Frieda Raich Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten
Frieda Raich Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten
C...
101 downloads
1243 Views
12MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Frieda Raich Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten
Frieda Raich Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten
C~
LL
,ram Ik--
Frieda Raich
Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten L.
m 9m
L
L
~
| m
~j~ Im
..Q
O
C~
c~ !
E Ct~
Jim
~mm
cL~ m m
N C~ Ct~ ~w
L~
CD
lUl
C0 mm
n "-o c~ ]/.
..ram
c~ i. r
o Jim r~ co t~ o ~
CD CD mmm.
E
a~ o.n
CL~
C~J
C0
lm
!
,,mm
Jim
i m
]/,
C~
CD
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet {Jber abrufbar.
Dissertation Universit~it Innsbruck, 2006 Die vorliegende Buchpublikation wurde vonder Europ~iischen Akademie Bozen (EURAC) unterstiitzt.
EURAC research Institut fiJr Regionalentwicklung und Standortmanagement www.eurac.edu
1. Auflage November 2006 Alle Rechte vorbehalten 9 Deutscher Universit~its-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Britta GShrisch-Radmacher Der Deutsche Universit~its-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de
;
Das Werk einschlieglich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiJtzt. Jede Verwertung aul~erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.gs unzul~issig und strafbar. Das gilt insbesonderefiJr Vervielffiltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~iren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scherglitz Gedruckt auf s~iurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0599-5 ISBN-13 978-3-8350-0599-0
Geleitwort R~iume stellen eine Verdichtung von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aktivit~iten dar. Sie sind ein Handlungsraum, welcher von sozialen und institutionellen Bindungen der Akteure profitiert. Die Gestaltbarkeit von R~iumen h~ingt ganz wesentlich vonder Steuerungsf'~ihigkeit der Akteure ab. Die Arbeit von Frieda Raich erm6glicht einen wissenschaftlich fundierten und empirisch erprobten Einblick in die Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten unter besonderer Berticksichtigung von Tourismus-Destinationen. Die Steuerung von Tourismus-Destinationen ist ein alter Traum von Akteuren des Tourismus und anderer Branchen. Bei intensiver Betrachtung der Praxis versteht der Interessierte alsbald, dass es sich bei der Ftihmng und Steuerung von Tourismus-Destinationen um ein sehr komplexes Ph~inomen handelt. Selbst das Management der Dienstleistungsketten von Zielgebieten, die aus dem Blickwinkel der Nachfrage konstruiert werden, st6Bt in der konkreten Umsetzung auf eine Vielfalt von Problemen. Frieda Raich wagt sich dabei auf der Grundlage der politischen Steuerungstheorie - und hier liegt ein Neuigkeitsaspekt- in ein spannendes Betrachtungs- sowie Erkenntnisfeld vor, welches handlungstheoretisch die Steuerung als komplexen Prozess versteht, jedoch grunds~tzlich die Steuerungsfahigkeit bejaht. Behandelt wird ein Themenfeld, welches die Tourismuswirtschaft, aber auch zunehmend die Wissenschaft stark besch~ftigt: Wie gelingt es, vor dem Hintergrund der Metazielsetzung Wettbewerbsffihigkeit, die Steuerbarkeit und die Steuerungsffihigkeit der TourismusDestination zu garantieren? Dabei kann die Anwendung im Tourismus als h6chst innovativ bezeichnet werden und auf der vorliegenden Grundlage zukfinftig Fallstudien erm6glichen, deren Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Steuerungstheorie einflieBen k6nnen. Es gelingt Frieda Raich, die Besch~iftigung mit Regional-Governance und die Erkenntnisse des Regional-Governance-Ansatzes auf touristische Destinationen umzulegen, was welters einen Neuigkeitsaspekt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit touristischen Destinationen darstellt. Dabei verdeutlicht die Autorin der vorliegenden Arbeit die verschiedenen Steuerungsebenen einer Tourismus-Destination als Grundlage fOr die Entwicklung eines allgemeinen Governance-Modells. Akteurkonstellation, Interaktionsformen der Entscheidungsfindung, Handlungsorientierung sowie institutioneller Kontext werden als relevante Bestimmungsfaktoren der Governance im Rahmen der empirischen Analyse untersucht. Man kann davon ausgehen, dass auf der Grundlage vorliegender Arbeit eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung bzw. Weiterentwicklung erfolgen wird. Ich wage zu behaupten, dass Frieda Raich eine essentielle Weiterentwicklung der Diskussion rund um den Themenkomplex Destination-Management gelungen ist. Der Blickwinkel ausgew~hlter Management-Theorien wird durch die politische Steuerungstheorie erg~,nzt und setzt maBgebliche Akzente bei Betrachtung der Komplexit~it der Funktionsweise von TourismusDestinationen. Die Verfasserin erm6glicht in der vorliegenden Arbeit einen profunden Einblick in die Literatur zum Themenkomplex Governance, erg~nzt durch die F~,higkeit, in der Literatur behandelte Definitionen und Argumente kritisch zu beleuchten und zu beurteilen. Herausragend ist diese Arbeit vor allem hinsichtlich der Erarbeitung eines Konzeptes auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Auseinandersetzung.
Prof. Dr. Harald Pechlaner
Vorwort Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten ist ein Prozess, in welchem Eigendynamik und Steuerungsprozesse ineinander greifen. In dem Bem~hen, die Entwicklung von lokalen und regionalen R~umen zu beeinflussen, muss die Interdependenz von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aktivit~ten ber~cksichtigt werden. Einseitige Konzepte greifen zu kurz, um komplexe Wirkungszusammenh~nge zu steuern. Erforderlich sind Kombinationen verschiedener Steuerungsformen- und Elemente, die durch Lern- und Suchprozesse der Beteiligten unterstt~tzt werden. Die vorliegende Arbeit besch~ftigt sich mit dem Arrangement von Steuerung und Selbstorganisation, abseits von Machbarkeitsglaube und Steuerungspessimismus. Sie wurde im J~nner 2006 von der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakult~t der Universit~t Innsbruck als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt den Personen, die mich bei meiner Arbeit unterstfitzt und begleitet haben, im Besonderen Prof. Dr. Harald Pechlaner. Im Gespr~ch mit ihm entstand das Interesse an diesem spannenden Thema und er stand mir stets mit Rat und Tat zur Seite. Bedanken m6chte ich mich auch bei der Europ~ischen Akademie Bozen (EURAC), die das Schreiben der Dissertation wohlwollend gef6rdert hat. Sie hat die Durchffihrung einer umfangreichen empirischen Studie erm6glicht und die Publikation der Arbeit finanziell unterstfitzt. Ffir das Zweitgutachten danke ich Prof. Dr. Klaus Weiermair. Ich wfinsche den Lesern des Buches eine spannende Auseinandersetzung mit dem Thema Governance von rfiumlichen Wettbewerbseinheiten.
Frieda Raich
VII
Inhaltsverzeichnis 1. E i n f a h m n g .........................................................................................................................
1
2. Z i e l s e t z u n g e n .....................................................................................................................
2
3. A n a l y t i s c h e r Hintergrund ..................................................................................................
3
3.1 Exkurs: Politische und wirtschaftliche Steuerungsdiskussion ................................. 4
I Governance 1. Definition ...............................................................................................................................
5
2. Die politische Steuerungstheorie ............................................................................................
6
2.1 Der akteurtheoretische A n s a t z .........................................................................................
8
2.1.1 Soziales H a n d e l n ...................................................................................................
8
2.1.2 A k t e u r m o d e l l e .......................................................................................................
9
2.1.3 15berindividuelle Akteure und kollektive Handlungsf~ihigkeit ............................ 12 2.1.4 A k t e u r k o n s t e l l a t i o n e n ..........................................................................................
15
2.1.5 A k t e u r t h e o r e t i s c h e Steuerung ............................................................................. 18 2.2 Der systemtheoretische A n s a t z ......................................................................................
19
2.2.1 Systeme: G r u n d d i f f e r e n z i e r u n g ........................................................................... 19 2.2.2 Grundriss einer a l l g e m e i n e n Theorie sozialer Systeme ...................................... 20 2.2.3 Steuerbarkeit und Steuerungsf'~ihigkeit in der Systemtheorie .............................. 23 2.3 Z w i s c h e n System und A k t e u r ........................................................................................ 26 2.3.1 Einw~inde g e g e n den s y s t e m t h e o r e t i s c h e n S t e u e r u n g s p e s s i m i s m u s ................... 26 2.3.2 Einfluss der Systemtheorie a u f die neuere Steuerungstheorie ............................ 28 3. Steuerungsverst~indnis in dieser Arbeit ................................................................................ 29 4. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit ................................................................................. 30 4.1 Steuerbarkeit ..................................................................................................................
30
4.2 Steuerungsf~ihigkeit .......................................................................................................
32
4.3 S t e u e r u n g s m e d i e n ..........................................................................................................
33
4.3.1 M a c h t ...................................................................................................................
34
4.3.2 G e l d .....................................................................................................................
36
4.3.3 W i s s e n .................................................................................................................
38
4.3.4 Vertrauen .............................................................................................................
40
5. S t e u e r u n g s p r o b l e m a t i k .........................................................................................................
41
5.1 Transintentionalit~it sozialen H a n d e l n s .......................................................................... 44 5.2 Ursachen von Transintentionalit~it ................................................................................. 45 5.3 D i m e n s i o n e n der Transintentionalit/it ........................................................................... 48 5.4 A b b a u von Transintentionalit~it ..................................................................................... 49 6. V o n der Steuerung zur G o v e r n a n c e ..................................................................................... 52 6.1 Institutionen ...................................................................................................................
53
6.2 I n s t i t u t i o n e n d y n a m i k versus Institutionengestaltung .................................................... 55 7. G o v e r n a n c e - F o r m e n .............................................................................................................
59
7.1 K o o r d i n a t i o n s v e r f a h r e n ................................................................................................. 59 7.1.1 Einseitiges H a n d e l n und wechselseitige A n p a s s u n g ........................................... 59 IX
7.1.2 Verhandlung ........................................................................................................61 7.1.3 Mehrheitsentscheidung ........................................................................................ 66 7.1.4 Hierarchische Entscheidung ................................................................................ 67 7.2 Strukturmuster ...............................................................................................................68 7.2.1 Der Markt ............................................................................................................69 7.2.2 Die Hierarchie .....................................................................................................71 7.2.3 Neben Hierarchie und Markt ............................................................................... 73 7.3 Analyse der Strukturalternativen ...................................................................................74 7.3.1 Governancekostenansatz .....................................................................................74 7.3.2 Transaktionskosten der Steuerung ....................................................................... 77 7.3.3 Referenzformen ...................................................................................................80 8. Zusammenfassung ................................................................................................................82
II Governance von r~iumlichen, regionalen Wettbewerbseinheiten 1. Der Raum .............................................................................................................................83 1.1 Die Grundqualit~iten des Raumes ..................................................................................84 1.2 Raum und Zeit ...............................................................................................................87 2. Wettbewerbseinheiten auf regionaler Ebene ........................................................................ 89 2.1 Die Region .....................................................................................................................89 2.2 Regionstypisierung ........................................................................................................91 2.3 Abgrenzung von Regionen ............................................................................................92 2.4 Die Bedeutung des regionalen Raumes ......................................................................... 94 3. Regional Governance ...........................................................................................................97 3.1 Definition .......................................................................................................................98 3.2 Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus ..................................................... 99 3.2.1 Analytischer Hintergrund ....................................................................................99 3.2.2 Das analytische Modell ..................................................................................... 100 3.3 Merkmale der Regional Governance ........................................................................... 108 3.4 Regionale Netzwerke als Basis der Governance r~iumlicher Einheiten ...................... 109 3.4.1 Netzwerke als heuristische Kategorie ............................................................... 110 3.4.2 Merkmale von Netzwerken ............................................................................... 111 3.4.3 Funktionen von Netzwerken .............................................................................. 112 3.4.4 Vorteile und Effekte .......................................................................................... 113 3.4.5 Machtstrukturen in Netzwerken ........................................................................ 114 3.4.6 Probleme und Zerfall von Netzwerken ............................................................. 115 3.4.7 Effekte r~umlicher N~ihe aufNetzwerkbeziehungen ......................................... 126 3.5 St~irken und Schw~ichen des Ansatzes ......................................................................... 127 3.6 Abgrenzung zu anderen Ans~tzen ............................................................................... 129 3.6.1 Hauptlinien der regionalwirtschaftlichen Ans~itze ............................................ 131 3.6.2 Kompatibilit~it und Komplementarit~it der Ans~itze ........................................... 133 3.6.3 Milieu Ansatz .................................................................................................... 134 3.6.4 Industrielle Distrikte .......................................................................................... 137 3.6.5 Regulationsansatz .............................................................................................. 138 3.6.6 Konzept der Lernenden Region ......................................................................... 139
3.6.7 Regime-Konzept ................................................................................................ 141 3.6.8 Funktionen der Regionalentwicklung ................................................................ 143 4. Zusammenfassung .............................................................................................................. 144
III Governance von Tourismus-Destinationen 1. Die Tourismus-Destination ................................................................................................ 145 1.1 Das Tourismussystem .................................................................................................. 145 1.2 Tourismussystem und Umwelt .................................................................................... 150 1.2.1 Einfluss des Tourismus auf die Umwelt ............................................................ 151 1.2.2 Entwicklung und Einflussfaktoren .................................................................... 152 1.3 Die touristische Destination ........................................................................................ 156 1.4 R~iumliche Abgrenzung yon Destinationen ................................................................. 157 1.5 Destinationen als r~iumliche Wettbewerbseinheiten .................................................... 158 1.6 Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf~ihigen Destination .................................... 159 1.7 Notwendigkeit der Governance von Tourismus-Destinationen .................................. 165 2. Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen ............................. 167 2.1 Akteure der Tourismus-Destination ............................................................................ 167 2.1.1 Touristische Akteure ......................................................................................... 167 2.1.2 Interessengruppen .............................................................................................. 172 2.2 Handlungsorientierung der Akteure ............................................................................ 175 2.3 Konstellation in der Destination .................................................................................. 177 2.4 Interaktionsformen in der Destination ......................................................................... 179 2.5 Institutioneller Kontext einer Destination ................................................................... 182 2.5.1 Notwendigkeit der Tourismuspolitik ................................................................. 182 2.5.2 Instrumente der Tourismuspolitik ..................................................................... 185 2.5.3 Anforderungen an die Yourismuspolitik ........................................................... 186 2.6 Zusammenspiel der Bestimmungsfaktoren ................................................................. 188 3. Vom Management zur Governance von Destinationen ..................................................... 191 3.1 Notwendigkeit der Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes ............................ 193 3.2 Exkurs: Governance von politisch-administrativen Regionen versus Destinationen.. 194 3.3 Entwicklung eines Governance-Modells far Tourismus-Destinationen ..................... 195 3.3.1 Steuerungsebenen in einer Tourismus-Destination ........................................... 195 3.3.2 Institutionell eingebettete Selbstorganisation .................................................... 199 3.3.3 Institutioneller Kontext oder ,der Schatten der Hierarchie'. ............................. 199 3.3.4 Selbstorganisation .............................................................................................205 3.3.5 Netzwerkpool ....................................................................................................214 3.3.6 Vom Netzwerkpool zu aktivierten Netzwerken ................................................ 215 3.3.7 Netzwerkmanagement ....................................................................................... 218 3.3.8 Integration der verschiedenen Steuerungsebenen ............................................. 229 3.4 Zusammenfassung: Ansatz einer Governance von Tourismus-Destinationen ............ 230
IV Empirische Untersuchung 1. Zielsetzung .........................................................................................................................233 2. Methode ..............................................................................................................................233 XI
2.1 Quantitative U n t e r s u c h u n g ................................................................................... 233 2.2 Stichprobe .............................................................................................................
234
2.3 V o r g e h e n s w e i s e ....................................................................................................
235
2.4 Pretest ...................................................................................................................
235
3. Ergebnisse ..........................................................................................................................
237
3.1 A l l g e m e i n ....................................................................................................................
237
3.1.1 A n g e w a n d t e Tests bei V e r g l e i c h e n z w i s c h e n G r u p p e n .................................... 237 3.1.2 A n g e w a n d t e Tests zur A n a l y s e von Zusammenh~ingen .................................... 237 3.1.3 Rficklaufquote ...................................................................................................
238
3.1.4 U n t e r n e h m e n und G r u p p e n ............................................................................... 239 3.2 Einfluss der Akteure ....................................................................................................
242
3.2.1 Einfluss der v e r s c h i e d e n e n A k t e u r g r u p p e n ....................................................... 242 3.2.2 Verteilung des Einflusses .................................................................................. 243 3.2.3 Einsatz von S t e u e r u n g s m e d i e n .......................................................................... 244 3.3 I n t e r a k t i o n s f o r m e n ......................................................................................................
245
3.3.1 Einsatz von I n t e r a k t i o n s f o r m e n ......................................................................... 245 3.3.2 Einfluss der I n t e r a k t i o n s f o r m e n a u f die N a c h h a l t i g k e i t .................................... 247 3.3.3 Einfluss der I n t e r a k t i o n s f o r m e n a u f den R a u m b e z u g ....................................... 248 3.4 K o l l e k t i v e Handlungsf~ihigkeit .................................................................................... 249 3.4.1 Interessenkonflikte ............................................................................................ 249 3.4.2 G e m e i n s a m e s V o r g e h e n .................................................................................... 250 3.5 Einfluss der 6ffentlichen H a n d .................................................................................... 252 3.6 N e t z w e r k e ....................................................................................................................
253
3.6.1 Netzwerkqualit~it ................................................................................................
253
3.6.2 N e t z w e r k p r o b l e m e ............................................................................................ 257 3.7 Erfolg ...........................................................................................................................
258
3.7.1 B e w e r t u n g von E r f o l g s f a k t o r e n ........................................................................ 258 3.7.2 Wettbewerbsf~ihigkeit ........................................................................................ 260 3.7.3 U n t e r n e h m e r t u m ................................................................................................
260
3.7.4 K o o p e r a t i o n / N e t z w e r k b i l d u n g .......................................................................... 261 3.7.5 Einzigartigkeit ...................................................................................................
262
3.8 G o v e r n a n c e ..................................................................................................................
263
3.8.1 Bereiche der G o v e r n a n c e .................................................................................. 263 3.8.2 D o m i n a n t e G o v e r n a n c e - F o r m e n ....................................................................... 264 3.8.3 G o v e r n a n c e - A k t e u r e .......................................................................................... 267 4. Interpretation der Ergebnisse ............................................................................................. 269 4.1 B e s t i m m u n g s f a k t o r e n der G o v e r n a n c e ....................................................................... 270 4.1.1 Akteure ..............................................................................................................
270
4.1.2 H a n d l u n g s o r i e n t i e r u n g ...................................................................................... 271 4.1.3 A k t e u r k o n s t e l l a t i o n ........................................................................................... 271 4.1.4 Interaktionsformen ............................................................................................ 272 4.1.5 Institutioneller K o n t e x t ...................................................................................... 273 4.2 G o v e r n a n c e - M o d e l l .....................................................................................................
274
5. A u s s a g e k r a f t der empirischen U n t e r s u c h u n g ..................................................................... 275 XII
V Schlussbetrachtung und Ausblick 1. Rolle des regionalen Raumes ftir eine wettbewerbsf~ihige Entwicklung ............... 279 2. Wichtigkeit der Governance yon Niumlichen Wettbewerbseinheiten .................... 280 3. A k z e p t a n z der Komplexit~it yon Governance ......................................................... 281 4. Kombination yon G o v e r n a n c e - E l e m e n t e n .............................................................
281
5. Balance zwischen G o v e r n a n c e - F o r m e n u n d - E l e m e n t e n ....................................... 282 6. Integration der Steuerungsebenen ..........................................................................
283
7. G o v e r n a n c e - A k t e u r e ...............................................................................................
284
8. Entwicklung der Bestimmungsfaktoren der Governance ....................................... 285 9. G o v e r n a n c e yon Tourismus-Destinationen ............................................................ 10. Weiterfiihrende Forschungsempfehlungen ........................................................... Literatur ..................................................................................................................................
288 289 291
XIII
A b b i Id u ng s v e r z e i c h n is I Governance Abbildung 1: Komplexe, t~berindividuelle Akteure ................................................................. 15 Abbildung 2: Analyseebenen von Systemen ............................................................................ 19 Abbildung 3: Funktionssysteme, Medien, Codierung .............................................................. 25 Abbildung 4: Steuerungsmedien .............................................................................................. 33 Abbildung 5: Indikatoren f't~r Steuerungsproblematik und -f'~ihigkeit ...................................... 42 Abbildung 6: Intentionale und transintentionale Folgen sozialen Handelns ............................ 44 Abbildung 7: Dimensionen von Transintentionalit~t ............................................................... 49 Abbildung 8: Beziehung zwischen Regeln, Handlungsraum und Handlungsmuster ............... 52 Abbildung 9: Schaffung einer institutionellen Ordnung - Battle of the Sexes ........................ 56 Abbildung 10: Gestaltungsintentionen und institutionelle Dynamik ....................................... 57 Abbildung 11: Arten von Verhandlungsprozessen .................................................................. 62 Abbildung 12: Idealtypische Steuerungsformen ...................................................................... 73 Abbildung 13: Institutionelle Steuerungskosten als Funktion der Ressourcenspezialisierung 79 Abbildung 14: Unterschiede zwischen Strukturmustem .......................................................... 81 II Governance von riiumlichen, regionalen Wettbewerbseinheiten Abbildung 15: Regionale Raumelemente ................................................................................ 91 Abbildung 16: Das analytische Modell des akteurzentrierten Institutionalismus .................. 101 Abbildung 17: Institutionelle Ordnung - Gefangenendilemma ............................................. 102 Abbildung 18: Problemdimensionen und Fallstricke von Netzwerken ................................. 122 Abbildung 19: Spezifische Kosten von Netzwerkarrangements ............................................ 125 Abbildung 20: Regional Governance- Stgrken und Schw~chen .......................................... 128 Abbildung 21: Paradigmen in der Regionalentwicklung ....................................................... 129 Abbildung 22: Bandbreite und Kompatibilitgt regionalwirtschaftlicher Ansgtze .................. 133 III Governance von Tourismus-Destinationen Abbildung 23: Tourismus als System .................................................................................... 146 Abbildung 24: Wirkungen des Tourismus auf verschiedene Umweltbereiche ...................... 151 Abbildung 25: Einflt~sse auf den Tourismusmarkt ................................................................ 155 Abbildung 26: Optimierte Dienstleistungskette einer touristischen Destination ................... 157 Abbildung 27: Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf'~higen Destination ....................... 160 Abbildung 28: Wertsystem am Beispiel der Tourismusindustrie .......................................... 162 Abbildung 29: Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsf~ihigkeit von Destinationen ............ 166 Abbildung 30: Akteure in Tourismus-Destinationen ............................................................. 168 Abbildung 31: Merkmale von Klein-, Mittel- und Gro6betrieben im tertifiren Sektor .......... 170 Abbildung 32: Interessengruppen im Tourismus ................................................................... 172 Abbildung 33: Interessengruppen in der Tourismus-Destination .......................................... 173 Abbildung 34: Organisatorische St~rke und Beeinflussungskraft von Interessengruppen .... 174 Abbildung 35: Die Tourismus-Destination als virtuelles Dienstleistungsunternehmen ........ 177 Abbildung 36: Strukturmuster und Koordinationsmechanismen ........................................... 179 XV
Abbildung 37: Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen ......... 189 Abbildung 38: Destinations-Modell als Governance-Grundlage ........................................... 197 Abbildung 39: Governance-Modell einer Tourismus-Destination ......................................... 198 Abbildung 40: Merkmale regionaler Kooperation ................................................................. 203 Abbildung 41: Netzwerkpool und Aktivierung von Netzwerken .......................................... 217 Abbildung 42: Vor- und Nachteile integrierter und unabh/~ngiger Managementeinheiten .... 220 Abbildung 43: Steuerungsebenen und deren Funktionen im Govemance-Modell ................ 230
IV Empirische Untersuchung Abbildung 44: Stichprobe ...................................................................................................... 235 Abbildung 45: Riicklauf nach Akteurgruppen ....................................................................... 238 Abbildung 46: Gruppierung der Akteurgruppen .................................................................... 239 Abbildung 47: Einbindung der Akteure in Kooperationen .................................................... 240 Abbildung 48: Kooperative Handlungsorientierung- Vergleich zwischen Akteurgruppen. 240 Abbildung 49: Funktion der Tourismusorganisation- Vergleich zwischen Regionen ......... 241 Abbildung 50: Funktion der Tourismusorganisation- Vergleich zwischen Akteurgruppen 241 Abbildung 51: Einfluss von Akteurgruppen - Vergleich zwischen Regionen ...................... 242 Abbildung 52: Einfluss von Akteurgruppen- Vergleich zwischen Akteurgruppen ............. 243 Abbildung 53: Verteilung des Einflusses ............................................................................... 243 Abbildung 54: Verteilung des Einflusses - Vergleich zwischen Akteurgruppen .................. 244 Abbildung 55: Einsatz von Steuerungsmedien - Vergleich zwischen Regionen .................. 244 Abbildung 56: Einsatz von Steuerungsmedien - Vergleich zwischen Akteurgruppen ......... 245 Abbildung 57: Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung .............................................. 246 Abbildung 58: Interaktionsformen- Vergleich zwischen Akteurgruppen ............................ 247 Abbildung 59: Einfluss der Interaktionsformen auf die nachhaltige Entwicklung ................ 247 Abbildung 60: Einfluss der Interaktionsformen auf den Raumbezug .................................... 248 Abbildung 61: Interessenkonflikte- Vergleich zwischen Regionen ..................................... 249 Abbildung 62: Interessenkonflikte - Vergleich zwischen Akteurgruppen ............................ 250 Abbildung 63: Gemeinsames Vorgehen ................................................................................ 251 Abbildung 64: Gemeinsames V o r g e h e n - Vergleiche zwischen Akteurgruppen .................. 251 Abbildung 65: Rolle der 6ffentlichen Hand ........................................................................... 252 Abbildung 66: Eingriff der 6ffentlichen Hand - Vergleich zwischen Akteurgruppen .......... 253 Abbildung 67: Netzwerke ...................................................................................................... 253 Abbildung 68: N e t z w e r k e - Test der Homogenit~it der Varianzen ........................................ 254 Abbildung 69: Netzwerke - Vergleiche zwischen Akteurgruppen- Mittelwertvergleiche .. 255 Abbildung 70: Netzwerke - Multipler Mittelwertvergleich zwischen Akteurgruppen ......... 256 Abbildung 71: Netzwerke - Vergleich zwischen Akteurgruppen ......................................... 256 Abbildung 72: Netzwerkprobleme ......................................................................................... 257 Abbildung 73: Netzwerkprobleme - Vergleich zwischen Akteurgruppen ............................ 258 Abbildung 74: Bewertung von Erfolgsfaktoren ..................................................................... 259 Abbildung 75: Erfolgsfaktoren - Vergleich zwischen Akteurgruppen .................................. 259 Abbildung 76: Regressionsanalyse Wettbewerbsf'~ihigkeit .................................................... 260 Abbildung 77: Regressionsanalyse Unternehmertum ............................................................ 261 Abbildung 78: Regressionsanalyse Kooperation/Netzwerkbildung ...................................... 261 XVI
Abbildung 79: Regressionsanalyse Einzigartigkeit ................................................................ 262 Abbildung 80: Bereiche der Governance ............................................................................... 263 Abbildung 81: Bereiche der Governance - Vergleich zwischen Akteurgruppen .................. 264 Abbildung 82: Management touristischer Gebiete ................................................................. 265 Abbildung 83: Management touristischer Gebiete - Vergleich zwischen Regionen ............. 265 Abbildung 84: Management touristischer Gebiete - Vergleich zwischen Akteurgruppen .... 266 Abbildung 85: Akteure der Governance ................................................................................ 267 Abbildung 86: Akteure der Governance - Vergleich zwischen Regionen ............................ 268 Abbildung 87: Akteure der Governance - Vergleich zwischen Regionen ............................ 269 Abbildung 88: Ansatzpunkte im Governance-Modell der untersuchten Regionen ............... 274
XVII
1. EinfOhrung Lokale und regionale R~iume haben trotz Globalisierung nicht an Bedeutung verloren. Sie sind die Basis der Wettbewerbsf'~ihigkeit der in ihnen agierenden Akteure. In R~iumen verdichten sich wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivit~iten. R~iume sind somit ein gestaltbares Handlungsumfeld, welches von sozialen und institutionellen Bindungen zwischen den Akteuren profitiert. Damit die territoriale Einbindung zur Wettbewerbsf~ihigkeit und zur Positionierung der Akteure beitragen kann und die Aussch6pfung von endogenen Potentialen m6glich ist, muss die Entwicklung von R~iumen gelenkt werden. Diese Arbeit besch~iftigt sich mit der Governance von rfiumlichen Wettbewerbseinheiten und im Speziellen von TourismusDestinationen. Teil I befasst sich mit Governance im Allgemeinen. Diese wird definiert als das Zusammenspiel verschiedener Steuerungsformen, als ein neues Arrangement von Steuerung und Selbstorganisation, wobei den Funktionen der Institutionen eine besondere Rolle eingediumt wird. Analytischer Hintergrund ist die politische Steuerungstheorie, welche der gesellschaftlichen Steuerung zugeordnet ist. Der Steuerungsbegriff wird handlungstheoretisch aufgebaut, wobei Steuerung als komplexer Prozess verstanden wird, der mit transintentionalen Folgen verbunden sein kann. Steuerbarkeit und Steuemngsf'~ihigkeit werden gmnds~itzlich bejaht. Diskutiert werden die Koordinationsverfahren Anpassung, Verhandlung, Mehrheitsentscheidung und hierarchische Entscheidung sowie die Strukturmuster Markt, Hierarchie und intermedi~ire Formen. Die anschliel3ende Analyse verschiedener Stmkturalternativen basiert auf dem Governancekostenansatz. Dieser Teil n~ihert sich dem Ph~inomen Governance, stellt die verschiedenen Governance-Elemente dar und bildet somit den theoretischen Hintergmnd der Governance r~iumlicher Wettbewerbseinheiten. Teil II besch~iftigt sich mit der Governance von diumlichen, regionalen Wettbewerbseinheiten. Die Diskussion der Gmndqualit~iten des Raumes zeigt die Besonderheiten und die gesellschaftliche Bedeutung des Raumes auf. Als Untersuchungsgegenstand wird die Region festgelegt, wobei eine Definition erfolgt und die M6glichkeiten der Abgrenzung diskutiert werden. Wesentlich ist in einem weiteren Schritt die Verbindung der allgemeinen Ausftihmngen zur Governance mit dem gew~ihlten Regionsbegriff. Regional Governance wird definiert als Koordinierung und Steuerung regionaler Prozesse in komplexen Strukturen. Dabei wirken unterschiedliche Akteure und Steuerungsformen zusammen. Als analytische Basis dient der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, der das kollektive Zusammenspiel yon Akteuren in ihrer situativen und institutionellen Einbindung zum Gegenstand hat. Die Abgrenzung des Regional-Governance-Ansatzes zu anderen regionalwirtschaftlichen Ans~itzen hilft zur Einordnung des Ansatzes in die bestehende Literatur und zeigt zudem die Bedeutung des Ansatzes auf. Die ausfiihrliche Diskussion der Netzwerke als grundlegendes Strukturmuster yon Niumlichen Wettbewerbseinheiten schliegt diesen Teil der Arbeit ab. Teil Ill setzt sich mit der Governance von Tourismus-Destinationen auseinander. Destinationen werden als r~iumliche regionale Wettbewerbseinheiten definiert. Bevor die Erkenntnisse des Regional-Governance-Ansatzes auf Destinationen umgelegt und spezifiziert werden, wird die Destination allgemein als Teil des Tourismussystems betrachtet und werden die wesentlichen Faktoren der Wettbewerbsf~ihigkeit aufgezeigt. In Anlehnung an Teil II der
Arbeit erfolgt die Untersuchung der Bestimmungsfaktoren der Governance von TourismusDestinationen. Die Ergebnisse bilden die Grundlage der Entwicklung eines allgemeinen Governance-Modells, welches die verschiedenen Steuerungsebenen einer TourismusDestination sowie deren Integration verdeutlicht. Jede Ebene umfasst verschiedene Akteure, Funktionen und dominante Koordinationsformen. Die Diskussion dieser Elemente und deren Zusammenspiel verdeutlicht die Funktionsweise des Modells. Teil IV umfasst die empirische Untersuchung. In einer Befragung von unterschiedlichen Akteuren in drei verschiedenen Regionen werden die wesentlichen Elemente des entwickelten Governance-Modells und deren Zusammenh~nge t~berprfift und ffir die untersuchten Gebiete konkretisiert. Diskutiert werden dabei die Bestimmungsfaktoren der Governance wie institutioneller Kontext, Handlungsorientierung, Akteurkonstellation oder Interaktionsformen der Entscheidungsfindung und erg~nzend die wesentlichen Bereiche der Governance. Die Obertragung der Ergebnisse in das entwickelte Modell zeigt die derzeitige Situation in den untersuchten Gebieten auf und weist auf wesentliche Ansatzpunkte ffir die Zukunft hin. Schlussfolgerungen und Ausblick stellen Teil V der Arbeit dar. Insgesamt wird deutlich, dass die Governance einer Tourismus-Destination, welche eine wettbewerbsffihige Entwicklung erm6glichen und unterstfitzen soll, auf der flexiblen Integration verschiedener Steuerungsformen und-instrumente basiert.
2. Zielsetzungen Governance umschreibt Ver~nderungen in der Steuerungsdiskussion. Es dominieren nicht interventionistisches Handeln oder andere Steuerungsformen, sondern im Mittelpunkt steht das Zusammenspiel verschiedener Modi der Handlungskoordination. Das Ziel der Arbeit ist die Untersuchung der Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten und das Aufzeigen von Ansatzpunkten f~r eine wettbewerbsffihige Entwicklung. Dabei werden verschiedene weitere Ziele verfolgt: -
-
-
Untersuchung der theoretischen Fundierung des Governance-Themas unter Einbeziehung verschiedener Theorien und Ans~tze; Diskussion der Elemente der Governance, deren Potentiale und Gefahren sowie der Funktionsweise ihres Zusammenspiels; Aufzeigen der Besonderheiten der Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten auf regionaler Ebene; Erarbeitung der Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen als Spezialfall r~umlicher Wettbewerbseinheiten; Kombination der diskutierten Struktur- und Koordinationsformen zu einem Modell der Governance von Tourismus-Destinationen, welches grunds~tzlich auf unterschiedliche Destinationen t~bertragen werden kann; Diskussion der Integration der verschiedenen Steuerungsebenen im Modell;
-
Durchf't~hrung einer empirischen Untersuchung zum detaillierten Aufzeigen der Bestimmungsfaktoren der Governance und der Auspr~igung der Steuerungsebenen im Governance-Modell in ausgew~ihlten Regionen.
Die gew~ihlte Herangehensweise erlaubt die Auseinandersetzung mit der Governance sozialer Systeme abseits von Steuerungspessimismus und Machbarkeitsglaube. Insgesamt wird ein Verstgndnis der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten entwickelt sowie das Zusammenspiel der unterschiedlichen Steuerungsformen und -mechanismen in regionalen touristischen Rgumen aufgezeigt.
3. Analytischer Hintergrund Governance profitiert vom Forschungsfeld der gesellschaftlichen Steuerung. Zur Analyse von Governance kann auf die politische Steuerungstheorie zurfickgegriffen werden. 1 Die politische Steuerungstheorie ist wesentlicher Teil der Steuerungsdiskussion und Voraussetzung, Governance-Begriffen und Diskussionen einen analytischen Rahmen zu geben. Govemance-Konzepte stellen dabei keine Weiterentwicklung der Steuerungstheorie dar, sondern einen Perspektivenwechsel. Steuerungstheorie und Govemance-Ansgtze nehmen gegenseitig Bezug und verhalten sich komplement~ir zueinander. ,,Governance [schliegt] an die Steuerungsdiskussion insofern an, als die vergnderten Interaktionsformen 6ffentlichprivater Konfiguration neu betrachtet werden k6nnen. ''2 Aufbauend auf die politische Steuerungstheorie wird in dieser Arbeit auf den Ansatz des ,akteurzentrierten Institutionalismus' von Mayntz und Scharpf zurfickgegriffen. 3 Der Grund liegt zum einen darin, dass im akteurzentrierten lnstitutionalismus die Beziehung und Verbindung zwischen Steuerungstheorie und Govemance-Entwicklung aufgearbeitet wird. Zum anderen eignet sich der akteurzentrierte Institutionalismus als analytische Basis des Regional-Govemance-Ansatzes, der dazu beitr~gt, die Governance von touristischen Destinationen als r~umliche Wettbewerbseinheiten zu untersuchen. 4 Ziel ist die Analyse des Zusammenspiels von Steuerungsformen und -mechanismen bzw. von verschiedenen Formen der Handlungskoordination in definierten geographischen Rgumen. Zus~itzlich wird der Govemancekostenansatz (in weiten Teilen der Literatur als Transaktionskostentheorie bezeichnet) der Neuen Institutionen6konomik herangezogen, um Govemance-Formen hinsichtlich ihrer Effizienz und Kosten zu untersuchen. Die verwendeten Ans~itze werden der institutionellen Denkweise, die den Governance-Konzepten zugrunde liegt, gerecht.
1 Vgl. Ft~rst, D., Regional Governance, 2001, S. 2 f.; Walser, M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16. 2 Botzem, S., Govemance-Ansgtzein der Steuerungsdiskussion,2002, S. 15. 3 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 39 ff. 4 Vgl. NOlting, B., Akteurzentrierter Institutionalismus und institutionelle Steuerung, 2004, S. 21; Benz, A. & Ffirst, D., Region - Regional Governance - Regionalentwicklung, 2003, S. 34 ff.; Ffirst, D., Regional Governance, 2001, S. 3.
3.1 Exkurs: Politische und wirtschaftliche Steueru ngsd iskussion Die moderne politische Steuerung besch~iftigt sich mit der Dynamik gesellschaftlicher Entwicklung und analysiert die Interferenz zwischen autoritativen Interventionen, Verhandlungsprozessen zwischen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren, Selbstorganisation, Marktprozessen und spontaner Strukturbildung. Wesentlich ist das Umfeld, in welchem verschiedene Probleme bearbeitet werden. Ein zugrunde liegendes territoriales Ordnungsprinzip verlangt die Berficksichtigung der Akteurkonstellation sowie die Einbindung aller Branchen und Akteure. Zentrale Themen sind die Steuemngsf~ihigkeit und die Steuerbarkeit von gesellschaftlichen Prozessen und territorialer Entwicklung sowie die Integration verschiedener Steuerungsformen unter besonderer Berticksichtung der Netzwerke. Diskutiert werden die f'tir Verhandlungssysteme und Netzwerke charakteristischen Probleme wie die Handlungs- und Entscheidungsf~ihigkeit der durch Kooperation und r~iumliche N~ihe verbundenen Akteure, wobei 6ffentlichen Institutionen und der Qualit~it der in derartigen Strukturen erzielten Ergebnisse besonderes Augenmerk geschenkt wird. 5 Der Blickwinkel der wirtschaftlichen Steuerung hingegen ist ein strategischer: Die Bestimmung und Erreichung von diversen Zielen wie Wettbewerbsf~ihigkeit stehen im Vordergrund, wobei funktionale Ordnungsprinzipien diskutiert werden. Die wirtschaftliche Steuerung beschgftigt sich weniger mit territorialen R~iumen, zum Beispiel die Region als 6konomische Einheit, sondern vielmehr mit der einzelnen Unternehmung und deren Steuerung. Vor allem die Corporate Governance steht im Blickfeld. Es geht um die funktional zweckmaBige Strukturierung der Unternehmensspitze und um die Balance zwischen Kompetenz, Kontrolle und Verantwortung. ,,Das Unternehmen ist aus dieser Sicht nicht Gegenstand eines Bt~ndels von Interessengruppen, sondern eine eigenst~indige institutionelle Einheit, n~mlich der Grundtypus des produktiven Organs einer entwickelten Gesellschafl.''6 In dieser Arbeit geht es um die Governance von rgumlichen Wettbewerbseinheiten, die sich, was die Gegentiberstellung zeigt, vor allem an die politische Steuerung anlehnt. Die Ergebnisse und Ziele der Governance basieren zum Teil auch auf der wirtschafllichen Steuerungsdiskussion.
5 Vgl. Mayntz,R., PolitischeSteuerung, 1997, S. 285 f. 6 Malik, F., Die Neue CorporateGovernance,2002, S. 34. 4
I Governance 1. D e f i n i t i o n Der Begriff ,Governance' wird mit verschiedenen Adjektiven gekoppelt - Corporate Governance, Public Governance, Regional Governance, Urban Governance, Cultural Governance u s w . - und hat in mehreren Disziplinen Eingang gefunden. Der Begriff wird in verschiedenen wirtschaftlichen, politischen und r~iumlichen Bezfigen gebraucht. 7 Governance wird seit dem 14. Jahrhundert in der englischen Sprache als Regierungshandeln verstanden und ist mit ,to govern' und ,goverment' verwandt. In der deutschsprachigen Steuerungsdiskussion hingegen ist der Begriff relativ neu. In die Sozialwissenschaften hat der Begriff Governance von drei verschiedenen Seiten Eingang gefunden:8 Zum einen in der Diskussion um intemationale Entwicklungsprozesse, weiters fiber soziologische Untersuchungen der amerikanischen Wirtschaft und schlieBlich tiber die Corporate Governance Diskussion. Letzte war f't~r die Verbreitung des Begriffs Governance wesentlich. Ursprfinglich gewann der Governance-Begriff, der dann in die Steuerungsdiskussion aufgenommen wurde, Verbreitung im Rahmen der 6konomischen Transaktionskostentheorie. 9 Der Begriff wurde dann in die Wirtschaftswissenschaften fibemommen, wo er durch weitere M6glichkeiten der Koordination erg/~nzt wurde, bis er schlieBlich alle wesentlichen Formen der Handlungskoordination umfasste. Den heutigen und auch in dieser Arbeit gebrauchten Govemance-Begriff pr~igen Regelungsstrukturen und deren Wirkung auf das Handeln der Akteure. Aufgrund dieser Entwicklung liegt dieser Governance-Perspektive eine institutionalistische Denkweise zu Grunde. 1~ Govemance, ffir sich alleine stehend, wird meist sehr allgemein definiert. ,,Grunds/~tzlich umschreibt der Begriff Governance die an sich banale Tatsache, dass die Entwicklung eines Unternehmens oder eines Raumes nicht ausschlieBlich hierarchisch von einer abgeschlossenen Akteursgruppe gesteuert wird, sondern immer im Zusammenspiel vieler Akteure mit unterschiedlichen Interessen und ,Entscheidungslogiken' geschieht." l Diese Aussage lehnt, wie sehr viele andere auch, an eine h~iufig zitierte und allgemein anerkannte Definition der Stiftung Entwicklung und Frieden an: ,,Governance ist die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie 6ffentliche und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse oder unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden und kooperatives Handeln initiiert werden kann. Der Begriff umfasst sowohl formelle Institutionen und mit Durchsetzungsmacht
7 Vgl. Frey, R.L., Regional Governance, 2002, S. 2; Walser, M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16; Nischwitz, G. et al., Local und Regional Governance, 2001, S. 3. 8 Vgl. Botzem, S., Governance-Ans~itzein der Steuerungsdiskussion, 2002, S. 16. 9 Vgl. Williamson, O.E., Transaction-Cost Economics, 1979, S. 233 ff. ~0 Vgl. Mayntz, R., Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie?, 2004, S. 5. I1 Walser,M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16. 5
versehene Herrschaftssysteme als auch informelle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als im eigenen Interesse angesehen werden. ''~2 Diese Definition ist umfassend und eignet sich gut, den komplexen Begriff Governance einzufangen. Laut Nischwitz et al. umfasst Governance institutionelle und gesellschaftliche Strukturen, Politiken, Entscheidungsprozesse, formelle und informelle Regelungen. Governance ist ein Instrument, das far eine Verkntipfung der drei zentralen Steuerungsformen Hierarchie, Markt und Netzwerke steht: ,,Governance ... [ist] ein integrativer Begriff zur Beschreibung des Zusammenwirkens neuer Steuerungselemente und -module auf verschiedenen (r~iumlichen) Ebenen. ''13 Auch Ftirst verfeinert die allgemeinen Aussagen, indem er Governance als ,,Prozesssteuerung far kollektives Handeln" sieht, bei dem ,,die Akteure/Organisationen so miteinander verbunden und im Handeln koordiniert werden, dass gemeinsam gehaltene oder gar entwickelte Ziele wirkungsvoll verfolgt werden k6nnen. ''14 Die doch sehr ~ihnlichen und die sich teilweise erg~inzenden Definitionen haben einen grogen gemeinsamen Nenner: die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Themen Macht, Entscheidung und Partizipation. Governance umfasst somit mehr als Steuerung in einem eng definierten Sinn: Es geht um das Zusammenspiel verschiedener Steuerungsformen von der Selbstorganisation bis hin zur einseitigen hierarchischen Steuerung, um die Abbildung der Ver~indemngen von Koordinations- und Steuerungskonfigurationen und um die Verkntipfung verschiedener Steuerungsmedien. 15 ,,Aus einer generalisierten Steuerungs- und Regelungsperspektive im Sinne von Governance ist ein breites Spektrum von Mechanismen denkbar, angefangen bei dem erw~ihnten singul~ir-hierarchischen Schema, tiber komplexe und heterogene Steuerungssysteme, in denen vielz~ihlige eigenstandige Steuerungssubjekte tiber ebenso vielf~iltige Koordinationsmechanismen und RessourcenflOsse ineinandergreifen und zusammenwirken bis hin zum atomistischen Markt als Extrempunkt dezentraler Steuerung. ''16 Bevor auf die einzelnen Elemente der Governance eingegangen wird, soil zun~ichst die politische Steuerungstheorie als analytischer Hintergrund dargestellt werden.
2. Die politische Steuerungstheorie ,,Das Projekt der Moderne ruht auf den beiden grundlegenden Annahmen vonder Verstehbarkeit und der Gestaltbarkeit (oder Steuerbarkeit) der sozialen Welt. [...] Die Krisen der Moderne sind Zeiten, in denen sowohl die Verstehbarkeit als auch die Gestaltbarkeit heftig bezweifelt werden. ''17 Der Begriff ,Steuerung' l~isst sich ursprtinglich auf eine der ~iltesten Metaphern des abendl~indischen Denkens zurtickfahren: das Steuern eines Schiffes auf hoher See. Von der Kunst
12 13 14 15 16 z7 6
Stiftung Entwicklung und Frieden, Nachbarn in Einer Welt, 1995, S. 4. Nischwitz, G. et al., Local und Regional Governance, 2001, S. 29. Ftirst, D., Regional Governance, 2001, S. 2. Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Steuerung und Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren, 1995, S. 16. Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 10. Wagner,P., Soziologie der Moderne, 1995, S. 254.
und dem Wissen des Steuermannes (kybern6t6s) hingen das Schicksal des Schiffes und der Besatzung ab. Der heutige Steuerungsbegriff stammt aus der Regelungstheorie und aus der Kybernetik. Die sozialwissenschaftliche Steuerungstheorie setzt sich mit der Steuerbarkeit und der Steuemngsf~higkeit als auch mit ihrem Verh~ltnis auseinander. ~8 In den 60er und 70er Jahren herrschte Planungs- und Steuerungsoptimismus, das Begriffsverst~ndnis war kausal: das Steuerungsobjekt ist in einem Ursache- und Wirkungszusammenhang an das Steuerungssubjekt gebunden, welches zur Erreichung eines Steuerungszieles adfiquate Instrumente einsetzt. Seit Mitte der 70er Jahre breitete sich Planungsenttfiuschung aus, die zu wesentlich bescheideren Erwartungen ffihrte. 19 Seit den 80er Jahren ist vor allem die deutsche steuerungstheoretische Diskussion durch differenzierungstheoretische Uberlegungen beeinflusst worden. 2~ Nach dem Zerbrechen feudaler Gesellschaftsstrukturen in Mitteleuropa ffihrte die Entwicklung zu zunehmender gesellschaftlicher Arbeitsteilung, die schlief31ich zur funktionalen Differenzierung gesellschaftlicher Teilbereiche ffihrte, was eine Ver~nderung der Machtverteilung bewirkte. 2~ ,,Im Zentrum dieser ganzen gesellschaftlichen Transformation stehen Schfibe wachsender Spezialisierung oder Differenzierung aller gesellschaftlichen Bet~tigungen, und die entsprechenden Schfibe der spezialisierten Integrierung, die zeitlich oft hintereinander zurfickbleiben. ''22 Aufgrund dieser Entwicklung ist die moderne Gesellschaft charakterisiert durch eine hohe interne Komplexit~t der Teilbereiche und komplexen Beziehungen und Verflechtungen zwischen diesen Teilen. ,,Die funktionale Ausdifferenzierung von Gesellschaften, die Herausbildung einer steigenden Anzahl leistungsf~higer Akteure und damit einhergehende Komplexit~tssteigemngen sind Ausdruck und Bedingung von Modemisierung. ''23 Beispiele ffir funktional ausdifferenzierte Teilsysteme sind Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Bildung, Kunst oder Religion. Diese Entwicklung konstituiert das Steuerungsproblem der modernen Gesellschaft. ,,Das Auseinanderfallen der Gesellschaft in funktional spezialisierte Teilbereiche - die ,gesellschaftliche Arbeitsteilung' - f't~hrt einerseits zu wachsenden Interdependenzen zwischen den Teilen, andererseits zur zunehmenden Ausbildung von Teilrationalit~ten, widersprfichlichen Subsystemzielen, unterschiedlichen Binnenmoralen, spezifischer Indifferenzen und unterschiedlichen Steuerungsmedien. ''24 Die Komplexit~t in und zwischen den gesellschaftlichen Teilbereichen erh6hte dabei einerseits den Steuerungsbedarf, stellte aber andererseits die Steuerungskapazit~ten der traditionellen Instrumente in Frage. Dieses wachsende Steuerungsproblem und die oftensichtlich nur begrenzte Steuemngsfahigkeit von sozialen Systemen war (ist) Gegenstand sowohl sozialwissenschaftlicher als auch politischer Diskussion und Auseinandersetzung und ffihrte schlieSlich zu zwei verschiedenen Paradigmen, welche die Fragen nach der Steuerbarkeit und Steuemngsf'ahigkeit unterschiedlich beantworten. Der handlungstheoretische
is ~9 2o 2~
Vgl. BuBhoff, H., Politische Steuerung, 1992, S. 7. Vgl. Druwe U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse,1992, S. 147 f. Vgl. Braun, D., Gesellschaftssteuerungzwischen System und Akteur, 2000, S. 99. Vgl. Elias, N., Soziologie, 1996, S. 72; Luhmann,N., Funktionale Differenzierung, 1994, S. 34 f.; Willke, H., Systemtheorie, 1991, S. 181; Mayntz, R., FunktionelleYeilsysteme, 1988, S. 38 ff. 22 Elias,N., Soziologie, 1996, S. 72. 23 Messner,D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 73. 24 Willke,H., Systemtheorie, 1991, S. 146. 7
Ansatz geht von dependenten Aktionsgefagen und Interventionschancen aus, w~ihrend der systemtheoretische Ansatz besagt, dass Steuerung nur in Form der Selbststeuerung geschehen kann. 25 Beide Entwicklungsstr~inge der Steuerungstheorie sind beeinflusst von den differenzierungstheoretischen Herausforderungen. Nachfolgend werden sie vorgestellt.
2.1 Der a k t e u r t h e o r e t i s c h e A n s a t z Der akteurtheoretische Ansatz in der Steuerungsdebatte baut auf dem Akteur als Handlungseinheit auf. Soziale Ph~inomene sind das Resultat des Handelns und Verhaltens von Akteuren. 26 ,,Sozialit~it ... besteht aus dem Zusammenhang von Handlungen, Handlungswirkungen und Handlungsbedingungen. ''27 Handlungstheoretische Ans~itze verstehen Gesellschaft in erster Linie als Aggregation von Handlungen und entsprechend wird die Gesellschaft nicht als eigene Ebene oder als emergente Einheit diskutiert. 28
2.1.1 Soziales Handeln Die Definitionen von ,Handeln' und darauf aufbauend von ,Sozialem Handeln' und ,Sozialen Beziehungen' werden in Anlehnung an Max Weber dargestellt. Weber definiert Handeln als ,,menschliches Verhalten .... wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ''29 Handeln ist eine Sonderform von Verhalten und kann das Handeln eines anderen Menschen hervorrufen. Verhalten sich viele Menschen gleich, so kann dies soziale Wirkungen begranden, wie das aufbauen, erhalten oder ver~indem sozialer Strukturen. 3~ Webers Verst~indnis von Handeln ist Ausgangspunkt for seine Definition sozialen Handelns: ,,Handeln .... welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. ''3~ Der Handelnde nimmt andere Akteure und deren Verhalten in seine Handlungsmotive auf. Er vergegenw~irtigt sich, ob andere Menschen durch sein Tun betroffen sind. Wechselseitiges soziales Handeln, das eine motivationale Verschr~inkung der beteiligten Menschen bewirkt, konstituiert eine soziale Beziehung: ,,ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer. ''32
25 26 27 28 29 3o 3~ 32 8
Vgl. Druwe, U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse, 1992, S. 143. Vgl. Etzrodt, Ch., SozialwissenschaftlicheHandlungstheorien, 2003, S. 9. Schimank,U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 9. Vgl. Mt~nch, R., Handlungstheorie, 2003, S. 10. Weber,M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 1. Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 24. Weber,M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 1. Weber,M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 13.
2.1.2 Akteurmodelle Wieso handelt jemand in einer bestimmten Situation auf eine ganz bestimmte Weise und nicht anders? Eine Handlungssituation wird beeinflusst yon verschiedenen Variablen wie Erwartungen, Sitten, Koalitionen, Konkurrenzverh~iltnisse, Wissen oder Wertorientierungen. ,,Jede soziale Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass ... Strukturelemente in jeweils spezifischen Auspr~igungen die M6glichkeiten eines Handelnden teils beschr~inken, teils erweitern. ''33 Da allgemeine Gesetzesaussagen fiber Handlungsentscheidungen aufgrund der Komplexit~it der Variablen nicht m6glich sind, kann eine allgemeine Theorie zur Erkl~irung der ,Logik der Situation '34 nicht gelingen. Schimank erkl~irt, dass einzig eine hochgradig selektive Betrachtung einiger weniger Strukturelemente, denen man in Handlungssituationen einen kausalen Einfluss beimisst, m6glich ist. Anders sieht es jedoch aus, wenn man sich mit der ,Logik der Selektion '35 besch~iftigt: Wie w~ihlen Handelnde eine verf'tigbare Alternative (die sie dann auch tats~ichlich ausftihren), wenn der Alternativenraum strukturell bestimmt ist? Generelle theoretische Modelle, so genannte Akteurmodelle, geben Antwort auf diese Frage. Im Wesentlichen gibt es vier Modelle: den Homo Oeconomicus, den Homo Sociologicus, den Emotional Man und den Identit~itsbehaupter. Nachfolgend werden sie vorgestellt. 36
Homo Oeconomicus Die anthropologische Fundierung des Homo Oeconomicus ist die Zielverfolgung. Menschen handeln nicht (immer) instinktm~igig, sondern setzen sich bewusst Handlungsziele. Marz vergleicht prototypisches Handeln mit den tierartig instinktm~if3igen Formen der Arbeit: ,,Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ~ihneln, und eine Biene besch~imt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dal3 er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell, vorhanden war. Nicht dab er nur eine Formver~inderung des Nattirlichen bewirkt; er verwirklicht im Nattirlichen zugleich seinen Zweck, den er weir3, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen mul~.''37 Die weiteren Merkmale spezifizieren, wie der Homo Oeconomicus seine Ziele verfolgt: Er trifft seine Wahl nutzenorientiert, wobei er bei begrenzten Ressourcen jenes Handlungsziel
33 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 19. 34 Die Logik der Situation ergibt sich aus dem Umstand, dass gesellschaftliche Ph~inomene nicht nur einen objektiven Charakter haben, sondern ftir die individuellen Akteure auch eine subjektive Bedeutung. Menschen interpretieren eine Situation, in der sie sich befinden, unabh~ingig davon, ob ihre Sichtweise realistisch ist oder auf verzerrter Wahrnehmung bzw. Einsch~itzung beruht (vgl. Esser, H., Situationslogik und Handeln, 1999, S. 15 ff.; Esser, H., Soziologie, 1993, S. 94). 35 Die Logik der Selektion erkl~irt das individuelle Handeln. Gesucht wird nach einer Handlungstheorie, die erkl~irt, warum Akteure eine bestimmte Alternative unter gegebenen Umst~inden w~ihlen. Eine solche Handlungstheorie stellt einen kausalen Mechanismus dar, der die Logik der Situation und das Handeln der Akteure verbindet (vgl. Esser, H., Situationslogik und Handeln, 1999, S. 16; Esser, H., Soziologie, 1993, S. 94 ff.). 36 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 20 ff. 37 Marz, K., Das Kapital, 1867, S. 192 f. zitiert nach Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 73.
verfolgt, welches seinen Nutzen maximiert. Die meisten Handlungsziele sind durch einen abnehmenden Grenznutzen 38 gekennzeichnet. Dies hat zur Folge, dass der Akteur seine Ziele ver~indert. Der Homo Oeconomicus berticksichtigt bei der Wahl eines bestimmten Handelns jedoch nicht nur den absoluten Nutzen, sondern auch die damit verbundenen Opportunit~itskosten 39. Die Kosten-Nutzen-Kalkulationen des Homo Oeconomicus beruhen auf subjektiven Erwartungen und Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Wirkungen einer in Betracht gezogenen Handlungsalternative eintreten. Dabei tendieren die Akteure dazu, Handlungswirkungen umso geringer einzustufen, je weiter in der Zukunft deren Eintreten erwartet wird. Grundlegendes Prinzip des Homo Oeconomicus Modells ist das Rationalit~itsprinzip. ,,Das Rationalit~itsprinzip besagt, dag das Individuum unter Anwendung des Kosten-NutzenKalkfils seine Handlungsm6glichkeiten bewertet, um sich dann gem~ig dem relativen Vorteil zu entscheiden. ''4~ Wenn Rationalit~it, sprich Effizienz und Effektivit~it, in der Mittelwahl mit der nutzenorientierten Zielverfolgung zusammenf~illt,41 ergibt sich ein umfassendes Bild des Homo Oeconomicus: Sein Handeln ist eine ,rational choice'. Insgesamt soll das angepeilte Ziel m6glichst weitgehend und mit m6glichst geringem Mitteleinsatz erreicht werden. Der Homo Oeconomicus i s t - ebenso wie der Homo Sociologicus- auf das Handeln von individuellen, kollektiven und korporativen Akteuren anwendbar. 42 Insgesamt ist der Homo Oeconomicus nicht ohne Kritik geblieben. Ein Einwand besagt, dass Akteure nur begrenzt rational sind. Begrenzte Rationalit~it manifestiert sich auf verschiedene Weise: Akteure versuchen Entscheidungen hinauszuz6gern und verfiigen grunds~itzlich nicht ~iber eine vollst~indige Kriterienliste, anhand welcher sie Entscheidungen f~illen. Zudem bemahen sie sich nicht, die verfiigbaren Entscheidungsalternativen vollst~indig zu erfassen, sondern begrenzen ihre Suche meist auf Bekanntes oder stellen Vergleiche mit ~ihnlichen Anl~issen an. Sobald eine Alternative einigermagen zufrieden stellend erscheint, wird die Suche abgebrochen. Die Ursachen dieses Verhaltens sind darin zu sehen, dass Rationalit~it zeit-, informations- und konsensaufwendig ist. Ein weiterer Einwand gegen den Homo Oeconomicus sind die Routinen der Nutzenverfolgung - ein Einwand, welcher in gewisser Weise eine Radikalisierung der Oberlegungen zu den Rationalit~itsbegrenzungen darstellt. Es kommt vor, dass Akteure starre Handlungsfolgen ausffihren, die sich als individuelle oder kollektive Routinen habitualisiert haben. Habitualisierung bedeutet, dass der Beobachtungs- und Reflexionsaufwand reduziert wird. In diesem Zusammenhang ist auch das so genannte ,Lob der Routine' zu erw~ihnen: Routine fahrt zwar nur selten zum besten Ergebnis, fiihrt aber in der Regel ohne gro~en Aufwand zu brauchbaren Resultaten. Ein dritter Einwand besagt, dass das Modell des Homo Oeconomicus Handeln nur in so genannten Hochkostensituationen erkl~iren kann. 43 Eine Hochkostensituation ist im Gegensatz zu einer Niedrigkostensituation dadurch gekennzeichnet, dass far den Akteur subjektiv sehr viel auf dem Spiel steht. Der Akteur verspt~rt einen Druck, sich
38 Der zus~itzlicheNutzen einer immer weiter getriebenenZielverfolgung(zum Beispiel wiederholterKonsum eines bestimmtenProduktes) wird immer geringer(vgl. Varian, H.R., Mikro6konomik, 1995, S. 61 ff.). 39 WertalternativerZielverfolgungen(vgl. Varian, H.R., Mikro6konomik, 1995, S. 22). 40 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 4. 41 ,,Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert" (Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 13). 42 Vgl.OberindividuelleAkteure und kollektiveHandlungsf~ihigkeit,Teil I-2.1.3. 43 Vgl.Zintl, R., Homo Oeconomicus, 1989, S. 52 f. 10
rational (als Homo Oeconomicus) zu verhalten und sich anzustrengen, da er durch sein Handeln einen groBen Nutzen realisieren oder groBe Kosten vermeiden k a n n - wenn er das Richtige tut. Eine andere Kritik am Homo Oeconomicus betrifft nicht mehr eine Rationalitgtseinschrgnkung sondern eine Rationalitgtsfiktion. 44 So kann zum Beispiel kultureller Druck zu rationalen Entscheidungen durch Rationalit~itsfiktion ausgeglichen werden. Ein weiterer Einwand bezieht sich auf die Frage, wie die Akteure zu ihren Vorstellungen tiber Nutzen gelangen - eine Frage, die von vielen Rational-Choice-Analysen nicht auf befriedigende Weise beantwortet werden kann. Die Auseinandersetzung mit den Einwgnden am theoretischen Modell des Homo Oeconomicus kann das Modell bereichern, macht es jedoch gleichzeitig aufwendiger und komplexer in der Handhabung. Die Balance zwischen Einfachheit und Erkl~irungskraft bzw. Realitgtsn~ihe ist je nach Situation und angestrebter Erkl~irung unterschiedlich. 45 ,,Ffir gar nicht so wenige Probleme reicht ein sehr simpler Homo Oeconomicus als Erkl~irungsmodell v611ig aus. ''46
Homo Sociologicus Dieses Modell, auch Modell des normorientierten Akteures genannt, spielte bei der Herausbildung der Soziologie als eigenst~indige Disziplin eine wichtige Rolle, auch wenn sich die Soziologie nicht allein auf den Homo Sociologicus (lateinisch: der soziologische Mensch) stfitzen kann, da sich mit dem Modell nur einige Fragen nach Handlungsantrieben untersuchen lassen. Soziale Normen stellen bei der Handlungswahl eine Orientierung dar, indem sie mehr oder weniger Erwartungssicherheit bieten. Sie sind als Rollenerwartungen an soziale Positionen adressiert. 47 Daher ist der normorientierte Akteur prim~ir ein Rollenhandelnder, wobei zwei Ausprggungen unterschieden werden k6nnen: zum einen ,Role taking', das heiBt komplikationslose 121bernahme und Befolgung der Erwartungen und zum anderen ,Role making' als kreative BewNtigung m6glicher Komplikationen des Rollenhandelns, zum Beispiel wenn die Erwartungen, denen eine Person in einer bestimmten Rolle genfigen muss, nicht ohne weiteres mit anderen Rollen dieser Person vereinbar sind. ,,In sehr vielen ... sozialen Situationen gehen wir wechselseitig so miteinander um, als ob wir nichts weiter als der typische Rollentrgger wgren. Und dieses Als-ob verfestigt sich schnell zu sich selbst erffillenden Prophezeiungen. ''48
44 Weber spricht in diesem Zusammenhang von rationaler ,Einredung' (vgl. Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 607). 45 Je einfacher das Modell, desto gr6Ber die Abstraktion. ,,Theorien und Modelle sind Instrumente zur Erkundung aber keine Manifestationen der Wirklichkeit" (Esser, H., Soziologie, 1993, S. 133). Erst wenn ein Modell aufgrund der vorgenommenen Vereinfachungen nicht mehr in der Lage ist, den Sachverhalt darzustellen und zu erklgren, mfissen die gemachten Annahmen kontrolliert und eventuell gefindert werden. Der Wissenschaftler muss lernen, mit dem Tradeoff zwischen Einfachheit und Erkl~.rungskraft umzugehen. Dieses Dilemma wird auch das ,Problem der abnehmenden Abstraktion' genannt (vgl. Wippler, R. & Lindenberg, S., Collective Phenomena and Rational Choice, 1987, S. 135 ft.). 46 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 106. 47 Jeder Mensch nimmt unterschiedliche soziale Positionen ein, wenn auch meist nicht gleichzeitig. Beispiele sind die Positionen Ehemann, Vater, Lehrer usw. Jede soziale Position ist mit einer Rolle verbunden, wobei soziale Rollen ein Bt~ndel an Erwartungen darstellen (vgl. Etzrodt, Ch., Sozialwissenschaftliche Handlungstheorien, 2003, S. 289 f.). 48 Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 51.
Die zwei weiteren Modelle - der Emotional Man und der Identit~itsbehaupter- k6nnen als komplement~ire Ans~itze zum Homo Sociologicus gesehen werden.
Emotional Man Emotionen k6nnen ebenso wie rationale Nutzenverfolgung oder Normkonformit~it Handlungsantriebe darstellen. W~ihrend Instinkte starre Reiz-Reaktionen-Sequenzen hervorrufen, werden solche Sequenzen bei Emotionen und Kognitionen unterbrochen. Es findet eine auf Wahrnehmung gegrtindete Informationsverarbeitung statt. Bei Kognitionen erfolgt diese Informationsverarbeitung sequentiell. Elemente werden sortiert, verkntipft und anschlief3end wird aufgrund logischer Schliisse der Situation angemessenes Handeln abgeleitet. Bei Emotionen hingegen erfolgt die Informationsverarbeitung s i m u l t a n - Wahrnehmungs- und Denkschritte fallen zusammen, ohne dasses zu instinktivem Verhalten kommt. Emotionales Handeln kann zwischen instinktivem Verhalten und nutzenorientiertem Handeln (Kognitionen) angesiedelt werden. Antriebe sind vor allem jene Emotionen, welche sich auf soziale Beziehungen richten wie Liebe, Mitgefiihl, Bewunderung, Neid, Hass, Verachtung oder Schadenfreude. Emotionale Handlungsantriebe k6nnen durch pl6tzliche Erwartungsentt~iuschungen, durch Routinisierung49 oder durch inszenierte Emotionen ausgel6st werden.
Identit~tsbehaupter Auch wenn es noch kein fertig ausgearbeitetes soziologisches Akteurmodell des Identit~itsbehaupters gibt, so kann die Behauptung der eigenen Identit~it doch ein dominanter Handlungsantrieb sein. Identit~it ist das Bild einer Person von sich s e l b s t - sie ist nicht so umfassend und vielschichtig wie die Pers6nlichkeit, sondern hebt einige Ztige der eigenen Person hervor. Diese Selbstsimplifikation gibt dem Menschen Orientierung fiir sein Handeln. Der Homo Oeconomicus und der Homo Sociologicus sind die beiden bedeutendsten soziologischen Akteurmodelle. Diese zwei Modelle sind immer wieder Gegenstand einer interdisziplin~iren Konkurrenz zwischen Soziologie und Wirtschaftswissenschaft. ,,Weder l~iBtsich ... also der Homo Sociologicus als Spezialfall des Homo Oeconomicus angemessen verstehen, noch umgekehrt. Es handelt sich um zwei distinkte analytische Akteurmodelle- was wohlgemerkt nicht ausschlief3t, dab reales Handeln manchmal eine so ausgeglichene Mischung von Norm- und Nutzenorientierung sein kann, dab beide Modelle miteinander verkniipft werden mtissen. ''s~
2.1.3 0berindividuelle Akteure und kollektive Handlungsf~higkeit Individuen k6nnen sich rechtlich faktisch zusammenschliel3en und im Namen und Interesse einer anderen Person, einer gr6f3eren Gruppe oder einer Organisation handeln. Solche Akteure, letztlich eine Konstellation individueller Akteure, werden in der Literatur allgemein
49 AuchEmotionenk6nnen der Gewohnheitunterliegen. so Schimank,U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 87. 12
als komplexe oder fiberindividuelle Akteure bezeichnet. Zentrale Aspekte wie Intentionalit~t, Zurechenbarkeit oder Lernf'~higkeit werden fiberindividuellen Akteuren ebenso zugeschrieben wie personalen Akteuren. Ziel ist die Erreichung von Wettbewerbsvorteilen die zum Beispiel auf Kooperationseffekten beruhen und somit die Ffihigkeiten einzelner Akteure t~bersteigen. Kollektivit~t er6ffnet den beteiligten Akteuren spezielle Handlungsoptionen und unterbindet gleichzeitig andere Optionen wie einseitiges Agieren. Die Handlungsf'fihigkeit der Akteure kann in ihrer Gr6genordnung, Reichweite und Stabilit~t variieren. Ffir kollektive Handlungsfahigkeit sind die Voraussetzungen nicht nur geteiltes Wissen oder Standards des Erstrebenswerten, sondern auch geteilte Ziele und Sollenserwartungen. 5~ Zusammenfassend ist die kollektive Handlungsffihigkeit umso gr6ger, je gr6ger der Anteil an stattfindenden Handlungen, die dem fiberindividuellen Akteur und nicht den einzelnen Mitgliedern als Individuen zugerechnet werden k6nnen. Ein fiberindividueller Akteur ist dann kollektiv handlungsffihig, wenn die Handlungen der einzelnen Mitglieder eine geordnete Gestalt ergeben. Diese Struktur muss nicht nur gelegentlich, sondern systematisch ineinander greifen, sodass eine die Individualinteressen fibergreifende Zielsetzung m6glich ist. Die Bfindelung individueller Einflusspotentiale und Ressourcen wie Wissen, Geld oder Macht erm6glicht die Erreichung dieser Ziele sowie die Durchsetzung von Interessen. 15berindividuelle Akteure k6nnen zum einen ,von unten' konstituiert werden, das heil3t dass die Zielsetzungen an die gemeinsamen Interessen der Mitglieder rfickgebunden bleiben. Zum anderen k6nnen fiberindividuelle Akteure ,von oben' durch einen Tr~ger formiert werden, zum Beispiel bei einer Arbeitsorganisation. In diesem Fall steht am Anfang keine Interessenfibereinstimmung der Mitglieder und die Verhandlungskonstellation ist eine andere. 52 Die Mitglieder fiberindividueller Akteure haben verschiedene M6glichkeiten, Einfluss zu nehmen. Grundsfitzliche M6glichkeiten sind ,exit' also Austritt oder ,voice' sprich Kundtun der Meinung und aktives Verlangen nach ,~nderung. 53 Die Art der Einflussnahme ist abhangig davon, in welche Strukturform die Mitglieder eingebettet sind und auf welche Weise die Handlungsfahigkeit hergestellt wird, zum Beispiel durch Vernetzung oder Hierarchie. Egal welche Form der Einflussnahme die Mitglieder w~hlen, die kollektive Handlungsf'fihigkeit kann dadurch geschw~cht werden. ,Voice' ist verbunden mit inneren Konflikten und Auseinandersetzungen, w~hrend ,exit' zu Mitgliederschwund fahrt. Mitgliederschwund kann aber auch eine Erh6hung der kollektiven Handlungsf~higkeit verursachen, wenn der Austritt der Mitglieder ohne gr6f3ere Reibungen m6glich ist. Um Konflikte zu vermeiden, strukturelle Dynamiken zu lenken und die kollektive Handlungsffihigkeit langfristig zu stabilisieren, muss die Ffihrung Kontrolle ausfiben und sich Legitimation beschaffen. Aufgrund der unterschiedlichen Integration kollektiver Einheiten k6nnen aberindividuelle Akteure in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, deren Handlungsffihigkeit unterschiedlich ist. Kollektivit~t bezeichnet in diesem Zusammenhang eine graduelle Gr6ge. 54 In der Literatur wird zwischen aggregierten, kollektiven und korporativen Akteure unterschieden. 55
51 52 53 54 55
Vgl. Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke,2001, S. 226. Vgl. Schimank, U., Akteurkonstellationen- korporative Akteure - Sozialsysteme,2002, S. 39. Vielfachist ein angedrohtes ,exit' eine wirksame Drohung, um far ,voice' GehOrzu finden. Vgl. Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke,2001, S. 225. Vgl. Schimank, U., Akteurkonstellationen- korporative Akteure - Sozialsysteme, 2002, S. 29 ff.; Scharpf, 13
Aggregierte Akteure Bei einfachen aggregierten Akteuren handelt es sich um parallel verlaufende Handlungen von mehreren Individuen, die bestimmte Merkmale teilen. Scharpf spricht von ,,unterstellter empirischer Ahnlichkeit der individuellen Entscheidungen. ''56 Es handelt sich um das aggregierte Ergebnis individueller Entscheidungen; nicht zu verwechseln mit der zweckgerichteten Entscheidung eines bestimmten Akteurs. Die gemeinsamen Deutungsmuster entwickeln sich in erster Linie fiber wechselseitige Beobachtung, durch welche eine laufende Handlungsabstimmung erfolgen kann.
Kollektive Akteure Haben Individuen ein gemeinsames Projekt oder ein gemeinsames Ziel, d.h. ihr Handeln richtet sich auf eine erwartete gemeinsame Wirkung, dann kann man von kollektiven Akteuren sprechen. Kollektive Akteure sind von den Prgferenzen und Interessen ihrer Mitglieder abhgngig. Was die Handlungsressourcen betrifft, so k6nnen diese entweder im Besitz der Mitglieder sein oder dem kollektiven Akteur zur Verfagung stehen. Zu kollektiven Akteuren zghlen Koalitionen, soziale Bewegungen, Clubs und Verbgnde. Bei einer Koalition verfolgen die Mitglieder separate Ziele und auch die Kontrolle der Handlungsressourcen liegt bei den einzelnen Mitgliedern. ,~hnlich ist es bei einer sozialen Bewegung, bei der jedoch ein kollektives Ziel verfolgt wird. Ein Club zeichnet sich aus durch separate Ziele der Mitglieder und der kollektiven Kontrolle der Handlungsressourcen. Bei kollektiven Zielen und einer kollektiven Kontrolle der Handlungsressourcen spricht man schlieBlich von einem Verband.
Korporative Akteure Korporative Akteure, deren Strategien, Ziele oder Identit~ten, sind im Unterschied zu kollektiven Akteuren weitgehend unabhgngig von den Prgferenzen der Mitglieder. Diese Neutralisierung erfolgt tiber ein Besch~iftigungsverhgltnis bzw. tiber einen Arbeitsvertrag. Eine formale Organisation garantiert kollektives Handeln und zwar mit einer grOl3eren Effizienz und Effektivit~it als es normalerweise bei kollektiven Akteuren m6glich ist. Korporative Akteure verfagen tiber zentralisierte, nicht mehr den Mitgliedem individuell zustehende Handlungsressourcen. Die Unterscheidung zwischen kollektiven und korporativen Akteuren ist analytisch. Es gibt keine klare Trennlinie, sodass in der Praxis hgufig Zwischenformen zu finden sind. Die Unterscheidungen dienen in erster Linie dazu, die Integration der Mitglieder t~berindividueller Akteure aufzuzeigen und die Komplexitgt zu verdeutlichen. Abbildung 1 gibt einen l~lberblick der Arten fiberindividueller Akteure: 57
F.W., Interaktionsformen,2000, S. 96 ft.; Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 306 ft.; Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus, 1995, S. 49 ff. 56 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 100. 57 Die Systemtheorienach Luhmann kennt keine kollektivenAkteure, sie gibt jedoch Hinweise auf kollektives Handeln. ,,Auch kollektives Handeln ist selbstverst/~ndlich Einzelhandeln, also jeweils eines der vielen Elementarereignisse im System. Es muss nur besonders ausgezeichnetwerden durch Symbole, die verdeut14
Aggregierte Akteure Handlung Ziel Ressourcen Entscheidung
individuell individuell individuell individuell
Koalition gemeinsam individuell individuell Vereinbarung
Kollektive Akteure Club Soziale Bewegung gemeinsam gemeinsam individuell kollektiv kollektiv individuell AbKonsens stimmung
Verband gemeinsam kollektiv kollektiv Abstimmung
Korporative Akteure Organisation Organisation Organisation hierarchisch
Abbildung 1: Komplexe, tiberindividuelle Akteure Quelle: Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 105.
2.1.4 Akteurkonstellationen Eine Akteurkonstellation entsteht, sobald die Intentionen der verschiedenen Akteure interferieren. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Akteure mit interdependenten Handlungsoptionen interagieren. 58 Bei der Verfolgung der eigenen Interessen tangieren Individuen die Intentionen anderer. Um sich erfolgreich durchzusetzen, verfolgen Akteure verschiedene Strategien: sie w~ihlen einen Weg, auf dem kaum Widerstand zu erwarten ist oder sie versuchen durch gezielte Beeinflussung den Widerstand anderer zu tiberwinden. Soziale Strukturen entstehen, wenn solche Intentionsinterferenzen nach relativ dauerhaften Mustern bew~iltigt werden. Das Handeln und Zusammenwirken von verschiedenen Akteuren fahrt zu Dynamiken, die soziale Strukturen aufbauen, erhalten oder ver~indem. Alle Triebkr~ifte des Einzelhandelns wie Nutzenverfolgung, Normkonformit~it, Ausleben von Emotionen oder Identit~itsbehauptung k6nnen dabei eine Rolle spielen. Schimank unterscheidet drei Arten sozialer Strukturen: 59 Erwartungsstrukturen, Deutungsstrukturen und Gleichgewichte von Akteurkonstellationen. Zu den Erwartungsstrukturen z~ihlen sowohl rechtliche und formalisierte Regeln als auch informelle Regeln wie Sitten oder Umgangsformen. Deutungsstrukturen hingegen fixieren kognitive und evaluative Orientierungen. Sie beruhen auf Werten wie Propagierung von Selbstverwirklichung oder auf spezifische Sachverhalte wie Vorlieben oder Abneigungen gewisser Gmppierungen. Die dritte Art sozialer Strukturen sind eingespielte Gleichgewichte von Akteurkonstellationen. Hier kann keiner der Akteure von sich aus seine Handlungsweise ~indem. Nachfolgend werden die wichtigsten Akteurkonstellationen der akteurtheoretischen Soziologie vorgestellt: 6~ wechselseitige Beobachtung, wechselseitige Beeinflussung und wechselseitige Verhandlung. 61 Es handelt sich um analytische Modelle. Reale Akteurkonstellationen sind letztlich immer Gemengelagen der drei verschiedenen Arten.
58 59 6o 61
lichen, dass das gesamte System dadurch gebunden wird" (Luhmann, N., Soziale Systeme, 1996, S. 273). Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 60 ff. Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 176 ff. Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 207 ft. Scharpf unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Akteurkonstellationen und Interaktionsformen. Die Akteurkonstellation gibt Auskunft tiber das vorhandene Konfliktniveau zwischen den Akteuren, aber sie enthNt noch keine Informationen tiber den Interaktionsmodus, durch den diese Konflikte bearbeitet werden k6nnen. Beispiele von Interaktionsmodi sind einseitiges Handeln, Verhandlung, Abstimmung oder Hierarchie (vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 128 f.).
Konstellationen wechselseitiger Beobachtung Die elementarste Art von Akteurkonstellationen ist jene der wechselseitigen Beobachtung. Akteure k6nnen das Verhalten anderer unmittelbar oder lediglich mittelbar, zum Beispiel durch Berichte, Effekte oder Antizipation, wahrnehmen und sich daran anpassen. Dies h~ingt v o n d e r Gr613e und der Abgrenzung (klar oder nicht) der Akteurkonstellation ab. Direkte Wahrnehmung verringert die Fehleinsch~itzungen tiber das Handeln anderer. Wird das Verhalten anderer antizipiert, so kann es zu sich selbst er~llenden Voraussagen 62 oder sich selbst widerlegenden Voraussagen 63 der Zukunft kommen. Die Akteure beobachten sich gegenseitig und ziehen daraus ihre Schltisse fiJr das eigene Handeln. Schimank stellt eine Beziehung zwischen wechselseitiger Beobachtung und kollektiver Mobilisierung her. Damit die gegenseitige Beobachtung oder die Antizipation von Handeln zu einer Dynamik des Handelns wie zu einer sich selbst erftillenden Voraussage ftihrt, gentigt es nicht, wenn sich nur einzelne Akteure engagieren, sondem es muss eine kollektive Mobilisierung des Handelns erfolgen. 64 Eine derartige Mobilisierung kann durch verschiedene Faktoren untersttitzt oder verhindert werden. So ist zum Beispiel das Trittbrettfahrer-Ph~inomen ein Faktor, welcher eine kollektive Mobilisierung erschweren kann. 65 Ist hingegen von Anfang an ein hoher Ertrag m6glich und profitieren die handelnden Akteure, so kommt es nicht zum Trittbrettfahrer-Ph~inomen und eine kollektive Mobilisierung ist wahrscheinlich.
Konstellationen wechselseitiger Beeinflussung Auf wechselseitige Beobachtung kann wechselseitige Beeinflussung folgen. Dem Akteur gentigt es nicht, dass sein Handeln beobachtet wird und ein anderer Akteur sein Verhalten eventuell anpasst, sondern der Akteur unterstreicht sein Handeln und beeinflusst den anderen durch das Einflusspotential, welches ihm zur Verftigung steht. Sozialer Einfluss ist vielf~iltig und kann durch Geld, Gewalt, moralische Appelle, formale Macht, Wahrheit, Liebe, Sympathie, Charisma, Beziehungen oder Selbstbindungen geltend gemacht werden. Diese Arten sozialer Einfltisse setzen bei unterschiedlichen Handlungsantrieben an. Geld, zum Beispiel, spricht die Nutzentiberlegungen eines Menschen an. Auch Normkonformit~it oder
62 ,,The self-fulfilling prophecy is, in the beginning, a false definition of the situation evoking a new behavior which makes the originally false conception true" (Merton, R., The Self-Fulfilling Prophecy, 1967, S. 422 zitiert nach Esser, H., Situationslogik und Handeln, 1999, S. 4). Merton erz~ihlt die Geschichte einer Bank in den 30er Jahren. Durch ein falsches Gerticht der drohenden Insolvenz, dem die Sparer glauben, wollen alle Kunden gleichzeitig ihre Geldanlagen zurtick. Die daraus entstehende Dynamik f'tihrt innerhalb eines Tages zum wirklichen Bankrott der Bank. Die Menschen glauben dem GerOcht, d. h. sie definieren die Situation als real und handeln entsprechend. 63 Ein Beispiel f'tir eine solche Voraussage ist eine Wahlprognose, die eine Partei als haushohen Favoriten darstellt. Es kann passieren, dass Parteimitglieder nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie denken, dass sie sich die Mt~he sparen k6nnen. 64 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 232 ff. 65 Sind die Akteure nutzenorientiert, so ist es in bestimmten Situationen mr einzelne Akteure sinnvoll, sich als Trittbrettfahrer zu verhalten, d. h. zu versuchen vom Verhalten anderer zu profitieren ohne sich selber zu engagieren oder entsprechend zu handeln. Ein solches Verhalten ist spieltheoretisch und basierend auf dem Akteurmodell des Homo Oeconomicus betrachtet, mit einem Gefangenendilemma vergleichbar. Wenn gentigend andere Personen handeln und sich engagieren, dann profitiert der Trittbrettfahrer von deren Erfolg oder hatte keinen Aufwand bei einem eventuellen Misserfolg (vgl. Varian, H.R., MikroOkonomik, 1995, S. 570 ff.). 16
Emotionen k6nnen den Boden fiir soziale Beeinflussung bereiten. ,,Soziale Einflul3nahme mug sich stets im Klaren dal~ber sein, welchen Handlungstrieb sie anspricht. Wer das falsche Register zieht, verfehlt leicht das Ziel, das er mit der Beeinflussung erreichen wollte. ''66 Beeinflussung kann tiber Belohnung oder fiber Bestrafung erfolgen. Belohnung umfasst die Einl6sung eines Versprechens. Eine besondere Art der Belohnung sind Verheigungen, die sich aus dem Handeln des Beeinflussten ergeben. Bestrafungen wirken tiber Drohungen, die im Falle von Nicht-Ftigsamkeit umzusetzen sind. Sie sind im Gegensatz zu Belohnungen dann erfolgreich, wenn sie nicht umgesetzt werden mtissen. Prinzipiell k6nnen beliebig viele Drohungen ausgesprochen werden, mehr als man ausftihren k6nnte. Dies funktioniert solange sich viele Akteure durch das demonstrierte Drohpotential beeinflussen lassen. Insgesamt sind Einflusskonstellationen sehr facettenreich. Es kommt zu Dynamiken der Einflusssteigerung und der Einflusserosion, die die Situation von Alter und Ego ver~indem. Einflussnahme und Gestaltungsabsichten von Akteuren haben nicht nur intendierte Folgen:67 ,,Innerhalb sozialer Gebilde ergeben sich durch das und aus dem aufeinander ausgerichtete(n) Zusammenhandeln der Menschen Folgen, die keiner der Handelnden geplant oder intendiert hat, die aber in verschiedenen Hinsichten far die sozialen Gebilde sowie far das weitere Zusammenleben innerhalb derselben - und darfiber hinaus - von weitreichender Bedeutung sind.''68 Grunds~itzlich gilt, je symmetrischer die Einflussverteilung, d. h. je geringer die Einflussdifferenzen, in einer Konstellation, zum Beispiel durch das Fehlen eines dominanten Akteurs, desto gr6f3er ist die Wahrscheinlichkeit transintentionaler Struktureffekte.
