Liberalisierungsschritt in allen Sektoren zu untersuchen, wie sich dieser auf die Arbeits-, Einkommens- und Konsumsituation von Frauen auswirkt, um anschließend durch Ausnahmeregelungen oder durch sozialpolitisch ergänzende Maßnahmen die gesellschaftliche Schlech-
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terstellung von Frauen zu verhindern. Das heißt: Nach Ansicht der IGTN-Aktivistinnen – eine Ansicht, die von feministischen Ökonominnen des Netzwerks GEM-IWG geteilt wird – gilt es, aus einer geschlechterpolitischen Perspektive unter Umständen Liberalisierungsschritte gezielt auszusetzen und die sozialpolitische Unterstützung für Frauen als Kompensation für die negativen Implikationen der Handelsliberalisierung auszubauen. Die geschlechterpolitische Strategie geriet auf der fünften WTO-Ministerkonferenz in Cancún zum Anlass eines heftigen Konflikts innerhalb der Womens’s Caucus. Während einige Frauen, unter anderem Heather Gibb vom North South Institute und die mexikanische Frauenorganisation Millennium Feminista, für die Einrichtung eines Gender Ausschusses innerhalb der WTO und damit für eine Gender Mainstreaming-Strategie plädierten (Riley 2003: 12), wies IGTN diese Forderung vehement zurück. Ganz in der Tradition des Süd-Netzwerkes DAWN wandten sie sich gegen die Institutionalisierung in den bestehenden asymmetrischen Machtstrukturen der WTO: „In Cancun, some gender activists were advocating the introduction of a gender mechanism at the WTO. For the IGTN, incorporating gender into a flawed institution is problematic without first addressing the abuse of power and undemocratic measures that characterize the current operating model“ (Spieldoch 2004: 4).
Das Thema Gender and Trade, so wie IGTN es thematisierte, zog auf internationaler Ebene trotz der intensiven advocacy-Arbeit des Netzwerks und verbündeten Frauenorganisationen und -netzwerken kaum größere Aufmerksamkeit auf sich. Lediglich UNIFEM rezipierte die Forderungen des International Gender and Trade Network. Dagegen stieß die Idee des Gender Mainstreaming im handelspolitischen Feld auf größere Resonanz. So gründete beispielsweise die Asian Pacific Economic Cooperation (APEC) bereits im Jahre 1999 die Ad Hoc Advisory Group on Gender Integration in APEC, die Ansätze zur Integration der Geschlechterperspektive in die Handelspolitik des APEC entwickeln sollte (Hassanali 2000: 22). Im Mittelpunkt der Mainstreaming-Strategie stehen zum einen die Durchführung von Gender-Analysen und zum anderen die Erhöhung des Frauenanteils in allen Foren und Gremien des APEC (vgl. Williams 2003: 220). Neben der Mainstreaming-Strategie kristallisierte sich noch ein dritter Strang zum Thema Gender and Trade heraus, der auf internationaler Ebene sehr bald Präsenz gewann. Dieser Strang stellt Frauen als Unternehmerinnen und potenzielle Profiteurinnen des Freihandels in den Mittelpunkt und weist damit Parallelen zur Women in Development-Strategie auf. Im Themenfeld Gender and Trade aktiv zu werden heißt hier analog zur Women in Development-Strategie, Frauen als Gründerinnen zu fördern und in ihren Unternehmenstätigkeiten zu
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unterstützen, indem beispielsweise in ihre Bildung investiert wird und Ihnen Zugang zu Krediten ermöglicht wird. In den bi- und multilateralen Organisationen erreichte dieser Ansatz bald eine hohe Aufmerksamkeit, so unter anderem in der UN-Unterorganisation United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) oder auch im Commonwealth Secretariat (Carr 2004).
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Gender in der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik: Sichtbar, aber marginal?