Konstellationen wechselseitiger Verhandlung Konstellationen wechselseitiger Verhandlung entstehen in Situationen, in welchen Akteure auf bindende Vereinbarungen hinarbeiten. Dabei beobachten und beeinflussen sich die Beteiligten gegenseitig. W~ihrend sich Konstellationen wechselseitiger Beobachtung off zwangsl~iufig ergeben, ist dies weder bei Konstellationen wechselseitiger Verhandlung noch bei Konstellationen wechselseitiger Beeinflussung der Fall. Bei Verhandlungskonstellationen ist es nicht notwendig, dass sich jeder Akteur aktiv beteiligt- alle Akteure mt~ssen jedoch bereit sein, ausgehandelte Vereinbamngen einzuhalten. Verhandlungswilligkeit setzt Vorteile ffir die beteiligten Akteure voraus, die gr6f3er sind als ein durch andere Konstellationen erreichbarer Nutzen. Ein Vorteil bindender Vereinbarungen, die durch Verhandlungen entstehen, ist die dadurch gewonnene Erwartungssicherheit. Diese ist gr613er als bei Konstellationen wechselseitiger Beobachtung oder Beeinflussung, da durch Vereinbarungen die andauemde Wachsamkeit verringert werden kann. Normalerweise verft~gt jeder Akteur fiber eine Exit-Option, welche eine M6glichkeit der Beeinflussung darstellt, denn das Drohen mit dem Ausstieg aus der Verhandlung ist eine Beeinflussung des Gegentibers. Verzichtet der Akteur auf seine Exit-Option und stimmt einer Vereinbarung zu, so wird er pNfen, ob sich die Vereinbarung fiir alle Beteiligten lohnt.
66 Schimank,U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 252. 67 Vgl. Transintentionalitgtsozialen Handelns, Teil I-5.1. 68 Greshoff,R., Nicht-intendierte Handlungsfolgen,2003, S. 108. 17
Vorteile binden den Akteur zukfinftig und garantieren ihm (mehr oder weniger), dass sich auch die anderen Teilnehmer binden. H~lt sich ein Akteur nicht an die Vereinbarungen, so bringt ihm dies Nachteile. Die Einhaltung der Vereinbarungen beruht somit meist auf rationalen Selbstbindungen. Verhandlungen und bindende Vereinbarungen k6nnen sich auf eine bestimmte Situation beziehen, d. h. rein punktuell sein wie es sich zum Beispiel bei Tauschakten ergibt. Zus~itzlich gibt es Konstellationen, in denen die Akteure intentionale Strukturgestaltung betreiben. So geht es bei der Verteilung von Ressourcen um Vereinbarungen, die fiber einen l~ngeren Zeitraum von den Beteiligten akzeptiert und eingehalten werden. Intentionale Strukturgestaltung auf Basis von Verhandlungen wird natfirlich auch dann betrieben, wenn sich Personen zu tiberindividuellen Akteuren zusammenschliel3en. Organisationen sind ein Beispiel daffir.
2.1.5 Akteurtheoretische Steuerung Der akteurtheoretische Ansatz in der Steuerungstheorie betont die Rolle des zielorientierten Handelnden, des Akteurs. Der Mensch als Pers6nlichkeit reagiert nicht nur, sondern handelt aktiv im Rahmen seiner M6glichkeiten. Akteure verfolgen Ziele und versuchen diese durch konkrete Handlungen zu verwirklichen. Die Auswahl einer bestimmten Handlung ist von verschiedenen Faktoren abh~ngig, zum Beispiel von der Pers6nlichkeit oder der konkreten Situation. In der analytischen Definition von Mayntz, die sich weitgehend durchgesetzt hat, 69 wird Steuerung als Kausalschema rekonstruiert: Voraussetzung ist ein Steuerungssubjekt (Steuerungsakteur), welches ein Steuerungsobjekt gezielt beeinflusst und dessen Verhalten bzw. Entwicklung ver~ndert. TM Das Steuerungssubjekt verfolgt ein Steuerungsziel und hat Vorstellungen fiber das entsprechende Ziel-Mittel-Verh~ltnis. Daraus folgt die Wahl von geeigneten Steuerungsinstrumenten. Steuerungsf~higkeit und Steuerbarkeit werden vorausgesetzt. 7~ Folgende Dimensionen bestimmen den Kontext des Steuerungshandelns: Akteur(e) (Akteurkonstellationen) und deren Handlungsorientierung, gesellschaftliche Teilsysteme (im Sinne von Handlungssystemen), sowie institutionelle Regelungen. 72 Steuerungsakteure mfissen jedoch immer wieder erkennen, dass Steuerungsanstrengungen zu ungenauen oder sogar ungewissen Resultaten ffihren. 73 ,Machbarkeit' ist eine Illusion und eine kausal-deterministische Vorstellung vonder Steuerung der komplexen Wirklichkeit kann nicht bestehen. Hier setzt die Systemtheorie, vor allem die Werke von Niklas Luhmann, TM an und nimmt Einfluss auf die Steuerungsdiskussion. Luhmann, der systemtheoretische Oberlegungen und eine umfassende Theorie sozialer Systeme pr~sentiert, negiert die Vorstellung einer kybernetischen Steuerung. ,,Luhmanns Arbeiten [zielen] darauf ab, die gesamte bis dato
69 Vgl. G6rlitz, A., Politische Steuerung, 1995, S. 38; Lange, S., Politische Steuerung als systemtheoretisches Problem, 2000, S. 24. 7o Vgl. Mayntz, R., Politische Steuerung und gesellschaftlicheSteuerungsprobleme,1987, S. 93. 7t Vgl.G6rlitz, A., Politische Steuerung, 1995, S. 39. 72 Vgl. Schimank, U., Soziale Steuerung- akteurtheoretisch, 1992, S. 165. 73 Vgl. Raufer, T., Koordinationsprobleme politischer Steuerung, 1999, S. 5 f.; Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 132 f.; Druwe, U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse, 1992, S. 148. 74 Vgl. Systemtheorie,Teil I-2.2.
gefiihrte Staats- und Steuerungsdiskussion als irrelevant vorzuf~hren. ''75 Luhmanns Arbeiten haben die Steuerungstheoretiker zun~ichst verunsichert und dann zu einer Weiterentwicklung angeregt. ,,Sieht man Ober ... Verballhornungen der Politikwissenschaft einmal hinweg, dann besteht der Nutzen der Luhmannschen Theorie ... vor allem in der Empfehlung eines ,Auf den Kopf Stellens' des Oblichen erkenntnisleitenden Untersuchungsdesigns. ''76 Luhmann wirft Fragen auf, die die Schw~ichen der traditionellen Ansgtze often legen. Die Systemtheorie und insbesondere die Werke von Luhmann haben die Steuerungsdiskussion stark beeinflusst. Daher werden diese systemtheoretischen Oberlegungen zur Steuerung sowie deren Einfluss auf den akteurtheoretischen Ansatz nachfolgend vorgestellt.
2.2 Der systemtheoretische Ansatz ,,Immer noch sind wir dem naturwissenschaftlichen Erkenntnismodell des 19. Jahrhunderts verhaftet, wonach einfache Zusammenhgnge durch einfache Gesetzmgl3igkeiten zu erklgren sind... Zum Normalfall wird ... das Scheitem trivialisierender Strategien der Vergnderung, die Verschgrfung von Problemen durch die Obliche Reaktion des ,Mehrvon-demselben'."77
2.2.1 Systeme: Grunddifferenzierung Der Systembegriff entstammt etymologisch dem altgriechischen ,systema' und umschreibt etwas ,Zusammengesetztes', wobei die Einheit mehr ist als die Summe der Teile. Abbildung 2 gibt einen Oberblick Ober die Grunddifferenzierung und die Analyseebenen von Systemen aus systemtheoretischer Perspektive: Systeme
Maschinen
Organismen ~
Interaktionen
~ys~sychische
Systeme
Organisat~onen Gesellschaften
Abbildung 2: Analyseebenen von Systemen Quelle: Luhmann, N., Soziale Systeme, 1996, S. 16. FOr die Steuerungsdiskussion sind vor allem die sozialen Systeme relevant. Sie sind gleichzusetzen mit sozialen Kontakten TM und operieren auf der Ebene von Kommunikation. Komplexe soziale Systeme haben die F~ihigkeit der Reflexion und k6nnen sich somit ihrer
75 76 77 7s
Messner,D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 125. Lange,S., Politische Steuerungals systemtheoretischesProblem, 2000, S.85. Willke,H., SystemtheorieII: Interventionstheorie,1994, S. 4. Vgl. Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 33. 19
Identit/~t und Ver/~nderbarkeit bewusst werden. Sie zeichnen sich durch selbst generierte Wandlungs- und Entwicklungsf'~ihigkeit aus und sind in der Lage, sich eigenst/~ndig Ziele zu setzen, ihr Verhalten zu analysieren und zu ver/~ndem. Soziale und psychische Systeme entwickeln sich in Ko-Evolution. Sie bedingen sich gegenseitig. In der Gesellschaft sind unterschiedliche Typen von sozialen Systemen zu finden, zum Beispiel Familie, Organisationen oder gesellschaftliche Funktionssysteme wie Wirtschaft oder Politik. Die Gesellschaft ist das umfassendste Sozialsystem. 79
2.2.2 Grundriss einer allgemeinen Theorie sozialer Systeme 8~ ..... heif3t Anspruch auf Universalit~it [der Theorie] nicht Anspruch auf ausschliel31iche Richtigkeit, auf Alleingeltung und in diesem Sinne auf Notwendigkeit ... des eigenen Ansatzes.,,s 1 Die neuere Systemtheorie besch/fftigt sich mit der Analyse sozialer Systeme. Jeder soziale Kontakt wird von Luhmann als System betrachtet, wobei die Gesellschaft die Gesamtheit der m6glichen Kontakte darstellt. 82 Willke liefert eine umfassende Definition sozialer Systeme: ,,Ganzheitlicher Zusammenhang von Teilen, deren Beziehungen untereinander quantitativ und qualitativ produktiver sind als ihre Beziehungen zu anderen Elementen. Diese Unterschiedlichkeit der Beziehungen konstituiert eine Systemgrenze, die System und Umwelt trennt. Komplexe Systeme sind durch die Merkmale Selbstorganisation, Grenzerhaltung, Selbstreferenz und Generativitfit charakterisiert. Die Besonderheit der Klasse der psychischen und sozialen Systeme liegt darin, dass ihre Grenzen nicht physikalischr/~umlich bestimmt sind sondem symbolisch-sinnhaft. ''83 Diese Definition beinhaltet die wesentlichen Begriffe und Aussagen der Systemtheorie. Nachfolgende Aus~hrungen geben einen Oberblick tiber die wesentlichen Grundkonzepte der neueren auf soziale Systeme spezialisierten Systemtheorie: 84
Differenz zwischen System und Umwelt Ausgangspunkt jeder systemtheoretischen Analyse ist die Differenz zwischen System und Umwelt. Ohne Umwelt k6nnen Systeme nicht b e s t e h e n - sie konstituieren und erhalten sich durch eine Differenz zur Umwelt, denn Identit/~t ist nur durch Differenz m6glich. Die Funktion der Systemgrenzen liegt zum einen in der Trennung und zum anderen in der Verbindung von System und Umwelt. Die Grenze trennt zwar die Elemente verschiedener Systeme, jedoch nicht notwendigerweise deren Relationen;/~hnlich trennt sie Ereignisse und lfisst kausale Wirkungen passieren. Wesentlich ist der Unterschied zwischen der Umwelt
79 Vgl. Bratl, H. & Trippl, M., Systemische Entwicklung regionaler Wirtschaften, 2001, S. 48 f. 8o Die folgenden Ausftihrungen beziehen sich in erster Linie auf die Arbeiten von Niklas Luhmann, da die systemtheoretische Steuerungstheorie in Mitteleuropa im Wesentlichen an diesen Werken ankntipft. 81 Luhmann, N., Soziale Systeme, 1996, S. 34. 82 Vgl. Luhmann, N., Soziale System, 1996, S. 33. 83 Willke,H., Systemtheorie, 1991, S. 194. 84 Vgl. Luhmann, N., Systemtheorie, 2002, S. 41 ff.; Luhmann, N., Soziale Systeme, 1996, S. 30 ff.; Willke, H., Systemtheorie, 1991, S. 10 ff. 20
eines Systems und Systemen in der Umwelt dieses Systems. Differenzen zwischen System und Umwelt wirken dann im System, wenn sie als Informationen behandelt werden k6nnen.
Differenz zwischen Element und Relation Die Qualit~t der Elemente, welche die kleinsten Einheiten der Systeme sind, entsteht durch die Relationen bzw. Verbindungen mit anderen Elementen. Da nicht alle Elemente miteinander verbunden werden k6nnen, braucht es eine entsprechende Selektion. Es gibt keine Elemente ohne relationale Verknt~pfung und ebenso wenig Relationen ohne Elemente. Grundsgtzlich kann zwischen Relationen in der Innenwelt des Systems und den Relationen mit der Aul3enwelt unterschieden werden. ,,Eine der wichtigsten Konsequenzen ist: dal3 Systeme h6herer Ordnung von geringerer Komplexit~it sein k6nnen als Systeme niederer Ordnung, da sie Einheit und Zahl der Elemente, aus denen sie bestehen, selbst bestimmen, also in ihrer Eigenkomplexitgt unabh~ingig sind von ihrem Realitgtsunterbau. ''85
Komplexit~t Komplexit~t ist ein zentraler Begriff in der neueren Systemtheorie. Luhmann bezeichnet ein System dann als komplex, wenn ab einer bestimmten Gr613enordnung nicht mehr jedes Element jederzeit mit jedem anderen vorhandenen Element verknfipft werden kann. 86 Mit anderen Worten Komplexitgt bezieht sich auf die Vielschichtigkeit und Vernetzung der Systemelemente. Systeme mfissen sich zum einen an ihre Umwelt und zum anderen auch an ihre eigene Komplexit~it anpassen. Dies erklgrt, warum Systeme sich nicht umgehend an Vergnderungen der Umwelt orientieren k6nnen. Folge der Komplexitgt ist Selektion, denn Vielschichtigkeit zwingt zur Auswahl von (bevorzugten) Relationierungsmustern. Es gibt 5 Dimensionen der Komplexitfit: sachliche, soziale, zeitliche, operative und kognitive Komplexitgt. 87 Sachliche Komplexit~t umschreibt die Vielfalt von Systemen (Einheiten), die aufeinander wirken. In der Welt entwickeln sich immer mehr Systeme, die in Konkurrenz zueinander um Ressourcen und letztlich um ihr 121berleben k~impfen. Sachliche Komplexit~it kann durch geregelte Formen der Ressourcengewinnung und-verteilung geschw~cht oder gel6st werden. Soziale Komplexit~it entsteht, wenn viele Personen in engem Interaktionszusammenhang stehen. Auch wenn sich Gewohnheiten, Regeln, Werte und Normen entwickeln, sind Beziehungen unter solchen Voraussetzungen unfiberschaubar. Um soziale Komplexitgt zu reduzieren, braucht es funktionale Binnendifferenzierung. Die Ausbildung von Teilsystemen bewirkt zum Beispiel, dass St6rungen abgekapselt und neutralisiert werden. Soziale Systeme orientieren sich nicht an einer naturwfichsigen Zukunft, sondern besch~ftigen sich mit einer Vielfalt von in Grenzen wghlbaren zukt~nftigen Gegenwarten - dadurch entwickelt sich zeitliche Komplexitgt. Erwartungen, Antizipationen, Beffirchtungen usw. werden in Rfickkopplungsschleifen wirksam. Der Umgang mit operativer Komplexitgt bezieht sich auf die F~ihigkeit, Zwecke und Ziele eigenstgndig zu setzen und zu variieren. Um die
85 Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 43. 86 Vgl. Luhmann,N., Systemtheorie,2002, S. 236; Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 46. 87 Vgl. Willke, H., Systemtheorie, 1991, S. 60 ff. 21
negativen Auswirkungen einer ungeregelten operativen Komplexit~it in Schach zu halten, mtissen soziale Systeme sich als handlungsf~ihig und aktiv zielorientiert begreifen - d. h. Systeme mtissen kognitive Komplexitat entwickeln. Sozialsysteme brauchen ein Bewusstsein, um ihre kollektive Identit~it thematisieren und ihr Handeln bewerten zu k6nnen.
Kontingenz Komplexit~it ftihrt zu Kontingenz, was soviel heiBt wie ,auch anders m6glich sein'. Ursprtinglich stammt der Kontingenz-Begriff aus der scholastischen Philosophie, wo er die M6glichkeit beschreibt, dass etwas ist oder auch nicht ist. 88 Die eigene Kontingenz (eines Menschen oder eines sozialen Systems) bedeutet Freiheitsgrade und Alternativen. Die Kontingenz anderer hingegen fiihrt zu mangelnder Erwartungssicherheit. Religion, Werte, Normen oder Institutionen erleichtern den Umgang mit Kontingenz. Trotzdem steigt mit zunehmender Kontingenz das Konfliktpotential und es braucht leistungsf~ihige Mechanismen der Konfliktbew~iltigung. Komplexit~it und Kontingenz von Systemen erkl~iren, warum aus sehr ~ihnlichen Elementen unterschiedliche Systeme entstehen k6nnen.
Sinn Die Selektion von Informationen aus der Umwelt erfolgt nach Sinnkriterien wie Sprache, Rollendefinitionen, Normen usw. Sinn legt bestimmte Alternativen und M6glichkeiten nahe, w~ihrend er andere unwahrscheinlich oder schwierig macht oder sogar ausschliel3t. Nicht alle Ereignisse oder Informationen k6nnen von sozialen Systemen berticksichtigt und verarbeitet werden. Daher gilt es, die Zeit und Energie auf das Dr das System Sinnvolle zu fokussieren.
Selbstreferenz Die Grenze zwischen System und Umwelt definiert, was ausgeschlossen und was eingeschlossen ist. Operative Geschlossenheit entsteht, wenn das was innerhalb eines abgegrenzten Bereiches passiert, in seinen konstitutiven Momenten auf Selbstreferenz beruht. D. h. die eigenen Elemente werden als Funktionseinheiten selbst konstituiert: Das System reproduziert sich selbst bzw. reproduziert die Elemente, aus denen es besteht. Die Wiederholbarkeit der Selbstkonstitution wird durch Strukturbildung gew~hrleistet. Solche selbstreferentielle Systeme werden ,autopoietische Systeme' genannt; 89 sie sind in ihrem Kernbereich, in ihrer inneren Steuerungsstruktur geschlossen. Dieses Konzept der selbstreferentiell geschlossenen Systeme steht nicht im Widerspruch zur Umweltoffenheit der Systeme, denn die Geschlossenheit bezieht sich nur auf die Zirkularit~t der Selbststeuerung der eigenen Reproduktion und betrifft nicht die Aufnahme von Energie und Informationen.
88 Vgl. Willke,H., Systemtheorie, 1991, S. 18. 89 Altgr. autos = selbst; alt. Poiein = machen, anfertigen. 22
Kommunikation Das Grundelement sozialer Systeme ist nicht der Mensch, sondem die Kommunikation als kleinste Einheit des Sozialen. Kommunikation wird nicht verstanden als einfache Ubertragung von Informationen von Sender zu Empfanger, sondem als eine eigenst~ndige Operation, welche die drei Selektionsleistungen Information, Mitteilung und Verstehen umfasst. Fakten der ,dinglichen Welt' mt~ssen als Kommunikation im System auftauchen, um wahrgenommen und als relevant eingestuft zu werden. 9~ Handlung hingegen eignet sich nicht als Grundvorgang sozialer Systeme. ,,Handlung gibt es auch dann, wenn niemand zuschaut, wenn niemand da ist, wenn man nicht erwartet, dass jemand auf sie reagiert, etwa wenn man sich alleine die Z~ihne putzt. ''9~ ,,Die folgenreichste theoriearchitektonische Weichenstellung zu einer radikalen Sozialisierung wurde in der neueren Systemtheorie dadurch vollzogen, dass sie Kommunikationen zu den entscheidensten Elementarakten f't~r die Entwicklung von sozialen Systemen erkl~irte.''92
2.2.3 Steuerbarkeit und Steuerungsf~higkeit in der Systemtheorie Systemdenken bedeutet zusammenfassend Denken in Zusammenhgngen. Lineares Denken wird vermieden und so verhindert, dass vonder Vergnderung eines Aspektes linear-kausal auf die Ver~inderung des Ganzen geschlossen wird. Der Zusammenhang zwischen Systemen unterschiedlicher Ebenen ist nicht einfach, linear und kausal, sondem diskontinuierlich, nonlinear und irreversibel. Die Beziehungen sind gepr~igt durch Rfickkoppelungen negativer und positiver Art. Die Folge ist, dass es keine klaren und isolierbaren Ursache-WirkungsBeziehungen gibt. Der Systemwissenschaftler steht daher vor der Herausforderung, die immense Komplexitgt der far ein System mOglichen Beziehungen zu reduzieren, indem er nach den relevanten oder reprgsentativen Variablen, Faktoren, Funktionen und Sinngehalten fragt. Nur auf diese Weise werden Aussagen und Erkenntnisse fiber die unterschiedlichen Realitgten der Systeme m6glich. Die Analyse von Phgnomenen organisierter Komplexit~t wie sozialen Systemen verlangt den Bruch mit einfachen Kausalitgten und GesetzmgBigkeiten.
Systemische Steuerungsdiskussion ,,Vielleicht am erstaunlichsten an der Situation modemer Gesellschaften ist, dass ungeheuer viele und sorgt'gltige Programme, Modellversuche und Vergnderungsvorhaben in Gang gesetzt werden, ohne dass dies eine tiefsitzende Steuerungsskepsis t~berwinden k6nnte. Akteure und Publikum, Betreiber und Betroffene erwarten oft gar nicht, dass substantielle Verbesserungen erreicht werden. Die Verh~iltnisse, sie sperren sich - ohne dass sich genauer sagen liege, was diese Verh~iltnisse so undurchschaubar und unvergnderbar macht. All dies n~hrt die Vermutung, dass nicht einzelne Steuerungsfehler Erfolge im Sinne gelingender Systemsteuerung verhindem. Vielmehr scheint unser
90 Vgl. Bratl, H. & Trippl, M., Systemische Entwicklung regionaler Wirtschaften, 2001, S. 42. 91 Luhmann,N., Systemtheorie,2002, S. 79. 92 Bratl, H. & Trippl, M., Systemische Entwicklung regionaler Wirtschaften, 2001, S. 41. 23
Verst~indnis des Problems der Steuerung komplexer Sozialsysteme insgesamt mangelhaft zu sein.''93 Im Gegensatz zum akteur- und handlungstheoretischen Verstgndnis von Steuerung verwendet die Systemtheorie in Anlehnung an die Kybernetik einen personenunabhgngigen sowie wertneutralen Steuerungsbegriff und fordert den Abschied vom ,Steuermann'. Wghrend das tradierte handlungstheoretische Denken Steuerung als M6glichkeit sieht, durch Intentionen und Aktionen des Steuerungssubjektes System A den Zustand des Steuerungsobjektes System B kausal zu vergndern, erscheint den Systemtheoretikern eine solche kausale Intervention unm6glich. Entsprechend den Prgmissen der neueren Systemtheorie ist Steuerung in erster Linie Selbststeuerung bzw. Selbstorganisation. Steuerung heiBt abweichende Selbstreproduktion aufgrund von Irritationen, wobei die Systemidentit~t gewahrt bleibt. 94
Theorie der symbolisch generalisierten Steuerungsmedien Als Voraussetzung, dass Steuerungsimpulse wahrgenommen und gegebenenfalls bei der Selektion systemischer Handlungsoptionen berticksichtigt werden, mtissen profunde Kenntnisse sowohl tiber das steuernde System, als auch tiber das zu steuernde System vorliegen. Ansonsten ist Steuerung mit inkrementeller Intervention gleichzusetzen, die yon der strukturellen Ver~inderung eines Systems unterschieden werden muss. Kommunikative Prozesse mtissen verschiedene Htirden tiberwinden: Die entsprechende Mitteilung muss den Adressaten erreichen, die mitgeteilte Information muss verstanden werden und schliel31ich muss der Empf'~inger zu einem bestimmten Verhalten motiviert werden. 95 Gelungen ist die Kommunikation dann, wenn es zu einer Anschlusskommunikation kommt. Unter solchen Bedingungen ist das Gelingen von Kommunikation jedoch unwahrscheinlich. Daher schl~igt die Systemtheorie vor, symbolisch generalisierte Medien einzusetzen. Die Theorie der symbolisch generalisierten Steuerungsmedien bezieht sich auf Symbolsysteme wie Macht, Geld, Wahrheit, Glaube oder Vertrauen, die tiber die menschliche Sprache hinaus Funktionen erftillen, die die Kommunikation erleichtern. 96 Sprache allein ist bei vielschichtigen und dichten Beziehungen nicht ausreichend. Medien sind steuerungsrelevent, indem sie die Qualit~it und Komplexit~it menschlicher Beziehungen durch Abstraktion und Generalisierung ver/~ndern. Parsons unterscheidet vier Interaktionsmodi, denen jeweils ein Medium zugeordnet werden kann und die sich nach Art der Sanktion und der Form der Beeinflussung unterscheiden: 97 Anreiz (Modus)- Geld (Medium); Uberredung - Einfluss; Einschtichterung- Macht; Appell an Wertbindungen- Generalisierung yon Commitments. Geld und Macht wirken durch Belohnung und Bestrafung, w~ihrend Einfluss und Wertbindung auf eine Ver/~nderung der Wahrnehmung und der Intention der Beteiligten zielen. Der Symbolcharakter dieser Medien ist an verschiedene Bedingungen gekntipft. So
93 Willke,H., SystemtheorieIII: Steuerungstheorie,2001, S. 5 f. 94 Vgl. Lange, S., Politische Steuerungals systemtheoretischesProblem, 2000, S. 69. Diese Interpretationdes Steuerungsbegriffesschliel3tan Vorstellungenaus anderen Bereichen der 0konomie an, in der zum Beispiel der Markt als Medium der gesellschaftlichenSelbstregulierungerscheint. 95 Vgl. Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 196 f.; Gtinter,U., Politische Steuerung, 1994, S. 128. 96 Vgl. Willke, H., Systemtheorie, 1991, S. 154. 97 Vgl. Parsons, T., Soziale Interaktionsmedien, 1980, S. 144 ff. 24
mfissen die Medien institutionalisiert sein, d. h. Regeln mfissen den Umgang mit ihnen spezifizieren. Zweitens ist gesellschaftliches Einverst~indnis fiber Sinn und Wirkung notwendig und schlieBlich muss die Zirkulationsf'~ihigkeit der Medien gew~ihrleistet sein. Die Leistungsf~ihigkeit dieser Medien ist unterschiedlich; beim Medium Geld ist sie am h6chsten, was vor allem auf die Abstraktheit zurfickgeRihrt werden kann. 98 Luhmann nimmt eine Neubestimmung, Erweiterung und Erg~inzung der von Parsons beschriebenen Medien vor. 99 Er betont, dass gesellschaftliche Funktionssyteme nicht unbedingt auf symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien angewiesen sind, sondern ein bin~irer Code erm6glicht es den Systemen, ihre systeminternen Operationen zu beobachten bzw. sie als systeminterne Ereignisse zu identifizieren. ,,Ereignisse mfissen ... in codierte und nichtcodierte unterschieden werden. Codierte Ereignisse wirken im Kommunikationsprozess als Information, nichtcodierte als StOrung (Rauschen, noise). ''~~176 Steuerungsversuche sind zum Scheitern verurteilt, wenn sie die enorm wichtige Bedeutung codierter Kommunikation vernachRissigen: ,,Es ist nur eine geringe Ubertreibung, wenn man sagt, dab wir heute nicht mehr durch Personen regiert werden, sondern durch Codes. ''~~ Abbildung 3 gibt einen 15berblick fiber die zentralen Funktionssysteme der Gesellschaft sowie deren Medien und Codes. Nicht personengebundenes wirtschaftliches Handeln ist die Steuerungsform 6konomischer Prozesse, sondern Geld und Kapital. Ahnlich ist nicht rangordnungsbezogenes Handeln bedeutsam, sondern Macht und institutionalisierte Herrschaft.
Wirtschaft
Geld
Politik
Macht Recht
Recht Wissenschaft
(Recht) Wahrheit
Religion Erziehung
Code
Medium
Funktionssystem
haben/nicht haben zahlen/nicht zahlen m~ichtig/machtlos Regierung/Opposition konservativ/progressiv restriktiv/expansiv Recht/Unrecht wahr/unwahr reputierlich/nicht reputierlich Immanenz/Transzendenz (besser/schlechter) (bestanden/nicht bestanden)
Abbildung 3: Funktionss, lsteme, Medien, Codierung Quelle: Gtinter, U., Politische Steuerung, 1994, S. 144. Der akteurtheoretische Steuerungsansatz hat auf die Ausfiihrungen der Systemtheorie reagiert und wurde durch die Aufdeckung der Schw~ichen animiert, Erkenntnisgewinne zu diskutieren und zu berficksichtigen. Nachfolgend soll die Entwicklung der Steuerungstheorie, beeinflusst durch das Spannungsverh~iltnis zwischen System und Akteur, diskutiert werden.
98 Vgl. Steuerungsmedien,Teil I-4.3. 99 Vgl. Gfinter, U., Politische Steuerung, 1994, S. 140. 1oo Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 197. 101 Luhmann,N., Funktionale Differenzierung, 1994, S. 168. 25
2.3 Zwischen System und A k t e u r Die Kernaussagen der Systemtheorie, welche die lange Zeit vorherrschende akteurzentrierte Steuerungstheorie herausfordern, sind die Ausdifferenzierung der Gesellschafi in gleichwertige Subsysteme, die damit verbundene Intransparenz sowie die steigende Binnenkomplexit~t in den Subsystemen und die sich daraus ergebende Selbstreferenzialitfit. Luhmanns Arbeiten und Kernaussagen haben Fragen aufgeworfen, die seit Ende der 80 Jahre im Zentrum der Steuerungstheorien stehen. Das grol3e Interesse an Luhmanns Werken ffihrt Messner auf verschiedene Grfinde zurfick. 1~ Zum einen stellt Luhmann eine Grol3theorie auf mit dem Anspruch ,alles' erkl~ren zu k6nnen und dies in einer Zeit, die gekennzeichnet ist durch eine grol3e Vielzahl von Disziplinen und Spezialisierungen sowie durch eine allgemeine Bescheidenheit hinsichtlich der Reichweite und der Umsetzbarkeit auch interdisziplin~rer Forschung. Zweitens zwingt die Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Luhmann zur Besch~fiigung mit den Bedingungen von Steuerbarkeit und Steuerungsf'fihigkeit- Fragen dazu wurden frfiher a priori positiv beantwortet. Ein weiterer Grund ffir die Besch~fiigung mit den Werken Luhmanns ist die Betonung der zunehmenden Fragmentierung der modernen Gesellschaft, des Desintegrationstrends und die Hilflosigkeit von Institutionen, auf globale Ph~nomene Antworten zu finden. Dies ist nicht n e u - Luhmann gelingt es jedoch, diese Entwicklung mit relativ einfachen Formeln fiber den Lauf der Welt zu diskutieren.
2.3.1 Einw~nde gegen den systemtheoretischen Steuerungspessimismus Die Auseinandersetzung mit den Werken Luhmanns hat nicht nur grof3es Interesse und Erkenntnisgewinne hervorgerufen, sondem auch zu zahlreichen Einw~nden veranlasst. Diese Kritik und Diskussion sind die Grundlage ffir neue komplexe steuerungstheoretische Arbeiten. Nachfolgend werden die wesentlichen Punkte diskutiert. 1~
Mangelnder Akteurbezug Luhmann ersetzt Handlung durch Kommunikation als Basiselement sozialer Systeme. Somit verschliel3t er sich institutions-, akteur- und handlungstheoretischen Ans~tzen. In der Realit~t mt~ssen die verschiedenen Akteure jedoch handeln. Es ist daher sinnvoll, Fragen nach Handlungen, deren Wirkungen und Ergebnissen zu stellen, auch wenn es aufgrund der gesellschaftlichen Komplexit~t kein vollst~ndiges Wissen fiber bestimmende Faktoren und t~ber die Auswirkungen geben kann. Natfirlich k6nnen Akteure auf Systemlogiken meist keinen direkten Einfluss ausfiben, trotzdem ver~ndern sie durch ihr Handeln die gegebenen Strukturen. 1~
102 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschafi, 1995, S. 129 ff. 103 Vgl. Lange, S., Politische Steuerung als systemtheoretischesProblem, 2000, S. 76 ff.; Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 132 ff. 104 Vgl. Akteurkonstellationen,Teil I-2.1.4; Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 173 ff. 26
Die Ausblendung von Akteuren hat noch einen zus~itzlichen groBen Nachteil - eine Theorie sozialer Systeme ohne Bedeutung von Akteuren ist flir eine empirisch orientierte Steuerungstheorie untauglich. 1~
Obertragung naturwissenschaftlicher Modelle in die Sozialwissenschaften Ein sehr genereller Einwand, der haupts~ichlich wissenschaftstheoretisch-methodologischer Natur ist, betrifft die vor allem begriffiiche Orientierung von Luhmann an der Kognitionsbiologie Maturanas und Varelas. 1~ Ffir die steuerungstheoretische Diskussion spielt die Frage nach der Analogiebildung in der Luhmannschen Systemtheorie kaum eine Rolle, sofern sie nicht als empirische Theorie mit ableitbaren operationalisierbaren und falsifizierbaren Hypothesen behandelt wird. ~~ Ein Vorwurf, der sich jenem der Analogiebildung anschlieBt, ist der schwer zug~ingliche Sprachstil, der das Problem der mangelnden wissenschaftlichen Intersubjektivitfit mit sich bringt. Willke z~ihlt die Eigenkomplexit~it und die daraus resultierende schwierige Sprache zu den Kosten systemtheoretischen Denkens. 1~
Intransparenz und Abschottung von Teilsystemen Personen geh6ren normalerweise verschiedenen Funktionssystemen an und darauf beruht der Einwand, dass Luhmann das Kommunikations-, Koordinations- und Integrationspotential von Individuen, Akteurgruppen und Institutionen untersch~itzen wt~rde. Der Einwand richtet sich also nicht auf den funktionsspezifischen Code, sondem darauf, dass es sich viele Akteure nicht leisten k6nnten, nur eine Funktionssprache zu sprechen und sich vonder Logik anderer abzuschotten. Mt~nch weist darauf hin, dass das Charakteristikum der modernen Gesellschaftsentwicklung in der zunehmenden Durchdringung und den Oberschneidungen der verschiedenen Funktionen und Handlungen liegt. Diese Mt~nchsche Interpenetrationstheorie begreift (politische) Steuerung als Handlungskoordination in der ,,Interpenetrationszone von Politik, Wirtschaft, Kultur und Gemeinschaftsleben. ''~~ Die steigende gesellschaftliche Komplexit~it f't~hrt zu einer dichten VerknOpfung zwischen den Teilsystemen und daraus entsteht ein Austausch- und Koordinierungsbedarf.
~05 Vgl. Braun, D., Gesellschaftssteuerung zwischen System und Akteur, 2000, S. 99; Lange, S., Politische Steuerung als systemtheoretisches Problem, 2000, S. 84 f. 106 Die chilenischen Neurophysiologen formulierten aufgrund empirischer Forschungsergebnisse in der Biologie eine Theorie der Autopoiesis. Die Forscher folgerten, dass das Nervensystem keinen unmittelbaren Bezug zur AuBenwelt besitzt, sondern vielmehr durch rekursive Operationen sein eigenes Bild der umgebenden Welt entwirft (vgl. Maturana, H.R., Die Organisation des Lebendigen, 1982, S. 138 ff.). ~07 Vgl. Lange, S., Politische Steuerung als systemtheoretisches Problem, 2000, S. 77. 108 Vgl. Willke, H., Systemtheorie, 1991, S. 8 t: 109 Miinch, R., Risikopolitik, 1996, S. 46. 27
2.3.2 Einfluss der Systemtheorie auf die neuere Steuerungstheorie Die Systemtheorie und insbesondere die Arbeit von Luhmann haben trotz der diskutierten Einw~inde grundlegende Erkenntnisgewinne geliefert, die bis dato von den Steuerungstheoretikern nicht berticksichtigt wurden. Durch die Betonung und Darstellung der Ausdifferenzierung der Gesellschaft in Teilsysteme wird deutlich, dass die Steuerungsf'~ihigkeit tibergeordneter Instanzen sprich die hierarchische Steuerung Grenzen hat. Vielmehr w~ichst der horizontale und vertikale Koordinierungsbedarf in und zwischen den verschiedenen Systemen, sowie die Kommunikations-, und Integrationsbemtihungen von Akteurgruppen. ~!~ Die Grenzen der hierarchischen Steuerung bedeuten, dass Steuerungspotentiale dezentral in den Subsystemen verteilt sind: Die Komplexit~it der modernen Gesellschaft verlangt nach komplexen Steuerungsformen und stellt die klare Trennung zwischen Steuerungsakteur und Steuerungsadressaten in Frage. Wesentlicher Punkt in der deutschen steuerungstheoretischen Diskussion seit den 80er Jahren ist die methodische Oberlegung von Luhmann, den Akteur nicht als Grundelement von sozialen Systemen zu sehen, sondern lediglich als ,Umwelt': ,,Diese Grundsatzentscheidung verleiht der steuerungstheoretischen Debatte um System und Akteur ihre besondere Brisanz: Nicht System und Akteur, sondern System oder Akteur scheint die Alternative in der Diskussion zu sein. ''~11 Viele steuerungstheoretische Ans~itze beugen sich dieser Dichotomie nicht: ,,Gesellschaftliche Entwicklung darf deshalb nicht als linearer ProzeB miBverstanden werden, sondern als Ergebnis der Oberlagerung systemischer Eigendynamik und durch unterschiedliche Akteure induzierte Steuerungsversuche... Mit diesem SpannungsverhNtnissen besch~iftigen sich, mit Ausnahme der vereinseitigenden Interpretationen Luhmannscher Provenienz, alle sozialwissenschaftlichen grand theories.''112 Es gibt verschiedene Ans~itze, die sich bemt~hen, System- und Akteurtheorie aufeinander zu beziehen. Zum einen versuchen Steuerungstheoretiker in ihren akteurtheoretischen Ans~itzen Aspekte und Erkenntnisgewinne der Systemtheorie einzubauen und zum anderen wird die Systemtheorie von verschiedenen Vertretern um akteurtheoretische Aspekte erweitert. ~3 Allen Ans~itzen ist gemeinsam, dass sie die funktionale Differenzierung als Folge der Entwicklung moderner Gesellschaften anerkennen und berficksichtigen, dass dies Auswirkungen auf die (politische) Gesellschaftssteuerung hat. Es wird akzeptiert, dass die Steuerbarkeit gesellschaftlicher Systeme aufgrund der hohen Komplexit~it und Interdependenz schwierig ist. Aus dieser Einsicht folgt der gemeinsame Kern der verschiedenen Steuerungstheorien zwischen System und Akteur und zwar die Bedeutung der organisierten Verst~indigung, die Kooperation tiber Netzwerke sowie Diskurse und sozietale Verhandlungssysteme in und zwischen den sozialen Systemen. Trotz der beschriebenen Gemeinsamkeiten und der gegenseitigen Befruchtung gibt es keinen einheitlichen Ansatz, denn ,,Theoriefragmente aus unterschiedlichen soziologischen
ll0 Vgl. Messner,D., Netzwerkgesellschaft,1995, S. 139. l~l Braun,D., Gesellschaftssteuerungzwischen Systemund Akteur, 2000, S. 99. 112 Messner,D., Netzwerkgesellschaft,1995, S. 133. 1~3 Vgl. Braun, D., Gesellschaftssteuerungzwischen Systemund Akteur, 2000, S. 99 ff. 28
,,114
Traditionen [lassen sich] nicht beliebig zusammenblnden. Die erkenntnistheoretische Spannung bleibt somit grunds~itzlich aufrecht, obwohl auf verschiedene Weise Verbindungen gesucht werden. Zum einen kOnnen die diversen Ans~itze danach unterschieden werden, ob sie von einer autopoietischen Vorstellung funktionaler Differenzierung ausgehen oder ob die Basis in der Akteurtheorie liegt und daher die funktionalen Teilsysteme eher als Handlungssysteme interpretiert werden. Zum anderen k6nnen die Steuerungsans~itze danach geordnet werden, welche Handlungseinheit als Akteur gesehen wird: das Individuum, die Organisation oder das gesellschaftliche Teilsystem. 9
,,Die erkenntnistheoretische Spannung zwischen autopoietischem und akteurtheoretischen Ansatz bleibt, trotz des offensichtlichen Bemtihens, sich aufeinander zu beziehen, bestehen. Trotz dieser Differenzen kommt es zu erheblichen Konvergenzen in der Diskussion der politischen Steuerung. Das Ergebnis ist ein Standpunkt, der sowohl von Luhmanns Steuerungspessimismus wie von einem akteurzentrierten Steuerungsverst~indnis wegfiihrt. Mit trifft sich ... in der Mitte, in den Verhandlungssystemen zwischen Staat und Gesellschaft. ''~5
3. Steuerungsverst
indnis in dieser Arbeit
Der Steuerungsbegriff wird in dieser Arbeit an die Akteurperspektive angelehnt und somit handlungstheoretisch aufgebaut, wobei den Erkenntnisgewinnen durch die Auseinandersetzung mit der Systemtheorie und im Besonderen mit den Arbeiten von Niklas Luhmann Rechnung getragen wird. Steuerungshandeln wird dabei nicht verstanden als einmaliger Akt, sondern als Prozess, verbunden mit Lern- und Suchprozessen der Akteure. Die Anlehnung an den akteurtheoretischen Steuerungsansatz entspringt neben den diskutierten Einw~inden gegen den systemtheoretischen Steuerungspessimismus folgenden Motiven: Die Arbeit ist empirisch orientiert und die Luhmannsche Sicht von gesellschaftlichen Teilsystemen ohne Akteure und Organisationen ist for eine empirisch orientierte Steuerungstheorie nicht geeignet. 1~6 Zus~itzlich bleiben die Ertr~ige der autopoietischen Ans~itze oft hinter denen der akteurorientierten Ans~itze zurtick: ,,Sie verbleiben letztlich bei dem Verweis auf den Probabilismus politischer Steuerung und, im normativen Sinne, auf die Notwendigkeit der Anerkennung der individuellen und teilsystemischen Lebenswelt. ''~17 Ein weiterer Grund fOr die Orientierung an der akteurorientierten Steuerungstheorie entspringt der Besch~iftigung mit der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten. Da dabei die (lokalen) Akteure, deren Interessen, Zusammenspiel und Einflusspotentiale im Mittelpunkt stehen, scheint sich der handlungstheoretische Ansatz eher zu bew~ihren. ~18 Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Perspektivenwechsel von Steuerung zu Governance vor allem in der akteurzentrierten
114 Schwinn, Th., Nichtintendierte Folgen als Struktur oder System, 2003, S. 278. 115 Braun, D., Gesellschaftssteuerung zwischen System und Akteur, 2000, S. 129. 116 Vgl. Braun, D., Gesellschaftstheoriezwischen System und Akteur, 2000, S. 99. 117 Braun, D., Gesellschaftstheorie zwischen System und Akteur, 2000, S. 171. 1~8 Vgl. Mayntz, R., Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie?, 2004, S. 2 ff.; Benz, A. & Ftirst, D., Region - Regional Governance - Regionalentwicklung, 2003, S. 13; Ft~rst, D., Regional Governance, 2001, S. 3; Nischwitz et al., Local und Regional Governance, 2001, S. 25. 29
Steuerungsdiskussion beobachtet und analysiert wird und dass Definitionen und Begriffserkl~rungen von Governance grunds~itzlich einer akteurzentrierten Sichtweise entspringen. Die Entwicklung der Steuerungstheorie hat gezeigt, dass die Annahme von simplen Steuerungseingriffen mit linearen Auswirkungen aufgegeben werden muss. Die gesellschaftliche Entwicklung ist ein komplexer Prozess, geformt aus systemischer Eigendynamik und beeinflusst von Steuerungsprozessen unterschiedlicher Akteure. Steuerung ist m6glich, jedoch komplex und schwierig aufgrund der hohen Komplexitgt und Interdependenz der gesellschaftlichen Teilsysteme. Sie ist begleitet von mehr oder weniger ausgeprggter Transintentionalitgt, da es keine vollst~indigen Informationen Ober handlungsbestimmende Faktoren und Auswirkungen verschiedener Interventionen geben kann. Trotz Betonung der Komplexitgt wird es in dieser Arbeit als sinnvoll und notwendig gesehen, Steuerungsf~higkeiten, -potentiale und-optionen sowie auch entsprechende Restriktionen ausfindig zu machen und zu diskutieren.
4. S t e u e r b a r k e i t und S t e u e r u n g s f ~ i h i g k e i t Die grundlegenden Fragen in der Steuerungsdiskussion sind jene nach der Steuerbarkeit und der Steuerungsf~ihigkeit, wobei Steuerung beide Dimensionen verlangt. Wghrend sich Steuerbarkeit auf das zu steuernde System bezieht, umfasst die Steuerungsf'~higkeit die Eigenschaften und Ffihigkeiten des Steuernden. Beide Dimensionen zusammen bestimmen das Ergebnis des Steuerungsprozesses und die Stgrke der Transintentionalitgt intentionalen Handelns. Schwegler und Roth definieren Sgtze sowohl zur Steuerbarkeit eines Systems, als auch zur Steuerungsfahigkeit, welche als Definition dienen k6nnen. 119 Darauf aufbauend werden nachfolgend sowohl die Steuerbarkeit als auch die Steuerungsfghigkeit diskutiert.
4.1 Steuerbarkeit Die Sfitze zur Steuerbarkeit lauten: - Satz 1: Aussagen t~ber die Steuerbarkeit beziehen sich auf bestimmte Antwortprozesse im Hinblick auf eine festgelegte Menge von Eingaben und in Abh~ingigkeit von den jeweiligen Anfangsbedingungen. Satz 2: Steuerbarkeit setzt eine Regelhaftigkeit bzw. GesetzmgBigkeit dahingehend voraus, dass die relevanten Anfangsbedingungen zusammen mit den Eingabeprozessen aus der festgelegten Menge einen Antwortprozess determinieren oder wenigstens nach einem probabilistischen Gesetz wahrscheinlich machen. Aus dem ersten Satz geht hervor, dass Steuerbarkeit in vielerlei Varianten und Abstufungen vorliegt, abhgngig von den festgelegten Eingaben und MaBnahmen sowie von den Anfangsbedingungen und der Genauigkeit der Beurteilung der Antwortprozesse und Ver~inderungen. -
119 Vgl. Schwegler,H. & Roth, G., Steuerbarkeitund Steuerungsfahigkeit, 1992, S. 11 ff. 30
Anfangszust~nde und Eingabeprozesse determinieren zusammen das Steuerungsergebnis. Es gilt zu analysieren, ob in einem System spezifische Eingaben in der Lage sind, gewollte und bestimmte Antwortprozesse hervorzurufen. AnschlieBende Aussagen fiber die Steuerbarkeit oder Nicht-Steuerbarkeit eines Systems beziehen sich auf die ausgew~hlten Eingaben - welche Auswirkungen andere MaBnahmen gehabt h~tten, kann nicht ohne entsprechende Untersuchung bestimmt werden. Ob die Frage nach der Steuerbarkeit letztlich positiv oder negativ beantwortet wird, h~ngt wesentlich davon ab, wie breit der zugelassene Bereich der Wirkungen und wie groB die Toleranz bei der Beurteilung der Antwortprozesse ist. 12~ W~hrend in einem System durch spezielle MaBnahmen und Eingriffe bestimmte Antwortprozesse hervorgerufen werden k6nnen, k6nnen andere Antwortprozesse nicht herbeigeffihrt werden. Aus der Nicht-Steuerbarkeit einzelner Prozesse folgt nicht automatisch die Nicht-Steuerbarkeit aller Prozesse oder die NichtSteuerbarkeit des ganzen Systems. Liegt die Ursache nicht in der Unf'~,higkeit des Steuernden, also in einer falschen Auswahl von Eingaben oder Interventionen, dann ist die Steuerbarkeit eines Systems durch die ihm innewohnende Komplexit~t und Dynamik begrenzt. Bei solchen hochgradig autonomen Systemen beeinflusst die innere Dynamik die Systemprozesse und das Verhalten der Systemmitglieder starker als die Interventionen und eingesetzten Steuerungsmedien. Die Folge ist, dass die Inputs gegenfiber den dominierenden inneren Variablen wenig wirksam sind. 12~ Schwegler und Roth weisen in diesem Zusammenhang explizit darauf hin, dass ,,genauso wie Linearitfit keineswegs mit Steuerbarkeit verbunden sein muB, darf man umgekehrt Nichtlinearit~t nicht schlechterdings mit Nichtsteuerbarkeit gleichsetzen. ''122 Neben geringer Steuerbarkeit aufgrund von innerer Eigendynamik oder Autonomie, kann die Wirkung von Steuerungsversuchen sehr chaotisch und zuf'allig scheinen. So kann es trotz ~hnlicher Anfangsbedingungen und gleichen MaBnahmen zu sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen kommen. Dies ist vor allem bei gesellschaftlichen Prozessen oft der Fall. Solche scheinbar chaotischen Reaktionen beruhen auf der Tatsache, dass jede Systemverfinderung auf der vorhergehenden aufbaut und kleinste Ver~nderungen groBe Reaktionen ausl6sen kOnnen. Somit ist es schwer oder unmSglich, globale oder langfristige Folgen auch determinierter Abl~ufe und Prozesse vorauszusagen. Langfristige SteuerungsmaBnahmen sind besonders dann unmOglich, wenn die Eingabevariablen nicht genau eingestellt werden kOnnen. Vielfach ist die Unterscheidung zwischen mangelhafter Steuerungsffihigkeit, die auch bei einer geringen Autonomie eines Systems vorkommen kann, und der Nicht-Steuerbarkeit eines Systems nur schwer zu bestimmen.
120 In der politischen Steuerung wurden lange Zeit die latenten Wirkungen und langfristigen Folgenketten auf die gesellschaftliche Umwelt weitgehend ausgeblendet oder als unbeabsichtigte Nebenfolgen der Steuerung in Kauf genommen (vgl. Lange, S., Politische Steuerungals systemtheoretischesProblem, 2000, S. 25). ~21 Das akteurtheoretische Steuerungsverst~ndnis, welches dieser Arbeit zugrunde liegt, handelt letztlich von einem Mehr oder Wenigervon Umweltabh~ngigkeitund Autonomie. 122 Schwegler,H. & Roth, G., Steuerbarkeit und Steuerungsfahigkeit, 1992, S. 26 f. 31
4.2 Steuerungsf~ihigkeit Die Steuerungsf'~ihigkeit ist jene Dimension der Steuerung, die sich auf den Steuernden bezieht. 123 Steuernde k6nnen einzelne Akteure, aber auch Systeme sein, die Intentionen haben, bestimmte Antwortprozesse hervorzurufen. Sind die Prozesse grunds~itzlich steuerbar, so kann der Steuernde dennoch scheitern. Die Ursachen k6nnen drei verschiedene sein: Erstens mangelnde ZugriffsmOglichkeiten auf die Eingabevariablen und notwendigen Steuerungsmedien, zweitens mangelndes Wissen tiber die relevanten Anfangsbedingungen und drittens mangelndes Wissen tiber die Gesetzm~if3igkeiten und Zusammenh~inge zwischen Rahmenbedingungen, eingesetzten Steuerungsmedien und Reaktionen auf die Steuerung. Daraus l~isst sich folgender Satz zur Steuerungsf'~ihigkeit ableiten: 124 -
Satz 3: Die Steuerungsf~ihigkeit verlangt die ZugriffsmOglichkeiten zu den nOtigen Eingabeprozessen am zu steuernden System, die F~ihigkeit zur Beobachtung der relevanten Anfangsbedingungen sowie die Kenntnis der Zusammenh~inge zwischen Eingabeprozessen, relevanten Anfangsbedingungen und Antwortprozessen.
Daraus folgt, dass die Komplexit~it eines Systems die Steuerungsf~ihigkeit mindert, da Zusammenh~inge, Ursache und Wirkungen nur schwer durchschaubar sind und entsprechendes Wissen kaum zug~inglich ist. 125 Systeme k6nnen umso besser gesteuert werden, je mehr Wissen tiber interne Variablen einschlieglich der Vorgeschichte vorliegt und je besser dieses Wissen auf die Kontrolle der Eingabevariablen umgelegt werden kann. Messner definiert zwei tragende und sich erg~inzende S~iulen der Steuerungsf~ihigkeit der Gesellschaft: 126 Partizipation und Kontrolle. Es gilt ein Gleichgewicht zwischen Partizipation und Kontrolle zu finden, damit es zu keiner pathologischen Situation kommen kann. Dominiert die Kontrolle, so wird eine Ubersteuerung wahrscheinlich, d. h. die Entfaltung des Systems wird eingeschr~inkt. Ist die Kontrolle hingegen sehr schwach, k6nnen untergesteuerte oder ungesteuerte Systeme entstehen. Steuerungsf~ihigkeit ist an komplexe normative Voraussetzungen, institutionelle Bedingungen und den Einsatz von Steuerungsmedien gebunden. Sie ist keine F~ihigkeit, die einmal erworben, vorhanden ist und immer wieder eingesetzt werden kann. Vielmehr muss die Steuerungsf~ihigkeit kontinuierlich ftir jede Situation hergestellt und immer wieder stabilisiert und den Entwicklungen angepasst werden.
123 Die Akteurtheorie politischer Steuerung hat lange Zeit Steuerungsmisserfolgevor allem auf die Unffihigkeit des Steuernden zurtickge~hrt. ,,Ein ex post facto festgestelltes Steuerungsversagen im Sinne einer nicht erreichten oder sogar hinsichtlich der politischen Zielvorgabe kontradiktorischen Zustands~inderung des Steuerungsobjekts ist in dieser Betrachtungsweise bisher weniger in der Struktur, Eigendynamik oder Autonomie des gesellschaftlichen Steuerungsadressaten, als in einer ,Willensschw~iche' des politischen Systems begriindet" (Lange, S., Politische Steuerung als systemtheoretisches Problem, 2000, S. 25; vgl. weiters Scharpf, F.W., Politische Steuerung, 1988, S. 63 f.). 124 Vgl. Schwegler, H. & Roth, G., Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit, 1992, S. 20. 125 Interessant ist, dass Gruppen von kognitiven Systemen augenscheinlich besser steuerbar sind als einzelne kognitive Systeme. Starke interne Dynamiken sind im Grunde oft vorhersagbar. Eine Erkl~irung daf'tir k6nnte sein, dass sich Menschen in Massen hinsichtlich der Freiheitsgrade ihres Verhaltens reduzieren und deshalb besser gesteuert werden k6nnen (vgl. Canetti, E., Masse und Macht, 2000, S. 13 ff.; Schwegler, H. & Roth, G., Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit, 1992, S. 41). 126 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 345 f. Diese S~iulen sind grunds~itzlich auf alle sozialen Systeme tibertragbar. 32
4.3 Steuerungsmedien ,,Der gr6f3ere Steuerungsskzeptizismus - manche m6gen es Steuemngsrealismus nennen - ftihrt aber selbstverst~indlich nicht gleich zu einem Absehen von Steuerung in der Praxis. Ftir eine Steuerungsabstinenz sind die Probleme zu dringlich. ''~27 Steuerung zielt immer auf eine ver~indemde Beeinflussung des naturwtichsigen Ablaufs der Ereignisse: ,,Seit dem aktiven Eingreifen des Menschen und seiner Systeme in die Natur [gibt es] eine Evolution der Evolution, die zwar nicht notwendig ist, aber m6glich, und die in ihrer M6glichkeit Steuerung notwendig macht. ''128 Um Ziele bewusst anzustreben und zu erreichen gilt es Interventions- bzw. Steuerungsmedien einzusetzen. Die Palette der Steuerungsmedien ist breit. Mayntz und Scharpf nennen u. a. negativ sanktionierte Verhaltensgebote und -verbote, Verfahrens- und Organisationsregeln, materielle Anreize oder Informations- und Uberzeugungsstrategien. ~29 Schimank spricht von Wegen, wie ein Akteur einen anderen beeinflussen kann und z~ihlt in diesem Zusammenhang Geld, physische Gewalt, formale Macht, moralische Appelle, Wahrheiten, Liebe, Sympathie, Selbstbindungen und gute Beziehungen auf.13~ Grunds~itzlich kann zwischen harten und weichen Interventionsmedien unterschieden werden. Zur harten Steuerung z~ihlen autorit~ire Handlungsanweisungen, w~ihrend weiche Steuerung in erster Linie Verhandlungen, Kooperationen, Informationsfltisse oder prozedurale Festlegungen umfasst. 13~ W~ihrend harte Steuerungsmedien vor allem verpflichten, wollen weiche Steuerungsmedien anregen und zur Kooperation ermutigen. Die Palette der Medien l~isst sich zur besseren Obersicht auf einem Kontinuum mit den Polen harte und weiche Steuerung darstellen: Kooperation
Weisung
weiche Steuerung
harte Steuerung
I
I Information, Oberzeugung, Zusammenf'tihren von Akteuren
Regelungsandrohung
Informelles Verwaltungshandeln, Konsens, Kooperation
Finanzielle Anreize
Einseitige Anordnung, Verwaltungsakt
St~irkung von Marktmechanismen Vertr~ige
Abbildung 4: Steuerungsmedien Quelle: Schuppert, G.F., Sektorspezifische Steuerungsprobleme, 1989 zitiert nach Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 162.
127 Sydow, J. & Windeler A., Steuerung von und in Netzwerken, 2000, S. 2. 128 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 189. 129 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Steuerung und Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren, 1995, S. 19. 130 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 249. ~3t Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 161; Ef3er, K. et al., Systemische Wettbewerbsf~ihigkeit und Entwicklung, 2001, S. 160. 33
Sowohl die Akteur- als auch Systemtheorie ziehen die weichen den harten Steuerungsformen vor. Grunds~tzlich geht es darum, durch indirekte Steuerung Selbstorganisation zu initiieren und zu unterstt~tzen. 132 Je nach Situation, Ablauf und angestrebtem Ziel k6nnen verschiedene Steuerungsmedien eingesetzt werden. Messner zerlegt den Policy Prozess in verschiedene P h a s e n - Problemerkennung, Einsch~itzung der Problemrelevanz, Analyse steuerungsrelevanter Wirkungszusammenhgnge, Entwicklung von L6sungsmustem, Festlegen von Strategien, Implementierung, Evaluierung von Wirkungen, Korrekturen- und weist darauf hin, dass zu Beginn solcher Prozesse, sozusagen in der Phase der Entscheidungsvorbereitung, weiche Interventionsmedien Vorrang vor harten Steuemngsinstrumenten haben. In solchen Phasen ist es besonders wichtig, Informationsflfisse zu optimieren, strategisches Wissen zu sammeln, alternative Strategien zu diskutieren und Akzeptanz aufzubauen. Je nach Situation k6nnen dann harte oder weiche Steuerungsmedien eingesetzt werden. In der Realit~t werden meist Kombinationen von Steuerungsmodi eingesetzt. 133 Strukturen wie Kooperationen oder Netzwerke k6nnen nicht nur durch den Einsatz von Recht und Geld beeinflusst werden, sondern eine wesentliche Rolle spielen Oberzeugung, Informationsfluss und Verhandlungen. Jedoch nicht alle Steuerungsmedien k6nnen miteinander kombiniert werden. Zum Beispiel Oberzeugung oder Liebe sind mit machtbasierten Interventionen meist nicht kompatibel. TM Grunds~itzlich geht es jedoch nicht nur um Einfluss, sondern um Steuerung im Sinne von Regelung. Selbstregelung oder Selbstorganisation bestimmter Sektoren oder Bereiche miissen durch Steuerungsinstmmente unterstt~tzt und gelenkt werden, um zum Beispiel Trittbrettfahrer zu verhindern. ,,Auch die gesellschaftliche Selbstregelung erfordert deshalb die Fghigkeit zur Formulierung und Implementation von Magnahmen, die erwfinschtes Verhalten der Anbieter und Nachfrager wahrscheinlicher und unerwt~nschtes weniger wahrscheinlich machen. ''135 Nachfolgend sollen einige wichtige Steuerungsmedien und deren Wirkungsweisen diskutiert werden. 136
4.3.1 Macht ,,Der Ausdruck ,Macht' hat far viele Menschen heute einen etwas unangenehmen Beigeschmack. Der Grund liegt darin, dal3 im bisherigen Verlauf der Gesellschaftsentwicklung die Machtgewichte oft aul3erordentlich ungleich verteilt waren und dab Menschen oder Menschengruppen, die gesellschaftlich mit relativ grogen Machtchancen ausgestattet sind, diese optimal, mit groger Bmtalit~it und Gewissenlosigkeit far ihre Zwecke ausnutzen. Der t~ble Beigeschmack, der diesem Begriff dementsprechend anhaftet, fahrt dann leicht dazu, dal3 man zwischen dem einfachen Tatbestand und der Bewertung dieses Tatbestandes nicht mehr zu unterscheiden vermag. '~37 Es gibt verschiedene Grande, warum Akteure sich auf die Kosten von Koordination einlassen. Der klarste und einfachste Grund ist, dass die Instanz, die die Koordination wanscht, mit fiberlegener Macht ausgestattet ist. Macht ist eine ,,Stmktureigentt~mlichkeit menschlicher
132 Vgl. Braun, D., Gesellschaftssteuerungzwischen System und Akteur, 2000, S. 170 f. 133 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 162 f. 134 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 252 f. 135 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Steuerungund Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren, 1995, S. 20. 136 Vgl. Willke, H., SystemtheorieIII: Steuerungstheorie, 2001, S. 150 ff. 137 Elias, N., Soziologie, 1996, S. 76. 34
138
B e z i e h u n g e n - aller menschlicher Bez~ehungen." Kern der Steuerungsleistung von Macht ist die (physische) Gewalt; Canetti bezeichnet die Macht auf,,tieferen und mehr animalischen Stufen" als Gewalt, wobei Macht mehr Zeit und Raum ben6tigt. 139 Gewalt, die pr~isent sein 9
muss um zu wirken, reicht jedoch nicht aus, um den Aufbau von Machtbeziehungen zu erkl~iren. Es muss einen Ubergang von physischer Gewalt zur Macht geben und dieser beruht auf Organisation. ,,Nur vermittelt fiber Organisation ist die M6glichkeit der Drohung mit physischer Gewalt fiber die aktuelle Situation hinaus yon Bedeutung. ''~4~ Somit ist nicht mehr der in der Situation St~irkere m~ichtig, sondern der Akteur, der (sich) organisieren kann. Diese inhaltliche Definition von Macht wird auch von der Abstammung des Begriffes selber deutlich: ,,Das Wort selbst [Macht] leitet sich aus einer alten gotischen Wurzel ,magan' f'tir ,k6nnen, verm6gen' her und ist mit dem Stamm ,machen' fiberhaupt nicht verwandt. ''141 Das Strukturmuster der Hierarchie142 stellt eine typische Ordnung yon Machtbeziehungen dar. Hierarchische Organisation funktioniert aufgrund von Ordnung und Einfachheit. ,,Hierarchie ist die Verk6rpemng einer einfachen Ordnung. Eine minimale Ausstattung von Regeln gent~gt, um ganze Heere von Soldaten, Sklaven, Arbeitem, Beamten, angestellten Ingenieuren oder Programmierem in eine Ordnung zu bringen, die jeder versteht. ''143 Die Beziehungen und Kommunikationen werden normalerweise von ,oben nach unten' gesteuert. Dahinter steht die Logik einer funktionierenden Ordnung, die sich mit der Zeit verselbstgndigt und von den in ihr handelnden Personen weitgehend unabhgngig wird. Elias weist darauf hin, dass alle Machtbalancen, ebenso wie s~imtliche Beziehungen, bipolare oder meist multipolare Phfinomene sind. TM Auch Luhmann betont, dass Macht nicht nur von ,oben nach unten' funktioniert, sondem auch umgekehrt: ,,Macht wird dadurch reflexiv, dab sie auf Macht angewandt wird, sich also pr~izise und genau darauf konzentriert, die Machtmittel anderer zu dirigieren. Das kann von oben nach unten, aber sehr viel feinsinniger auch von unten nach oben geschehen. ''~45 Gmnds~itzlich verst~irkt jedoch Hierarchie die Macht und umgekehrt ein sich selbst verstgrkender Reproduktionszirkel entsteht, der durch die Effektivitfit der Ordnung nicht in Frage gestellt wird. Obwohl die Macht und hierarchische Beziehungen nattMich eine wesentliche Handlungskoordination darstellen, ist auch die Hierarchie kein Ph~inomen, das ausschlief31ich den Gesetzen einer entmenschlichten Ordnung gehorcht.
~38 Elias, N., Soziologie, 1996, S. 77. 139 Vgl. Canetti, E., Masse und Macht, 2000, S. 333 f.; Canetti demonstriert dazu den Zusammenhang zwischen Gewalt und Macht mit dem Verh~iltnis zwischen Katze und Maus. ,,Die Maus, einmal gefangen, ist in der Gewalt der Katze. Sie hat sie ergriffen, sie h~ilt sie gepackt, sie wird sie t6ten. Aber sobald sie mit ihr zu spielen beginnt, kommt etwas Neues dazu. Sie l~iBtsie los und erlaubt ihr, ein Sttick weiter zu laufen ... sie ist nicht mehr in ihrer Gewalt. Wohl aber steht es in der Macht der Katze, sie zurtickzuholen ... Der Raum, den die Katze fiberschattet, die Augenblicke der Hoffnung, die sie der Maus l/igt, aber unter genauester Bewachung, ohne dag sie ihr Interesse an ihr und ihrer Zerst6mng verliert, das alles zusammen ... k6nnte man als den eigentlichen Leib der Macht oder einfach als die Macht selbst bezeichnen" (Canetti, E., Masse und Macht, 2000, S. 333). ~40 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 153. 141 Canetti, E., Masse und Macht, 2000, S. 333. 142 Vgl. Govemance-Formen, die Hierarchie, Teil I-7.2.2. ~43 Willke, H., Systemtheorie Ill: Steuerungstheorie, 2001, S, 158. ~44 Elias erkl~irt die Bi- bzw. Multipolarit~it machtbasierter Beziehungen u. a. mit dem Beispiel, dass nicht nur die Eltem Macht fiber ihr Baby haben, sondem auch das Baby hat yon Anfang an Macht tiber seine Eltem es hat Macht tiber sie solange es far sie einen Weft besitzt (vgl. Elias, N., Soziologie, 1996, S. 77). ~45 Luhmann, N., Soziale System, 1996, S. 615. 35
Macht ist die Grundlage sozialer Ordnung. 146 Dennoch kann Beeinflussung durch Macht wie andere Steuerungsmedien auch transintentionale Effekte hervorrufen oder aber nicht funktionieren. Es kann vorkommen, dass Akteure formelle Institutionalisierung von Gegenmachtpotentialen aufbauen. 147 Auch ist es m6glich, dass es in komplexen Systemen zu wenig Macht gibt, um potentielle Strategien zu erkennen und zu initiieren. Die notwendige Verankerung der Macht in funktionierender Organisation und in der M6glichkeit von Verweisen auf realisierbare Sanktionen offenbart ihre Schw~iche, denn diese unabdingbare Verankerung macht eine machtbasierte Beeinflussung nicht in allen Situationen und komplexen Systemen m6glich. Vor allem in dynamischen, komplexen und professionellen Organisationen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Mitarbeiter nicht optimal mit machtbasierter Kommunikation gesteuert werden kOnnen. ,,Die Schw~iche der Macht im Kontext komplexer Systeme h~ingt an der Verlagerung der Gewichte von trivialen auf nichttriviale Faktoren, an dem einschneidenden Bedeutungszuwachs von qualitativen Momenten gegentiber quantitativen Gr6Ben. ''~48 Um komplexen und dynamischen Situationen gerecht zu werden, braucht es weitere Steuerungsmedien, die mit positiver Sanktionierung die Motivation der Akteure zu beeinflussen. Geld stellt ein solches Steuerungsmedium dar.
4.3.2 Geld W~ihrend die Angst vor Gewalt als ursprtingliche Basis machtorientierter Beziehungen gilt, basiert das Steuerungsmedium Geld auf der Begierde der Menschen zum Beispiel nach den angenehmen Dingen des Lebens. Daher besteht die Steuerungswirkung des Geldes in erster Linie in der symbiotischen Verkntipfung von Geld und physischer Bedtirfnisbefriedigung. Wer einem anderen Geld bietet, um ein bestimmtes Handeln zu erwirken, beeinflusst durch Belohnung - er verspricht glaubhaft eine Zahlung. 149 Die St~irke des Geldes als Steuerungsmedium liegt dabei in seinem hohen Generalisierungsniveau. W~ihrend Macht sich meist auf abgesteckte Bereiche bezieht und oft auch zeitlich begrenzt ist, ist der sachliche, soziale und zeitliche Beeinflussungsradius des Geldes enorm. Diese Eigenschaft erm6glicht es, unterschiedliche Akteure anzusprechen oder je nach Situation unterschiedliche Anreize zu geben. ,,Obgleich das Geld ja sein Wesen und seine Wirksamkeit nicht in dem StOck, das ich in der Hand habe, erschOpft, sondern dieselben an der sozialen Organisation und den tibersubjektiven Normen hat, die es, fiber seine materielle Begrenztheit, Geringftigigkeit und Starrheit hinaus, eben zum Werkzeug unbegrenzt mannigfaltiger und weitreichender Zwecke werden l~isst.''~5~
146 ,,Befehl ist Befehl: der Charakter des Endgiiltigen und Indiskutablen, der dem Befehl anhaftet, mag auch bewirkt haben, dab man fiber ihn so wenig nachgedacht hat. Man nimmt ihn hin als etwas, das immer so da war, er erscheint so nattirlichwie unentbehrlich. Von klein auf ist man an Befehle gew6hnt, aus ihnen besteht zum guten Teil, das man Beziehung nennt; auch das ganze erwachsene Leben ist von ihnen durchsetzt, ob es nun um die Spharen der Arbeit, des Kampfes oder des Glaubens geht" (Canetti, E., Masse und Macht, 2000, S. 357). 147 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 160. 148 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 188. 149 ,,Man kann Geld als ein Medium begreifen, das zu Zahlungen kristallisiert werden kann: Man kann nur zu einem bestimmten Preis zahlen" (Luhmann, N., Systemtheorie, 2002, S. 229). 150 Simmel, G., Philosophie des Geldes, 1900, S. 205. 36
Der Nutzen des Akteurs, auf welchen der Einfluss ausgefibt werden soil, kann in einer sofortigen Bedt~rfnisbefriedigung liegen, er kann jedoch auch darin bestehen, Einflussressourcen zu geben, die erst in der Zukunft aktiviert werden (zum Beispiel Geldversprechungen). Das zeitliche, sachliche und soziale Generalisierungsniveau des Geldes ist zwar nicht unbegrenzt, aber doch h6her als das der anderen Interventionsmedien. 15~ Willke beschreibt die verschiedenen Dimensionen des Geldes und geht dabei auf die verschiedenen Generalisierungsniveaus ein. Die sachliche Dimension er6ffnet unzghlige TauschmOglichkeiten, denn Geld stellt eine Generalisierung von Wahlchancen dar. Simmel spricht in diesem Zusammenhang yon der unbegrenzten Freiheit der Verwendung und erklgrt weiters, dass sich Geld als ,,die herrschende Macht, die fiber den Gegenstand verfagt" zeigt. ~52 Die soziale Dimension des Geldes t~bergeht die Ordnung hierarchischer Differenzierung. ,,Geld ist charakterlos, kriterienlos und differenzlos gegent~ber den bis in die frfihe Moderne hinein gewichtigen Differenzen von Abstammung, Geschlecht, Stand, Glaube, Alter, sozialer Zugeh6rigkeit etc. ''153 An Stelle der hierarchischen Ordnung setzt das Steuerungsmedium Geld eine Ordnung der Indifferenz. Es geht nicht um die Verknapfung von Vorgesetzten und Untergebenen, sondem um die Verknfipfung von Tauschpartnern. Die zeitliche Dimension hingegen umfasst die Tatsache, dass Geld zu verschiedenen Zeitpunkten verwendet werden kann. Diese Temporalisierung der Wahlchancen schafft Freiheiten des Austausches. Geschaffen werden so Verkettungen von Handlungen, die in die Zukunft reichen und somit die Zukunft far steuernde Mal3nahmen oder Eingriffe zug~inglich machen. ~s4 Grundsgtzlich sind die Begierden nach angenehmen und mit Geld erwerbbaren Dingen praktisch grenzenlos. Dabei kann Geld nicht nur k6rperliche Bedt~rfnisse befriedigen, sondern auch abgeleitete und konditionierte Bed~irfnisse wie Statussymbole, denn es hat ,,inhaltlich gar keine Beziehungen zu dem einzelnen Zweck, zu dessen Erlangung es uns verhilft. ''155 Jedoch nicht immer ist die Steuerungswirkung des Geldes gewghrleistet. Manchmal ist ein Akteur durch Geld nicht beeinflussbar, zum Beispiel wenn der Akteur das Geld nicht braucht oder selber genfigend besitzt. Ein bestimmtes Handeln oder ein spezifischer Nutzen kann somit unter Umst~inden ,unbezahlbar' sein. Simmel spricht in diesem Zusammenhang vonder ,,eindeutigen Bestimmtheit des Willens. ''~56 Doch sehr oft ist das Steuerungsmedium Geld wirksam und dabei manchmal mit gesellschaftlichen Nachteilen verbunden. Willke weist darauf hin, dass funktionierende geldbasierte Kommunikation es schwierig macht, sich dem Sog der Verengung der Endzwecke auf Mehrung des Profits zu widersetzen. Die Kosten des
151 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 251 ff. 152 Simmel, G., Philosophie des Geldes, 1900, S. 214. J53 Willke, H., Systemtheorie Ill: Steuerungstheorie, 2001, S. 220; Simmel schreibt hierzu: ,,Das Geld hat jene sehr positive Eigenschaft, die man mit dem negativen Begriffe der Charakterlosigkeit bezeichnet. Dem Menschen, den wir charakterlos nennen, ist es wesentlich, nicht durch die innere und inhaltliche Dignit~itvon Personen, Dingen, Gedanken sich bestimmen zu lassen, sondem durch die quantitative Macht, mit der das Einzelne ihn beeindruckt, vergewaltigtzu werden" (Simmel, G., Philosophie des Geldes, 1900, S. 213). 154 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 217 ff. 155 Simmel, G., Philosophiedes Geldes, 1900, S. 205. ~56 ,,Verweigerungen des Verkaufs aus affektiven Wertungen, bei Boykottierungen, Ringbildungen usw. entstehen, wenn die f't~rGeld begehrten Dingwerte der individuellen Sachlage nach durchaus nicht durch andere ersetzbar sind. Dann freilich fNlt die Wahlchance, die das daflir offerierte Geld seinem jetzigen Besitzer bietet, fort - und damit dessen Sondervorteil - weil eben statt der Wahl eine eindeutige Bestimmtheit des Willens besteht" (Simmel, G., Philosophiedes Geldes, 1900, S. 210). 37
Geldmechanismus k6nnen mit Geldgier, Geiz, Verschwendung oder Zynismus beschrieben werden. 157 Geld allein kann daher zu nicht-optimalen Ergebnissen Nhren.
4.3.3 Wissen ,,Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und F/ahigkeiten, die Individuen zur L6sung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen sttitzt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repr~isentiert deren Erwartungen tiber UrsacheWirkungs_Zusammenh~inge.,,158 Aus der Definition von Wissen geht hervor, dass Wissen nicht gleichzusetzen ist mit objektiver Richtigkeit, vielmehr ist Wissen von Personen konstruiert und liefert Definitionen von Realit~it und bestimmt die Bedeutung dieser Realit/at. 159 ,,Wissen weist eine subjektabh~ingige Pr~igung auf, was letztlich dazu ftihrt, dab eine identische Ausgangsinformation nach individueller Perzeption zu vollkommen unterschiedlichen Wissensbausteinen transformiert werden kann. ''~6~ Es kann nattirlich auch vorkommen, dass die Ausgangsinformationen gar nicht wahrgenommen werden, da die Akteure Informationen aufgrund des Vorwissens verstehen und interpretieren. Dabei ver~indert sich das Vorwissen marginal. 161 Um n~iher zu erl~iutern, wie durch Wissen Akteure beeinflusst werden k(~nnen, ist es sinnvoll, die verschiedenen Wissensaspekte zu betrachten: 162 -
-
-
Wissen in einem informationalen, d. h. datenbasierten und digital darstellbaren sowie iibertragbaren Aspekt; Wissen als funktional relevante und wertsch6pfende betriebliche Ressource; Wissen in seinem bedeutungshaften Charakter als gegenstands-, struktur- und sozialvermittelndem Gehalt von Informationen; Wissen in seinem handlungsrelevanten Aspekt als Know-how zur Verrichtung von Arbeitshandlungen; als handlungsleitendes Interesse, das die Aktivit~iten und Motive der Akteure beeinflusst, sowie als Grundlage intellektueller Erkenntnis, welche die Weiterentwicklung des Wissens und K6nnens durch Lernen erm6glicht.
FOr das Steuerungsmedium Wissen ist vor allem der letzte Aspekt yon Bedeutung. Durch Beratung und die in Gang gebrachten Lernprozesse wird Wissen vermittelt, welches dann die Aktivit~iten und Motive der Akteure beeinflusst.
157 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 239 ff; Simmel, G., Philosophie des Geldes, 1900, S. 213 ff. 158 Probst, G. et al., Wissen managen, 1999, S. 46. 159 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 257. 160 Schtippel,J., Wissensmanagement, 1996, S. 56. 161 Vgl. GeiBler, H., Standardisierung und Entstandardisierung von Wissen, 1999, S. 41. Elias betont, dass die Denk- und Forschungst~itigkeitder Menschen ein kontinuierlicher Prozess ist, der sich tiber Generationen hinzieht: ,,Das Vorgehen des einzelnen Menschen beim Denken, beim Erkennen und bei der wissenschaftlichen Arbeit baut sich auf dem der vorangehenden Generationenauf' (Elias, N., Soziologie, 1996, S. 37). 162 Vgl. Behrmann, D., Wissensmanagement, 1999, S. 66. 38
Die Verbindung zwischen Wissen und Steuerung entsteht in erster Linie durch die Beratung. Es kann jedoch auch sein, dass in komplexen Situationen, in welchen andere Medien wie Macht oder Geld wirkungslos sind, jene Akteure Zustimmung finden, die M6glichkeit haben, ihre Umwelt zu beobachten, Wissen zu akkumulieren und entsprechende Handlungsstrategien zu entwickeln. Wissensbasierte Entscheidungen finden den gr6f3ten Konsens zwischen unterschiedlichen Partnern und Wissen beeinflusst die Chancen far die Durchsetzbarkeit einer Handlungsstrategie oder die Vergnderung von Strukturen. ,,Wissen im allgemeinen und Expertise als systematisiertes und organisiertes Wissen im besonderen ver~indern die soziale Ordnung kontinuierlich. ''~63 Seiner Form nach ist Wissen keine klassische Ware und entzieht sich oft der Preisbildung durch Angebot und Nachfrage. Zus~itzlicher Vorteil dieses Steuerungsmediums ist die zeitliche Perspektive, welche die temporale Generalisierung des Mediums Geld noch fibertrifft. Wissen ist eine wesentliche Grundlage der Kernkompetenzen von Akteuren. Dabei k6nnen verschiedene Wissensformen unterschieden werden wie Personenwissen, Projektwissen, Strukturwissen oder Prozesswissen. 164 Jedoch nicht nur Wissen t~ber Produkte, Mgrkte usw. ist von Bedeutung, sondern auch Steuerungs- und Kontrollwissen, damit die Wettbewerbsf'ghigkeit garantiert werden kann. Individuelles Wissen reicht nicht aus, damit intelligentes Handeln in komplexen Situationen m6glich wird. Vielmehr bedarf es einer kollektiven Wissensbasis, damit t~berindividuelle Akteure Handlungsstrategien ausarbeiten und umsetzen k6nnen. Kollektives Wissen ist mehr als die Summe des Wissens einer Anzahl von Individuen. Es entsteht im Wechselspiel zwischen Personen, Systemen und Strukturen. Solches Wissen ist nicht in Teile zerlegbar und kaum i m i t i e r b a r - somit wird es zum Wettbewerbsfaktor. Die Basis der Wissensgenerierung bleibt jedoch individuelles Wissen. Es muss mit anderen Individuen geteilt werden, um in das Wissensnetzwerk eines kollektiven Akteurs aufgenommen zu werden. Das Wissen weitet sich durch die Zunahme der am Wissensprozess beteiligten Personen und Gruppen aus. Auch kollektive Akteure k6nnen in diese Wissensspirale eingebunden werden. 16S Ffir die Steuerung von r~umlichen Wettbewerbseinheiten ist das Medium Wissen von besonderer Bedeutung. Es gibt ,,eine Ft~lle von Evidenzen und Begrfindungen daffir, dass die einzig stabile Ressource einer territorial gebundenen K6rperschaft- ob Region, Nation oder iiberregionale Einheit wie die EU - die im Territorium verankerte Intelligenz ist. ''166 Wird diese Intelligenz bzw. dieses Wissen gezielt genutzt und als Grundlage von Handlungsstrategien aktiviert, so entfaltet das Steuerungsmedium Wissen seine Wirkung. 167
163 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie,2001, S. 262. 164 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 353. 165 Vgl. Nonaka, I & Takeuchi H., The knowledge-creatingcompany, 1995, S. 73. 166 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie,2001, S. 268. 167 Verschiedene Wissensbarrieren kultureller als auch strukturellerNatur wie die nicht korrekte Wahrnehmung von Ursache-Wirkungszusammenhgngen, die nicht korrekte Wahrnehmung yon Umweltreaktionen oder die falsche Interpretation von Botschaften kOnnen die Nutzung der Ressource Wissen behindern. Vor allem kulturelle Barrieren stellen ein schwer fiberwindbares Hindernis dar (vgl. Augustin, S., Wissensmanagement, 2000, S. 161). ,,Alle Formen kulturell bedingter Wahrnehmungsverzerrung behindern die Evolution der individuellen Wissensbasis vor allem durch die Habitualisierung einseitiger Wahrnehmungsmuster und kognitiver Verarbeitungsstrategien. Resultat sind stabile Wahrnehmungs-, Interpretations-und Handlungs-schemata, die mehrdeutige Erfahrungen nicht mehr zulassen. Ambivalente Entscheidungssituationenwerden zu eindeutigen 39
,,Das in den Institutionen akkumulierte Know-how sowie die formellen und informellen Formen der Interaktion zwischen den Institutionen (Verbund) erlauben einen kontinuierlichen wirtschafts- und standortpolitischen LernprozeB aller Akteure, erh6hen die Transparenz tiber die St~irken, Schw~ichen und Herausforderungen ftir die Wirtschaft und verbessern die Orientierungsf~ihigkeit der Unternehmen sowie privater und staatlicher Institutionen." 168 Wissen ist Grundlage anderer weicher Steuerungsmedien wie Informationsfluss, Verhandlungen oder Interessenintegration. Solche Steuerungsmedien gewinnen immer mehr an Bedeutung, da diese dem interaktiven Charakter von Innovation, Kooperation und dem systemischen Charakter von Wettbewerbsf~ihigkeit entsprechen.
4.3.4 Vertrauen Vertrauen als Koordinationsmechanismus von Handlungen wird vor allem im Rahmen der Netzwerkstruktur diskutiert. Bachmann bezeichnet Vertrauen als qualitatives Medium, welches die Art und nicht den Inhalt einer Beziehung reflektiert und die Wirkung anderer Medien unterstreichen kann. Vertrauen reduziert ~ihnlich wie Institutionen Unsicherheit, indem es Annahmen und Erwartungen fiber das zukiinftige Verhalten der anderen Akteure erm6glicht. Somit wird Komplexit~it reduziert. Daraus resultiert die Bereitschaft, in Beziehungen Vorleistungen zu bringen. In diesem Zusammenhang kann Vertrauen mit einer riskanten Investition verglichen werden, denn der vertrauende Akteur hat immer das Risiko, dass das entgegengebrachte Vertrauen missbraucht werden k6nnte. Dadurch besitzt das Steuerungsmedium Vertrauen das Potential, bis zu einem gewissen Grad andere Medien zu ersetzen und im Normalfall andere Steuerungsinstrumente zu unterstfitzen. 169 Auch wenn die verschiedenen Steuerungsmedien unterschiedliche Wirkungseffekte hervorrufen oder verschiedene Motive ansprechen, so ist das Ziel stets dasselbe: die Beeinflussung von Akteuren und eine entsprechende Verhaltenssteuerung. Dominiert ein bestimmtes Steuerungsmedium so kann die Steuerung danach benannt werden. 17~ Erfolgt die Steuerung zum Beispiel in erster Linie durch materielle Anreize oder basierend auf Tausch, dann kann von materieller oder finanzieller Steuerung gesprochen werden. Der vorwiegende Einsatz von Macht, gilt als hierarchische Steuerung. Prozedurale Steuerung hingegen wird vor allem durch Verhandlungen gepr~igt.~7~ Wird fiberwiegend an Normen und Oberzeugungen appelliert, so ist dies ,persuasive Steuerung' - d i e Adressaten der Steuerung sollen mit I0berreden und Oberzeugen beeinflusst werden. Zielt die persuasive Steuerung auf die Ver~inderung von Deutungsmustern, Einsch~itzungen von Situationen, Problemen und L6sungen durch Lernprozesse und Interaktionen, so kann von ,paradigmatischer Steuerung' gesprochen werden. 172
uminterpretiert, innovative Handlungsstrategien damit systematisch ausgeschlossen" (Schtippel, J., Wissensmanagement, 1996, S. 150). 168 Messner,D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 60. 169 Vgl. Bachmann,R., Koordinationund Steuerungtiber Vertrauenund Macht, 2000, S. 110 ff. 170 Vgl. Knieling,J., KooperativeRegionalplanungund Regional Governance,2003, S. 470. 171 Vgl. Lange, S., Politische Steuerung als systemtheoretischesProblem, 2000, S. 24. 172 Vgl. Ftirst, D., Paradigmatische Steuerung in der Regionalplanung,2001, S. 1. 40
Je nach Situation gilt es ein effektives Steuerungsmedium zu w~ihlen, meist ist es sinnvoll eine Kombination verschiedener Medien einzusetzen. Weiche Steuerungsmedien k6nnen dabei die harten Formen nicht ersetzen, auch wenn sie von den Steuerungstheorien bevorzugt werden. So bezeichnet Bachmann das Steuerungsmedium Macht neben Vertrauen und Geld als vermutlich wichtigsten Handlungskoordinationsmechanismus in interorganisationalen Beziehungen. Es geht ,,um die soziologisch spannende und in hohem Mage grundlagentheoretisch motivierte Frage nach der Funktion der Macht und um das Problem der Verknt~pfung von Macht und Vertrauen in den Beziehungen zwischen den 6konomischen Akteuren. ''173 Steuerung muss sich damit besch~ftigen, wie die Steuerungsmedien in speziellen Situationen verknfipft werden k6nnen und wie sich die Wirkung der Medien dadurch vergndert. Es gent~gt nicht, die Steuerungsmedien als einfache Altemativen zu betrachten, um die Erwartungen und die Handlungen der Akteure zu beeinflussen. Die Auseinandersetzung mit der Steuerbarkeit und Steuerungsf~higkeit von sozialen Systemen sowie der Auswahl und Kombination von Steuerungsmedien verdeutlicht die Komplexitfit von Steuerung und bringt die ihr innewohnende Problematik zutage. Nachfolgend wird auf die konkreten Steuerungsprobleme eingegangen, die immer auf eine Beschr~inkung der Steuerbarkeit oder der Steuerungsf~higkeit zurfickgefahrt werden k6nnen.
5. Steuerungsproblematik ,,Empirisch finden wir gewil3 mehr Beispiele far Steuerungsverzichte und Steuerungsversagen als far den Erfolg von Steuemngsversuchen. Aber wenn es t~berhaupt Gegenbeispiele gibt, dann haben wir angesichts steigender Gefahren far den Bestand der Menschheit jedes Interesse, die Aufklgrung der Bedingungen ihrer MOglichkeit nicht durch einen pauschalen und theoretisch unbegrandeten Steuerungspessimismus vereiteln zu lassen.''174 In dieser Arbeit wird die steuerungstheoretische Grundsatzfrage nach der Steuemngsfahigkeit und der Steuerbarkeit von sozialen Systemen positiv beantwortet, wobei die Komplexit~t eines Steuerungsprozesses, damit zusammenh~ngende Probleme sowie Transintentionalitgten nicht geleugnet werden. Vielfach geschieht die Auseinandersetzung mit der Komplexit~t des Steuerungshandelns auf Staatsebene und verschiedene Autoren beschreiben, warum der Staat vielfach t~berfordert ist, die Entwicklung der Gesellschaft zu steuern. ~75 Die Ursachen liegen in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, der funktionalen Differenzierung und der hohen Interdependenz der ausdifferenzierten Bereiche. Diese Entwicklungen erfordern die Auseinandersetzung mit der Rolle des Staates. Willke spricht von einer wachsenden Diskrepanz zwischen Steuerungsbedarf und -kapazit~it aufgrund ,,der Paradoxie einer immer perfekteren Rationalisierung und
173 Bachmann,R., Koordinationund Steuerungfiber Vertrauen und Macht, 2000, S. 109 f. 174 Scharpf, F.W., Politische Steuerung und politische Institutionen, 1989, S. 18. 17s Vgl. Wissen, M., Regulationsansatz, 2004, S. 43 ff.; Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 106 ff.; Mt~nch, R., GesellschaftlicheDynamik und politische Steuerung, 1992, S. 81 ff.; Klawitter, J., Staatstheorie als Steuerungstheorie?,1992, S. 193 ff.; Willke, H., Entzauberungdes Staates, 1983. 41
Rationalit/~t der gesellschaftlichen Teile und einer immer weniger t~bersehbaren Irrationalit/~t des Ganzen. ''176 Es gilt Desintegration zu vermeiden, 1/~hmende Interessendivergenzen zu fiberwinden und institutionelle Rigidit/~ten aufzudecken. 177 Benz kategorisiert verschiedene Indikatoren der Steuerungsproblematik in einer Situation der Mehrebenenverflechtung und der funktionalen Differenzierung, wie sie in gr6geren sozialen Systemen immer wieder anzutreffen ist. Die Steuerbarkeit des anvisierten Systems wird dabei vorausgesetzt. ,,Steuerung ist also zu definieren mit Bezug auf gesellschaftliche Probleme, und im Allgemeinen k6nnen diese nur gel6st werden, indem Entscheidungen getroffen und Ver/~ndemngen durchgesetzt werden. Das Ausmag von Ver/~nderungen kann deshalb als grober Indikator far Steuemngsf~ihigkeit gelten. ''178 Ursache von Steuerungsdefiziten sind Prozesse innerhalb und zwischen den zusammenwirkenden Ebenen, die zu Blockaden, suboptimalen Kompromissen oder zu fehlender Bindungswirkung der Entscheidungen f'uhren k6nnen. 179 Abbildung 5 fasst verschiedene Indikatoren der Steuerungsproblematik zusammen und ordnet sie aufgrund der Dimensionen von Ver/~ndemng und Akzeptanz: hoch
Implementationsdefizit
Vergnderung
Steuerungserfolg
suboptimaler Kompromiss instabile Blockade
stabile Blockade
gering gering
Akzeptanz der hoch getroffenen Entscheidung
Abbildung 5: Indikatoren far Steuerungsproblematik und -f~ihigkeit Quelle: In Anlehnung an Benz, A., Politische Steuerung, 2000, S. 100. Diese Diskussion zur Steuerungsf~ihigkeit und Steuerungsproblematik ist gmnds/~tzlich auch auf andere Ebenen r/~umlicher und sozialer Systeme t~bertragbar, wobei die Rolle des Staates prinzipiell mit einer zentralen Steuerung gleichgesetzt werden kann. Gleichgaltig, ob eine handlungs- oder systemtheoretische Perspektive eingenommen wird, werden die Defizite der Steuerung im Wesentlichen auf sechs Problemfelder zurfickgeftihrt: 18~
176 Willke,H., Entzauberungdes Staates, 1983, S. 10. 177 ,,Im Ergebnis vermindemSonderinteresengruppenund Kollusionendie Effizienz und das Gesamteinkommen der Gesellschaften, in denen sie wirken, und sie machen das politische Leben zwietr/ichtiger" (Olson, M., Aufstieg und Niedergangvon Nationen, 1991, S. 61). 178 Benz,A., Politische Steuerung,2000, S. 99. 179 Vgl. Mayntz, R., Politische Steuerung, 1997, S. 285 f. 180 Vgl. G6rlitz, A., Politische Steuerung, 1995, S. 38 ff.; Druwe, U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse, 1992, S. 149 f. 42
-
-
-
-
-
-
Variet~itsproblem, Komplexit~itsproblem, Wissensproblem, Implementationsproblem, Motivationsproblem, Problem nicht-intendierter Folgen.
Das Variet~itsproblem umschreibt die Unf~ihigkeit eines Systems, seine interne Struktur so aufzubauen, dass sie der komplexen, ausdifferenzierten Umwelt mit ihren Verhaltensm6glichkeiten entspricht. ,,Uberwiegen aber die Verhaltensm6glichkeiten der Umweltstrukturen die Steuerungsvariet~iten des politischen Systems, dann k6nnen Steuerungsvorgaben ignoriert, umgangen oder transformiert werden. ''~s~ Das Komplexit~itsproblem beschreibt die zunehmend komplizierter werdenden Wirkungszusammenh~inge infolge der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft sowie infolge des Globalisierungstrends. ~82 Die Beherrschung der Komplexit~it des Steuerungsadressaten verlangt nach entsprechenden Strukturen und Ebenen beim steuernden Akteur, eine Voraussetzung die oftmals zu l]berbfirokratisierung ffihrt. Alle Steuerungsbemfihungen sind durchzogen von Prozessen der Informationsgewinnung und -verarbeitung. Es ist fiberaus schwierig zu bestimmen, welche Daten relevant sind, vor allem da es gilt, sich zus~itzlich mit der Verf'tigbarkeit der Daten und der Kommunikation auseinander zu setzen. Kyrer spricht in diesem Zusammenhang von einem Wissensproblem, welches vor allem durch mangelndes Wissen fiber relevante Zusammenh~inge entsteht. ~83 Ein solches Informationsproblem kann sich zu einem Implementationsproblem entwickeln, wenn Kenntnisse fiber Implementationsstrukturen, Umsetzungstr~iger, Verfahrensnormen, Steuerungsinstrumenten oder fiber Adressaten fehlen. Weiters gilt es das Motivationsproblem zu berticksichtigen. Individualisierung und Fragmentierung ver~indern die moralischen Werte und k6nnen das Interesse und Engagement, sich ffir gesellschaftliche oder kollektive Belange einzusetzen, beeintr~ichtigen. ,,Hier liegt folglich eine Umkehrung oder auch Relativierung des Variet~itsproblems vor, weil es der Steuerungsinstanz nicht gelungen ist, die Verhaltensm6glichkeiten der Adressaten zu eliminieren bzw. zu reduzieren. ''184 Messner nennt in diesem Zusammenhang das Problem der Vermachtung. Die steigende Organisationsf'~ihigkeit gesellschaftlicher Akteure mfindet in die Entstehung yon einflussreichen partikularen Interessengruppen, die das eigene Interesse verfolgen. 185 Auch wenn der Steuerungsprozess im Sinne der intendierten Beeinflussung verlaufen ist, so k6nnen doch stets nicht-intendierte Folgen auftreten. Dies ist ein wesentlicher Punkt in der Steuerungsdebatte, die prim~ir den intentionalen Moment betont. ,,Das Moment des Nicht-Intendierten gilt ... eher als ,Steuerungsversagen', das es durch stets verfeinerte Steuerungstechniken zu minimieren gilt. Inwieweit gesellschaftliche Widersprache gerade durch dieses angebliche ,Versagen'reguliert wird, bleibt unbeachtet. ''~86 Mit dieser so genannten Transintentionalit~it sozialen Handelns wird sich der folgende Abschnitt besch~iftigen.
~81 Druwe,U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse,1992, S. 149. 182 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 121. 183 Vgl. Kyrer, A., Governanceim Bereichyon Wirtschaft, Politik, Kultur und Bildung, 2004, S. 8. is4 Druwe,U. & G6rlitz, A., Mediale Steuerungsanalyse,1992, S. 150. 185 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 121 f. 186 Wissen,M., Regulationsansatz,2004, S. 43. 43
5.1 Transintentionalit~it sozialen Handelns ,,Dass nicht nur manche - einige sagen: die meisten - Ursachen und BeweggrOnde des Handelns dem Handelnden selbst nicht bewusst sind, sondem dass ihm auch zahlreiche Wirkungen dessen, was er tut, entgehen, und dass er mit anderen Wirkungen, die ihm nicht entgehen, nicht so gerechnet hat - diese Einsicht darin, dass das Woher ebenso wie das Wohin des Handelns zwar nicht v611ig im Dunkeln, aber doch im Halbdunkel liegt, ist keineswegs neu. ''187 Das Handeln von Akteuren oder Steuerungssubjekten hat Folgen, die intendiert oder auch nicht intendiert sein k6nnen. Handeln ist dann intentional, wenn es auf eine bestimmte Wirkung zielt. Erfolgreich ist intentionales handelndes Zusammenwirken dann, wenn die Effekte sowohl so wie gewollt als auch so wie vorgesehen ausfallen. 188 Jedoch ist intentionales Handeln in ,,seinen Voraussetzungen, seiner Ausffihrung und seinen Ergebnissen geradezu von extraintentionalen Faktoren ... umstellt. ''189 Nicht-intendierte Ergebnisse sind aufgrund der Komplexitfit menschlicher Beziehungen wahrscheinlich. Daher ist soziales Handeln immer wieder begleitet von Ereignissen oder Wirkungen, die von den Handelnden nicht antizipiert wurden und die mehr oder weniger st6rend wirken k6nnen. ,,Transintentionale Ph~inomene lassen sich auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Sozialen antreffen. Man k6nnte versucht sein zu sagen, dass Transintentionalitfit sowohl vertikal wie horizontal mit Sozialitfit koextensiv sei. ''19~ Abbildung 6 zeigt den Zusammenhang zwischen intentionalem Handeln und transintentionalen Folgen.
Uberzeugungen, Erwartungen, Absichten, Wtinsche etc. (Weil-Motive) Extraintentionale Faktoren
Handlungsintention
l Handlung
Beabsichtigte bzw. erwartete Folgen
f " •
Transintentionale Folgen
T Abbildung 6: Intentionale und transintentionale Folgen sozialen Handelns Quelle: In Anlehnung an Schneider, W.L., Intentionalit/it- Transintentionalit~it- Subintentionalit~it, 2003, S. 468.
187 Greshoff, R. et al., Die Transintentionalit/it des Sozialen, 2003, S. 9. 188 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 186. 189 Schneider, W.L., Intentionalitat - Transintentionalit~it- Subintentionalitfit, 2003, S. 469. 190 Greshoff, R. et al., Die Transintentionalitat des Sozialen, 2003, S. 10. 44
Schimank hat die unterschiedlichen Typen und Formen nicht-intendierter Effekte mit dem Begriff Transintentionalit~t beschrieben. Er unterscheidet zwischen zwei Arten der Transintentionalit~t, je nachdem ob Ausgangspunkt intentionales Handeln ist oder nicht:191 Transintentionalit~t 1: Hier handelt es sich um beil~iufige, nicht bemerkte oder nicht wichtig genommene Resultate des Handelns (,daran habe ich tiberhaupt nicht
-
gedacht') und Transintentionalit~it 2: Diese betriffl intentionales Handeln und umfasst unvorhergesehene, eventuell sogar unerwtinschte Effekte (,so habe ich mir das nicht vorgestellt'). In diesem Sinn ist Unintendiertheit gescheiterte Intentionalit~t, also die ungeplanten Effekte geplanter Handlungen. Absichten schlagen fehl und die Ursachen sind falsche Einsch~tzungen zum Beispiel von komplexen Zusammenh~ingen sowie Randbedingungen oder Nebenwirkungen von Gestaltungsbemt~hungen.
-
Die zweite Art ist ,transintentionaler' als die erste, da die Effekte intentional gewfinscht und verfolgt werden, die Akteure jedoch bei der Zielerreichung scheitern. Daher wird Transintentionalit~t 2 meist negativ bewertet. Transintentionalit~it 1 hingegen kann sowohl positiv als auch negativ interpretiert werden. Akteure k6nnen durch Dynamiken, die sozusagen hinter ihrem Rt~cken ablaufen, sowohl profitieren als auch eingeengt oder limitiert werden. 192 In der Steuerungsdiskussion interessiert vor allem die zweite Art der Transintentionalit~t, die ab einem bestimmten Grad als Steuerungsversagen interpretiert werden kann, als unbeabsichtigte Konsequenz absichtsvollen Handelns. 193
5 . 2 U r s a c h e n von T r a n s i n t e n t i o n a l i t ~ i t W~hrend die Ursachen von Transintentionalit~t 2 immer wieder diskutiert werden, wird Transintentionalit~t 1 kaum auf spezifische Ursachen zu~ckgefi~hrt und als ein nicht weiter erklfirungsbedfirfliger, sozusagen banaler Bestandteil der conditio humana angesehen. Gmnds~tzlich entsteht Transintentionalit~it dadurch, dass die Akteure komplexe Handlungssituationen nicht vollst~ndig ~berschauen und beurteilen k6nnen. Dabei kann zwischen Faktoren, die die Handlungssituation betreffen und Faktoren, die den Akteuren zuzurechnen sind, unterschieden werden. Die wesentlichen Ursachen sind: 194 -
Gr6Be der Akteurkonstellation, Inkompatibilit~t der Intentionen,
-
Einflussdifferenzen,
-
Wechselwirkungen zwischen verschiedenen sozialen Ebenen,
-
Coumot-Effekte,
191 Schimank, U., Institutionalismus und Organisationsforschung, 2003, S. 248 f. ~92 Vgl. Schimank, U., Transintentionale Weiterungen, 2003, S. 449 f. 193 Es muss be~cksichtigt werden, dass alle soziale Systeme eine ,na~rliche' Eigendynamik aufweisen. Elias betont, dass unser Sprechen und Denken in hohem MaBe mit Worten und Begriffen wie ,kausale Notwendigkeit', ,Determinismus', ,wissenschaftliches Gesetz' und anderen durchsetzt ist. Dies sind Begriffe die ursp~nglich Modell standen f't~r die physikalisch-chemischen Naturwissenschaften (vgl. Elias, N., Soziologie, 1996, S. 18). 194 Vgl. Schimank, U., Transintentionale Weiterungen, 2003, S. 445 ff. 45
-
-
-
-
Komplexit~it, Wissens- und Rationalit~itsbeschr~inkungen, Emotionen und eingefahrene Routinen, Anspruchsniveau.
Nachfolgend werden die Ursachen kurz diskutiert. Die Handlungssituation wird zum einen durch die Gr613e der Akteurkonstellation gepr~igt. ~95 Mit zunehmender GrOl3e der Akteurkonstellation wird Transintentionalit~it h~iufiger und st~irker. 196 Dabei spielt der Grad der Inkompatibilit~it der Intentionen der Akteure in einer Konstellation eine bedeutende Rolle. Je inkompatibler die Intentionen sind, desto wahrscheinlicher und st~irker ist Transintentionalit~it 2. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit und St~irke der Inkompatibilit~iten mit der Gr613e der Konstellation zu. Verfolgen die Akteure hingegen identische Gestaltungsabsichten, dann kann das mit einer Situation verglichen werden, in welcher nur ein Akteur handelt. Transintentionalit~it kann in einem solchen Fall nur dann vorkommen, wenn Kontextbedingungen falsch eingesch~itzt wurden. Sind die Intentionen jedoch verschieden, nicht kompatibel u n d e s dominiert auch kein Akteur, dann kommt es zu Transintentionalit~it als wechselseitiges Konterkarieren von Gestaltungsabsichten. Nicht-intendierte Folgen bei inkompatiblen Intentionen und Handlungen k6nnen verringert werden, wenn es gelingt, die Akteure zu koordinieren. Eine weitere Ursache von Transintentionalit~it, die in der Handlungssituation angelegt ist, ist das Ausmal3 der Einflussdifferenzen in einer Akteurkonstellation. Je ausgeglichener die Einflussverteilung desto gr613er die Wahrscheinlichkeit von Transintentionalit~it. Hat ein Akteur hingegen gr613eren Einfluss als die anderen, zum Beispiel aufgrund einer formellen oder faktischen Machtposition, Geld, charismatischen F(ihrungsqualit~iten oder aufgrund eines vorhandenen Wissensmonopols, ist es fiir diesen einfacher, die eigenen Interessen und Intentionen durchzusetzen. Ein solcher Akteur dominiert und eine entsprechende Situation ist mit jener vergleichbar, in welcher identische Gestaltungsabsichten vorliegen. 197 Den Einflussdifferenzen ~ihnlich sind Wechselwirkungen zwischen verschiedenen sozialen Ebenen. Grunds~itzlich k6nnen folgende Ebenen unterschieden werden: Ebene der Gesellschaft, Teilsysteme, Organisations- und Interorganisationsebene, sowie die Ebene der Interaktionen und jene der Individuen. Je mehr Ebenen in einer Handlungssituation vorkommen und interferieren, desto h~iufiger und st~irker kommt es zu nicht-intendierten Folgen. Ein weiterer Ursprung von Transintentionalit~it 2 sind die so genannten ,Cournot-Effekte'. Dabei handelt es sich um koinzidenzielle Verkettungen von Handlungsabl~iufen; Beispiele sind alle glticklichen und ungli~cklichen Zuf~ille. Eine n~ichste Facette ist die Komplexit~it sozialer Systeme. Kneer fasst zusammen, dass ,,soziale Systeme intransparent sind, sie sich
195 Vgl. Akteurkonstellationen, Teil I-2.1.4. 196 Simmel arbeitet in ,Die quantitative Bestimmtheit der Gruppe' den Einfluss der Anzahl der Akteure auf entstehende Strukturen heraus, wobei er von ,Kreisen' spricht. Er betont, dass eine grol3e Anzahl von Akteuren der auf einen Zweck ausgerichteten Leistung eines Kreises widerspricht, da ein grol3er Kreis Arbeitsteilung erfordert. Kleine Kreise hingegen k6nnen geschlossener und zweckgerichteter vorgehen. Grol3e Kreise mtissen den Strukturerhalt durch Recht forcieren, w~ihrend dies bei kleineren Kreisen durch Sitte geschieht. Zus~itzlich scheinen kleinere Kreise mehr Pers6nlichkeit und Individualit~it zu besitzen (vgl. Simmel, G., Formen der Vergesellschaftung, 1908, S. 32 ft.; Kron, Th., Transintentionalit~it, 2003, S. 79 f.). 197 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 182. 46
selbst nicht vollst/indig erfassen bzw. beschreiben k6nnen. Somit verfiigen sie auch ~iber keine M6glichkeit, s/imtliche Folgen intentionaler Vorgriffe zu reflektieren, geschweige denn zu antizipieren. ''198 SchlieBlich kann als weiterer Faktor in der Handlungssituation eine ,Paradoxie der Transintentionalit/~tsbew/iltigung' ausgemacht werden. Die Akteure sind sich off bewusst, dass es zu Transintentionalit/it kommen kann und um nicht-intendierten Folgen vorzubeugen oder diese nachtr/iglich zu korrigieren, werden Mal3nahmen getroffen. Die Magnahmen k6nnen jedoch emeut Transintentionalit~it hervorrufen. Neben den Ursachen yon Transintentionalit~it 2, die in der Handlungssituation liegen, k6nnen weitere Ursachen ausgemacht werden, die den einzelnen Akteuren zuzuordnen sind. Zugmnde liegt folgender Zusammenhang: ,,Je komplexer in den verschiedenen angefiihrten Facetten die Handlungssituation ist, desto selektiver und damit auch wertungsanfiilliger wird sie von den Akteuren aufgrund ihres begrenzten Aufmerksamkeitshorizonts wahrgenommen und interpretiert. ''~99 Wissens- und Rationalit~itsbeschr/~nkungen der Akteure verursachen Transintentionalit/it. Das Rationalit/itsprinzip besagt, dass Individuen aufgrund von NutzenKosten-Kalkt~len bestehende Handlungsm6glichkeiten bewerten und sich dann gem/~13 relativen Vorteilen entscheiden. 2~176 Somit stellt die Rationalit/~t ein Bindeglied zwischen den situativen Bedingungen und den Handlungen der Akteure dar. Beschr/~nkungen entstehen, da die Akteure nicht in der Lage sind, alle denkbaren Altemativen wahrzunehmen und deren Konsequenzen abzusch/~tzen sowie eine vollst/indige und konsistente Bewertung m6glicher Ergebnisse und Effekte vorzunehmen. 2~ Zeitdruck, vielfiiltige, komplexe oder unvollst~indige und nur aufwendig oder gar nicht zu beschaffende Informationen begrenzen die Rationalit/it von Entscheidungen und machen Fehleinsch/~tzungen wahrscheinlich und gravierend. Eine weitere Ursache von Transintentionalit/it auf Seiten der Akteure h/ingt mit den Wissensund Rationalit/itsbeschr/inkungen zusammen und bezieht sich auf deren kognitive und soziale F/~higkeiten und Einsatzbereitschafl in einer bestimmten Situation. 2~ So kann zum Beispiel das Verhandlungsgeschick eines Akteurs zur erfolgreichen Bew/~ltigung einer komplexen Handlungssituation beitragen oder mangelnde Kommunikationsfiihigkeiten zum Scheitem einer Beziehung ~hren. Je weniger ein Akteur solche Techniken beherrscht und entsprechende Kompetenzen besitzt, desto wahrscheinlicher kommt es zu nicht-intendierten Folgen sprich zu Transintentionalit/~t. Emotionen und eingefahrene Routinen stellen einen weiteren Faktor dar. Dies sind Handlungsantriebe und Handlungsmuster, die die vorhandenen kognitiven und sozialen F/~higkeiten eines Akteurs zurfickdr/~ngen und begrenzen. Routinen hingegen f6rdem die Nutzung von in der Vergangenheit bew/~hrten und intemalisierten Regeln oder Prozeduren. So kann es sein, dass sich Prozeduren, zum Beispiel wie aus verschiedenen Altemativen die Richtige gew/~hlt wird, mit der Zeit verfestigen, sodass sich kontr/~re Entscheidungsmaximen schwer durchsetzen k6nnen. Das Problem ist dabei nicht die Anpassung oder die leichte Modifizierung bestehender Handlungsaltemativen, sondem der Umgang mit dem Ungew6hnlichen. Mit anderen Worten: Wissen wird nicht in effizienter und innovativer Weise eingesetzt. Je mehr die Intentionalit/it eines Akteurs von Emotionen oder
198 Kneer, G., Konzeptualisierung,nicht-intendierterFolgen', 2003, S. 324. 199 Schimank,U., TransintentionaleWeiterungen,2003, S. 448. 200 Vgl. Homo Oeconomicus, Teil I-2.1.2. 201 Vgl. Erlei, M. et al., Neue InstitutionenOkonomik,1999, S. 5 ff. 202 Vgl. D6mer, D., Die Logik des MiBlingens, 1992, S. 58 ff. 47
eingefahrenen Routinen beeinflusst und gepr~igt ist, desto wahrscheinlicher sind nichtintendierte Folgen, da die kognitiven und sozialen F~ihigkeiten nicht richtig in Anspruch genommen werden. SchlieBlich ist ein letzter Faktor, von welchem Transintentionalit~it 2 abh~ingt, das Anspruchsniveau eines Akteurs. Nicht-intendierte Folgen von sozialen Handlungen sind auch von der Zielgenauigkeit der Realisierung von Intentionen abh~ingig. Die gestalterischen Absichten von Akteuren werden vielfach deshalb verwirklicht und umgesetzt, da das Erwartungsniveau herunter geschraubt ist und sich die Akteure bereits mit befriedigenden L6sungen einverstanden erkl~iren. 2~ Somit wird eine Situation geschaffen, in welcher Transintentionalit~it im Sinne von Gestaltbarkeit nicht wirklich aufkommen kann. Es gilt, je zielgenauer eine bestimmte Wirkung sozialen Handelns oder von Intentionalit~it definiert w i r d - zum Beispiel als konkrete Steuerungsabsicht-, desto wahrscheinlicher kommt es zu nicht-intendierten Effekten. Je oftener und ungenauer hingegen Ziele festgelegt werden, desto wahrscheinlicher ist deren Erreichung m6glich und transintentionale Folgen k6nnen kaum bestimmt werden. Auch der Zeithorizont spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Je Ringer er gesetzt wird, desto wahrscheinlicher kommt es zu Transintentionalit~it.
5.3 Dimensionen der Transintentionalit~it Oft werden nicht-intendierte Folgen erst langfristig sichtbar, w~ihrend kurz- oder mittelfristig so manche Intentionen und Beeinflussungen gut zu funktionieren scheinen. Der zeitliche Charakter von Transintentionalitat spiegelt sich auch in den Wirkungen von Handlungen wieder. Schimank unterscheidet drei Arten von transintentionalen Wirkungen: TM Erstens k6nnen unmittelbare Ergebnisse des handelnden Zusammenwirkens transintentional sein. Zweitens k6nnen Handlungsketten transintentional ausfallen, was vielleicht kurzfristig nicht bemerkt wird. Drittens kann die Produktion und Reproduktion sozialer Strukturen eine transintentionale Wirkung sein. Diese Unterscheidung ist analytisch, denn jedes Handeln ist in Handlungsketten eingebettet und verursacht Struktureffekte. In der Soziologie wird zwischen verschiedenen ,Tranintentionalit~itsweisen' unterschieden. 2~ Nicht-intendierte Folgen kOnnen erwiJnscht oder unerwiJnscht sind. ErwiJnschte Effekte werden auch als positive Transintentionalit~it bezeichnet. 2~ Zweitens kann Transintentionalit~it danach bewertet werden, ob eine Handlung, die einen nicht-intendierten Effekt hervorgebracht hat, erfolgreich abgewickelt wurde oder als gescheitert zu gelten hat. Selbst
203 Schneider weist auf ein spezielles Ph~nomen hin, dass sich Akteure vielfach mit vorgefertigten L6sungsroutinen auf die Suche nach Problemen begeben. Die vorhandenen L6sungen bestimmen den Problemhorizont. Bei der Suche nach Handlungsm6glichkeiten stoppt der Akteur, wenn er eine gem~iB seinem Anspruchsniveau befriedigende Alternative gefunden hat. Dass die Besch~ftigung mit Alternativen das Anspruchsniveau ver~ndem k0nnte, wird nicht berticksichtigt (vgl. Schneider, U., Kulturbewusstes Informationsmanagement, 1990, S. 197 f.). 204 Vgl. Schimank, U., Transintentionale Weiterungen, 2003, S. 440 f. 205 Vgl. Kron, Th., Transintentionalit~it, 2003, S. 73 ff. in Anlehnung an Baert, P., Unintended Consequences, 1991, S. 201 ff. 206 Vgl. Merton, R., The Unanticipated Consequences, 1936, S. 895 zitiert nach Kron, Th., Transintentionalit~t, 2003, S. 73. 48
wenn der Akteur mit dem Resultat zufrieden ist, steht der transintentionale Effekt auBerhalb der eigentlichen Intentionen. 2~ Die dritte Unterscheidung bezieht sich auf den Reflexionsgrad der Akteure bezt~glich der Folgen einer Handlung. Werden die Folgen vorweg genommen oder wird die Handlung gedankenlos ausgefahrt? Die vierte und letzte Unterscheidung betrifft den Grad des Wollens, mit welchem ein Akteur eine bestimmte Handlung initiiert hat. Geschieht die Handlung willentlich mit konkreten Erwartungen oder passiert sie beil~iufig? Mt~ssen, wollen, sollen oder k6nnen die Akteure die Handlung ausNhren? Abbildung 7 zeigt im Oberblick die verschiedenen Unterscheidungen.
VORHER
I
Akteur willentlich/beil~iufig Bewertung erfolgreich/gescheitert
Erwartung vorwegnehmend/ gedankenlos
I NACHHER Effekt erwOnscht/unerwOnscht Abbildung 7: Dimensionen von Transintentionalit~it Quelle: In Anlehnung an Kron, Th., Transintentionalit~it,2003, S. 76. Die zwei Unterscheidungen erwOnscht/unerwOnscht (Bewertung des Gesamteffekts durch den Akteur) und erfolgreich/gescheitert (Bewertung der eigenen Handlung durch den Akteur) betonen das ,Nachher' der transintentionalen Folgen. Nach der Handlung samt seinen Effekten wird eine Bewertung aufgrund der Pr~iferenzen der Akteure vorgenommen. Die zwei weiteren Unterscheidungen vorwegnehmend/gedankenlos (Reflexionsst~irke des Akteurs bezt~glich der Handlungsfolgen) und willentlich/beil~iufig (Entschiedenheit des Akteurs) hingegen beziehen sich auf das ,Vorher'. Hier werden nicht Pr~iferenzen berOcksichtigt, sondern Wahrscheinlichkeiten gebildet und beurteilt. Die Unterscheidungen dienen dazu, Yransintentionalit~it zu erkennen und zu beobachten. Intentionalit~it wird am besten durch die Kombination erwOnscht/erfolgreich/vorwegnehmend/ willentlich charakterisiert. Entsprechend gilt: je gr6Ber die Abweichung von dieser Kombination, desto grOBer die Abweichung von Intentionalit~it.
5.4 Abbau von Transintentionalit~it Interdependenzen, Unsicherheit in der Kommunikation und die Komplexit~it sozialer Systeme verursachen Transintentionalit~it und es stellt sich die Frage, wie dennoch soziale Ordnung entstehen und unerwOnschte Ergebnisse vermieden werden k6nnen. Es geht nicht darum Transintentionalit~it zu vermeiden, was unm6glich w~ire, sondern unerwt~nschte so genannte negative Transintentionalit~it zu mindern. Braun unterscheidet vier Denkfiguren, die ver-
207 Von Transintentionalit~itkann bei dieser Unterscheidungnur dann gesprochenwerden, wenn die vom Akteur als erfolgreichbewerteteHandlungnicht die intendierteUrsache des transintentionalenEffekts ist. 49
schiedene MOglichkeiten aufzeigen, Transintentionalitgt in den Griff zu bekommen und soziale Ordnung zu gestalten und zu erhalten. Die L6sungsm6glichkeiten - Normierung, Strukturierung, Erwartungsstabilisierung und Gestaltung- sind nicht inkompatibel, vielmehr erg~nzen sie sich. Normen, Kultur und Moral vergleicht Braun mit Oberzeugungsinstrumenten, wghrend Strukturen, Regeln und Institutionen Handlungsoptionen vorgeben. Die Erwartungsstabilisierung hingegen bezieht sich in erster Linie auf die Reduktion von Unsicherheit in Interaktionen. Nachfolgend werden die Denkfiguren vorgestellt. 2~
Normierung Hilfe leistet die gesellschaftliche Normierung sprich die supra-individuellen Ordnungselemente wie die Kulmr 2~ oder die Moral, die fiber Gebote und Verbote auf die Akteure und deren Entscheidungen einwirken. Abweichungen fallen auf und sind far die Akteure mit sozialen Kosten verbunden. ,,Das Resultat ist eine stabile, sich selbst stabilisierende Ordnung, in der die negative Transintentionalit~it durch die Konvergenz des Handelns weitgehend bedeutungslos wird oder zumindest aber die Ordnung kaum mehr st6ren kann. ''21~ In diesem Sinn beeinflussen die moralischen Fundamente einer Gesellschaft das Wollen und Handeln der Akteure. Durch diese Disposition, sich an den allgemeinen Regeln eines Systems zu orientieren, wird Erwartungssicherheit geschaffen und Transintentionalit~it abgebaut. Nach Luhmann k6nnen somit Erfolg und Misserfolg oder zumindest Akzeptanz und Ablehnung strukturiert werden. ,,Es ist far soziale Systeme eine relativ leicht erreichbare Ordnungsgarantie - besonders wenn Normen variiert werden und Mechanismen far die Sanktionierung abweichenden Verhaltens zur Wirkung gebracht werden k6nnen. ''211
Strukturierung Strukturierung ist ebenfalls ein Mechanismus zur Reduzierung von (negativer) Transintentionalit~it. Gesellschaftliche Strukturen bilden und reproduzieren sich, teilweise ohne dass sich die Akteure dessen bewusst sind und beeinflussen dann das gesellschaftliche Zusammenwirken, indem sie die Akteure in bestimmte Handlungsbahnen lenken. Auf diese Weise wird Transintentionalit~it reduziert. Strukturbildung kann Unsicherheit jedoch nicht vollends aufheben: ,,Man wird ... gerade an sicherheitsfanatischen Strukturbildungen wie Bfirokratien und Rechtsordnungen feststellen k6nnen, wie mit der Zunahme der Btirokratisierung und der Verrechtlichung sich auch die Unsicherheit multipliziert. ''212 W~ihrend Kultur und Moral eine Konvergenz der Handlungsabsichten erreichen, geht es bei der Stmkturierung um eine Selektion der Handlungsm6glichkeiten.
208 Vgl. Braun, D., Transintentionalitgt und Ordnung, 2003, S. 351 ff. 209 Wesentliche Bestandteile einer Kultur sind Werte und Normen. Werte liefern dem Einzelnen BeurteilungsmaBst~ibe und Orientierung, um m6gliche Handlungsaltemativen zu bewerten. Sie sind individuell verankert, eher allgemeiner Natur und werden durch eine innere Kontrolle wirksam. Normen hingegen sind soziale, kollektive Handlungsanweisungen und mit ~iuBererKontrolle verbunden, Beispiele sind Tadel oder Lob (vgl. Nagel, C., Zur Kultur der Organisation, 1995, S. 17 ff.). 21o Braun, D., Transintentionalit~itund Ordnung, 2003, S. 353. 2~ Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 313. 212 Luhmann,N., Soziale Systeme, 1996, S. 391. 50
Erwartungsstabilisierung Eine weitere M6glichkeit Transintentionalit~it zu reduzieren ist Unsicherheit in der Interaktion und Kommunikation 2~3 abzubauen und auf diese Weise Erwartungssicherheit zu schaffen. Ego kann sich nie sicher sein, dass eine bestimmte Botschaft bei Alter ankommt. Weiters erwartet Ego eine bestimmte Reaktion, m6glich sind im Prinzip aber auch andere. Die gleiche Unsicherheit hat Alter. In diesem Sinn ist Kommunikation voller Risiken. ,,Solange Ego keine stabilen Erwartungen gegentiber Alter ausbilden kann, solange sind koordinierte Handlungen und Ordnung nicht zu erwarten. Negative Transintentionalit~it ist dann das notwendige Resultat. ''2~4 Erwartungsbildung und Aufbau von Erwarmngssicherheit in der Kommunikation darf nicht gleich gesetzt werden mit determiniertem Verhalten. Vielmehr schafft Erwartungsbildung die Voraussetzung von Interaktion und Kommunikation in geordneten Bahnen. Trotzdem bleiben unterschiedliche Interpretationen, Antworten oder Handlungen m6glich und somit auch Transintentionalit~it im Sinne von Individualit~it und Freiheit.
Gestaltung Die letzte Denkfigur von Braun zur Reduzierung der Transintentionalit~it ist die Gestaltung. Bei der ersten Denkfigur, der Normierung, wird negative Transintentionalit~it reduziert, um Ordnung zu erreichen. Bei den anderen beiden Ans~itzen - der Stmkturierung und der Erwartungsstabilisierung- wird ebenfalls versucht, negative Transintentionalit~it zu reduzieren, wobei jedoch die Funktion der positiven Transintentionalit~it als notwendige Bedingung far Ordnung beschrieben wird. Ordnung entsteht dabei stets emergent und unabh~ingig von den Intentionen der Akteure. Bei der Gestaltung ~indert sich dies. Transintentionalit~it wird vermieden, wenn sich die Akteure rational verhalten, d. h. die aufgrund der bestehenden Institutionen und Regeln ntitzlichsten Strategien w~ihlen. Institutionen und Regeln sollen Anreize schaffen und das Handeln der Akteure lenken. Sie k6nnen sowohl Optionsr~iume er6ffnen als auch Handlungsaltemativen begrenzen. Formelle und informelle Regeln dienen dazu, das Handeln der einzelnen Akteure wechselseitig antizipierbar zu machen. ,,Unter den jeweils gegebenen Regeln erlemen die Individuen Handlungsmuster, deren Anwendung ihnen Vorteile verschafft. Sie sind die Grundlage far eine relativ sichere Erwartungsbildung in Bezug auf das Verhalten von Kooperationsmustem. ''2~5 Wahrend sich informelle Regeln nur im Laufe der Zeit aufgrund evolution~irer Prozesse ver~indem, k6nnen formelle Regeln relativ schnell ge~indert werden, zum Beispiel aufgrund einer Gesetzes~indemng. Damit die ge~inderten Regeln die handlungslenkende und Transintentionalit~it vermindemde Wirkung entfalten k6nnen, mtissen sie zu den bestehenden Handlungsmustem kompatibel sein. Eine Anderung der formellen Regeln kann auch zu einer Entwertung bestehender Handlungsmuster oder zu einer Erosion der informellen Regeln fahren. Abbildung 8 fasst die Beziehungen zwischen (institutionellen) Regeln, Gr6ge des Handlungsraumes wie der Handlungsmuster zusammen.
213 ,,Begreifi man Kommunikation als Synthese dreier Selektionen, als Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen, so ist die Kommunikation dann realisiert, wenn und soweit das Verstehen zustande kommt" (Luhmann, N., Soziale Systeme, 1996, S. 203). 214 Braun, D., Transintentionalit~tund Ordnung, 2003, S. 358. 2~5 Sauerland, D., Politische und wirtschaftliche Bedeutungvon Regionen,2001, S. 486. 51
Regeln formell
,~....................................... informell
Gr613e des Handlungsraumes Entscheidungsunsicherheit
Handlungsmuster Abbildung 8: Beziehung zwischen Regeln, Handlungsraum und Handlungsmuster Quelle: In Anlehnung an Sauerland, D., Politische und wirtschaftliche Bedeutung von Regionen, 2001, S. 487. Zusammenfassend l~sst sich feststellen, dass die Ursachen far Transintentionalit~t vielffiltig sind. Auch wenn mehrere M6glichkeiten des Abbaus nicht-intendierter Folgen sozialen Handelns diskutiert und eingesetzt werden k6nnen, so wird doch deutlich, dass die Steuerung sozialer Systeme komplex ist und nicht auf Handhabung einfacher, einmaliger UrsacheWirkungszusammenh~nge reduziert werden kann. Vielmehr darf bei Steuerungseingriffen die Eigendynamik sozialer Systeme nicht aul3er Acht gelassen und m6gliche nicht-intendierte Folgen m~ssen in Kauf genommen und gehandhabt werden.
6. Yon d e r S t e u e r u n g z u r G o v e r n a n c e Governance umschreibt Ver~nderungen in der Steuerungsdiskussion. ,,Govemance-Konzepte tragen in der Steuerungsdiskussion dazu bei, die steuerungskonzeptionellen Ver~nderungen, die auf ein neues Arrangement von Steuerung und Selbstregulierung hinweisen, zu erschliel3en. ''2~6 Der Begriff wird vor allem verwendet, um soziale Handlungskoordination, das Zusammenspiel von Steuerungsformen und -medien zu erfassen. 217 Dabei wird Governance weniger als eine Weiterentwicklung der Steuerungstheorie betrachtet, sondem als ein Perspektivenwechsel. Dieser Perspektivenwechsel darf nicht mit einem Paradigmenwechsel gleichgesetzt werden: Sowohl die Steuerungstheorie als auch der Govemance-Ansatz besch~ftigen sich mit verschiedenen Aspekten der gleichen Grundthematik - es geht stets um die Regelung kollektiver Sachverhalte. 2~8 ,,An die Stelle von ... markt- und hierarchielastigen Steuerungskonzepten tritt der ,intelligente' Sustainable Govemance-mix (mit entsprechenden
216 Botzem, S., Govemance-Ans~tzein der Steuerungsdiskussion,2002, S. 19. 217 Vgl. Nischwitz et al., Local und Regional Govemance,2001, S. 29; Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus, 1995, S. 60. 218 Vgl. Mayntz, R., Govemance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie?, 2004, S. 8 f.; Botzum S., Govemance-Ans~tzein der Steuerungsdiskussion,2002, S. 26 f. 52
institutionellen und strategischen Reform-Anforderungen bzw.-Vorschl~gen). ''219 Im Vordergrund steht bei Governance nicht das interventionistische Handeln, das den ursprfinglichen Steuerungsbegriff gepr~gt hat, sondern die vorhandene Regelungsstruktur und ihre Wirkung auf das Handeln von Akteuren. ,,Die Governance-Perspektive geht damit nahtlos in eine institutionalistische Denkweise fiber"; es geht um ,,Institutionen, die rationales Handeln tiber situative Anreize lenken. ''22~ Mayntz bezeichnet daher die Steuerungstheorie als akteurzentriert und die Governance-Theorie als institutionalistisch. 221 Unabh~ngig, ob Governance als Sammelbegriff f't~r alle Formen sozialer Handlungskoordination gebraucht wird oder ob Governance in einem begrenzten Sinne als Gegenbegriff ffir hierarchische Steuerung dient, so geht es doch stets um ,,Modi institutionalisierter Regelung von Entscheidungsprozessen fiber gesellschaftliche (,6ffentliche') Sachverhalte. ''222 Der Mehrwert, den die Governance-Theorie ~ r die Steuerungsdiskussion bringen kann, liegt in der ver~nderten Schwerpunktsetzung, in der Einbindung von Institutionen, in der Akzeptanz der Komplexit~t von Steuemngsprozessen und nicht zuletzt in der Berficksichtigung der funktionalen Differenzierung. Weiters weisen die Governance-Konzepte auf eine zunehmende Verflechtung verschiedener Ebenen (gesellschaftliche Teilsysteme) hin. 223 Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass sich die Steuerungsperspektive und die Govemance-Perspektive erg~nzen. Eine pr~zise Erfassung und Beschreibung einzelner Governance-Formen ist die Voraussetzung f'tir ein Verst~ndnis des Handelns der Akteure und ffir das Ergebnis der Interaktionen. Bevor die wesentlichen Governance-Formen (Strukturmuster und Koordinationsverfahren) vorgestellt und diskutiert werden, sollen Institutionen als wesentliches Merkmal von Governance definiert und deren Einfluss auf das Handeln von Akteuren erl~utert werden.
6.1 I n s t i t u t i o n e n ,,Institutionen sind die Spielregeln einer Gesellschaft oder, fOrmlicher ausgedrackt, die von Menschen erdachten Beschr~nkungen menschlicher Interaktion. Dementsprechend gestalten sie die Anreize im zwischenmenschlichen Tausch, sei dieser politischer, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art. ''224 Der Begriff der Institutionen wird in der Literatur nicht einheitlich definiert. Allgemein kann festgehalten werden, dass Institutionen die Handlungen von Akteuren kanalisieren, indem sie Einfluss auf die Anreize nehmen. Erlei et al. fassen den Begriff der Institution sehr weit und definieren wie folgt: ,,Unter einer Institution verstehen wir generell eine Regel oder ein Regelsystem, einen Vertrag oder ein Vertragssystem (jeweils inklusive ihrer Durchsetzungs-
219 ISO, Organisation und Okologie,2004, S. 4. 220 Mayntz, R., GovernanceTheory als fortentwickelte Steuerungstheorie?,2004, S. 5. 221 Schneider,V. & Kenis P. t~bersetzenGovernancemit institutionellerSteuerung: ,,Institutionenbilden aus der dargestellten Perspektive einen kybernetischen Steuerungszusammenhang, der Steuerungsimpulse und Signale erzeugt und t~bermittelt"(Schneider, V. & Kenis, P., InstitutionelleSteuerung, 1996, S. 11). 222 Mayntz, R., GovernanceTheory als fortentwickelte Steuerungstheorie?,2004, S. 6 f. 223 Vgl. Botzem, S., Goverance-Ans~tzein der Steuerungsdiskussion,2002, S. 1. 224 North, D.C., Institutionen, institutionellerWandelund Wirtschaftsleistung, 1992, S. 3. 53
mechanismen), durch den oder die das Verhalten von Individuen kanalisiert wird. ''225 Anders formuliert: Institutionen sind die von Menschen selbst errichteten Begrenzungen und Regeln, die die politischen, 6konomischen und sozialen Interaktionen strukturieren. 226 Zu den Institutionen ziihlen sowohl formelle Regeln wie Gesetze als auch Naturgesetze oder informelle Regeln wie Tabus, Sitten, Traditionen oder Verhaltensregeln. Allgemein gtiltige Institutionen sind von einzelnen Akteuren nur schwer ver~inderbar. Mayntz und Scharpf fassen die Institutionenbegriffe in den Sozialwissenschaften zusammen: ,,Mit dem Institutionenbegriff [werden] tibereinstimmend Regelungsaspekte betont, die sich vor allem auf die Verteilung und Austibung von Macht, die Definition von Zust~indigkeiten, die Verfiigung fiber Ressourcen sowie Autorit~its- und Abh~ingigkeitsverh~iltnisse beziehen. ''227 Auch in diesem Zusammenhang geht es nicht nur um formelle rechtliche Regeln, die vom Rechtssystem sanktioniert werden k6nnen, sondern auch um soziale Normen, ,,die von den Akteuren im allgemeinen beachtet werden und deren Verletzung durch Reputationsverlust, soziale MiBbilligung, Entzug von Kooperation und Belohnung oder sogar durch soziale Achtung sanktioniert wird. ''228 Informelle Institutionen bzw. soziale Normen k6nnen genauso wirksam sein, wie formelle Regeln. Mit der Zeit gehen sie in das Hintergrundwissen der Akteure ein und sind nur noch schwer und langfristig ver~inderbar. Zwischen Handeln und Institutionen besteht ein enges Wechselverh~iltnis. Zum einen ist fast jedes Handeln durch Institutionen gepr~igt, zum anderen werden Institutionen durch Handeln produziert und reproduziert. Daher k6nnen Institutionen als gesellschaftlich etablierte, dementsprechend intersubjektiv geteilte normative, kognitive und evaluative Handlungsorientierungen betrachtet werden. Sie beeinflussen individuelles Verhalten in eine bestimmte Richtung. Gesellschaftliches Zusammenleben bedeutet grundsiitzlich stets Kontakt mit Institutionen. Alle Institutionen sind handlungspriigend, einige besitzen sogar Akteurstatus und sind somit selber handlungsf'~ihig. Beispiele sind dauerhafte Kleingruppen wie Familien oder Organisationen, welche wichtige handlungsf~ihige Institutionen der modernen Gesellschaft darstellen. Organisationen gelten, wenn sie Handlungsf~ihigkeit besitzen, als einflussreicher als Individuen, denn sie stellen eine Btindelung einzelner Einflusspotentiale dar. 229 Menschen handeln somit als Einzelne und im handelnden Zusammenwirken Mehrerer.
225 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 23 f. ,,Mit den Begriffen ,(Neo-)Institutionalismus' und ,Neue Institutionen~konomik' wird eine Vielzahl sehr heterogener Theorieentwicklungenvor allem nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet, die sich wohl nur auf einen sehr generellen gemeinsamen Nenner bringen lassen, n~imlich die Vorstellung, dab es ... auf Institutionen entscheidend ankommt" (Eger, T. & Nutzinger, H.G., Ordnungstheorie, Institutionen6konomik und EvolutorischeOkonomik, 1999, S. 23). 226 Vgl. Budzinski, O., Die Yheorie der Wirtschaftspolitik, 1998, S. 10. 227 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus, 1995, S. 40. 228 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 77. 229 ,,DAB nicht nur handlungspr~igende, sondern handlungsf~ihige Institutionen die individuellen Akteure dominieren, auch wenn diese ursprtinglich SchOpferder Institutionen sind deren Handlungsf~ihigkeiteine von den Individuen ,geliehene' ist und bleibt: Dies ist ein Dauerbrenner moderner Kulturpolitik. Was weder besagt, dab dieser Topos v611igan der Realit~itvorbei geht, noch, dab er v611igder Realitiit entspricht. Die Wahrheit dtirfte auch hier vielschichtiger sein" (Schimank, U., Handeln in Institutionen und handelnde Institutionen, 2004, S. 306). 54
6.2 Institutionendynamik versus I nstitutione ngesta Itu ng Schimank setzt sich mit dem Verh~iltnis yon Intentionalit~it und Transintentionalit~it institutioneller Strukturen auseinander und unterscheidet er drei Arten von Denkfiguren: 23~ -
-
-
Institutionendynamiken als Transintentionalit~it 1,231 also sich ,hinter dem Rticken' der Akteure vollziehende Effekte ihres handelnden Zusammenwirkens; Institutionendynamiken, die auf intentionaler Institutionengestaltung beruhen, jedoch nicht erfolgreich s i n d - sie k6nnen mit Transintentionalit~it 2 232 beschrieben werden; Institutionendynamiken als Resultat des Zusammenwirkens zum einen von Gestaltungsintentionen, Transintentionalit~it 1 und Transintentionalit~it 2. ,,Jeder Versuch, Institutionen bewul3t zu gestalten, wird von zeitgleichen Prozessen spontaner Ordnungsbildung tiberlagert. Jeder Prozel3 spontaner Ordnungsbildung kann zugleich auch von einzelnen Akteuren mehr oder weniger beeinflugt werden. ''233
Diese Denkfiguren machen deutlich, dass zum einen Institutionen Menschen und deren Handlungen pr~igen, aber die Wirkungsrichtung auch anders betrachtet werden kann, n~imlich dass Menschen Institutionen pr~igen. Im Verh~iltnis von Institutionen und Menschen gibt es also umfangreiche Wechselwirkungen. 234 Die Handelnden bemerken oft nicht, dass sie mit ihrem Agieren zur Strukturdynamik von Institutionen beitragen oder vergessen es im Laufe der Zeit, da derartige Institutionen als etwas Objektives wie Gesetzm~il3igkeiten der Natur wahrgenommen werden. Dies kann ftir die Akteure eine positive oder auch negative Erfahrung darstellen. Als positive Situation werden sich die Akteure der Institutionendynamiken als Ergebnis gemeinsamen Handelns kaum bewusst werden. Bei negativen Erfahrungen erleben die Akteure Institutionen als einengend und kontrollierend. Normalerweise erfahren die Akteure die sie umgebenden Institutionen weder als sehr positiv noch als sehr negativ. Das intentionale Gestalten von Institutionen kann erfolgreich sein, aber auch nicht geplante Effekte mit sich bringen oder sogar scheitern. Grunds~itzlich k6nnen zwei Arten des Scheiterns unterschieden werden. Zum einen ist es mOglich, dass die Institution (zum Beispiel ein Gesetz) nicht die erwtinschten Wirkungen erzeugt, da die Handlungsm6glichkeiten oder Handlungsintentionen der Akteure falsch eingesch~itzt oder da Randbedingungen bzw. andere interdependente Faktoren tibersehen oder nicht korrekt interpretiert wurden. Zum anderen kann es vorkommen, dass sich die betroffenen Akteure gegen die neue Institution str~iuben oder das Einflusspotential nicht ausreicht, um die geplanten Regeln zu implementieren. 235 ,,Das bedeutet, dass soziale Transintentionalit~it nicht nur ,in der Hand' derjenigen Instanz
230 Vgl. Schimank, U., Institutionalismus und Organisationsforschung, 2003, S. 248 ff. 231 Beil~iufige,nicht bemerkte oder nicht wichtig genommene Resultate des Handelns; vgl. Teil I-5.1. 232 Unvorhergesehene,eventuell sogar unerwtinschte Effekte intentionales Handeln; vgl. Teil I-5.1. 233 Czada, R. & Schimank, U., Institutionendynamiken und politische Institutionengestaltung, 2000, S. 23. 234 Vgl. Held, M. & Nutzinger, H.G., Institutionen pr~igen Menschen - Menschen pragen Institutionen, 1999, S. 8f. 235 ,,Transintentionalit~it als Nichtbeachtung unvorhergesehener Wirkungen handelnden Zusammenwirkens kommt in der Realit~it zweifellos viel h~iufiger vor als Transintentionalit~it in Form von Fehleinsch~itzungen unvorhergesehener Handlungswirkungen" (Schimank, U., Transintentionale Weiterungen, 2003, S. 443). 55
liegt, die eine Intention sozial umsetzt, sondern ganz wesentlich durch die M6glichkeit (Spielr~iume) der ,Seite' geformt ist .... auf der die Folge hergestellt wird. ''236 Je mehr Akteure mit divergierenden Interessen desto gr6Ber das Konfliktpotential und desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ergebnis erzielt wird, das allen Seiten in etwa gleichermaBen gerecht werden kann. Zus~itzlich mtissen bei der Umsetzung von Gestaltungsintentionen immer die bereits vorhandenen Strukturen und Institutionen berticksichtigt werden, die das Gestaltungspotential unter Umst~inden limitieren k6nnen. Auch der Zeithorizont spielt eine Rolle. ,,Dieser Tatbestand, dass gezielte Institutionenbildung im langen Schatten der Vergangenheit steht und ihrerseits einen langen Schatten in die Zukunft wirft, wird von den ,kurzfristigen' Akteuren oft tibersehen und fiJhrt dann sehr leicht zur Transintentionalit~it 2. ``237 Der temporale Aspekt bezieht sich vor allem auf Verkettungen von Handlungen. 238 Schimank betont, dass die Schaffung einer institutionellen Ordnung von einem doppelten Bestreben der Akteure angetrieben wird. Zum einen soll die geschaffene institutionelle Ordnung Erwartungssicherheit bieten, was eine prim~ire Leistung von Institutionen darstellt. Zum anderen verfolgen die Akteure jedoch auch eigene Ziele und die neuen institutionellen Regelungen sollten den eigenen Zielen m6glichst fOrderlich sein. Entsprechend werden die Vorstellungen tiber eine wtinschenswerte institutionelle Ordnung verschieden ausfallen. Eine solche Konstellation von auf Erwartungssicherheit bedachten und gleichzeitig eigene Ziele verfolgenden Akteuren stellt ein Dilemma kollektiven Handelns dar, das spieltheoretisch als ,Battle of the Sexes' dargestellt werden kann. Das Problem besteht darin, dass sich die Akteure ftir ein bestimmtes Ergebnis entscheiden mtissen, wobei ein Akteur Abstriche bei der eigenen Zielverfolgung machen muss, um den jeweils anderen Vorteile zu gew~ihren. 239 alle anderen Obernahme von Egos Normen
Durchsetzung eigener Normen 3
Konformit~it
Erwartungssicherheit
Anomie 2
Ego 4 Erwartungssicherheit 1 3 Abbildung 9: Schaffung einer institutionellen Ordnung - Battle of the Sexes Quelle: Schimank, U., Handeln in Institutionen und handelnde Institutionen, 2004, S. 297. Zielverfolgung
Anomie
Aus der Abbildung geht hervor, dass sich die Akteure einig sind, welche zwei der vier m6glichen Ergebnisse die optimalen sind. Die Ergebnisse, welche die hOchsten Auszahlungen haben, sind jene bei denen sich die Akteure auf eine geteilte institutionelle Ordnung einigen und Erwartungssicherheit herstellen. Das Einigungsproblem besteht darin, welches der zwei Ergebnisse durchgesetzt wird. Das Dilemma ist, dass einige Akteure mehr als die anderen
236 Greshoff,R., SozialeTransintentionalit~it,2003, S. 381. 237 Schimank,U., Institutionalismusund Organisationsforschung,2003, S. 257. 238 Vgl. Greshoff,R., SozialeTransintentionalit~it,2003, S. 387. 239 Vgl. Schimank, U., Handeln in Institutionenund handelndeInstitutionen,2004, S. 296 f. 56
gewinnen. ,,Allseitige Erwartungssicherheit geht mit einer sozial selektiven Bevorzugung bestimmter Akteure bei ihrer Zielverfolgung einher. ''24~ Geschieht Institutionenschaffung als Transintentionalit~t 1, also quasi hinter dem Rficken der Beteiligten, dann wird das Dilemma des Battle of Sexes durch Blindheit umgangen. Erkennen die Akteure das Battle, so gibt es verschiedene MOglichkeiten dieses zu ~berwinden, auch wenn letztlich die Unzufriedenheit einiger Akteure mit der geschaffenen Ordnung nicht vermieden werden kann. Die dritte Denkfigur vereint in sich die erste und die zweite. Naturwfichsige Institutionendynamiken und intentionale Institutionengestaltung laufen parallel ab und beeinflussen sich gegenseitig. Steuerungsakteure beobachten die natfirliche Institutionendynamik auf der Adressatenebene. Entwickelt diese sich nicht nach den gesetzten Zielen, so k6nnen die Steuerungsakteure die Ziele anpassen oder steuernd eingreifen. ,,Ab einem bestimmten Punkt halten Akteure es ffir notwendig, nachdem sie den neuen sozialen Zustand erkannt haben, ihn gestaltend in ,geordnete Bahnen' zu lenken, z.B. durch rechtliche Regelungen oder dergleichen. ''24~ Im letzten Fall k6nnen die Akteure der Steuerungsebene die Strukturen der Adressaten verfindern. Durch eine solche Ver~nderung kann sich das Handeln den Zielvorstellungen ann~hern, ansonsten sind weitere Steuerungsmagnahmen erforderlich. Je nach Situation befindet sich ein bestimmter Akteur auf der Steuerungs- oder auf der Adressatenebene. Institutionen k6nnen also mit aber auch ohne Gestaltungsabsichten entstehen (als Transintentionalit~t) - entsprechend handelt es sich um Institutionengestaltung oder um Institutionendynamiken. Eigendynamiken k6nnen erkannt und gesteuert werden. Czada und Schimank stellen die Wechselwirkung zwischen gestalteter und eigendynamischer Institutionenentwicklung schematisch in einer Sechsertafel dar, die Abbildung 10 zeigt. Institutionelle Gestaltungsintention keine Institutionelle Dynamik mittel
stark
vorhanden 1.1 Ver~nderung als Frage der Machtverteilung 2.1 Ver~inderung ist eine Frage des Steuerungswissens 3.1 Politische Revolutionen; Umbruch durch unkalkulierbare Machtdynamik
fehlend 1.2 Institutionelles Gleichgewicht 2.2 Schleichender, lautloser Wandel hinter dem Rficken der Akteure 3.2 Aufschaukelungseffekte; Dynamik des Marktes
Abbildung 10: Gestaltungsintentionen und institutionelle Dynamik Quelle: In Anlehnung an Czada, R. & Schimank, U., Institutionendynamiken und politische Institutionengestaltung, 2000, S. 30. Die Zellen 2.1 und 2.2, sind im Gegensatz zu den fibrigen weder durch ein institutionelles Gleichgewicht, welches Entwicklungen verhindern k6nnte, noch durch starke Dynamiken gekennzeichnet. ,,Es gibt keine unmittelbare positive Rfickkoppelung, die so stark w~re, dab sie t~berschiegende Aufschaukelungsprozesse in Gang setzen k6nnte. Dies ist der Bereich
240 Schimank,U., Handeln in Institutionenund handelnde Institutionen,2004, S. 297. 241 Greshoff, R., Soziale Transintentionalit~t,2003, S. 387 f. 57
mittlerer Dynamik und loser Koppelung. ''242 In diesem Bereich scheinen auch die meisten erst spat erkannten institutionellen Fehlentwicklungen und Ineffizienzen aufzutreten. Gleichzeitig k6nnen gerade in solchen Situationen der mittleren Eigendynamik, Gestaltungsabsichten eher durchgef't~hrt werden als in den Bereichen mit einer starken institutionellen Dynamik. 243 Normalerweise bleiben natfirlich ablaufende Institutionendynamiken nie lange aufrecht, ohne dass es zu Gestaltungsintentionen verschiedener Akteure k~me. Eine ablaufende Institutionendynamik kann entweder Gestaltungsbestrebungen von auf3en provozieren oder die Gestaltungsintentionen entstehen aus den Dynamiken selbst. Bei Gestaltungsbestrebungen von aul3en hat ein Akteur Interesse daran, die Dynamik zu modifizieren, zum Beispiel den Ablauf zu beschleunigen oder zu bremsen. Der Akteur muss t~ber das entsprechende Einflusspotential verffigen, damit er seine Intentionen durchsetzen kann. Wenn hingegen die Beteiligten Chancen zu Verbesserung des eigenen Nutzens wittern, dann entstehen Gestaltungsintentionen direkt aus der Institutionendynamik heraus. Ohne Gestaltungshandeln bleibt eine Situation nur dann, wenn in einer Akteurkonstellation eine ann~hernde Gleichverteilung von Einfluss herrscht und sich somit niemand der Beteiligten fiber die anderen hinwegsetzen kann. Dies ist jedoch eher unwahrscheinlich. Akteure sind daran interessiert, die eigene Einflussst~rke zu erhalten oder auszubauen. Somit entstehen zwangsl~ufig Bemfihungen zur Institutionengestaltung. Ob diese erfolgreich sind, l~sst sich nicht von vorne herein bestimmen. Normalerweise schliel3en sich Akteure mit geringer Einflussst~rke zusammen und verhindern so eine Monopolstellung eines anderen Akteurs: ,,Die Einflul3schw~cheren haben allen Anlaf3 dazu, gerade weil sich ft~r sie die Dinge aufgrund der Institutionengestaltung durch die Einflu6st~rkeren- entsprechend deren Nutzenvorstellungen- immer ungfinstiger entwickeln. ''244 Reagieren also die Einflussschw~cheren auf die Gestaltungsbemfihungen der Einflussst~rkeren, so stehen sich deren Gestaltungen gegent~ber. Aus einer Situation wechselseitiger Beobachtung entsteht eine Konstellation wechselseitiger Beeinflussung. Auf diese Weise werden gegenseitige Blockaden m6glich und die Situation kann sich zu einer Konstellation wechselseitigen Verhandelns entwickeln, die ebenfalls ftir transintentionale Dynamiken anffillig ist. Diese Aus~hrungen zeigen, dass eine Situation reiner Institutionendynamik, ohne dass es zu Gestaltungsbemt~hungen kommt, langfristig kaum m6glich ist. Vielmehr braucht es eine meist von au6en gelieferte und einen Rahmen setzende Institutionengestaltung. So ben6tigt zum Beispiel der Markt den Staat als Wettbewerbshfiter, der Kartellbildung oder sonstige wettbewerbsverzerrende Aktivit~ten unterbindet. Czada und Schimank weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in einigen Situationen eine reine Institutionendynamik angenommen wird, um Verantwortung aus dem Weg zu gehen. Zum einen gibt es Akteure, die eigentlich gestalten k6nnten, dies jedoch nicht tun und ihr Unterlassen als NichtSteuerbarkeit der Situation definieren. Zum anderen gibt es in vielen Gebieten eine Verdinglichung von Institutionen, d.h. sie gelten dann als einzig rationale L6sungen. 245
242 Czada, R. & Schimank, U., Institutionendynamikenund politische Institutionengestaltung,2000, S. 30. 243 Auch Bereiche und Situationen, die durch eine starke institutionelle Eigendynamik gekennzeichnet sind, k6nnen gestaltet werden zum Beispiel durch eine Monopolstellung.Gleichzeitig wird auf diese Weise die Eigendynamikreduziert und die Situationenentsprechendann den Zellen 1.1 oder 1.2 der Abbildung. 244 Czada, R. & Schimank, U., Institutionendynamikenund politische Institutionengestaltung,2000, S. 36. 245 Vgl. Czada, R. & Schimank,U., Institutionendynamikenund politische Institutionengestaltung,2000, S. 38. 58
7. G o v e r n a n c e - F o r m e n Bei der Diskussion verschiedener Governance-Formen soll vorerst eine analytische Trennung zwischen Koordinationsverfahren und Strukturmuster, die in der Steuerungsdiskussion auch als Steuerungsstrukturen diskutiert werden, aufrecht bleiben. 246 ,,Die Annahme dabei ist, dab die Interaktionsformen ihren Charakter ver~ndern, wenn sie unter unterschiedlichen institutionellen Bedingungen eingesetzt werden. Verhandlungen ,ira Schatten der Hierarchie' haben eine andere Probleml6sungsf'fihigkeit als Verhandlungen im Rahmen des Marktes. ''247 Zuerst werden die grundsfitzlichen Koordinationsverfahren vorgestellt, die dann in die Diskussion der Strukturmuster einflieBen.
7.1 K o o r d i n a t i o n s v e r f a h r e n Nachfolgend werden Koordinationsverfahren vorgestellt, die als die Grundformen der sozialen Handlungskoordination und somit der Governance betrachtet werden k6nnen: die einseitige und wechselseitige Anpassung, die Verhandlung, die Abstimmung und die hierarchische Entscheidung. 248
7.1.1 Einseitiges Handeln und wechselseitige Anpassung Einseitiges Handeln, also Handeln im Alleingang, und wechselseitige Anpassung sind normalerweise immer m6glich, auch unter den Bedingungen von Anarchie oder minimalen Institutionen, d. h. in nicht oder kaum geregelten Situationen. Ein besonderer Fall ist dann gegeben, wenn Akteure trotz Vereinbarungen auf einseitiges Handeln zurfickgreifen und zum Beispiel ein Abkommen verletzen. In diesem Zusammenhang kann das Konzept des ,NashGleichgewichts' aus der (nicht-kooperativen) Spieltheorie herangezogen werden, um die Stabilit~t oder Verwundbarkeit erreichter L6sungen zu bestimmen, unabh~,ngig davon wie die L6sung zustande gekommen ist. 249 ,,Das Konzept des ,Nash-Gleichgewichts' (Nash 1951) ... bezeichnet eine Konstellation individueller Strategien, in der es keinem Spieler mehr m6glich ist, sein Ergebnis durch den einseitigen Wechsel zu einer anderen Option zu verbessern. ''25~ Nach Offenlegung der Entscheidung und nach der entsprechenden Handlung von Alter, will Ego sein Verhalten nicht mehr ~ndern. Ein solches Gleichgewicht muss nicht effizient oder gerecht sein. Sind L6sungen instabil, d. h. ein oder mehrere Akteure k6nnten durch nichtkooperatives Verhalten ihre Situation verbessern, dann bleibt die Versuchung for die Beteiligten groB, vonder vereinbarten L6sung abzurficken. Eine stabile LOsung kann auch durch den Verlust eines wertvollen ,Pfands' bei der Verletzung einer Vereinbarung erreicht werden.
246 Vgl. SchneiderV. & Kenis, P., InstitutionelleSteuerung, 1996, S. 18 f. 247 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 167. 248 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 167 ff.; Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 61. 249 Vgl. Varian, H.R., Mikro/Jkonomik, 1995, S. 456 ff. 25o Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 172. 59
Bei der wechselseitigen Anpassung wird davon ausgegangen, dass die Akteure auch bei geringen Informationen ihre Strategien solange anpassen, bis ein Nash-Gleichgewicht erreicht wird. Somit k6nnen mit dem Modell der wechselseitigen Anpassung stabile Ergebnisse der Interaktion von Akteuren erkl/~rt werden, auch wenn es keine expliziten Vereinbarungen oder hierarchische Entscheidungen gibt. Es gibt natfirlich effizientere Verfahren der Koordination wie bindende Vereinbarungen oder kollektiv verbindliche Entscheidungen, doch diese kOnnen im Gegensatz zur wechselseitigen Anpassung Innovationen unterbinden und flexible Reaktionen auf Umweltver/~nderungen verhindem. Zus/~tzlich verlieren die Akteure nicht die Freiheit einseitigen Handelns und sie k6nnen, sobald sie individuell attraktivere L6sungen entdecken, emeut agieren. Ein weiterer Vorteil der wechselseitigen Anpassung liegt darin, dass Benachteiligungen anderer Akteure nicht umst/~ndlich gerechtfertigt werden mt~ssen. Vielmehr kann derjenige, der zuerst handelt, die far ihn optimale Strategie w/~hlen und der darauf agierende Akteur muss die bestm6gliche Antwort auf diese Situation finden. Der Nachteil dieses Koordinationsverfahrens ist wie bereits durch die Aufzghlung leistungsfghigerer Koordinationsverfahren angedeutet, dass wechselseitige Anpassung viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Vielfach braucht es viele Anpassungen, bis ein Gleichgewichtsergebnis erreicht wird. Zudem kann es bei Verteilungskonflikten oder in Gefangenendilemma-Situationen TM vorkommen, dass es zu einer far alle Beteiligten sch/~dlichen L6sung kommt, denn es gibt keinen Mechanismus, der die Akteure davon abhalten k6nnte, sich wechselseitig mehr Schaden als Nutzen zuzufagen. 252 Daher braucht es zur Vermeidung der ,Trag6die der Allmende '253 Formen der Interaktion mit h6herer Koordinationsf~ihigkeit. Einseitiges Handeln wandelt sich zu negativer Koordination, wenn minimale institutionelle Schutzmechanismen gegeben sind. Negative Koordination beschreibt die ,,einseitige Rficksichtnahme auf faktisch oder rechtlich gescht~tzte Interessenpositionen anderer
251 Ein Problem mit dem Nash-Gleichgewicht besteht darin, dass es nicht notwendigerweise zu Paretoeffizienten Ergebnissen ~hrt. Ein bekanntes Beispiel ist das Gefangenendilemma, das besagt, dass der individuell optimale Zustand derjenige ist, in dem der jeweils andere sich an die Regeln h/~lt, w/~hrend man selbst regellos - und damit auf Kosten anderer - handelt. Eine solche Situation ist nicht stabil, denn keiner wird sich eine permanente Ausbeutung gefallen lassen (vgl. Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 274). Die ursprtingliche Diskussion des Spiels betrifft eine Situation, in der zwei Gefangene, die gemeinsam ein Verbrechen begangen hatten, in getrennten Rgumen verh6rt werden. Jeder Gefangene hat die M6glichkeit, das Verbrechen zuzugeben und damit den anderen zu belasten, oder seine Yeilnahme am Verbrechen zu leugnen. Wenn nur ein Gefangener gesteht, wt~rde er entlassen werden, die BehOrden wtirden den anderen anklagen und eine Gefangnisstrafe von 6 Monaten fordem. Wenn beide Gefangenen leugnen, dann wfirden beide wegen Kleinigkeiten far 1 Monat festgehalten; wenn hingegen beide gestehen, dann mt~ssten beide mr 3 Monate ins Gefgngnis. Das Problem ist, dass die Gefangenen keine M6glichkeit haben, ihre Handlungen zu koordinieren. Daraus folgt, wenn das Spiel nur einmal durchgeflihrt wird, scheint die Strategie des Gestehens vemfinftig zu sein, da man das Verhalten des Partners nicht beeinflussen kann. Dies ist das NashGleichgewicht: Was immer Spieler B macht, Spieler A ist durch ein Gest/~ndnis besser gestellt. Paretoeffizient hingegen w/~re, wenn beide Akteure die Tat leugnen wt~rden (vgl. Varian, H.R., Mikro6konomik, 1995, S. 459 f.). 252 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 192. 253 Ursprfinglich wurde das Problem mit dem Beispiel des gemeinsamen Weidelandes diskutiert, es gibt jedoch viele andere m6gliche Illustrationen. Trag6die der Allmende: Wenn das Weideland in privatem Besitz ist, wird die Zahl der Ktihe so gewahlt, dass der Gewinn maximiert wfirde (das Grenzprodukt entspricht den Kosten). Wenn das Weideland jedoch Allgemeingut ist, werden so viele Ktihe geweidet, bis die Gewinne auf Null gedrfickt werden; das Weideland wird t~berm/~13iggenutzt (vgl. Varian, H.R., MikroOkonomik, 1995, S. 546 ff.). 60
Akteure. ''254 Gleich ob es sich um einseitiges Handeln oder um eine Art von Verhandlung handelt, die Akteure mt~ssen bei der Wahl ihrer Handlungsstrategien auf die geschfitzten Interessen anderer Beteiligter achten. Die gescht~tzten Interessen k6nnen mit Vetopositionen verglichen werden. Je gr613er die Anzahl der Vetopositionen, desto kleiner der Handlungsspielraum. Negative Koordination kann daher im Extremfall, wenn viele Akteure ihr Vetorecht geltend machen, eine Situation blockieren, da Versuche vom Status quo abzuweichen, durch die Vetos verhindert werden. 255
7.1.2 Verhandlung
256
Das ,Coase-Theorem' (Coase 1960) besagt, dass Verhandlungen zwischen rationalen und vollstgndig informierten Akteuren zu freiwilligen Vereinbarungen fahren, unabhgngig vonder Verteilung der Eigentumsrechte. 257 Zugrunde liegt die Maximierung des Gesamtnutzens, wobei jedoch nicht eine ungleiche Verteilung des Eigentums korrigiert wird. Beeintrgchtigt wird das Theorem durch die Vemachlgssigung der Transaktionskosten, die laut Ronald Coase jedoch berficksichtigt werden mt~ssen. Je gr613er die Anzahl der Akteure, die an einer Verhandlung beteiligt sind, desto gr6ger die Transaktionskosten, sodass eine Verhandlungs16sung nur bei einer begrenzten Anzahl von Partnem zustande kommt. In der Praxis werden sich daher vielfach nicht alle Betroffenen an entsprechenden Verhandlungen beteiligen k6nnen. ,,Wenn das der Fall ist, dann k6nnen die Verhandlungsteilnehmer ihre eigene Wohlfahrt auf Kosten der gr613eren Gruppe der Betroffenen und auf Kosten der Gesamtwohlfahrt maximieren. ''258 Um Ergebnisse gemgl3 dem Coase-Theorem zu erzielen, mt~ssen sich die Verhandlungsteilnehmer mit verschiedenen Problemen beschgftigen, die hohe Transaktionskosten verursachen. Beispiele sind Probleme, eine Vereinbarung zu treffen oder Schwierigkeiten, die getroffene Vereinbarung zu implementieren, wobei die Antizipation von Umsetzungsproblemen eine Vereinbarung weiter erschwert. Bei manchen Vereinbarungen h~ingt die Umsetzung mit den Beitrggen der Partner zusammen (Austausch), in anderen Situationen hingegen k6nnen die Vorteile der Vereinbarung erst nach dem Eingang der Beitr~ige aktiviert werden (gemeinschaftliche Produktion). Gleich von welchen Voraussetzungen die vereinbarungsgemgl3e Implementierung abh~ingt, jede Partei muss far sich entscheiden, ob sie ihren Verpflichtungen nachkommt. Bei der gemeinschaftlichen Produktion ist die Umsetzung der Vereinbarung von sich aus sichergestellt. Bevor es jedoch darum geht eine vereinbamngsgem~il3e Implementierung zu erzielen, mt~ssen sich die Akteure in Verhandlungen mit dem Problem der Einigung auseinandersetzen. Verhandlungen, die eine Einigung als Resultat haben, mt~ssen die Akteure im Vergleich zu
254 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus, 1995, S. 61. 255 Im Gegensatz dazu steht die positive Koordination, die man als Versuch beschreiben kann, die Effektivitgt und die Effizienz einer Strategie durch die Nutzung gemeinsamerHandlungsoptionenmehrerer Abteilungen und Bereiche zu steigem (vgl. Arten von Verhandlungsprozessen, Teil I-7.1.2; weiters Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen, 1996, S. 512 ff.). 256 Vgl. Akteurkonstellationen,Teil I-2.1.4. 257 Vgl. Varian, H.R., Mikro6konomik, 1995, S. 536. 258 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 198. 61
einer Nicht-Einigung, d. h. einem Ergebnis bei welchem ein Akteur durch einseitiges Handeln mindestens gleich viel erreichen k6nnte, besser stellen. Wenn alle Akteure eine Einigung anstreben, so kann diese nattirlich sehr viele Facetten haben und die Beteiligten mtissen sich einigen, wo bzw. bei welchem Ergebnis sie sich treffen. Bei vollst~indigen und symmetrischen Informationen wtirde sich als Ergebnis von Verhandlungen meist eine Reproduktion der Ausgangsposition, d. h. der vorhandenen Verteilung von Vor- und Nachteilen, einstellen. In einer solchen Situation sind Verhandlungen nicht als Instrument zur Umverteilung von Ressourcen geeignet. Da die Akteure jedoch nicht vollst~indig tiber die Absichten, Ziele und Wahrnehmungen der anderen informiert sind, k6nnen sich T~iuschungsversuche und andere Formen des Opportunismus lohnen. Ergebnisse von Verhandlungen werden also beeinflusst von unvollst~indigen oder asymmetrischen Informationen, T~iuschung, Verstellung oder anderen opportunistischen Manipulationen. Die Konsequenzen werden im Verhandlungsdilemma beschrieben. 259 Dabei handelt es sich um eine Situation, in welcher die Beteiligten durch Konzessionen und Aufgeschlossenheit VerhandlungslOsungen erreichen kOnnten, sie jedoch gleichzeitig wissen, dass Zugest~indnisse von den Verhandlungspartnem ausgebeutet werden k6nnen. Solche Beftirchtungen und das entsprechende Verhalten k6nnen Verhandlungen blockieren oder sogar zum Scheitern bringen. 26~ In Verhandlungen mtissen sich die Beteiligten sowohl mit der Produktion als auch mit der Verteilung des Verhandlungsergebnisses auseinandersetzen und befinden sich somit in einer Art Gefangenendilemma. Die Produktionsdimension sollte m6glichst durch eine kooperative Haltung gekennzeichnet sein, w~ihrend bei der Verteilungsdimension das Konkurrenzdenken im Vordergrund steht. Nicht in allen Verhandlungen spielen die Produktions- und die Verteilungsdimension die gleiche (grof3e) Rolle. Was die Verteilungsdimension betrifft, so werden an freiwilligen Verhandlungen nur solche Akteure beteiligt, die einen Beitrag leisten bzw. die Ressourcen, F~ihigkeiten oder sonstige Vorteile anbieten kOnnen. ,,Akteure mtissen verhandlungswillig sein, weil sie sich etwas davon versprechen. ''26~ Je nach Bedeutung der beiden Dimensionen k6nnen vier Arten von Verhandlungsprozessen unterschieden werden: Bedeutung der Verteilungsdimension gering
hoch
Spot-Vertr~ige
Distribuitives Bargaining
Probleml6sen
Positive Koordination
gering Bedeutung der Produktionsdimension
hoch
Abbildung 11: Arten von Verhandlungsprozessen Quelle: Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 212.
259 Vgl. Lax, D.A. & Sebenius, J.K., Bargaining for Cooperation and Competitive Gain, 1986 zitiert nach Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 211 ff. 260 Vgl. Benz, A., RegionalGovernance,2003, S. 507. 261 Schimank,U., Handelnund Strukturen, 2000, S. 286. 62
Spot Vertr~ge Spot Vertrgge sind in der Transaktionskostentheorie solche Transaktionen, bei denen weder die Nutzenproduktion noch die Verteilung eine wichtige Rolle spielen. Das ist dann der Fall, wenn das Objekt des Austausches definiert ist und Fragen zur Verteilung zum Beispiel t~ber Bezugnahme auf Marktpreise geregelt sind. In einer solchen Situation geht es nicht um weitere Verhandlungen, sondern um Annahme oder Ablehnung des Austausches. Die Transaktionskosten sind niedrig, solange die Zahl der zu konsultierenden Akteure gering bleibt. Spot Vertrgge umschreiben somit standardisierte 6konomische Austauschprozesse.
Distributives Bargaining Der m6gliche Gesamtnutzen eines Projektes wird nicht zur G~nze verwirklicht, wenn bei Verhandlungen nur jene Handlungsm6glichkeiten in Betracht gezogen werden, die far alle Teilnehmer attraktiv sind. Solche Wohlfahrtsverluste kOnnen vermieden werden und der Handlungsraum wird vergr6f3ert, wenn die profitierenden Akteure den Benachteiligten entsprechende Ausgleiche anbieten. Distributives Bargaining bezeichnet in diesem Zusammenhang, dass das Projekt selber nicht in Frage gestellt wird, sondern die Diskussion dreht sich (lediglich) um die Verteilung von Kosten und Nutzen. K6nnen die Betroffenen bei den Verhandlungen ein Veto einlegen, so wird der Ausgleich die Verluste kompensieren. Der Ausgleich wird jedoch nicht h6her sein als der Nettonutzen, den die Akteure zu erwarten haben. Somit kann ,,distributives Bargaining nur erfolgreich sein, wenn (monetgre) Ausgleichszahlungen m6glich und far den Vetospieler auch akzeptabel sind. ''262 K6nnen Betroffene keine Vetoposition einnehmen, dann k6nnte das Projekt ohne irgendwelche Ausgleichszahlungen an Benachteiligte durchgefahrt werden, wobei der Gesamtnutzen im Vergleich zum Status quo hOher oder niedriger sein kann. Nicht immer sind Ausgleichszahlungen, in welcher Form auch immer, mOglich, da sie zum Beispiel nicht machbar oder akzeptabel sind. Ist es in solchen Fgllen nicht m6glich, ein far alle Beteiligten zufrieden stellendes Ergebnis zu realisieren, dann k6nnen mit Hilfe von Koppelgeschgften bzw. so genannten Paketl6sungen akzeptable LOsungen erreicht werden. Koppelgeschgfte werden durch die Kombination zweier Projekte erreicht, die jeweils far sich alleine keine Zustimmung von den benachteiligten Akteuren erhalten wfirden. Um zu verhindern, dass aufgrund von Spezialisierungen und Eigeninteresse die Parteien nicht an solchen Paketl6sungen interessiert sind, ist es sinnvoll die Verhandlungen auf h6chster Ebene dort zu fahren, wo das Interesse an und die 121berschaubarkeit der Verknfipfung verschiedener Bereiche vorhanden sind. 263 Zusammenfassend ist festzustellen, dass distributives Bargaining nicht immer erfolgreich ist, jedoch kann dadurch ein Gesamtnutzen realisiert werden, der in reinen Vetokonstellationen nicht zu erwarten ist.