Meine Ausführungen haben gezeigt, dass frauen- und geschlechterpolitische Fragen im Feld der Global Economic Governance weit davon entfernt sind, einfach nicht beachtet und ausgeschlossen zu werden. Seit den 1990er Jahren finden die Auseinandersetzungen feministischer Ökonominnen und von transnationalen Frauenorganisationen sowie -netzwerken mit makroökonomischen und handelspolitischen Fragen aus einer Geschlechterperspektive ihren Niederschlag in der Agenda multilateraler Organisationen. Gemessen an der Fülle des Materials insbesondere zu Gender Budgeting als einem Beispiel für ein Engendering der Makroökonomie und seit 2000 auch zum Thema Gender and Trade, kann ein signifikanter Einfluss feministischer Ökonominnen und Aktivistinnen konstatiert werden: Gender ist im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik ein relevantes Thema. Welche Faktoren haben nun dazu geführt, dass Gender im Zusammenhang mit makroökonomischen und handelspolitischen Fragen aufgegriffen wurde – wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung? Wie ist dieser Erfolg zu bewerten? Die Neue Soziale Bewegungsforschung bietet die passenden Kategorien, um die zunehmende Mobilisierung und die damit einhergehende Sichtbarkeit von frauen- und geschlechterpolitischen Forderungen im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik erklären zu können: 1) Die Mobilisierung von ideellen Ressourcen stellte die Grundlage für die politische Mobilisierung dar. Empirische Studien sowie theoretisch-konzeptionelle Arbeiten von feministischen Ökonominnen boten die intellektuelle Basis und die Begründungsgrundlage für die politische Positionierung in Global Governance-Strukturen. Ein großer Mobilisierungsschub ging dann von den UN-Weltfrauenkonferenzen, vor allem von der vierten UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, aus. In der Aktionsplattform von Peking wurden unter anderem auch für die Bereiche der Wirtschafts- und Handelspolitik geschlechterpolitische Ziele, Forderungen und Strategien festgeschrieben, auf die sich Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen sowohl auf nationalstaatlicher als auch internationaler Ebene berufen konnten. Auf der anderen Seite führte die Verpflichtung, Gender Mainstreaming in allen
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Politikfeldern – eben auch in wirtschaftlichen Themenbereichen – umzusetzen, zu einer höheren Nachfrage nach wissenschaftlicher Expertise, wodurch die Arbeit von feministischen Ökonominnen an Relevanz gewann. 2) Die diskursive Öffnung des Feldes Ende der 1990er Jahre und somit die Veränderung der politischen Gelegenheitsstrukturen lassen sich schließlich auf zwei Ereignisse zurückführen. Im Zusammenhang mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds sind vor allem die Einführung der HIPC-Initiative und die Ablösung der Strukturanpassungsprogramme durch die partizipativ angelegten Armutsminderungsstrategien zu nennen. Im Zusammenhang mit der WTO ist das Scheitern der Verhandlungen in Seattle und die Doha-Entwicklungsrunde entscheidend. Beide Ereignisse führten zu einer Öffnung des ökonomischen Feldes für entwicklungspolitische und soziale Fragen. Geschlechterpolitische Problemstellungen ließen sich daran unmittelbar anschließen: Die HIPCInitiative und die neue Konditionalisierungspolitik der Weltbank stellten vor allem für die Idee des Gender Budgeting als ein Beispiel für ein Engendering der Makroökonomie eine diskursive und politische Gelegenheitsstruktur dar. Alle Geberorganisationen lancierten Projekte zur Unterstützung der Armutsminderungs-Prozesse in den hoch verschuldeten Ländern, damit diese Länder ihre Armutsminderungsstrategien unter Berücksichtigung zivilgesellschaftlicher Positionen und unter Berücksichtigung von Geschlechteraspekten entwickeln konnten. Gender Budgeting bot sich als ein geeigneter Politikansatz an, um makroökonomische Parameter aus einer Geschlechterperspektive zu überdenken. Da feministische Ökonominnen und transnationale Frauennetzwerke als Beraterinnen in die Arbeit der bi- und multilateralen Geberorganisationen einbezogen wurden, konnten sie zum einen als Expertinnen erheblich an Reputation gewinnen und zum anderen finanzielle Ressourcen mobilisieren. Das Debakel von Seattle wiederum führte zu einer politischen Mobilisierung innerhalb der internationalen Frauenbewegung – schien doch der Protest zivilgesellschaftlicher Organisationen auf fruchtbaren Boden zu stoßen. Die Öffnung der WTO-Agenda für entwicklungspolitisch relevante Fragen bot die Chance, geschlechterpolitische und entwicklungspolitische Themen in der Handelspolitik zu verbinden. In der Tat haben die transnationalen Frauennetzwerke die entwicklungspolitischen Ziele um geschlechterpolitische Ziele erweitert. Zudem formulierten feministische Aktivistinnen die Forderung nach einem geschlechtergerechten Handelssystem jetzt als Menschenrechtsfrage. Der bislang letzte große Mobilisierungsschub ging von dem Vorbereitungsprozess zur UN-Konferenz Financing for Development aus. Zum einen konnten transnationale Frauennetzwerke durch ihre Partizipation an den Sitzungen des Vorbereitungsausschusses unmittelbar auf den Agenda-Setting-Prozess Einfluss nehmen. Zum anderen waren sie gemeinsam mit feministischen Ökonominnen