262 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 217. 263 Bezugnehmend auf die funktionelle Differenzierung der Gesellschaft betont Willke: ,,Im Fall moderner Gesellschaften, deren Funktionssystemehohe Autonomie und Eigendynamik ausgebildet haben, tritt neben die Notwendigkeit vertikaler (foderaler) Koordination zunehmend ein Bedarf an horizontaler Koordination zwischen prinzipiell gleichrangigen und gleichgeordneten Systemen" (Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 119). 63
Probleml6sen Das distributive Bargaining bezieht sich in erster Linie auf die Verteilung von Nutzen und Kosten, w~ihrend das Probleml6sen durch die Konzentration auf die Nutzenproduktion sprich auf die Realisierung besserer Projekte und L6sungen definiert ist. Gemeinsames Handeln ist dabei eine wesentliche St~irke, da auf diese Weise die einzelnen Handlungsspielr~iume zusammengelegt und somit die Chancen, eine L6sung zu finden, die fiber dem Status quo liegt, vergr613ert werden. 264 Um den neuen Handlungsraum auch effektiv nutzen zu k6nnen, mfissen die Beteiligten bereit sein, often miteinander zu kommunizieren und sich gegenseitig fiber die jeweiligen Optionen zu informieren. Wenn sich die Akteure mit Hilfe von wahrheitsorientierter Argumentation fiber die bestmOgliche L6sung und deren Erreichung verst~indigen, dann ist der Verhandlungstyp Probleml6sen am ehesten erfolgreich. 265 ,,Wann immer die Bereitschaft zur Zusammenarbeit im Rahmen der gemeinsamen Sache nach guten L6sungen wichtiger ist als einseitige Anstrengungen, ist die Schaffung von institutionellen Arrangements und Anreizsystemen m6glich, welche die Entscheidungen fiber die zu realisierenden Ergebnisse vom individuellen- und sogar vom organisatorischen- Eigeninteresse abkoppeln. Wenn das der Fall ist, dann k6nnen Verhandlungen tats~ichlich im Modus des Probleml6sens stattfinden. ''266
Positive Koordination Im Normalfall mfissen sich die Beteiligten einer Verhandlung sowohl mit Problemen der Produktion als auch der Verteilung auseinander setzen - diese Situation wird als positive Koordination bezeichnet und ist durch gleichzeitiges ProblemlOsen und distributives Bargaining gekennzeichnet. Dieser Interaktionsmodus gilt als eine der schwierigsten Verhandlungssituationen, 267 denn die Gegens~itzlichkeit der parallel zu 16senden Aufgaben Erarbeitung einer gemeinsamen Probleml6sung und Beilegung des Verteilungskonfliktesstellt eine besondere Herausforderung dar. Die Voraussetzung mr den Erfolg positiver Koordination ist die Bereitschaft der Beteiligten, sich mit den Problemen der Produktion und Verteilung zu besch~iftigen. Je st~irker die Verteilungsaufgabe die Verhandlungssituation pr~igt, desto durchschlagender machen sich Streben nach Eigennutzen und Vetopositionen bemerkbar und desto unwahrscheinlicher wird die Einigung auf eine wohlfahrts6konomisch optimale L6sung. Aus diesem Grund k6nnen in Situationen der positiven Koordination nur unter Schwierigkeiten wohlfahrtseffiziente Ergebnisse erreicht werden. Voraussetzung ist, dass die Suche nach einer fairen L6sung im Vordergrund steht, eine Bedingung, die bei unvollst~indigen und asymmetrischen Informationen nicht leicht aufrecht zu erhalten ist, da die Akteure immer wieder versuchen werden, die eigenen Vorteile zu maximieren. Unter solchen Bedingungen fallen die Transaktionskosten eines Konsenses meist sehr hoch aus.
264 ,,Generell kann also eine Gruppe mit N Mitgliedem, die tiber S politische Optionen ver~gen, unter der Bedingung einseitigen Handelns lediglich (S-1)N Ergebnisse erzielen, die sich vom Status quo unterscheiden, w~ihrenddieselbe Anzahl von Akteuren S hoch N -1 neue Ergebnisse erreichen kann, wenn sie ihre Optionen zusammenlegen"(Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 222). 265 Eine solche Haltung, in der grunds~itzlich durch Argumentieren tiberzeugt werden soll, ist schwierig aufrecht zu halten. Eigeninteressen, T~iuschungsman6verusw. gewinnen oftmals schnell wieder die Oberhand. 266 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 224 f. 267 Vgl. Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung, 2003, S. 489. 64
Institutionelle Regelungen k6nnen dazu beitragen, die Schwierigkeiten in Verhandlungssituationen zu tiberwinden. Sie ver~indern die Situation so, dass Verhandlungen nicht nur vom guten Willen und vom Problemdruck abh~ingig sind, sondern auch von Strukturen, Regeln, Yraditionen, Normen und Werten. Einig spricht in diesem Zusammenhang von der Formalisierung und Institutionalisierung von Entscheidungsarenen. 268 Verhandlungen flankierende Kompensationsl6sungen erh6hen die Wahrscheinlichkeit wohlfahrtseffizienter Verhandlungsresultate in einer Situation der positiven Koordination. Bei angektindigten Ausgleichen oder KompensationslOsungen sind negativ Betroffene eher bereit, nicht aus den Verhandlungen auszusteigen und einer L6sung zuzustimmen. Die Problem16sungsf~ihigkeit verhandlungsbasierter Bereiche wird somit also erh6ht. Der Kompensationsmechanismus setzt jedoch voraus, dass der Nutzen der Verhandlungsl6sung gr6Ber ist als die Kosten, denn nur so kann ein positives Kompensationsbudget entstehen. Kompensations16sungen erfordern meist institutionelle Arrangements, die eine anerkannte Distribution des Gesamtnutzens erm6glichen und einen gerechten Nutzen-Lasten-Ausgleich bewirken. 269 Bei erfolgreicher positiver Koordination bzw. bei der erfolgreichen Bew~iltigung der gegens~itzlichen Aufgaben werden normalerweise die Effektivit~it und die Effizienz einer Strategie durch die Nutzung gemeinsamer Handlungsoptionen gesteigert. 27~ Je mehr Betroffene sich an den Verhandlungen beteiligen, desto gr6Ber die Transaktionskosten. Dieses Problem der grol3en Teilnehmerzahl ist bei den vorgestellten vier Verhandlungstypen unterschiedlich grol3. Es kann gtinstig oder notwendig sein, die eigentlichen Verhandlungen auf eine Kerngruppe von Akteuren zu beschrfinken. Diese Kerngruppe kann dann die Zustimmung der anderen Akteure durch die mit niedrigeren Transaktionskosten verbundenen Verhandlungstypen des distributiven Bargaining oder durch negative Koordination einholen. Ein weiterer Grund, von Anfang an verhandlungsRihige kleinere Gruppen zu bilden, ist die Gefahr der Bildung von Untergruppen. TM Kommissionen oder Ausschtisse sind besser in der Lage ein Verhandlungsergebnis auszuarbeiten, das die gr613ere Konstellation dann nur noch ratifizieren, aber nicht mehr im Detail diskutieren und konzipieren muss. Eine Alternative dazu besteht darin, die Anzahl der beteiligten Parteien zu reduzieren, indem der Verhandlungsgegenstand in Teilbereiche gesplittet wird. 272 Falls dies m6glich ist, muss nattirlich das Gesamtergebnis zusammengespielt werden, sodass die Aufgabe der Konsensbildung ahnlich bleibt. Eine andere L6sung, die hohe Transaktionskosten durch eine tiberschaubare Teilnehmeranzahl senkt, ist das ,Geflecht von Vertr~igen', wobei Ergebnisse durch miteinander verbundene bi- und multilaterale Verhandlungen mit einer jeweils begrenzten Teilnehmeranzahl festgelegt werden. Somit werden die Schwierigkeiten groBer Teilnehmerzahlen bei komplexen Verhandlungsf'tihrungen zun~ichst umgangen und die Probleml6sung kann flexibler und schneller erfolgen. Auch informelle Vorverhandlungen k6nnen eine kollektive Einigung erleichtern. In diesem Zusammenhang gilt es zu erw~ihnen, dass Face-to-Face Kontakte grunds~itzlich von Vorteil sind und eine z~igige Verhandlung untersttitzen. Bei
268 Vgl. Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung,2003, S. 490. 269 Vgl. Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung,2003, S. 496. 27o Vgl. Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen, 1996, S. 512 ft. 271 Vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 289. 272 Vgl. Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung,2003, S. 490. 65
schwierigen multilateralen Verhandlungen k6nnen Face-to-Face Kontakte aber auch zu Blockaden ~hren. 273 Weiters stellen Kollektivverhandlungen eine M6glichkeit der Senkung der Transaktionskosten dar. Die individuellen aber auch kollektiven Akteure werden zu gr6Beren Einheiten zusammengefasst, die dann ihre Interessen in Verhandlungen vertreten. 274 Bei dieser L6sung ist wiederum zu berficksichtigen, dass es nicht zu groBen Einheiten kommt, da ansonsten das Problem der groBen Anzahl von neuem angegangen werden m u s s . 275 Zusammenfassend gilt also: Je mehr Akteure bei der Abwicklung von Transaktionen mitwirken, desto gr6Ber die entsprechenden Kosten. ,,Dagegen k6nnen die Handlungen groBer Mengen von Akteuren mit sehr geringen Transaktionskosten koordiniert werden, wenn kollektiv verbindliche Entscheidungen durch Mehrheitsabstimmungen oder hierarchische Steuerung herbeigeffihrt werden k6nnen. ''276 Verhandlungen, die in hierarchische Strukturen eingebettet sind (vertikale Verflechtung), verlaufen anders, als Verhandlungen zwischen formal gleichberechtigten Akteuren (horizontale Verflechtung). Erfolgen Verhandlungen im so genannten ,Schatten der Hierarchie', so verfolgt die hierarchisch 0bergeordnete Organisation zwar das Geschehen, schreitet jedoch so lange nicht ein, wie befriedigende L6sungen sich abzeichnen. Der hierarchische Schatten ist oftmals ein Anreiz zur Verhandlung, er ermSglicht unter Umst~nden Verhandlungsl6sungen zum Beispiel durch Androhung von oder Verzicht auf Intervention. Auch das Leistungspotential von Verhandlungsl6sungen kann dadurch gesteigert werden. 277 Der Schatten der Hierarchie kann somit im Falle eines Verhandlungsdilemmas positive Effekte haben.
7.1.3 Mehrheitsentscheidung Bei Mehrheitsentscheidungen k6nnen die Einw~nde von Minderheiten fiberstimmt und dadurch die Transaktionskosten deutlich gesenkt werden. Legitimierende Mechanismen geben solchen Entscheidungen das n6tige Gewicht. Besonders wichtig ist eine entsprechende Legitimit~,t, wenn ein Austritt aus dem Mehrheitssystem nicht m6glich oder mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Grunds~tzlich sind Mehrheitsentscheidungen sinnvoll, wenn kollektives Handeln keine Alternative zur LSsung gesellschaftlicher Probleme darstellt und wenn L6sungen m6glich sind, die die allgemeine Wohlfahrt steigern. Zudem sollten die L6sungen eine gerechte Verteilung beinhalten. Insgesamt mfissen Mehrheitsentscheidungen kritisch betrachtet und die Gefahren, zum Beispiel der Fraktionsbildung, diskutiert werden. ,,Die Existenz einer geschlossenen Mehrheit verwandelt die Mehrheitsregel in eine Zweipersonen-Interaktion, in der eine Seite fiber diktatorische Gewalten verffigt. ''278 Grundsfitzlich kann daher nicht behauptet werden, dass Mehrheitsentscheidungen zu einer Erh~hung der Verteilungsgerechtigkeit ffihren. Denn sind die Akteure egoistisch-rational, kann die
273 Vgl. Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung,2003, S. 491. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 289. 275 Vgl. Willke, H., Entzauberungdes Staates, 1983, S. 128 ff. 276 Scharpl, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 251. 277 Vgl. Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung,2003, S. 493. 278 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 260 f.
274 Vg[.
66
Annahme, dass Mehrheitsentscheidungen die utilitaristische Wohlfahrt oder die Verteilungsgerechtigkeit systematisch steigern, nicht aufrecht bleiben. 279
7.1.4 Hierarchische Entscheidung 28~ Hierarchie stellt ein Strukturmuster dar, wghrend die hierarchische Steuerung als Interaktionsmuster interpretiert werden kann, bei dem ein Akteur die Entscheidungen oder die Entscheidungspr~imissen eines anderen Akteurs bestimmen kann. TM Diese M6glichkeit der Bestimmung kann auf Belohnung, Bestrafung oder auf legitimer hierarchischer Autorit~it beruhen. Hierarchische Autorit~t wird vom Beeinflussten meist als Ausfibung von Macht und als Einschrgnkung der Entscheidungsfreiheit empfunden, jedoch verringert sie in erheblichem Mage die Transaktionskosten. Ein hierarchisches VerhNtnis existiert nur in dem Mage, wie sich der beeinflusste Akteur den angedrohten Sanktionen bei Ungehorsam entziehen kann, zum Beispiel durch List oder durch Austrittsoptionen. 282 ,,Je differenzierter, professioneller und situationsabh~ngiger aber die zu verrichtenden Aufgaben werden, desto schwieriger und kostspieliger wird machtgestfitzte Kontrolle. ''283 Eine hierarchische Koordination kann die mit ihr verbundenen Vorteile wie Effizienz und niedrige Transaktionskosten nur dann entfalten, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Inhaber der Autoritgtspositionen dem Ideal des allwissenden und wohlwollenden Diktators entsprechen: ,,Sie dfirfen ihre Macht nur zu Wohlfahrtsmaximierung und zur Sicherung der Verteilungsgerechtigkeit einsetzen, und nicht zur Maximierung ihres eigenen Vorteils; und sie mfissen alle notwendigen Informationen gewinnen und richtig verarbeiten k6nnen. ''284 Gmndsfitzlich sind mit einer hierarchischen Koordination zwei grol3e Probleme verbunden: Zum einen ist dies ein Informations- und zum anderen ein Motivationsproblem. 285 Hierarchische Autorit~it bedeutet u. a. sich fiber die Prgferenzen anderer, untergeordneter Akteure hinwegsetzen zu k6nnen. Damit lguft man jedoch Gefahr, die Informationen, die diesen Akteuren zur Verf't~gung stehen, zu ignorieren. Damit die Annahme der Effizienz von hierarchischen Entscheidungen aufrecht bleiben kann, muss davon ausgegangen werden, dass die Informationen der h6heren Ebene mindestens genauso gut sind wie jene der anderen Ebenen. Daher muss es das Ziel von fibergeordneten Akteuren sein, lokale Informationen zu berficksichtigen und die eigenen Informationsverarbeitungs- und Konfliktl6sungspotentiale nicht zu fiberschgtzen. Eine entsprechende Struktur kann diese Ziele unterstfitzen. Ein
279 Es existieren zahlreiche Yheorien wie jene der diskursiven, deliberativen oder reflexiven Demokratie, die sich damit besch~ftigen, wie die Situation auss~he, wenn die Btirger nicht egoistisch-rational, sondern gemeinwohlorientierthandeln wfirden, wobei es sich grunds~itzlichjedoch um konsensuelle Ideale handelt. 28o Die analytische Yrennung zwischen Koordinationsverfahrenund Strukturmuster ist im Falle der Hierarchie besonders schwierig und kann nicht vollst~indigaufrechterhalten werden. Daher soil hier nur kurz auf die Interaktionsform der hierarchischen Steuerung eingegangen werden - die genauen Ausf'tihrungen folgen bei den Strukturmustem. 281 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 166. 282 Ein Arbeiter kann zum Beispiel seinen Arbeitsvertragkfindigen. 283 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie,2001, S. 167. 284 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 286. 285 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 283 f. 67
weiteres Problem, mit dem die hierarchische Koordination konfrontiert ist, ist das so genannte Motivationsproblem. Entsprechende Anreiz- und Kontrollmechanismen sind erforderlich. Autorit~ire Entscheidungen, Verhandlungsergebnisse, die im Schatten der Hierarchie zustande gekommen sind oder Mehrheitsabstimmungen mtissen durch exogene Erzwingungsmechanismen, die Belohnungen oder Sanktionen in Aussicht stellen, stabilisiert werden. 286 So haben die Beteiligten bei Verhandlungen im Schatten der Hierarchie stets vor Augen, dass Entscheidungen auch autoritativ getroffen und durchgesetzt werden k6nnen. Die Akteure mtissen in einem solchen Fall jedoch damit rechnen, dass sie schlechter gestellt werden als wenn sie sich einigen. Zudem verlieren sie durch autoritative Entscheidungen an Autonomie, die sie durch Kooperation erhalten k6nnten. 287 Der Vorteil von negativen Anreizen liegt im Anktindigungseffekt. 288 Wirksame Drohungen mtissen nicht ausge~hrt werden 289 und sind daher ~iuBerst kosteneffizient. 29~ Es kann jedoch vorkommen, dass Drohungen zu Widerstand anstatt zu Gehorsam Rihren. Um solche unbeabsichtigten Reaktionen zu vermeiden, mtissen die angedrohten Sanktionen auf anerkannten und als legalen Regeln beruhen. Die dadurch erzeugte Akzeptanz ~ h r t zu normativen Erwartungen, deren Missachtung zumindest durch soziale Missbilligung sanktioniert wird. 291
7.2 S t r u k t u r m u s t e r Die geRiufige Typologie von Strukturmustern stammt aus der Institutionen6konomik und begann mit der einfachen Gegen~iberstellung von Markt und Hierarchie. Ursprtinglich hat Ronald Coase (1937) im Widerspruch zu der damals geltenden Auffassung behauptet, dass Organisationen neben Markten eine Organisationsm6glichkeit der Abwicklung von Transaktionen sind und somit nicht nur unspezifizierte Produktionsfunktionen er~llen. Vertreter der Transaktionskostentheorie und in erster Linie Oliver Williamson haben diesen Ansatz aufgegriffen und die beiden Strukturformen gegeniJber gestellt. 292 Im Laufe der Zeit wurden diese beiden Pole durch hybride Strukturmuster erweitert. Nachfolgend sollen die Grundmuster vorgestellt werden. 293 AnschlieBend werden die diskutierten Strukturmuster hinsichtlich der Steuerungskosten analysiert.
286 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 251 f. 287 Vgl. Benz, A., Regional Governance, 2003, S. 507. 288 Vgl. Akteurkonstellationen,Teil I-2.1.4. 289 Die Wirksamkeit von Drohungen zeigt sich darin, dass es erst gar nicht zur Nicht-Einhaltung kollektiv verbindlicher Entscheidungenkommt. 29o ,,Ein einzelnes Gewehr kann eine ganze Menschenmenge in Schach halten, aber mit einem einzelnen Scheck kann nur eine erfolgreiche Bestechung bezahlt werden" (Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 253). 291 Schimank spricht in diesem Zusammenhang von so genannten Erwartungsstrukturen (vgl. Schimank, U., Handeln und Strukturen, 2000, S. 176 f.). 292 Vgl. Williamson, O.E., Transaction-CostEconomics, 1979, S. 233 ff.; 293 An dieser Stelle sollen die grundsatzlichen Strukturformen vorgestellt werden. Auf jene Strukturmuster, welche sich f'tir die Steuerung von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten besonders eignen, wird bei der entsprechenden Auseinandersetzung detailliert eingegangen. 68
7.2.1 Der Markt ,,Der stereotype Wettbewerbsmarkt ist das Paradigma der individuellen, auf den eigenen Vorteil bedachten, uneingeschr~nkten, unkooperativen sozialen Interaktion. ''294 Das Strukturmuster des Marktes ist in soziologischer Sicht ein abgeleitetes Phgnomen. Es sind institutionelle Rahmenbedingungen, die dem Markt seine besondere Leistungsf~higkeit geben: ,,Sogar Okonomen wt~rden vermutlich zugeben, dass ein preisgesteuerter Markt nicht funktionieren kann ohne ein Ftille von Rahmenbedingungen, die kollektiv verbindlich gelten mfissen. ''295 Mgrkte sind also eingebettet in spezielle Regelungen wie Rechtssicherheit, Vertragsfreiheit oder Eigentumsrechte. Ist ein freier Markteintritt und auch Austritt gewghrleistet, so kann tiber den Preismechanismus eine schnelle Koordination von Angebot und Nachfrage stattfinden. Die Vorteile des Marktes entfalten sich vor allem dort, wo sich 6konomische Transaktionen auf einfache, freie, kurzfristige, direkte und somit fiberschaubare Interaktionen beziehen. Ist dies nicht der Fall, dann muss an der Kostengt~nstigkeit der Koordinationsform Markt gezweifelt werden. Der Markt ist nicht nur ein Ort 6konomischer Austauschprozesse, sondern auch ein spezifischer Regelungs- und Steuerungsmechanismus. 296 Die Funktionsweise des Marktes beruht auf Selbstorganisation, Dezentralit~t, verteilter Intelligenz und weitgehender Autonomie der Teilsysteme. Powell skizziert das stilisierte Modell des Marktes wie folgt: 297 Die Vorteile einer Transaktion bzw. eines Austausches sind klar spezifiziert und vertragliche Vereinbarungen werden durch gesetzliche Sanktionen geschfitzt. Der Wert der ausgetauschten GOter ist bedeutend wichtiger als die Tauschbeziehung; falls Beziehungen eine Rolle spielen, werden sie meist wie Waren gehandhabt. Daher Nhren Markttransaktionen oft nur zu einer beschr~nkten pers6nlichen Einbeziehung der Beteiligten und es etablieren sich keine altruistischen Bande. Der Vorteil ist, dass die Akteure dadurch frei sind Dr zukt~nftige Verpflichtungen und far die Realisierung der eigenen Ziele. Normalerweise besteht die Strategie der Akteure, die sich auf dem Markt bewegen, darin, eine m6glichst weitgehende und kompromisslose Forderung zu stellen. Eine andere Verhaltensweise wt~rde als naiv betrachtet werden. M~irkte bieten Gelegenheiten, Flexibilit~it sowie einfache Kommunikation und unterstfitzen Innovationseffizienz. 298 Leider sind Mgrkte nicht in der Lage, die Feinheiten des komplexen, dynamischen Austausches zu erfassen, vor allem dann nicht, wenn die Tauschprozesse h~ufig und vielschichtig sind und die 121berwachungs- und Durchf'tihmngskosten aufwendig werden. Daher und aufgrund unvollstgndiger, asymmetrischer Informationen sowie komplexer Einflgsse von einer Transaktion auf die n~ichste tritt die Bedeutung alternativer Strukturierung hervor. Willke diskutiert in seiner Arbeit nicht den Markt als Gegenpol zur Hierarchie, sondern er analysiert die Steuerungsform der Demokratie im Sinne einer Operationsform modemer sgkularer Gesellschaften, wobei er die Gemeinsamkeiten der Steuerungsmodelle Demokratie und Markt betont. Da die AusNhrungen zur Demokratie als Steuerungsmodell komplexer
294 Powell, W.W., Netzwerkartige Organisationsformen, 1996, S. 222 f. 295 Willke, H., SystemtheorieIII: Steuerungstheorie,2001, S. 38. 296 Vgl. Schneider, V. & Kenis, P., InstitutionelleSteuerung, 1996, S. 14. 297 Vgl. Powell, W.W., Netzwerkartige Organisationsformen, 1996, S. 220 ff. 298 Vgl. Wiesenthal,H., Markt, Organisation und Gemeinschaft,2000, S. 53. 69
Gesellschaften sowohl die Diskussion zum Markt komplettiert als auch ffir die Governance von r/~umlichen Wettbewerbseinheiten wichtige Impulse liefert, sollen sie nachfolgend aufgezeigt werden. 299
Demokratie als Steuerungsmodell Obwohl der Markt grunds~itzlich auf der Verfolgung individueller Ziele basiert, w~ihrend Demokratie die individuelle Partizipation an kollektiven Entscheidungen ~iber kollektive Ziele beinhaltet, gibt es grundlegende funktionale und strukturelle Obereinstimmigkeiten. Der Markt l~isst sich als ,demokratisches' Modell eines Gfiteraustausches verstehen. Die Formen der Koordination auf dem Markt und in der Demokratie sind homolog; beide Formen sind gekennzeichnet durch Selbstorganisation, Dezentralit~it, inkrementale Entscheidungsfindung, leichte Reversibilit~it der getroffenen Entscheidungen und formale Gleichheit der Entscheider. Beide Steuerungsmodelle sind charakterisiert durch die Kurzfristigkeit der Entscheidungslogik, die Diffusit~it der Verantwortlichkeit sowie durch die Anf~illigkeit mr Stimmungen und Moden. Bedroht sind sowohl Markt als auch Demokratie durch eine ,,immanente, schwer kontrollierbare Selbstgeflihrdung durch organisationale Verdichtung und Marktmachtbildung, die das konstituierende Prinzip des freien Wettbewerbs untergr~ibt. ''3~176 Lindblom hat die zentrale Schw~iche von Demokratien beschrieben, als er darauf hinwies, dass es den Demokratien und den ihr innewohnenden marktf6rmigen Austausch- und Anpassungsprozessen nicht gelingt, das Obergewicht groBer korporativer Akteure zu korrigieren. 3~ Willke weist darauf hin, dass sich die Situation mittlerweile ge~indert hat und dass neben der Macht der groBen Organisationen auch deren Ohnmacht auffiillt. Folge ist ein Steuerungsdilemma: ,,Demokratische Gesellschaftssteuerung ist heute infolge der Globalisierung der groBen Konzerne noch anf~illiger fOr deren Ansprfiche und Vetomachtpositionen, noch abh~ingiger von deren Ressourcen, Expertise und Implementierungskompetenz. Zugleich aber sind die Konzeme und Korporationen in entscheidenden Hinsichten abh~ingiger geworden von den Vorleistungen der Politik und anderer gesellschaftlicher Funktionssysteme wie Erziehung, Wissenschaft, Gesundheitssystem, Rechtssystem und sogar Familie. ''3~ Dieses Steuerungsdilemma weist auf die intensiven Verflechtungen, auf die Abh~ingigkeiten der gesellschaftlichen Akteure 3~ und auf die funktionale Differenzierung sprich die Dynamik und Komplexit~it zwischen und innerhalb von Teilsystemen hin. TM Aus diesem Grunde l~iuft es bei der Diskussion von Steuerung durch Demokratie darauf hinaus, dass weder eine allzu
299 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 18 ff. 3oo Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 44. 301 Vgl. Lindblom, Ch., Politics and Markets, 1977, S. 356. 3o2 Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 21. 3o3 Vgl. Elias, N., Soziologie, 1996, S. 73. 3o4 Die politische Steuerungstheorie diskutiert in diesem Zusammenhang, ob das Primat des politischen Systems als Spitze einer hierarchischen Ordnung der Gesellschaft realistisch ist. Die anderen Funktionssysteme wie die Okonomie oder die Wissenschaft haben sich aus dem Schatten einer ~ibergeordnetenPolitik herausbewegt und die Politik konkurriert mit einer Vielzahl prinzipiell gleichrangiger Systeme (vgl. Willke, H., Entzauberung des Staates, 1983, S. 49 ff.). 70
grol3e Ann~ihemng an die Logik des Marktes noch an die Logik der Hierarchie L6sungen bringen kann. Vielmehr geht es darum eine Form des Demokratiemodells zu finden, in welchem die humanen und emanzipatorischen Errungenschaften frtiherer Jahrhunderte wie Gleichberechtigung oder Religionsfreiheit erhalten bleiben und welches die M6glichkeit er6ffnet, die Folgen der funktionalen Differenzierung zu berticksichtigen. In erster Linie darf die Multiplizierung, Pluralisierung und Dezentrierung von Machtbasen nicht ignoriert werden. Insgesamt erfordert diese Situation eine Weiterentwicklung des bisherigen Demokratieverst~indnisses hin zu einem neuen, allgemeinen Modell der Verhandlungsdemokratie.
7.2.2 Die Hierarchie ,,Hierarchische Organisationen bestehen aus einer Verkettung von Komponenten, die daffir sorgt, dab die Komponenten in linearer Abfolge an der Verarbeitung der Ereignisse beteiligt sind, die das Systemverhalten ausmachen. ''3~ In der Realit~it kann man sich keine Organisation ohne die Bestandteile hierarchischer Ordnung vorstellen. Grunds~itzlich entstehen Hierarchie oder Organisation, wenn Unternehmen Transaktionen und Ressourcenfltisse integrieren, die vorher fiber den Markt abgewickelt wurden. 3~ Die St~irken der Hierarchie werden meist in Anlehnung an die Analysen der Barokratie von Max Weber diskutiert, da Weber die Art der Aufgaben mit der Steuerungsform in Zusammenhang bringt: ,,Der entscheidende Grund ftir das Vordringen der bt~rokratischen Organisation war von jeher ihre rein technische Ueberlegenheit aber jede andere Form. . . . Prazision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Erspamisse an Reibungen, sachlichen und pers6nlichen Kosten sind bei streng btirokratischer, speziell: monokratischer Verwaltung durch geschulte Einzelbeamte gegent~ber allen kollegialen oder ehren- und nebenamtlichen Formen auf das Optimum gesteigert. ''3~ Die Hierarchie als Strukturform ist besonders geeignet, wenn die zu bearbeitenden Probleme in einzelne Schritte zerlegt werden k6nnen und die hierarchische Aggregation der Teil16sungen wiederum die Gesamtl6sung ergibt. Die zerlegten Aufgaben mtissen also einem passenden Ort in der Hierarchie zugeordnet werden k6nnen. Voraussetzung ist, dass es sich um Probleme oder Aufgaben handelt, die von einzelnen Personen nicht verrichtet werden k6nnen, jedoch klar geschnitten sind. Dies ist bei komplexen Aufgaben nicht mehr gegeben, da es zum Beispiel verschiedene Beziehungen zwischen den Teill6sungen gibt oder dezentrale Entscheidungen gefordert sind. Die Beziehungen in einer hierarchischen Struktur sind selektiv und genau geregelt- nicht alle Elemente stehen in Beziehung zueinander. Die Austauschbeziehungen sind in erster Linie durch die Position des Individuums in der Hierarchie gepr~igt. Eine wesentliche Art der Kommunikation sind die Besch~iftigungsvertr~ige. 3~ Diese Selektivit~it legt fest, welche Einwirkungs- und Entscheidungsm6glichkeiten den nachfolgenden Elementen verbleiben. In
305 Hejl, P.M., Politik, Pluralismusund gesellschaftlicheSelbstregelung, 1992, S. 117. 306 Vgl. Powell, W.W., Netzwerkartige Organisationsformen, 1996, S. 223. 307 Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 561 f. 308 Vgl. Simon, H.A., Organisationenund M~irkte, 1996, S. 54 ft.
diesem Sinn kOnnen Hierarchien als ,a priori Entscheidungen' dartiber verstanden werden, wie Entscheidungen getroffen werden sollen. 3~ Dies zeigt sich auch darin, dass die Aufgaben und Positionen in einer hierarchischen Struktur tiblicherweise von den Vorgesetzten geregelt werden. Nach Hejl beruhen letztlich alle Hierarchien in sozialen Systemen auf der Idee eines Entscheidungszentrums mit absoluter Macht und Wissen. Elemente, die in der Hierarchie h6her stehen, befinden sich n~iher an diesem Entscheidungszentrum und sind st~irker durch dessen Eigenschaften charakterisiert. Es geht bei hierarchischen Organisationen also um einen Fixpunkt aus Wissen und Macht. 31~ In einer hierarchischen Struktur existieren dementsprechend klare Abteilungsgrenzen, deutliche Autoritatslinien und formale Prozeduren der Entscheidungsfindung. Daraus abgeleitet werden kOnnen Zuverl~issigkeit, sprich die F~ihigkeit eine grol3e Anzahl von Gtitern oder Dienstleistungen mit einer bestimmten Qualit~it wiederholt zu produzieren, sowie eine klare Regelung der Verantwortlichkeiten, wodurch eine genaue Dokumentation der Abl~iufe m6glich wird. 311 Dieses stilisierte Modell der Hierarchie birgt jedoch verschiedene Schw~ichen, 312 die Willke vor allem als Folge der Steigerung von Komplexit~it in sachlicher, sozialer, zeitlicher, r~iumlicher, operativer und kognitiver Hinsicht beschreibt: 313 In sachlicher Hinsicht steigt die Komplexit~it der verwendeten und produzierten Dienstleistungen und Produkte. Verzweigte Hierarchiestrukturen reagieren darauf, indem sie die vorhandenen Regelwerke bzw. die Quantit~it der Vorschriften und Regeln immer mehr ausbauen. Die Komplexit~it erh6ht sich auch in der sozialen Dimension, d. h. Kommunikation und Interaktion werden schwieriger, da far viele Aufgaben mehrere Menschen oder Teams mit mehreren spezifischen Kompetenzen zusammenarbeiten mtissen. Hinzu kommen eine zeitliche Dimension, welche durch Zeitdruck, Dynamik und Temposteigerung charakterisiert ist und eine r~iumliche Dimension, welche die Spannung zwischen Globalisierung und Regionalisierung ausdrtickt. Diese Komplexit~itssteigerung fahrt dazu, dass Handlungen und Handlungsstrategien w~ihlbar, kontingent und riskant werden. Dies erzeugt Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit, die nach Mechanismen far den Umgang mit diesen Herausforderungen verlangen. Wiesenthal spricht in diesem Zusammenhang von der ,informatorischen Komplexit~it' der Aufgaben. 314 Auch Scharpf betont neben dem Motivationsproblem auch das Informationsproblem: ,,Das wahrscheinliche Ergebnis von Zentralisierung w~ire entweder extreme Informationsknappheit oder Informationstiberlastung der Z e n t r a l e - mit der Folge schlecht informierter und nicht problemgerechter Entscheidungen und unendlicher Verz6gerungen. ''3~5 Dazu kommt eine kognitive Dimension, die ausdrtickt, dass sich das von Personen unabh~ingige Wissen
309 Vgl. Hejl, P.M., Politik, Pluralismus und gesellschaftlicheSelbstregelung, 1992, S. 117. 310 ,,In letzter Analyse leitet sich die Hierarchievorstellungalso ab aus der Idee eines absoluten Gottes, oder, in ihrer s~ikularisiertenForm, aus der eines absoluten Monarchenoder auch, epistemologischgewendet, aus der Idee absoluten Wissens" (Hejl, P.M., Politik, Pluralismus und gesellschaftliche Selbstregelung, 1992, S. 116). 31~ Vgl. Powell, W.W.,NetzwerkartigeOrganisationsformen, 1996, S. 220 ff. 3~2 Vgl. Koordinationsverfahren- hierarchische Entscheidung, Teil I-7.1.4; weiters Krafft, A. & Ulrich G., Chancen und Risikenregionaler Selbstorganisation, 1993, S. 68 ff. 313 Vgl. Willke, H., SystemtheorieIII: Steuerungstheorie,2001, S. 87 ff. 314 Vgl. Wiesenthal,H., Markt, Organisationund Gemeinschaft,2000, S. 59. 315 Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen, 1996, S. 506; vgl. weiters Hayek, F.A., The Use of Knowledge in Society, 1945, S. 519 ff. 72
exponentiell vermehrt und eine neue Unt~bersichtlichkeit mit sich bringt. Willke fasst wie folgt zusammen: ,,Der Aufbau immer komplexerer Systeme mit Hilfe hierarchischer Strukturen ft~hrt zu dem Punkt, an welchem der Aufwand und die Kosten far hierarchisch korrekte Kommunikationen zwischen den betroffenen Komponenten und Ebenen ft~r das Ganze untragbar oder konterproduktiv werden und deshalb neue Formen der Organisation yon Komplexitgt erfunden werden mfissen.''316
7.2.3 Neben Hierarchie und Markt Die Vielfalt m6glicher Koordinationsmuster lgsst sich nur sehr schwer in die Dichotomie von Markt und Hierarchie pressen, daher wird in den meisten Systematisierungen zumindest eine weitere Form der Koordination angegeben. 3~7 Ziel ist es jene Kooperationsformen darzustellen, die weder den Marktkontrakten noch der hierarchischen Organisation zugeordnet werden k6nnen. Abbildung 12 gibt einen Uberblick der ggngigen Systematisierungen idealtypischer Steuerungsformen:
Autor Williamson Dahl, Lindblom Ouchi Kaufmann Offe Powell Streek, Schmitter Hollingworth Scharpf Mayntz
Steuerungsform Hierarchie, Markt, Hybridformen, relationale Vertdige Hierarchie, Markt, Verhandlung, Polyarchie Hierarchie, Markt, Clan Hierarchie, Markt, Solidaritgt Staat, Markt, Solidaritgt Hierarchie, Markt, Netzwerke Staat, Markt, Gemeinschaft (Solidaritgt), Verbgnde ttierarchie, Markt, Verpflichtungs- und UnterstOtzungsnetzwerke, Verbgnde und Vereinigungen Hierarchie, Markt, Verhandlungssysteme Hierarchie, Markt, Policy-Netzwerke
Abbildung 12: Idealtypische Steuerungsformen Quelle: In Anlehnung an Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 94; Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 19. Die theoretische Literatur hat sich bis vor kurzem haupts~ichlich mit den klassischen Mechanismen der Hierarchie und des Marktes besch~iftigt. Gemeinschaft bzw. Solidarit~it, relationale Vertrgge, Verb~inde und Netzwerke werden darfiber hinaus als zus~itzliche oder als intermedi~re Formen diskutiert. Auch hier gibt es Versuche einer Klassifikation; Scharpf spezifiziert, dass Gemeinschaft und Clan eng beieinander liegen, wobei Clans eher betriebswirtschaftlich geprggt sind. Sowohl Gemeinschaften als auch Clans weisen Ahnlichkeiten mit relationalen Vertr~igen auf. Relationale Vertrfige sind jedoch, um bei der analytischen Trennung zwischen Interaktionsformen und Strukturmustem zu bleiben, eine Art der Interaktion, welche als charakteristisch ffir die Interaktion in Netzwerken interpretiert werden
316 Willke, H., SystemtheorieIII: Steuerungstheorie, 2001, S. 87. 317 Vgl. Mayntz, R., Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie?, 2004, S. 5, Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 97; Williamson, O.E., Analyse diskreter Strukturalternativen, 1996, S. 186; Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 19. 73
kann. Assoziationen und Verb~inde k6nnten in einer Systematisierung als schwache Variante der hierarchischen Koordination eingeordnet werden. 318 Sehr oft werden Strukturmuster auf einem Kontinuum angeordnet, an dessen Enden der Markt und die Hierarchie angeordnet sind. Zwischen den Polen finden sich die alternativen Strukturformen, welche vielfach als intermedi~ire oder hybride Formen bezeichnet werden. Verschiedene Autoren weisen jedoch darauf hin, dass alternative Strukturmuster neben Hierarchie und Markt wie Netzwerke nicht ,zwischen' diesen angesiedelt seien, sondern ,jenseits'. 319 Teubner versteht die Sozialbeziehungen Vertrag (Markt) und Organisation (Hierarchie) als eigenst~indige Sozialsysteme, die sich prinzipiell voneinander unterscheiden und nicht die Gegenpole eines Kontinuums darstellen. Dementsprechend stellen Netzwerke keine blofSe Zwischenform dar, sondern eine besondere Steigerungsform. 32~Auch Williamson weist darauf hin, dass die Hybridform kein ,,lockeres Amalgam von Markt und Hierarchie" ist, sondern eine eigene Logik besitzt. 321 Powell empfiehlt dieses ,Pol-Denken' aufzugeben, damit die Aufmerksamkeit auf breit gef'~icherte Organisationsstrukturen gelenkt werden kann, die keine degenerierte Mischung, sondern klar unterscheidbare Formen darstellen: ,,Die Vorstellung, dass 6konomische Austauschbeziehungen sinnvollerweise auf einem Kontinuum angeordnet werden k6nnten, ist zu unbeweglich und zu mechanisch .... Das Kontinuum-Konzept ftihrt ebenso zu einer Fehlkonstruktion 6konomischer Entwicklungsmuster und verdeckt die Rolle der Reziprozit~it und Kooperation als alternative Steuerungs- und Regelungsmechanismen. 322
7.3 Analyse der S t r u k t u r a l t e r n a t i v e n M6glichkeiten der Transaktionsabwicklung wie der Betrieb (Hierarchie), der Markt und sonstige Organisationsformen wie Netzwerke werden in der Steuerungsdiskussion als wesentliche Formen der Steuerung diskutiert. 323 Nachfolgend werden sie hinsichtlich ihrer Transaktionskosten und insbesondere der Governancekosten diskutiert.
7.3.1 Governancekostenansatz Der Governancekostenansatz, der in weiten Teilen der Literatur als Transaktionskostentheorie benannt ist, befasst sich mit ,,der Erkl~irung organisatorischer L6sungsm6glichkeiten zur Absicherung von Investitionen, die eine oder mehrere Vertragsparteien an die jeweils anderen Transaktionspartner in verschiedenen Formen binden. ''324 Die Analyseeinheit dieses Ansatzes
318 Vgl. Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen, 1996, S. 499. 319 Vgl. Kappelhoff, P., Netzwerkansatz, 2000, S. 25. 320 Vgl. Teubner, G., Netzwerke als kollektive Akteure h6herer Ordnung, 1996, S. 540. 321 Vgl. Williamson, O.W., Analyse diskreter Strukturalternativen, 1996, S. 206. 322 Powell, W.W., Netzwerkartige Organisationsformen, 1996, S. 217 f. 323 Vgl. Willke, H., Systemtheorie III: Steuerungstheorie, 2001, S. 18 ff.; Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 19; Williamson, O.E., Analyse diskreter Stmkturalternativen, 1996, S. 186; Teil I-7.3.3. 324 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 175. ,,Wir definieren die Neue Institutionen6konomik als Forschungsgebiet, in dem die Wirkung von Institutionen 74
ist die Transaktion. Transaktionen bestehen aus der ,,Aneignung und Ubertragung von Verffigungsrechten zwischen Wirtschaftssubjekten. ''325 Sydow pr~zisiert: ,,Eine Transaktion umfasst den Prozess der Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle und unter Umst~nden Anpassung eines Leistungsaustauchs, der dem eigentlichen physischen Gfiteraustausch vorausgeht. ''326 D. h. dass die Transaktionskosten nicht unmittelbar in die gehandelten Gtiter und Dienstleistungen eingehen - dies unterscheidet sie von den Produktions- und Transportkosten. Transaktionskosten entstehen im Wesentlichen aufgrund unvollst~ndiger oder aufgrund des Missbrauchs von nicht allgemein verffigbaren Informationen. Vertrage k6nnen nicht vollst~ndig sein, d. h. sie k6nnen nicht alle m6glichen (zuktinftigen) Gegebenheiten erfassen. Quellen der Transaktionskosten sind somit begrenzte Rationalit~t und Opportunismus, die durch institutionelle Vorkehrungen bekfimpft werden k6nnen. Zu den Transaktionskosten z~ihlen:327 -
Messkosten, die sich aus der Messung wirtschaftlicher Aktivit~iten ergeben;
-
Such- und Informationskosten- sie entstehen bei der Suche nach Partnern und bei der Sammlung von Informationen zum Beispiel tiber Preise oder Produktqualit~it;
-
Verhandlungs- und Entscheidungskosten- sie entstehen bei Vertragsverhandlungen, Vertragserstellung und bei der Entscheidungsfindung;
-
15berwachungs- und Durchsetzungskosten- diese Kosten betreffen die Umsetzung der vertraglichen Vereinbarungen;
-
G o v e r n a n c e k o s t e n - sie entstehen, wenn opportunistische Akteure versuchen, Abh~ingigkeiten von Transaktionspartnem auszunutzen.
Das zentrale Ziel der Governancekostentheorie besteht darin zu erkl~iren, wann bestimmte Transaktionen innerhalb des Betriebes erfolgen sollen, wann es hingegen sinnvoll ist, Transaktionen tiber den Markt abzuwickeln und wann sich andere Organisationsformen wie Netzwerke eignen. Bei den Zwischenl6sungen wird untersucht, welche Vertragsklauseln sich in konkreten Situationen anbieten und ob die Beteiligung weiterer Partner sinnvoll ist. ,,Einige Kritiker wenden ein, dab es grunds~itzlich keine Wahl zwischen Markt und Hierarchie geben k6nne, sondern dab grunds~itzlich immer Markt und Hierarchie erforderlich seien. Dieser Einwand ist dann richtig, wenn man die wirtschaftlichen Aktivit~iten eines Akteurs in seiner Gesamtheit betrachtet... Der Widerspruch 16st sich erst dann auf, wenn man sich vergegenw~irtigt, dag in der Transaktionskostentheorie die einzelne Transaktion Basiseinheit der Untersuchung ist.''328 Die verschiedenen M6glichkeiten der Transaktionsabwicklung sind mit Governancekosten verbunden. Dies sind die Kosten der Markt- und Organisationsbenutzung.
jeglicher Art auf das Verhalten der mit diesen Institutionen konfrontierten Akteuren analysiert wird" (Erlei, M. et al., Neue Institutionen0konomik, 1999, Vorwort, S. 1). 325 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 175. 3~6 Sydow, J., Strategische Netzwerke und Transaktionskosten, 1992, S. 255. 327 Vgl. Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik,1999, S. 69 ff. 328 Erlei, M. et al., Neue InstitutionenOkonomik,1999, S. 177. 75
Governancekosten der Marktbenutzung Die Govemancekosten bei der Abwicklung von Transaktionen tiber den Markt entstehen in erster Linie aufgrund von Unterinvestitionen in spezifisches Kapital und aus den Verhandlungen im Rahmen eines Ausbeutungsversuches. Spezifische Investitionen binden Vertragspartner aneinander: Hatte der Investor vor dieser Investition noch viele potentieUe Handelspartner, so/~ndert sich dies durch die Spezifit/~t der Investition. Dies erzeugt einen Wechsel der Marktform, der auch als fundamentale Transformation bezeichnet wird. Die Abh/~ngigkeit durch spezifische Investitionen endet meist in einem Ausbeutungsversuch im Rahmen von Neuverhandlungen. Ein rationaler Akteur wird Ausbeutungsversuche oder die Nachteile antizipieren und daher spezifische Investitionen nicht oder nur in geringem Umfang durchffihren. ,,Diese durch Unterinvestition in spezifisches Kapital erzeugte GewinneinbuBen sowie die gegebenenfalls im Neuverhandlungsprozel3 verzehrten oder suboptimal genutzten Ressourcen bilden die Govemancekosten der Marktbenutzung. ''329 Diese Kosten der Marktbenutzung warden bei der Abwicklung der Transaktion innerhalb einer Organisation, man spricht von einer vertikalen Integration der Transaktion, nicht anfallen.
Governancekosten der Organisationsbenutzung Die Integration der Transaktionsabwicklung in eine Organisation ~hrt zu einer Verhaltens/~nderung der Akteure. Es erfolgt eine Modifikation der Kontroll- und Verffigungsrechte, die Kosten verursacht. 33~ Die im Rahmen der Wartung und Pflege zu treffenden Einsch/~tzungen oder die Bewertungsspielr/~ume in der Kosten- und Leistungsrechnung bilden als Beispiele Ansatzpunkte far einen strategischen Missbrauch, eventuell mit dem Ziel einer Abteilung sich kurzfristig besser darzustellen. Ein weiteres Problem ist die schwere Zurechenbarkeit von Innovationen, die eine Verw/~sserung der Anreize darstellt. Die inteme Abwicklung von Transaktionen f~hrt zudem zu einer Neigung des Managements zu einer aberh6hten Eingriffsintensit~t, die aufgrund des dezentral angesiedelten Wissens nicht immer effizient ist. Weiters bedeutet Integration die Notwendigkeit der intemen Kooperation, was oftmals zu einer gewissen Nachsichtigkeit bei schlechten Leistungen anderer Abteilungen ffihrt. Im Gegensatz dazu werden Leistungsabf'~lle von Extemen oft unnachsichtig geahndet. Zusammenfassend bestehen die Kosten der intemen Transaktionsabwicklung in einer ,,Abschw/~chung der Leistungsanreize, in einem strategischen Missbrauch von Entscheidungsspielr/~umen und einer Politisierung der Entscheidungsbildung. ''331 Die Abwicklung von Transaktionen in einer Organisation und nicht tiber den Markt ist mit einer Zentralisierung von Entscheidungsautorit/~t verbunden. Mit diesem Umstand besch/fftigt sich der ,Beeinflussungskostenansatz', dessen Hauptthese lautet: ,,Jede Zentralisierung von Entscheidungsautorit/~t (Integration) verursacht zus/~tzliche Kosten, die so genannten Beeinflussungskosten. ''332 Mitarbeiter versuchen, auf die zentral geffillten Entscheidungen Einfluss zu nehmen, um den eigenen oder den Nutzen der Abteilung zu erh6hen. Eine
329 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 183 33o Vgl. Williamson,O.E., Analyse diskreter Strukturaltemativen, 1996, S. 184. 331 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 187 f. 332 Erlei. M. et al., Neue Institutionen6konomik, 1999, S. 220. 76
M6glichkeit, solche Beeinflussungsaktivit~iten zu verhindern, sind biirokratische Regeln, die jedoch ebenfalls K o s t e n - so genannte Btirokratiekosten- verursachen. In Organisationen kommt es daher zu einem Tradeoff zwischen Beeinflussungs- und Btirokratiekosten.
Minimierung der Governancekosten bei der Transaktionsabwicklung Die geeignete Wahl einer bestimmten Form der Transaktionsabwicklung kann die beschriebenen Governancekosten minimieren. Ffir die folgenden Ausffihrungen werden drei alternative Formen berficksichtigt: der Markt, die Hierarchie und die hybride Organisationsform. 333 Bei letzterer besteht zwischen den Transaktionspartnern eine engere Beziehung als bei den Akteuren auf dem Markt, jedoch sind die Partner unabhgngiger und selbstgndiger als bei einer Integration (Hierarchie). Da die Kosten der Marktbenutzung prim~ir durch die Ausbeutbarkeit spezifischer Investitionen charakterisiert sind und die Kosten der Organisationsbenutzung vor allem aufgrund der Uberfordemng einer zentralen Untemehmensleitung, k6nnen analog dazu folgende Schlfisse gezogen werden: Mit steigender Faktorspezifitgt steigen die Transaktionskosten bei der Marktl6sung st~irker an als bei einer hierarchischen L6sung. TM Im Bereich geringer Spezifitgt ist die Marktl6sung jedoch der vertikalen Integration vorzuziehen. Im 121bergang von einem generischen zu einem spezifischen Faktor ist die hybride Organisationsform die optimale Form der Transaktionsabwicklung, wobei davon auszugehen ist, dass ,,der Zentralisierungsgrad der hybriden Organisationen mit der Faktorspezifit~it steigt und sich die Charakteristika der verschiedenen hybriden Formen immer mehr denen der Integrationsl6sung angleichen. ''335
7.3.2 Transaktionskosten der Steuerung Zwei Transaktionsdimensionen stehen im Govemancekostenansatz im Vordergrund. Zum einen ist es die allgegenw~irtige Unsicherheit, welche sich auf die nicht Vorhersehbarkeit zuktinftiger Ereignisse und Verhaltensweisen der Akteure bezieht. Die zweite Dimension ist die Faktorspezifit~it, welche die Einsetzbarkeit von Faktoren in alternativen Verwendungen beschreibt. Ein Faktor ist hochspezifisch, wenn er nur mit hohen Kosten alternativ zu einer bestimmten Verwendung eingesetzt werden kann. Im Unterschied dazu k6nnen nichtspezifische oder generische Faktoren ohne grol3e Gewinneinbul3en far verschiedene Verwendungen herangezogen werden. Faktorspezifit~it tritt in verschiedenen Formen auf: Standortspezifit~it, Sachkapitalspezifit~it durch physikalische Ress~ Humankapitalspezifit~it, Markennamenkapital, spezialisierte Investitionen innerhalb unspezialisierter Untemehmen auf Wunsch eines bestimmten Kunden und temporale Spezifit~it. 336 Spezifische Faktoren weisen eine hohe transaktionsspezifische Quasirente auf, d. h. die Differenz des Faktoreinsatzwertes zwischen verschiedenen Verwendungsweisen ist sehr
333 Vgl. Powell,W.W., NetzwerkartigeOrganisationsformen, 1996, S. 213 ff. 334 Vgl. Williamson,O.E., Analyse diskreter Strukturaltemativen, 1996, S. 191. 335 Erlei, M. et al., Neue Institutionen6konomik,1999, S. 190. 336 Vgl. Williamson,O.E., Analysediskreter Strukturalternativen, 1996, S. 187. 77
grol3. Daraus kann abgeleitet werden, dass Investitionen in spezifische Faktoren risikoreich sind und somit eine institutionelle Absicherung verlangen. Ressourcenspezialisierung beeinflusst die Transaktionskosten aller Formen institutioneller Steuerung. Eine stark vereinfachte Analyse von Williamson, in welcher lediglich die Erh6hung der Transaktionskosten bei Ressourcenspezialisierung berticksichtigt wird und die m6glichen Ersparnisse durch Erh6hung der Erl6se oder durch einen eventuellen Rtickgang der Produktionskosten nicht mit einbezogen werden, verdeutlicht diesen Zusammenhang. 337 Die Analyse beruht auf den Governancekosten der Markt- und Organisationsbenutzung und somit auf folgenden Oberlegungen: Autonome Akteure sind in der Lage bei St6rungen schneller und flexibler zu reagieren als hierarchische Strukturen, die zus~itzlich mit wachsenden Btirokratiekosten rechnen mtissen, welche jedoch keine zus~itzlichen Gewinne schaffen. Diese Situation ver~indert sich, wenn in der Analyse von bilateralen Abh~ingigkeiten ausgegangen wird. Je mehr bei solchen Abh~ingigkeiten in Ressourcenspezialisierung investiert wird, desto h~iufiger und auch folgenreich werden St6rungen, die koordinierte Reaktionen verlangen. Auf M~irkten wird Anpassungsf~ihigkeit in solchen F~illen verhindert, weil jeder Partner so viel wie m6glich von den realisierten Anpassungsgewinnen absch6pfen m6chte. Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten sowie zu eigeninteressiertem Verhandeln und es entstehen Kosten for Anpassungsdefizite. Die konfliktuale Natur von Marktaustausch und bilateral abh~ingigen Transaktionsbeziehungen macht sich bemerkbar. Bei Umstellung von Markt auf Hierarchie in einem solchen Fall entstehen zwar auch Btirokratiekosten, diese k6nnen jedoch durch die bilateralen Anpassungsgewinne ausgeglichen werden. Williamson geht bei seinen Oberlegungen davon aus, dass eine Hybridform hinsichtlich Anreize, Anpassungsf~ihigkeit und Btirokratiekosten eine Mittelposition zwischen Markt und Hierarchie einnimmt. Daher k6nnen Transaktionsbeziehungen, die weder vorwiegend autonom noch bilateral sind und Anpassungen bei StOrungen erfordern, am Besten tiber Hybridformen organisiert werden. ,,Die Hybridform ist beinahe so leistungsf~ihig wie der Markt ftir strikt autonome Anpassungen, ist besser als der Markt in allen tibrigen Anpassungskategorien, und ist so gut wie oder besser als die Hierarchie in allen Kategorien, ausgenommen jener mit strikter Koordination. ''338 Die institutionellen Steuerungskosten k6nnen als Funktion der Ressourcenspezialisierung dargestellt werden. Das effiziente Angebot zeigt sich entlang der Umhtillungskurve.
337 Vgl. Williamson,O.E., AnalysediskreterStrukturaltemativen,1996, S. 187 ff. 338 Williamson,O.E., AnalysediskreterStrukturaltemativen,1996, S. 194. 78
Markt M(k)
," _~
Steuerungs -kosten
/
,'
Hybridform X (k)
, ' " .................... Hierarchie .y;,,,f 2 ...... H(k)
2.........
..................... 2 ...........
0
kl
k2
k
Ressourcenspezialisierung Abbildung 13: Institutionelle Steuerungskosten als Funktion der Ressourcenspezialisierung Quelle: Williamson, O.E., Analyse diskreter Strukturalternativen, 1996, S. 191. Die Steuerungskosten der Strukturmuster verschieben sich, wenn St6rungen im institutionellen Umfeld auftreten, d. h. wenn sich zum Beispiel politische, soziale oder rechtliche Regelungen ver~indern. Verlieren Investitionen, Eigentums- oder Verfiigungsrechte an Wert, da sich zum Beispiel Konkurrenten oder Kunden Spezialkenntnisse aneignen, dann verringert dies ex ante die Anreize, derartige Investitionen durchzufiihren und erh6ht ex post die Anreize, die Investitionen in schfitzende institutionelle Steuerungsstrukturen einzubetten. Diese Reaktionen erfolgen abgeschw~icht, wenn es m6glich ist, Investitionen in Wissen zum Beispiel t~ber das Patentrecht zu sch~itzen. Als weitere St6rung des institutionellen Umfelds ist eine )i.nderung des Vertragsrechts denkbar. Geht man von einer Verbesserung aus, dann sinken die Kosten von hybriden Vertr~igen. Wird das Vertragsrecht sehr strikt interpretiert und angewandt, dann stellt dies ein Risiko dar, spezialisierte Investitionen zu t~itigen, denn die gegnerische Partei kann auf eine buchst~ibliche Vertragseinhaltung bestehen. Eine lasche und lockere Handhabung hingegen wird die Anreize auf wohl t~berlegte Vertr~ige, effiziente Risikoverteilung, optimalen Ressourceneinsatz und Unfallverht~tung senken. Reputationen haben ebenfalls Einfluss auf die Steuerungskosten. Vor allem in Netzwerken, interpretiert als nichthierarchische Vertragsbeziehungen, werden Reputationen schnell kommuniziert. Gute Reputationswirkungen k6nnen opportunistisches Verhalten verhindern und senken so die Kosten hybrider Vertragsbeziehungen. Steigt hingegen die Unsicherheit im institutionellen Umfeld, so kann dies grunds~itzlich in zwei verschiedenen Formen passieren. Zum einen k6nnen die St6rungen h~iufiger werden und zum anderen folgenreicher. Eine Zunahme von StOrungen betrifft alle Steuerungsformen, besonders jedoch die hybride Form, da Anpassungen gegenseitig abgestimmt werden m~issen. Auch bei folgenreichen St6rungen sind besonders die hybriden Steuerungsformen betroffen, da diese neu diskutiert und das getroffene Abkommen neu ~iberdacht werden muss. 79
7.3.3 Referenzformen W/~hrend Hybridformen wie Beispiel Clan- oder Feudalstrukturen traditionelle, vormodeme Sozialkonfigurationen darstellen, wird in neueren Arbeiten auf die Steuerungsform des Netzwerkes hingewiesen, sodass letztlich Markt, Hierarchie und Netzwerk die wichtigsten Referenzformen darstellen. 339 In der Gesellschafl scheinen sich ,,netzwerkartige Strukturen ,between markets and hierarchies' herauszubilden, die sowohl einseitig zentralisierte wie auch fiberzogene marktorientierte Entwicklungskonzepte in Frage stellen. ''34~ Die Eckpfeiler der Netzwerkstruktur sind Komplementarit/~t und Interessenausgleich. ,,Von Netzwerk sollte man dann und nur dann sprechen, wenn ein Handlungssystem sich zugleich als formale Organisation und als Vertragsbeziehung zwischen autonomen Akteuren formiert. ''341 Kommunikation und Handlung werden sowohl einem der autonomen Partner als auch gleichzeitig dem gesamten Netzwerk zugerechnet. Die Effizienz von Netzwerken beruht somit auf einer intelligenten Kombination yon hierarchischer und marktlicher Logik, wobei bereits diskutiert wurde, dass sie keine einfache ,Mischung' darstellen, sondem eine eigene Logik aufweisen. 342 Die Strukturmerkmale yon Netzwerken sind nicht eindeutig bestimmt, im Wesentlichen sind es Kooperation, Vertrauen, Selbstverpflichtung, Verl/~sslichkeit, Verhandlung, ein bestimmtes Vertragsrecht und ein spezieller Beziehungszusammenhang. 343 Netzwerke werden im Vergleich zu Markt und Hierarchie besonders dann als geeignet betrachtet, wenn es um den Austausch yon Ressourcen geht, deren Wert nur schwer bestimmbar ist wie nicht standardisierbares Wissen. TM Nachfolgend sollen zusammenfassend die grunds~itzlichen Unterschiede zwischen stilisierten Modellen von Markt, Hierarchie und Netzwerk, als Referenz fiir intermediare Strukturmuster, dargestellt werden.
339 Vgl. Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 18 ff.; Scharpf diskutiert Netzwerkstrukturen in seinen Ausf'tihrungen zu den Verhandlungen als grunds~itzliche Interaktionsform (vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 231 ff.). 34o Messner, D., Netzwerkgesellschafl, 1995, S. 148. 341 Teubner, G., Netzwerke als kollektive Akteure h6herer Ordnung, 1996, S. 548. 342 Vgl. Neben Hierarchie und Markt, Teil I-7.2.3. 343 Vgl. Sydow, J. & Windeler, A., Steuerung von und in Netzwerken, 2000, S. 11 ff. 344 Vgl. Staber, U., Steuerung von Unternehmensnetzwerken,2000, S. 58. 80
Markt
Hierarchie
Netzwerk
Vertrag Eigentumsrechte Preise Feilschen Gerichtsverfahren
ArbeitsverhNtnis
komplement~ire St~irken
Routine administrativer Befehl und Kontrolle
Flexibilit~itsgrad St~irke der Verpflichtung zwischen den Parteien Atmosph~ire oder Klima
hoch niedrig
niedrig mittel bis hoch
Beziehungen Norm der Gegenseitigkeit, Fragen der Reputation mittel mittel bis hoch
Genauigkeit und/oder Misstrauen
formal, bfirokratisch
Akteurpr~iferenzen oder Entscheidungen Mischformen
unabhgngig
abhgngig
wiederholte Transaktionen; Vertr~ige als hierarchische Dokumente
informelle Organisationen; markt~hnliche Eigenschaften wie interne Verrechnungspreise
Normative Basis Kommunikationswege Methoden der KonfliktbewNtigung
,open-ended' gegenseitige Vorteile interdependent Statushierarchien vielffiltige Partner formale Regeln
Abbildung 14: Unterschiede zwischen Strukturmustern Quelle: Powell, W.W., Netzwerkartige Organisationsformen, 1996, S. 221. In diesem Zusammenhang gilt es darauf hinzuweisen, dass es in der Empirie nicht m6glich ist, solche idealtypischen Steuerungsform ausfindig zu machen - vielmehr treten in der Realit~t verschiedene Steuerungsformen und Strukturmuster auf. ,,Die neuesten Ans~tze verdeutlichen die Feststellung, dass Steuerungsformen nicht als isolierte Idealtypen aufgefal3t werden sollten und daher in der Analyse gesellschaftlicher Steuerung in der Zukunft nicht nur ein breites Spektrum an Steuerungsformen berficksichtigt werden mfiBte, sondern auch ihre spezifische Form der Integration und Entwicklungsdynamik."345
345 Schneider, V. & Kenis, P., Institutionelle Steuerung, 1996, S. 25. 81
8. Zusammenfassung Teil I der Arbeit besch~iftigt sich mit Governance, deren Definition, dem theoretischen Hintergrund sowie mit den wesentlichen Elementen. Diese Ausffihrungen stellen die Grundlage der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten dar. Governance wird definiert als das Zusammenspiel von Steuerungsformen und -elementen. Sie umfasst die verschiedenen Modi der Handlungskoordination in komplexen Beziehungen. Um Governance zu erfassen, ist es notwendig, sich mit Steuerung auseinander zu setzen. Herangezogen wird der akteurtheoretische Ansatz der Steuerungstheorie. Dieser basiert auf dem Handeln der Akteure, umfasst verschiedene Akteurmodelle und besch~iftigt sich mit tiberindividuellen Akteuren, kollektiver Handlungsf'~ihigkeit sowie m6glichen Akteurkonstellationen. All diese Elemente sind in r~iumlichen Wettbewerbseinheiten vorhanden. Befruchtet wird der akteurtheoretische Ansatz von den Erkenntnissen der Systemtheorie. Die Auseinandersetzung mit der Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit von sozialen Systemen verdeutlicht die Komplexit~it von Steuerung und das Zustandekommen transintentionaler Folgen. Steuerungshandeln ist kein einmaliger Akt und die Grenze zwischen Steuerungsobjekt und Steuerungsadressat ist vielfach nicht eindeutig. Neben dem Arrangement der diskutierten Strukturformen (Markt, Hierarchie, hybride Formen), Koordinationsverfahren (zum Beispiel Mehrheitsentscheidungen oder Verhandlungen) und Steuerungsmedien (Macht, Geld, Wissen, Vertrauen) sind es Institutionen, welche die spezifische Governance eines sozialen Systems ausmachen. Das Handeln der Akteure wird durch den institutionellen Kontext beeinflusst und umgekehrt. Institutionen werden dabei verstanden als Regelungsaspekte, die die Verteilung von Macht und Ressourcen regeln. Bei der Wahl der verschiedenen Governance-Elemente mt~ssen Nutzen und Kosten abgew~igt werden. Teil II der Arbeit widmet sich der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten. Ausgangspunkt bilden die in Teil I diskutierten theoretischen Grundlagen sowie die getroffenen Annahmen und analysierten Governance-Elemente.
82
II Governance von
r iumlichen, regionalen W e t t b e w e rbsei n h e i t e n Im letzten Kapitel wurde Governance als Perspektivenwechsel in der Steuerungsdiskussion dargestellt. Nicht interventionistisches Handeln steht im Vordergrund, sondern das Zusammenspiel verschiedener (neuer) Steuerungsformen, die Verknt~pfung von Steuerungsmedien sowie der Einsatz verschiedener Koordinationsmechanismen. Governance umfasst sowohl formelle als auch informelle Regelungen sowie Kooperation, Verhandlung oder institutionelle Arrangements. Dieser Governance-Begriff eignet sich zur Analyse, Unterstfitzung und Lenkung der Entwicklung r~iumlicher Wettbewerbseinheiten. Bevor jedoch r~iumliche Wettbewerbseinheiten ftir diese Arbeit n~iher definiert und eingegrenzt werden, 346 werden die Eigenschaften des Raumes und dessen Grundqualit~iten skizziert. Im Vordergrund steht der Einfluss des Raumes auf die gesellschaftliche Entwicklung. 347
1. D e r R a u m Der Mensch wird in den Raum geboren. Er erscheint uns Menschen zungchst als etwas Selbstverstgndliches. Beim ngheren Hinsehen erweist sich der Raum jedoch als ein vieldeutiges Gebilde. Grunds~tzlich kann man zwischen objektivem und subjektivem Raum unterscheiden. Zu ersterem geh6ren der abstrakte Raum, wie ihn der Mathematiker sieht, und der konkrete Raum, der unserem geographischen Denken entspricht und welcher analysierund berechenbar ist. Im Unterschied dazu wird der subjektive Raum von den Menschen ganz unterschiedlich erlebt - er vergndert sich mit der Entwicklung des Menschen. 348 Die Menschen sind sich nicht immer klar darfiber, dass nicht der Raum, nicht die Grenzen und Raumeinteilungen bestimmen, ob es sich um Freundes- oder Feindesgebiet, um Ausland oder Inland, um Heimat oder Fremde handelt, sondem das tun die psychologischen Kr~ifte wie eine gemeinsame Kultur oder Identit~it, welche die Menschen primer zusammenhalten. Der Raum hat Einfluss auf die Geschehnisse, auf die Menschen und ihre Beziehungen. Bei einer bestimmten Betrachtung yon Vorg~ingen steht der Raum im Vordergrund und erscheint f't~r eine klare Dokumentierung und Darstellung gewisser Ereignisse besonders geeignet.
346 Die Arbeit beschgftigt sich mit einer bestimmten Ebene der r~iumlichen Wettbewerbseinheiten und zwar mit Regionen und touristischen Destinationen. 347 Vgl. Simmel, G., Formen der Vergesellschaftung, 1908, S. 460 ff. 348 Vgl. Spitzer, H., Raumnutzungslehre,1991, S. 21 ff.
1.1 Die Grundqualit~iten des Raumes Simmel unterscheidet ffinf Grundqualit~iten der Raumform, die das Gemeinschaftsleben beeinflussen und somit ffir die Entwicklung der Gesellschaft bedeutsam sind: die AusschlieBlichkeit, die Begrenzung bzw. der Raum als Einheit, die Fixierung, die N~ihe oder Distanz und die Bewegung im Raum. Diese Grundqualit~iten werden nachfolgend diskutiert.
AusschlieBlichkeit Jeder Raum ist einzigartig. Die Besonderheit geht auch dann nicht verloren, wenn man den Raum beliebig oft unterteilt. Von dieser Eigenschaft profitieren Gegenst/~nde oder gesellschaftliche Gebilde, die sich mit dem Raum verschmelzen. Solche mit dem Raum verschmolzenen sozialen Konstrukte sind gekennzeichnet durch eine innerliche Beziehung zum Raum und durch die alleinige Beanspruchung desselben. Ein typisches Beispiel ist der Staat - er ist verschmolzen mit einem bestimmten Raum. Wird die AusschlieBlichkeit des Raumes nicht respektiert, so kommt es zu Kollisionen, die zu neuen Grenzziehungen ftihren k6nnen. Andere gesellschaftliche Gebilde k~nnen einen Raum gleichzeitig besetzen, da es keine innerliche Bindung zum Territorium gibt. So ist zum Beispiel die katholische Religion ,tiberr/~umlich', sie bindet sich nicht an bestimmte R/~ume und erhebt den Anspruch der Allgegenw~irtigkeit. Staat und Kirche sind Beispiele von zwei Polen, n/~mlich der v611igen territorialen Festgelegtheit und der damit verbundenen AusschlieBlichkeit und als gegens~itzlicher Pol die v611ige Oberr/~umlichkeit und die dadurch m6gliche Vielfachheit. Die Oberg/~nge zwischen diesen Polen sind flieBend. So sind zum Beispiel St/~dte territorial gebunden und doch reicht ihr Einfluss oft tiber die offiziellen Grenzen hinaus.
Begrenzung Der Raum ist zerlegbar bzw. in beliebig viele Einheiten unterteilbar. Auch wenn der Raum grunds/~tzlich keine vorgegebenen, objektiven Einteilungen kennt, so bilden Raum und Grenze doch eine Einheit. ,,Zum Raum geh/Srt die Grenze sowie die Grenze zum Raum .... Die R~iume unseres Erdballs sind an sich begrenzt und ein subjektiver Raum ist ohne Grenze nicht vorstellbar. Andererseits w/~re die Grenze ohne den Raum ein Nichts. Betrachtet man also R~iume, so sucht man automatisch nach Grenzen, und betrachtet man umgekehrt Grenzen, so bildet man gleichzeitig R~iume.''349 Der Raum wird durch Grenzen sozusagen ,aufger/~umt'. Grenzen dienen zum einen dazu, sich gegen die auBen stehende Welt abzuschirmen und zum anderen, sich innerhalb der Grenzen zusammenzufinden und zusammenzuschlieBen. So wirkt eine Gesellschaft durch den Aufbau von Grenzen als Einheit, als zusammengeh6rend. Im Gegensatz dazu k6nnen Grenzen auch einengen oder behindern. Da die Natur selbst keine Grenzen kennt, sind es weniger nattirliche Gegebenheiten wie Berge oder Fltisse, sondern vor allem politische Grenzen, die das Gef'tihl von Eingegrenztheit in den Menschen wecken. Das ist damit zu erkl~iren, dass vom Menschen
349Spitzer, H., Raumnutzungslehre, 1991, S. 25. 84
gezogene Grenzen hinterfragbar, grunds~itzlich ver~inderbar sind und verschiedenste G e ~ h l e hervorrufen k6nnen. Simmel spricht in diesem Zusammenhang von ,lebendigen' Grenzen. Wird die von Hand gezogene Grenze durch die Natur betont, zum Beispiel durch einen Gebirgskamm oder eine Ktiste, so ist diese Grenze ftir die Menschen meist weniger widersprtichlich und wirkt auf sie ,nattirlicher'. Solche doppelten Grenzziehungen pr~igen die Beziehungen der Menschen zueinander dann auf besondere Weise und schaffen Abstand zu den Aul3enstehenden. Grenzen k6nnen zum einen vollkommen undurchl~ssig und scharf sein oder im Gegenteil dazu v611ig durchl~ssig und unscharf: ,,In den meisten F~llen besteht ein Zustand zwischen diesen beiden extremen Positionen, so daf3 gewfinschte Abkapselungswirkungen auftreten, aber auch im Interesse der r~umlichen Entfaltung erforderliche Durchl~ssigkeiten m6glich sind. ''35~ Die Natur kann nicht nur politische Grenzen unterstfitzen, sondern auch Menschen verbinden. Menschen, die in einer einzigartigen, unverkennbaren Natur leben, identifizieren sich mit der Landschaft und f'dhlen sich auf besondere Weise mit dieser Landschaft verwoben.
Fixierung Die Fixierung als weitere Grundqualit~t des Raumes, welche das soziale Beisammensein beeinflusst, bezieht sich auf die r~umliche Bestimmbarkeit einer Gruppe, ihrer Elemente oder der Gegenst~nde ihres Interesses. Eine Gruppe kann ihre Mitglieder zum Beispiel mit gesetzlichen Bestimmungen fixieren. Dabei gilt, je primitiver die Geistesverfassung, desto weniger kann die Zugeh6rigkeit zur Gruppe ohne lokale Anwesenheit bestehen und desto mehr sind die realen Verh~ltnisse auf die Gegenw~rtigkeit der Menschen angelegt. Mit gr613erer geistiger Biegsamkeit und Spannweite kann die Zugeh6rigkeit auch bei Abwesenheit bewahrt werden. Sind Gruppen um einen r~umlichen Interessenpunkt fixiert, so wird dieser zum Drehpunkt: Verschiedenste Beziehungen entwickeln sich um ihn herum. Jedes unbewegliche Gut, das Mittelpunkt wirtschaftlicher Transaktionen ist, stellt einen solchen stabilen Drehpunkt dar. Er vermittelt trotz labiler Verh~ltnisse und Wechselwirkungen Unzerst6rbarkeit und Unverg~nglichkeit, da er genau fixiert ist. Der Drehpunkt gewinnt seine Bedeutung jedoch nicht aufgrund seiner r~umlichen Fixierung und seiner Immobilit~t, sondern wegen gewisser, an ihn geknfipfter Funktionen. Soziologische Drehpunkte im Raum, deren Ausgestaltungen und deren Bedeutung far die Menschen bestimmen unser Dasein. TM Einmalige Erlebnisse scheinen mit dem Ort zu verschmelzen. Diese soziologische Bedeutung des im Raum fixierten Punktes n~hert sich einer Individualisierung des Ortes.
350 Spitzer, H., Raumnutzungslehre, 1991, S. 25. 351 ,,Ob geistige und gesellige Beziehungen ein festes Zentrum haben, um das herum Interessen und Gespr~iche zirkulieren oder ob sie einfach dahin fliesen, ob zwei politische Parteien einen festen Punkt zwischen sich besitzen.... oder ob ihr Verh~iltnis sich von Fall zu Fall ohne Pr~ijudiz entwickelt; ob in dem einzelnen Menschen ein starkes einseitig gef~irbtes Lebensgeftihl herrscht, - etwa ~isthetischer Art das alle seine verschiedenartigen Interessen, religi6se wie theoretische, gesellige wie erotische, verbindet, gegeneinander abt6nt, in einer Sph~ire festh~ilt - oder ob seine Interessen sich ohne solche dauernde Ri.ickbeziehung und richtendes Mal3 nur nach ihren eigenen Starkeverhaltnissen entfalten - das bedingt ersichtlich die gr6f3ten Unterschiede der Lebensschemata und bestimmt durch fortw~ihrende K~impfe und Mischungen beider den wirklichen Verlauf unsres Dasein" (Simmel, G., Formen der Vergesellschaftung, 1908, S. 476). 85
N~he und Distanz Die N~ihe und auch die Distanz haben Einfluss auf die Beziehung zwischen Menschen. Wenn sich Menschen aufgrund gleicher Interessen, Ideen etc. verbinden, so ist es von Bedeutung ftir ihre Beziehung, ob sie sich r~iumlich bertihren oder voneinander getrennt sind. Sind die Mitglieder einer Gruppe r~iumlich voneinander getrennt, so kann durch indirekten Verkehr wie tiber Post, Telefon und noch mehr durch die Phantasie eine bestimmte N~ihe erzeugt werden. Bei den rein sachlich-unpers6nlichen und den rein auf die Intensit~it des Geftihles ausgerichteten Verbindungen, gelingen die Beziehungen auch ohne r/aumliche N~ihe. Je mehr von diesen beiden Extremen abgelSickt wird, umso mehr wird die r~iumliche N~ihe erforderlich. Zunehmende N~ihe wird meist mit einer Zunahme der Intensit/at einer Beziehung gleichgesetzt. Sie kann jedoch auch zu Abschw/achungen, Reserven oder Repulsionen fiihren. Wenn die ~iufSere Distanz fehlt, so kommt es zur Betonung der inneren Distanz, zur Abwehr unangemessener Intimit~iten. Die Distanz ist verbunden mit gr6fSerer Sachlichkeit, mit einer Milderung der pers6nlichen Zuspitzungen, 15bereilungen und Heftigkeiten, die bei r~umlicher N~he durch Vorsichtigkeit und Umwegen ausgeglichen werden mtissen. Je primitiver das Bewusstsein, d. h. je geringer die Abstraktionsffihigkeit, desto unffihiger sind die Menschen, sich zu einer r~umlich getrennten Gruppe zugeh6rig zu ffihlen oder sich nicht zugeh6rig zu einem r~umlich Nahem zu ffihlen. Menschen, die in einer Grol3stadt leben, sind an fortw~ihrende Abstraktionen und an die Gleichgtiltigkeit gegen das r/aumlich Nahe oder die enge Beziehung zu dem r~iumlich Entfernten eher gew6hnt als die Menschen, die auf dem Land leben. Die Forschung zeigt, dass soziale Netzwerke in der Stadt nicht weniger dicht, aber verstreuter und daher offener sind, als auf dem Land: Es sind eher Wahlverwandtschaften, die die Enge lokaler Netzwerke tiberwinden. 352 Die r/aumliche Distanz hat einen /ihnlichen Einfluss auf die menschlichen Beziehungen wie die Intellektualit~it. Bei Beziehungen auf Distanz werden Erregungen, Reibungen oder Repulsionen abgeschw~icht. Da dies bei r~iumlicher N/ahe nicht der Fall ist, liegen Freundschaft und Feindschaft manchmal sehr eng beieinander. Zudem ersetzt die r~iumliche Entfernung die oft verstimmenden Regeln, mit deren Hilfe es erst m6glich wird, bei ununterbrochener N/ahe eine innere Distanz aufrecht zu halten.
Bewegung im Raum Die letzte der fiinf Grundqualit/aten des Raumes bezieht sich auf die M6glichkeit der Menschen, sich von Ort zu Ort bewegen. Der Ortswechsel, das Wandern hat Einfluss auf die Wechselwirkungen zwischen den Menschen. Zwischen der Bewegung im Raum und der Differenziertheit sozialer und pers6nlicher Daseinsinhalte besteht ein Zusammenhang: Im Raum stabile Gesellschaften k6nnen sich innerlich stark differenzieren, w~ihrend wandernde Gruppen durch die Bewegung die Differenzge~hle von vornherein gedeckt haben. Die Mitglieder einer wandernden Gruppe sind aufeinander angewiesen. Die Gegenwart ist ihnen wichtig und das Momentane triumphiert oft tiber das sachlich Wesentlichere. Die Ausnahme macht der moderne Mensch, der ein st~indig wachsendes Unterschiedsbedtirfnis hat und gleichzeitig nach dem Ortswechsel und nach der Differenziertheit strebt.
352 Vgl. H~iussermann,H. & Siebel,W., Gemeinde-und Stadtsoziologie, 1993, S. 363 ff. 86
Moderne Kommunikationsmittel sind grunds~tzlich gut geeignet, sachliche Nachrichten zu verbreiten. Werden die Botschaften durch eine reisende Person fiberbracht, so spielt die Pers6nlichkeit derselben eine bedeutende Rolle. Heute k6nnen Nachrichten fibermittelt und sachliche Beziehungen aufgebaut werden, die das Pers6nliche (fast) augerhalb lassen. Nachrichten kOnnen von einem Element zu beliebig vielen anderen gelangen und so gelingt es leichter, schneller und grfindlicher, dass Menschen sich als eine fiber den Raum hinwegspannende Einheit f'tihlen. Mittlerweile haben heute, in Zeiten der Globalisierung und der Vernetzung, viele Menschen Angst vor einer globalen und kulturellen Vereinheitlichung. Spitzer beruhigt: ,,Die Welt ist zwar bereits mit einem Netz ubiquit~rer Kommunikation aberzogen und schickt sich an, dem Personen- und G~iterverkehr Ubiquit~t zu verleihen, aber es bestehen in ihr dennoch viele Kulturen, welche Austausch und Abkapselung gleichzeitig betreiben. ... In einigen Schichten und Auspr~gungen von Kulturelementen herrscht reger Austausch, sogar bis zu dem Ergebnis der Egalisiemng, wie etwa beim Nachrichtenwesen oder der Waffentechnik. In anderen herrscht Abkapselung oder doch Eigenst~ndigkeit und Stabilitfit, wie etwa in Religion oder Sprache .... Die heutigen Kulturen stehen also wie die frfiheren zwischen den Polen des Fremdeinflusses und der Eigenst~ndigkeit. ''353 Die Ausfahrungen zeigen die Bedeutung des Raumes. Die Menschen irren, wenn sie glauben, der Raum wgre heute nur mehr ein Anh~ingsel der Zeit. Die soziologische Sicht auf den Raum verdeutlicht, dass Raum viel mehr ist, als nur die Zeit, die man braucht, um den Raum zu durchschreiten. Er beeinflusst die Beziehungen zwischen den Menschen. Dieser Einfluss muss bei der Governance yon rgumlichen Wettbewerbseinheiten bergcksichtigt werden.
1.2 R a u m und Zeit ,,Heute kennzeichnet unsere westlich industrialisierte Kultur eine unumschr~nkte Mobilit~it, eine scheinbar vollst~indige Verffigbarkeit fiber Raum und Zeit. ''354 Wir leben in einem dreidimensionalen Raum, der sich auf einer Zeitachse in Richtung Zukunft bewegt. 355 Verandemngen im Raum sind nur in der Zeit m6glich und in diesem Sinn ist die Zeit die formale Bedingung aller Entscheidungen und Entwicklungen. 356 Die Zeit ist eine soziale Konstruktion und es hat immer explizite Formen der Gestaltung von Zeit gegeben. Dabei kann es zu Zeitkonflikten kommen. Diese entstehen wenn bestimmte Akteure Zeiten vorgeben k6nnen, wghrend sich andere Akteure diesen Vorgaben anpassen mt~ssen. Gegenw~irtig sind verschiedene zeitliche Ver~indemngen zu beobachten wie Beschleunigung, Flexibilisierung oder Ausdehnung, welche verschiedene soziale, 6konomische vor allem aber rgumliche Wirkungen haben. Die Beschleunigung, die sich primgr in der Verkfirzung von Produktlebenszyklen, der Beschleunigung von Verkehrsmitteln oder der Informationsweitergabe widerspiegelt, beeinflusst die Gr6f3e von Einzugsbereichen, die Lebensdauer von Standorten oder die Fl~icheninanspruchnahme. Die Flexibilisierung hingegen umfasst die Aufl6sung von starren und massenhaften Rhythmen und fahrt zur Ausdifferenzierung der Nachfrage bei
353 Spitzer, H., Raumnutzungslehre, 1991, S. 314. 354 Herdin, Th. & Luger, K., Der eroberte Horizont, 2001, S. 7. 355 Vgl. D6mer, D., Die Logikdes Miglingens, 1992, S. 156. 356 Vgl. Kant, I., Kritik der reinen Vernunft, 1887, S. 50. 87
vielen Dienstleistungen, zur Notwendigkeit individueller zeitlicher Koordination sowie zur Individualisierung von zeitlichen Rhythmen. Bei der Ausdehnung geht es um die Nutzung zeitlicher Areale, wobei der Trend in Richtung Kontinuierlichkeit geht, was zum Beispiel Auswirkungen auf die Angebotszeiten far Dienstleistungen aller Art bedeutet. 357 In der Erinnerung der Menschen ist der Ort eine st~irkere assoziative Kraft als die Zeit, da er sinnlich anschaulicher ist. Raum kann als ,Ordnung nebeneinander' und die Zeit als Ordnung ,hintereinander '358 interpretiert werden. 3s9 Grunds~itzlich spielt sich alles Handeln in Zeit und Raum ab und somit ist ein enger Bezug zwischen zeitlichen und r~iumlichen Aspekten zwangsl~iufig gegeben. Ergebnis von Anderungen im Raum-Zeit-Verh~iltnis kann mehr disponible Zeit oder ein erweiterter Aktionsraum sein. 36~ Grunds~itzlich gilt, je h6her die Dichte von Menschen und Funktionen auf einem bestimmten Raum desto geringer die Zeit, die aufzuwenden ist, um mit einer Vielzahl von Akteuren zu interagieren und bestehende Funktionen zu nutzen. Dieser Vorteil von r~iumlicher N~ihe kann sich durch die beschriebenen Entwicklungen ver~indern. Zum einen wird der Raum ,verbogen', was dazu fahrt, dass r~iurnlich entfemte Orte zum Beispiel durch neue Verkehrsmittel n~iher ~cken, w~ihrend r~iumlich nahe Orte nur mit hohem Zeitaufwand erreichbar sind. Zum anderen kann die Substitution von r~iumlicher N~ihe zum Beispiel durch neue Formen der Telekommunikation beobachtet werden. Unmittelbare r~iumliche N~ihe ist somit nur beim pers6nlichen Austausch von Waren, Dienstleistungen oder Informationen n6tig. 361 Bei r~iumlichen Wettbewerbseinheiten wie Tourismus-Destinationen spielt die r~iumliche N~ihe jedoch nach wie vor eine grol3e Rolle. Sie weisen neben der r~iumlichen Fixierung und dem territorialen Charakter vieler Leistungen auch beztiglich Produkt und Markt eine hohe zeitliche Stabilit~it auf. 362 Trotzdem sind auch hier die Strukturen, Verbindungen und Leistungen einem stetigem Wandel ausgesetzt. Insgesamt gilt es zu diskutieren, wie dauerhaft Strukturen und Kooperationen sein sollen, um Stabilit~it zu gew~ihrleisten ohne notwendigen Ver~inderungen auszuschliel3en. Ver~inderungen in Raum und Zeit beeinflussen in diesem Sinn nicht nur Produkt und Positionierung, sondem auch die Steuerbarkeit und Steuerungsf'~ihigkeit der Raumeinheit. 363 Steuerndes Eingreifen setzt daher voraus, dass die Akteure die 6konomischen und r~iumlichen Implikationen zeitlicher Ver~inderungen wahrnehmen und berticksichtigen. 364 Die zeitliche Verflechtung von Aktivit~iten und deren r~iumliche Verortung m~ssen bei der Entwicklung von Wettbewerbseinheiten im Blickfeld bleiben.
357 Vgl. Henckel, D., Raumzeitpolitik,2004, S. 14 ff. 358 ,,Die Zeit erm6glicht, dass ein Element des Wirklichen sowohl in einem minimalen Moment vorhanden sei, als auch, dass es von diesem Moment aus durch nachfolgende Momente hindurch verharre. Sie erm6glicht, dass das Element in dem nachfolgenden Element von einem andem abgel6st werde, mit diesem in das Verh~iltnis der Succession trete" (D6ring, A., Uber Zeit und Raum, 1894, S. 19). 359 ,,Verschiedene Zeiten sind nicht zugleich, sondem nacheinander (so wie verschiedene R~iume nicht nacheinander, sondern zugleich sind)" (Kant, I., Kritik der reinen Vernunft, 1887, S. 47). 360 Vgl. Wegener, M., Beschleunigung, Erreichbarkeitund Raumgerechtigkeit,2004, S. 27. 361 Vgl. Henckel, D., Raumzeitpolitik,2004, S. 17. 362 Vgl. Laesser, Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik, 2002, S. 81. 363 Vgl. Staber, U., Steuerung von Unternehmensnetzwerken, 2000, S. 78 ff. 364 ,,Die zeitlichen Strukturen und ihre Ver~inderungen werden an ihren Kosten-Nutzen-Relationen gemessen, Wachstumseffekte, Kosteneffekte, insbesondere die Folgen ~r die externen Kosten, die Transaktionskosten und die r~iumlichen Umstrukturierungen werden explizit betrachtet" (Henckel, D., Raumzeitpolitik, 2004, S. 22). 88
2. W e t t b e w e r b s e i n h e i t e n auf regionaler Ebene Rgumliche Wettbewerbseinheiten k6nnen auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden: auf globaler, kontinentaler, nationaler, regionaler oder lokaler Ebene. 365 Die Wahrnehmung der Bedeutung lokaler sowie regionaler Rgume und Unterschiede als wesentliche Faktoren der Wettbewerbsf'ghigkeit hat die Auseinandersetzung mit Regionen sowie deren Governance gef6rdert. Diese Arbeit beschgftigt sich mit der regionalen Ebene und im Spezifischen mit touristischen Destinationen. Regionen werden betrachtet als begrenzte Raum-Zeit-Ausschnitte, deren Entwicklung von den Handlungen der Akteure beeinflusst wird. In diesem Sinn stellen touristische Destinationen Regionen dar. Die Besonderheiten von Destinationen und deren Governance k6nnen somit in Anlehnung an die Ausffihmngen zu Regionen im Allgemeinen und aufbauend auf den Regional-Governance-Ansatz untersucht werden. ,,In der entgrenzten Welt wird der begrenzte Raum far das wirtschaftliche, soziale und politische Handeln nicht unwichtig, er vergndert sich nur und wird durch globale Problem- und Handlungszusammenhgnge beeinflusst. Gleichzeitig mt~ssen in regionale Rgume Aktivitgten integriert werden, die (in globalen Zusammenh~ingen) in spezialisierten Organisationen und Teilsystemen erft~llt werden. Far viele Aktivit~iten ist die Welt eben z u grof3.''366
2.1 Die Region In der Wissenschaft wird vieles als Region b e z e i c h n e t - nur grob abgrenzbare Gebiete, Aggregate von kleinsten r~iumlichen Baueinheiten, politisch-administrative Gebietseinheiten, geographisch bestimmbare R~iume mittlerer Gr6genordnung, Raumeinheiten innerhalb eines Staates oder Gebiete, die sogar aus mehreren Staaten oder gar Kontinenten bestehen k6nnen. Diese Aufz~thlung, die fortgef'tihrt werden k6nnte, verdeutlicht, dass mit Region nicht von vornherein ein eindeutig bestimmbares Territorium gemeint ist. Boustedt betrachtet Regionen generell als Gebiete, die ,,durch Heranziehung mehrerer bis vieler Merkmalsdimensionen konstruiert werden. ''367 So k6nnen Regionen nach agrar-, wirtschafts- und soziaMiumlichen Gliederungen definiert werden, wobei die Verbindung mit einem Adjektiv oder Substantiv die Region (ebenso wie den Raum allgemein) gegenst~indlich und fassbar macht. Sehr allgemein definiert kann die Region als sozialwissenschaftliches Konstrukt verstanden werden, das auf unterschiedliche Wirklichkeiten angewendet werden kann. 368 In diesem sozialwissenschaftlichen Sinn werden Regionen durch menschliches Handeln konstituiert.
365 Vgl. Spitzer, H., Raumnutzungslehre, 1991, S. 90. 366 Benz, A. & Ft~rst,D., Region - Regional Governance- Regionalentwicklung, 2003, S. 11. Boustedt listet verschiedene Definitionen auf, die die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Begriffsinhalte verdeutlicht (vgl. Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 83 ff). 367 Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 74. 368 Vgl. Benz, A. & Farst, D., Region - Regional Governance- Regionalentwicklung, 2003, S. 15. 89
Aus der Vielzahl der verschiedenen Definitionen von Region k6nnen einige allgemeine Merkmale erarbeitet werden, welche Regionen im Wesentlichen charakterisieren. Benz und Ffirst nennen folgende allgemeine Charakteristika: Regionen haben den Charakter intellektueller Konstrukte, sie sind gekennzeichnet durch den Zusammenhang (Interdependenz) zwischen Orten und Aktivit~ten und die Grenzen ergeben sich aufgrund bestimmter und besonderer Kriterien. 369 Ahnlich hat Boustedt einige allgemeine Merkmale heraus gearbeitet, die zur Definition der Region erforderlich sind. Diese k6nnen als weitere Konkretisierung betrachtet werden: 37~ -
-
-
-
Hierarchiekriterium: Die Region ist (Raum-)Teil eines gr613eren (Raum-)Ganzen sowie (Raum-)Ganzes in (Raum-)Teilen. Das Ganze ist dabei mehr als die Summe der Teile und ergibt somit eine neue Qualit~t. TM Individualit~tskriterium: Die Region ist ein Raumausschnitt mit individuellen Merkmalen, durch die sie sich gegenfiber benachbarten Raumausschnitten abhebt. Nichtm6glichkeit einer objektiv begrfindeten linearen Begrenzung: Die Identit~t 372 und Individualit~t der Region mindert sich kontinuierlich oder diskontinuierlich von einem Kernraum zu einem Peripherieraum. Theoretische Unabh~ngigkeit von einer bestimmten Raumgr6ge: Die Gr68e der Region h~ngt ab von verschiedenen Bestimmungsgrfinden.
Insgesamt entsteht aus dem Zweck, mr den regionalisiert werden soll, ein konkreter Regionsbegriff. Daraus abgeleitet ergeben sich die regionsbestimmenden Merkmale oder Merkmalskombinationen sowie die Gr68enordnung. Regionen k6nnen durch Kerne und Randzonen beschrieben werden. Die Grenzen lassen sich aufgrund der abnehmenden Dichte von Verflechtungszusammenh~ngen zwischen Ortspunkten oder 6rtlich gebundenen Akteuren bestimmen. Ob genaue Grenzen gezogen werden sollen, h~ngt von den Funktionen ab, die eine Region erf'tillen soll. Vielfach ist eine gewisse Offenheit von Vorteil oder sogar notwendig. 373 Region ist somit ein Raum beliebiger Gr613e, in dem durchgehend irgendwelche r~umlichen Beziehungen zwischen Ph~nomenen bestehen. 374 Entscheidend ist, dass sich relevante Akteure verbunden ffihlen und Interdependenzen entsprechend genutzt und geregelt werden. Das Verhalten einer Region wird determiniert von den inner- wie auBerregionalen Akteuren wie Unternehmen, Institutionen oder Verb~nden. Ihr Zusammenwirken, aber auch ihr Nicht-Zusammenwirken, bestimmt die Entwicklung und das Verhalten einer Region. 375 Somit werden Regionen zu Schnittstellen, an welchen territoriale und funktionale Organisationsprinzipien aufeinander treffen.
369 Vgl. Benz, A. & Ffirst, D., Region - Regional Governance- Regionalentwicklung, 2003, S. 15. 37o Vgl. Heiland, I., Der Begriff Region, 1968, S. 658 f.; Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 86. 371 Vgl. Spitzer, H., Raumnutzungslehre, 1991, S. 315 372 Regionale Identit~t bildet sich zum einen durch funktionale bedeutende Dimensionen wie Wirtschaft, Politik, Okologie oder Kultur und zum anderen durch Faktoren wie Werte, Zeichen oder geschichtliche Erfahrungen (vgl. Thierstein, A. & Egger, U.K., Integrale Regionalpolitik, 1994, S. 103). 373 Vgl. Benz, A. & Ffirst, D., Region - Regional Governance- Regionalentwicklung, 2003, S. 17 f. 374 Vgl. Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 144. 375 Vgl. Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 11. 90
2.2 Regionstypisierung Regionen bestehen aus den Raumelementen Bewegungen, Netze, Knoten, Hierarchien sowie Fl~ichen und Felder? 76 ,,Regionale Siedlungsstrukturen er6ffnen sich einmal durch Betrachtung der siedlungsm~iBigen Gesamtstruktur, der Pr~igung und Typisierung eines Gebietes und zum anderen durch Betrachtung der von den Elementen Punkt und Linie gebildeten r~iumlichen Muster. ''377 Dominieren gewisse Raumelemente, so k6nnen entsprechende Regionstypen ausgemacht werden. 378 B~itzing, Messerli und Perlik unterscheiden zum Beispiel in ihrer regionalen Analyse zwischen zentrendominierten, nichtzentrendominierten, l~indlichen, Pendler- und Entsiedelungsregionen. 379 Es ist m/$glich, diese dann wiederum je nach vorhandenen Merkmalen in Subtypen zu gliedern. Entsprechend k6nnen die Regionstypen eine agrarische, industrielle, touristische oder sonstige Pr~igung aufweisen? 8~ Spitzer hingegen unterscheidet zwischen Regionen mit grogen Verdichtungsriiumen, Regionen mit Verdichtungsans~itzen und liindlichen Regionen. 38~ Typische Gegensatzpaare sind somit zum einen der l~indliche Raum und zum anderen der st~idtische.
v...." .4 "'"""ll/ ...." ,A"
..~' ........
:.
i.., ...."., ~,
~
-
Bewegungen
~
"~
Netze 0
9
......
"h Hi
Fl~chen und Felder
Abbildung 15: Regionale Raumelemente Quelle: In Anlehnung an Haggett, P., Locational Analysis, 1965, S. 18 zitiert nach Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 82.
376 Vgl. Haggett, P., Locational Analysis, 1965, S. 18 zitiert nach Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 81. 377 Spitzer, H. Raumnutzungslehre, 1991, S. 243. 378 Die Typisierung zur Charakterisierung yon Raumeinheiten bedeutet, dass die dominierenden Merkmale ermittelt werden, die die spezifischen Eigenschaften des Gebietes wiedergeben. Es liegt die Hypothese zugrunde, dass die Vielfalt von Erfahrungsvariablen in ihren Grundzilgen auf wenigen Ausgangsvariablen zurtickgeftihrt werden kann (vgl. Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 102 f.). 379 Vgl. B~itzing, W. et al., Regionale En~'icklungstypen, 1995, S. 41 ft. 38o Die EU unterscheidet funktionale Regionen auf Basis der Pendlerbeziehungen zwischen Stadt und Umland, wobei folgende Einteilung diskutiert wurde: Regions dominated by a large metropolis, polycentric regions with high urban und rural densities, polycentric regions with high urban densities, rural areas under metropolitan influence, rural areas with networks of medium-sized and small towns and remote rural areas (vgl. B~itzing, W. et al., Regionale Entwicklungstypen, 1995, S. 46). 381 Vgl. Spitzer, H., Raumnutzungslehre, 1991, S. 243 f. 91
2.3 Abgrenzung von Regionen ,,Die Analyse von Regionen erfolgt mit Blick auf die Eigenarten und auf die sich daraus ergebenden regionalen Unterschiede. W~re es nicht so, liegen sich innerhalb eines Gesamtraums gar keine Regionen ausmachen. ''382 Es gilt also Abgrenzungsmerkmale zu definieren. Gmnds~tzlich ist die Abgrenzung von Regionen vom Zweck der Regionenbildung und von den vorhandenen Eigenschaften abh~ngig. Es gibt eine Vielzahl von Abgrenzungen, die verwaltungstechnisch, wissenschaftlich, wirtschaftlich, sozial, statistisch oder politisch begriindet sein k6nnen. 383 Wahrend Wirtschaftsregionen prim~ir durch die Verflechtungen wirtschaftlicher Aktivit~iten oder Besonderheiten gekennzeichnet sind, bezieht sich der soziale Aspekt auf Merkmale der Bev61kemng oder der Kultur. Politisch konstruierte Regionen dienen hingegen einer bestimmten Funktion des Staates und da die Staatsfunktion wirtschaftliche, soziale, kulturelle und 6kologische Aspekte mit einschliel3t, sind politische Regionskonstruktionen vielfach mit den entsprechenden sozial konstruierten R~iumen deckungsgleich. Obwohl die Abgrenzung von Regionen flexibel gestaltet werden kann, k6nnen die Grenzen doch nicht v611ig willktMich gezogen werden, da sie sich aus sachlichen Zusammenh~ngen ergeben. Es gelingt jedoch nicht immer, eindeutige Linien zu ziehen, wie es bei politischen Einheiten der Fall ist. 384 Grunds~tzlich sollte die Abgrenzung sprich Gr6Be einer Region die gezielte Beeinflussung der regionalen Entwicklungspotentiale und eine wettbewerbsf'~hige strategische Ausrichtung erm6glichen. Es gilt zu beNcksichtigen, dass in sehr grogen Regionen horizontale Kooperationen schwieriger sind als in kleinen Gebieten, da die r~umliche N~he nicht mehr so stark gegeben ist. Bei der Abgrenzung muss weiter beachtet werden, dass eine Verzerrung des interregionalen Wettbewerbs droht, wenn einzelne Regionen die Nachteile ihres Tuns auf andere abwNzen oder von der T~tigkeit anderer profitieren k6nnen, ohne selbst als Kostentr~iger aufzutreten. Derartige ,Spillovers' k6nnen jedoch nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen ~hren, sondern auch zu einer Fehlallokation von Ressourcen. 38s Sauerland f'tihrt aus, dass es gmndsgtzlich zwei M6glichkeiten der Abgrenzung von Regionen gibt. 386 Zum einen kann eine Region als politische Jurisdiktion definiert und anhand ihrer rgumlichen Ausdehnung abgegrenzt werden. Zum anderen k6nnen Regionen als Clubs von Kommunen oder anderen Jurisdiktionen betrachtet werden, die in interjurisdiktioneller Kooperation bestimmte Gemeinschaftsaufgaben 0bemehmen sollen. Die erste Variante entspricht einer politischen bzw. territorialen Abgrenzung, w~ihrend der zweiten Definition eine funktionale Abgrenzung zugrunde liegt. 387 Die Region als politische eigenst~indige Jurisdiktion bildet im Rahmen eines dezentral gegliederten Staatswesens eine Ebene politischen Handelns und es stellt sich die Frage, welche Aufgaben derart definierte Regionen in der vertikalen Kompetenzverteilung t~bemehmen sollten. Werden Regionen hingegen als
382 Spitzer, H., Raumnutzungslehre,1991, S. 315. 383 Vgl. Ft~rst,D., Region und Netzwerke, 2002, S. 1. 384 Vgl. Benz, A. & F~rst, D., Region - Regional Governance- Regionalentwicklung,2003, S. 17. 385 Vgl. Krafft, A. & Ulrich, G., Chancen und Risiken regionaler Selbstorganisation, 1993, S. 49 f. 386 Vgl. Sauerland, D., Politische und wirtschaftliche Bedeutung der Regionen, 2001, S. 482 ff. 387 Im Zentrum der Definitionen steht in der Regel die Funktionalit~t (vgl. Thierstein, A. & Egger, U.K., Integrale Regionalpolitik, 1994, S. 36). 92
Clubs eigenst~ndiger Jurisdiktionen betrachtet, so ergibt sich ein Geflecht von r~umlich fberlappenden funktionalen Kollektiven. Grundlage ist nicht mehr die Territorialverfassung eines Staates. Im Unterschied zu Sauerland beschreibt Scheff vier verschiedene Zug~nge zum Regionenbegriff und zwar einen territorialen, einen strategischen, einen funktionalen und einen analytischen Zugang. Diese Zug~nge zeigen in erster Linie verschiedene Perspektiven auf: Der strategische Blickwinkel sieht die Region als 6konomische Einheit, der analytische Zugang beschreibt eine politisch-administrative Perspektive, die funktionale Sichtweise betrachtet die Region als Umfeld, in welchem Probleme bearbeitet und Ziele erreicht werden k6nnen und schlieglich stellt der territoriale Zugang die Region als Raumeinheit dar. 388 Die Regionstypisierung und die Abgrenzung von Regionen sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Die Regioneneinteilung von Richardson macht dies deutlich. Er unterscheidet im Wesentlichen drei Typen: die homogene, die nodale oder polarisierte Region und die Planungsregion. Eine homogene Region weist mikro- wie makroOkonomisch ~hnliche oder gleiche wirtschaftliche Merkmale auf. Es werden somit Gebiete mit ~hnlicher Wirtschaftsstruktur, ~hnlichem Wachstum oder ~hnlichem Konjunkturverhalten zusammengefasst und verglichen. Die Abgrenzung einer nodalen oder polarisierten Region betont die Zentren der R~ume, um welche sich ein ,Hinterland' gruppiert. Vielfach wird dieses Gebiet vom Zentrum versorgt. Eine Abgrenzung, die sowohl Zentrum als auch Hinterland umfasst, ist schwierig, da am Rande der Region zunehmend die Einflfisse anderer, augerregionaler Zentren spfrbar werden. Die Planungsregion schlieglich entsteht aufgrund administrativer Uberlegungen, wobei das Funktionieren der regionalen Entscheidungsfindung im Vordergrund steht. 389 Diese Ausffihrungen zeigen, dass Regionen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und analysiert werden k6nnen. Entsprechend vielffiltig sind die M6glichkeiten der Abgrenzung. 39~ ,,Da es keine ,Metatheorie' daffr gibt, welcher Regionsabgrenzung man den Vorzug einr~umen soll, wird die Regionsabgrenzung letztlich vom Forschungsinteresse sowie von der Datenverffigbarkeit t~r forscherische Belange her bestimmt. ''39~ In dieser Arbeit soll eine mittlerweile fbliche zweckgebundene Abgrenzung von Regionen erfolgen, welche auch eine allgemeine Untersuchung von Regionen erlaubt. ,,In den wissenschaftlichen Disziplinen dominiert heute die Einstellung, dass eine allgemeine Diskussion fiber Regionsabgrenzung nur zweckgebunden erfolgen kann. ''392 Akteure definieren Regionen, indem sie bestimmen, welchen Raumbezug und welche Kooperationen wettbewerbsf'~hige Handlungen brauchen. Die Region und die in ihr agierenden Akteure sind somit voneinander abhfingig und bedingen sich gegenseitig.
388 Vgl. Scheff, J., Learning Regions, 2001, S. 27. 389 Vgl. Richardson, H.W., Economia regionale, 1971, S. 15 ff.; Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 35 f. 39o Je kleiner die betrachtete Region, desto starker ist die ausschliegende Wirkung hinsichtlich der Aussch~pfung von Lokalisationsvorteilen(vgl. Stahl, K., Regional6konomischeForschung, 1995, S. 20). 391 Genosko,J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 36. 392 Ffirst, D., Region und Netzwerke, 2002, S. 2. 93
Die Ausftihrungen von Whittlesey tiber Region und Regionalisierung fassen die wesentlichen Charakteristika von regionalen R~iumen zusammen, welche das Fundament fOr die Typisierung und die Abgrenzung darstellen: 393 -
-
-
-
-
-
Die Region umschliegt einen dreidimensionalen Ausschnitt der Erdoberfl~iche. Die Region ist einmalig, da sie sich aufgrund ihrer Lage von allen anderen Regionen derselben Kategorie unterscheidet. Die Region beinhaltet eine Vergesellschaftung zusammengeh6rig erachteter Ph~inomene. 394
zusammengeh6riger
oder
als
Der gegenw~irtige Charakter einer Region ist teilweise abzuleiten aus Bedingungen und Ereignissen der Vergangenheit. Die Region ist definiert durch Kriterien, die verkntipft sind mit der Regionskategorie (Regionstyp), zu der sie geh6rt und nicht durch Eigenschaften, die sich auf andere Regionskategorien beziehen. Die Region nimmt eine bestimmte Stellung in der Hierarchie ihrer Kategorie ein.
2.4 Die Bedeutung des regionalen Raumes Kant hat den Raum einmal als ,M6glichkeit des Beisammenseins' bezeichnet. In diesem Sinn k6nnen die Wechselwirkungen, sprich die Interaktionen zwischen den Menschen, den Raum fallen. Solche raumfollenden Wechselwirkungen machen aus Individuen Gesellschaften, Systeme menschlichen Zusammenlebens. Es gibt verschiedene Arten von Wechselwirkungen und somit auch verschiedene Formen des Beisammenseins. Simmel erw~ihnt zum Beispiel das Beisammensein im geistigen Sinne. Heute, knapp ein Jahrhundert sp~iter, hat dieser Hinweis eine neue Bedeutung. Es gibt kaum noch Grenzen fOr Information und Austausch, sodass wir mittlerweile von Globalisierung, Weltwirtschaft oder von Weltgesell-schaft sprechen. 395 Zeitweise schien es als ob der bisherige Raumbegriff, der auf Regionen, Staaten und begrenzter Mobilit~it aufbaut, an Gewicht verlieren, ja sogar tiberfltissig werden wtirde. Mittlerweile zeigt sich jedoch, dass gerade durch die Globalisierung eine Neubewertung und Aufwertung von lokalen R~iumen sowie von Regionen und kulturellen Unterschieden erfolgt. 396 ,,Das Abbr6ckeln der nationalstaatlichen Grenzen ... eliminiert das Problem des Raumes nicht, sondern verst~irkt es noch. Der Raum wird noch vielf~iltiger und feiner gegliedert. ''397
393 Vgl. Whittlesey, D., Regional Concept and the Regional Method, 1954, S. 35 ft. zitiert nach Boustedt, O., Empirische Regionalforschung, 1975, S. 142 f. 394 Vergesellschaftung ist ein Prozess der permanenten Wechselwirkungen, der sich in sozialen Formen manifestiert. So verwendet Simmel den Begriff Vergesellschaftung, um den dynamischen Aspekt der Gesellschaft zu verdeutlichen(vgl. Simmel, G., Formen der Vergesellschaftung, 1908, S. 460 ff.). 395 ,,Aus der Perspektive des Weltsystems erscheint der ProzeB der Globalisierung als zunehmende Integration von Regionen und Nationen in den Weltmarkt" (Altvater, E. & Mahnkopf, B., Grenzen der Globalisierung, 1996, S. 21). 396 Vgl. Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 120 ff. Doch nicht nur der Raumbegriff im Sinne von Regionen, Zonen, kulturellen Gebieten etc. erf~hrt eine Aufwertung. Auch der private Raum gewinnt an Bedeutung; er ist eine Schutzzone, die von anderen respektiert wird. Der moderne Mensch scheint eine Balance zwischen t~berschaubarerGeborgenheitund expandierenderOffenheit zu suchen. 397 Thierstein, A. & Egger, U.K., Integrale Regionalpolitik, 1994, S. 33. 94
Perlik und Messerli sehen das Regionale aus verschiedenen Grfinden als notwendige Kehrseite des Globalen. Die regionale Ebene ist: 398 -
Erg~nzung der globalen Ebene;
-
Ressource ffir globale Prozesse und Zulieferer sowohl von Gt~tern wie von Ideen; 399
-
-
Gegenstrategie zu aktuellen Entwicklungen durch die Kreation neuer Produkte und T~tigkeiten, um fehlende Konkurrenzf~higkeit auf traditionellen Arbeitsfeldern zu kompensieren; Korrektiv des Globalen unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit zur Begrenzung von Energie- und Stofffl%sen.
In diesem Sinn kann Globalisierung ohne lokale Bindungen nicht stattfinden, denn um auf dem globalen Markt erfolgreich zu sein, bedarf es der lokalen Einbindung und St~rke. 4~176 Zus~tzlich mfissen Akteure feststellen, dass ffir viele Aktivit~ten regionale Kooperationen notwendig sind, um auf den globalen Markt bestehen zu k6nnen. Regionalisierung gew~hrleistet gleichzeitig Identit~t und partielle Oberschaubarkeit. Regionen gewinnen vor allem dort an Bedeutung, wo die Aust~bung von Funktionen in einem r~umlichen Bezugsrahmen stattfindet oder differenziert nach R~umen erfolgt. Ein Beispiel hierf~r ist die Wirtschaft, die v o n d e r Konzentration von spezialisierten Unternehmen profitiert. 4~ Geographische, kulturelle und institutionelle N~he ffihrt zu privilegiertem Zugang, engen Beziehungen und weiteren Produktivit~ts- und Innovationsvorteilen, die sich aus der Ferne nur schwer umsetzen lassen. 4~ Kostensenkende Spezialisierungs- und Kooperationsvorteile k6nnen somit genutzt werden. ,,Die Einflul3m6glichkeiten auf die Leistungsfahigkeit und Kosten wichtiger Bereiche ... sind durch die unmittelbare N~he in den Regionen grOl3er und erm6glichen eine bessere, lJberkapazit~ten vermeidende, Beherrschung in ihrer Komplexit~t. ''4~ Viele Faktoren, die Wettbewerbsf~higkeit ausmachen wie stabile Rahmenbedingungen, Agglomerationseffekte, Kooperationen begfinstigende Wertesysteme oder Identit~ten sind immobil: ,,Diese Determinanten der Wettbewerbsf~higkeit entstehen nicht abstrakt in den globalen Funktionsr~umen der Weltwirtschaft, sie sind territorial gebunden. ''4~ Regionale Unterschiede und Besonderheiten sind ein wichtiger Innovationspool, wobei die Nutzung und Aufwertung von regionalen Potentialen die vorhandenen immobilen Faktoren st~rken. 4~ Die Region als Raum in welchem sich wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivitfiten verdichten ist somit Basis ffir die Wettbewerbsfahigkeit der in ihm agierenden Akteure. Wettbewerbsfahigkeit bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf ~konomische,
398 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~tze der Regionalentwicklung,2004, S. 7. 399 Vgl. Pechlaner, H. & Weiermair, K., Regionalisierungvon Tourismusorganistionen, 2000, S. 334. 400 Vgl. Altvater, E. & Mahnkopf, B., Grenzen der Globalisierung, 1996, S. 26 f.; EI3er et al., Systemische Wettbewerbsfahigkeit und Entwicklung, 2001, S. 161 f. 40~ Vgl. Benz, A. & Ffirst, D., Region- Regional Governance- Regionalentwicklung,2003, S. 19. 402 Vgl. Porter, M., The Competitive Advantage of Nations, 1990, S. 132 ff. 403 Werner, A., Zukunftsfahige Regionalentwicklung, 1999, S. 8. 404 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 16. 405 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~tze der Regionalentwicklung, 2004, S. 7; Weiermair, K., Touristische Attraktionspunkte,2003, S. 105; 95
sondern auch auf soziale, kulturelle, politische und 6kologische Aspekte. 4~ ,,Nicht mehr einzelne Teilzusammenh/~nge und Projekte verlangen Aufmerksamkeit, sondern die Region als Ganzes bildet den Kern systematischer Betrachtungen. ''4~ Damit eine Region ein geeignetes Umfeld fOr Organisationen darstellen und einen qualitativ hochwertigen Lebensraum fOr die Menschen abgeben kann, darf die Entwicklung des Raums nicht sich selber tiberlassen werden. Vielmehr braucht es eine bewusste Governance, um Handlungsspielr/~ume zu nutzen und die Leistungs- und Wettbewerbsffihigkeit einer Region auf- und auszubauen. ,,Die Wettbewerbsf~ihigkeit von Regionen wird heute in enger Beziehung zur F/~higkeit von Regionen gesehen, soziale und institutionelle Bindungen zwischen den Akteuren der Region derart aufzubauen, dass Regionen als Kollektive handlungsf~ihig werden. ''4~ Wettbewerbsf~ihigkeit bezieht sich sowohl auf den globalen Markt als auch auf den Wettbewerb zwischen den Regionen. 4~ Ftirst fasst die Bedeutung der Regionen als Grundlage von Wettbewerbsffihigkeit wie folgt 410 zusammen: -
Viele Aufgaben und Probleme k6nnen nur tiberlokal bewWtigt werden. Zus/~tzlich gibt es Bereiche wie die Tourismusentwicklung, die positive oder negative externe Effekte verursachen, und welche somit eine regionale Diskussion und Kooperation erfordern.
-
Die Region bietet aufgrund der geographischen N/~he der Unternehmen Systemvorteile wie Milieu-Effekte, Cluster- oder Agglomerationsvorteile. Die r/~umliche N~ihe begtinstigt Wissensaustausch und Innovationsvorteile.
-
-
Soziale Bindungen, aus denen Vertrauen, Solidarit/~t, wechselseitige Hilfsbereitschaft und eine gemeinsame Identit~it resultieren, dienen der Risiko-Reduktion und dem Informationsaustausch. Interaktionen k0nnen mit niedrigen Transaktionskosten erfolgen und Interaktionen werden erleichtert. Die Identit~ts- und Identifikationsbasis hilft weiters, Menschen zu kollektivem Handeln zusammen zu bringen.
Zus~itzlich bieten Regionen Potentiale fOr neue Formen der Governance, da sie zum einen durch schwache Institutionalisierung handlungsoffen sind und sich zum anderen die unterschiedlichen Steuerungslogiken wie Markt, Hierarchie oder Netzwerk gut verbinden lassen. ,,Regions are identity providing economic and business areas for the future. ''411 Zusammenfassend ist eine Region nicht nur ein geographischer Standort, sondern Ausdruck fOr Traditionen, Institutionen sowie r/~umlicher Kooperations- und Interaktionsformen. Die Region ist ein gestaltbares Handlungsumfeld und Wissen tiber regionale Interaktionsformen, tiber das Verhalten von Akteuren, Steuerungsmechanismen und -formen muss erarbeitet und umgesetzt werden, damit Handlungs- und Steuerungsf~ihigkeit erreicht werden k0nnen. Der
406 Dies entspricht dem Konzept der Nachhaltigkeit, welches drei Dimensionen umfasst - die 6kologische, wirtschaftliche und soziale Dimension. Insgesamt zielt eine nachhaltige Entwicklung auf die Zufriedenstellung der Bedtirfnisse der heutigen Generation, ohne Ressourcenaufs Spiel zu setzen, die ftir die kommenden Generationenver~gbar sein mi~ssen. 407 Heintel,M., Mainstream-Regionalentwicklung,2001, S. 195. 4o8 Ftirst, D., Region und Netzwerke, 2002, S. 3. 409 Vgl. Adamaschek,B., Der InterkommunaleLeistungsvergleich,2001, S. 503. 410 Vgl. Ftirst, D., Selbststeuerungsfahigkeitder Regionen,2001, S. 4 f. 411 Scheff, J., LearningRegions, 2001, S. 20. 96
Aufbau leismngsf~ihiger Regionen stellt eine Herausforderung dar und ist verbunden mit der F~ihigkeit der Menschen die vorhandenen Handlungs- Steuerungs- und ProblemlOsungspotentiale zu btindeln. ,,Durch Poolung sollen Ressourcen auf einem h6heren Effizienzniveau genutzt und durch individuelles Handeln nicht mehr realisierbare Ziele nun in gemeinsamer Aktion erreicht werden. ''4~2 Regionen sind umso leistungs- und wettbewerbsf~ihiger, je besser sie kollektives Handeln organisieren und je wirksamer sie sich der Konkurrenz stellen. Es bedarf also der Konsensbildung nach innen und der Wettbewerbsorientierung nach auBen. 413 Die gegenseitigen Verkntipfungen mtissen akzeptiert werden, damit flexible L6sungen gefunden werden, die den regionalen Erfordemissen angepasst und angemessen sind. Es gilt nicht nur eine exogen beeinflusste Entwicklung zu durchleben, sondern auch endogene Potentiale zu aktivieren und auszusch6pfen, um im Wettbewerb zu bestehen. Die neu erkannte Bedeutung und Aufwertung des lokal-regionalen Raumes sowie die damit verbundenen Erwartungen und Aufgaben verlangen nach neuen Formen regionaler Steuerung, kooperativen Regelungsstrukturen, gesellschafilicher Selbstorganisation und nach neuen Formen der Institutionalisierung. Diese Entwicklung wird im Regional-Govemance-Ansatz, der nachfolgend vorgestel|t wird, aufgearbeitet.
3. Regional Governance ,,Da wir in einem raschen gesellschafilichen Wandel begriffen sind, kann man nur fragen, ob man sich den Ver~inderungen, die sich abzeichnen, anpassen soll oder nicht; oder wie weit ja und wie weit nein; oder wie frtih bzw. wie sp~it. Soll man, anders gesagt, den Wandel dahinwandeln lassen und sich dann seinen Ergebnissen anpassen, wenn die Gewalt der Fakten dazu zwingt? Oder gibt es M6glichkeiten der rechtzeitigkorrigierenden Intervention, die gleichwohl nicht beanspruchen kann, das Gesamtgeschehen planm~issig zu kontrollieren und sich auch nicht als Fortschritt zu rechtfertigen vermag?''414 Zukunfls- und wettbewerbsf~ihige Entwicklung von Regionen verlangt wirtschaflliche Leistungsf'~ihigkeit durch die Aktivierung und Entwicklung der Eigenpotentiale. Das BemiJhen um innovative Leistungen- auch von kleinen und mittelst~indischen Unternehmen - f6rdert die Breite und Flexibilit~it Rir neue L6sungen und untersttitzt die Durchsetzung und Behauptung auf den internationalen M~irkten. Daftir muss die regionale Ausrichtung und Spezifizierung in den Regionen in Zusammenarbeit und zweckm~iBig erfolgen. Voraussetzung ist Eigenverantwortung in den Regionen, die Einbindung relevanter Akteure sowie die Entwicklung der regionalen Identit~it. Wesentlich ist die Interaktion zwischen den Akteuren und regionalen Ebenen, wobei Autarkiebestrebungen abzubauen und zu vermeiden sind. Die r~iumliche N~ihe verbessert die Leistungsf~ihigkeit, mindert die Kosten von regionalen Aktivit~iten und erleichtert die Entwicklung von Kompetenzen. 415
412 Lammers,E., Kooperationund Innovation,2001, S. 511. 413 Vgl. Fiirst, D., Steuerung aufregionaler Ebene versus RegionalGovernance,2003, S. 447. 414 Luhmann,N., Politische Theorie, 1981, S. 145. 415 Vgl. Wemer, A., ZukunftsRihigeRegionalentwicklung,1999, S. 7 f. 97
Um die genannten Ziele zu erreichen und um sich gezielt strategisch zu positionieren, m~issen Regionen entsprechende Steuerungsleismngen erbringen. Ft~rst nennt folgende Punkte: 416 Identifikation des regionalen kollektiven Handlungsbedarfs;
-
-
Gestaltung kollektiver Prozesse der Problembearbeitung zwischen den verschiedenen Teilsystemen einer Region wie Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft; Entwicklung einer kollektiven Handlungsf~higkeit zur Koordination der Handlungsweisen nach innen und auBen sowie zur kooperativen Erstellung regionaler Kollektivgt~ter;
-
-
Mobilisierung von Selbsthilfekr~iften.
Ausgehend von diesen Punkten liegt die Mindest-Steuerungsleismng einer Region somit in der ,,Gestaltung von Kommunikations- und Integrationsprozessen, die zu kollektivem Handeln zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen fiJhren. ''417 Diese Steuerungsf~ihigkeit muss gestaltet werden. Der Regional-Govemance-Ansatz besch~iftigt sich damit.
3.1 Definition Governance umfasst normalerweise ,,Organisationsstrukturen, Verfahrensnormen und Entscheidungsprinzipien, nach denen Handlungen von Akteuren im Hinblick auf bestimmte Funktionen koordiniert werden. ''418 Diese allgemeine Beschreibung und das Fehlen einer eindeutigen Definition spiegelt sich auch in der Festlegung der Bedeutung von Regional Governance wider. Es gibt unterschiedliche Definitionen von Regional Governance. Gmnds~itzlich dient der Begriff zur Bezeichnung einer komplexen Steuerungsstruktur in Regionen. In dieser Arbeit soil Regional Governance verstanden werden als Koordinierung und Steuerung regionaler Prozesse in komplexen Strukturen. Das Zusammenspiel der Akteure einer Region ist zum einen durch ihre Handlungsorientierungen und zum anderen durch die Einbettung in ein institutionelles Umfeld gepr~igt.419 In diesem Zusammenhang ist Governance eine ,,Form der Selbststeuerung, die im Kern auf der Kooperation zwischen Akteuren beruht, aber durch politische FiJhmng und Management sowie durch formale Organisations- und Verfahrensregeln unterschiedlicher Art gestaltet wird. ''42~ Ziel der regionalen Steuerungsmodelle ist es, regionales kollektives Handeln m6glich zu machen und dabei die relevanten Akteure einzubeziehen. Wesentlich ist, dass die regionalen Akteure gemeinsame Vorstellungen tiber die Handlungsbedingungen, den Handlungsbedarf und m6gliche Handlungswege entwickeln. Nur so kann kollektives Handeln erm6glicht werden, bei dem die Akteure auf eine Weise miteinander verbunden und koordiniert sind. Kollektives Handeln muss dabei flexibel bleiben und entsprechend den Entwicklungen angepasst werden k6nnen. ,,Governance soll kl~iren, wer was wann und wie tut, um in einer Region kollektives Handeln zu erm6glichen. ''421 Es geht also um das Erm6glichen und die F6rderung des Zusammenwirkens unterschiedlicher
416 Vgl. Ffirst, D., Selbststeuerungstghigkeitder Regionen,2001, S. 5. 417 Ffirst, D., Selbststeuerungsfahigkeitder Regionen,2001, S. 6. 418 Benz,A. & Ft~rst,D., Region- RegionalGovernance- Regionalentwicklung,2003, S. 24. 4~9 Vgl. Einig, K. et al., AktionsraumRegion- RegionalGovernance,2003, S. 2. 420 Benz,A., RegionalGovernancemit organisatorischemKern, 2003, S. 505. 421 Ffirst,D., RegionalGovernance,2001, S. 2 f. 98
Akteure sowie um die Verzahnung verschiedener Steuerungsformen, zum Beispiel von hierarchischen und kooperativen Handlungsformen. 422 Diese Verzahnung ist abh~ingig yon der speziellen Situation sowie den vorhandenen Rahmenbedingungen einer Region. Somit kann kollektives Handeln auf unterschiedliche Weise erfolgen. Regional Governance stellt f'tir jede Region eine Besonderheit dar. Als analytische Basis fiJr den Regional-GovernanceAnsatz eignet sich der ,akteurzentrierte Institutionalismus' von Mayntz und Scharpf, 423 da er das kollektive Zusammenspiel von Akteuren in ihrer situativen und institutionellen Einbindung zum Gegenstand hat. 424
3 . 2 D e r A n s a t z des a k t e u r z e n t r i e r t e n I n s t i t u t i o n a l i s m u s 42s ,,Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus zeichnet sich dadurch aus, dab er den strategischen Handlungen und Interaktionen zweckgerichteter und intelligenter individueller und korporativer Akteure dieselbe Bedeutung zumil3t wie den erm6glichenden, beschr~inkenden und pr~igenden Effekten gegebener (aber veranderbarer) institutioneller Strukturen und institutionalisierter Normen. ''426
3.2.1 Analytischer Hintergrund Mayntz und Scharpf weisen darauf hin, dass der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus keine Theorie darstellt, sondern eine Forschungsheuristik, die die wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Wirklichkeit lenkt. Sie betonen, dass ,,Ans~itze zwar orientieren und auch theoretische Pr~imissen enthalten, aber selber keine gegenstandsbezogene inhaltliche Theorie darstellen. ''427 Ans~itze dienen in erster Linie dazu, Hinweise f'tir die Suche nach Erklarungen zu liefern und auf vorhandene Informationen hinzuweisen. Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus wird zum akteurzentrierten Steuerungsansatz gez~ihlt 428 und geht wie die gesamte deutsche Steuerungsdiskussion der letzten Jahrzehnte von differenzierungstheoretischen 15berlegungen aus. Ziel des akteurzentrierten Institutionalismus ist es, einen Ansatz ftir die Untersuchung von Steuerung und Selbstorganisation auf der Ebene ganzer Teilsysteme zu entwickeln, wobei der Einfluss von Institutionen auf die Wahrnehmungen, Pr~iferenzen und F~ihigkeiten individueller und iJberindividueller Akteure sowie auf Akteurkonstellationen und Interaktionsformen betont wird. Dabei wird eine akteurzentrierte mit einer institutionen-
422 Vgl. Knieling, J., Kooperative Regionalplanung und Regional Governance, 2003, S. 471. 423 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 39 ft: 424 Vgl. NOlting, B., Akteurzentrierter Institutionalismus und institutionelle Steuerung, 2004, S. 21; Benz, A. & Ftirst, D., Region - Regional Governance - Regionalentwicklung, 2003, S. 34 ff.; Ftirst, D., Regional Governance, 2001, S. 3. 425 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 39 ft.; Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 73 ff. 426 Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 72. 427 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 39. 428 Vgl. Braun, D., Gesellschaftssteuerung zwischen System und Akteur, 2000, S. 101 f. 99
zentrierten Herangehensweise verbunden und somit soziologische und 6konomische Theorien zusammengebracht. 429 Durch diese Integration l~iuft der Ansatz Gefahr, tiberkomplex zu werden. Mayntz und Scharpf nehmen diesem Problem die Sch/~rfe, indem sie einige forschungspragmatische Regeln einffihren. ,,Das zentrale Problem, ob beobachtbares Handeln dem institutionellen Kontext oder einem der zahlreichen nichtinstitutionellen Faktoren zuzurechnen ist, kann durch eine analytische Hierarchisierung entsch/~rft werden. ''43~ Ziel ist nicht die Abbildung der Realit~it, sondern die pragmatische Auseinandersetzung mit dem gegebenen Tradeoff zwischen Abstraktion und Erkl/~rungskraft. 431 Dabei entscheiden sich Mayntz und Scharpf fiir eine institutionalistische Variante der abnehmenden Abstraktion, indem nicht akteurbezogen erkl~irt werden muss, was institutionell erkl/~rt werden kann. Sind akteurbezogene Erkl~irungen notwendig, so gilt es mit einfachen Annahmen zu arbeiten und diese erst dann auszubauen, wenn der Sachverhalt es verlangt. Erst wenn der institutionelle Kontext und die generell unterstellbaren Eigeninteressen nicht mehr ausreichen, das beobachtbare Handeln zu erkl~iren, dann ist eine empirische Erhebung von akteurspezifischen Handlungsorientierungen notwendig. Auf diese Weise wird der Informationsbedarf f'tir befriedigende Erkl~irung reduziert: ,,Da n~imlich der institutionelle Kontext nicht nur Beziehungsstrukturen und Anl/~sse fiir Interaktionen, sondern auch Handlungsorientierungen mitbestimmt, weir5 man bereits viel tiber Akteure, wenn man diesen Kontext kennt - nicht nur ihre Handlungs- und Unterlassungspflichten, zul/~ssigen Handlungsoptionen und legitimen Ressourcen, sondern auch ihre organisatorischen Eigeninteressen und oft auch ihre charakteristischen Interaktionsorientierungen ... und Wahrnehmungstendenzen. ''432 Der akteurzentrierte Institutionalismus beschr~inkt sich nicht auf politische Institutionen. Institutionen werden sowohl als abh/~ngige als auch unabh~ingige Variablen betrachtet, die jedoch keine determinierende Wirkung haben, sondern einen sowohl erm6glichenden als auch restringierenden Handlungskontext darstellen.
3.2.2 Das analytische Modell Akteure handeln in verschiedenen Konstellationen in einem institutionellen Kontext, der die mOglichen Interaktionsformen beeinflusst. Die Handlungsorientierungen der vor allem korporativen Akteure sind dabei von groBer Bedeutung. Abbildung 16 stellt das analytische Modell des akteurzentrierten Institutionalismus grafisch dar.
429 Scharpfweit darauf hin, dass es weitere Ansatze gibt, welche auf derselben Grundidee aufbauen, d.h. die eine Zusammenfiihrung von handlungstheoretischen und institutionalistischen oder strukturalistischen Paradigmen verfolgen. Beispiele sind der Ansatz der institutionellen Analyse und Entwicklung (Institutional Analysis and Development- IAD) oder der situationsstrukturelle Ansatz (vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 73). 43o Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 66. 431 Vgl. Problem der abnehmenden Abstraktion, FulSnote45. 432 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 66. 100
Nichtinstitutionelle Faktoren
Institutioneller Kontext
Akteure in Konstellationen in Situationen
Iv
Art der Interaktion
Ergebnis Wirkung
Abbildung 16: Das analytische Modell des akteurzentrierten Institutionalismus Quelle" Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 45.
Institutioneller Kontext Institutionen sind im analytischen Modell des akteurzentrierten Institutionalismus nicht nur das Ergebnis von evolution~irer Entwicklung zum Beispiel durch Prozesse wechselseitiger Anpassung, sondern sie k6nnen auch bewusst gestaltet und durch entsprechendes Handeln ver~indert werden. Konkret bedeutet dies, dass der institutionelle Kontext das Handeln der Akteure erm6glicht und auch einschr~,nkt, aber nicht determiniert, da institutionalisierte Regeln selten nur einen einzigen Handlungsverlauf vorschreiben. Es ist jedoch zu berticksichtigen, dass einmal geschaffene Institutionen nur schwer und kostenaufwendig ver~inderbar sind, da sich die Akteure auf ihre Koordinationsfunktion verlassen. Grunds~itzlich bewirkt der institutionelle Kontext, dass durch definierte, praktizierte und eventuell auch sanktionierte Regelungen wechselseitige Erwartungssicherheit entsteht, die soziales Handeln - fiber pers6nliche Beziehungen hinaus - erm6glicht. ,,Wir verdanken die Tatsache, daf3 Gesellschaften im Allgemeinen produktiv sind ... der Existenz von Mechanismen, die ein relativ hohes Mal3 gegenseitiger Vorhersehbarkeit oder ,gemeinsamen Wissens' schaffen. ''433 Mayntz und Scharpf unterscheiden als Minimalklassifikation folgende Regeln: -
Regeln, die fOr bestimmte Situationen Verhaltens- und Verfahrensnormen festlegen;
-
Regeln, die bestimmten Akteuren die Verffigung fiber finanzielle, rechtliche, personelle, technische und natfirliche Ressourcen gew~ihren oder untersagen;
-
Regeln, die Relationen (vor allem Dominanz- und Abh~ingigkeitsbeziehungen) zwischen Akteuren festlegen.
Korporative Akteure werden durch solche institutionellen Regeln gegrfindet, 434 Aufgaben
433 Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 80 f. Scharpf weist darauf hin, dass es neben den Institutionen noch weitere Mechanismen gibt; Institutionen sind jedoch die allgemeinstenund die am besten zuggnglichen Informationen fiber die von anderen zu (nicht) zu erwartenden Intentionen. 434 ,,In einem grundlegenderen Sinne kann man vonder ,Existenz' korporativer und kollektiver Akteure nur insofern sprechen, wie die Akteure, die in ihnen und in ihrem Namen handeln, ihre Entscheidungen in einem 101
werden zugewiesen, Beziehungen zwischen Akteuren hergestellt - d. h. es werden Strukturen geschaffen. Meist sind dies Strukturen der Arbeitsteilung. Institutionen bieten Erwartungssicherheit, wobei zwischen der Sach- und der Sozialdimension unterschieden werden kann. Die Sachdimension von Erwartungssicherheit bezieht sich auf die Situation und deren Einsch~itzung, die Sozialdimension hingegen gibt Sicherheit betreffend das Verhalten des Gegentibers. Die Erwartungssicherheit ist jedoch nicht der einzige Faktor, der das Handeln der Akteure lenkt. Ein elementarer Beweggrund, der Akteure antreibt, ist die Verfolgung einzelner Ziele. Sind vorhandene Institutionen und eigene Ziele nicht vereinbar, so k6nnen die Akteure prinzipiell zwischen drei verschiedenen Vorgehensweisen w~ihlen. Zum einen k6nnen sie auf die Zielverfolgung verzichten, zweitens kann der Akteur versuchen, die institutionellen Regelungen zu ver~indern und drittens kann der institutionelle Kontext zu Gunsten der Zielverfolgung missachtet werden. Normalerweise bemiihen sich deviante Akteure nicht, die gegebene institutionelle Ordnung zu ver~indem, sondern versuchen zu profitieren. Solange nur ein Akteur ein abweichendes Verhalten zeigt, profitiert er zum einen von der, durch die anderen aufrecht erhaltenen, Erwartungssicherheit und zum anderen von der eigenen Zielverfolgung. Da alle Akteure, die die Abweichungsm6glichkeiten sehen, versucht sind so zu handeln, stellt sich die insgesamte Konstellation der Akteure, spieltheoretisch modelliert, als Gefangenendilemma (Prisoner's Dilemma) dar. 435 Die institutionelle Ordnung kann nur dann aufrechterhalten werden, wenn nur wenige Akteure vonder Ordnung abweichen. Institutionelle Kontexte sind somit stets von Zerrtittung und Abweichung bedroht. Abbildung 17 zeigt die Konstellation des Gefangenendilemmas, in der die Akteure dazu neigen, die institutionelle Ordnung zu missachten. Halten sich nur wenige an die institutionellen Regelungen, so kann von negativer Erwartungssicherheit gesprochen werden; d. h. die Akteure erwarten, dass jeder tut, was er will. alle anderen Zielverfolgung 3 Erwartungssicherheit Anomie 3 1
Konformit~it Konformit~it Ego
1
Zielverfolgung
Erwartungssicherheit 4 2
Anomie
Abbildung 17: Institutionelle Ordnung - Gefangenendilemma Quelle: Schimank, U., Handeln in Institutionen und handelnde Institutionen, 2004, S. 296. Zus~itzlich zum institutionellen Kontext, der Einfluss auf die Akteure und Akteurkonstellationen sowie auf die Interaktionsformen hat, sieht das Modell auch den Einfluss nicht-institutioneller Faktoren vor. Dies verweist darauf, dass der Einfluss der Institutionen auf die Pr~iferenzen, Wahrnehmungen und Intentionen niemals vollst~indig sein kann. Die Beweggriinde der Akteure sind stets mehrere. Daher k6nnen zum Beispiel verbindliche
gemeinsamen, durch institutionelle Regeln konstituierten Bezugsrahmen koordinieren" (Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 79). 435 Vgl. Schimank, U., Handeln in Institutionen und handelnde Institutionen, 2004, S. 295 f; weiters Akteurkonstellationen, Teil I-2.1.4. 102
Regeln verletzt werden, indem eventuelle Sanktionen in Kauf genommen werden. Vor allem die Verfiigung tiber Ressourcen, prim~ir bei natiirlichen oder technischen Handlungsressourcen, l~isst sich institutionell nur begrenzt regeln. Der institutionelle Rahmen kann somit nicht alle Arten von Handlungen und handlungsrelevanten Faktoren umschlieBen. ,,Dennoch sind institutionelle Informationen in vielen F~illen ausreichend, um zufriedenstellende Erkl~imngen zu erhalten, und es ist pragmatisch sinnvoll, auf der Suche nach theoretischen Erkl~imngen die Abstraktionsgrade nur schrittweise zu senken. ''436
Akteure Um strategisches Handeln korporativer Akteure zu erkl~iren, wird normalerweise das Handeln der einzelnen Mitglieder in den Hintergrund gestellt. Diese Vemachl~issigung ist mit einem Verlust an Tiefensch~irfe verbunden, schlieBlich sind organisationsinteme Vorg~inge ebenfalls wichtige Determinanten bei der Auswahl von Handlungsm6glichkeiten. K6nnen institutionelle und situative Faktoren das Verhalten und Handeln korporativer Akteure nicht zufrieden stellend erkl~iren, so ist es notwendig, die Ebene der Organisationsmitglieder in die Analyse mit einzubeziehen und zu berticksichtigen, dass die in einer Organisation agierenden Individuen mehr oder weniger groBe Handlungsspielr~iume haben. 43v Die Akteure zeichnen sich durch F~ihigkeiten, Pr~iferenzen und Wahmehmungen aus. F~ihigkeiten umfassen die Handlungsressourcen eines Akteurs, die es erm6glichen, Einfluss auszutiben. Zu den Handlungsressourcen z~ihlen pers6nliche Merkmale wie Intelligenz oder Humankapital, materielle Ressourcen wie Geld, Land oder Technologie und institutionelle Ressourcen, durch die zum Beispiel Kompetenzen oder Partizipationsrechte zugewiesen werden. Die Handlungsressourcen erm6glichen strategisches Handeln, welches bei komplexen und tiberindividuellen Akteuren weiters kognitive und evaluative Mechanismen erfordert. In der kognitiven Verarbeitung sind komplexe Akteure auf interpersonale Informationsverarbeitung und Kommunikation angewiesen: ,,Die strategische F~ihigkeit ist gering, wenn die einzelnen Mitglieder unterschiedliche kognitive Orientierungen haben, und sie wird gr6Ber, wenn die Weltbilder und Kausaltheorien relevanter Untergruppen in gemeinsamen ... Interpretationen einer bestimmten Situation ... konvergieren. ''438 Kognitive Konvergenz kann neben verschiedenen Vorteilen wie strategische HandlungsF~ihigkeit auch Nachteile hervorrufen. 439 Die F~ihigkeit zu strategischem Handeln verlangt weiters in einer
436 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 83. 437 Um vonder Mikroebene wieder auf die Markoebene zu gelangen, muss eine entsprechende Verbindung hergestellt werden. Diese kann ,,komplexer und theoretisch interessanter sein als die bloBe Aggregation" (Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 99). Esser spricht in diesem Zusammenhang von der Logik der Aggregation. Das kollektive Ph~inomen ist ein Effekt der individuellen Handlungen, wobei jedoch keine einfache Aufsummierung der Einzelhandlungen vorgenommen werden kann. Vielmehr werden Regeln ben6tigt, die feststellen, unter welchen Bedingungen welche individuellen Effekte welche Aggregateffekte hervorrufen (vgl. Esser, H., Situationslogikund Handeln, 1999, S. 16). 438 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 107. 439 Die Vor- und Nachteile kognitiver Konvergenz k6nnen mit den positiven und negativen Effekten starker Unternehmenskulturen verglichen werden. Zu den positiven Effekten z~ihlen Adaption, welche den Mitgliedern eine homogene Interpretation der Umwelt erm6glicht und so Reaktionen und Entscheidungen erleichtert, Integration, Motivation und weiters ist eine starke Unternehmenskultur ein mOglicher Mechanismus nicht-struktureller Koordination. Zu den negativen Effekten z~ihlen u. a. die Tendenz zur AbschlieBung, der Widerstand gegen Ver~inderungen oder Konformit~it (vgl. Schrey6gg, G., Problematische 103
evaluativen Dimension, eine Integration der Pr~iferenzen - u m Gesamtvorteile zu gewinnen, mtissen die beteiligten Individuen bereit sein, einige Verluste hinzunehmen. ,,Integration hat eine intertemporale, eine intersektorale und eine interpersonale Dimension - sie umfaBt also die F~ihigkeit, zugunsten sp~iterer Gewinne auf sofort erreichbare Vorteile zu verzichten, die F~ihigkeit, eine Interessenart gegen eine wichtigere einzutauschen, und weiterhin die F~higkeit, die Interessen mancher Mitglieder dem Vorteil des gesamten Kollektivs z u opfem. ''44~ Zus~itzlich ist die strategische Handlungsf~ihigkeit komplexer Akteure abh~ingig von den institutionellen Bedingungen, die eine interne KonfliktlOsung bei einem gegebenen Konfliktniveau erleichtem oder erschweren. Sind korporative Akteure hierarchisch aufgebaut, so ist die F~ihigkeit zur Uberwindung intemer Uneinigkeit gr6Ber, als wenn Konflikte fiber Verhandlungen ausgetragen werden. Es muss jedoch differenziert werden zwischen Sicherung der Handlungsf~ihigkeit bei divergierenden Pr~iferenzen oder bei kognitiven Konflikten, die auf unterschiedlichen Informationen oder unterschiedlichen Ursache-Wirkungs-Hypothesen beruhen. Nur bei ersteren entfalten sich auch langfristig die Vorteile hierarchischer Entscheidungen. Grunds~tzlich ist daher keinem bestimmten Strukturtyp (zum Beispiel Hierarchie oder Verhandlung) von vomherein generell eine bessere oder schlechtere strategische Handlungsf~ihigkeit zuzuordnen. In der Praxis besitzen die meisten tiberindividuellen Akteure eine ausreichende strategische Handlungsf'~ihigkeit in jenen Bereichen, mit denen sie regelm~iBig konfrontiert werden. Unterschiede in der F~ihigkeit des strategischen Handelns zwischen den verschiedenen Akteuren treten dann auf, wenn die Akteure mit neuen Situationen und Problemen konfrontiert werden.
Handlungsorientierungen Die Reichweite der institutionellen Regelungen ist nicht vollst~indig. FOr die verbleibenden Handlungsspielr~iume sind die Handlungsorientierungen der Akteure von Bedeutung. Teilweise sind auch diese institutionell gepr~igt zum Beispiel durch vorgegebene Aufgaben oder zu erffillende Rollen, weiters werden sie durch kontextunabh~ingige Eigenschaften der verschiedenen Akteure bestimmt. Unterscheiden lassen sich kognitive, motivationale und relationale Handlungsorientierungen. 44~ Kognitive Orientierungen umfassen die Wahrnehmung einer Situation und die dahinter liegenden kausalen Strukturen sowie die Wahrnehmung der Handlungsaltemativen und der m6glichen Ergebnisse. In Konstellationen unterschiedlicher Akteure wird es unwahrscheinlich sein, dass es zu einer spontan fibereinstimmenden Wahmehmung der Situation, der Handlungsoptionen und der zu erwartenden
Konsequenzen starker Untemehmenskulturen, 1989, S. 94 ff.; Dill, P. & H%ler, G., Untemehmenskultur, 1987, S. 141 ff.). 44o Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 108. 441 Schimank unterscheidet folgende drei Arten von Handlungsorientierungen, die notwendige und auch hinreichende Bedingungen der MOglichkeit sozialen Handelns sind: ,,Normative Orientierungen pr~igen ,Sollens'-Vorstellungen von Akteuren, gebieten oder verbieten also bestimmte Handlungsweisen. Kognitive Orientierungen pr~igen ,KOnnens'-Vorstellungenvon Akteuren, lassen also bestimmte Handlungsweisen als m0glich oder als unm0glich erscheinen. Evaluative Orientierungen schlieBlich pr~igen ,Wollens'-Vorstellungen von Akteuren, stellen also bestimmte Handlungsziele als erstrebenswertoder nicht erstrebenswert dar" (Schimank, U., Soziale Steuerung - akteurtheoretisch, 1992, S. 168; vgl. Schimank, U. & Werle, R., Gesellschaftliche Komplexit~itund kollektive Handlungsf~ihigkeit, 2000, S. 13). 104
Ergebnisse kommt. Gelingt keine sofortige Kompromissl6sung, also keine Integration der Partialperspektiven, dann ist es immer noch von Bedeutung, ob die Beteiligten die Deutungen der anderen wahrnehmen und antizipieren k6nnen. Im Unterschied zu den kognitiven geht es bei den motivationalen Orientierungen um Antriebsfaktoren ffir ein sinnhaftes Handeln und um Auswahlfaktoren bei der Wahl zwischen verschiedenen Handlungsm6glichkeiten. Dabei gibt es erkennbare Unterschiede zwischen Individuen und fiberindividuellen Akteuren. Bei Individuen kann Verhalten im Extremfall auf reine Emotionen oder auf Gewohnheit beruhen. Bei korporativen Akteuren hingegen, ,,genfigt es bei Untersuchungen des Handelns zumeist, sich auf die handlungsleitenden Interessen, Normen und Identit~iten zu konzentrieren. ''442 Sowohl individuelle als auch korporative Akteure verfolgen Interessen. Bei den Individuen sind dies zum Beispiel das physische Wohlergehen oder die Verffigung fiber Ressourcen, zu denen auch Macht oder soziale Anerkennung z~ihlen. Ahnlich verfolgen auch kollektive Akteure eigene Interessen wie das Interesse am eigenen 15berleben, an Ressourcen oder an Autonomie. 443 Verhaltensleitende Normen beziehen sich auf normative Erwartungen, die an Inhaber bestimmter Positionen gerichtet sind. Gmnds~itzlich k6nnen Konflikte zwischen den Interessen und den an einen Akteur gerichteten Normen auftreten, denn Interessen und Normen bilden kein hierarchisch geordnetes, logisch konsistentes System. Akteure mfissen Entscheidungen in Situationen treffen, in denen keine klaren Handlungsrichtlinien vorliegen. Dieses Problem unbestimmter Pr~iferenzen 16sen die betroffenen Akteure tiber ihre Identit~it. Sie erleichtert den Akteuren die Entscheidung, wenn die eigenen Interessen und vorhandenen Normen nicht eindeutige Handlungsrichtlinien vorgeben. Gleichzeitig sendet ein Akteur fiber die Identit~it Signale aus, die anderen Erwartungssicherheit und Vorhersehbarkeit bieten. 444 Die klar vermittelte Identit~it eines Akteurs erh6ht somit die Effizienz von Aktionen. Zus~itzlich zu den kognitiven und motivationalen Handlungsorientierungen verweist der akteurzentrierte Institutionalismus auch auf relationale O r i e n t i e r u n g e n - so genannte Interaktionsorientierungen -, auf die in gelfiufigen Handlungstheorien nur selten eingegangen wird. Typisierend k6nnen folgende Interaktionsorientierungen ausgemacht werden: 445 -
-
-
Individualismus: Es z~ihlen nur die Vor- und Nachteile far Ego, wobei eine egoistische Nutzenmaximierung angenommen wird. Solidarit~it: Diese Interaktionsorientierung beschreibt kooperative Beziehungen, in denen das Streben nach einem gemeinsamen Nutzen dominiert. Ein Vorteil far Ego wird in gleicher Weise bewertet wie ein Vorteil ffir Alter. Wettbewerb: Ego und Alter wollen unbedingt gewinnen, was z~ihlt ist die Differenz zwischen eigenem und fremdem Gewinn. Der Gewinn far Ego kann als Verlust interpretiert werden, wenn Alter einen gr613eren Erfolg verbuchen konnte.
442 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 54. 443 Das organisatorische Eigeninteresse hat nattirlich unterschiedliche strategische Implikationen,je nachdem in welcher institutionellen Umgebung die Organisation operiert. So gibt es zum Beispiel Unterschiede in den Eigeninteressen und den daraus folgenden strategischen Implikationen zwischen Unternehmen, die auf dem Markt im starken Wettbewerb tiberleben mtissen und Gewerkschaften, die in erster Linie urn die Loyalit~it ihrer Mitglieder k~impfen(vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsforrnen,2000, S. 117). 444 Dementsprechend ist es schwierig, Identit~iten zu ver~indem, denn das bedeutet, mtihevoll aufgebaute und gelebte Werte sowie kognitive Sicherheiten durch neue zu ersetzen. 445 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 152 ft. 105
-
Altruismus: Ein Vorteil far Alter wird auch von Ego als positives Ergebnis bewertet, w~ihrend die Auszahlungen far Ego in der Interaktion als irrelevant eingestuft werden. Feindschaft: Ego sieht den Verlust yon Alter als eigenen Gewinn. Die eigenen Gewinne und Verluste werden von Ego als irrelevant betrachtet.
-
Individualismus, Solidarit~it und Wettbewerb, sowie entsprechende Zwischenformen sind die empirisch wahrscheinlichsten Interaktionsorientierungen. Grunds~itzlich gilt jedoch, egal ob kognitive, motivationale oder relationale Handlungsorientierung, die Akteure orientieren sich nicht dauerhaft an bestimmten Kriterien und ordnen diese immer wieder unterschiedlich. Daher spielt immer wieder die entsprechende Handlungssituation eine wichtige Rolle.
Handlungssituation Akteure handeln in konkreten Situationen. Gleich ob es sich um einen einzelnen oder um eine Vielzahl von Akteuren handelt, die Handlungsrelevanz von Situationen entsteht zum einen durch den Stimuluscharakter, den eine bestimmte Situation haben kann, indem sie zum Beispiel zum Handeln herausfordert und zum anderen besteht die Handlungsrelevanz einer Situation in den Chancen, die sich bieten. Situationen fordem zum Handeln heraus, d. h. Situationen aktiveren die latent vorhandenen Handlungsorientierungen wie Eigeninteressen oder Normen. So werden in bestandsbedrohenden Situationen vor allem Eigeninteressen motiviert, w~ihrend Normen und Werte vermutlich dann handlungsleitend sind, wenn die Akteure nicht bedroht sind und Zeit haben, t~ber ihre Entscheidungen zu reflektieren. Die Handlungschancen, die eine bestimmte Situation bietet, sind teilweise instimtionell, d. h. es ist zum Beispiel geregelt, wie eine Organisation bei unlauterem Wettbewerb reagieren kann. ,,Alle unmittelbar handlungsrelevanten Merkmale einer Situation sind wahrgenommene Umweltaspekte. So mt~ssen Ressourcen auch als verfagbar erkannt werden, und je nach den kognitiven F~ihigkeiten eines Akteurs mag ihm ein Zustand mehr oder weniger komplex erscheinen. ''446 Entscheidend far den Erfolg oder Misserfolg des handelnden Akteurs ist jedoch nicht notwendigerweise die wahrgenommene sondern die reale Situation. In Zusammenhang mit Regional Governance nennt Ft~rst folgende wichtigen Kontextbedingungen, welche die Handlungssituation der regionalen Akteure stark beeinflussen:447 die gewachsenen Strukturen wie die Wirtschaftsstruktur, von der unter anderem abh~ingt, welche Vemetzungen zwischen den Akteuren m6glich sind;
-
die Kultur (kompetitiv oder kooperativ) sowie die historisch gewachsene Identit~it;
-
-
-
das institutionelle Umfeld, denn je st~irker die regionale Institutionalisierung, desto gr6ger die Erwartungssicherheit, desto gr6ger jedoch auch die institutionellen Eigenheiten wie Restriktionen oder hierarchische Orientierung; die Einbettung in h6here Ebenen wie die nationale Einbettung- Regional Governance entwickelt sich nicht autonom, sondern wird beeinflusst von der staatlichen Unterstt~tzung oder Steuerung, dem r~iumlichen Planungssystem oder der Infrastrukturpolitik; Anreize zur regionalen Selbststeuerung, denn diese bestimmen die regionalen Handlungsfelder und wer infolgedessen dominante Tr~iger der Regional Governance sind.
-
446 Mayntz,R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus,1995, S. 59 f. 447 Vgl. Ftirst, D., RegionalGovernance,2001, S. 10. 106
Akteurkonstellationen und Governance-Formen ,,Die Bearbeitung von Problemen, die sich auf sektoraler oder gesamtgesellschaftlicher Ebene stellen, ist fast nie nur die Sache eines einzelnen Akteurs, sondern typischerweise Gegenstand von Interaktionen in einer Konstellation mehrerer Akteure mit interdependenten Handlungsoptionen. Unter solchen Bedingungen kann das Gesamtergebnis nicht einem einzelnen Akteur zugeschrieben werden; ... es entsteht aus der komplexen Interdependenz aufeinander bezogener Handlungen.''448 Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus besch~ftigt sich mit verschiedenen Modi der sozialen Handlungskoordination und vor allem mit jenen, die unter dem v o n d e r Transaktionskosten-Okonomie geprfigten Stichwort ,Governance' diskutiert werden. 449 Die grunds~tzlichen Governance-Formen sind die einseitige und wechselseitige Anpassung, die Verhandlung, die Abstimmung und die hierarchische Entscheidung. Der analytische Hintergrund der im akteurzentrierten Institutionalismus gewfihlten Governance-Formen ist das Ausmal3 der individuellen Autonomie und der kollektiven Handlungsffihigkeit von Akteuren. W~hrend bei der Anpassung jeder Akteur for sich selber agiert, kommt es bei der Struktur des Marktes bereits zu expliziten, sachlich und zeitlich begrenzten Vereinbarungen. Netzwerke z~hlen zu den Verhandlungssystemen. Das Verh~ltnis zwischen individueller Autonomie und kollektiver Handlungsffihigkeit wird u. a. davon beeinflusst, ob die notwendigen Ressourcen ffir die Umsetzung von Kollektiventscheidungen den Mitgliedern geh6ren oder kollektiviert sind. ,,Die kollektive Handlungsffihigkeit erreicht schlief31ich ihr Maximum, wenn sowohl die Willensbildung als auch die Verffigung t~ber kollektivierte Handlungsressourcen e i n e r allenfalls auf diffuse Unterstfitzung angewiesenen - hierarchischen Autorit~t fibertragen wird. ''45~ In der Realitfit findet sich kein gesellschaftlicher Sektor, der sich nur durch eine der genannten Governance-Formen erfassen lief3e. Vielmehr stOf3t man auf komplexe Mischformen, die Elemente der verschiedenen Governance-Formen umfassen. Akteurkonstellationen werden fiber die Machtverh~ltnisse (oligarchisch versus pluralistisch, offene versus geschlossene Ffihrungszirkel), die Zahl der Akteure, die Interaktionsorientierung sowie den pr~ferierten Handlungsmodus (einseitiges Handeln, Verhandlungen, Mehrheitsentscheidungen oder hierarchische Steuerung) operationalisiert: ,,Akteure mit unterschiedlichen Interessen, unterschiedlichen Handlungslogiken, unterschiedlichen Handlungsmustern und Machtpositionen stellen eine schwierige Herausforderung f~r ,Regional Governance' dar. ''45~ In diesem Sinn pr~gt die Akteurkonstellation die Muster der Regional Governance, denn sie bestimmt, mit welchen Entscheidungsprinzipien, Verfahrensregeln oder Organisationsstrukturen die regionalen Akteure konsensffihig sind. Vor allem wenn kein institutioneller Rahmen existiert, k6nnen die Interessen, Problemwahrnehmungen, akzeptierten L6sungen oder konsensfahigen Regelsysteme nur schwer kanalisiert und gelenkt werden. Die Akteurkonstellation ist nicht statisch, sondern ver~ndert sich im Laufe der Zeit. So kann die Konstellation in der Initialphase, der Planungsphase oder in der Durch~hrungsphase eines Projektes eine andere sein.
448 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus, 1995, S. 60. 449 Vgl. Governance:Definition, Teil I-1. 450 Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentriertenlnstitutionalismus, 1995, S. 62. 451 Benz, A. & Ffirst, D., Region- RegionalGovernance- Regionalentwicklung,2003, S. 41. 107
3.3 Merkmale der Regional Governance Regional Governance bietet ein Instrument zur Steuerung der regionalen Entwicklung und der Bedienung verschiedener Schnittstellen. Ausgehend von einem solchen Verst~indnis baut Regional Governance auf folgenden Elementen auf: 452 -
Kombination unterschiedlicher Steuerungsformen wie Markt, Hierarchie oder Netzwerke und Steuerungsmedien - eine Kombination von Steuerungsmodi und der Einsatz von hybriden Steuerungsformen erm6glicht Kooperation und verhindert starke Widerstfinde wie sie bei einseitig-autorit~iren Entscheidungen vorkommen k6nnen;
-
Netzwerkcharakter der Steuerungsstruktur, sprich die Betonung der interorganisationalen Kooperation und der Zusammenarbeit privater und 6ffentlicher Akteure. Die Region stellt in diesem Zusammenhang einen intermedi~iren Handlungsraum dar, der die Grenzen zwischen verschiedenen Ebenen, zum Beispiel Staat und privater Raum, tiberschreitet; Bedeutung der regionalen Akteure und deren Zusammenwirken;
-
Spezifische organisatorische Konstellationen, die neben einer Kernorganisation auch Entscheidungsorgane und Entscheidungsregeln beinhalten.
Diese Elemente sind eingebettet in spezifische Rahmenbedingungen, sprich regionale Identit~it, Kultur, Rechtsnormen, externe Anreize oder situative Bedingungen wie wirtschaftliche Verhfiltnisse. Die Rahmenbedingungen beeinflussen sowohl die Neigung zu und den Erfolg von Kooperationen sowie die jeweilige Auspr~igung der Regional Governance. Die Unterscheidung zwischen kommunaler Zusammenarbeit und Regional Governance, welche Ftirst ausgearbeitet hat, ergibt die wesentlichen Merkmale der Regional Governance. Ein wesentliches Merkmal ist, dass Regional Governance sowohl auf den Grundsfitzen der netzwerkartigen Kooperation wie Reziprozit~it, Vertrauen oder Fairness als auch auf ausgehandelten Regelungen, zum Beispiel der Entscheidungsfindung, basiert. Ein weiteres Merkmal ist die Einbindung von 6ffentlichen und privaten Akteuren. Die spezifische Verkntipfung zum Beispiel von Politik und Wirtschaft prfigt dabei wesentlich die unterschiedlichen Governance-Muster. 453 Ein drittes Merkmal ist die Gemeinwohlorientierung, welche eine kooperative Selbststeuerung erm6glicht. Zust~indigkeiten und Verantwortlichkeiten erfordern ein MindestmaB an Institutionalisierung, die territorial bezogen entsteht. Auch problemspezifische Vernetzung sollte tibergeordnete regionale Entwicklungsperspektiven einbeziehen. 454 Die Merkmale von Regional Governance verdeutlichen, dass in erster Linie nicht ,harte' Institutionen im Vordergrund stehen, sondern ,weiche' Formen der Kooperation aller relevanten Akteure. Die Flucht aus Institutionen oder Versuche Institutionen regional anzupassen treten vor allem dort auf, wo die Institutionen hohe Konsenskosten erzeugen, Kooperationsvorhaben erschweren oder mit neuen Themen und Probleml6sungen nur schwer
452 Vgl. Benz, A. & Ftirst, D., Region- Regional Governance,Regionalentwicklung,2003, S. 13 ff. 453 Frey stellt dieses Merkmal des ZusammenwirkensunterschiedlicherAkteure bei seiner Begriffserkl~imngvon Regional Governance in den Vordergrund: ,,Regional Governance - normativ verstanden - bedeutet, dass Regeln aufgestellt werden sollten, damit eine grosse Zahl nicht abgegrenzter 6ffentlicher und privater Akteure im Bundesstaat mit tiefen Transaktionskosten miteinander verhandeln und LOsungen umsetzen k6nnen" (Frey, R.L., RegionalGovernance,2002, S. 14). 454 Vgl. Ftirst, D., Steuerungauf regionalerEbene versus RegionalGovernance,2003, S. 443 f. 108
umgehen k6nnen. Schon immer haben Akteure versucht, die regionalen Bedingungen zu beeinflussen, sodass in manchen F~illen durchaus von einer ,wildwtichsigen' Regional Governance gesprochen werden kann. Vor allem in vorhandenen Steuerungslticken, welche die Institutionen nicht abdecken, entfaltet sich Regional Governance. 455 In immer mehr Regionen gibt es Bemtihungen, solche wildwtichsigen und lockeren Formen der Governance zu gestalten. Die St~irken und Schw~ichen des Ansatzes, die nachfolgend diskutiert werden, verdeutlichen, in welchen Bereichen und wie der Regional-Governance-Ansatz den betroffenen Regionen helfen kann, die Governance-Muster und -Formen bewusst zu gestalten.
3.4 Regionale N e t z w e r k e als Basis der Governance r~iumlicher Einheiten ,,Mit den netzwerkartigen Strukturen entwickeln sich qualitativ neue Steuerungs- und Integrationsformen, die durch eine hohe Kommunikationsdichte zwischen formal autonomen Organisationen und Subsystemen sowie horizontale Koordination gekennzeichnet sind. ''456 Regional Governance basiert auf einen Mix zwischen strukturellen und prozeduralen Strukturen und stellt prim~ir eine weiche Form der Selbststeuerung dar, die prim~ir auf Netzwerken beruht. 457 Gemeint sind solche Netzwerke, die als Koordination zwischen politischen, 6konomischen und sozialen Akteuren dienen und darauf basierende Problem16sungsformen, die sich von anderen Koordinationsformen wie Hierarchie oder Markt unterscheiden. Im Gegensatz zu letzteren betont das Netzwerk die Selbstorganisation und Selbstkoordination zwischen autonomen Akteuren, die ein gemeinsames Resultat anstreben, indem sie entsprechende Potentiale freisetzen. 458 ,,The core of this perspective is a decentralised concept of social organization and governance: society is no longer exclusively controlled by a central intelligence (e.g. the State); rather, controlling devices are dispersed and intelligence is distributed among a multiplicity of action (or 'processing') units. ''459 Netzwerke sind also Ph~inomene in polyzentrischen Gesellschaften. 46~ Sie verschaffen Flexibilit~it in manchmal starren Institutionen und erm6glichen die Nutzung jener Synergien, die durch das Zusammenspiel verschiedener Akteure entstehen. ,,Dezentrale, halb-autonome Steuerungssysteme, die zudem tiber Vernetzungen unterschiedlich betroffene und beteiligte Akteure einbinden k6nnen, haben hier Vorteile der Synergie-Effekte, der Anpassungsflexibilit~it und der Motivation. ''461
455 Vgl. Ftirst, D., Selbststeuerungsf~ihigkeitvon Regionen, 2001, S. 15 ff. 456 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 210. 457 Vgl. Ftirst, D., Steuerung auf regionaler Ebene versus Regional Governance, 2003, S. 442; Marshall, T., Regional Governance, 2003, S. 523; Walser, M. & Scherer, R., Regional Governance, 2002, S. 16; weiters Regional Governance, Teil II-3.1 und II-3.3. 458 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 169 f. 459 Kenis, P. & Schneider, V., Policy Networks and Policy Analysis, 1991, S. 26. 460 Die parallele Entwicklung von Netzwerken in Politik und Wirtschaft weist darauf hin, dass das Aufkommen von interorganisatorischen Netzwerken ein Grundmerkmal gesellschaftlicher Modernisierung ist (vgl. Mayntz, R., Modemisierung und Logik von interorganisatorischen Netzwerken, 1992, S. 21). 461 Ftirst, D., Region und Netzwerke, 2002, S. 4. 109
Dieser Netzwerkzugang entspricht der Sichtweise, dass Regionen weniger als geographische Standorte wirtschaftlicher Einheiten gesehen werden, sondern als Basis spezieller r~iumlicher Kooperations- und Interaktionsbeziehungen. In r~iumlichen Wettbewerbseinheiten wird die Bedeutung intersektoraler und interdisziplin~irer Kooperation Dr innovatorische Prozesse betont. 462 Nachfolgend werden Netzwerke und im Speziellen regionale Netzwerke diskutiert.
3.4.1 Netzwerke als heuristische Kategorie Ein Netzwerk besteht grunds~itzlich aus Knoten und Kanten. Knoten sind die Akteure und die Kanten stellen die Verbindungen zwischen den Akteuren (Knoten) dar. Kanten beziehen sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf soziale Beziehungen, sondern k6nnen auch Transaktionen im engeren 6konomischen Sinn umfassen, zum Beispiel Gtiterstr6me. ,,Im allgemeinen ist ein Netzwerk eine Struktur bestehend aus mehreren K n o t e n - anders gesagt, eine Gesamtheit, die aus untereinander verbundenen, aber nicht fest gekoppelten Teilen besteht. ''463 Bei regionalen Netzwerken befinden sich die Knoten und Kanten in r~iumlicher N~ihe zueinander. 464 Netzwerke beeinflussen die Interaktionen zwischen den beteiligten Akteuren. Einige Interaktionen werden wahrscheinlicher gemacht, andere tiberhaupt erst erm6glicht und die Ergebnisse sind andere als bei Interaktionen au6erhalb von Netzwerken. Insgesamt reduzieren Netzwerke die Gefahr des Opportunismus und geben sowohl Sicherheit als auch Sichtbarkeit durch die ihnen innewohnenden langfristigen und strukturellen Charakteristika. Die Beziehungen in Netzwerken sind freiwilliger Natur. Ein Austritt bleibt immer m6glich, auch wenn er durchaus kostspielig sein kann. 465 Abstrakt kann zwischen so genannten ,strong ties' und ,weak ties' Netzwerken unterschieden werden. Sind sich Akteure, welche durch ein Netzwerk verbunden sind, zum Beispiel aufgrund ~ihnlicher Einstellungen, Werte oder sozialen Status ~ihnlich, dann kann von ,strong ties' Netzwerken gesprochen werden. In ,weak ties' Netzwerken arbeiten hingegen eher heterogene Akteure zusammen. Studien verdeutlichen, dass der Informationsaustausch zwischen eher homogenen Akteuren h~iufiger stattfindet, als bei heterogenen Akteuren eines Netzwerkes. Daftir sind der Informationswert und somit auch das Innovationspotential in ,weak ties' Netzwerken f'tir die Beteiligten hOher. Die Ahnlichkeit und die Gemeinsamkeiten von Netzwerkakteuren k6nnen das Eindringen neuer Ideen verhindern. Innovations- und Modernisierungsprozesse werden in solchen F~illen vielfach nur durch exogene Anforderungen oder Krisen initiiert. 466 Zusammenfassend gilt somit, dass ,,w~ihrend ,strong ties' sozio-emotionale Beziehungen ausbilden lassen, die auch Solidarit~it, Vertrauen, Sicherheit vermitteln, sind ,weak ties' vor allem vorteilhaft, um Information zu vermitteln. ''467
462 Vgl. FiJrst, D. & Schubert, H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 354. 463 Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 491; Mayntz weist weiter darauf hin, sobald die Teile eines Ganzen fest verkoppelt werden, sei es technisch oder aufgrund einer Befehlskette, l~isst sich das Netzwerkkonzept nicht mehr anwenden. 464 Vgl. Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 32. 465 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 232 f. 466 Vgl. Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 32 ff. 467 Ftirst, D. & Schubert, H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 358. 110
Der Erfolg von Netzwerken verlangt nach einer Balance zwischen Ahnlichkeit und Verschiedenheit sowie zwischen Vertrautem und Neuem. In Regionen sind daher sowohl ,strong ties' als auch ,weak ties' Netzwerke zu finden. ,Strong ties' werden vor allem von so genannten ungerichteten Netzwerken ausgebildet, deren Ziel in erster Linie die Bildung einer koh~renten Gemeinschaft ist. Gerichtete Netzwerke hingegen stellen zielorientierte Verbindungen dar wie projektgestatzte Kooperationen. Das Vorhandensein ungerichteter Netzwerke ist unter Umst~nden vorteilhaft oder sogar notwendig, um die Funktionsf~higkeit gerichteter also zweckorientierter Netzwerke zu st~rken. Das Zusammenspiel der beiden Netzwerktypen erleichtert den notwendigen Informations- und Innovationsfluss, f6rdert die sozio-emotionale Abstfitzung von notwendigen Ver~nderungen und unterstfitzt Lernprozesse. 468 Wichtig ist dabei, dass ungerichtete Netzwerke nicht so dominant sind, dass sie in der Lage w~ren, behindernd auf Struktur~nderungen zu wirken.
3.4.2 Merkmale von Netzwerken Die Struktur von Netzwerken ist durch drei wesentliche Elemente charakterisiert. 469 Erstens herrschen horizontale Beziehungen zwischen den Akteuren v o r . 470 Daher handelt es sich zweitens primer um interorganisatorische Beziehungsgeflechte und drittens sind die Interaktionen zwischen den Akteuren in Netzwerken durch eher lose Beziehungen gekennzeichnet. Netzwerke, die durch interorganisatorische Beziehungen und durch eine abnehmende Bedeutung von a priori zentralen Akteuren gekennzeichnet sind, reflektieren die wechselseitigen Abh~ngigkeitsbeziehungen zwischen den beteiligten Akteuren. Die einzelnen Akteure verffigen meist nicht fiber alle notwendigen Ressourcen zur Erreichung eines bestimmten Resultates, da diese auf unterschiedliche Akteure verteilt sind. Die interorganisatorische Struktur des Netzwerkes zielt darauf ab, die unterschiedlichen, ffir den kollektiven Output wichtigen Ressourcen zusammenzuftihren. Die Akteure verfolgen dabei unterschiedliche, aber dennoch wechselseitig abh~ngige Interessen. Interaktionen dienen dazu, die Interessen abzustimmen und gemeinsame Ziele zu definieren. Interorganisationale Netzwerke k6nnen folgende Strukturmerkmale aufweisen: 47~ -
Kooperation: Meist handelt es sich bei Netzwerken um lose gekoppelte Akteurvereinigungen. Dieses Strukturmerkmal weist jedoch nicht vorne herein auf vertrauensbasierte Zusammenarbeit eher gleichberechtigter Akteure hin, sondern muss auch mit Strategie, Kontrolle, Macht, Abh~,ngigkeit, Konflikt, Wettbewerb und ungleichem Tausch in Verbindung gebracht werden.