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als Expertinnen in die Vorbereitungen verschiedener UN-Unterorganisationen, beispielsweise UNIFEM, eingebunden, was wiederum zu einer Mobilisierung finanzieller Ressourcen geführt hat. Es waren jedoch nicht nur die Eliten, also die Wissenschaftlerinnen und die international agierenden Aktivistinnen, die mobilisiert wurden, sondern auch eine breite Masse von nationalen Frauenorganisationen, die sich gezielt auf die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung vorbereiteten und zu diesem Zweck ökonomische Alphabethisierungsprojekte ins Leben riefen. Alle diese Ereignisse beförderten die Sichtbarkeit von geschlechterpolitischen Forderungen im Feld der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik. Allerdings haben die Ausführungen gezeigt, dass den Forderungen nach einem Engendering der Makroökonomie und Handelspolitik jeweils unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden. Die Bedeutungszuweisung hängt maßgeblich von den jeweiligen Wissensbeständen und Deutungskontexten ab (siehe dazu Näheres in Çalar 2009). Feministische Ökonominnen des Netzwerks GEMIWG (und auch Aktivistinnen) verorten ihre Forderungen deutlich in einem wirtschafts- und handelspolitischen Kontext und setzen geschlechterpolitische und ökonomische Fragen in ein Verhältnis zueinander. So verstehen sie beispielsweise Gender Budgeting als einen wirtschaftspolitischen Ansatz, wodurch eine expansive Konjunkturpolitik mit einer geschlechtergerechten Umverteilungspolitik kombiniert wird. Geschlechterpolitische Fragen werden folglich als integraler Bestandteil von wirtschaftspolitischen Entscheidungen berücksichtigt. Auch internationale Organisationen wie beispielsweise UNDP und UNIFEM thematisieren Gender Budgeting im Kontext der Wirtschaftspolitik. Doch im Unterschied zu den feministischen Ökonominnen weisen sie geschlechterpolitischen Fragen eine soziale Bedeutung zu – geht es doch darum, die negativen Auswirkungen ökonomischer Prozesse sozialpolitisch abzumildern. Ihr Fokus liegt entsprechend lediglich auf einer geschlechtergerechten Ausgabenpolitik. Auch die Weltbank konzentriert sich nur auf die Ausgabenseite des Staatshaushalts. Doch sie verfolgt keinen sozial-kompensatorischen Ansatz. Vielmehr richtet die Weltbank ihr Augenmerk auf bildungs- und gesundheitspolitische Investitionen, um Frauen als Marktakteurinnen zu stärken. Im Mittelpunkt steht daher die ökonomische Funktion sozialpolitischer Maßnahmen. Ähnliche Tendenzen sind auch im Zusammenhang mit der Handelspolitik zu erkennen: Feministische Ökonominnen und Aktivistinnen fordern, geschlechterpolitische Überlegungen in handelspolitischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Das heißt: Liberalisierungsschritte sind aus Geschlechterperspektive zu prüfen und unter Umständen auszusetzen. Eine solche Perspektive erachtet Geschlechterfragen nicht als additiv, sondern als integralen Bestandteil der handelspolitischen Entscheidungsfindung. Dies steht im Gegensatz zu einer Positi-
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on, die unter einem Engendering der Handelspolitik lediglich die sozialpolitische Abfederung negativer Auswirkungen versteht (z.B. UNIFEM). Die dritte Perspektive dagegen stellt Frauen als Wirtschaftsakteurinnen in den Mittelpunkt und fasst unter Engendering entsprechend solche Politikansätze, die zu einer höheren Marktperformanz von Frauen – als lohnabhängig Beschäftigte oder als Unternehmerin – beitragen (z.B. UNCTAD und WTO). Die Analyse zeigt, dass die geschlechterpolitischen Forderungen im Bereich der internationalen Wirtschafts- und Handelspolitik erfolgreich eingebracht werden konnten, dass diesen jedoch von internationalen Organisationen eine soziale Bedeutung zugewiesen wird. Die geschlechterpolitischen Ansätze variieren jedoch, je nachdem wie das Soziale mit dem Ökonomischen in ein Verhältnis gesetzt wird. Wird das Soziale in Abgrenzung zum Ökonomischen als sozialkompensatorischer Ansatz verstanden, so umfasst Engendering eine auf Frauen ausgerichtete Sozialpolitik. Wird die ökonomische Funktion des Sozialen in den Mittelpunkt gestellt, umfasst Engendering eine auf den Arbeitsmarkt ausgerichtete Frauenförderpolitik (z.B. Gleichstellungspolitik, Bildungspolitik).