-
Vertrauen: Dieses sehr h~ufig zitierte Strukturmerkmal umfasst ,,the willingness of a party to be vulnerable to the actions of another party based on the expectation that the other party will perfom a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to
468 Vgl. Ft~rst,D. & Schubert, H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 358 f. 469 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 211 ff. 470 Im Unterschied dazu dominieren in hierarchischen Strukturen vertikale Verbindungen. 471 Vgl. Sydow, J. & Windeler, A., Steuerung von und in Netzwerken, 2000, S. 11 ff. Die Autoren weisen darauf hin, dass die genauen Strukturmerkmale von Netzwerken umstritten sind. Es werden nachfolgend jene aufgezeigt, die einen Ansatzpunkt ft~r die Netzwerksteuerung darstellen. Vgl. weiters Ffirst, D. & Schubert, H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 352 ft. 111
monitor or control that other party. ''472 Verhandlungsdilemmas k6nnen durch Vertrauen gemildert oder sogar beseitigt werden. -
-
-
-
Selbstverpflichtung impliziert die Reduktion opportunistischen Verhaltens der Netzwerkpartner. Die Verbindung zum Vertrauen liegt nahe, zum einen weil Selbstverpflichtung nicht ohne Vertrauen auskommt und zum anderen weil auch in die Selbstverpflichtung vertraut werden muss. Selbstverpflichtung ist ebenfalls in den Koordinationsformen Markt und Hierarchie von Bedeutung. Positive emotionale Assoziationen und verl~issliche Beziehungen bilden die Voraussetzungen fiir eine notwendige interne Koh~ision. Verl~isslichkeit: Akteure k6nnen sich auf die Interessen und die Klugheit der anderen Akteure, auf bew~ihrte Organisationen und Institutionen verlassen. Verl~isslichkeit garantiert zudem den Bestand ausgehandelter Ergebnisse als auch die Dauerhaftigkeit von Beziehungen. In diesem Sinn ist Vertrauen ein Sonderfall von Verl~isslichkeit und Selbstverpflichtung sowie eine M6glichkeit unter vielen, die Verl~isslichkeit zu steigern. Verhandlung: Zweck ist die Thematisierung unterschiedlicher Interessen und die MOglichkeit zu einer Probleml6sung oder zumindest zu einem partiellen Interessenausgleich zu gelangen. Dauerhafter Beziehungszusammenhang: Interorganisationale Netzwerke sind durch dauerhafte Beziehungen zwischen den Akteuren gekennzeichnet. Kompetente Akteure versuchen gesellschaftsweite, institutionelle Aspekte mit in die Prozesse der Konstitution von Netzwerken zu binden. Netzwerke grenzen sich somit von Arbeitsgruppen ab, die normalerweise ergebnisorientiert in einem festgelegten Zeitraum agieren.
Diese Strukturmerkmale sind voneinander abh~ingig. So ben6tigen kooperative Beziehungen gleichzeitig Vertrauen, Selbstverpflichtung und Verl~isslichkeit.
3.4.3 Funktionen von Netzwerken Netzwerke k6nnen folgende Funktionen erfiillen: - Vertrauensbildungsfunktion, -
-
Unsicherheitsabsorptions-Funktion, Konsensbildungsfunktion, Verhandlungsfunktion.
Ftirst und Schubert nennen zus~itzlich die Ersatzfunktion, die Mobilisierungsfunktion sowie die Forums- und Innovationsfunktion. 473 So kann ein regionales Netzwerk als Ersatz ftir unzureichende institutionelle Entscheidungsstrukturen auf der regionalen Ebene dienen. Die Mobilisierungsfunktion umfasst die Aufgabe, die Akteure von ihrer sektoralen oder lokalegoistischen Sicht zugunsten gemeinsamer regionaler Herausforderungen abzubringen. SchlieBlich kann es ein regionales Netzwerk erm6glichen, gemeinsame Probleme und Belange zu identifizieren und entsprechende Handlungskorridore zu bestimmen. Netzwerke erfiillen die Funktionen unterschiedlich, was als Differenzierungsmerkmal fiir Netzwerke herangezogen werden kann.
472 Mayer, R.C. et al., An integrative model of organizational trust, 1995, S. 712. 473 Vgl. Ftirst, D. & Schubert, H., RegionaleAkteursnetzwerke, 1998, S. 353 f. 112
3.4.4 Vorteile und Effekte Die Netzwerkstruktur kann zur Umsetzung gemeinsamer Probleml6sungen und zur Erreichung gew~ihlter Ziele durch verschiedene, ihr potentiell innewohnenden Funktionen beitragen. Entscheidungsrelevantes Wissen wird zusammenge~hrt und m6glichst durch einen kontinuierlichen Erfahrungsaustausch aktualisiert und vergr6Bert. Die gezielte Korrektur, Erg~inzung und Erweiterung von Wissen wird auf diese Weise m6glich und Lernprozesse der beteiligten Akteure erleichtert. Das Zusammen~hren von Wissen muss einhergehen mit der Offenlegung der verschiedenen Interessen. Diese Transparenz ist notwendig, damit sich Konsens- und Kompromissstrukturen herausbilden k6nnen. Der erforderliche Interessenausgleich schafft eine gemeinsame Probleml6sungsorientierung, die zusammen mit den geschaffenen Strukturen das Vertrauen in das Netzwerk st~irkt. Insgesamt scheint eine netzwerkartige Organisationsform in der Lage zu sein, die funktionale Differenzierung, sprich die steigende Interdependenz der Teilsysteme bei zunehmender Abschottung der Subsysteme, zu entsch~irfen. Independenz und Interdependenz sind auch Charakteristika von Netzwerken. Gehandhabt werden sie durch Kommunikation und Koordination. 474 Genosko diskutiert weitere Vorteile von Netzwerken, die in erster Linie auf einer Reduzierung von Transaktionskosten beruhen: 4vs Langfristige Absprachen mit anderen Akteuren k6nnen das mit spezifischen Investitionen verbundene Risiko reduzieren. Dies gilt vor allem bei ,strong-ties' Netzwerken. - Das Wissen fiber die Partner verringert Such- und Verhandlungskosten sowie die laufenden Betriebskosten des Systems. Es k6nnen effiziente Organisationseinheiten geschaffen werden, die die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Ver~inderung formaler und informeller Ordnungen gtinstig beeinflussen. Informations- und Kommunikationskosten k6nnen durch den Einsatz von interorganisationalen Informationssystemen gesenkt werden. Netzwerk-Partnerschaften generieren wechselseitige Abh~ingigkeiten. Dadurch kann opportunistisches Verhalten vermindert werden, was zu einer Reduzierung der Uberwachungs- und Durchsetzungskosten fiihrt. - Technologische Interdependenzen verlangen nach gemeinsamen Produkt- und Prozessinnovationen, welche durch Netzwerke erm6glicht und gef6rdert werden. Netzwerke beschleunigen interorganisationales Lernen und k6nnen auf diese Weise s~imtliche Transaktionskosten reduzieren. Begfinstigungen, die mit Netzwerken zusammenh~ingen, gehen jedoch fiber die Reduzierung von Transaktionskosten hinaus, indem sie nicht nur Ressourcen effizienter zuweisen, sondern zus~itzlich Ressourcen schaffen. Dieser ressourcenerzeugende Effekt von Netzwerken beruht darauf, dass Akteure durch Kooperation ihre St~irken und vor allem ihre Kapazit~iten ausweiten k6nnen. Weiters bieten Netzwerke die M6glichkeiten der Risikoteilung und der Unsicherheitsminderung. SchlieBlich erm6glichen Netzwerke eine bessere Internalisierung negativer Extemalit~iten, auch wenn dies keine Besonderheit von Netzwerken darstellt. -
-
-
-
-
474 Vgl. Messner,D., Netzwerkgesellschaft,1995, S. 212 f. 475 Vgl. Genosko,J., Netzwerkein der Regionalpolitik,1999, S. 48 f. 113
Ein wesentliches Potential der Netzwerke liegt in ihrer Dynamik. Sie ver~indern und entwickeln sich. Netzwerkeffekte sind dadurch charakterisiert, dass durch Aktivit~iten eines Akteurs, positive Effekte fOr alle Beteiligten generiert werden k6nnen. Diese positiven Netzwerkeffekte fohren dazu, ,,dass ein Netzwerk je gr613er es ist respektive je st/~rker die Verbindungen zwischen den Elementen und je dichter die Str6me auf den Verbindungen einem umso gr6f3eren Mehrwert liefert. ''476 Netzwerke sind in diesem Sinn Mechanismen, die Innovation tiber Zusammenarbeit und interaktive Beziehungen verbreiten. Neben den beschriebenen Effekten k6nnen in wirtschaftlichen Netzwerken zus~itzlich angebots- und nachfrageseitige Netzeffekte ausgemacht werden. 477 Angebotsseitige Netzeffekte betreffen die beteiligten Akteure und beziehen sich auf potentielle Vorteile wie verbesserte Einkaufskonditionen, Arbeitsteilung, Splittung von Investitionskosten oder Risikoteilung. Derartige Effekte beruhen auf sinkenden Grenzkosten, d. h. je gr66er das Netzwerk, umso niedriger die Grenzkosten und desto gr66er die Vorteile fOr die Netzwerkpartner. Nachfrageseitige Netzeffekte hingegen umschreiben die verst~irkte Position der beteiligten Akteure auf dem Markt durch Zusammengeh6rigkeits- und Selbstverst~irkungseffekten, die zum Beispiel die Marktpr/~senz verbessern k6nnen. Im Gegensatz zu den angebotsseitigen Effekten beruhen diese Vorteile auf steigenden Grenzertr~igen, d. h. je gr6f3er das Netzwerk, desto der gr613er der Nutzen ftir die Beteiligten. Zusammenfassend fOhren sinkende Grenzkosten durch angebotsseitige Effekte bei gleichzeitig steigenden Grenzertdigen aufgrund nachfrageseitiger Netzeffekte bei zunehmender Netzwerkgr6f3e zu steigenden Grenzgewinnen.
3.4.5 Machtstrukturen in Netzwerken Akteure, die am kollektiven Entscheidungsprozess beteiligt sind, stellen relevante Knoten des Netzwerkes dar. Aber auch wenn alle Akteure in den Entscheidungsprozess eingebunden sind, so sind die Beziehungen in Netzwerken in der Regel nicht gleichwertig. 478 Es existieren Machtstrukturen und je bedeutender die Ressourcen eines Akteurs, desto gr66er der Einfluss und die Zentralit/~t. Nicht nur die Gr66e eines Akteurs oder dessen Finanzkraft spielen eine Rolle, sondern vor allem der Besitz von strategischen Ressourcen wie Wissen oder Vetomacht. Es wird erneut deutlich, dass das Zusammenwirken von Akteuren in Netzwerken nicht gleichzusetzen ist mit harmonischer Kooperation. Akteure verfolgen eigene, oft divergente Interessen, sodass sowohl Wettbewerb als auch Kooperation eine Rolle spielen und letztlich nahe beieinander liegen. In Netzwerken sind somit Elemente der Ordnungsmuster Markt und Hierarchie zu finden. Zum einen agiert ebenso wie auf dem Markt eine Vielzahl autonomer Akteure und zum anderen werden /~hnlich wie in einer Hierarchie gew~ihlte Ziele durch koordiniertes Handeln angestrebt. 479
476 Bieger, Th. & Laesser, Ch., Neue Organisationsformenim Tourismus, 2004, S. 70. 477 Vgl. Bieger, Th. & Rtiegg-Sttirm,J., Net Economy, 2002, S. 25 f.; Shapiro, C. & Varian, H.R., Information rules, 1999, S. 173 ft. 478 Nur die relative Autonomie, nicht jedoch die Gleichheit der Elemente ist ein Definitionsmerkmal von Netzwerken. Somit schlief3tder Netzwerkbegriff die M6glichkeit von hierarchischen Beziehungen zwischen Knoten nicht aus (vgl. Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 491). 479 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 212 f. 114
Netzwerkverbindungen zwischen den Akteuren erzeugen selektive Gelegenheitsstrukturen, innerhalb derer Austausch stattfindet. 48~ Dabei kann nicht jeder den gleichen Einfluss ausfiben oder seinen Einfluss mit jedem anderen tauschen, denn vorhandene Verbindungen spielen eine Rolle. Diese Gelegenheitsstrukturen k6nnen auch als Machtstrukturen gesehen werden. Manche Akteure verNgen fiber mehr Verbindungen als andere und k6nnen dadurch unter Umst~inden Vorteile aussch6pfen. In der Network-exchange Literatur 48~ wird Macht als eine asymmetrische Tauschbeziehung 482 analysiert: ,,Netzwerkstrukturen k6nnen also asymmetrische Abh~ingigkeiten und daher Macht erzeugen, wenn ein Mitglied einer dyadischen Austauschbeziehung Zugang zu altemativen Ressourcenquellen hat, das andere Mitglied jedoch nicht. ''483 Insgesamt ist es wichtig, dass die in Netzwerken beteiligten Akteure und Organisationen Selbstorganisations-, Leistungs- und Handlungsf'~ihigkeit besitzen, da Netzwerke das Agieren von einzelnen Akteuren nicht ersetzen. ,,Aus der Kooperation schwacher Einzelorganisationen werden nur selten leistungsf~ihige Netzwerke entstehen. ''484
3.4.6 Probleme und Zerfall von Netzwerken Nicht selten werden Netzwerke als naive ,Wir-ziehen-alle-an-einem-Strang-Ideologien' prfisentiert. 485 ,,Die Vorstellung, durch die Etablierung von Netzwerkstrukturen die Steuerungsprobleme moderner und sich modernisierender Gesellschaften a priori und gmnds~itzlich 16sen zu k6nnen, erweisen sich jedoch bei genauer Analyse als voreilig. ''486 Die Errichtung eines Netzwerkes kann scheitern oder von m~ichtigen Akteuren zu deren Gunsten instrumentalisiert werden. Weiters k6nnen funktionsfghige Netzwerke vermachten, verfilzen oder erstarren. 487 ,,Eine Besch~iftigung mit den Stabilit~itsbedingungen von Netzwerken setzt aber zwangslfiufig voraus, dab man auch ihre Kosten und Risiken auflistet und dadurch die Balance in der Analyse von Netzwerken und kooperativem Verhalten herstellt. ''488 Nachfolgend werden die wesentlichen Problemdimensionen der Netzwerkstabilitfit dargestellt. 489
480 Die gmnds~itzliche Logik von Netzwerken basiert auf Tausch und Aushandlung, im Unterschied zur Marktlogik des Wettbewerbs und der Logik von Autorit~it und Gehorsam, die in Hierarchien zu finden ist (vgl. Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 478). 48~ Die Network-exchange-Literatur geht auf die Power-dependence-Theorie von Richard Emerson (1962) zurtick (vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 237). 482 Der Netzwerkansatz hat sich von Anfang an in enger Verbindung mit der soziologischen Tauschtheorie entwickelt, wobei die ein soziales Netzwerk konstituierenden Beziehungen abstrakt als Tauschbeziehungen bzw. als Austausch von Ressourcen analysiert werden. Eine optimale Gleichgewichtsallokation von Ressourcen ist in realen Tauschsystemen nicht m6glich. Tauschbeziehungen sind abh~ingig vonder Vertrauensbasis, der Zeitperspektive, der Regelung des Tauschs durch Reziprozit~its-und Solidarit~itsnormen aber auch von der Positionierung der Akteure im Netzwerk. Letztlich sind Tauschsysteme ,,komplexe adaptive Ungleichgewichtssysteme"(vgl. Kappelhoff, P., Netzwerkansatz, 2000, S. 42 f.). 483 Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 237. 484 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 213. 485 Vgl. Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 60. 486 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 214. 487 Vgl. Kappelhoff, P., Netzwerkansatz, 2000, S. 30. 488 Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 60. 489 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 214 ff. 115
Das Problem der gro6en Zahl Die Schwierigkeiten von Koordination und Interessenausgleich steigen mit der Zahl der beteiligten Akteure und ihrer interdependenten Handlungsoptionen. 49~ Aufgrund der vielf~iltigen Beziehungen lassen sich drei Koordinationsprobleme ausmachen, die von einer groBen Akteuranzahl mehr oder weniger beeinflusst werden. 49~ Zum einen mtissen sich die Akteure fiber gemeinsame Standards wie Qualit~itsvorgaben verst~indigen. Diese Standards stellen dann eine Orientierungsgrundlage mr das individuelle Verhalten dar. Sind verbindliche Standards oder sonstige Vorgaben definiert und auch akzeptiert, dann k6nnen die Akteure ihre verbleibenden Optionen autonom gestalten. Bei einer solchen Koordination yon gemeinsamen Standards ist das Problem der groBen Zahl von Akteuren nur bedingt relevant und kann auf relativ einfache Weise gel6st werden. Ein weiteres Koordinationsproblem kann entstehen, wenn Priorit~iten definiert oder Prozesse zeitlich aufeinander abgestimmt werden mtissen. Durch gezielte Koordination kann dieses Problem gemindert werden und die Akteure k6nnen auf der Grundlage abgestimmter Sequenzen autonom agieren. Auch hier bleibt das Problem der groBen Zahl beherrschbar. Das dritte Koordinationsproblem basiert auf der reziproken Interdependenz, d. h. die Entscheidungsm6glichkeiten der Akteure sind vom Verhalten der anderen abh~ingig. Die Koordination dieser Situation stellt hohe Anforderungen an die Beteiligten. Es ist nicht mehr ausreichend, Standards festzulegen oder Handlungssequenzen zu bestimmen, vielmehr sind kontinuierliche Abstimmungsprozesse notwendig, wobei Einzelakteure normalerweise fiber betr~ichtliche Veto- und Blockadepotentiale verffigen. Bei reziproker Interdependenz spielt die Anzahl der beteiligten Akteure eine Rolle. Die Ausffihrungen zu den verschiedenen Arten von Koordinationsproblemen, die in einem Netzwerk auftreten kOnnen, zeigen, dass in bestimmten Situationen die Anzahl der an einem Netzwerk beteiligten Akteure begrenzt werden muss. Das gilt vor allem dann, wenn komplexe Aufgabeninterdependenz durch Verhandlungskoordination bew~iltigt werden soll. 492 Messner leitet ab, dass Ans~itzen mit Skepsis zu begegnen ist, die zentralistische Koordinations- und Entscheidungsstrukturen durch eine weitgehende Dezentralisierung oder Arbeitsteilung und durch horizontale Handlungskoordination abl6sen m6chten. Dies kann nicht von vome herein mit Effizienzsteigerung gleichgesetzt werden und es gilt, eventuelle negative Konsequenzen zu beriicksichtigen. Schwierigkeiten entstehen immer dann, wenn eine groBe Zahl von Akteuren ein Gesamtergebnis erarbeiten muss, das von den Entscheidungen und Handlungen vieler anderer abh~ingig ist. Das Problem der groBen Zahl kann abgeschw~icht werden durch die F6rderung einer Handlungsorientierung der Akteure, die auf eine gemeinsame Problem16sung ausgerichtet ist und durch die Kombination von hierarchischen und horizontalen Koordinationsformen. 493
490 Auch wenn die Zahl autonom Handelnder, aus der Netzwerke zusammengesetzt sind, grunds~itzlich beschr~inkt ist. 491 Vgl. Thompson,J.D., L'azione organizzativa, 2002, S. 141 f. 492 Vgl. Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen,1996, S. 508. 493 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 218. 116
Zeitdimension von Entscheidungen Netzwerkakteure sind meist gleichzeitig sowohl Entscheider als auch Betroffene. Auch wenn die Aul3enwelt m6glich rasch vom Netzwerk t~berzeugt werden soil, so besteht doch kein unmittelbarer Anreiz, kurzfristig orientierte Nutzenmaximierung zu betreiben. Dennoch ergeben sich einige Problemkonstellationen. Es kann vorkommen, dass Akteure primer den eigenen Nutzen kurzfristig kalkulieren, w~ihrend die Erreichung der Netzwerkziele eine l~ingerfristige Orientierung verlangen wfirde. 494 Die Verfolgung individueller Interessen k6nnte in einem solchen Fall durchaus eine Gefahr far die Erarbeitung einer optimierten Probleml6sung far das Netzwerk darstellen. Eine zweite Problemdimension kann sich entwickeln, da aufgrund der wechselseitigen Abhgngigkeit und diverser Investitionen in das Netzwerk, wie Zeit, das allgemeine Interesse an dauerhafter und stabiler Kooperation w~ichst. Kontinuierliche Zusammenarbeit festigt die Erwartungssicherheit der beteiligten Akteure und senkt so verschiedene Transaktionskosten. Dieses Interesse an Stabilitgt kann jedoch zu einem Trend der Konfliktvermeidung und zu inkrementellen Wandel fahren, um keine Beteiligten zu verschrecken. Stabile Netzwerke k6nnen durch die entwickelte soziale Kohgsion Probleml6sungen begt~nstigen, die weniger strategische Entscheidungen darstellen als vielmehr L6sungen, die sich entlang dem traditionellen Entwicklungspfad bewegen. Ahnlich wie auch Unternehmen k6nnen Netzwerke eine Konsens-Kultur entwickeln, die einen kollektiven Konservatismus f6rdem und notwendige Strukturvergndemngen verlangsamen oder blockieren kann. 495 Dies ist besonders dann von Nachteil, wenn strukturelle Krisen zu bewgltigen sind oder Umbrache eingeleitet werden mfissen. Messner weist daher darauf hin, dass Netzwerke wahrscheinlich dann am leistungsf'~ihigsten sind, ,,wenn es um Strukturgestaltung innerhalb eines etablierten und sich dynamisch entwickelnden Entwicklungspfades geht. ''496 Die St~rke von Netzwerken liegt somit weniger darin, Zukunftsziele gegen etablierte Gegenwartsinteressen durchzusetzen als vielmehr auf Basis von etablierten Gegenwartsinteressen Strukturgestaltung zu betreiben.
Institutionelle Konsolidierung Je grOl3er die Abhgngigkeit von den Ressourcen der anderen Netzwerkakteure und je lgnger die Dauer der Kooperationsbeziehungen, desto gr613er der Druck und die Notwendigkeit, das Netzwerk zu stabilisieren. Ein minimaler institutioneller Grundkonsens, sprich relativ stabile Kooperationsbeziehungen, die durch ein spezifisches Muster gegenseitig akzeptierter Identitgten, Kompetenzen und Interessen charakterisiert sind, erleichtern gemeinsame Probleml6sungen, verhindem Entscheidungsblockaden und reduzieren die rficksichtslose
494 Akteure die in Netzwerken zusammenwirken agieren entlang von drei verschiedenen aber dennoch komplementgren Logiken. Erstens verliert kein Akteur die eigenen Interessen und den eigenen Nutzen aus den Augen (Binnenorientierung). Zweitens definieren die Netzwerkpartner ihre Interessen und vertreten diese auch nach aul3en (Interessenvertretung). Drittens gestalten die beteiligten Akteure ihr Umfeld durch Kooperation und Vernetzung mit 6ffentlichen und privaten Organisationen (kooperativer Wettbewerb) (vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 206). 495 ,,Ebenso wie einzelne Organisationen kann ein Untemehmensnetzwerk von einer bestimmten Kultur gekennzeichnet sein, die die Annahmen und Werte widerspiegelt, nach denen sich das typische Handeln von Akteuren richtet" (Staber, U., Steuerung von Unternehmensnetzwerken,2000, S. 66). 496 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 220 117
Nutzenmaximierung durch einzelne Akteure. 497 ,,Die Konsolidierung und Verstetigung der Beziehungen von Netzwerkakteuren sind demnach in der Regel eine wesentliche Bedingung far die Funktionsf~ihigkeit von Netzwerken. ''498 Die Stabilisierung und institutionelle Konsolidierung von Netzwerken erh6ht jedoch nicht nur die Funktionsf~ihigkeit, sondern auch die Austrittskosten und kann zu negativen Effekten von sozialer Koh~irenz wie Konservatismus oder Vereinheitlichung fahren. Letztlich agieren Netzwerke im Spannungsfeld von Desintegration und Anpassungsgefahr auf der einen Seite sowie funktionaler und kognitiver Blockierung durch ein zuviel an sozialer Koh~irenz auf der anderen Seite. 499
Das Koordinationsproblem Die Koordination mehrerer Netzwerkakteure durch Verhandlungen kann zu verschiedenen Problemen fahren. 5oo Erstens werden L6sungen, die die aggregierte Wohlfahrt maximieren, nur dann in Betracht gezogen, wenn die L6sung auch far alle Beteiligten eine Verbesserung der Status quo darstellt. Gibt es mehrere entsprechende L6sungen, so kann es zweitens vorkommen, dass Verhandlungen durch den Streit tiber die Wahl zwischen den LOsungen blockiert werden. Daraus folgt dass die verhandelnden Netzwerkakteure nur dann ein KaldorOptimum 5~ anstreben, wenn nicht kompetitive oder feindliche Handlungsorientierungen gegentiber den anderen Beteiligten vorliegen. Diese Probleme versch~irfen sich, wenn die Anzahl der Partner w~ichst, da somit gleichzeitig die potentiellen Veto-Positionen zunehmen. Die beschriebenen Probleme kOnnen entsch~irft werden, wenn Ausgleichszahlungen far die Verlierer m6glich sind und wenn entsprechende Transaktionskosten vemachl~issigt werden. Die Ausfiihmngen zeigen, dass erfolgreiche Koordination in netzwerkartigen Verhandlungssystemen tiberaus komplex ist und nicht immer zu optimalen Ergebnissen fahrt. Verhandlungsblockaden h~ingen mit den Handlungsorientierungen der Akteure zusammen und k6nnen nur dann aufgebrochen werden, wenn die F~ihigkeit und Bereitschaft vorhanden sind, eigene sowie gemeinsame Interessen zu definieren und Kompromisse einzugehen. 5~
Verhandlungsdilemma Das Verhandlungsdilemma wurde definiert als Situation, in welcher far die Erzielung eines Ergebnisses Vertrauen und Kooperation n6tig sind, w~ihrend bei der Verteilung des erzielten Nutzens durchaus strategisches Handeln, Informationsmanipulierung und der Einsatz von
497 Kappelhoff weist darauf hin, dass der Netzwerkansatz nicht in einem gegensatzlichen, sondern in einem komplement~iren Verh~iltnis zum institutionellen Ansatz steht (vgl. Kappelhoff, P., Netzwerkansatz, 2000, S. 31). 498 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 221. 499 Vgl. Staber, U., Steuerung von Unternehmensnetzwerken, 2000, S. 62; Ft~rst, D. & Schubert H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 354 ff. 5o0 Vgl. Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen, 1996, S. 498 if; Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 248 ft. 501 Das Kaldor-Kriteriumbewertet alle Magnahmen positiv, deren Nutzen flir die Begt~nstigtengrog genug sind, um an alle durch die Magnahmen Benachteiligtendie voile Entschgdigungbezahlen zu k6nnen. 502 Es muss grundsgtzlichdavon ausgegangenwerden, dass neben dem gemeinsamen Interesse an einer f't~rbeide Seiten vorteilhaften Kooperation stets auch ein Interesse an einer einseitigen Vorteilsnahme auf Kosten anderer Akteure vorhanden ist (vgl. Kappelhoff, P., Netzwerkansatz, 2000, S. 43). 118
Bluff oder Drohungen zu erwarten sind. 5~ Ein solches Verhandlungsdilemma kann die Erfolgsaussichten von Netzwerken zunichte machen, denn die Koordination von Netzwerken und die Maximierung des aggregierten Nutzens k6nnen normalerweise nur dann gelingen, wenn sich die Akteure fiber die Verteilung der anfallenden Kosten und Gewinne einigen. Die Einbringung und Verteilung gemeinsamer Ressourcen und Gewinne mfissen geregelt und die beteiligten Akteure motiviert werden, diese Regeln zu befolgen. 5~ Handlungsorientierungen wie fairer Austausch oder Reziprozit~t reichen dabei nicht aus, es braucht von den beteiligten Akteuren eine freiwillige Einschrfinkung der Handlungsf'~.higkeit, indem zum Beispiel die Interessen anderer berficksichtigt werden. Bei der Einhaltung der Regeln geht es nicht primer um die Antizipation eventueller Sanktionen, sondern um die Respektierung der Interessen der Netzwerkpartner und um die Anerkennung der legitimen Ansprfiche aller. 5~ Beffirchten die Netzwerkpartner ausgenutzt oder fibervorteilt zu werden, so wird die Zusammenarbeit blockiert oder sogar abgebrochen. ,,Da die Beteiligten in ihrem Konzessionsverhalten normalerweise nicht von vornherein festgelegt sind, jedenfalls nicht vollst~ndig, mfissen sie dar~ber entscheiden, ob und in welchen Ausmal3 sie Zugest~ndnisse machen oder mit dem Abbruch von Kooperationen drohen. ''5~ Grunds~tzlich ist es f't~r alle Beteiligten vorerst vorteilhaft, hart zu verhandeln, da Konzessionen nicht zur~ckgezogen werden kOnnen, ohne die Verhandlungen zu gef'fihrden. Das Ergebnis ist, dass selbst kooperationsbereite Akteure nicht immer imstande sind, eine Einigung zu erzielen. Die Anerkennung und Respektierung der legitimen Interessen der Verhandlungspartner ist kennzeichnend ffir Konstellationen, die in kooperative Dauerbeziehungen sozial eingebettet sind. 5~
M a c h t 5~
Vielfach werden Netzwerke als ein Zusammenspiel verschiedener Akteure dargestellt, wobei Macht oder Machtbeziehungen wenig thematisiert werden, da Netzwerke auf wechselseitigen Abh~.ngigkeiten beruhen. Die Ressourcen zur L0sung eines Problems sind auf die beteiligten Akteure verteilt und Entscheidungen sind meist nicht gegen den Willen der Betroffenen durchzusetzen. Nichtsdestotrotz existieren in Netzwerken Ungleichgewichte, welche sich in den Handlungsoptionen der Akteure widerspiegeln, auch wenn sie mit den herk6mmlichen Machtbegriffen 5~ nur schwer zu fassen sind: ,,Die Zurechenbarkeit von M a c h t - und damit O h n m a c h t - in Netzwerken ist prinzipiell kompliziert, in hierarchischen Entscheidungsstrukturen hingegen recht trivial. ''5~~ Crozier und Friedberg modifizieren den herk6mmlichen Machtbegriff von Weber, der auf Herrschaft, Disziplin und Gehorsam beruht und machen darauf aufmerksam, dass ,,Macht eine gegenseitige, aber unausgewogene Beziehung ist ... ein
503 Vgl. Verhandlung, Teil I-7.1.2; weiters Scharpf,, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 211. 5o4 Vgl. Osterloh, M. & Weibel, A., Ressourcensteuerung in Netzwerken, 2000, S. 103. 5o5 Vgl. Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 483. 5o6 Benz, A., Regional Governance, 2003, S. 506 f. 5o7 Vgl. Scharpf, F.W., Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen, 1996, S. 523. 5o8 Vgl. Steuerungsmedium Macht, Teil I-4.3.1. 5o9 ,,Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht" (Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1980, S. 28). 510 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 234. 119
Kr/ffteverh~iltnis, aus dem der eine mehr herausholen kann als der andere, bei dem aber gleichfalls der eine dem andern nie v611ig ausgeliefert ist. ''51~ Ein solcher Machtbegriff ist durchaus auf die Interaktionsbeziehungen in Netzwerken anwendbar. Die Grundlage von Macht in Netzwerken ist die VerNgbarkeit von Ressourcen. In Anlehnung an diese Definition k6nnen vier bedeutende Machtquellen 512 unterschieden werden: 513 -
-
-
spezifisches Sachwissen, Kontrolle tiber Informationen und Kommunikationsquellen, Macht, die sich aus allgemeinen organisatorischen Regeln oder Wertemustern ableitet und finanzielle Ressourcen (damit k6nnen andere Machtquellen beeinflusst werden).
Die Macht und das entsprechende Kr~iftefeld in Netzwerken beruhen auf den Unterschied zwischen strategisch wichtigen Ressourcen, die nur schwer oder nicht substituierbar sind, und strategisch unbedeutenden Ressourcen, die ohne weiteres substituierbar sind. Daraus entstehende Asymmetrien in den Verbindungen implizieren, dass es auch in Netzwerken Gewinner und Verlierer gibt, auch wenn die Macht der Schw/~cheren gr6Ber ist als in anderen Koordinationsforrnen wie in der Hierarchie. Je nach Art und Umfang der Ressourcenabhgngigkeit ver/~ndert sich der Entscheidungsspielraum der Akteure. Es entwickelt sich ,,ein Spannungsverhgltnis zwischen dem Bedtirfnis nach Autonomie und der Abh~ingigkeit von Organisationen, die den Zugang zu tiberlebensnotwendigen Ressourcen kontrollieren. ''514 Machtstrukturen in Netzwerkbeziehungen beeinflussen nicht nur das DurchsetzungsvermOgen der Akteure, sondern auch deren Definitionsmacht. Was in einem Netzwerk als erstrebenswert oder einfach als akzeptable L6sung definiert wird, hangt nicht nur von der Leistungsf~ihigkeit oder der Kreativit~it der Mitglieder ab, sondern auch v o n d e r Definitionskraft der Akteure. Diese Definitionskraft orientiert sich in erster Linie an den eigenen Interessen, wodurch unter Umst~inden wichtige Problemfelder unberacksichtigt bleiben oder ignoriert werden. Dieser Sachverhalt trifft nicht nur auf die internen Belange eines Netzwerkes zu, sondern auch auf die Beziehung nach auBen bzw. zur Umwelt. So sind zum Beispiel m/~chtige Netzwerke in der Lage, Anpassungsanfordemngen hinauszuz6gem oder deren Kosten auf die Umwelt abzuw~ilzen. 5~5
Das Spannungsverh~ltnis von Konflikt und Kooperation Erfolgreiche Netzwerke k6nnen nicht auf rein kompetitiven oder gar feindlichen Beziehungen aufbauen, sondern basieren auf Zusammenarbeit und auf dem Bestreben, gemeinsame Ziele zu erreichen. Jedoch k6nnen zu enge Kooperationsbeziehungen in Netzwerken zu kognitiven oder funktionalen Blockaden fahren. Es gilt das SpannungsverhNtnis zu thematisieren, dass Kooperation sowohl produktive also positive als auch blockierende und dementsprechend far
511 Crozier,M. & Friedberg, E., Macht und Organisation, 1979, S. 40 f. 512 Zus~tzlichzu Repressionund Gewalt, auf welchen der herk6mmlicheMachtbegriffberuht. 513 Vgl. Crozier, M. & Friedberg, E., Macht und Organisation, 1979, S. 50; Messner, D., Netzwerkgesellschaft,1995, S. 235. 514 Staber, U., Steuerungvon Unternehmensnetzwerken,2000, S. 61. 515 ,,Netzwerke stehen trotz ihres interaktiven Charakters nicht per se Nr h6here Intelligenz" (Messner, D., Netzwerkgesellschaft 1995, S. 236). 120
das Netzwerk negative Effekte hervorrufen kann. Verschiedene sozialwissenschaftliche Diskussionen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Konflikte, wenn man richtig mit ihnen umgeht und sich mit ihnen auseinandersetzt, durchaus auch Such- und Lernprozesse hervorrufen k6nnen. 516 Konflikte sind ein Kennzeichen pluralistischer Gesellschaften. ,,Die Ausschaltung jeglichen Konfliktpotentials unterminiert nicht nur in Gesamtgesellschaften, sondern auch in Netzwerken die soziale, politische oder auch 6konomische Innovations- und Reaktionsf'~ihigkeit. ''517 Rivalit~iten und Konflikte k6nnen unter Umst~inden genauso bedeutend sein wie Kooperation und Integration, vor allem dann, wenn Innovation und Flexibilitgt far den Erfolg notwendig sind. Daher darf es nicht das Ziel sein, jegliche Konflikte auszuschalten, sondern Konflikte handbar zu machen. Die Akteure mfissen lemen, mit dem Spannungsverhgltnis von Konflikt und Kooperation umzugehen und die Leistungsf'~ihigkeit weder durch einseitige Konflikte noch durch fiberzogene Harmonie zu gef'~ihrden. 518 Abbildung 18 gibt einen 121berblick fiber die beschriebenen Problemdimensionen. Problemdimension Problem der grogen Zahl Zeitdimension von Entscheidungen
Fallstricke
Die Zahl der beteiligten Je gr6Ber die Zahl der Akteure, desto Akteure in einem Netzwerk h6her die Gefahr von Veto-Positionen, kann groB sein. die das Netzwerk blockieren k6nnen. Die Durchsetzung langfristiger Diese Mechanismen k6nnen beitragen gegen kurzfristiger Interessen zu: ist eine Herausforderung: konservativen und strukturerhaltenden Tendenzen Mechanismen: Trends zur Einigung auf den - Konfliktvermeidung kleinsten gemeinsamen Nenner - Kooperation kollektivem Konservatismus soziale Koh~sion Folgende Effekte k6nnen durch die Die institutionelle Mechanismen ausgel6st werden: Konsolidierung von Netzwerken ist eine Bedingung _ die retardierende Funktion der fiir deren Funktionsf~ihigkeit. Kompromisslogik in Netzwerken Mechanismen: kognitive, soziale und politische Blockierungen - Stabilisierung der Kooperationsbeziehung pfadabh~ingiges Handeln durch Herausbildung Konsolidierung nach innen, gemeinsamer Identit~iten feindliche oder indifferente Haltung - Entwicklung der ,weak nach aul3en: Tendenz zur bewussten ties' zu ,strong ties' Extemalisierung von Kosten sowie Produktion nicht-intendierter Effekte -
Institutionelle Konsolidierung
516 ,,Es ist leicht zu beobachten, dab Spannungen und Konflikte zwischen Gruppen, deren Positionen sich entfunktionalisieren, und anderen, die Positionen mit neuen oder angereicherten Funktionen besetzen, zu den zentralen Struktureigent~mlichkeiten jeder Entwicklung geh6ren. Es handelt sich mit anderen Worten nicht, wie es den in solche Spannungen und Konflikte Verwickelten zumeist erscheint, allein um persOnliche, gewissermaBen akzidentelle Spannungen und Konflikte, die je nach der Perspektive der derart verflochtenen Gruppen bald als AusfluB der pers6nlichen B6sartigkeit oder als Folge des besonderen Idealismus der einen oder der anderen Seite betrachtet werden k6nnen. Es handelt sich um strukturierte Spannungen und Konflikte. Sie und ihre Ausgang bilden in vielen F~illen das Kemstiick eines Entwicklungsprozesse" (Elias, N., Soziologie, 1996, S. 193 f.). 517 Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 241; vgl. weiters Bleicher, K., Organisatorischer Harmonisationsprozess, 1991, S. 156. 518 Vgl. Staber, U., Steuerung von Unternehmensnetzwerken, 2000, S. 58. 121
Koordinationsprobleme In Netzwerken besteht die wichtige M6glichkeit, die horizontale Koordinierung zwischen einer Vielzahl von wechselseitig aufeinander angewiesenen Akteuren zu bewerkstelligen.
Verhandlungsdilemma
Koordinationsprobleme bestehen darin, dass: - das Kaldor-Optimum nur schwer zu erreichen ist und ein gemeinsames Verst~indnis der Akteure tiber Kriterien zur Verteilung von Gewinn und Verlust von L6sungsoptionen Bedingung daftir ist, Verhandlungsblockaden zu verhindern Das Dilemma besteht darin, dass vertrauensbasierte Beziehungen zwischen den Akteuren Bedingung ffir Koordinationserfolge sind, zugleich aber - besonders vertrauensvolle Akteure leicht im Verhandlungsprozess tibervorteilt werden k6nnen strategisch orientierte Verhandlungsmuster wie Informationsmanipulation zwar kurzfristig erfolgreich sein k6nnen, wegen der Untergrabung yon Vertrauensbeziehungen aber die Ann~iherung an das Kaldor-Optimum verhindern -
Der Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zwischen den Netzwerkakteuren ist Bedingung ffir die Funktionsf'~ihigkeit von Netzwerken.
-
Macht
In Netzwerken sind die Steuerungsressourcen auf eine Vielzahl von Akteuren verteilt.
-
Auch in Netzwerken existieren asymmetrische Beziehungen zwischen Akteuren, die tiber Ressourcen mit unterschiedlicher strategischer Bedeutung verffigen Netzwerke sind nicht apriori demokratisch oder hierarchie-frei - Macht im Netzwerk und zwischen diesem und seiner Umwelt kann die Akteure dazu verffihren, nicht lernen zu mtissen. Dann droht die Erosion der systemischen Intelligenz des Netzwerks Ftir das Verh~iltnis von Kooperation und Konflikt gilt: - in Netzwerken existieren in der Regel sowohl Kooperation als auch Konflikt - tiberzogene Harmonieorientierung kann innovationshemmend wirken Konflikte sind eine potentielle Produktivkraft Kooperation und Konflikt k6nnen als ,Binde- und L6sungsmittel' in Netzwerken wirken -
Spannungsverh~iltnis von Konflikt und Kooperation
Kooperation und der richtige Umgang mit Konflikten erlauben kumulative, zielgerichtete Such- und Lernprozesse der beteiligten Akteure.
-
-
Abbildung 18: Problemdimensionen und Fallstricke von Netzwerken Quelle: Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 244. 122
Grundsfitzlich sollen Netzwerke der Wettbewerbsf~ihigkeit und der innovatorischen Entwicklung einer Region dienen. Die aufgezeigten Problemfelder kOnnen jedoch AuslOser ffir ein sub-optimales Operieren von regionalen Netzwerken sein: 519 -
-
Vemetzungsl0cken: Netzwerke k6nnen Gesellschaftsbereiche segmentieren und separieren. Die Netzwerke der Mikroebene mfissen miteinander verbunden werden, damit die koordinierte Zusammenarbeit aller relevanten Akteure und Bereiche m6glich ist. Hohe Netzwerkselektivitgt: Hohe Selektivit~t gegenfiber neuen Mitgliedem erschwert es interessierten Akteuren problembezogene Kontakte und Verbindungen aufzubauen. BenOtigen Projekte die Zusammenarbeit mehrerer Akteure, so kann die erforderliche Unterstfitzung nur schwer zu finden sein oder Entscheidungsprozesse werden verz6gert.
-
Strukturkonservative Mehrfachmitgliedschaften: Sind Akteure Mitglieder in mehreren Netzwerken, so kann dies zum einen zur intensiveren Vemetzung von Teilsystemen ffihren. Zum anderen k6nnen Mehrfachmitgliedschaften jedoch auch Machtakkumulation bedeuten, die strukturkonservierende Entscheidungen begt~nstigen. In hoch differenzierten Systemen stol3en derartige Beteiligungen an verschiedenen Netzwerken an individuell kaum zu bew~iltigende Komplexit~,tsgrenzen. Dies wird kritisch, wenn die Anforderungen regionaler Vemetzung das leistbare Komplexitgtsniveau der Akteure Oberschreiten.
-
Eindimensionalit~it der Netzwerke: Netzwerke sind umso wirksamer und erfolgreicher, je mehrdimensionaler sie angelegt sind. Mehrdimensionalitfit erhOht die Input-Varianz, intensiviert die Zusammenarbeit und erm6glicht Synergie- und Lerneffekte zwischen verschiedenen Funktionen sowie Sektoren. Herrscht Eindimensionalitgt, d. h. sind die Akteurkonstellationen zu stark auf einzelne Yeilsysteme ausgerichtet, so kann dies zu strukturkonservierenden Vorgehensweisen und zur Hemmung von interdisziplingren Entwicklungsprozessen ft~hren.
-
Fehlende Findungsoffenheit: Innovative Netzwerke bedfirfen der Redundanz, um innovative Entwicklungen zu f6rdem. Redundanz stellt jedoch hohe Anfordemngen an die Netzwerksteuemng und geht zu Lasten effizienter ergebnisorientierter Arbeit. Hier gilt es eine entsprechende Balance zu finden und Redundanz trotz der damit verbundenen Kosten zuzulassen, wenn innovative LOsungen gefordert sind.
-
Adaptionsschw~iche gegenOber politischer und wirtschaftlicher Turbulenz: Bei Verfindemngen in Politik, Wirtschaft oder auch in anderen Teilsystemen ben6tigen Netzwerke eine mittel- bis langfristige Regenerationsphase, um sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. In solchen Perioden ist die Binnenorientierung zwar sehr wichtig, doch gleichzeitig darf die Pflege sektorabergreifender Zirkelstrukturen nicht vemachl~issigt werden. Konzentriert sich ein Netzwerk zu stark auf sich selber, kOnnen Austauschbeziehungen darunter leiden.
-
Dominierung der Netzwerke: Die intersektorale Kommunikation kann geschw~icht werden, wenn die relevanten Netzwerke zum Beispiel durch die Politik dominiert werden und sich die Akteure aus anderen Bereichen zurfickhalten. Dieses Risiko besteht vor allem in Regionen mit einem hohen MaB an extemer Steuerung oder in Regionen, in welchen ein bestimmter Akteur fiber die anderen dominiert.
519 Vgl. Ft~rst,D. & Schubert, H., RegionaleAkteursnetzwerke, 1998, S. 589 ff. 123
Netzwerk-Alterung: Netzwerke durchlaufen den Prozess der Alterung. Dabei verfestigen sich bewghrte Verhaltensmuster, welche ritualisiert und routinisiert werden. 52~ Derartige Entwicklungen lassen Netzwerke zu ,Clubs' werden, wenn Versuche oder Turbulenzen fehlen, Innovationen hervorzurufen. Unzureichende Differenzierung zwischen Machtpromotoren und Fachpromotoren: Sowohl Macht- als auch Fachpromotoren sind nOtig, um Vergndemngen sowie Entwicklungen zu initiieren und umzusetzen. Netzwerke sind jedoch schnell t~berfordert, wenn sie beide Funktionen t~bemehmen mfissen. Die Kombination von Macht- und Fachpromotoren und somit die wechselseitige Verst~irkung ist nur dann produktiv, wenn es einen Austausch von Informationen, Ressourcen und Macht gibt. Zusgtzlich bedarf es einer Einrichtung oder eines Zirkels, welcher die entsprechende Koordination und Steuerung t~bemimmt. Wghrend Messner, Ft~rst und Schubert sich mit den Problemdimensionen und den daraus folgenden Fallstricken beschgftigen, analysiert Camagni die konkreten Kosten und Risiken von Kooperationen. TM Zu den grundsgtzlichen Kosten, die zur Nichtentstehung oder zur Aufl6sung bestehender Kooperationen fahren, zghlen erstens verschiedene Kosten der Zusammenfahrung von unterschiedlichen Strukturen, Abl~iufen und Routinen, diverser Managementstile oder diverser Sprachgebrguche. Weitere Kosten entstehen durch die Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit von rgumlich entfernten Akteuren, auch wenn diese bei regionalen Netzwerken normalerweise geringer ausfallen. Trotz der rgumlichen Nghe kann es zu Schwierigkeiten bei der Bewertung von intangiblen Ressourcen wie Wissen kommen. Zusgtzlich ergeben sich Schwierigkeiten bei der Festlegung, welche Ressourcen in das Netzwerk eingebracht und welche Aufgaben und Pflichten fibemommen werden mt~ssen. Auch gilt es bereits zu Beginn eine Einigung fiber eine eventuelle Gewinnverteilung zu finden. Schliel31ich kann es zu Unstimmigkeiten oder 10berschneidungen kommen, wenn ein Akteur mehreren Netzwerken gleichzeitig angeh6rt. Camagni diskutiert weiters spezifische Kosten von Netzwerkstrukturen, die er in sichere und in unsichere oder versteckte Kosten unterteilt. Diese spezifischen Kosten, die in Abbildung 19 aufgelistet werden, lassen sich verschiedenen Kategorien zuordnen und zwar direkten Investitionskosten, Verhandlungskosten, Kosten aus opportunistischem Verhalten, Organisationskosten und Kosten strategischer Beschr~nkungen.
520 Bew~ihrte und somit erfolgreiche L6sungen werden wiederholt eingesetzt, da die Mitglieder glauben - im Sinne von wissen -, dass die zur Routine gewordenen Handlungsmuster zum gewfinschten Ergebnis f'tihren. Die Handlungsmuster verselbstgndigen sich im Laufe der Zeit und gehen ein in ein teilweise unbewusstes Hintergrundwissen. Dieses Hintergrundwissen ist das kollektive geteilte Wissen um eine spezifische Tradition, die durch verschiedene Legitimationsmechanismen wie ,so ist das eben' oder Legenden verfestigt wird (vgl. Greipel, P., Strategie und Kultur, 1988, S. 149). 521 Vgl. Camagni, R., Costs and Benefits of Cooperative Behaviour, 1993, S. 6 ff.; Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 60 ff. 124
Sichere Kosten von Netzwerk-Arrangements
-
-
-
Unsichere bzw. versteckte Kosten yon NetzwerkArrangements
-
Kosten ffir Personal und Unternehmenseinheiten, die an der Suche nach Partner sowie an den Verhandlungen tiber NetzwerkBeziehungen beteiligt sind Kosten ftir Reorganisation / Restrukturierung operativer Einheiten Kosten der Gestaltung neuer Einheiten Zusatzkosten der internen Koordination Kosten ftir Berater und Vermittler Kosten und Risiken durch neue Rigidit~iten, die durch ein Netzwerk generiert werden Kosten der Verhandlungen Kosten und Risiken des Verhandlungsbetrugs
-
-
-
-
Risiko der Aneignung von Wettbewerbsvorteilen durch die Partner ohne reziproke Gegenleistungen Risiko der Ver~inderung der relativen Vertragsmacht zwischen den Partnern Risiko des Schwindens unternehmerischer Antriebskr~ifte, besonders bei Vereinbarungen zwischen grol3en und kleinen Unternehmen Kosten der Zusammen~hrung unterschiedlicher Strukturen sowie unterschiedlicher Konfliktkulturen Bildung von ,gates' zur Kontrolle des lnformationsflusses
-
Kosten des Erlernens von Kooperation
-
Kosten aufgrund langerer Entscheidungsprozesse
-
Kosten der Aufgabe der direkten Kontrolle von Produkten oder M~irkten
-
Beschr~inkungbei der Wahl von neuen Netzwerkpartnern
-
Risiken der Oberspezialisierung oder der zu tiefen Arbeitsteilung innerhalb des Netzwerkes
Abbildung 19: Spezifische Kosten von Netzwerkarrangements Quelle: Camagni, R., Costs and Benefits of Cooperative Behaviour, 1993, S. 6 ff.; Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 61 f. Die Schwierigkeiten und Kosten f'tihren zu spezifischen Risiken wie Schw~ichen bei den Human- und Managementressourcen der Netzwerke. Es besteht die Gefahr, dass die Akteure ihre Anstrengungen minimieren, da das G e ~ h l vorhanden ist, dass die Gr6fSe oder die Zusammenarbeit per se zum Erfolg ftihren. Versteckte Qualit~itsprobleme bei den eingebrachten Ressourcen schw~ichen ein Netzwerk ebenso wie opportunistisches Verhalten der Beteiligten. Jedoch nicht nur die Akteure selber, sondern auch Au6enstehende k6nnen von den Ergebnissen der Zusammenarbeit profitieren und als Trittbrettfahrer die Motivation der Netzwerkpartner schw~ichen. Weiters kOnnen Fehler bei der Definition der Strategie die Zusammenarbeit scheitern lassen. Solche strategischen Fehler k6nnen auf vier Schw~ichen zu~ckgef'tihrt werden: mangelnde Erfahrung eines Akteurs mit Netzwerken, eine falsche Einsch~itzung der versteckten Kosten, sich ver~indemde Rahmenbedingungen sowie Konflikte zwischen langfristigen strategischen und taktischen kurzfristigen Zielen der Beteiligten. Die Auseinandersetzung mit den Problemfeldern, Kosten und Risiken von Netzwerken
125
verdeutlicht, dass Netzwerke sehr instabil sein k6nnen. Die Schwierigkeiten sind jedoch integraler Bestandteil derartiger Kooperationen. 522 Genosko weist sogar darauf hin, dass Netzwerke letztlich meist tempor~ire Institutionen sind und es letzten Endes nur um die Frage geht, ob sich Netzwerke ,geordnet' oder unerwartet aufl6sen. 523 Andererseits kann es sein, dass far einen Akteur die Teilnahme an einem Netzwerk im Laufe der Zeit far die Existenz wesentlich geworden ist. In solchen Fgllen ist die Motivation, Problemdimensionen anzugehen sowie Kosten und Risiken zu thematisieren und zu verringern, grol3. ,,Spgtestens dann, wenn die weitere Teilnahme am Spiel yon der Existenz des Netzwerkes abhgngt, kann die Aufrechterhaltung des Netzwerkes zum Sachzwang werden, der das Handeln der Beteiligten stgrker determiniert als ihre singul~iren Interessen. Die soziale Logik des Netzes in Frage zu stellen, bedeutet dann zunehmend, sich selbst in Frage zu stellen. Die Alternative lautet: Weiter mitspielen oder aussteigen. ''524
3.4.7 Effekte rfiumlicher N~he auf Netzwerkbeziehungen Aus institutionalistischer Sicht erleichtert die r~iumliche Nghe der kooperierenden Akteure die Koordinierung von Interessen und Kompetenzen, zum Beispiel durch die M6glichkeit von Face-to-Face Kontakten. Die gemeinsame Identit~it, die gemeinsamen regionalen Werte und Normen reduzieren Unsicherheiten und unterschiedliche Interpretationsweisen bei Situationsdefinitionen und f6rdem auf diese Weise die soziale Integration in Netzwerken. Auch wenn diese territoriale Bindung im Zuge der Individualisierung und der hohen r~iumlichen Mobilit~it nicht ihre Bedeutung verliert, so haben diese Faktoren doch Einfluss auf die lokalen Netzwerke: Es ist nicht immer offensichtlich, wie weit die geographischen Grenzen von Kulturen und in einem weiteren Schritt von Netzwerkkulturen reichen. Ein Spannungsverhgltnis zwischen funktionaler und territorialer Bindung kann die Folge sein. Zum einen verlangen individuelle Strategien nach funktionalen Netzwerken weit fiber die Grenzen des Lokalen hinaus. Zum anderen hingegen beh~ilt die Bindung an das Lokale, an Gruppen, an Nachbarschaften weiterhin G~ltigkeit und gewinnt aufgrund der immer noch hohen Raumt~berwindungskosten und der Vorteile der Interaktionsdichte sogar an Bedeutung. Trotz dieses SpannungsverhNtnisses wird die Wettbewerbsf'ghigkeit von Regionen in enger Beziehung gesetzt zu der F~ihigkeit, soziale und institutionale Verbindungen zwischen den Akteuren so aufzubauen, dass Regionen als Ganzes handlungsf'~ihig werden. 525 Die Stabilitgtsproblematik ist bei regionalen Netzwerken nur graduell anders, auch wenn die r~iumliche Nghe verschiedene positive Effekte auf die Stabilitgt von Beziehungen haben kann. So haben Reputation und Vertrauen ein gr6Beres Gewicht. Abweichendes Verhalten kann in regionalen Netzwerken leichter aufgedeckt und sanktioniert werden, da in regionalen Netzwerken die Informationsasymmetrien normalerweise geringer sind. Zusgtzlich f6rdert die r~iumliche N~ihe langfristige und pers6nliche Beziehungen und hilft Ungleichgewichte in der Reziprozit~it aufzudecken. Trotz dieses positiven Einflusses der r~iumlichen N~ihe gibt es auch in regionalen Netzwerken gentigend Anreize zu opportunistischem Verhalten. Zudem haben
522 Vgl. Staber, U., Steuerungvon Unternehmensnetzwerken,2000, S. 61. 523 Vgl. Genosko,J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 78. 524 Weyer,J., Systemund Akteur, 1993, S. 2. 525 Vgl. Fiarst,D., Regionund Netzwerke,2002, S. 3. 126
kleine und mittlere Unternehmen vielfach Vorbehalte gegen Netzwerke, da sie sich grN3eren Akteuren unterlegen fi3hlen. Einen Vorteil haben regionale Netzwerke dann, wenn sie als Reaktion auf regionale Probleme entstehen, da derartige Krisen normalerweise alle Akteure betreffen und der Handlungsbedarf ein gemeinsamer ist. 526 Zusammenfassend kann die r~umliche Dimension vor allem jene Beziehungen und Verbindungen festigen, die durch schwache Institutionalisierung und durch horizontale Kommunikation gekennzeichnet sind. Solche Verbindungen manifestieren sich normalerweise in Netzwerken. Die r~umliche N~he wirkt in solchen Konstellationen vor allem durch ungeschriebene Spielregeln, Solidarit~t, pers6nliche Kontakte und gemeinsame Institutionen. Diese Charakteristika werden auch als Sozialkapital bezeichnet. 527 Neben den positiven Effekten kann die r~umliche N~ihe durchaus auch unerwanschte Auswirkungen haben und den Konkurrenzkampf intensivieren. Gibt es in einer Region viele Akteure, so steigert dies die Rivalit~t. Eine von konkurrierenden Akteuren t~berffillte Region kann parasit~res Verhalten hervorrufen wie das Abwerben von Arbeitskr~ften mit speziellen F~ihigkeiten oder die Beeintr~chtigung von Wissensaustausch. 528 Um derartige Auswirkungen zu mildern und um die Potentiale r~umlicher N~he zu aktivieren, muss in Netzwerken Funktionalit~t und Territorialit~it verbunden werden.
3.5 St~irken und Schw~ichen des A n s a t z e s Ziel der Regionen ist es, die Handlungs- und Wettbewerbsf'fihigkeit zu st~rken sowie eine gemeinsame strategische Ausrichtung und nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Klassische Struktur- und F6rderprogramme sowie traditionelle Entscheidungs- und Kommunikationsmuster k6nnen dazu nur bedingt beitragen. Komplexe Themen, rasche Ver~nderungen und das oft vorhandene Kirchturmdenken verlangen nach der Auseinandersetzung mit den gegebenen Akteurkonstellationen sowie in einem weiteren Schritt nach der Thematisierung und Implementierung geeigneter neuer Steuerungsformen. In diesem Sinn kann Regional Governance als Chance gesehen werden, neue Konstellationen von Inhalten, Handlungsfeldern, Akteuren und Steuerungsformen zu erarbeiten und umzusetzen. Die Interaktionsdichte in Regionen l~isst erwarten, dass einzelne Akteure und Institutionen als Steuerungsinstanzen nicht mehr isoliert agieren k6nnen, sondern wechselseitig interaktiv arbeiten mfissen. 529 Nischwitz et al. zeigen die St~rken und Schw~chen des Regional-GovernanceAnsatzes und des derzeitigen Forschungsstandes auf.
526 Vgl. Genosko,J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 81 ff. 527 Vgl. Ffirst, D., Regionund Netzwerke,2002, S. 3. 528 Vgl. Staber, U., Steuerungvon Unternehmensnetzwerken,2000, S. 78 f. 529 Vgl. Ffirst, D., Regional Governance2001, S. 18. 127
St/irken
Schw~ichen
Instrument zur Umsetzung integrativer Ans~tze
Defnition als Ansatz und Konzept und nicht als begriffiiches Instrument Austausch zwischen unterschiedlichen Diskontinuierliche Austauschforen und Fachdisziplinen unkritischer Umgang Zusammenfahmng von Einzelaspekten Geringe Thematisierung von Grenzen und Problemen Verknfipfung von verschiedenen Teilweise ungekl~rte Zust~ndigkeiten und Steuerungsformen Legitimationsmodalit~ten Netzwerkaufbau Noch vorhandene vertikale (Handlungsebenen), horizontale (raum- und querschnittbezogen) sowie kausale (thematisch-inhaltliche) Integrationsdefizite Thematisierung und Umsetzung von inhaltlichen, Mangelnde integrative Ans~tze und Schnittstellen akteurbezogenen und steuerungsorientierten zwischen den verschiedenen r~umlichen und Konstellationen thematischen Ebenen Raumbezug als integratives Bindeglied Zus~tzliche Aufarbeitung von Praxisbeispielen (Klammer) zwischen verschiedenen Disziplinen erforderlich Abbildung 20: Regional Governance- St~rken und Schw~chen Quelle: In Anlehnung an Nischwitz, G. et al., Local und Regional Governance, 2001, S. 25. Regionale Governance-Formen dienen als Plattform far Aufgaben, die die Grenzen der Gemeinden und Einzelunternehmen fiberschreiten. Die regionale Sichtweise er6ffnet Handlungsspielr~ume, welche verschiedene Themen wie 6konomische, 6kologische und soziale Belange miteinander verknfipfen. Eine wesentliche StO,rke von Regional Governance ist die Verbindung von funktionalen und territorialen Belangen, welche eine flexible Anpassung an Ver~nderungen erm6glicht. Dies ist m6glich, da ,,die funktionalen Formen der governance eingebunden werden k6nnen in die territorialen Institutionen der Legitimierung solcher Steuerungsformen und sich damit der Selbststeuerungsspielraum erweitern l~sst. ''53~ Regional Governance integriert je nach Situation verschiedene Steuerungslogiken ,,Vielmehr scheint gerade die Kombination von Selbststeuerung und hierarchischer Steuerung, von ,harten' Rahmeninstitutionen und flexiblen Handlungsformen, von netzwerkartiger Kooperation und regionalem Wettbewerb das zu sein, was Regionen stark machen kann. ''531 Das Zusammenspiel ist dabei wesentlich, jedoch meist nicht ohne Spannungen m6glich. Ft~rst weist darauf hin, dass aufgrund potentieller Spannungen und Konflikte, die Governance-Diskussion folgende Punkte einbinden muss: Die Auseinandersetzung mit Konflikten wie die Auseinandersetzung mit der Frage, wie bindende Entscheidungen auch bei widerstrebenden Akteuren durchgesetzt werden k6nnen. Es muss daran gearbeitet werden, die Eigensinnigkeit der Steuerungslogiken mit den regionalen Interessen und Zielen zu verbinden. Dies ist vor allem dort schwierig, wo spezifische Handlungslogiken oder relevante Akteure fiber grol3e Macht verffigen und somit die Ausrichtung von Kooperationen wesentlich bestimmen k6nnen. Typisch ist, dass in jenen Regionen, wo private Untemehmen stark involviert sind, die 6konomischen Interessen im Vordergrund stehen. Ein weiterer wichtiger Punkt der Regional Governance ist der Ausgleich von strukturellen Selektivit~ten und von
53o Ft~rst,D., Regional Governance,2001, S. 13. 53~ Ffirst, D., Selbststeuerungsf'~higkeitder Regionen,2001, S. 17. 128
machtbasierten Kooperationen. Letztlich ist Regional Governance nur dann sinnvoll, wenn die Interaktionen zwischen den Akteuren erleichtert und konstruktiv gestaltet und wenn regionale Aufgaben und Ziele effizient und effektiv bearbeitet werden. 532
3.6 A b g r e n z u n g zu anderen Ans~itzen Regional Governance kann vor allem den neueren Ans~itzen der Regionalentwicklung gegent~bergestellt werden. Diese zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass ,,bei der Bewertung der Chancen einer Region eine Bedeutungsverschiebung vom Standortfaktor (der anziehend auf Investoren, Besucher, Betriebsgrfinder wirkt) zur Beurteilung der Kooperationsf~ihigkeit der lokalen Akteure stattfindet. ''533 Ver~indemngen im allgemeinen Verst~indnis beziehen sich sowohl auf die institutionelle Ordnung als auch auf die praxisorientierte Umsetzung ver~indert. Von der Krisenintervention in den 70er Jahren entwickelten sich die Ans~itze zu Strategien, wobei Regionalentwicklung heute als Instrument der Planungspolitik zwischen lokalen Akteuren und fibergeordneten Rahmenbedingungen fungiert. In den 70er und 80er Jahren haben unterschiedliche Interessen und Konfrontationen die Regionalentwicklung gepr~igt. Mit Beginn der 90er Jahre entwickelte sich dann ein Trend zur Kooperation. Es kann also ein Trend ausgemacht werden, der vom Aufzeigen von Disparit~iten und in Frage stellen vorhandener Leitlinien hin zur Erarbeitung von konsensualen L6sungsans~itzen geht. Handlungsbezogene Zukunftsorientierung statt Vergangenheitsbew~iltigung pr~igen somit die heutige Regionalentwicklung. TM Abbildung 21 zeigt diesen Paradigmenwechsel: Zeitrahmen
Paradigmenebene
F6rderebene
1975 - 1985
Irritation in Regionen Aufbruchsstimmung Lokale Projektinitiierung, Modellprojekte ,bottom up' Idealismus Untemehmensgrfindungen Umstrukturierungen Technologiezentren Regionaler Kontext nicht immer gegeben Wirtschaftsorientierung; ,top-down' Region wird zum Projekt Netzwerke ,bottom up' und ,top-down' Pragmatismus
Proj ektgrundsteinlegung Steigerung der Handlungsfghigkeit von Akteuren ,Gegenwelten' zum Lebensraum
1986 - 1992
1993 - 2000
Wirtschaftsf6rderung Untemehmensf6rdemng Arbeitsraum
Weg vonder betrieblichen und hin zur regionalen Ebene Aufbau von Regionalmanagement als flfichigem Konzept Regionale Entwicklungskonzepte Ausdifferenzierung der FOrderlandschaft Komplementfire F6rderaktionen
Abbildung 21: Paradigmen in der Regionalentwicklung Quelle: In Anlehnung an Heintel, M., Mainstream-Regionalentwicklung, 2001, S. 195.
532 Vgl. Ft~rst,D., Selbststeuerungsf~ihigkeitder Regionen,2001, S. 13 f. 533 Perlik, M & Messer|i, P., Neuere Ansgtzeder Regionalentwicklung,2001, S. 10. 534 Vgl. Heintel, M., Mainstream-Regionalentwicklung,2001, S. 193 f. 129
Die Abbildung zeigt, dass sich die Auffassungen tiber die Bedingungen far eine erfolgreiche Regionalentwicklung im Laufe der Zeit ge~indert haben. Die Projektorientierung und ein entsprechendes Projektmanagement waren in der ersten Zeit Neuland. Es gab kaum Wissen, wie Projekte auf regionaler Ebene am Besten eingefahrt und gemanagt werden konnten. ,Trial und Error-Verfahren' waren bei der Projektimplementierung die Voraussetzung far sp~itere Erfolge. Der regionale Kontext stand nicht immer im Vordergrund, so wurden Unternehmensgrtindungen und die F6rdemng von Umstmkturierungen oft separat und nicht im Zusammenhang regionaler Integration und Entwicklung betrachtet. In jtingster Zeit tritt der lokale Kontext vermehrt in den Hintergrund, w~ihrend dem regionalen Kontext grol3e Bedeutung beigemessen wird. Nicht einzelne Teilzusammenh~inge und Projekte stehen im Blickfeld, sondem die Region als Ganzes bildet den Kern systematischer Betrachtungen. Netzwerke, Grenztiberschreitungen und Intemationalisierung bilden die Rahmenbedingungen bei komplexen und sektortibergreifenden Leistungen. Die gesamte Region wird zum Projekt. Bei der Optimierung der Regionalentwicklung ist eine st~indige Abstimmung der vorhandenen Ebenen notwendig. Zus~itzlich notwendig sind die Koordination von differenzierten Perspektiven und Interessen sowie die klare Zuweisung von Verantwortung. 535 Insgesamt wird Regionalentwicklung heute von der Dominanz wirtschaftlicher Inhalte gepr~igt. Dennoch werden aufgrund der Netzwerkorientierung und der Kenntnis v o n d e r Bedeutung von Wissen qualitative Aspekte in den regionalen Diskurs eingebracht. Letztlich geht es um den fl~ichigen Einsatz koordinierter ,harter' als auch ,weicher' MaBnahmenbtindel, um unterschiedliche Standortfaktoren- von effizienter Infrastruktur bis hin zur Sicherung von Umweltqualit~it oder Freizeitwert- zu f6rdem. Beispiele far harte Mal3nahmen sind Steueranreize oder verpflichtende Qualifikationsprogramme. Weiche Mal3nahmen hingegen umfassen die Stimulierung von Branchenkontakten, die Schaffung eines positiven Images oder die Stimulierung eines innovativen Milieus. 536 Die Professionalisierung der Regionalentwicklung hat zu einer ,Entideologisierung' gefahrt und damit in einem weiteren Schritt zur immer h~iufigeren Abkehr von lokalen Cliquen mit ausschlieBendem Charakter und mit hoher Selektivit~it gegentiber neuen Mitgliedern. Derartige Clubs sind meist mehr an der Erhaltung des Status quo interessiert als an der F6rderung von Innovationen. Nicht gegenseitige institutionelle oder personelle Abh~ingigkeiten, sondern flexible Kooperationen sind der Garant far die St~irkung regionaler Inhalte, die Erh6hung regionaler Standards und die damit verbundene Qualit~itssichemng. Heintel spricht in diesem Zusammenhang von der Differenzierung zwischen Machtpromotoren und Fachpromotoren. 537 Zusammenfassend geht es bei Regionalentwicklung um das Zusammenspiel von innerregionalen Akteuren mit soliden Beziehungen nach auBen. Ziel ist es, neue Wege zu gehen, Lernprozesse zu initiieren, Wissen innerhalb der Region zu verbreiten und Ver~indemngen aktiv zu gestalten. 538 Sind in regionalen Plattformen, Vereinen und Institutionen in erster Linie Einzelpersonen vertreten, so zeugt dies von einem exklusiven Beziehungsnetz, das von einzelnen Akteuren dominiert und kontrolliert wird. Derartige Akteurkonstellationen k6nnen regionale Neuerungen blockieren.
535 Vgl. Heintel,M., Mainstream-Regionalentwicklung,2001, S. 194 f. 536 Vgl. Meyer-Stamer,J., Strategienlokaler/regionalerEntwicklung, 1999, S. 13. 537 Vgl. Heintel, M., Mainstream-Regionalentwicklung,2001, S. 198 f. 538 Vgl. Perlik, M. & Messerli,P., NeuereAns~itzeder Regionalentwicklung,2001, S. 10 f. 130
W~ihrend in der Anfangsphase der Regionalentwicklung vor allem bottom-up Ans~itze gepflegt wurden, also Unterstfitzung jener Projekte, die aus der Region heraus gewachsen sind, so dominierte in der mittleren Phase der top-down Ansatz. Heute hat sich eine Kombination von bottom-up und top-down Herangehensweisen durchgesetzt. 539 Hierarchien, Macht und Delegation spielen unter den Rahmenbedingungen von Kooperation und Entwicklung von gemeinsamen Zielen eine andere Rolle als in patriarchalen oder feudalen Systemen. Finden unkoordinierte oder ausschliel3ende T~itigkeiten statt oder haben die Akteure mit schwerf'~illigen Btirokratien zu k~impfen, so kann durch Kooperation diesem Tun leichter Einhalt geboten werden, als in Situationen, in welchen die Akteure nicht zusammenarbeiten. Neben dem prozessorientierten Charakter regionaler Entwicklung hat sich eine ergebnisorientierte Sichtweise dazugesellt und w~ihrend anfangs vor allem auf einzelne Personen oder Akteure gesetzt wurde, erfolgte mit der Zeit die F6rdemng von teamorientierten Arbeiten, um Charismatiker und Pragmatiker zu vereinen. ,,Aufgabe der Regionalentwicklung ist es, Widersprtiche nutzbar zu machen und in einem Feld vielf~iltiger Akteure die jeweilig relevante Zugangsebene aufzubauen. Der komplement~ire Nutzen von Regionalentwicklung liegt im Zusammenspiel differenzierter Handlungsebenen. ''s4~
3.6.1 Hauptlinien der regionalwirtschaftlichen Ans~tze Die neueren Ans~itze der Regionalentwicklung k6nnen zu vier Hauptlinien gebfindelt werden: Markt- und wettbewerbsorientierte Standorttheorien, einfache Netzwerkans~itze, erweitere Netzwerkans~itze und Konzepte gesellschaftlichen Wandels. TM
Markt- und wettbewerbsbasierte Standorttheorien Zu den Markt- und wettbewerbsorientierten Standorttheorien z~ihlen die Neue Wettbewerbstheorie und die Neue Handelstheorie, welche auf der Analyse von Marktmechanismen basieren. Die neue Wettbewerbstheorie berticksichtigt r~iumliche Aspekte fiber die Nachfrager, fiber die Beziehungen zwischen Zulieferern und Abnehmern sowie tiber die regionalen Wettbewerbsbedingungen wozu auch Werte z~ihlen. Die Neue Handelstheorie hingegen bezieht r~iumliche N~ihe fiber die potentielle regionale Spezialisierung von Angeboten ein. Beide Theorien interessieren sich ftir die Wettbewerbsaspekte der Leitbranchen und die Position der Region im intemationalen Standortwettbewerb. Die 6konomische Kraft definiert die St~irke einer Region und daher besch~iftigen sich diese Standorttheorien in erster Linie mit den regionalen Beziehungen zwischen den wirtschaftlichen Akteuren. Staatlicher Einfluss oder auch die Rolle des Zufalls wird nicht geleugnet, auch wenn diesen Einfltissen keine bedeutende Rolle beigemessen wird. In diesem Sinn k6nnen diese Markt- und wettbewerbsbasierten Standorttheorien als 6konomistische Konzepte betrachtet werden.
539 Vgl. Scherer, R., Wie viele Regionenbrauchen wir?, 2004, S. 17. 54o Heintel,M., Mainstream-Regionalentwicklung,2001, S. 199. 541 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~itzeder Regionalentwicklung,2001, S. 17 ff. 131
Einfache Netzwerkans~tze Diese Hauptlinie der regionalwirtschaftlichen Ans~itze umfasst die Ans~itze der industriellen Distrikte, der innovativen Milieus sowie die lemende Region. Gemeinsam ist diesen Ans~itzen, dass sie die Interaktionen von wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Akteuren als konstituierendes Merkmal von Netzwerken betrachten, welche immer auch auf gemeinsam geteilten Normen, Werten und Kenntnissen beruhen. Dass nicht nur 6konomische Faktoren untersucht werden, bildet die St~irke dieser Ans~itze. Netzwerke werden als Position zwischen Hierarchie und Markt gesehen. Sie verlangen reziprokes Verhalten der Akteure und beeinflussen auf diese Weise innovatives Verhalten. Die Schw~ichen dieser regionalwirtschaftlichen Ans~itze liegen zum einen darin, dass die Verbindung von 6konomischen Faktoren mit regionalen Komponenten als Erfolgsgarantie verallgemeinert wird und zum anderen, dass die nicht-6konomischen Dimensionen von Netzwerkkonstellationen nicht tief greifend genug untersucht werden. Das Konzept der lemenden Region stellt einen Fortschritt dar, da Ver~inderungen sowie die kollektive Weiterentwicklung thematisiert werden. Von den Vertretern wird akzeptiert, dass weitere quantitative Belege und qualitative Untersuchungen zu den regionalen Netzwerkbeziehungen notwendig sind.
Erweiterte Netzwerkans~tze Unter den erweiterten Netzwerkans~itzen sind hier der Institutionen-Ansatz, der erweiterte Transaktionskosten-Ansatz sowie die Evolutions6konomie zusammengefasst. Im Unterschied zu den einfachen Netzwerkans~itzen werden Netzwerkkonstellationen nicht nur als wichtige Kriterien mr Innovations- und Wettbewerbsf~ihigkeit gesehen, sondern auch die Qualitgt der Beziehungen ist Gegenstand der Untersuchungen. Die Basis hierftir sind Theorien die sowohl aus der (3konomie stammen, zum Beispiel die Transaktionskosten6konomie, als auch Theorien aus der Organisationssoziologie und -psychologie. Die Regionalforschung entwickelt sich in diesem Zusammenhang zur Netzwerkforschung, die analysiert, wann Netzwerke erfolgreich und innovativ sind. Vielfach wird die Redundanz in reziproken Beziehungen als Innovationspool und als risikomindernd gesehen. Der Regulationsansatz, welcher eigentlich zu den Konzepten gesellschaftlichen Wandels gez~ihlt wird, kann als gesellschaftliche Makrotheorie in die erweiterten Netzwerkans~itze eingebaut werden.
Konzepte gesellschaftlichen Wandels Sowohl der Regulationsansatz als auch das Nachhaltigkeitskonzept k6nnen als Bewertungsraster far die Entwicklungsprozesse einer Region dienen und k6nnen daher als Konzepte gesellschaftlichen Wandels gebtindelt werden. Die Ans~itze erg~inzen sich gegenseitig und operieren aus der Langzeitperspektive. W~ihrend der Regulationsansatz die Erfahrungen aus dem 15bergang von Fordismus zum Postfordismus analysiert, 542 besch~iftigt sich das Nachhaltigkeitskonzept mit den divergierenden Ansp~chen der Subsysteme Okonomie, (3kologie und Gesellschaft. Das Nachhaltigkeitskonzept ist nicht nur normativ, sondern beinhaltet aufgrund der langfristigen Zielsetzung auch funktionale Aspekte.
542
Vgl. Regulationsansatz,Teil II-3.6.5.
132
3.6.2 Kompatibilit~t und Komplementarit~t der Ans~tze Die wissenschaftliche Diskussion sowie diverse Fallbeispiele und Umsetzungskonzepte zeigen, dass die verschiedenen regionalwirtschaftlichen Ans~itze komplement~ir sind. 543 Die Differenz zwischen den Ans~itzen ist letztlich geringer als das verbindende Element, n~imlich die Hauptaussage, dass sich regionale Produktionssysteme durchaus gegentiber globalen Netzwerken behaupten und ihre Wettbewerbsf~ihigkeit gezielt verbessern k6nnen. Diese Sichtweise entspricht der derzeitigen Regionalisierungs-Bewegung und der Bedeutung, welche die Region als Bezugsrahmen ftir politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Aktivit~iten zugewiesen bekommt. 544 Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Ans~itzen. Perlik und Messerli stellen die Hauptlinien der regionalwirtschaftlichen Ans~itze gegenfiber und zeigen auf, welche Forschungsans~itze untereinander als komplement~ir gelten k6nnen und welche sich eher ausschliefJen: Ansatz / Theorie
Neue Wettbewerbstheorie Neue Handelstheorie Innovative Milieus
Einordnung Wettbewerbsbasierte Standorttheorien
Ausgangspunkt." Welche MOglichkeiten haben periphere Lander und Regionen im Standortwettbewerb Anwendung: sektoral- und standortpolitisch Einfache Netzwerkans~itze
Ausgangspunkt." Kontastierung regional differenzierter sozio-kultureller Werte- und Normensysteme sowie flexibilisierte Akteurbeziehungen als Determinanten Industrielle Distrikte mnovationsf~ihiger Regionen Anwendung: regional- und standortpolitisch Erweiterte Netzwerkans~itze Erweiterter Transaktionskosten- Ausgangspunkt." Einbindung gesellschaftsansatz politischer Theorien (Regulationsansatz); Betonung nicht6konomischer Aspekte durch die Analyse sozio-kultureller Institutionenansatz Normensysteme Evolutions6konomie Anwendung." Regionalpolitik, Organisationssoziologie und-psychologie Regulationsansatz Konzepte gesellschaftlichen Wandels A usgangspunkt." Ableitung der Bedingungen f'tir gesellschaflliche Zukunflsf~ihigkeit aus Nachhaltigkeitsder Analyse gesellschaftlichen Wandels konzept Anwendung." Zur Erg~inzung anderer regionalwirtschaftlicher Ans~itze und als deren Korrektiv
Lernende Regionen
Reichweite / Zielebene
Kompati -bilit~it
Mikroebene: ii!i!ii!i!!iiiiii!i!iii@il Branchencluster im regionalen Umfeld l~iiiiliiiiiii!!ii!iiiii!i!iii!!i!iiiii!!!!iii!!!i!ii
iii~:ZIIIII:1711'
!iii;iLilililis j .......
Mikro- und mittlere Ebene: Wirtschaftliche Akteure der Region
Mikro- und mittlere Ebene: Gesamtes Akteurspektrum der Region
Mittlere und Makroebene: Verh~iltnis zwischen gesellschaftlichen Akteurgruppen
Abbildung 22" Bandbreite und Kompatibilit~it regionalwirtschaftlicher Ans~itze Quelle: Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~itze der Regionalentwicklung, 2001, S. 19.
543 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~itzeder Regionalentwicklung,2001, S. 19. 544 Vgl. Scherer, R., Wie viele Regionen brauchen wir?, 2004, S. 17. 133
Wo die Marktkr/~fle und die flexible Produktionsorganisation im Vordergrund stehen, erg/~nzen sich die Wettbewerbsbasierten Standorttheorien und die einfachen Netzwerkans/itze. Diese Faktoren bestimmen bei diesen Ans/itzen die Wettbewerbs- und Innovationsfiihigkeit einer Region, w/~hrend langfristige oder gesellschaftspolitische Ziele eine untergeordnete Rolle spielen. Die erweiterten Netzwerkans/~tze und die Konzepte gesellschaftlichen Wandels stellen soziologische und normative Aspekte in den Vordergrund und berficksichtigen dabei auch eine langfristige Perspektive. Die Bedeutung yon regionalen Akteurnetzwerken, unabh/~ngig von einer bestimmten Branche oder eines speziellen Subsystems, stellt die Verbindung zwischen einfachen und erweiterten Netzwerken dar. Am weitesten auseinander stehen die Markt- und wettbewerbsbasierten Standorttheorien und die Konzepte gesellschaftlichen Wandels. Sie weisen unterschiedliche Logiken und Ziele auf. Auch die erweiterten Netzwerkans/~tze sind nicht ohne weiteres mit den wettbewerbsorientierten Standorttheorien vereinbar. Die ersteren betonen auch nicht-6konomische Faktoren und die Wichtigkeit yon Redundanzen in den Netzwerkbeziehungen, w/~hrend die genannten Standorttheorien 6konomische Beziehungen und den Markt in den Vordergrund stellen. Redundanzen im Rahmen des Wettbewerbs sind aus Effizienzg~nden tendenziell zu vermeiden. 545 Zusammenfassend ergibt sich aufgrund dieser l~lberlegungen die gr6Bte Komplementarit/~t zwischen den einfachen und erweiterten Netzwerkans/~tzen sowie den Konzepten gesellschaftlichen Wandels. Nachdem die Hauptlinien der neueren Ans/itze in der Regionalentwicklung aufgezeigt und deren Komplementarit/~t diskutiert wurde, werden nachfolgend einige neuere Ans/itze vorgestellt. Weiters wird kurz diskutiert, inwieweit diese mit dem Regional-GovemanceAnsatz konkurrieren oder komplement/~r sind. Vorgestellt werden der Milieu-Ansatz, industrielle Distrikte, der Regulationsansatz, und das Konzept der lemenden Region. Neben diesen Ans/~tzen soll auch die Regimetheorie pr/isentiert werden, die sich zwar prim/ir mit der internationalen Entwicklung besch/fftigt, mittlerweile aber auch auf lokale sowie regionale R/iume bezogen wird. Dieser Ansatz der ,urbanen Regime' schreibt den lokalen Einflussfaktoren eine bedeutende Rolle im lokalen wirtschaftlichen Strukturwandel zu und kann somit der Governance-Diskussion wichtige Impulse geben.
3.6.3 Milieu Ansatz Der Milieu Ansatz wurde in den 80er Jahren v o n d e r franz6sischen Forschungsgruppe GREM1546 zur Diskussion gebracht. Der Grundgedanke i s t , dass wirtschaftliche Entwicklungsprozesse das Ergebnis eines funktionierenden sozialen Systems sind. Wettbewerbsf'~ihigkeit und Innovationsf'~ihigkeit einer Region entstehen aus dem in einer bestimmten Region bestehenden Normen- und Wertesystem und den darauf aufbauenden besonderen Kooperations- und Konkurrenzbeziehungen zwischen den Akteuren. Der Ansatz wurde deduktiv entwickelt und beruht in erster Linie auf qualitativen Untersuchungen in Amerika und Europa und hier im Besonderen in bestimmten Teilen Italiens. Analysiert wurde das so genannte ,,dritte Italien", das weder die typische Industrialisierung des 20. Jahrhunderts
545 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., NeuereAns~itzeder Regionalentwicklung,2001, S. 20 f. 546 Groupede recherche europ6ensur les milieuxinnovateurs. 134
durchlaufen hatte (,triangolo' Mailand, Turin, Genua) noch agrarisch-lgndlich geblieben war (,il mezzogiorno' im Sfiden Italiens). Dieser Teil Italiens reicht vonder 6stlichen Lombardei bis zur Toskana und ist durch eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen strukturiert. Diese Unternehmen bilden die Glieder der regionalen Wertsch6pfungsketten, d. h. die meisten Zulieferer-Kunden-Beziehungen werden innerhalb der Region abgewickelt. Aufgrund hoher Spezialisierungen sind die Gebiete international wettbewerbsf~ihig. 547 Die Basis des Ansatzes bildet die Unterscheidung zwischen ortsabh~ingigen lokalen Netzwerken und distanzunabMngigen funktionalen Netzwerken, die einen m/Sglichst hohen Deckungsgrad haben. Der Vorteil der r~iumlichen N~ihe besteht weniger in der Uberwindung von Distanz, sondern im vereinfachten Zugang und Austausch von Informationen und Wissen aufgrund gemeinsam geteilter Normen und Werte sowie gegenseitigem Vertrauen zwischen den regionalen Akteuren. In diesem Sinn ist ein Milieu ein System von Regeln, Normen, Werten, Gesch~iftspraktiken und m6glicherweise Paradigmata. Ein Milieu hat verschiedene Funktionen wie Risiken far die einzelnen Akteure zu mindern, Handlungsressourcen zur Verfagung zu stellen oder Resonanzstrukturen far Neuerungen zu bilden. 548 Der Ansatz stellt nicht Standortfaktoren oder Untemehmens-Netzwerke in den Mittelpunkt, sondem die Region selber. Zwischen den einzelnen innovativen Regionen gibt es Unterschiede hinsichtlich ihrer Charakteristika, ihrer Entstehung oder der relevanten Akteure. Trotzdem k6nnen einige gemeinsame Merkmale ausgemacht werden, welche das Innovationsklima einer Region ausmachen: 549 -
-
-
Innovation wird als arbeitsteiliger und kollektiver Prozess gesehen, bei dem unterschiedliche Akteure wie private, 6ffentliche, kleine oder groge Untemehmen zusammenarbeiten. Die durch die Zusammenarbeit entstehenden Netzwerke dienen als Quelle yon Information und Wissen, finanziellen Ressourcen und Kooperationspartnern. Ffir Netzwerkbeziehungen ist die rgumliche N~ihe ein notwendiges Merkmal, da sie Informalitfit und Face-to-Face Kontakte f6rdert. Akteure k6nnen jedoch auch in grogr~iumigen Netzwerken eingebunden sein. Der Milieu Ansatz ist trotz der grof3en Bedeutung von r~umlicher N~he kein geographischer, sondern ein kultureller Ansatz. Innovative Milieus basieren auf einem gemeinsamen Gmndverst~.ndnis sozio6konomischer Probleme und L6sungsmuster.
-
Das Zusammenwirken von Faktoren und entsprechende Synergien sind zentral far den Innovationsprozess. Die alleinige Existenz der Faktoren ist nicht ausreichend.
-
Wichtig far innovative Milieus sind der technologische Wandel und dessen Einbettung in die regionale Umgebung.
Der Milieu-Ansatz betont als wesentliche Elemente far die erfolgreiche Entwicklung der Region neben dem 6konomischen auch den informellen, sozialen und kulturellen Kontext sowie die Wirkung historisch gewachsener sozio6konomischer Strukturen.
547 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ansatze der Regionalentwicklung, 2001, S. 13; Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 40 ft. 548 Vgl. Ftirst, D., Regional Governance,2001, S. 6. 549 Vgl. Maier, G. & T6dtling, F., Regional- und Stadt6konomik,2001, S. 98 f. 135
Einschr~nkungen Perlik und Messerli fassen die Kritik am Milieu-Ansatz sowie an den verschiedenen Spielarten zusammen. 55~ Ein groBer Vorwurf besteht darin, dass der Ansatz eine Region erst im Nachhinein als innovativ darstellt und somit die Erkl~irung fehlt, wodurch die Entwicklung zur innovativen Region eingeleitet wurde. Derselbe Vorwurf gilt auch ftir Entwicklungen, bei denen ehemals innovative Regionen an Innovationskraft verlieren. Im Blickfeld stehen die erfolgreichen und innovativen Regionen, w~ihrend die anderen Regionen ausgeblendet werden. Die Ursache liegt darin, dass die Aussagen auf einer Vielzahl von Fallstudien beruhen aber letztlich wenig theoriegeleitet sind. Bem~ingelt werden die Generalisierung von Fallstudien sowie daraus abgeleitet die Hochstilisierung der Ergebnisse zur neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsform im Postfordismus TM schlechthin. Es wird ausgeblendet, dass eine Vielzahl von Regionen nicht wie die Fallbeispiele funktionieren und nicht dem Ideal reziproker regionaler Akteurbeziehungen entsprechen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn es in der Region einen Leitbetrieb gibt, dessen Beziehungen zu den regionalen Zulieferern stark hierarchisch aufgebaut sind. Die Praxis liefert gentigend Beispiele in denen nicht die flexiblen, vernetzten und spezialisierten Betriebe Krisensituationen t~berleben, sondern traditionelle, vertikal integrierte Organisationen.
Milieu-Ansatz und Regional Governance Sowohl der Milieu-Ansatz als auch der Regional-Governance-Ansatz wollen letztlich regionale Entwicklungsprozesse durch Kooperation erkl~iren. Beide Ans~itze erheben den Anspruch, ein strategisches Konzept darzustellen, wobei dies beim Milieu-Ansatz weniger eindeutig ist. Trotz dieser Gemeinsamkeiten lassen sich aufgrund verschiedener theoretischer Ansprtiche klare Unterschiede ausmachen. Der Milieu-Ansatz will erkl~iren und normative Handlungsanleitungen ableiten, warum das Milieu und die r~iumliche N~ihe von Akteuren f~r die regionale Entwicklung von Bedeutung sind. Dabei werden vor allem deduktive Aussagen gemacht. Da der Milieu-Ansatz auch die Interaktionen zwischen den Akteuren einschliel3t, geht er fiber die traditionelle Agglomerationsforschung hinaus. Der Governance-Ansatz hingegen besch~iftigt sich prim~ir mit strategischen M6glichkeiten zur Gestaltung regionaler Steuerungsprozesse. Ziel ist die Thematisierung unterschiedlicher Governance-Formen und die kollektive Handlungs- und Steuerungsflihigkeit. Aus den theoretischen Ansprtichen der beiden Ans~itze geht hervor, dass sich Milieu- und Regional-Governance-Ansatz nicht tiberschneiden und somit in erster Linie nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondem sich durchaus erg~inzen k6nnen. 552
550 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~itzeder Regionalentwicklung,2001, S. 13. 55~ Der Begriff Fordismus wurde in den 1920er Jahren von Antonio Gramsci verwendet, um die qualitativen Ver~inderungenim Verh~iltnisvon Arbeit und Kapital unter den Bedingungender industriellenMassengtiterproduktion zu beschreiben. 552 Vgl. Ffirst, D., Regional Governance,2001, S.6 f. 136
3.6.4 Industrielle Distrikte Industrielle Distrikte umfassen Klein- und Mittelbetriebe eines Sektors, die eng miteinander kooperieren. Der Begriff wurde erstmalig Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet, um die Wirtschaftsentwicklung Mittelenglands im 19. Jahrhunderts zu beschreiben. Er erlebte eine Renaissance bei der Erkl~imng der starken wirtschaftlichen Dynamik in Nordost- und Zentralitalien, der so genannten Entwicklung des ,Dritten Italiens', und wurde dadurch als sozio6konomisches Konzept bekannt. 553 In den 60er und 70er Jahren wurden die kleinen und mittleren Unternehmen dieser italienischen Regionen Zulieferer von internationalen Untemehmen. In den 70er und 80er Jahren verursachten die Billigimporte aus verschiedenen Schwellen- und Entwicklungsl~indem eine wirtschaftliche Krise. Die kleinen und mittleren Unternehmen reagierten mit quantitativer und qualitativer Flexibilitat. Durch Innovation und Kooperation wurden die Betriebe sowohl von den grol3en Unternehmen als auch von den institutionellen Untersttitzungen weitgehend unabh~ingig. Die Hintergrtinde f'tir den Erfolg des ,Dritten Italien' sind die Verflechtungen mit Universit~iten sowie zwischen den Unternehmen, Pionieruntemehmen, hohe Anpassungsf~ihigkeit und eine entsprechende Arbeitskultur. Lokale industrielle Distrikte sind eine ,,r~iumliche Konzentration branchenspezifischer Aktivit~iten .... die durch lokale Wechselwirkungen zwischen den Firmen und deren Umfeld verursacht wird. Die Wechselwirkungen mtissen dabei derart sein, dass es zu einer positiven Rtickkoppelung kommt. ''554 Meist handelt es sich um Produktionskooperationen von kleinen und mittleren Unternehmen. Durch die r~iumliche N~ihe k6nnen die Unternehmen Kosten sparen. Zudem liefern Bildungs-, Informations- und Serviceeinrichtungen, bereitgestellt von 6ffentlichen Institutionen oder von Verb~inden, wichtige Untersttitzung. Industrielle Distrikte unterliegen einem Reifeprozess. Ursachen sind zum Beispiel Krisen oder neue Technologien. Entscheidend ftir den Erfolg ist die Reaktion der Akteure auf die Treiber des Wandels. 555
Einschr~nkungen Ahnlich wie beim Ansatz der Innovativen Milieus gibt es in der empirischen Forschung eine Vielzahl von Fallstudien, welche sich mit industriellen Distrikten besch~iftigt. Dabei werden Faktoren ausgearbeitet, welche den Erfolg beschreiben. Beispiele sind die lokale Kultur, kooperative Netzwerke, finanzielle Eigenheiten, rechtliche Rahmenbedingungen oder Bildungseinrichtungen. Eine umfassende Theorie fehlt jedoch. Ein Konzept zur Analyse mtisste auch die Frage beantworten, warum sich bestimmte Regionen 6konomisch nicht entwickeln. 556 Edgington kritisiert die Einseitigkeit und Eurozentriertheit der Fallstudien und betont, dass Organisation und Flexibilit~it von Distrikten sowie generell von tikonomischen Strukturen im kulturellen Kontext zu sehen sind. So sind japanische Industrie-Distrikte nicht mit dem ,Dritten Italien' vergleichbar. 557
553 Vgl. Genosko,J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 14 ff. 554 Witt, U., Erforschungvon Wirtschaftssystemen,2001, S. 822. 555 Vgl. Bauer, N., IndustrielleCluster in Japan, 2003, S. 6 f. 556 Vgl. Witt, U., Erforschungvon Wirtschaftssystemen,2001, S. 821. 557 Vgl. Edgington, D.W., Study of Five Industries, 1996, S. 87 ft.; Bauer, N., Industrielle Cluster in Japan, 2003, S. 1. 137
Industrielle Distrikte und Regional Governance Industrielle Distrikte umfassen prim~ir kleine und mittlere Produktionsunternehmen, die durch Kooperation verbunden sind. Offentliche Institutionen werden vor allem als Untersttitzung wahrgenommen, w~ihrend andere Akteure weitgehend ausgeklammert werden. Der RegionalGovemance-Ansatz greift bedeutend weiter. Er kann auf s~imtliche Regionen, auch ohne Konzentration yon Produktionsunternehmen, angewendet werden und schlieBt alle Akteure ein. 10berschneidungen zwischen den beiden Ans~itzen sind somit kaum vorhanden. Eine gegenseitige Befruchtung ist jedoch nahe liegend. Der Ansatz der Industrie-Distrikte kann vom Wissen tiber das Management yon Schnittstellen mit Institutionen und anderen Akteuren der Region profitieren, w~ihrend der Regional-Governance-Ansatz einen tiefen Einblick in die Besonderheiten von Produktionsunternehmen, die Dynamik von Kooperation und Innovation sowie die Effekte von r~iumlicher N~ihe erhalten kann.
3.6.5 Regulationsansatz Der Regulationsansatz ist ein gesellschaftstheoretisches Konzept, das sich mit gesellschaftlichem Wandel und mit der Verbindung zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Formen der gesellschaftlichen Steuerung besch~iftigt. Regulation bedeutet in diesem Zusammenhang, dass stets verschiedene Verteilungen von Ressourcen und Macht zwischen gesellschaftlichen Akteuren m6glich sind. Dabei wird eine enge Verkntipfung zwischen wirtschaftlichen, politisch-administrativen und soziokulturellen Teilsystemen der Gesellschaft unterstellt. Ausgangspunkt des Ansatzes sind die Prozesse des Niedergangs der industriellen Massenproduktion, die von einer zunehmenden Flexibilisierung und vertikalen Desintegration der Produktionsprozesse begleitet werden. W~ihrend die alt-industriellen Regionen Europas in eine Krise gerieten, durchlebten andere, vor allem periphere Regionen, eine Aufw~irtsentwicklung und entzogen sich den bis dahin geltenden funktionalen Logiken industrieller Massengtiterproduktion. Das Interesse gilt dem Ph~inomen krisenhafter Gesellschaftsentwicklung, wobei Bedeutungsverschiebungen zugunsten bisher unauffiilliger Regionen und zugunsten neuer Wertemuster zu beobachten sind. 558 Wirtschaftliche Akkumulationsprozesse sind eingebettet in institutionelle und soziokulturelle Rahmenbedingungen. Solange diese Rahmenbedingungen und die Akkumulationprozesse, sprich die wirtschaftlichen Kr~ifte, aufeinander bezogen sind, entwickelt sich und l~iuft das gesellschaftliche System relativ reibungslos. Strukturen und Prozesse sttitzen sich gegenseitig. Ver/indern sich hingegen die Akkumulationsprozesse wie in der Zeit des Postfordismus, welcher von den Unternehmen Flexibilit~it und Spezialisierung verlangte, dann kann es zu Spannungen zwischen den Rahmenbedingungen und den wirtschaftlichen Prozessen kommen. Die Regulationsschule fragt nach Strukturen, welche die immanenten Konflikte unter Kontrolle halten. Regulation ist zusammenfassend ein System von 6konomischen, rechtlichen und politisch-sozialen Institutionen sowie Normen zur Steuerung von Entwicklungsprozessen, welches die gesellschaftlichen Machtstrukturen und Produktionsverh~iltnisse berticksichtigt. 559
558 Vgl. Perlik, M. & Messerli,P., NeuereAns~itzeder Regionalentwicklung,2001, S. 16. 559 Vgl. Wissen,M., Regulationsansatz,2004, S. 44. 138
Einschr~nkungen 56~ Die Diskussion rund um den Regulationsansatz erkennt die wachsende Bedeutung der lokalen Ebene als wichtigen Ort der Regulation, dennoch ist die Rolle der subnationalen, territorialen und funktionalen R~ume innerhalb des Ansatzes unterbelichtet. Es gibt unterschiedliche und teils unfertige Sichtweisen, was die Rolle der lokalen Ebene bei der Regulation entwickelter Gesellschaften betrifft. Doch gibt es Bemfihungen, die Relevanz und Nfitzlichkeit regulationstheoretischer Sicht auf lokaler Ebene zu konkretisieren und den Regulationsansatz in diese Richtung weiter zu entwickeln. Nicht nur (supra-)nationale R~ume, Institutionen und Prozesse werden als wichtig f't~r die Akkumulationsprozesse erachtet, sondem auch subnationale - regionale, lokale und sublokale - Rfiume. Letztlich herrscht weithin Konsens, dass die Konkurrenz der Standorte auch eine der Regionen ist und die regionalen sowie lokalen Akteure wesentlich zur wirtschaftlichem und kulturellen Wettbewerbsffihigkeit sowie zur Innovation beitragen. Die Auseinandersetzung mit den Prozessen rfiumlicher Konfiguration und Reorganisation steht jedoch erst am Anfang. 56~
Regulationsansatz und Regional Governance Im Regulationsansatz werden aus der Analyse gesellschaftlichen Wandels die Bedingungen ffir die gesellschaftliche Zukunftsffihigkeit abgeleitet. Der Ansatz kann als Bewertungsraster ffir die Entwicklung eines Landes oder einer Region gesehen und im Rahmen der Regionalentwicklung eingesetzt werden, da er sich mit Regelungssystemen besch~ftigt, welche die Entwicklungsprozesse kanalisieren. Im Unterschied zum Regional-Governance-Ansatz, der die Handlungen und die Akteurkonstellationen eines Systems berficksichtigt, stellt der Regulationsansatz primer einen sturktualistischen Ansatz dar. So kann der RegionalGovernance-Ansatz Netzwerke analysieren und entsprechende Schlussfolgerungen treffen, w~hrend der Regulationsansatz hierzu nicht geeignet ist. Trotzdem oder gerade deswegen kann ein regulationstheoretischer Bezug in der Regional-Governance-Diskussion bereichernd und komplement~r sein, da Governance nicht nut mit Handlungen sondern auch mit Strukturen und Regelsystemen verbunden ist, die den regionalen Akteuren Erwartungssicherheit bieten. Welche Regelsysteme von den Akteuren gewfihlt und bevorzugt werden, kann mit Hilfe der Regulationstheorie genauer untersucht werden. In diesem Sinn k6nnen sich der Regulationsansatz und der Regional-Govemance-Ansatz gegenseitig unterstfitzen. 562
3.6.6 Konzept der Lernenden Region Das Konzept der Lernenden Region geht grunds~tzlich davon aus, dass bei der Regelung von Konflikten aufgrund verschiedener Interessen zwei M6glichkeiten bestehen. Dies sind zum einen die Austrittsl6sung und zum anderen die Verhandlungsl6sung. 563 Verhandeln stellt dann
560 Die Einschr~nkungen beziehen sich primfir auf die Auseinandersetzung mit der lokalen und regionalen Ebene. ~1 Vgl. Mayer, M., l)as Potenzial des Regulationsansatzes,2003, S. 265 ff. 562 Vgl. Ffirst, D., Regional Governance,2001, S. 8. 563 Exit und voice. 139
die bessere L6sung dar, wenn bestehende regionale Bindungen stark sind und die Beteiligten dadurch Vorteile erzielen k6nnen. Gleichzeitig st~rken Verhandlungen die bestehenden Bindungen. Voraussetzung ist die st~ndige Weiterentwicklung fiblicher Vorgehensweisen an sich ~ndemde Anforderungen. 564 Es genfigt nicht, das vorhandene explizite und implizite Wissen 565 zu erhalten, sondern neues Wissen muss generiert und genutzt werden. ,,Es zeigt sich dabei, dass Lem- und Innovationsprozesse von Unternehmen auch auf exogene Einflfisse und Austauschbeziehungen und damit auf regionale Netzwerke ZUl~ckzuffihren sind. ''566 Die Leistungsffihigkeit und die Bedeutung einer Region sind abh~ngig von der Lernf'fihigkeit und von der Einbeziehung der regionalen Akteure in diesen Lernprozess. Letztlich werden die Erkenntnisse aus den Theorien zum individuellen und organisationalen Lernen auf die regionale Ebene fibertragen. 567 Das Konzept der Lernenden Region diskutiert die St~irkung der Wettbewerbsf'~ihigkeit einer Region auf Basis von Lernen, Wissen, Kooperation und Innovation. 568 Lemende Regionen als Gebiete, die aufgrund ihrer begrenzten Ausdehnung branchen-, probleml6sungs- oder aktivit~itsorientierte Netzwerke betreiben, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Bieger weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht imitierbare, schwer transferierbare Erfolgsvorteile kaum auf reinem Wissen beruhen. Vielmehr h~ingen lokale Erfolgsvorteile damit zusammen, wie Unternehmen lernen und sich entwickeln, s69 Im Idealfall verbreitet sich das spezifisch in der Region entwickelte Wissen innerhalb der Region und wird somit zum kollektiven Wissen. Dieses ist an den Standort gebunden und basiert u. a. auf der sozialen, kulturellen und r~iumlichen N~ihe der Akteure. Somit hat das Konzept der Lernenden Region den Anspruch, nicht nur einzelne Akteure oder Unternehmen zu unterstfitzen, sondern die Region als Ganzes wettbewerbsf'~ihig zu machen. Ver~indemngen sowie Weiterentwicklung werden von ,innen' angestogen und durch die Konzentration auf die Entwicklungspotentiale der regionalen Akteure sowie durch die Biindelung, Vernetzung und Integration der Interessen und Strategien umgesetzt.
564 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., Neuere Ans~tze der Regionalentwicklung,2001, S. 14. 565 Grundlage der Wissensgenerierung nach Nonaka und Takeuchi ist die Unterscheidung zwischen explizitem und impliziten (verborgenem Wissen), welche die Autoren in Anlehnung an Michael Polany (1966) vomehmen. Implizites Wissen ist meist sehr personengebunden, daher schwierig zu artikulieren und zu vermitteln. Es beruht auf pers6nlichen Erfahrungen und Uberzeugungen. Explizites Wissen hingegen ist weniger kontextgebunden als implizites Wissen, standardisierbar und daher auch gut nachahmbar. Da es gut dokumentierbar ist, l~sst es sich leicht verbreiten und gut vermitteln. Wissen entsteht durch die Interaktion dieser beiden Wissensarten, wobei es gilt, schwierige 15berg~nge zwischen explizitem und implizitem Wissen in routinisierte organisationale Prozesse umzuwandeln (vgl. Nonaka, I. & Takeuchi, H., The knowledge-creating company, 1995, S. 62 ff.). 566 Bieger, Th., Lern- und entwicklungsf~higeRegionen, 2000, S. 3. Bieger weist darauf hin, dass ~hnlich wie in der Betriebswirtschaftslehre die Umorientierung von einer umfeldorientierten auf eine ressourcenorientierte strategische Sicht stattgefunden hat, auch in der Regionalwissenschaft eine vergleichbare Verlagerung der Orientierung von exogenen auf endogene Entwicklungsfaktoren festzustellen ist. Letztlich ist es wohl das Zusammenspiel von exogenen und endogenen Entwicklungsfaktoren, das Dr Prosperit~t in den Regionen sorgt (vgl. Thierstein, A. & Wilhelm, B., Hochschulen als Impulsgeber, 2000, S. 9). 567 Vgl. Schl~ger-Zirlik,P., Der Ansatz der Lernenden Region in der Regionalentwicklung,2003, S. 25. 568 Vgl. Scheff, J., Leaming Regions, 2001, S. 33 ff. 569 Vgl. Bieger, Th., Lem- und entwicklungsf~higeRegionen, 2000, S. 3. 140
Einschr~nkungen Auch wenn das Konzept der Lernenden Region diskutiert, welche Bedingungen und Erfordernisse, wie Innovation, erffillt sein m~ssen, damit von einen Lernenden Region gesprochen werden kann, so sagt das Konzept jedoch wenig dartiber aus, wie solche Regionen funktionieren. Es ist schwierig, empirisch gehaltvolle Theorien zu entwickeln. 57~ Die r~iumliche Nfihe als wesentliches Merkmal des Konzeptes ist nicht n~her definiert und wird in der bisherigen Diskussion nicht flexibel genug betrachtet. Dies muss jedoch geschehen, damit das Konzept verschiedene Regionstypen fassen kann. Eine weitere Schw~iche liegt in der mangelhafien Auseinandersetzung mit den Ausgangsbedingungen der Regionen. Eigeninitiative ist notwendig, jedoch nicht ausreichend. Regionen, die einen Mangel an Ressourcen aufweisen, muss von augen geholfen werden. Ohne eine derartige Untersttitzung kann Kooperation und Zusammenarbeit kaum gelingen und auch nicht langfristig erfolgreich sein.
Konzept der Lernenden Region und Regional Governance Das Konzept der Lernenden Region geht einher mit wachsenden Anforderungen an die regionale Selbststeuerung. W~ihrend Innovationsprozesse anfangs in erster Linie Informalit~it, Offenheit und Flexibilit~it ben6tigen, verlangen die konkrete Umsetzung und die Kontinuit~it der Zusammenarbeit nach Regeln und Strukturen. ,,Learning regions must develop governance structures which reflect and mimic those of knowledge-intensive firms, that is codependent relations, netzwork organization, decentralized decision making, flexibility, and a focus on customer needs and requirements. ''571 Konkret verlangt die Netzwerkorientierung der Wissensproduktion nach der Besch~iftigung mit dem Verh~ltnis zwischen Informalit~it und Formalit~it, zwischen Regel-Freiheit und Regel-Setzung und Institutionalisierung. 572 Hier kann der Regional-Governance-Ansatz einen konkreten Beitrag leisten. Er liefert weiters Hinweise, welche Steuerungsformen und -instrumente eingesetzt werden k6nnen, um Netzwerke zu f6rdern, Lernprozesse zu initiieren und um das generierte Wissen zu verbreiten.
3.6.7 Regime-Konzept Das Regime-Konzept bezieht sich prim~ir auf lokale politisch-administrative Entscheidungssysteme und bezeichnet ein politisches Arrangement von Akteuren, welches Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nimmt. Der Kern des Konzeptes ist die Netzwerk- und Koalitionsbildung der Akteure, mit dem Ziel ihren Einfluss zu vergr6Bern. 573 Akteure entwickeln die F~ihigkeit zum Handeln, indem sie ihre Ressourcen, Kompetenzen und Ziele in eine m6glichst langfristige Koalition einbringen. Das Konzept der urbanen Regime bezieht sich auf die Akteure in st~idtischen R~umen, deren Kooperation und Bemtihen, Zugang zu institutionellen Ressourcen zu finden. Ein urbanes Regime ist somit ein lockerer Zusammenschluss von Akteuren, um lokale Handlungsf~ihigkeit zu erreichen. Btindnisse st~irken dabei
57o Vgl. Ftirst, D., Die ,,learningregion", 2001, S. 71 ff. 571 Florida,R., Towardthe Learning Region, 1995, S. 534. 572 Vgl. Ftirst, D. & Knieling,J., InnovationsorientierteEntwicklung,2002, S. 34. 573 Vgl. Farst, D., RegionalGovernance,2001, S. 8. 141
die Handlungs- und Regierungsf~ihigkeit. 574 Regime sind stabil, da sie dauerhafte Formen der Interaktion erm6glichen und essentielle Ressourcen btindeln. Die interne Logik der Koalitionsbildung, gleich ob formal oder informell, bildet den Fokus des Ansatzes.
Einschr~nkungen Besonders in der angloamerikanischen Forschungstradition der lokalen Politikforschung ist der Ansatz der urbanen Regime prominent. Die lokale Politikforschung im deutschsprachigen Raum konzentrierte sich bisher in erster Linie auf das Untersuchungsfeld der 6ffentlichen Verwaltung. Dem gegentiber stehen die Netzwerkbeziehungen zwischen 6ffentlichen und privaten Akteuren. Insgesamt wird die institutionelle Einbettung der Akteure nur unzureichend thematisiert. Grundlegende Kritik am urbanen Regime-Ansatz betrifft weiters die analytische Reichweite und die internationale Vergleichbarkeit. Auch kann eine dynamische Perspektive nur begrenzt eingenommen werden, da die Quellen far einen strukturellen Wandel nur marginal diskutiert werden. Machtaspekte, zum Beispiel Gestaltungs- oder Verhinderungsaspekte, bleiben in diesem Zusammenhang uneindeutig. Das Kr~ifteverh~iltnis zwischen 6konomischen Akteuren und lokalen politischen Institutionen wird nur begrenzt theorisiert, auch wenn den privatwirtschaftlichen Akteuren eine wichtige Rolle zugesprochen wird. 575 Letztlich ist der Regime-Ansatz eher ein Konzept oder ein Modell als eine Theorie, da die Formation, der Erhalt oder die Ver~inderungen von Regimen nur begrenzt erkl~irt und vorausgesehen werden k6nnen. 576 Weiters ist aufgrund der hohen Komplexit~it der institutionellen Strukturen und der Akteurkonstellationen die Existenz von urbanen Regimen durch empirische Untersuchungen zu best~itigen.
Regime-Konzept und Regional Governance Regimes beeinflussen das Handeln der Akteure und sind gleichzeitig Gegenstand von Aushandelungsprozessen. Sie werden beeinflusst von den Themen, den Akteurkonstellationen und dem situativen Umfeld. Fiar die Durchsetzung von Interessen ist der Zugang zu Ressourcen entscheidend. Verschiedene Akteurkonstellationen k6nnen ihre Ziele aufgrund horizontaler sowie vertikaler Verbindungen und Verflechtungen und in Abh~ingigkeit der vorhandenen institutionellen Strukturen mehr oder weniger erfolgreich verfolgen. Der Ansatz der urbanen Regime eignet sich far die Untersuchung dieser Zusammenh~inge und deckt die Voraussetzungen far dauerhafte Koalitionen und Kooperationen auf. 577 Diese Rahmenbedingungen und Faktoren sind den grundlegenden Bestimmungen und den wesentlichen Elementen der Governance einer Region ~ihnlich. Die Besch~iftigung mit der Regimetheorie wirft Fragen auf, die auch far die Governance-Diskussion bedeutend sind und die sich unter Umst~inden tiberschneiden k6nnen. 578
574 Vgl. Mossberger, K. & Stoker, G., The evolution of urban regime theory, 2001, S. 810 ff. 575 Vgl. Bahn, Ch. et al., Urbane Regime, 2003, S. 12 ff. 576 Vgl. Mossberger, K. & Stoker, G., The evolutionof urban regime theory, 2001, S. 811. 577 Vgl. Bahn, Ch. et al., Urbane Regime, 2003, S. 16 f. 578 Vgl. Ftirst, D., Regional Govemance,2001, S. 9. 142
3.6.8 Funktionen der Regionalentwicklung Die neueren Theorien und Ansgtze der Regionalentwicklung sehen die Regionen nicht als Behglterraum oder Faktorraum, sondern die Region erlangt als Akteurraum Bedeutung. Die regionale Verankerung und Einbettung der Akteure ist Teil der Wettbewerbsf'~ihigkeit.579 Regionalentwicklungskonzepte haben die Aufgabe, den Handlungsspielraum der Regionen zu nutzen und Synergie-Effekte des Zusammenwirkens verschiedener Akteure auszusch6pfen. Sie verlangen nach der Durchlgssigkeit der Grenzen zwischen 6ffentlichem und privatem Bereich. Es gilt, Handlungspotentiale und-optionen zu vermehren und kollektive Handlungsfahigkeit zu organisieren. Der regionalen Strategief~higkeit wird somit zukt~nftig eine Schlfisselfunktion zukommen. Insgesamt wachsen durch die ver~nderte Sicht und die Bedeutung der Regionen die Anforderungen an die regionale (Selbst)Steuerung. NOtig sind Formen der dezentralen Governance und vor allem der Regional Governance. Zusammenfassend k6nnen der Regional-Governance-Ansatz und die verschiedenen Regionalentwicklungskonzepte voneinander profitieren. Zum einen sind verschiedene Erkenntnisse wie das Wissen aus den Netzwerkans~itzen bereits in den Governance-Ansatz eingeflossen. Zum anderen verlangen Ansgtze wie die Lemende Region nach neuen Steuerungsformen, damit sie sich erfolgreich durchsetzen k6nnen und hier kann auf regionaler Ebene der Regional-Governance-Ansatz einen bedeutenden Beitrag leisten.
579 Vgl. Perlik, M. & Messerli, P., NeuereAnsgtzeder Regionalentwicklung,2001, S. 20. 143
4. Zusammenfassung Teil II der Arbeit besch~iftigt sich mit der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten, wobei die Analyseeinheit die Region ist. Die allgemeinen Ausfahrungen zur Governance werden auf Regionen tibertragen und far diese konkretisiert. Lokale und regionale R~iume bieten Identit~it sowie verschiedene Vorteile durch die r~iumliche N~ihe der Akteure und rtisten die Untemehmen auf diese Weise far den globalen Markt. Der verwendete Regionenbegriff baut auf eine zweckgebundene Abgrenzung a u f - es sind die Akteure, die Region definieren, indem sie bestimmen, welchen Raumbezug und welche Kooperationen wettbewerbsf~ihige Handlungen brauchen. Ausgehend von dieser Definition werden Tourismus-Destinationen als Regionen definiert. In Anlehnung an Teil I wird Regional Governance als komplexe Steuerungsstruktur in Regionen definiert. Die Abgrenzung zu verschiedenen Konzepten der Regionalentwicklung zeigt, dass Regional Governance eine Erg~inzung darstellt, welche den Trend, die Region nicht als Beh~ilterraum oder Faktorraum sondern als Akteurraum zu sehen, unterstfitzt. Durch Regionale Governance k6nnen endogene Potentiale aktiviert werden, um im Wettbewerb bestehen zu k6nnen. Den analytischen Hintergrund bildet der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, der sich mit dem kollektiven Zusammenspiel der Akteure besch~iftigt. Analysiert werden der institutionelle Kontext, die (~berindividuellen) Akteure, deren Handlungsorientierungen, die Handlungssituation, die Akteurkonstellationen und die vorhandenen Govemance-Formen. In erster Linie basiert Regional Governance auf Netzwerken, welche die Nutzung von Synergien erm6glichen, die durch das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure entstehen. Netzwerken erlauben zudem intersektorale und interdisziplin~ire Kooperation- eine wesentliche Voraussetzung far innovatorische Prozesse, Risikoteilung und Unsicherheitsminderung. SchlieBlich lassen Netzwerke eine Internalisierung negativer Extemalit~iten zu. Aufgezeigt werden jedoch auch die Probleme und Fallstricke der Netzwerke. Im n~ichsten dritten Teil der Arbeit werden die grundlegenden Ausfahrungen zur Governance (Teil I) sowie die Ans~itze zur Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten (Teil II) auf Tourismus-Destinationen umgelegt.
144
III
G o v e r n a n c e von T o u r i s m u s Destinationen
Tourismus-Destinationen sind r~iumliche Wettbewerbseinheiten. Dieser dritte Teil der Arbeit besch~iftigt sich mit deren Governance, um die Entwicklung zu lenken und die Wettbewerbsf~ihigkeit der Destinationen langfristig zu sichern.
1. Die T o u r i s m u s - D e s t i n a t i o n Tourismus-Destinationen sind Teil des Tourismussystems. Diese Einbettung sowie die Wechselwirkungen mit anderen Teilsystemen, zum Beispiel der Nachfrage, haben Auswirkungen auf die Governance der Destinationen. Daher wird das Tourismussystem, dessen Elemente und Entwicklung nachfolgend aufgezeigt.
1.1 Das Tourismussystem Tourismus kann definiert werden als ,,die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Reisen und dem Aufenthalt von Personen ergeben, far die der Aufenthaltsort weder haupts~ichlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist. ''58~ Dabei z~ihlen nicht nur die unmittelbaren Folgen, sondern s~imtliche wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und 6kologische Folgen. Um die Einbettung des Tourismus in die verschiedenen Bereiche des Lebens zu beschreiben, ist es sinnvoll, den Tourismus als System darzustellen. 58~ Abbildung 23 zeigt ein solches Tourismuskonzept, welches die Analyse der Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Elementen illustriert. Die Verbindungen stellen Vernetzungen, Abh~ingigkeiten und Beeinflussungen dar. Gleichzeitig werden diverse Umwelten unterschieden, die Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen sind. 582 Die Vielfalt der Wechselwirkungen bringt es mit sich, dass die Bewertung des Systems Tourismus je nach Werthaltung, Betroffenheit und Einbindung unterschiedlich ausfNlt.
5so Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 18. 581 Viele Ans~itze, die den Tourismus als Ganzes beschreiben und abbilden, beziehen sich auf Elemente der Systemtheorie und w~ihlen zur Darstellung Elemente der Mengenlehre. ,,Dies entspricht wissenschaftlichem Denken in Modellen, Schemen und Systemen. Es reduziert die komplexen gesellschaftlichen Beziehungen auf einige wenige Grundstrukturen, die dann genauer analysiert werden. Andererseits werden zwangsl~iufig Einflul3faktoren vemachl~issigt, die nicht in direktem Zusammenhang mit der jeweiligen Fragestellung und Betrachtungsweise stehen" (Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 26). 582 Bieger betont die Interdisziplinarit~it des Tourismus als Forschungsobjekt und weist darauf hin, dass die Tourismusforschung Erkenntnisse von Basiswissenschaften wie Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Soziologie, Psychologie, Geographie, Anthropologie oder Okologie berticksichtigen sollte (vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 21). 145
6konomische _ mwe't
soziokulturelle Umwelt
~
Tourismusort
~.......~ /
6kologische Umwelt ~
/..~
[ ~k
Sonstige A~eu~e
politische .____.__.~ \ Umwelt ~technologische f mwe,t
................ ~
- 9 I ~/~s~
Bev61kerun~
~,~ ~
TO;a~Simfi~_ n /
]
~ /
. . . . . . . -~Qx,~,~.. Institutionen
tour/iisti~/sche ~ Anbieter /
/ /
"
Abbildung 23: Tourismus als System Quelle: In Anlehnung an Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 14; vgl. weiters Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 68. Das in Interaktion mit den verschiedenen Umwelten stehende Tourismussystem besteht aus vier Teilsystemen: 583 Teilsystem Destination, - Teilsystem Verkehr, Teilsystem Reisemittler und - Teilsystem Nachfrage. Destinationen sind Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit und werden anschliegend ausffihrlich diskutiert. Die anderen Teilsysteme werden nachfolgend kurz vorgestellt.
Teilsystem Nachfrage Die Tourismusnachfrage wird von den Faktoren Besucher, haupts/~chlicher Reisezweck, gewohnte bzw. ungewohnte Umgebung und touristischer Konsum bestimmt. 584Die Definition von Besuchem und Touristen erfolgt meist sehr breit und beinhaltet alle Personen, die einen Ort besuchen, an dem sie keiner bezahlten T/~tigkeit nachgehen. Der Hauptreisezweck kann verschiedenen Kategorien zugeteilt werden. Die fiblichen Kategorien sind Freizeit-, Erholungs- und Urlaubsreisen, Verwandten- und Bekanntenbesuche, Dienst- und Gesch/fftsreisen, Kuraufenthalte sowie religi6s motivierte Reisen. 585 Die Umgebung, in welche eine
583 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 83. 584 Diese Definition der Tourismusnachfragestammt von Tourismus-Satellitenkonten,welche die Erfassung der touristischen WertschOpfungzum Ziel haben (vgl. Smeral, E., Tourismus-Satellitenkonto,2003, S. 72 ff.). ~,~5Steinbach unterscheidet in Anlehnung an Opaschowski (1977) folgende Bedfirfniskomplexe: Rekreationsbedfirfnis (Suche nach Erholung, Entspannungund Wohlbefinden),Kompensationsbedt~rfnis(Bestreben nach Ausgleich, Ablenkung und Zerstreuung), Edukationsbedtirfnis (Kennenlernen, Weiterlernen, Umlernen), Kontemplationsbedfirfnis(Suche nach Selbstbestimmung, Selbsterfahrungund Selbstfindung), Integrationsbedfirfnis (Wunsch nach Gruppenbezug, Sozialorientierung oder gemeinsamen Lernerfahrungen), 146
Person reist, kann gewohnt oder ungewohnt sein. Die Unterscheidung bezieht sich auf die geographischen Grenzen, innerhalb derer sich jemand im tgglichen Leben bewegt sowie auf die Hgufigkeit, mit welcher ein Ort frequentiert wird. Insgesamt beinhalten touristische Reisen eine Vielzahl von Entscheidungen wie die Auswahl des Ziellandes, des Ortes, der Unterkunftsform, der Reiseart etc. Der touristische Konsum hingegen umfasst die Ausgaben der Besucher. Die Tourismusnachfrage als System beinhaltet neben der oben beschriebenen Nachfrage die Elemente Motivationssystem und Beeinflussersystem. 586 So spielen die pers6nlichen Bedfirfnisse und Motive bei allen Reisentscheidungen eine bedeutende Rolle. Je nachdem welche Bedfirfnisse der Gast mit seiner Reise befriedigen will, zum Beispiel physische Bedfirfnisse oder Bedfirfnisse nach Anerkennung und Selbstverwirklichung, werden Reiseentscheidungen unterschiedlich ausfallen. Bei verschiedenen Bed0rfnissen muss der Reisende Priorit~iten setzen, wobei er von seinem Umfeld beeinflusst wird. Je nach Reisezweck wirken unterschiedliche ,Beeinflusser' wie die Familie oder Gesch~iftsfreunde auf den Reisenden ein. Nachfrage, Motivationen und Beeinflusser werden wiederum von der 6konomischen und gesellschaftlichen Umwelt beeinflusst. Ffir die Anbieter von touristischen Produkten ist das Wissen um die Motive der G~ste und um sozio-demographische Daten von besonderem Interesse, da das Angebot bewusst gestaltet und auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet werden kann.
Teilsystem Reisemittler Die Reisemittlung hat die Funktion, Beziehungen zwischen der Nachfrage und den touristischen Angeboten herzustellen. 587 Ziel ist es, ein abstraktes Dienstleismngsprodukt fiber groBe r~iumliche Distanzen, unterschiedliche Kulturen und politische oder rechtliche Rahmenbedingungen verfiigbar zu machen. Gmnds~itzlich sollen Reisemittlungen folgende Funktionen erfiillen:588 -
-
Kombinationsfunktion: Touristische Angebote stellen vielfach Leistungsbfindel dar. Die einzelnen Leistungen mfissen mit hoher Fachkompetenz und kundenspezifisch zusammengeffigt werden. Der Trend geht weg yon auf Massenm~irkten ausgerichteten Pauschalreisen und hin zu individuell zusammenstellbaren Modulen. Sortimentsfunktion: Der Gast will sowohl einzelne Leistungen als auch Produktbfindel verschiedener Anbieter vergleichen k6nnen. Gewfinscht wird eine m6glichst flexible und unkomplizierte Zusammenstellung yon Teilleistungen verschiedener Mittler. Um diesem Trend zu begegnen und um die Kunden zu halten, versuchen die Reisemittler zum einen eine m6glichst groBe Auswahl an Produkten anzubieten und zum anderen Distributionskan~ile zu dominieren.
Partizipationsbedtirfnis (Pr~iferenz beztiglich Mitbestimmungund Engagement)und Enkulmrationsbedtirfnis (Streben nach kulturellen Kontakten, kreativer Lebensentfaltung / Produktivit~it) (vgl. Steinbach, J., Tourismus, 2003, S. 81). 586 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 98 ff. 587 Freyer spricht in diesem Zusammenhang auch yon Zwischenh~indlem (vgl. Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 167). 588 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 195 ff.; Roth, P., Marketing der Reiseveranstalter, 2000, S. 416 ff.; Pompl, W., Das Produkt Pauschalreise, 2000, S. 73 ff. 147
Informationsfunktion: Der Kunde m6chte detaillierte Informationen ,just in time', um Wissen fiber das Angebot zu sammeln und die Verffigbarkeit zu kontrollieren. Eine Konvergenz zwischen den elektronischen Informationssystemen von Reisemittlem und Anbietern ist abzusehen.
-
Physische / logistische Distributionsfunktion: Reisemittler haben prim~ir die Aufgabe, Reservierungen an die Anbieter zu t~bermitteln und entsprechende Best~tigungen verfi~gbar zu machen. Der Trend geht zum ticketlosen Service, bei welchem der Reisende durch eine pers6nliche Legitimation oder einer Reservierungsnummer seine elektronisch gebuchte Leistung einfordern kann.
-
-
Inkassofunktion: Zahlungen mt~ssen tiber politische und rechtliche Grenzen hinaus vermittelt werden. Optimierungen und Kostensenkungen stehen hier im Vordergrund.
Die Funktionen der Reisemittlung k6nnen aufgrund der beschriebenen Trends vielfach von groBen Unternehmen besser und gtinstiger erfiillt werden. Zus~tzlich schafft das Intemet heute die M6glichkeit, die klassische Reisemittlung zu umgehen. Zum einen suchen die Anbieter nach g~nstigen Distributionswegen und zum anderen hat das Intemet die Ver~gbarkeit von Informationen fiir den Kunden stark verbessert) 89 ,,Die technologisch erm6glichte Ver~inderung des Informations-, Buchungs- und Kommunikationsstils zwischen Konsumenten und Produzenten erm6glicht auf jeder Stufe der Wertsch6pfungskette Kosteneinsparungen. ''59~ Die Chance der Reisemittler liegt darin, dass die Kunden sich mit einer immer gr613eren Angebotsvielfalt wie neue Destinationen oder flexible Tarifstrukturen auseinandersetzen mtissen. Um sich einen Uberblick zu verschaffen, muss der Reisende viel Zeit investieren, vor allem wenn er unbekannte Regionen besuchen m6chte. Durch solche Rahmenbedingungen steigt der Nutzen der Reisemittler fiir den Kunden und die Kommissionsfinanzierung kann zunehmend durch Leistungsgebt~hren wie Buchungs- oder Beratungsgebt~hren ersetzt werden. 59~
Teilsystem Verkehr In der Geschichte werden die Hauptphasen des Tourismus durch die Dominanz verschiedener Verkehrssysteme gekennzeichnet. Die innovative Entwicklung tourismusrelevanter Verkehrsund Transportsysteme hat Reisen in immer weiter entfemte Destinationen m6glich gemacht und das Urlaubsverhalten beeinflusst. 592 Verkehr wird definiert durch das transportierte Objekt, die Art der Ziel- und Quellgebiete (Nahverkehr, Fernverkehr oder Agglomerationsverkehr) und die Art des Verkehrsmittels (StraBenverkehr, Luftverkehr, Schienenverkehr und Wasserverkehr). 593 Je nach Reiseart entfallen zwischen 25 und 60 Prozent der Reiseausgaben auf den Transport. Die Anteile unterscheiden sich dabei je nach verwendetem Verkehrsmittel
589 Vgl. Freyer, W., Tourismus, 2003, S. 194 ft. 590 Smeral,E., Die Zukunft des internationalenTourismus, 2003, S. 71. 591 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 196 f. 592 Vgl. Steinbach, J., Tourismus, 2003, 266 ft. Steinbach beschreibt die Evolution der Verkehrsnetze yon der Eisenbahn und dem Dampfschiff bis hin zur Erschliel3ung der Hochgebirge, dem Kreuzfahrttourismus und dem internationalenFlugverkehr. 593 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 213. 148
deutlich. 594 Relevant ist auch die Unterscheidung zwischen dem An- und Abreiseverkehr der Destination und dem Inner-Destinationsverkehr. Letzterer bezieht sich auf die Touristen, die sich zwischen den verschiedenen Leistungselementen bewegen. Beide Arten der Verkehrsbelastung k6nnen durch verschiedene verkehrslenkende Mal3nahmen beeinflusst und in einem bestimmten Rahmen gesteuert werden. 595 Die verschiedenen Verkehrssysteme wie das StraBensystem oder das Luftverkehrsystem t~berlagem und beeinflussen sich gegenseitig. Zudem beeinflussen sie die Tourismusstr6me. So kann es vorkommen, dass die touristische Nachfrage den Verkehrsangeboten folgt. 596 Gmndsgtzlich bestehen Verkehrsnetze aus Kanten (Verkehrsstr6me) und Knoten (zum Beispiel Terminals, bei welchen Personen das Verkehrsmittel wechseln k6nnen). Die Kanten weisen verschiedene spezifische Vor- und Nachteile auf:597 -
-
StraBenverkehr: 598 Aus Kundensicht weist die Nutzung des eigenen Fahrzeugs mehrere Vorteile auf. Zum einen ist dies eine hohe zeitliche und rgumliche Flexibilitgt und zum anderen trggt der Reisende nur einen beschr~inkten Teil der Kosten, da die Infrastrukturinvestitionen meist von der 6ffentlichen Hand get~itigt werden. Vor allem in dt~nn besiedelten Gebieten oder bei schwach konzentrierten Verkehrsstr6men scheint der Stragenverkehr eine gute L6sung zu sein. Aus gesellschaftlicher Sicht bietet der StraBentransport rasche Verbindungen far breite Teile der Bev61kemng, wobei diese Vorteile durch verschiedene Nachteile wie Luftverschmutzung, hoher Fl~ichenbedarf oder Lgrm relativiert werden. Derartige negative externe Effekte ffihren dazu, dass der Stral3enverkehr oft durch Regulierungen, zum Beispiel Maut, gelenkt werden muss. Eisenbahnverkehr: Heute ist der Eisenbahnverkehr vor allem in Europa als Massenverkehrsmittel stark ausgebaut, auf anderen Kontinenten spielt er allenfalls im Agglomerationsverkehr eine gr613ere Rolle. Was den Tourismus betrifft, so war die Eisenbahn ffir dessen Entwicklung von Bedeutung: Der modeme Massentourismus begann in der zweiten Hglfte des 19. Jahrhunderts mit der Erfindung der Dampflok und mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes. Die Bahn blieb bis Mitte des 20. Jahrhunderts das Hauptverkehrsmittel far den Reiseverkehr. Heute ist der Eisenbahnverkehr auf grol3e Distanz nur noch im Gt~terverkehr oder im touristischen Erlebnistourismus relevant. Dies obwohl die Eisenbahn ffir Reisende vor allem in dicht besiedelten Gebieten enorme Vorteile aufweist, zum Beispiel durch die oft zentrale Lage der Bahnh6fe oder die hohe
594 Vgl. Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 126. 595 Bochert stellt in diesem Zusammenhang und im Hinblick auf regionalwirtschaftliche Ausgleichsziele die Frage, wie es Regionen oder Lgndem gelingen kann, Anbindungen an auslgndische Zielmgrkte zu schaffen, ohne die inlgndischen Touristen an das Ausland zu verlieren? Es ist mOglich, dass die verkehrstechnische Anbindung an bestimmte L~inder nicht vorteilhaft ist, da mehr Tourismusnachfrage abflieBen wt~rde, als durch den Incomingtourismus ausgeglichen werden k6nnte (vgl. Bochert, R., Tourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 118 f.). 596 Durch Aus- und Neubauvorhaben des grenzt~berschreitenden Tourismus ist gmndsgtzlich ein Abfluss von Tourismusnachfrage nach st~dlich und 6stlich gelegenen L~ndem zu befarchten (vgl. Bochert, R., Tourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 122). 597 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 219 ff; Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 126 ff. 598 Beim Tourismus und der Entwicklung des Stral3enverkehrs ist es schwierig, Ursache und Wirkung ad~quat zueinander in Beziehung zu setzen. Zum einen stellt die Motorisierung einen Boomfaktor far den Tourismus dar, zum anderen ist auch Tourismus ein bedeutender Boomfaktor far die Entwicklung der Autoindustrie (vgl. Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 128). 149
Frequenzdichte. Die Ursache ist liegt darin, dass das Schienennetz wegen der geringen Fl~ichenwirkung h~iufig eine zentralistische Tendenz erzeugt. Profitieren kann davon vor allem der St~idtetourismus. 599 -
Flugverkehr: Die Luftfahrtindustrie ist ein bedeutender und vielf'dltiger Teil der Tourismusindustrie und heute auch das dynamischste Element im Verkehrssystem. Grunds~itzlich k6nnen im Passagierflugbereich vier verschiedene Gesch~iftsmodelle unterschieden werden: Netzwerk-Fluggesellschaften, Billigflieger, Regional- und CharterFluggesellschaften. Ftir den Kunden weist der Flugverkehr verschiedene Vorteile auf wie hohe Geschwindigkeit und somit relativ kurze Reisezeiten auch auf langen Strecken. Zus/~tzlich ist der Erlebniswert hoch. Negative externe Effekte, die der Flugverkehr erzeugt, sind L~irm- und Schadstoffbelastung.
-
Busverkehr: Der Busverkehr spielt als Grundversorgung zum Fernverkehr und in Europa meist als Erg~inzung zum Eisenbahnverkehr eine Rolle. Zwischen 1950 und 1960 hatte er als Transportmittel einen bedeutenden Anteil am Reiseboom. Dann haben ihn private Pkw-Reisen und der aufkommende Flugtourismus zurtickgedr~ingt. In den letzten Jahren hat der Busverkehr wieder an Bedeutung gewonnen und zwar vor allem bei Gruppenreisen.
-
Schiffsverkehr: Im Personenverkehr spielen Schiffe heute nur noch im Tourismus eine Rolle: als Tr~iger des Ausflugverkehrs auf Binnenseen oder auf dem Meer in Form der Kreuzfahrtschifffahrt. Letztere stellen eine besondere und auch erfolgreiche Angebotsvariante dar, bei welcher die eigentliche Transportleistung in den Hintergrund tritt.
Die vorgestellten touristischen Teilsysteme sind eingebettet in konkrete Umwelten. Vereinfacht k6nnen diese Umwelten auf Wirtschaft, Gesellschaft und Natur reduziert werden. Die politische Umwelt ist Ausdruck des gesellschaftlichen Willens und die Technologie kann im Schnittstellenbereich von Gesellschaft, Wirtschaft und Natur angesiedelt werden. 6~176 Wie die Tourismusstr6me diese Umwelten beeinflussen, wird im n~ichsten Abschnitt diskutiert.
1.2 Tourismussystem und Umwelt Zwischen dem Tourismussystem und den wesentlichen Umwelten Wirtschaft, Gesellschaft und Okologie gibt es Wechselwirkungen. Zum einen beeinflusst der Tourismus diese Umwelten sowohl positiv als auch negativ. 6~ Zum anderen ver~indern die Entwicklungen in Wirtschaft, Technologie, Okologie und Politik die Beziehungen zwischen den verschiedenen touristischen Teilsystemen, ffihren zu Dynamiken und ver~indem das Zusammenspiel der verschiedenen Elemente. Nachfolgend werden die Wechselwirkungen dargestellt.
599 Vgl. Bochert, R., Tourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 122. 600 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 83 f. 601 In der Wahrnehmung yon Touristen und Einheimischen hat sich vor allem die Belastung der nattirlichen Umwelt zu einem zentralen Problemfaktor entwickelt (vgl. Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 33). 150
1.2.1 Einfluss des Tourismus auf die Umwelt Die 6konomischen Effekte des Tourismus werden durch vier Funktionen ausgeddickt: Zahlungsbilanzfunktion (Einnahmen von ausl~indischen G~isten), Besch~iftigungsfunktion, Einkommensfunktion sowie Ausgleichsfunktion (zwischen Zentren und Randregionen). 6~ Bei der Beurteilung der Berfihmngspunkte des Tourismus mit der natiirlichen Umwelt sind ebenfalls verschiedene A s p e k t e - sowohl Chancen als auch R i s i k e n - auszumachen. Zum Beispiel sensibilisiert der Tourismus zum einen ffir nattMiche Ressourcen, zum anderen besteht die Gefahr der t~bermW3igen Nutzung. SchlieBlich gilt es noch den Einfluss auf die gesellschaftliche Umwelt zu berficksichtigen. Dieser entsteht durch den Kontakt verschiedener Kulturen, welche sich gegenseitig beeinflussen. 6~ Die insgesamten Einfliisse des Tourismus werden in Abbildung 24 strukturiert aufgezeigt. Reisende 8konomisch
8kologisch
Nutzen Bereiste/Destination
Wiederherstellung Arbeitspl~itze der pers6nlichen Ums~itze LeistungsF~ihigkeit Einkommen Verbesserung der Infrastruktur Neue M~irkte far einheimische Produkte Nutzung von Brachland Sensibilisierung Ftir die Umwelt Schutz vor Ver6dung Finanzierung von Umweltschutzmagnahmen Sensibilisierung Far natfirliche Sch6nheiten
gesellschaftlich Erholung und Entspannung Kulturelle Begegnung Neues Wissens Wiederherstellung der eigenen Identit~it
Stopp der Abwanderung Motivation zur Kulturpflege (Denkmalschutz, kulturelle Anlasse) Neues Wissen Begegnung mit anderen Kulturen und damit Einfluss auf die Identit~it
Reisende Kosten Zeitbedarf
Ferienkultur pr~igt Kultur der Quellregion
Schaden Bereiste/ Destination Anstieg der Bodenpreise und der Lebenshaltungskosten
Beeintr~ichtigung der Umwelt (Schadstoffe durch Verkehr, Abwasser, Abf~ille) Beeintr~ichtigung der Landschaft durch Bauten; Fl~ichenverbrauch Entfremdung, Entwurzelung Verlust der kulturellen Identit~it
Abbildung 24: Wirkungen des Tourismus auf verschiedene Umweltbereiche Quelle: Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 32; vgl. weiters Kahlenborn, W. et al., Tourismus-und Umweltpolitik, 1999, S. 1 ff.
602 Vgl. Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 122 ff.; 6o3 Thiem unterscheidet vier verschiedene Kulturen: die Kultur der Quellregion (welche die G~iste mitbringen), die Ferienkultur (Lebensstil der Gfiste in der Ferienzeit), die Kultur der Zielregion (der Bereisten) und die Dienstleistungskultur (Lebensstil und Normen der im Tourismus Besch~tftigten)(vgl. Thiem, M., Tourismus und kulturelle Identit~it,2001, S. 27 f.). 151
1.2.2 Entwicklung und Einflussfaktoren Weltweit betrachtet w~ichst die Tourismusbranche. 6~ Regional hingegen entwickelt sich die Branche unterschiedlich. Wachstum ist vor allem in touristisch attraktiven Regionen mit geringer Tourismusintensit~it wie Asien, Pazifischer Raum oder Inselrepubliken gegeben. In Regionen und L~indern mit hoher Tourismusintensit~it ist hingegen nur mehr schwaches Wachstum oder sogar Stagnation zu beobachten. 6~ Zum Wachstum weltweit tragen verschiedene Faktoren bei wie die Entwicklung der Verkehrsnetze, die Verbesserung des Wohlstandes in weiten Teilen der Welt, das Bedtirfnis nach Erholung sowie das zunehmende Bildungsniveau, das Interesse an anderen Gebieten weckt und tiber Sprach- und Kulturkompetenz Reisen erleichtert. 6~ Letztlich resultiert die Dynamik aus der Vielfalt und Menge der Angebote, welche Push-Effekte auf die Tourismusnachfrage haben. Gleichzeitig gibt es in einzelnen Bereichen Nachfragetiberh~inge, die als Pull-Effekte auf das Angebot wirken. Auf das Angebot, die Nachfrage und auf den Tourismusmarkt wirken verschiedene gesellschaftliche und 6konomische Trends, die sich gegenseitig beeinflussen. Bieger und Laesser haben die Trends und ihre Implikationen auf den Tourismus mit Hilfe der Kategorien soziodemographische Entwicklungen, Wertewandel, 6konomische Rahmenbedingungen, A r b e i t - Freizeit- Zeitstruktur und Konsum strukturiert. 6~ In Anlehnung an diese Recherche zeigt Abbildung 25 zusammenfassend die verschiedenen Trends und deren Einfluss
SoziodemographischeEntwicMungen Trend Bev61kerungswachstum
Altersstruktur
Hypothesen Verlangsamung Langfristig negativ in europ~iischen u. amerikanischen Industriel~indem Wachstumsmarkt Asien Altere Generation etabliert sich als einflussreiche Konsummacht mit folgenden Merkmalen: Hohe Kaufkraft, aktives Freizeitleben, ausgepr~igtes Qualitatsbewusstsein
Implikationen fiir den Tourismus Quellen Nachfragepotential in Nachbarl~ndem nimmt eher ab Neue M~irkte wie Asien mtissen erschlossen werden
Smeral (2003)
Senioren werden als Kundengruppe interessant Verschiebung der Reisefrequenz von Leuten im mittleren Alter zu Leuten im h6heren Alter Bei touristischen Leistungen sind Unterhaltungselemente wichtig Steigende Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen
Smeral (2003) Dettmer (2001) Romeiss-Stracke (2001) Bieger (2000) Heidrich & Rohr (1999) Eggert (1997)
604 Vgl. Smeral, E., Wachstumsmaschine Tourismus, 2004, S. 35. 6o5 In den traditionellen Reisel~indem Europas hat sich der Tourismus von einer relativ stabilen Wachstumsbranche zu einer Branche mit hoher Wettbewerbsintensit~it entwickelt, womit Europa die h6chsten Marktanteile und die geringsten Wachstumsraten aufweist (vgl. Ullmann, S., Netzwerk als Chance im Verdr~ingungswettbewerb, 2000, S. 41 ff.). Ahnlich weist Smeral in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit steigendem Wachstum die touristischen Wachstumsraten abnehmen: ,,Die Tourismuswirtschaft in Niedriglohn-L~indemw~ichstrascher als in Hochlohn-L~indern"(Smeral, E., Die Zukunft des internationalen Yourismus, 2003, S. 70). 606 Vgl. Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 5 f; Pechlaner, H. & Weiermair, K., Regionalisierung von Tourismusorganisationen,2000, S. 329. 607 Vgl. Bieger, Th. & Laesser, Ch., Trends im Yourismus, 2003, S. 13 ff. 152
Ver/inderte Familienstrukturen
Trend zur Kleinfamilie oder Teilfamilie Abnehmende Bedeutung von Familienbanden Zunahme der SingleHaushalte
Bildungsniveau Steigendes Bildungsniveau L/ingere Ausbildungszeiten Lebenslanges Lernen und permanente Weiterbildung
Steigende Nachfrage nach Dienstleistungen und Freizeitgtitern Nachfrage nach Club-, Kurz- und St~idtereisen (Singles) Entlastungsangebote f'tir Familien Steigende Nachfrage nach Bildungs- und Kulturreisen Passive Entspannung und hyperaktive Sportarten verlieren an Bedeutung Nachfrage nach Sinngebung
Smeral (2003) Romeiss-Stracke (2001) Matathia & Salzmann (1998) Eggert (1997) Smeral (2003) Romeiss-Stracke (2001) Eggert (1997)
W e r t e w a n d e l
Trend
Hypothesen
Individualisierung
Wunsch nach Individualit~it Verst~irkt subjektive Auswahl von Beziehungen Bewusste individuelle Separation und hybrides Verhalten Ver~indemng sozialer Milieus; Entstehen und Verst/arken von Communities Vermehrte Entsolidarisierung Zunehmende Sinnsuche Clanning als Ersatz ftir die klassische Familie
Entsolidarisierung
Sicherheit und Sauberkeit
Sicherheit und Verl~isslichkeit werden wichtiger Es werden nur kontrollierte und kontrollierbare Risiken eingegangen
Implikationen ftir den Tourismus Drang nach Einzigartigkeit Die Individualisierung der Gesellschaft tibertr~igt sich auf die Freizeit- und Urlaubserwartungen und -gestaltung Touristen wollen ihre Reisen mit ihren eigenen Ideen strukturieren und bevorzugen flexible Pakete
Quellen Smeral (2003) Romeiss-Stracke (2001) Heidrich & Rohr (1999) Pongs (1999) Schulze (1999) Eggert (1997)
Wertevakuum schafft neue Felder im Bereich der Sinnvermittlung Authentizit~it Emotionalit~it Sicherheitsdenken und-geftihl beeinflussen verst/irkt die Wahl des Reiseziels Steigende Nachfrage nach Produkten, welche einen Hauch von Risiko und Abenteuer vermitteln, ohne wirkliche Gefahr for die Konsumenten
Romeiss-Stracke (2001) Pongs (1999) Schulze (1999) Eggert (1997) Smeral (2003) Matathia & Salzmann (1998)
-
-
-
153
Okonomische Rahmenbedingungen Trend
Hypothesen
Implikationen far den Tourismus Quellen
i
Allgemeine Langfristige strukturelle Langfristig weniger Einkommen 6konomische , Anderungen far den Tourismus verfiigbar Rahmen(Globalisierung) Austauschbare Infrastrukturen bedingungen, Entwicklung von einer und Dienstleistungen (Hygieneinsbesondere wertsch6pfungsstufenfaktoren) sind auf Basis Globalisierung orientierten Okonomie zu einzigartiger Dienstleistungen einer Netz6konomie (Motivatoren) zu differenzieren und zu positionieren Austauschbarkeit von Dienstleistungen und Hohes Preisbewusstsein damit BedeutungsDynamische Neukonfiguration zunahme von von Wertsch6pfungsstufen; Motivatoren Zunahme der Bedeutung von Skalen- und Netzeffekte Entwicklung Zunehmende Schere in der Angebotsgestaltung der Einkommen i Einkommensschere Hochwertige teure Produkte und i Personen, die sich Urlaub Dienstleistungen sind pers6nlich I leisten k6nnen, werden und zeitsparend auszugestalten weniger Freizeit zur ,,/i.rmere' Personen fragen Verfagung haben preisgtinstige Freizeitangebote ,~rmere Personen werden nach. Sie wollen die freie Zeit mehr freie Zeit, jedoch mit wenig Geld ,totschlagen' weniger Mittel zur Kein Platz far Durchschnittliches Verfagung haben (bzgl. Preis und Qualit~it) (Freizeitproletariat)
Weiermair (2003) Smeral (2003) Bieger (2000) Schr~ider (2000) Davidson (1998)
Smeral (2003) Dettmer (2001) Romeiss-Stracke (2001) Bieger (2000)
Arbeit, Freizeit, Zeitstruktur Trend Bedeutung der Arbeit und Freizeit
Hypothesen Neben der Arbeit dient zunehmend die Freizeit der Selbstdefinition und Identit~itsfindung (Freizeit ist Lebensstil)
Implikationen for den Tourismus Quellen Steigende Bereitschaft, mehr Keller (2005) Geld far die Freizeit auszugeben Smeral (2003) Wie jeder Konsum ist auch die touristische Nachfrage immer mehr ein Instrument far den Konsumenten, sich auszuzeichnen und abzugrenzen Originale sind gefragt. Der Konsument sucht wieder, tiberfattert durch Duplikate und durch die kt~nstliche Arbeitswelt, vermehrt das Ursprfingliche und Authentische (oder was er dafar h~ilt)
Zeitsouver~initfit und das Phgnomen
Llber die Freizeit kann zunehmend selbst bestimmt werden (Qual der Wahl)
Kurzfristige Entschltisse und Flexibilit~it werden far Reiseentscheidungen wichtiger (h~iufige Sp~itbuchungen)
154
Dettmer (2001) Romeiss-Stracke (2001) Bachleitner (1998)
,Mangelware Zeit'
K
o
n
s
u
Zunehmende Zeitknappheit Es steht weniger Zeit zur Verfagung. Eine Aktivitfit muss in karzerer Zeit mehr bieten Koordinationsbedarf
Reisezeit wird flexibler; es wird Eggert (1997) in der Tendenz kurz und hgufig verreist Verst~irkte Nachfrage nach unterstfitzenden Dienstleistungen
Hypothesen Das Leben wird zunehmend zum Erlebnisprojekt Beim Kauf eines Konsumgutes ist der Erlebniswert entscheidend
Implikationen ft~r den Tourismus Polarisierung der Nachfrage: - Funktionale (oft kostengfinstige) Produkte vs. - Erlebnisorientierte (oft hochpreisige) Produkte - Verschwinden der mittleren (farblosen) Segmente Reisemotive werden vielfNtiger und ~indern sich 6fters und spontaner Reiseziele werden immer vielf~iltiger: Es wird ein hohes Angebotsspektrum erwartet Trend in Richtung spontane, zum letztm6glichen Zeitpunkt gefNlte Entscheidungen (individuell steuerbarer Uberraschungseffekt) Angebote werden st~indig mit jenen der Konkurrenz verglichen Nur Angebote mit herausragendem Preis-LeistungsVerh~iltnis haben Erfolg Erlebnisse massen intensiv und immer wieder neu sein, um einen nachdrticklichen Erlebnischarakter zu erhalten
m
Trend Erlebnisorientierung
Multioptionalit~it
M6glichkeiten und Vielfalt nehmen zu: Konsumenten wOnschen ein immer vielf'~iltigeres Angebot Konsumenten sind zunehmend mit der Auswahl aberfordert -
-
Hohe Medienkontakte
Immer intensiverer Kontakt mit diversen Medien: Steigende Vergleichbarkeit der Angebote, bessere Informiertheit Sinkende Aufmerksamkeit und Erinnerungsqualit~it -
-
Quellen Keller (2005) Weiermair (2004) Dettmer (2001) Pongs (1999)
Smeral (2003) Dettmer (2001) Eggert (1997)
Dettmer (2001) Davidson (1998)
Abbildung 25: Einflfisse auf den Tourismusmarkt Quelle: In Anlehnung an Bieger, Th. & Laesser, Ch., Trends im Tourismus, 2003, S. 19 ft. Trends und deren Wirkungen auf den Tourismusmarkt k6nnen auf unterschiedliche Weise strukturiert und kategorisiert werden. Abbildung 25 zeigt einen Uberblick, wobei nicht alle Trends verallgemeinemd alle Menschen betreffen. Vielmehr mtissen Tourismusgebiete gezielt jene gesellschaftlichen und 6konomischen Ver~indemngen analysieren, welche konkret das Verhalten ihrer Besucher und Zielgruppen beeinflussen. Um aufzuzeigen, wie Destinationen auf Trends und Ver~indemngen sowohl reagieren als auch sich vorbereiten k6nnen, werden die Elemente der Tourismus-Destinationen, deren Bestimmungsfaktoren zur Wettbewerbsf'~ihigkeit und insbesondere eine den Herausforderungen entsprechende Governance diskutiert. 155
1.3 Die touristische Destination Eine besondere Stellung im Tourismusangebot nehmen Tourismusorte und-gebiete ein, die einen bestimmten Raum umfassen. Hier besteht das touristische Produkt aus einem Btindel von komplement/iren Leistungen, die in einem definierten geographischen Raum erstellt werden und zu welchem meist verschiedene Akteure beitragen. 6~ Dieses Leistungsbtindel kann aus Sicht des Kunden als Reiseziel und aus Sicht des Anbieters als vermarktbare Produkt-Einheit betrachtet werden. Somit richtet sich die touristische Nachfrage nach einem Zielgebiet- einem geographischen R a u m - , der einen ganzheitlichen G~istenutzen erbringen soll und je nach Zielgruppe unterschiedliche Dimensionen haben kann. Dieser Raum wird als touristische Destination bezeichnet. 6~ Die Welttourismusorganisation (WTO) definiert die touristische Destination als einen Ort mit einem Muster von Attraktionspunkten und den damit verbundenen Tourismuseinrichtungen und Dienstleistungen. Das Gebiet mit seinen geographischen, landschaftlichen, sozio-kulturellen Eigenheiten und Attraktionen wird von den darin ans~issigen Akteuren und Leistungserstellern gestaltet und vermarktet, damit er von Touristen far einen Besuch ausgew~ihlt wird. 61~ Die Aus~hrungen verdeutlichen, dass die Destination als Reiseziel und Tourismusprodukt zu verstehen ist. Sie steht im Wettbewerb mit anderen Destinationen. Das touristische Produkt stellt ftir den Kunden eine Dienstleistungs- bzw. Wertekette dar, ,,die mit Ausnahme der An- und Abreise r~iumlich lokalisiert ist. ''611 In Anlehnung an die Wertsch6pfungskette nach Porter hat Bieger far touristische Produkte ein ,Wertsch6pfungsmodell' skizziert, 612 welches in Abbildung 26 grafisch pr~isentiert wird. Dieses Modell besteht aus einer Dienstleistungskette, auf deren Stufen Werte kreiert werden, und aus sich tiberlagernden Aktivit~iten wie Marketing oder Planung. Dienstleistungsketten gliedern die touristische Destination in Prozesse und stellen diese aus Sicht der Kunden dar. Auf diese Weise werden die Mechanismen der touristischen Aufbau- und Ablauforganisation einer Destination aufgezeigt und durch eine funktionale Gliederung geordnet. 613 Die strategische Ausrichtung sollte auf den Kompetenzen der Anbieter, den Umweltkonstellationen sowie auf den Bedtirfnissen der Kunden beruhen. Insgesamt k6nnen Destinationen somit als ausgedehnte Ketten von Dienstleistungen betrachtet werden, auch wenn diese von unterschiedlichen Akteuren bereitgestellt werden. 614 Gelingt es, die Qualit~it sowie die Kosten tiber die gesamte Dienstleistungskette zu optimieren, so k6nnen die Wettbewerbsf~ihigkeit erh6ht und die Ertr~ige gesteigert werden. 615
608 Vgl. Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 177; Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 66. 609 Vgl. Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 16 und S. 55 ft.; Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 68 ff.; 610 Vgl. WTO, Sustainable Tourism Development, 1993, S. 22. 611 Weiermair, K., Aufgaben der Tourismuspolitik, 2002, S. 66. 612 Vgl. Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 58 f.; Porter, M., Competititve Advantage, 1998, S. 33ff. 613 Vgl. Pechlaner, H., Strategisches Management von Destinationen, 1998, S. 224 ff. 614 Vgl. Pechlaner, H., Tourismusorganisationen und Destinationen im Verbund, 2000, S. 30. 615 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 151. 156
Inf~176 Buchung / 1
An-
Abreis~/ UnterkunftN ~ Betreuung NN~ I Verpflegung//[ U n t e r h a l t u n ~
Angebotskoordination
[
"x PRODUKT 1 ...n X
)
--7
Marketing Qualit~itskontrolle
Abbildung 26: Optimierte Dienstleistungskette einer touristischen Destination Quelle: In Anlehnung an Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 59; Porter, M., Competitive Advantage, 1998, S. 37. Die Abbildung der Dienstleistungskette einer Tourismus-Destination verdeutlicht, dass die Angebote im Tourismus r~iumlich-zeitliche ,Gebilde' darstellen. Es handelt sich um Aktionsr~iume, in denen Anbieter agieren und G~iste sich um fixe 121bemachtungsorte oder entlang der Routen von Rund- und Besichtigungsreisen bewegen. Diese Aktionsr/iume umfassen Sehenswtirdigkeiten, Attraktionen und Dienstleistungen. Oft nehmen die G~iste Leistungen in Form von regelm~il3igen T/itigkeitsfolgen in Raum und Zeit in Anspruch. Die Aktivit~itenmuster der G~iste bestimmen die wirtschaftlichen und sozialen Prozesse in den Tourismus-Destinationen. Ebenso wie r~iumlich-zeitliche Strukturen der G~iste ausgemacht werden k6nnen, so existieren auch r~iumlich-zeitliche Prozesse und Strukturen der Akteure. Raum-Zeit Verbindungen zwischen den Anbietern garantieren eine kontinuierliche Dienstleistungskette. Diese Arbeit besch~iftigt sich mit jenen touristischen Destinationen, deren Angebot durch eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure bereitgestellt wird. 616 Dies ist immer dann der Fall, wenn die Wertekette bzw. der Wertsch6pfungsprozess nicht in der Hand eines einzigen Unternehmens liegt. 617
1.4 R~iumliche A b g r e n z u n g von D e s t i n a t i o n e n Damit sich Destinationen auf dem Markt positionieren und durchsetzen k6nnen, ist es aus der Managementperspektive notwendig eine Abgrenzung vorzunehmen. Es gibt jedoch keine eindeutigen Kriterien zur Bestimmung von Destinationen. Freyer definiert folgende Faktoren, an welchen sich eine m6gliche Abgrenzung anlehnen kann: 6~8 - Gr6ge: Kontinent, L~inder, Regionen, St~idte, Gemeinden, Orte usw. - Geographische Aspekte: Klimazonen, Landschaftsformen (Berge, Fliisse/Seen, Inseln/ Ktiste), Besiedelungsstruktur (Land, WiJste/Wildnis, Stadt) usw.
616 Touristische Destinationen, die durch das Zusammenspiel verschiedener Akteure gekennzeichnet sind, stellen die traditionelle Form touristischerDestinationendar. 617 Ein gegens/itzlichesBeispiel sind amerikanischeRessorts, welche ein integriertesUntemehmendarstellen. 618 Vgl. Freyer, W., Tourismus-Marketing,2004, S. 23. 157
-
Touristische Angebotsart: Natur, (Attraktivitgt, Image, Erlebnis) usw.
Kultur,
Infrastruktur,
immaterielle
-
Trggerschaft und Rechtsform: Vereine, Verbgnde, K6rperschaften usw.
Aspekte
Die Aufz~ihlung zeigt, dass es unterschiedliche Arten touristischer Destinationen gibt und entsprechend vielf'gltig kann die Abgrenzung sein. Wird die Sichtweise des Gastes eingenommen so gilt, je weiter das Reiseziel entfernt ist, desto weiter und je enger der Reisezweck sowie je ngher das Reiseziel definiert ist, desto r~iumlich und zeitlich eingegrenzter f~llt die Definition der Destination a u s . 619 Je nach Zielgruppe unterscheidet sich der Aktionsradius der Ggste signifikant. 62~Wenn der Gast die Gr6Be einer Destination definiert, sind sich t~berschneidende Destinationsrgume denkbar, die nicht den politischen oder administrativen Grenzen entsprechen. Die Einbeziehung von rein nachfragerelevanten Bezugspunkten ist daher nicht ausreichend. Es m~issen auch angebotsrelevante Bezugspunkte beNcksichtigt werden. Sinnvoll ist eine Destinationsabgrenzung in Anlehnung an die gmndsgtzlichen M6glichkeiten der Abgrenzung von Regionen, wobei sich eine funktional-territoriale Raumabgrenzung anbietet. In der Praxis hat es sich bewghrt, jenen touristischen Raum zu bestimmen und abzugrenzen, der far den gr6Bten Teil der Kunden sinnvoll und dabei in der Lage ist, ausreichende Finanzmittel zum Beispiel far das Marketing zu generieren. Bei dieser Vorgehensweise wird vermieden, dass allzu groBe Destinationsrgume mit einem heterogenen unt~berschaubaren Angebot geschaffen werden. Es ergeben sich folgende Abgrenzungskriterien far funktionsfghige Destinationen: 621 -
Unabhgngigkeit von politischen Grenzen und primgre Ausrichtung auf touristische Funktionen; Einbindung aller far den Gast innerhalb der Destination notwendigen Einrichtungen;
-
M6glichkeit der Kreation einer selbst~indigen Marke mit entsprechendem Budget (je nach gewt~nschter Reichweite) und mit qualifiziertem Personal;
-
-
Vorhandensein von Verknt~pfungspunkten, die einen Attraktionspunkt bilden oder zumindest erlauben, Attraktionen und Sehenswt~rdigkeiten zu schaffen. Diese Kriterien stellen Zielwerte dar, die je nach vorhandenen Voraussetzungen ohne weiteres oder durch Kooperationen zu erreichen sind.
1.5 D e s t i n a t i o n e n als r~iumliche W e t t b e w e rbsei n heiten Das touristische Produktbt~ndel sowie die Zielmfirkte weisen gmndsgtzlich eine hohe zeitliche Stabilitgt auf. Destinationen k6nnen daher mit strategischen Geschgflseinheiten verglichen werden. 622 Der Gast vergleicht Rgume mit den damit verbundenen Leistungsbt~ndeln und
619 Vgl. Bieger, Th., Managementvon Destinationen,2002, S. 57. 62o Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler,P., Destination Management- Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 165. 621 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 148. 622 Der Vergleich soll nicht darfiber hinwegtguschen, dass es Unterschiede zwischen Wettbewerbseinheitenim Sinne von unternehmerischenstrategischen Gesch~ftsfeldemund rgumlichenWettbewerbseinheitengibt. 158
w~hlt aus den im Wettbewerb stehenden R~umen aus. Dementsprechend kOnnen Destinationen betrachtet werden als r~umliche Wettbewerbseinheiten, welche ein Bt~ndel von Produkten umfassen, die der Gast ffir seinen Aufenthalt als notwendig und bestimmend erachtet. 623 Der Gast beurteilt hierbei weniger die Leistungen der einzelnen Unternehmen, sondern schreibt die Leistungen und deren Qualit~t vielfach der Destination als Ganzes ZU. 624 Daher mfissen Destinationen eine prozessorientierte Perspektive entwickeln, die s~mtliche Elemente der Dienstleistungskette einschliel3t. Daraus ergibt sich die Forderung, eine Tourismus-Destination als Ganzes wie eine Wettbewerbseinheit zu ffihren, wobei das Ziel die Sicherung der langfristigen Wettbewerbsf~higkeit ist. 625 ,,Eine ausreichende Wertsch6pfung, die eine qualitative nachhaltige Tourismusentwicklung sicherstellt, kann nur durch Wettbewerbsffihigkeit erreicht werden. ''626 Wettbewerbsf~higkeit hei6t sich am Markt gegen andere Destinationen durchzusetzen, um ausreichende Wertsch6pfung zu erzielen, damit alle am Produktionsprozess beteiligten Akteure ausreichend vergfitet werden k6nnen. Zus~tzlich muss es m6glich sein, externe Effekte hervorgerufen durch die Produktion oder den Konsum der touristischen Leistungen auszugleichen. Dazu mfissen die Werteketten touristischer Aktivit~ten mit ihren multiplen Qualit~ts- und Preisdimensionen aufeinander abgestimmt sein. So erreicht das touristische Produktbfindel, welches auf den einzigartigen und besonderen Merkmalen der Destination aufbaut, ein m6glichst hohes Attraktivit~tsniveau. 627 Dies erfordert eine starke Wettbewerbssicht, 628 welche berficksichtigt, dass der Tourismuswettbewerb sowohl durch die Konkurrenz anderer Destinationen als auch durch die Bestimmung der Zielm~rkte beeinflusst wird. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden touristische Destinationen auch als ProduktMarkt Kombinationen bezeichnet.
1.6 Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf~ihigen Destination ,,Der Wettbewerb unter den Destinationen hat sich durch die Globalisierung und den internationalen Wettbewerb zunehmend versch~rft. Mehr denn je ist es ft~r eine Destination entscheidend, sich bei bestehenden und potentiellen Gfisten durch hochqualitative Dienstleistungen und die Schaffung von Werten zu profilieren. ''629 Der Wettbewerb wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Erstens durch die Nachfrage. Weitere Faktoren sind die branchenfremde Konkurrenz, ein Beispiel hierf't~r sind ShoppingZentren oder neue Konkurrenten wie Ferndestinationen. Die touristischen Partner innerhalb
623 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 142; Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 1. 624 Vgl. Michel, J., Der Servicekettenansatz, 2004, S. 90. Freyer spricht in diesem Zusammenhang vom ,Zielgebiet als Gesamtproduzent' (vgl. Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 177) oder von ,touristischen Multiprodukt-Unternehmen'(vgl.Freyer, W., Yourismus-Marketing,2004, S. 251). 625 Vgl. Bieger, Th., Managementvon Destinationen, 2002, S. 58. 626 Weiermair, K., Aufgaben der Tourismuspolitik, 2002, S. 71. 627 Vgl. Fuchs, M., Benchmarkingmodellein Destinationen, 2004, S. 29. 628 Vgl. Pechlaner, H., Destinationsmanagement, 1999, S. 10. 629 Pechlaner, H. & Fischer, E., Alpine Wellness - Von der Kernkompetenzzum Produkt, 2004, S. 265. 159
der Destination kOnnen den Wettbewerb ebenfalls anheizen, wenn eine starke Orientierung zum eigenen Vorteil besteht. Ein letzter Faktor ist die Branchen-Konkurrenz, die durch immer h6here Standards bei zunehmendem Preisdruck die Spielregeln versch~irfl.63~ Diesem Wettbewerb kann eine touristische Destination auf verschiedene Weise begegnen. Die beruht Wettbewerbsfiihigkeit einer Destination auf verschiedenen Komponenten wie den vorhandenen Ressourcen oder dem Zusammenspiel der Akteure. Abbildung 27 zeigt die Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf'~ihigen Destination sowie deren Zusammenh~inge auf. Wie und in welchen Ausmal3 die verschiedenen Determinanten zur Wettbewerbsf'~ihigkeit beitragen, h~ingt yon den speziellen Eigenschaften einer Destination sowie yon den Rahmenbedingungen ab. TM Marktstruktur -" Strategien, Ziele
edingunen Faktor-
I'",...(
~ K .
i
DESTINATION ] ~ , " ~ l NachfrageJ " ", "1 bedingungen
"
i\i:@
Abbildung 27: Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf~ihigen Destination Quelle: in Anlehnung an Porter, M., The Competitive Advantage of Nations, 1990, S. 127; vgl. weiters Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 10. Nachfolgend werden die einzelnen Faktoren diskutiert, denn sie bilden die Grundlage ffir das Verst~indnis der Governance von touristischen Destinationen. Die Besonderheiten fiihren zu den Unterschieden zwischen dem Management von unternehmerischen Wettbewerbseinheiten im Sinne von organisatorisch klar abgegrenzten Gesch~iftseinheiten und der Governance von touristischen Destinationen (r~iumliche Wettbewerbseinheiten), die durch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure gekennzeichnet sind.
Faktorbedingungen Um marktf~ihige Produktbiindel zu schnt~ren braucht es verschiedene Ressourcen. Unterschieden werden kann zwischen jenen Produktkomponenten, die wesentlicher und ursprfinglicher Bestandteil einer Destination sind, zum Beispiel die Kultur einer Region, und den produzierten Angebotskomponenten. Insgesamt k6nnen verschiedene komplement~ire
630 Vgl. Laesser, Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik,2002, S. 79. 631Vgl. Pechlaner,H., Tourismus-Destinationenim Wettbewerb,2003, S. 10. 160
Faktoren und Ressourcen ausgemacht werden. 632 Wichtig sind nattMiche Ressourcen wie die Landschaft oder das Klima. Welters spielen materielle Ressourcen wie Hotels, Aufstiegsanlagen usw. eine Rolle. Zu den ebenfalls bedeutenden Human-Ressourcen z~ihlen die Mitarbeiter und insbesondere deren Qualifikation sowie die Wissens-Ressourcen. Die Kapital-Ressourcen umschreiben das Finanzkapital und schliel31ich gilt es noch die Infrastrukturen zu nennen. Infrastrukturen umschreiben neben dem Verkehrsnetz auch KulturRessourcen, welche die Attraktivit~it der Destination ebenfalls stark beeinflussen. Die aufgezghlten Ressourcen kOnnen untergliedert werden in nicht-akkumulierbare Faktoren, zu welchen die natfirlichen Ressourcen z~ihlen, und den akkumulierbaren Faktoren wie die Infrastrukturen. Die in einer Destination vorhandenen Ressourcen mt~ssen auf einzigartige Weise kombiniert und effizient eingesetzt werden. 633 Auf diese Weise entstehen Kernkompetenzen, durch welche Wettbewerbsvorteile geschaffen werden k6nnen, die den Kundenwert erh6hen. 634 Hinterhuber definiert Kernkompetenzen als integrierte und koordinierte Gesamtheiten yon Ressourcen, F~ihigkeiten, Wissen, Prozessen und Einstellungen. 635 Letztlich geht es darum, auf Basis der vorhandenen Ressourcen und F~ihigkeiten die Potentiale zu erkennen, zu nutzen sowie weiter zu entwickeln. Da sich Destinationen auf dem Markt bewghren mfissen, darf dabei der Blick zum extemen Wettbewerbsfeld nicht fehlen. Es gilt zu t~berprafen, ,,bei welchen Kundengruppen eine Destination die notwendigen Kompetenzen und F~ihigkeiten aufweist, um deren Anforderungen besser als Konkurrenzdestination zu erfallen. ''636 Die Ressourcen, Kompetenzen und das Wissen der Angebots- und Entscheidungstrgger in touristischen Destinationen werden durch Integration und Weiterentwicklung zu einem schwer imitierbaren System, aus welchem konkurrenzf'ghige Produkte und Dienstleistungen hervorgehen, die den G~isten einen attraktiven Aufenthalt garantieren.