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Autorinnen und Herausgeberinnen
Bauhardt, Christine, Prof. Dr., ist Leiterin des Fachgebiets „Gender and Globalisierung“ an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der HumboldtUniversität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Feministische Ansätze in der internationalen Umweltpolitik, globale Migrationen aus Gender-Perspektive, Raumentwicklung und räumliche Planung. Jüngste Veröffentlichungen: Ressourcenpolitik und Geschlechtergerechtigkeit. Probleme lokaler und globaler Governance am Beispiel Wasser. In: Prokla 156, 39.Jg., Nr. 3/2009; Globalisierung und Geschlechtergerechtigkeit – Transformationen der Geschlechterordnung im globalen Kontext. In: Lange, Dirk (Hg.): Entgrenzungen. Gesellschaftlicher Wandel und Politische Bildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (i.E.). Biesecker, Adelheid, Prof. emiritus, Dr., war von 1971 bis 2004 Professorin für „Ökonomische Theorie unter besonderer Berücksichtigung ihrer gesellschaftshistorischen Entstehungsbedingungen“ am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte ökonomischer Theorie, Mikroökonomik aus sozial-ökologischer Perspektive, Ökologische Ökonomik, Feministische Ökonomik. Mitglied im Netzwerk Vorsorgendes Wirtschaften, in der Vereinigung für Ökologische Ökonomie, im Wissenschaftlichen Beirat von attac Deutschland. Veröffentlichung: Die Neuerfindung des Ökonomischen. Ein (re)produktionstheoretischer Beitrag zur sozial-ökologischen Forschung. München: oekom, 2006 (mit Sabine Hofmeister). Boesenberg, Eva, Prof. Dr., studierte in Freiburg, war Wissenschaftliche Assistentin in Halle und ist jetzt Professorin für Nordamerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie schrieb ihre Dissertation zu afrikanisch-amerikanischen Autorinnen und habilitierte sich mit einer Arbeit über Geld und Geschlecht im U.S.-amerikanischen Roman. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Ökonomie und Literatur, gender studies, whiteness, interkulturelle Paarbeziehungen in der amerikanischen Literatur und Sport (besonders Basketball) als kulturelles Phänomen. Veröffentlichung: Gender – Voice – Vernacular: The Formation of Female Subjectivity in Zora Neale
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Autorinnen und Herausgeberinnen
Hurston, Toni Morrison and Alice Walker. Heidelberg: Universitätsverlag C. Winter, 1999. Çalar, Gülay, Dr., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet „Gender and Globalisierung“ an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Jüngste Veröffentlichungen: Engendering der Makroökonomie und Handelspolitik. Potenziale transnationaler Frauennetzwerke. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2009; Gender Knowledge and Economic Knowledge in the World Bank and UNDP: Multiple Meanings of Gender Budgeting. In: Scherrer, Christoph/Young, Brigitte (Hg.): The Role of Gender Knowledge in Policy Networks. Baden-Baden: Nomos (i.E.). Elson, Diane, Prof. PhD, is Professor of Sociology at the University of Essex, UK. In 2006, a chapter on her research on gender and development was included as one of fifty key thinkers on development in David Simon (ed.): Fifty Key Thinkers in Development. London: Routledge. She has acted as advisor to UNIFEM, UNDP, Oxfam and other development agencies. Her recent publications include: Feminist Economics of Trade. London: Routledge, 2007 (ed. with Irene van Staveren, Caren Grown and Nilüfer Çaatay); Gender Issues in Development. In: Dutt, Amitava Krishna/Ros, Jaime (eds.) (2008): International Handbook of Development Economics. Cheltenham: Edward Elgar. Habermann, Friederike, Dr., lebt im Wald bei Berlin und ist Volkswirtin, Historikerin und Dr. phil. in Politischer Wissenschaft. Sie veröffentlichte zuletzt „Der homo oeconomicus und das Andere. Hegemonie, Identität und Emanzipation“ (Nomos, 2008) sowie „Halbinseln gegen den Strom. Anders leben und wirtschaften im Alltag“ (Ulrike-Helmer-Verlag, 2009). Hofmeister, Sabine, Prof. Dr., ist seit 1999 Univ.-Prof. für das Lehr- und Forschungsgebiet Umweltplanung im Department Nachhaltigkeitswissenschaften der Fakultät III Umwelt und Technik der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Soziale Ökologie, Nachhaltige Raumentwicklung sowie Geschlechterverhältnisse & Nachhaltigkeit. Mitglied u.a. im Netzwerk Vorsorgendes Wirtschaften. Veröffentlichung: Die Neuerfindung des Ökonomischen. Ein (re)produktionstheoretischer Beitrag zur sozial-ökologischen Forschung. München: oekom, 2006 (mit Adelheid Biesecker). Kuiper, Edith, Prof. Dr., is an economist at the State University of New York at New Paltz in the US. Her research is in the field of history and philosophy of economics. Among other things, she co-edited (with Drucilla Barker) “Towards
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a Feminist Philosophy of Economics” (Routledge, 2003) and the Routledge Major Works Series “Feminist Economics: Critical Concepts” (November 2009). She is a founder and former President of the Dutch Network of Feminist Economics (FENN). Madörin, Mascha, Ökonomin (lic.rer.pol.), arbeitet seit über 20 Jahren zu feministischer Ökonomietheorie, insbesondere zur Makro- und Mesoökonomie von Care, zur Finanz- und Wirtschaftskrise und zu Gender Budgets. Sie hat an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Basel während drei Jahren Ökonomie unterrichtet und war ab 2007 an der Erarbeitung der Forschungsberichte zur Schweiz im Rahmen der UNRISD-Studie zur „Political and social economy of care“ beteiligt. Sie war über 10 Jahre in einer Nichtregierungsorganisation zum Finanzsektor als Lobbyistin und Forscherin tätig. In den 1970er Jahren unterrichtete und forschte sie während vier Jahren an der Universität Eduardo Mondlane in Mosambik. Maier, Friederike, Prof. Dr., ist Professorin für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Verteilung und Sozialpolitik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Direktorin des Harriet Taylor Mill-Instituts für Ökonomie und Geschlechterforschung der HWR. Seit 1992 zudem deutsche Expertin in Netzwerk „Gender and Employment“ der Europäischen Kommission. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Beschäftigungsentwicklung, ökonomische Entwicklung und Entwicklung der ökonomischen Theorie – immer unter Geschlechteraspekten. Jüngste Veröffentlichungen: Auf halbem Weg – Die Studien- und Arbeitsmarktsituation von Ökonominnen im Wandel. Berlin: sigma, 2008 (mit Andrea-Hilla Carl und Dorothea Schmidt); Verfestigte Schieflagen – Ökonomische Analysen zum Geschlechterverhältnis. Berlin: sigma, 2008 (Hrsg. mit Angela Fiedler). Razavi, Shahra, PhD, is Senior Research Co-ordinator at the United Nations Research Institute for Social Development (UNRISD), where she oversees the Institute’s Programme on Gender and Development. She specializes in the gender dimensions of social development, with a particular focus on livelihoods and social policy. Her recent books include: The Gendered Impacts of Liberalization: Towards “Embedded Liberalism”? London: Routledge, 2009; Gender and Social Policy in a Global Context: Uncovering the Gendered Structure of ‘the Social’. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2006 (ed. with Shireen Hassim). Robeyns, Ingrid, Prof. Dr., is an economist and philosopher and holds the chair in practical philosophy at the Erasmus University in Rotterdam. Her main re-
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search areas are theories of justice (especially applied to gender and families), the capability approach, the ethics of welfare state institutions, and the normative philosophy of economics. She has co-edited “Amartya Sen's work and Ideas: A Gender Perspective” (Routledge, 2005) and “Measuring Justice: Primary Goods and Capabilities” (Cambridge University Press, 2010). Staveren, Irene van, Prof. Dr., is Associate Professor of Feminist Development Economics at the International Institute of Social Studies of Erasmus University Rotterdam. She has an MA and PhD in economics from Erasmus University and has taught at Radboud University Nijmegen. She has published “The Feminist Economics of Trade” (Routledge, 2007), is on the editorial board of Feminist Economics, and teaches on gender in relation to labour markets, macroeconomic policy, and household economics. Young, Brigitte, Prof. PhD, ist seit 1999 Professorin für Internationale Politische Ökonomie am Institut für Politikwissenschaft der WWU Münster. Ihre Arbeitsgebiete befassen sich mit ökonomischer Globalisierung, Weltwirtschaft, Global Governance und Multilateralismus, globalen Handels- und Finanzmärkten sowie Feministischer Makroökonomie/Heterodoxer Ökonomie. Im Zeitraum 2009/ 2010 erscheinen zwei Bücher: Gender and Macroeconomic Governance (mit Isabella Bakker und Diane Elson); The Role of Gender Knowledge in Policy Networks (mit Christoph Scherrer).