Beteiligte Branchen Ein weiterer Bestimmungsfaktor far die Wettbewerbsf'~higkeit touristischer Destinationen sind die beteiligten und unterstfitzenden Branchen, deren Spezialisierung, Qualitgt und vor allem deren Netzwerkf'~higkeit. 637 Die rgumliche und inhaltliche Nghe der touristischen Akteure zu anderen Sektoren wie Kultur- oder Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, Reiseveranstaltern, Banken sowie zum produzierenden Gewerbe wie Handwerk oder Bauwirtschaft unterstfitzen die Entwicklung von integrierten, multioptionalen Angeboten und somit die Wettbewerbsf~ihigkeit einer Destination. 638 Voraussetzung far den positiven Einfluss und far die Nutzung wichtiger Synergien yon Dienstleistungsbranchen, Industrie und Gewerbe ist die Disposition der Beteiligten zu Kommunikation und Kooperation. Das
632 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 11; Porter, M., The Competitive Advantage of Nations, 1990, S. 73 ff. 633 Vgl. Pechlaner, H., WelcheZukunft far eine Destination Alpen?, 1999, S. 130. 634 Vgl. Hinterhuber, H.H. & Krauthammer, E., Leadership, 1998, S. 50. 635 Vgl. Hinterhuber, H.H., Strategische Untemehmensfahrung, 1996, S. 11. 636 Matzler, K. & Pechlaner, H., KompetenzorientierteEntwicklung, 1999, S. 140. 637 Vgl. Porter, M., The Competitive Advantage of Nations, 1990, S. 100 ff. 638 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 27. 161
Zusammenspiel der Branchen in einer Destination kann durch die Wertekette der Tourismusindustrie aufgezeigt werden, wobei diese in den einzelnen Destinationen variieren bzw. andere Konstellationen oder Gewichtungen haben kann. Porter spricht in diesem Zusammenhang von einem Wertsystem. 639 Das Wertsystem der Tourismusindustrie, welches in Abbildung 28 vereinfacht zu sehen ist, ist laufenden Anderungen unterworfen. Sich ver~indernde Rahmenbedingungen und Wettbewerbsph~inomene fiihren zu vielf~iltigen branchen~bergreifenden Vernetzungen und zu Integrationsprozessen zwischen den Werteketten. Daher sind Dienstleistungsbranchen, Gewerbe und Industrie keine gegebene Rahmenbedingung, sondern Variablen, die im Interesse der Destination gestaltet werden k6nnen. Wertsystem einer Destination
I
9..
Werteketten der Reiseveranstalter
>...
Wertekette des Beherbergungsbetriebes
...
Werteketten anderer Unternehmen
Werteketten der Transportbetriebe
Abbildung 28: Wertsystem am Beispiel der Tourismusindustrie Quelle: In Anlehnung an Porter, M., The Competitive Advantage of Nations; 1990, S. 43; vgl. weiters Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 28.
Nachfragebedingungen 64~ Die Nachfragesituation im Tourismus ist Vergnderungen unterworfen. Noch bis in die 80er Jahre konnte im Tourismus von einem Verk~iufermarkt gesprochen werden. TM Der Gast war ein ,Massenkonsument', der sich mit einfachen Produkten und eindimensionalen Problem16sungen zufrieden gab. Der Urlaub war prim~r eine Flucht aus dem Alltag und die Erwartungen der Kunden waren nicht sehr hoch. Sie konnten mit einfachen Technologien und standardisierter Massenabfertigung in kaum differenzierten Unterkt~nften erffillt werden. In den letzten 20 Jahren hat sich das Freizeit- und Tourismusverhalten der G~iste vergndert. Der Verkgufermarkt hat sich zu einem K~iufermarkt entwickelt. 642 Weiermair und Pechlaner fassen die wesentlichen Wandlungen zusammen: 643 Der Tourist zur Jahrtausendwende ist erfahren, bereist und hat konkrete Qualit~itsanspNche. Er sucht in der Vielfalt der weltweiten
639 Vgl. Porter, M., The Competitive Advantage of Nations, 1990, S. 42. 640 Vgl. Das Tourismussystem, TeilsystemNachfrage, Teil III-1.1. 641 Vgl. Tschurtschenthaler, P., Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus, 1996, S. 61. 642 Pechlaner und Tschurtschenthaler verdeutlichen diese Entwicklung detailliert am Beispiel des Alpinen Tourismus, der die Situation vieler traditioneller Destinationen, in welchen eine Vielzahl von Akteuren agieren, widerspiegelt (vgl. Pechlaner, H. & Tschurtschenthaler, P., Tourism Policy, Tourism Organisations and Change Management, 2003, S. 510 ff; Pechlaner, H., Welche Zukunft fiJr eine Destination Alpen?, 1999, S. 123 f.). 643 Vgl. Weiermair, K. & Pechlaner, P., Management von Kulturtourismus, 2001, S. 100 f. 162
Tourismusangebote jenes Produkt, welches ihm den h6chsten Wert verspricht. Als multioptionaler Kunde m6chte er sich auch im Urlaub individuell differenzieren, ohne auf die im Leben erreichten Konvenienzen und Effizienzen zu verzichten. Zu den vom Alltagskonsum gepr~igten Verhalten in der Urlaubszeit kommen weitere, dem Alltagsverhalten kontr~ir gegenfiberstehende Urlaubsmotive dazu, welche die Flucht aus dem Alltag repr~isentieren. Insgesamt sind die wesentlichen Nachfragetrends Zeiteffizienz, Multioptionalit~it, Individualit~it, verst~irktes Gesundheitsbewusstsein sowie zunehmende Freizeit zu Hause aufgrund besserer Wohnverh~iltnisse. Es kann davon ausgegangen werden, dass vor allem Wellness- und Kulturreisen, Reisen zwischen Erlebnis und Relaxing, flexible Gruppenreisen (Reisen in Wahlgruppen) und Besuche bei Freunden sowie selektive Genuss-Reisen mit Unterkunft in Top-Hotels vemlehrt gefragt werden. 644 Es existieren zwar noch ~iltere Zielgruppen, die sich kaum Ver~inderungen an den touristischen Produkten der 70er und 80er Jahre wt~nschen. Doch dieser Markt schrumpft und die touristischen Akteure sind gezwungen, sich dem ,neuen' Kunden anzupassen. Zugleich steigt die Zahl der Anbieter st~irker als die Tourismusnachfrage, sodass die Behauptung auf dem Markt immer mehr zur Herausforderung wird. Es bedarf integrierter, individuell angepasster und qualitativ hochwertiger Tourismusprodukte, deren Bewertung und Wahmehmung jedoch sowohl bei der Auswahl als auch beim Konsum schwierig sind. In derart komplexen Entscheidungssituationen orientieren sich die Menschen vielfach an Marken, die ihnen Orientierung und Qualit~itssicherheit vermitteln. Zusammenfassend haben sich die Nachfragebedingungen also erschwert. Es sind jedoch nicht nur die Anforderungen der Nachfrager an das touristische Produkt gestiegen, ,,sondem es kommt auch zwischen den einzelnen Segmenten der touristischen Nachfrage zu einer enormen Diversifizierung. ''645
Marktstruktur, Ziele und Strategien Der vierte Bestimmungsfaktor ftir die Wettbewerbsf~ihigkeit von Destinationen umfasst die Marktstruktur- und hier haupts~ichlich die Konkurrenz - sowie die Ziele und Strategien, welche die Entwicklung leiten. Wie bereits analysiert, entwickelt sich in vielen traditionellen touristischen M~irkten eine Schere zwischen dem verfiigbarem Angebot und der Nachfrage. 646 Die Analyse der Tourismusentwicklung einzelner L~inder in Europa zeigt, ,,dass irn innereurop~iischen Tourismus ein Land nur mehr auf Kosten anderer N~ichtigungsgewinne erzielt. Das Gesamtvolumen der get~itigten N~ichtigungen iH absoluten Zahlen bleibt relativ stabil. ''647 Die Tourismusbranche befindet sich vielfach in einer Reifephase und weist konkrete Merkmale auf, die bei der Strategieentwicklung berficksichtigt werden mfissen:648
644 Vgl. Bieger, Th. & Laesser,Ch., Trends im Tourismus, 2003, S. 16 f. 645 Tschurtschenthaler, P. et al., Qualifikationsdefizite in Tourismusorganisationen und tourismuspolitische Implikationen, 2001, S. 117. 646 Vgl. Nachfragebedingungen 647 Ullmann,S., Netzwerk als Chance im Verdr~ingungswettbewerb,2000, S. 42. 648 Vgl. Ullmann, S., Netzwerk als Chance im Verdrgngungswettbewerb,2000, S. 42; Porter, M., Competitive Strategy, 1998, S. 295 ff. 163
-
langsames Wachstum bedeutet starken Wettbewerb um Marktanteile unter den Branchenteilnehmern;
-
die Wettbewerber verkaufen zunehmend an erfahrene Wiederholungsk~ufer;
-
der Wettbewerb konzentriert sich stfirker aufKosten und Service;649
-
beim Ausbau von Kapazit~ten besteht die Gefahr der Schaffung von 15berkapazit~ten; Priorit~tenverschiebung bei der Produktgestaltung sowie bei Marketing-, Vertriebs- und Verkaufsmethoden;
-
-
Gefahr von Fehlinvestitionen oder von zu geringer Nachfrage bei der Erstellung neuer Produkte und Angebotsbfindel;
-
der weltweite Wettbewerb nimmt aufgrund fortschreitender Globalisierung zu;
-
Branchenertr~ge sinken im Vergleich zu den erzielten Ertr~gen in der Wachstumsphase.
Insgesamt l~sst sich unter dem Druck dieser ver~nderten Rahmenbedingungen ein Strukturwandel beobachten, der durch die Entwicklung von grOl3eren Einheiten, der Verl~ngerung von Werteketten durch die Einengung des Fokus sowie einer Intemationalisierung gekennzeichnet ist. 65~ Das Nichtreagieren auf die versch~rfte Marktsituation f't~hrt zu Kostendruck, Marktanteilsverlusten, N~chtigungsrfickg~ngen, Ertragseinbuf3en oder 15berschuldung der Akteure. TM Sogar Non-Profit-Akteure spfiren die Ver~nderungen und haben vielfach mit Symptomen wie Misstrauen und Vorwfirfe von den eigenen Mitgliedem, fehlenden finanziellen Mitteln ffir neue Aufgaben, divergierenden Interessen der Beteiligten und geringen M6glichkeiten der Synergierealisierung zu k~mpfen. 652 Daher ist es ffir Destinationen wichtig, auf die ver~nderte Situation zu reagieren, die eigene Markt- und Konkurrenzsituation zu analysieren und entsprechende Strategien und Ziele abzuleiten, um das 15berleben der Destination und der einzelnen Akteure zu sichern. 653 Strategische lAberlegungen mt~ssen verschiedene Teilbereiche umfassen. Die Marktleistungsstrategie fossiert die Konzentration auf die strategischen Gesch~ftsfelder, zum Beispiel Wintersporturlaub, Sommererlebnisurlaub oder Kulturaufenthalte. Nach der Festlegung der Gesch~ftsfelder kann die Wettbewerbsstrategie definiert werden. Es gilt, sich von der Konkurrenz abzuheben, zum Beispiel durch hohe Dienstleistungsqualit~t oder durch spezielle Nischenangebote. Um Differenzierungs- oder Preisf't~hrerstrategien zu verfolgen, muss eine Destination Qualit~t und Produktivit~t vereinen. 654 Matzler und Pechlaner sehen im Customer Value Management eine Schlfisselstrategie zur Erreichung der Wettbewerbsf'~higkeit. 655 Der Kundenwert resultiert aus der vom Kunden empfundenen Diskrepanz
649 Smeral weist darauf hin, dass sich touristische Dienstleistungen langfristig starker verteuem als Industriegt~ter oder andere Dienstleistungen, die durch technischen Fortschritt hohe Rationalisierungsm6glichkeiten bieten (vgl. Smeral, E., Die Zukunft des internationalenTourismus, 2003, S. 70). 65o Vgl. Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 26 f. 65l Vgl. Weiermair, K., Aufgaben der Tourismuspolitik,2002, S. 55 f. 652 Vgl. Ullmann, S., Netzwerk als Chance im Verdr~ngungswettbewerb,2000, S. 45. 653 ,,Das Ziel der Strategie ist, eine nachhaltige und dauerhafte Wertsteigerung des Untemehmens zu erzielen, die fiber dem Marktdurchschnitt, mindestens aber fiber den Kapitalkosten, liegt" (Hinterhuber, H.H. & Raich, M., Strategie und Ffihrungsverantwortungim Tourismus, 2004, S. 93). 654 Vgl. Laesser, Ch., Destinationsmanagement und Tourismuspolitik, 2002, S. 85; Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 184. 655 Vgl. Matzler, K. & Pechlaner, H., Customer Value Management for touristische Destinationen, 1999, S. 179 ff. 164
zwischen dem wahrgenommenen Nutzen und den wahrgenommenen Kosten im Vergleich zur Konkurrenz. Touristische Destinationen haben die Aufgabe, die von den Kunden wahrgenommenen Kosten sowie den Nutzen zu identifizieren und kritische Elemente in ihrer Strategie zu berficksichtigen. 656 Die Wettbewerbsposition wird zum einen fiber die Angebotspolitik wie Leistungsverbesserungen durch Qualit/~tsorientierung und zum anderen fiber die kommunizierten Konsumm6glichkeiten und Kostenstrukturen beeinflusst. 657 Nachdem derartige strategische Entscheidungen geffillt wurden, gilt es konkrete Ziele zu formulieren und die for die Erreichung notwendigen Instrumente einzusetzen.
1.7 N o t w e n d i g k e i t der G o v e r n a n c e von Tourismus-Destinationen Die dynamischen Ver~inderungen der Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsffihigkeit verdeutlichen, dass die Entwicklung von Tourismus-Destinationen gelenkt werden muss. 658 Antworten auf den weltweiten Wettbewerb, das ver/~nderte Nachfrageverhalten und die Forderung nach klaren Produkten und Angeboten sind in traditionellen Destinationen prim/~r die Sicherung von hohen Standards und die kontinuierliche und ganzheitliche Produktion von Dienstleistungsqualit/~t. 659 Die Vielzahl der autonomen Akteure macht es jedoch schwierig, den gesamten Leistungsprozess optimal zu steuem. 66~ Eine Governance von TourismusDestinationen muss die dynamischen Rahmenbedingungen, die unterschiedlichen Akteure, deren Netzwerkkonstellation und die entstehenden Govemancekosten berficksichtigen. Abbildung 29 fasst die Herausforderungen in Anlehnung an das Modell der Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf'~higen Destination zusammen und zeigt die sich /~ndemden Rahmenbedingungen sowie die Herausforderungen far die Akteure auf:
656 Dies ist m6glich durch die Identifikation von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsfaktoren. Diese Einteilung beruht auf den nicht-linearen Zusammenh/~ngen zwischen dem Erflillungsgrad und dem wahrgenommenen Nutzen unterschiedlicher Produktdimensionen (vgl. Matzler, K. & Pechlaner, H., Customer Value Management ftir touristische Destinationen, 1999, S. 202 f.). 657 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 69. 658 Vgl. Pechlaner, H. & Weiermair, K., Regionalisierung von Tourismusorganisationen, 2000, S. 330. 659 Vgl. Hinterhuber, H.H. et al., Kundenmanagement als Erfolgsfaktor, 2004, Vorwort; Pechlaner, H. Tourismusentwicklung und Tourismuspolitik, 1996, S. 519. 660 Vgl. Michel, J., Der Servicekettenansatz, 2004, S. 90. 165
Faktorm~irkte -
Kombinierter Einsatz von Ressourcen
-
Human-Ressourcen als wesentliche Komponente der Kernkompetenzen einer Destination Neue Formen der Finanzierung Einsatz neuer Technologien wie Informations- und Kommunikationstechnologien Gleichgewicht zwischen ursprtinglichem und abgeleitetem Angebot
Beteiligte Branchen - Kooperation und Vernetzung - Aktive Gestaltung des Wertsystems - Einbindung anderer Branchen Nachfragebedingungen - Von einfachen eindimensionalen Massenprodukten zu anspruchsvollen, individuellen, multidimensionalen und komplexen touristischen Dienstleistungen (Produktbtindel) - Vom konservativen und einfachen Kunden zum multioptionalen hybriden Konsument - Vom Okonomischen Produkt zum emotionalen ,Tourismuserlebnis' - Zeit- und Qualit~itsorientierung
Marktstruktur, Strategien und Ziele -
Vom Verk/~ufermarkt mit lokalen Monopolbetrieben zum K~iufermarkt Von lokaler und regionaler Konkurrenz zu globalem Wettbewerb Vom einfachen Dienstleistungsgesch~ift zu ,Beziehungs- und Informationsgesch~iften' bwz. Netzwerkgesch~ift Vom kurzfristig orientierten Tages- und Saisongesch~ift zum langfristig orientierten Strategiefindungsprozess
Abbildung 29: Bestimmungsfaktoren der Wettbewerbsf~ihigkeit von Destinationen Quelle: In Anlehnung an Weiermair, K., Neue Rahmenbedingungen, 2004, S. 12. Um eine Governance zu entwickeln, welche die konkrete Situation der Destinationen sowie die Vielfalt der Akteure und die institutionelle Einbettung berticksichtigt, wird der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus herangezogen. Dieser Ansatz wurde als analytische Basis des Regional-Govemance-Ansatzes diskutiert und eignet sich im Besonderen far die Untersuchung der Problematik von Steuerung und Selbstorganisation auf der Ebene gesellschaftlicher Teilbereiche. 661 Der Ansatz lenkt die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Wirklichkeit, welche far die Governance von Destinationen bestimmend sind und welche nachfolgend untersucht werden.
661 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, 1995, S. 39. 166
2. Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen Der akteurzentrierte Institutionalismus 662 erfasst anhand analytischer Kategorien die relevanten Aspekte der einen ganzen Sektor umfassenden Akteurkonstellation. Dieser Ansatz wird nun herangezogen, um die Problematik der Governance von Destinationen zu untersuchen. Dazu werden die allgemeinen Kategorien Akteure, Konstellationen, Interaktionsformen sowie der Einfluss des institutionellen Kontextes umgelegt auf traditionelle Destinationen, in welchen eine Vielzahl verschiedener Akteure agiert und zusammen ein LeistungsNindel anbietet. Diese Faktoren, deren spezifische Charakteristika und deren Analyse, sind die Basis der spezifischen Governance von Tourismus-Destinationen. Die Verbindung der akteurzentrierten und institutionenzentrierten Herangehensweise, welcher der Grundidee der Governance entspricht, gew~ihrleistet zudem die der Tourismusforschung innewohnende Interdisziplinarit~it.
2.1 A k t e u r e d e r T o u r i s m u s - D e s t i n a t i o n 2.1.1 Touristische Akteure In einer traditionellen Tourismus-Destination gibt es viele Akteure, deren Interessen in einem komplexen Beziehungsgeflecht miteinander verbunden sind. 663 Freyer differenziert allgemein zwischen typischen Tourismusakteuren, tourismuspezialisierten sowie tourismusabh~ingigen Akteuren. 664 Bieger unterscheidet zwischen Beherbergungsunternehmen, Besch~iftigungs- und Unterhaltungsunternehmen sowie diversen lokalen Co-Produzenten wie Natur, Kultur und Wirtschaft, um die wesentlichen am touristischen Angebot beteiligten Akteure zu erfassen. 665 Grunds~itzlich ist die Tourismusbranche auf die Co-Produzenten angewiesen, wobei es zu positiven und negativen Wechselwirkungen kommt. 666 Zum Beispiel kann eine unkontrollierte Tourismusentwicklung zur Beeintr~ichtigung der Co-Produzenten fiihren. Damit die negativen Auswirkungen des Tourismus auf die Landwirtschaft oder die lokale Kultur in Grenzen bleiben und Potentiale ausgesch6pft werden k6nnen, bedarf es klarer Strategien, welche die natfirlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen scht~tzen. Abbildung 30 liefert einen Oberblick der Akteure. 667
662 Vgl. Der Ansatz des akteurzentriertenInsitutionalismus,Teil II-3.2. 663 Vgl. Kahlenborn, W. et al., Tourismus- und Umweltpolitik, 1999, S. 7. 664 Vgl. Freyer, W., Tourismus, 2001, S. 110 ff. 665 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 181. 666 Vgl. Walch, S., Tourismusmanagement, 1999, S. 66. 667 Diese Kategorisierung ist speziell auf den Tourismus zugeschnitten. Eine sehr allgemeine Kategorisierung von Akteuren stammt von Gustedt, die grob klassifizierend vier Akteurgruppen ausmacht: Wissenschaft, Politik (6ffentliche Sph~ire), Wirtschaft und Gesellschaft. Auch diese Gruppierung ist auf den Tourismus iibertragbar (vgl. Gustedt, E., Nachhaltige Regionalentwicklung,2000, S. 41 ff.). 167
Beherbergungsbetriebe
Besch~iftigungsund Co-Produzenten Unterhaltungsbetriebe
Hotels Gasth6fe Pensionen Motels Parahotellerie-Betriebe (z. B. Camping) Apart-Hotels Zweitwohnungen
Sportbetriebe (Skigebiete, Golfpl~itze, Tenniscenter etc.) Kulturunternehmen (Theater, Museen etc.) Kongresszentren und Messepl~itze Shoppingcenter Erlebnis- und Themenparks
Natiirliche Umgebung Lokale Kultur (Brauchttimer etc.) Produktionswirtschaft (Landwirtschaft, Handwerk etc.) Kreditinstitute Gemeinde, Beh6rden, Verwaltung (Infrastruktur)
Abbildung 30: Akteure in Tourismus-Destinationen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Ausftihrungen von Bieger, Yh., Yourismuslehre, 2004, S. 182 ff.
Akteurstruktur Die Tourismuswirtschaft 668 und insbesondere die alpenl~indische ist durch klein- und mittelbetriebliche Strukturen ( K M U ' s ) gekennzeichnet. 669 Normalerweise gelten Betriebe mit bis zu 50 Mitarbeitern als Kleinbetriebe und Mittelbetriebe k6nnen bis zu 499 Mitarbeiter haben. 67~ Europ~ische Tourismusbetriebe besch~iftigen durchschnittlich 6 Mitarbeiter. TM Die klein- und mittelbetrieblichen Unternehmenseinheiten im Tourismus hatten in der Vergangenheit viele positive Wirkungen. So fielen die 6konomischen Vorteile dort an, wo sich der Tourismus abspielte. A u f diese Weise konnte ein regionaler Einkommens- und VermOgensausgleich zwischen urbanen Zentren und Peripherie stattfinden. Durch die Entwicklung des Tourismus yon Verk~iufer- zum K~iufermarkt wurden die Vorteile der vorhandenen Strukturen relativiert. Mit der Entstehung vieler neuer Destinationen, die im Unterschied zu den traditionellen Destinationen auf andere Vertriebs- und Vermarktungsstrukturen setzen und vielfach auch gr6f3ere Betriebseinheiten darstellen, vervielfachten sich
668 Gemeint sind hier die Unternehmen in den verschiedenen Destinationen und nicht die Reise- und Tourismusindustrie, welche sich mit der Organisation oder dem Transport von Pauschalreisen etc. besch~iftigen und in welcher vor allem groBe Unternehmen t~tig sind. Keller spricht in diesem Zusammenhang von der heterogenen Struktur im Tourismus (vgl. Keller, P., The future of SMEs in tourism, 2004, S. 9). 669 Vgl. Tschurtschenthaler, P., Aus- und Weiterbildung im Tourismus, 2004, S. 105; Bieger, Th. & Laesser, Ch., Neue Organisationsformen und Gesch~iftsmodelle im Tourismus, 2004, S. 83; Weiermair, K., Aufgaben der Tourismuspolitik, 2002, S. 56; Peters, M., Wachstum und Internationalisierung, 2001, S. 168. Die klein- und mittelbetriebliche Struktur ist letztlich kein Wesensmerkmal des (alpinen) Tourismus, sondern ein Charakteristikum fiir viele Volkswirtschaften (vgl. Tschurtschenthaler, P., Aus- und Weiterbildung im Tourismus, 2004, S. 107 f.). 670 Dies ist die Kategorisierung der Europ~iischen Union. Die Grenze kann sich jedoch l~inderspezifisch verschieben. So wird in Frankreich die Grenze zwischen Mittel- und GroBbetrieb bei 300 Besch~iftigten, in Grol3britannien bei 200 und in den USA bei 1000 Besch~ftigten gezogen (vgl. Peters. M., Wachstum und Internationalisierung, 2001, S. 165). Vielfach werden Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern als Kleinstbetriebe bezeichnet (vgl. Keller, P., The future of SMEs in tourism, 2004, S. 9). 671 Vgl. Job, H. et al., Small and medium tourism enterprises, 2004, S. 56. 168
auf dem Markt neue attraktive und preislich konkurrenzf~ihige Angebote. 672 Durch den globalen Markt und der zunehmenden Reiseerfahrung erh6hen sich die Komplexit~it der touristischen Leistung stetig und somit auch die Anforderungen an die Akteure. Bei den touristischen Klein- und Mittelbetrieben im Tourismus handelt es sich vielfach um Familienunternehmen. 673 Charakteristisch far KMU's ist, dass die Entscheidungen vom Untemehmer selbst initiiert und getroffen werden und stark von pers6nlichen Merkmalen, Werthaltungen und Fghigkeiten beeinflusst sind. Gmnds~tzlich sind durch flache Hierarchien und pers6nliche informelle Beziehungen Flexibilit~it, Innovation sowie Kundenorientierung m6glich. Da sich Untemehmer in solchen Strukturen meist auch mit operativer T~tigkeit beschgftigen, kann es vorkommen, dass wichtige untemehmerische Strategieentscheidungen aufgeschoben werden. Die Bereitschaft, an Mitarbeiter zu delegieren, ist oft nicht vorhanden. Weiters haben kleine und mittlere Akteure nur eine beschr~inkte Informationsbasis zur Verfagung und entscheiden daher h~iufig unter ,subjektiv-6konomischen' Gesichtspunkten. In Grof3untemehmen hingegen agieren die Entscheidungstrgger meist in Gremien - ein Vorgehen, das Fehlentscheidungen verringert und ein gewisses MaB an Kontrolle garantiert. Abbildung 31 fasst die Unterschiede zwischen KMU's und GroBuntemehmen zusammen.
Klein- und Mittelbetriebe
] GroBbetriebe Organisation Umfangreiche Abteilungsbildung Wenig Abteilungsbildung Vorgeschriebene Informationswege Kurze direkte Informationswege Geringe pers6nliche Bindungen Starke pers6nliche Bindungen Geringe Flexibilit~t, Koordinationsprobleme Hohe Flexibilit~t Hoher Formalisierungsgrad Geringer Formalisierungsgrad Arbeitsteilung Funktionsh~iufung Finanzierung Gestreuter Besitz Familienbesitz Vielf~ltige Finanziemngsm6glichkeiten Begrenzte Finanzierungsm6glichkeiten Unternehmensindividuelle staatliche Vielfach keine unternehmensindividuelle Unterstt~tzung in Krisenzeiten staatliche Unterstt~tzung in Krisenzeiten Forschung und Entwicklung 674 Keine dauernd institutionalisierte ForschungsDauernd institutionalisierte F&E-Abteilung und Entwicklungsabteilung (insbesondere bei produzierendem Gewerbe) Intuitive Forschung Systematische Forschung Geringe Grundlagenforschung Forschung in engem Zusammenhang mit bedarfsorientierte Forschung Grundlagenforschung Dienstleistungsproduktion Geringe Kostendegression bei steigender Menge Hohe Kostendegression bei steigender Menge Arbeitsintensiv Kapitalintensiv Geringe Diversifikation Hohe Diversifikation Individuelles Dienstleistungsangebot H6herer Grad der Standardisierung
672 Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler,P., Destination Management- OrdnungspolitischePerspektive, 2002, S. 157. 673 Dies erkl~rt die oftmals sehr geringe Anzahl von Besch~iftigen (vgl. Peters, M., Wachstum und Internationalisierung, 2001, S. 174 ff.). 674 Wenigentwickelt im Yourismussektor. 169
Unternehmensffihrung EigentiJmer Gesch~iftsffihrer, Manager Geringe Professionalisierung Fundierte Managementkenntnisse Mangelhaftes Informationswesen Formalisiertes Informationswesen Wenig Teamentscheidungen H~iufig Teamentscheidungen Improvisation und Intuition sind wichtig Improvisation, Intuition sind nicht wesentlich Geringe Ausgleichsm6glichkeiten bei Ausgleichsm6glichkeiten bei Fehlentscheidungen Fehlentscheidungen Hohe Anzahl an Planungsmechanismen Wenig Planung Personal Tendenz zum breiten Fachwissen Tendenz zur Spezialisierung Relativ niedriger Anteil an Fachkr/~ften Relativ hoher Anteil an Fachkr/~ften Abbildung 3 l: Merkmale von Klein-, Mittel- und Grof3betrieben im terti~iren Sektor Quelle: Peters, M., Wachstum und Internationalisierung, 2001, S. 165 f. in Anlehnung an Pfohl, H.C., Abgrenzung der Klein- und Mittelbetriebe von GroBbetrieben, 1997, S. 19 ff.; Mugler, J., Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe, 1993, S. 16 ff.
Tourismusorganisationen Besondere Akteure in Destinationen sind die Tourismusorganisationen. Sie entstanden mit der Erkenntnis, dass bestimmte Aufgaben nicht von einem einzelnen Anbieter zufrieden stellend erbracht werden k6nnen, wie die Distribution oder das Marketing eines komplexen touristischen Produktes. Ausgangspunkt bildeten in den meisten Destinationen Tourismusorganisationen auf lokaler Ebene, zumeist Versch6nerungsvereine, Verkehrsvereine oder Kurverwaltungen. In der zweiten H/~lfte des 19. Jahrhunderts entstanden fiber6rtliche und landesweite Tourismusorganisationen. Durch diese Entwicklung bildeten sich mehrstufige Organisationsebenen, wie lokale, regionale oder nationale Organisationen. Dabei gilt, je mehr organisatorische Stufen, desto gr613er die Transaktionskosten. 675 Grunds~tzlich weist die Entwicklung von Tourismusorganisationen in traditionellen Destinationen bestimmte Gemeinsamkeiten auf, wobei in den diversen L~indern durch verschiedene rechtliche und politische Rahmenbedingungen gewisse Unterschiede in der rechtlich-organisatorischen Integration der verschiedenen Stufen sowie bei der Aufgabenzuteilung und in der Festlegung der Finanzierung zu finden sind. Derzeit 1/~sst sich eine tendenzielle Angleichung der Tourismusgesetze in den verschiedenen L/~ndern beobachten. 676 Bieger definiert Tourismusorganisationen als ,,der haupts/~chliche Tr/~ger der tibergreifenden und kooperativ zu erbringenden Funktionen im Tourismus einer Destination. ''677 Es handelt sich um kollektive komplexe Akteure, was sich auch in ihrer Entwicklung zeigt: In der Anfangsphase ihrer Entstehung hatten Tourismusorganisationen aus der heutigen Perspektive
675 Vgl. Pechlaner, H., Tourismusorganisationen und Destinationen im Verbund, 2000, S. 39. Bieger schreibt in diesem Zusammenhang: ,,In der Marktbearbeitung sollte versucht werden, nicht mehr betriebliche, lokale, regionale, kantonale und nationale Marken tiberschneidend zu profilieren, sondern die Mittel auf maximal drei Ebenen zu konzentrieren und zwar: einzelne Leistungstr~iger, Destinationen und eine Landeszentrale f'tir Tourismus" (Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 169). 676 Vgl. Hinterhuber, H.H. & Pechlaner, H., Verbundsysteme, 1999, S. 227 f. 677 Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 165. 170
relativ leicht zu bewerkstelligende Aufgaben wie die Bereitstellung gewisser Infrastrukturen oder Werbung ftir den Ort oder die Region zu betreiben. Das Konfliktpotential war relativ gering, da die T~itigkeiten einfach und nicht sehr kostenintensiv waren. Werbeaktivit~iten fiihrten auf dem Verk~iufermarkt auch wenig differenziert zum Erfolg. Die Entwicklung des touristischen Marktes und der globalen Konkurrenz gnderten diese Situation. Die Notwendigkeit der nun erforderlichen Positionierung ftihrte dazu, dass einige Mitglieder begtinstigt und andere wiederum benachteiligt wurden. Die Kollision der Interessen mtindete, in einer Krise der Tourismusorganisationen. Dabei wurden nicht die Aufgaben der Tourismusorganisationen Frage gestellt, sondern die Art und Weise der Umsetzung. 678 Pechlaner unterscheidet zwischen lokalen Tourismusorganisationen, die in erster Linie eine Betreuungsfunktion von G~isten und Mitgliedern haben, und Tourismusorganisationen, die tibergreifende Aufgaben zusammen mit anderen Organisationen auf einer h6heren, regionalen Ebene tibemehmen. 679 Grundlegende Funktionen sind hier die Planungs- Strategie- und Entwicklungsfunktion, die Koordinationsfunktion zur Gestaltung des Angebots sowie die Marketingfunktion. 6s~ Insgesamt haben auftretende positive Effekte als auch der Anreiz zum Trittbrettfahren dazu gef'tihrt, dass sich Tourismusorganisationen zu institutionellen Arrangements entwickelten. Dies hat die Erwartungen an die Organisationen erh6ht. Sie bewegen sich im Spannungsfeld zwischen 6ffentlich-rechtlich gepr~igtem Auftrag, geforderter Effizienz sowie privatwirtschaftlichen Ansprtichen und heterogenen Interessen der Mitglieder. TM Ftir die Entwicklung und Governance der touristischen Destinationen spielen vor allem jene Tourismusorganisationen eine Rolle, die mehr als eine Betreuungsfunktion haben. Die Durchsetzungskraft ist dabei von verschiedenen Faktoren abh~ngig: 682 -
Hauptzweck (politische Interessenvertretung <> Information, pers6nliche Motive)
-
Politikakzeptanz (gut <> schlecht)
-
-
M6glichkeiten der Mitgliederbeeinflussung (gut <> schlecht) Finanzielle Ausstattung (gut <> schlecht) Trittbrettfahrerverhalten der Mitglieder (keine Trittbrettfahrer <> Trittbrettfahrer)
-
Anzahl der Betroffenen (wenige <> viele)
-
Wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus im Gebiet (grol3 <> gering)
-
-
-
Homogenit~it der Interessen (homogene Interessen <> heterogene Interessen) Transparenz in der Politik (geringe Kenntnisse der Politik <> grol3e Kenntnisse) Wirtschaftliche Schw~iche einzelner Mitglieder (Benachteiligte <> keine Benachteiligte) Effizienz der Branche (gering <> groB) Im Verbandsinteresse protestbereite Mitglieder (vorhanden <> nicht vorhanden)
-
Zwangsmitgliedschaft (gegeben <> nicht gegeben)
-
Phase der Machtentwicklung (schon Ringere Existenz <> erst kurze Existenz)
678 Vgl. Tschurtschenthaler, P. et al., Qualifikationsdefizite in Tourismusorganisationen und tourismuspolitische Implikationen, 2001, S. 118 ff. 679 Vgl. Pechlaner, H., Tourismusorganisationen und Destinationen im Verbund, 2000, S. 38 f. 68o Vgl. Raich, F. et al., Mitgliederzufriedenheit, 2004, S. 389; Pechlaner, H. & Fuchs, M., Skill Requirements for Destination Organisations, 2002, S. 43 ff. 68~ Vgl. Pechlaner, H. et al., Distribution durch virtuelle Kooperation, 2002, S. 13. 682 Vgl. Bochert, R., Tourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 169. 171
Ftir die langfristig ausgerichtete Entwicklung einer Destination darf die St~irke eines Verbandes nicht dazu missbraucht werden, die volkswirtschaftliche Ressourcenzuteilung so zu beeinflussen, dass zwar die Mitglieder Vorteile haben, insgesamt jedoch eine ineffiziente Situation entsteht. 683
2.1.2 Interessengruppen Neben den einzelnen touristischen Akteuren k6nnen noch weitere Akteure, so genannte Interessengruppen, ausgemacht werden. 684 Konkrete Beispiele far Interessengruppen im Tourismus k6nnen auf unterschiedlichen Ebenen wie intemationaler, nationaler oder lokaler68s Ebene gefunden werden. Gleichzeitig kann zwischen Produzenten-Gruppen, Nichtproduzenten-Gruppen und Einthemen-Gruppen unterschieden werden. Produzenten-Gruppen International
World Travel & Tourism (WTTC) IATA
National
Nationale Verbande der Tourismuswirtschaft wie Touring Club Italiano Hotelverb~inde
Lokal (Destination)
NichtproduzentenGruppen Umweltgruppen (Greenpeace, Wide Fund for Nature etc.) Soziale Organisationen (Tourism Concern etc.)
Kirchen, Verbraucherverb~inde etc. Tourismusverb~inde
Einthemen-Gruppen Gruppen zu verschiedenen Themen wie Organisation zur Bek~impfung der Kinderprostitution wie End Children Prostitution in Asian Tourism etc. Umweltgruppen Bargerinitiativen
Ad-hoc-Gruppen flir oder gegen bestimmte Projekte wie Flugh~ifen, Hotelbauten, Naturschutzgebiete etc.
Abbildung 32: Interessengruppen im Tourismus Quelle: Mundt, J., Einf'tihrung in den Tourismus, 2001, S. 438. Gmnds~itzlich k6nnen s~imtliche Akteure vier verschiedenen Kategorien zugeordnet werden: den 6rtlichen, marktlichen, gesellschaftlichen oder politischen Interessengruppen. 686 Zu den 6rtlichen Akteuren z~ihlen beispielsweise die Gemeinde, Vereine oder die OrtsbevOlkemng. G~iste, Vertriebspartner oder Vermarktungskooperationen z~ihlen hingegen zu den marktlichen
683 ,,Im kommunalen Bereich ist eine gewisse Skepsis geboten, wenn Hoteliers oder Gastronomen ihre Forderungen artikulieren. Im nationalen Kontext ist die Kraft der Tourismuswirtschaft eher gering. Das liegt an der vergleichsweise geringen MOglichkeit der Platzierung von eigenen Kandidaten und der W~ihlerbeeinflussung, sowie vor allem der grol3en Zahl der Betroffenen" (Bochert, R., Yourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 171). 684Teilweise wird auch von Anspruchsgmppen oder Stakeholdem gesprochen. 68sDestinationsebene 686Vgl. Walch, S., Tourismusmanagement, 1999, S. 67 f. 172
Akteuren. Gesellschaftliche Interessengruppen umfassen die Medien, Umweltschutzorganisationen, Schulen oder die Kirche und zu den politischen Akteuren zghlen zum Beispiel Nachbargemeinden, Wirtschaftskammer oder die Region (Verwaltungseinheit). Bieger unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen dem inneren und ~iul3erenInteressensystem einer Destination. Wghrend der innere Kreis die Tourismusbranche umfasst, befinden sich im gul3eren System die Bev61kemng und andere Wirtschaftsbranchen. Abbildung 33 stellt dieses Interessensystem in der Tourismus-Destination dar.
/ Transportuntemehmen
f
Hotels Bergbahnen Tourismusorganisation
andere " touristische Untemehmen
Bev61kerung
Gemeinde, politische Beh6rden
Naturschutz, Okologie
Landwirtschaft
Handel, Gewerbe Abbildung 33: Interessengruppen in der Tourismus-Destination Quelle: Bieger, Th., Management von Destinationen, 2002, S. 237. Die verschiedenen Interessengmppen der Tourismusbranche diskutieren tiber die Entwicklung der Destination, die anzustrebenden Zielmgrkte oder die Aufgabenverteilung. Im gugeren Kreis der Akteure bestehen vielfach unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Entwicklung im Tourismus und des Umfangs der far den Tourismus eingesetzten Ressourcen wie 6ffentliche Mittel oder Fl~ichenverbrauch. Normalerweise ist die Tourismusorganisation jener Akteur, welcher die Aufgabe hat, einen Interessenausgleich im inneren Interessensystem also bei den Akteuren der Tourismusbranche zu bewirken und die Interessen nach augen zu vertreten. Im ~iugeren Kreis ist es normalerweise die Gemeinde, welche als politische Beh6rde die unterschiedlichen Interessen der Region koordiniert. In diesem Modell ergeben sich somit far die Tourismusorganisation drei Zielgruppen far die Interessenvertretung: die eigene Branche (inneres Interessensystem), die Gemeinde oder politische Beh6rde als Koordination des ~iul3erenInteressensystems und die C)ffentlichkeit (augeres Interessensystem).
173
Einfluss kollektiver Interessengruppen Der Ausgleich divergierender Interessen ist ein komplexes Unterfangen und die Durchsetzung langfristiger Strategien aufgrund kurzfristiger Orientierungen schwierig. Die Balancierung der Interessen wird beeinflusst vom Gewicht und dem Einfluss der verschiedenen Interessengruppen, welche in jeder Destination anders sein k6nnen und nicht zuletzt auch von der Konstellation der Akteure abhgngen. Vielfach schlieBen sich Akteure zu kollektiven Interessengruppen zusammen, um ihre Position in der Destination zu verbessern. In diesem Zusammenhang sind zwei Arten von Interessengruppen zu unterscheiden. Zum einen sind dies Verbgnde, deren Mitglieder sich hauptsgchlich aus pers/Snlichen Motiven oder Interessen zusammenschlieBen. Ziel der Akteure ist es, gemeinsam und in organisierter Form wahrgenommen zu werden. Letztlich geht es hier um die Interessenvertretung nach auBen. Die zweite Gruppe hingegen umfasst Verbgnde, deren Ziel die Organisation und Durchsetzung gemeinsamer Interessen gegent~ber der Umwelt ist. 687 Interessengruppen k6nnen ihre Umwelt auf vielf'gltige Weise beeinflussen, zum Beispiel durch Informationen, Verhandlungen im Auftrag der Mitglieder oder durch finanzielle Anreize. Dabei nutzen sie die mangelnde Transparenz und Komplexitgt der unterschiedlichen Situationen aus. Insgesamt erleichtem Interessenvertretungen die Arbeit jener Akteure, welche die Aufgabe haben, die unterschiedlichen Interessen auszubalancieren. Auf diese Weise verringert sich die Zahl der Verhandlungspartner in einer rgumlichen Wettbewerbseinheit. 688 So kann zum Beispiel eine Tourismusorganisation die Zentralisierung der Willensbildung der touristischen Akteure darstellen. Grundsgtzlich sind jedoch nicht alle Interessen gleich gut organisiert. Zwei wesentliche Faktoren, welche die organisatorische St~irke sowie die Beeinflussungskraft von Interessengruppen ausmachen, sind die Anzahl der potenziellen Mitglieder sowie die Homogenit~it der Interessen. Abbildung 34 zeigt die Zusammenhgnge unter der Annahme der gleichen Wirtschaftskraft der Interessengruppen auf. wenige Anzahl der potentiellen Mitglieder (mit gleicher Wirtschaftskraft)
mittel
stark
schwach
mittel
viele gering
hoch Homogenitgt der Interessen
Abbildung 34: Organisatorische Stgrke und Beeinflussungskraft von Interessengruppen Quelle: Bochert, R., Tourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 164. Je geringer die Homogenit~t der Akteure und je gr/SBer die Interessengruppe, desto schwficher die organisatorische Gr6Be und die Beeinflussungskraft, bei der Annahme von etwa gleich groBer Wirtschaftskraft der Mitglieder. In einer groBen Gruppe ist die Konsensfindung
687 Vgl. Luckenbach, H., Wirtschaftspolitik, 2000, S. 349 f. 688 Dies stellt natt~rlich den Idealfall dar. Es gilt zu beracksichtigen, dass die Mitglieder eines Verbandes unterschiedlichen Einfluss auf die zu vertretenden Interessen haben. Dies kann unter Umstgnden zu einer Verzerrung f't~hren,da auf diese Weise partielle Interessenvon einflussreichenMitgliedernvertreten werden. 174
schwieriger sowie die Neigung zum Trittbrettfahrerverhalten gr613er. Das Verhandlungsergebnis hat zwar vielfach Kollektivcharakter, doch es besteht die Neigung, das Ergebnis zwar zu wollen, dafar jedoch falls m6glich nicht zu bezahlen. Eine Methode des Ausgleiches kann in solchen Situationen die Verpflichtung der Teilnahme darstellen. In kleinen Gruppen hingegen ist das Agieren der Akteure sichtbar und somit auch sanktionierbar. Die Stgrke einer Interessengruppe ist zusgtzlich abhgngig von der Zeit und Kraft, die sie in die Beeinflussung anderer investiert. 689
2.2 Handlungsorientierung der Akteure Die Handlungsorientierung der Untemehmer in den touristischen Klein- und Mittelbetrieben ist unterschiedlich. Peters unterscheidet zwischen dem Lifestyle und dem Schumpeter bzw. wachstumsorientierten Untemehmer, welche beide in der Tourismuswirtschaft zu finden sind. 69~ W/~hrend der Lifestyle Unternehmer in erster Linie Besitzer oder/und Verwalter von Ressourcen ist, hat der Schumpetersche Untemehmer vision~ire Ziele sowie transformierende Eigenschaften, zum Beispiel Risikobereitschaft oder Ausdauer. 691 Der Untemehmer im Schumpeterschen Sinne agiert mit Intuition und Kreativit/~t, er emeuert, erg/~nzt und erweitert. 692 Im Unterschied dazu ist es das Ziel des Lifestyle Unternehmers, den gegenw/~rtigen Zufriedenheitslevel zu halten. Viele Quereinsteiger, die vom Tourismusboom profitieren wollten, z~hlen zu dieser Kategorie. 693 Ihnen f~llt es besonders schwer, mit den neuen Herausforderungen zu Recht zu kommen und kreative L6sungen zu finden. Daher der Ruf nach Schumpeterschen Akteuren, welche durch Innovationen hervorstechen, und nach unternehmerischer Aus- und Weiterbildung im Tourismus, da unternehmerische Eigenschaften teilweise erlernt werden k6nnen. 694 Grunds/~tzlich herrscht bei den Akteuren im Tourismus eine Wettbewerbsmentalitfit vor. Es besteht jedoch die Forderung, von einem aggressiven oder defensiven Denken und Agieren zu einer mehr integrativen Wettbewerbsmentalit/~t zu gelangen, um den G/~sten Dienstleistungsketten und gebtindelte Leistungen anbieten zu k6nnen. 695 Mittlerweile wissen viele Akteure um diese Anforderung, 696 auch wenn im Tourismus noch immer vorwiegend Einzelunternehmen bzw. Besitzeruntemehmen zu finden sind. 697 Beklagt wird der ,fehlende Blick tiber den Tellerrand', der mit kurzfristigem Gewinnstreben, mit diffusen Angsten vor Ver~indemngen und mit mangelndem Wissen begrtindet wird. Es scheint, dass Handlungs-
689 Vgl. Bochert, R., Tourismus in der Marktwirtschaft, 2001, S. 163 ff. 690 Vgl. Peters, M., Wachstum und Internationalisierung,2001, S. 182 ff. 691 Vgl. Weiermair, K., Neue Rahmenbedingungen, 2004, S. 8. 692 Vgl. Keller, P., Innovation und Tourismus, 2004, S. 208; Pechlaner, H. & Raich, F., Vom Entrepreneur zum ,,Interpreneur", 2004, S. 136. 693 Pechlaner spricht in diesem Zusammenhang vom Verbrauch der unternehmerischen Substanz (vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 7). 694 Vgl. Tschurtschenthaler, P., Aus- und Weiterbildung im Tourismus, 2004, S. 115. 695 Vgl. Hamer, E., Das mittelst~indischeUnternehmen, 1987, S. 356. 696 Vgl. Pechlaner, H. & Raich, F., Vom Entrepreneur zum ,,Interpreneur", 2004, S. 132 ff. 697 Vgl. Peters, M., Wachstumsverhalten im Tourismus, 2004, S. 220. 175
rationalit~it nur bedingt erwartet werden kann 698 und dass egoistisch-rationale Handlungsorientierungen unterstellt werden k6nnen. 699 Derartige Einstellungen verursachen Transaktionskosten und fiihren zum Trittbrettfahrer-Ph~inomen, vor allem wenn die Ressourcen den Charakter 6ffentlicher Gtiter haben. Okonomisch-egoistische Handlungsorientierungen k6nnen durch die Individualisierung der Gesellschaft verst~irkt werden. 7~176 Gustedt unterscheidet zwischen mangelnder Kooperationsbereitschaft und mangelnder Kooperationsf~ihigkeit. 7~ Die mangelnde Bereitschaft zur Kooperation beruht t~berwiegend auf Innovationsscheu, Konservatismus, Interessengegens~itzen und Starrheit vorhandener Strukturen. Hier gilt zu unterscheiden, ob die egoistisch-rationale Orientierung der Akteure unver~inderbar dominant ist oder ob es sich gmnds~itzlich um prinzipiell normtreue aber fehlbare Akteure handelt. Im zweiten Fall, der auch f'tir die Akteure einer TourismusDestination gilt, kann das Verhalten der Akteure durch Institutionen, Kontrollen und Sanktionen gelenkt werden. Bei konsequent opportunistischen Akteuren w~iren derartige Mal3nahmen weniger erfolgreich. 7~ Mangelnde Kooperationsf~ihigkeit hingegen kann vor allem zurtickgeftihrt werden auf das Profilierungsstreben von Akteuren, der mangelnden Weitergabe von Informationen und Wissen, mangelnder Professionalit~it und Scheu vor der 13ffnung gegentiber anderen Gruppen und Milieus. Das Charakteristikum der mangelnden Kooperation erkl~irt zum Teil auch die im Vergleich zu anderen Sektoren der Wirtschaft geringe Innovationsrate, da Betriebsgr6ge und Innovation korrelieren. 7~ Durch Kooperation erh6ht sich nicht nur das Innovationspotential durch gegenseitige Ideenbefruchtung, sondern auch die dafar notwendigen finanziellen Ressourcen und Marktinformationen. Keller begriindet die geringe Innovationsbereitschaft u. a. durch die Ausrichtung auf Stammkunden, die den Ver~indemngswillen eind~immt. TM Eine weitere Erkl~imng der geringen Innovationsbereitschaft ist darin zu sehen, dass Imitationen im Tourismus ohne weiteres m6glich sind. Im Gegensatz zum industriellen und gewerblichen Sektor lassen sich Innovationen mit Dienstleistungscharakter nicht durch Urheberschutz versehen. Die Versuchung, sich bei Innovationen auf andere zu verlassen und diese dann zu imitieren oder als Trittbrettfahrer aufzutreten, ist daher grol3.7~ Die Tourismusakteure merken jedoch, dass die alten und bew~ihrten Handlungsmuster nicht mehr so erfolgreich greifen wie in der Vergangenheit und darin liegt die Chance far die Umsetzung einer ver~inderten integrierten Wettbewerbsmentalit~it. Die Akteure mtissen sich ihrer Handlungsorientierungen bewusst werden und versuchen, diese den vielf~iltigen Anforderungen anzupassen. So beruhen zum Beispiel notwendige Kooperationen auf einer anderen Handlungsorientierung als die Einbindung in eine Hierarchie. Es gilt die Herausforderung zum aktiven Handeln anzunehmen sowie unterstiitzende Institutionen, Kontrollen und Sanktionen zu schaffen, wenn die Verkntipfung
698 Vgl. Gustedt, E., NachhaltigeRegionalentwicklung,2000, S. 214. 699 Vgl. Scharpf, F.W., Zur Theorie von Verhandlungssystemen,1992, S. 16. 700 Vgl. Tschurtschenthaler,P., DestinationManagement, 1999, S. 26. 701 Vgl. Gustedt, E., NachhaltigeRegionalentwicklung,2000, S. 217. 702 Vgl. Scharpf, F.W., Zur Theorie von Verhandlungssystemen,1992, S. 18. 7o3 Vgl. Lechner,O. & Partacini, L., Innovation,2002, S. 60. 704 Vgl. Keller, P., Innovationund Tourismus,2004, S. 203. 7o5 Vgl. Tschurtschenthaler,P., Aus- und Weiterbildungim Tourismus, 2004, S. 117. 176
unterschiedlicher Belange gelingen und die Entwicklung der Destination insgesamt und nicht nur auf raum-, sach- oder akteurbezogenen Inseln passieren soll. 706 Vielf'~ltige Entwicklungen wie neue Informationstechnologien er6ffnen dabei neue Handlungsmuster. 7~
2.3 Konstellation in der Destination In Tourismus-Destinationen ist eine Vielzahl von verschiedenen Akteuren bei der Leistungserbringung beteiligt. Somit ergibt sich eine Konstellation, welche mit jener eines virtuellen Unternehmens vergleichbar ist. 7~ ,,Bei virtuellen Unternehmen handelt es sich um Netzwerke rechtlich selbstfindiger, aber wirtschaftlich abhfingiger Unternehmen. Diese betreiben gemeinsam ein Leistungs- und Leistungserstellungssystem auf der Basis gemeinsamer Ressourcen. ''7~ Beispiele f'tir gemeinsame Ressourcen sind die Natur, Kultur, lokale Kompetenzen oder das Image. Im Unterschied zu virtuellen Produktionsunternehmen, bei denen ein fokales Unternehmen den Endkundenkontakt hat, erbringen in Destinationen, im Sinne von virtuellen Dienstleistungsunternehmen, alle Unternehmen Leistungen fiir den Kunden. S~mtliche Akteure haben Kundenkontakt, empfangen Zahlungen oder generieren Kundendaten. Dabei werden nicht wie in virtuellen Produktionsunternehmen Vorleistungen zwischen den Akteuren verschoben, sondern der Kunde bewegt sich von Leistungselement zu Leistungselement. Das besondere an touristischen virtuellen Dienstleistungsuntemehmen ist, dass sie an den Raum gebunden sind. Diese Bindung verleiht einer Destination Einzigartigkeit, Bestimmbarkeit und aktiviert die Effekte r~umlicher N~he. 71~ Abbildung 35 stellt die touristische Destination als virtuelles Dienstleistungsunternehmen dar.
~ R A U M
Abbildung 35: Die Tourismus-Destination als virtuelles Dienstleistungsunternehmen Quelle: Bemet, B. & Bieger, Th., Finanzierung im Tourismus, 1999, S. 37.
706 Vgl. Gustedt, E., NachhaltigeRegionalentwicklung,2000, S. 45, 707 Vgl. Pechlaner, H. et al., Distribution durch virtuelleKooperation,2002, S. 13. 7o8 Vgl. Bieger, Yh., Tourismuslehre,2004, S. 155. 709 Laesser,Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik,2002, S. 82. 7~0 Vgl. Effekte r~umlicherN~iheauf Netzwerkbeziehungen,Teil II-3.4.7. 177
Virtuelle Dienstleistungsunternehmen basieren auf dem Strukturmuster Netzwerk, wobei es auch Beispiele gibt, welche eher durch die Strukturmuster Markt und Hierarchie abgebildet werden kOnnen. So stellen Ressorts wie amerikanische Skidestinationen, welche im Besitz einer Gesellschaft sind, ein hierarchisches Strukturmuster dar. TM Eher dezentrale Marktstrukturen sind in wenig konsolidierten M~irkten mit sehr geringer Interdependenz der einzelnen Akteure zu finden. Voraussetzung sind gentigend Marktteilnehmer und standardisierte Austauschplattformen. In solchen F~illen besteht kaum Abstimmungsbedarf, da aufgrund der grol3en Anbieterzahl ffir Zwischenleistungen ein Markt besteht. Destinationen in traditionellen Tourismusm~irkten, mit denen sich diese Arbeit besch~iftigt, werden durch die Strukturmuster Hierarchie und Markt jedoch nur ungentigend abgebildet. Hier sind Netzwerke die Basis des Dienstleistungsprodukts und der Destination als Wettbewerbseinheit. 712 ,,Stehen [hingegen] dezentrale KMU-dominierte Destinationen mit komplexen Produkten in strukturierten M~irkten mit zentral koordinierten Destinationen, so mtissen Kooperationsl6sungen zur Sicherung mindestens eines Teils von Gr6ssenvorteilen und zur Koordination der Leistung entwickelt werden. "v~3 Netzwerke als Basis der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten und des Regional-Governance-Ansatzes stellen auch fiir den konkreten Fall der TourismusDestinationen das grundlegende Strukturmuster dar. TM Die klein- und mittelbetrieblichen Strukturen haben zur Folge, ,,dass insbesondere Gr613en- und Verbundvorteile nur durch Zusammenarbeit in minimaler Form von Netzwerken/Kooperationen abgesch6pft werden k6nnen. ''715 Kooperationsbeziehungen sind somit das Bindeglied der Akteure. Sie k6nnen die Aufgaben- und Funktionserftillung durch eine Vielzahl von Leistungstr~igern garantieren. 716 Das touristische Kerngesch~ift ist Netzeffekten unterworfen. Zu den angebotsseitigen Effekten z~ihlen zum Beispiel die Arbeitsteilung oder die Risikosplittung. Derartige Netzeffekte beruhen auf steigenden Grenzertr~igen und sinkenden Grenzkosten. Kooperationen sind jedoch nicht nur mit Vorteilen verbunden, sondern auch mit Kosten wie Abh~ingigkeit vonder vorhandenen Konstellation und der Ressourcenverteilung oder Transaktionskosten. 717 Das Strukturmuster des Netzwerkes kann sich auf drei verschiedenen Ebenen zeigen:718 -
Auf der Mikroebene werden kundenbezogene Dienstleistungen miteinander vernetzt. Ziel ist die Erstellung einer prozessoptimierten Dienstleistungskette.
-
Auf der Mesoebene erfolgt die Vernetzung der Backup-Prozesse, um die Frontfunktionen sicher zu stellen und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
-
Auf der Makroebene verbinden sich Mikro- und Mesoebene. Es werden nicht nur die Dienstleistungsketten vernetzt, sondern auch die dazugeh6rigen Support-Prozesse.
711 Vgl. Keller, P., The future of SMEs in tourism, 2004, S. 15. 712 Vgl. Laesser, Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik, 2002, S. 82 ff. 713 Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 168. 714 Vgl. Regionale Netzwerke als Basis der Governance von rgumlichen Wettbewerbseinheiten, Teil II-3.4; Bieger und Laesser bezeichnen in diesem Zusammenhang den Tourismus als Netzwerkgesch~ift(vgl. Bieger, Yh. & Laesser, Ch., Neue Organisationstbrmen und Gesch~iftsmodelleim Tourismus, 2004, S. 70; Keller, P., Tile future of SMEs in tourism, 2004, S. 15 ff.). 715 Laesser, Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik, 2002, S. 80. 716 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationenim Wettbewerb, 2003, S. 5. 717 Vgl. Bieger, Th., SMEs and cooperations, 2004, S. 143 t: 718 Vgl. Laesser, Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik, 2002, S. 83 f. 178
Zus~itzlich k6nnen zwei verschieden Typen von Beziehungen zwischen den Leistungseinheiten ausgemacht werden. Zum einen handelt es sich um synergetische Beziehungen und zum anderen um konkurrierende Beziehungen. 719 Damit das einem virtuellen Dienstleistungsunternehmen prim~ir zugrunde liegende Netzwerk-Strukturmuster funktionieren und die ihm innewohnenden Vorteile und Potentiale aktiviert werden k6nnen, darf die Entwicklung des Netzwerkes nicht sich selber tiberlassen werden.
2.4 I n t e r a k t i o n s f o r m e n in der Destination Die Akteurkonstellationen sprich die Strukturmuster bestimmen neben der Handlungssituation und dem institutionellen Kontext die Interaktionsformen, 72~ wie die einseitige und wechselseitige Anpassung, die Verhandlung, die Abstimmung und die hierarchische Entscheidung. TM Gmnds~itzlich k6nnen in einer Tourismus-Destination s~imtliche dieser Koordinationsverfahren beobachtet werden. Dabei gibt es stets eine M6glichkeitsgrenze, welche die jeweils realisierbaren Interaktionsformen einschr~inkt. So h~ingen Verhandlungen zum Beispiel von Strukturen ab, die Vereinbarungen sichern. Auch hierarchische Entscheidungen sind auf spezifische und anspruchsvolle institutionelle Arrangements angewiesen. Interaktionsformen ~indem ihren Charakter und ihre F~ihigkeit zur L6sung von Problemen, wenn sich die zugrunde liegenden Strukturmuster ~indem. Verhandlungen haben eine andere Wirkung, wenn sie beispielsweise im Schatten der Hierarchie stattfinden. 722 Abbildung 36 setzt die verschiedenen Strukturmuster mit den m6glichen Koordinationsverfahren in Verbindung. Markt
Einseitige Anpassung Verhandlung Mehrheitsentscheidung Hierarchische Entscheidung
X (X)
Netzwerk
X X
Verband
(kollektiver Akteur) X X X
Organisation
(korporativer Akteur) X X X X
Abbildung 36: Strukturmuster und Koordinationsmechanismen Quelle: Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 91. Die Akteure in einer Destination k6nnen normalerweise auf die Interaktionsformen der einseitigen Anpassung, der Verhandlung sowie der Mehrheitsentscheidung zurfickgreifen. Grunds~itzlich agieren die Akteure im Strukturmuster Netzwerk, wobei sich einige Akteure zu einem kollektiven Akteur beispielsweise einem Verband zusammenschliegen k6nnen. 723 Derartige kollektive Akteure mfissen Sorge tragen, dass die kollektive Handlungsf'~ihigkeit,
719 Vgl. Bieger, Th., Perspektivender Tourismuspolitik,2001, S. 26. 72o Die Begriffe Interaktionsformen,Koordinationsmechanismenund Koordinationsverfahrenwerden synonym verwendet. 721 Vgl. Koordinationsverfahren,Teil I-7.1. 722 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 90 ff. 723 Auf diese Weise ver~indem sich die Beziehungen, da sowohl Interessen als auch Ressourcen gebiindelt werden. 179
die ja eigentlicher Zweck der Grtindung eines kollektiven Akteurs ist, nicht durch interne Probleme ausgehebelt wird. Kommt es zur Verpolitisierung kollektiver Akteure, wie es bei Tourismusorganisationen der Fall sein kann, so nehmen die Mitglieder unter Umst/~nden ein Nutzendefizit war. Dies ~hrt zwar zu einem verst/~rkten Handlungsdruck, jedoch nicht automatisch zu mehr Effektivit~t und Effizienz. Bei freiwilliger Mitgliedschaft gilt es das Augenmerk nicht nur auf die eigenen Mitglieder, sondern auch auf die restlichen Akteure der Destination zu richten. 724 Einseitige Anpassung ist in traditionellen Tourismus-Destinationen nur begrenzt m6glich, da Akteure normalerweise nicht in der Lage sind, alle Strategien einzusetzen, die ihnen im Rahmen ihrer Ressourcen zur Ver~gung stehen. Normalerweise grenzen Institutionen wie rechtlich-politische Rahmenbedingungen den Handlungsspielraum ein und untersttitzen wechselseitige Verpflichtungen und Beziehungen. Ebenso ist die wechselseitige Anpassung nur punktuell zu finden, da die Entwicklung einer Destination selten von einzelnen Akteuren gelenkt werden kann und die r~iumliche N/~he zudem den Austausch und eventuelle Absprachen f6rdert. Nattirlich beobachten sich die Akteure gegenseitig und reagieren auf das Vorgehen anderer. Die Auswirkungen auf die Destination insgesamt bleiben jedoch meist begrenzt. Ftir die Governance einer Destination spielen die einseitige und wechselseitige Anpassung somit nur eine begrenzte Rolle. Ziel ist die Bfindelung und Ausrichtung von Akteuren und Ressourcen auf tiberbetrieblicher Ebene. Der grunds~itzliche Interaktionsmodus in Kooperationen und Netzwerken sind Verhandlungen. Normalerweise werden Verhandlungssysteme in der Literatur unter der Pr/~misse diskutiert, dass die beteiligten Akteure egoistisch-rational den eigenen Nutzen verfolgen. W/~ren die Handlungsorientierungen hingegen rein solidarisch oder kooperativ, so wfirden sich Verhandlungsprobleme auf die Informationsverarbeitung reduzieren. 725 Es gilt, sich in Netzwerken mit den Interessen und den unter Umst/~nden opportunistischen Manipulationen anderer auseinanderzusetzen. Was die unterschiedlichen Verhandlungsprozesse- Spot Vertr~ige, distributives Bargaining, Probleml6sen und positive Koordinationbetrifft, 726 so spielen ffir die Governance yon Tourismus-Destinationen vor allem die letzten beiden eine Rolle. Spot Vertr/~ge, bei welchen weder die Nutzenproduktion noch die Verteilung sondern der Austausch von Leistungen im Vordergrund steht, werden fiber Marktpreise geregelt. Derartige Verhandlungsprozesse k6nnen durchaus komplex sein, wenn es ffir Leistungen keine Marktpreise gibt und interne Verrechnungspreise kalkuliert werden mtissen. Bei Spot Vertr~gen besteht jedoch immer die M6glichkeit, einen Leistungsaustausch abzulehnen. Beim distributiven Bargaining werden den benachteiligten Akteuren Ausgleiche angeboten, das Projekt selber wird jedoch nicht in Frage gestellt. In Tourismus-Destinationen sind derartige Situationen aufgrund der Vielzahl von Interessengruppen selten. Vorstellbar sind jedoch so genannte Koppelgesch/~fte, bei denen Projekte kombiniert werden, die f'tir sich allein keine mehrheitliche Zustimmung finden wtirden. Hier stellt sich allerdings die Frage, ob derartige Gesch~ifte eine insgesamte und langfristige Entwicklung der Destination erlauben
724 Vgl. Raich, F. et al., Mitgliederzufriedenheitin Tourismusorganisationen,2004, S. 390 ff.; Bieger, Th. & Weibel, C., KooperativesTourismusmarketing,1998, S. 178. 725 Vgl. Scharpf, F.W., Zur Theorievon Verhandlungssystemen,1992, S. 16. 726 Vgl. Verhandlung, Teil I-7.1.2. 180
und ob eine angestrebte kollektive Handlungsf'~ihigkeit keinen Schaden nimmt. W~ihrend beim distributiven Bargaining die Verteilung von Kosten und Nutzen diskutiert wird, konzentriert sich der Verhandlungsprozess Probleml6sen auf die Realisierung von Projekten. Hier ist kollektive Handlungsf~ihigkeit sowie eine entsprechende Handlungsorientierung erforderlich, die in Tourismus-Destinationen vielfach nicht ausreichend gegeben ist. Institutionen k6nnen die Kommunikation verbessern. Die beschriebene Handlungssituation und die Herausforderungen, denen die klein- und mittelbetrieblich strukturierten touristischen Akteure begegnen m~issen, helfen zudem Probleml6sungs-Situationen herzustellen. In Tourismus-Destinationen kommt es bei verschiedenen Investitionen und Leistungen zu positiven und negativen externen Effekten, die immer dann auftreten, wenn einzelwirtschaftliches Handeln mit 6ffentlichen Gfitern oder Ressourcen verbunden ist. Ein Beispiel sind bestimmte Infrastrukturen wie ein Wanderwegenetz, das einen positiven externen Effekt schafft, wenn die Nutzniel3er d a ~ r nicht zahlen m~issen. Hingegen kommt es zu negativen externen Effekten, wenn der Verursacher (hier der Erbauer der Infrastruktur) die Kosten nicht selber tr/~gt, sondern anderen aufbfirdet. 727 Daher ist es in Destinationen wie in vielen anderen Verhandlungsorten der Normalfall, dass sich die Akteure sowohl mit Problemen der Produktion als auch der Verteilung auseinandersetzen mfissen. 728 Derartige Situationen werden ebenfalls durch die Handlungsorientierung der Akteure beeinflusst. Zum Beispiel ist die Bereitschaft zur offenen Diskussion wesentlich. r G~iter, Informationsasymmetrien, die Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren und verfolgten Interessen sowie die Schwierigkeit der Absch/~tzung der Auswirkung langfristiger L6sungen oder Strategien, machen es in Destinationen schwierig, faire L6sungen zu linden. 729 Daher bedarf es Strukturen und Regeln, die gew~ihrleisten, dass strategische Entscheidungen nicht nur von m~ichtigen Akteuren oder vom Handlungsdruck abh/~ngen. Bei der Interaktionsform Verhandlung gilt, je mehr Akteure daran beteiligt sind, desto komplexer der Prozess und desto gr613er die Transaktionskosten. Daher wird vielfach auf den Koordinationsmechanismus der Mehrheitsentscheidung ZUl~ckgegriffen. Grunds/~tzlich widersprechen Mehrheitsentscheidungen dem Charakter eines Netzwerkes. M6glich ist diese Form der Interaktion in Destinationen jedoch auf anderen Ebenen, zum Beispiel auf politischer Ebene als auch als Abstimmungsmodus der Mitglieder eines kollektiven Akteurs. Vielfach geht es bei der Mehrheitsabstimmung weniger um die Auswahl konkreter Alternativen als vielmehr um die Legitimation und Kontrolle der vorhandenen hierarchischen
727 Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management - Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 152f. 728 Nicht alle Gtiter mit 6ffentlichem Charakter miissen erst hergestellt werden. Zahlreiche Gfiter wie Umweltressourcen sind bereits vorhanden. In solchen F~illen zielen Verhandlungsprozesse vor allem auf die Rationierung. 729 In diesem Zusammenhang kann auch von Marktversagen gesprochen werden: ,,Ein Marktversagen tritt dann auf, wenn ein Individuum versucht, die Folgen seiner Entscheidungen auf andere abzuw~ilzenbzw. wenn es dem Entscheidungstr/~gernicht gelingt, die Nutzen der Entscheidung for sich selbst zu lukrieren" (Socher, K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management - Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 150 f.). 181
Autorit~it. 73~ In traditionellen Destinationen ist hierarchische Autorit~it prim~ir in einzelnen Organisationen und in diversen Beziehungen zu finden. TM
2.5 I n s t i t u t i o n e l l e r K o n t e x t e i n e r D e s t i n a t i o n Das virtuelle Dienstleistungsunternehmen Tourismus-Destination ist eingebettet in einen institutionellen Kontext. Diese Regeln, die sich auf das Verhalten der Akteure sowie die Rationierung und Verteilung von finanziellen, rechtlichen, personellen oder nattirlichen Ressourcen beziehen, beeinflussen die Bestimmungsfaktoren der Governance einer Destination. Im Wesentlichen handelt es sich beim institutionellen Kontext einer TourismusDestination um die Einfltisse der Tourismuspolitik. Diese kann definiert werden als ,,bewusste F6rderung und Gestaltung des Fremdenverkehrs durch Einflussnahme auf die touristisch relevanten Gegebenheiten seitens von Gemeinschaften. ''732 Wesentliche Gemeinschaften sind tiffentlich-rechtliche K6rperschaften (Gemeinden), privatrechtliche Institutionen (Verb~inde, Vereine) oder nur lose verbundene Interessengruppen (Hoteliers). ,,Tourismuspolitik ist Querschnittspolitik. Sie hat die Interessen aller Betroffenen zu berticksichtigen. ''733
2.5.1 Notwendigkeit der Tourismuspolitik ,,In general, the market economy can respond better to new developments than the government. Therefore, one could propose to leave the founding and the management of tourism organisations to the market without government interventions. But the theory of economic policy has shown us, that there are cases of market failure, in which the market either could not reach the efficient allocation of resources or would function only with high transaction costs. ,,734 Institutionen bzw. Tourismuspolitik sind vor allem dann wichtig und legitim, wenn -
marktwirtschaftliche L6sungen begrtindbar nicht funktionieren k6nnen, es sich also um Ph~inomene des Marktversagens handelt, 735 oder wenn es
-
6ffentliche (h6here politische) Interessen 736 gibt.
Die Grundtypen tourismuspolitischer Ziele lehnen sich an Konsum- und Wirtschaftsziele an. 737 Dabei k6nnen folgende grobe Kategorien unterschieden werden: die Durchsetzung
730 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 280. 731 Hier gilt es nochmals auf den Unterschied zwischen Hierarchie als Strukturmuster und der hierarchischen Entscheidung als Interaktionsform aufmerksam zu machen. ,,Innerhalb einer hierarchischen Autoritatsstruktur ist es daher in der Tat m6glich, dab die tats~ichlich stattfindenden Interaktionen den Charakter der Verhandlungen oder von einseitigem Handeln haben" (Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 323). 732 Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 139. 733 Kreilkamp, E., Zukunftsorientierte Tourismuspolitik, 2001, S. 58. 734 Socher, K., Reforming destination management organisations and financing, 2000, S. 40. 735 ,,Zur Identifikation der Grenzen des Marktversagens sind immer Wertungen notwendig, die beurteilen, inwieweit ein Markt im GrofSen und Ganzen funktionsf~ihig ist, oder ob ein ausreichendes Ausmal3 yon Marktversagen vorliegt, das den Staatseingriff erfordert" (Smeral, E., Die Zukunft des internationalen Tourismus, 2003, S. 168). 736 Keller argumentiert hier mit der branchen- und regionentibergreifenden volkswirtschaftlichen Dimension des Tourismus (vgl. Keller, P., Tourismuspolitik in hochentwickelten Volkswirtschafien, 1998, S. 360). 182
einer nachhaltigen Entwicklung, der Ausbau des Tourismus als strategischer Wirtschaftszweig, der Aufbau von Tourismuskapazitgten und die F6rderung des Tourismusexports. Es kann zu Zielkonflikten zwischen ErtragsFghigkeit und anderen Zielen kommen. Verschiedene Faktoren wirken auf die Zielsetzungen der Tourismuspolitik ein: 738 natfirliche Faktoren, technischer Fortschritt (zum Beispiel Verkehr), soziale Faktoren (Lebensbedingungen), wirtschaftliche Faktoren, rechtliche Faktoren sowie Faktoren der Willensbildung (Interessengruppen versuchen Einfluss zu nehmen). Neben dem 6ffentlichen Interesse legitimieren verschiedenen Formen des Marktversagens die Tourismuspolitik. Diese k6nnen sich im Laufe der Jahre zum Beispiel aufgrund neuer Informationstechnologien, wandeln. Grundsgtzlich k6nnen verschiedene Arten des Marktversagens ausgemacht werden: 739 Externe Effekte, 6ffentliche Grater und unvollkommene Information.
Externe Effekte Hier handelt es sich um jene Wirkungen, die bei D r i t t e n - an der Produktion oder am Konsum nicht B e t e i l i g t e r - anfallen. Die Folge ist, dass die privaten Kosten oder Nutzen von den gesellschaftlichen Kosten oder Nutzen abweichen. Die Differenz ergibt das AusmaB der externen Effekte. Derartige Effekte k6nnen positiv (Marketingausgaben eines Hoteliers) oder negativ (Verkehrsbelastung) sein. Leistungen, die positive externe Effekte auf andere haben, werden unter Umst~nden in den entsprechenden Destinationen ungent~gend bereitgestellt, 74~ da mit Trittbrettfahrern gerechnet werden muss, welche von einer Leistung profitieren ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen.
Offentliche G(~ter Bei derartigen Gfitern kann niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden 74~ und/oder es existiert ,Nichtrivalitgt im Konsum', 742 sodass es far einen Akteur rational nicht sinnvoll w~re, daf'tir zu bezahlen. Bei der Produktion von 6ffentlichen Gfitern muss der Produzent die
737 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 289 ff. 738 Vgl. Kaspar, C., Tourismuslehre im Grundriss, 1991, S. 141 f. 739 Vgl. Pechlaner, H. & Tschurtschenthaler, P., Tourism Policy, Tourism Organisations and Change Management, 2003, S. 532; Smeral, E., Die Zukunft des internationalen Tourismus, 2003, S. 168 ff.; Socher, K. & Tschurtschenthaler P., Destination Management- Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 150 ff.; Bieger, Th., Perspektiven der Yourismuspolitik, 2001, S. 12 ff.; Socher, K., Tasks of the state in providing the framework for tourism, 2001, S. 58 f. 740 Werden weniger Ressourcen investiert als eigentlich notwendig oder optimal, ist die Situation nicht paretooptimal (vgl. Socher, K., Reforming destination management organisations and financing, 2000, S. 41). Die Innovationsschw~iche der kleinen und mittleren Akteure im Tourismus kann ebenfalls mit Marktversagen erkl~irt werden. Ffir kleine Unternehmen lohnen sich entsprechende Investitionen vielfach nicht, da sie diese nur Ft~rihr kleines Unternehmen anwenden k6nnen. 74l Ft~r die Nichtanwendung des Ausschlussprinzips k6nnen drei Grt~nde genannt werden (vgl. Smeral, E., Die Zukunft des internationalen Tourismus, 2003, S. 173): Erstens kann die Anwendung des Ausschlussprinzips mit relativ hohen Transaktionskosten verbunden und somit wirtschaftlich nicht vertretbar sein. Zweitens kann der Verzicht auf die Anwendung des Ausschlussprinzips politisch motiviert sein und drittens ist es m6glich, dass das Ausschlussprinzip aufgrund technischer Voraussetzungen nicht m6glich ist. In Bezug auf den Tourismus sind die beiden ersten Ursachen relevant. 742 Die Nutzung eines Gutes durch einen zus~itzlichen Konsumenten verursacht keine oder nur geringe Grenzkosten. 183
Kosten des Faktoreinsatzes tragen, ohne durch den Verkauf dieses Gutes Erl6se zu erzielen. 743 In der Problematik nochmals schwerwiegender sind jene Gfiter, wie die nat~irliche Umwelt, welche nicht produziert werden. Auch solche vorhandenen Gtiter k6nnen von jedermann ohne Bezahlung in Anspruch genommen werden. Steigen die Ansprfiche kontinuierlich, so mtissen diese Grater rationiert werden. Da dies nicht fiber Marktpreise erfolgen kann, bedarf es der Korrektur von Seiten der Politik. Beispiele far 6ffentliche Gtiter in Tourismus-Destinationen sind das Destinationsmarketing oder die Erhaltung intakter nattirlicher Bedingungen. Offentliche Gtiter mit beschr/~nktem Zugang werden als Clubgt~ter bezeichnet.
Unvollkommene Information Informationsm/ingel von Marktparteien k6nnen die Funktionsweise des Marktes beeintr/~chtigen, sodass Marktversagen auftritt. Im Tourismus verfagen die Anbieter meist fiber mehr Informationen als die Kunden, wobei es far diese schwierig und aufwendig w/~re, alle m6glichen Informationen zu sammeln. TM Die Informationen sind somit asymmetrisch verteilt. Durch Einteilung der Hotels in Kategorien, durch Hygienevorschriften oder Konzessionspflichten erhalten die G/iste Informationen. Informationsasymmetrien k6nnen auch zu Lasten der Anbieter auftreten, wenn diese die touristische Nachfrage nicht hinreichend einsch/~tzen k6nnen. ,Nutzenunkenntnis' liegt dann vor, wenn die Nutzen bestimmter Grater systematisch falsch beurteilt werden. Der Nutzen eines Gutes ist umso schwieriger einzusch~itzen, je weiter dieser in der Zukunft liegt. Weitere typische Beispiele sind Gesundheitsurlaube oder Bildungs- und Lemurlaube. Marktversagen tritt in Folge von Informationsm~ingeln bei Vorliegen untemehmerischer Unsicherheit auf. Bei sehr vorsichtigen Handlungen kann das Marktergebnis ged~impft werden. Durch die Bereitstellung von Forschungsergebnissen, Prognosen oder Zukunftsszenarien kann die untemehmerische Unsicherheit reduziert und das Marktergebnis verbessert werden. Bei nattirlichen Monopolen, die bei hohen Fixkosten und sinkenden Grenzkosten entstehen, kommt es nicht zum Marktversagen. Bei ktinstlichen Monopolen hingegen ist dies anders: ,,As long as there is free access to markets, monopolies will live only for a short time, whereas anti-trust policy will hamper innovations. ''745 Beispiele far natiirliche Monopole im Tourismus sind Attraktionen. Alle den Tourismus flankierende Politbereiche wie Umwelt-, Raumordnungs- oder Verkehrspolitik sollten sich mit dem Problem des Marktversagens besch~iftigen, 746 um dem Querschnittscharakter des Tourismus gerecht zu werden. 747 In der Raumordnungspolitik stellt sich zum Beispiel die Frage nach der optimalen Gestaltung des vorhandenen 6ffentlichen Gutes Raum. Die Gestaltung erfolgt meist mit Hilfe von verschiedenen Infrastrukturen, die vielfach wiederum die Eigenschaft von produzierten 6ffentlichen Gtitem haben. Die genannten Politbereiche sind stark ineinander verwoben,
743 Es fehlen zu vertretbaren Kosten durchsetzbare Eigentumsrechte, die es den Produzenten erm6glichen wtirden, die unentgeltlicheNutznief3ungvon anderen zu unterbinden. 744 Daher ist es im Tourismus typisch, dass die Kunden die wahre Qualit/it eines Angebotes erst nach Vertragsabschluss und Inanspruchnahmedes Produktes zutreffend einsch/itzenkOnnen. 745 Socher,K., Tasks of the state in providingthe frameworkfor tourism, 2001, S. 59. 746 Socher, K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management - Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 154. 747 Vgl. Kreilkamp,E., ZukunftsorientierteTourismuspolitik,2001, S. 59. 184
sodass eine Trennung schwer f'fillt und Entscheidungen komplexe Auswirkungen haben. Bei zwei anderen Politbereichen, der Bildungs- und der Kulturpolitik, ist das Problem des Marktversagens hingegen nicht eindeutig. Bei der Bereitstellung derartiger Leistungen funktioniert der Markt- und Preismechanismus. Es stellt sich die Frage, ob trotzdem lenkend eingegriffen werden sollte, um den Akteuren unterstfitzend und motivierend Wissen als wesentlichen Baustein der Wettbewerbsfahigkeit nahe zu bringen. 748 Tschurtschenthaler sieht in einer entsprechenden Ausrichtung der Tourismuspolitik verschiedene Vorteile wie die Erh6hung der Methoden-, Sozial- und Fachkompetenz der Unternehmer im Marktprozess, Verbesserung der dezentralen Entwicklung von kundenorientierten Dienstleistungsbfindeln sowie Verst~rkung der Einsicht in die Notwendigkeit kooperativen Vorgehens der klein- und mittelbetrieblichen Tourismusstrukturen. Besser qualifizierte Akteure erkennen zudem eher die Wichtigkeit des natfirlichen Angebots und dessen Schutz als eigentliche Basis des touristischen Erfolgs. ,,All dies steigert in Summe die Effizienz der tourismuspolitisch eingesetzten Ressourcen; sie erh6ht bei gleich bleibendem Mitteleinsatz das Ergebnis und entspricht damit elementaren Okonomischen Uberlegungen. ''749
2.5.2 Instrumente der Tourismuspolitik Die Instrumente der Tourismuspolitik basieren auf den Steuerungsmedien, welche in der Steuerungstheorie kategorisiert und diskutiert werden. 75~ Entsprechend k6nnen die verschiedenen Instrumente auf dem Kontinuum mit den Polen harte und weiche Steuerung eingeordnet werden. Bieger strukturiert die verschiedenen tourismuspolitischen Instrumente bezfiglich Eingriffsintensit~t und wirtschaftliche Wirkungsweise: TM -
Tourismusleitbilder: Leitbilder wirken fiber Information, Schaffung gesellschaftlicher Erwartungen und des entsprechenden Bewusstseins. Somit bewirken sie einen informellen Druck. Die Eingriffsintensitfit ist nicht groB. Das Instrument wirkt fiber ,moral suasion', also weniger fiber Weisungen als vielmehr fiber Kooperation.
-
Materielle Anreize wie F6rdermittel oder Steuern bewirken eine bestimmte Verhaltensweise der Akteure, wobei es sich sowohl um touristische Anbieter als auch um Kunden handeln kann. Ein Beispiel ffir ein derartiges tourismuspolitisches Instrument sind Verkehrlenkungsabgaben wie die Mautgebfihr. Finanzielle Anreize sind auf dem Kontinuum harte und weiche Steuerung als eher hart, also weisungsgebunden, einzustufen.
748 Socher und Tschurtschenthaler diskutieren in diesem Zusammenhang drei verschiedene Argumente, welche einen lenkenden Eingriff rechtfertigen. Zum einen ist dies das Prinzip der Startgerechtigkeit, d. h. jeder sollte unabhfingig yon Herkunft und Einkommen eine gute Bildung erhalten, um dann innerhalb des marktwirtschaftlichen Systems agieren zu kOnnen. Ein weiteres Argument bezieht sich auf die Tatsache, dass Akteure h~ufig nur kurzfristig handeln. Da sich die Erfolge der Bildung erst langfristig einstellen, die Kosten hingegen unmittelbar spt~rbar sind, ist die Versuchung groB, Bildung ungen%end in Anspruch zu nehmen. Unter Umst~nden kann durch eine derartige Dynamik das Bildungsniveau einer Gesellschaft oder einer Branche insgesamt zu niedrig sein. Ein drittes Argument stellen die positiven externen Effekte dar, welche Bildung und Kultur verursachen (vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 154 f.). 749 Tschurtschenthaler, P., Aus- und Weiterbildung im Tourismus, 2004, S. 120. 75o Vgl. Steuerungsmedien, Teil I-4.3. 751 Vgl. Bieger, Yh., Tourismuslehre, 2004, S. 293 f. 185
-
-
-
Gebote und Verbote: Bei diesen Instrumenten ist die Eingriffsintensitfit sehr grol3. Beispiele sind das Verbot der Nutzung von Motorschlitten fiir touristische Zwecke in weiten Teilen des Alpenraums oder das Gebot, WC-Anlagen an Kanalisationssysteme anzuschliel3en. Ordnungspolitische Ebene: Ziel ist die Gestaltung von Rahmenbedingungen sowohl f'tir die angebotsseitigen Akteure als auch f'tir die Konsumenten. Entsprechend sind alle Marktteilnehmer auf gleiche Weise betroffen. Konkrete Beispiele sind die Mehrwertsteuers~itze oder planungsrechtliche MaBnahmen. Struktur- und prozesspolitische Instrumente: Sie greifen direkt in Strukturen und Prozesse ein und wirken daher rasch und zielgerichtet. Im Wettbewerb sind sie jedoch nicht neutral. Beispiele sind die F6rderung einzelner Typen von Hotels oder die F6rderung von speziell ausgerichteten Tourismusorganisationen. Bei solchen Eingriffen besteht die Gefahr, dass nicht marktf'~hige Strukturen oder Verhaltensweisen unterstfitzt werden.
In der Realit~t wird normalerweise eine Kombination dieser Instrumente eingesetzt. 752 Die Auflistung zeigt, dass die meisten Instrumente eher einer harten, weisungsgebundenen Steuerung entsprechen. Die Instrumente dienen sowohl der direkten als auch der indirekten Tourismusf6rderung. Bei der direkten F6rderung werden den Betrieben Anreize geboten, welche an ein bestimmtes - 6ffentlich gewolltes - unternehmerisches Handeln gebunden sind. Bei der indirekten Tourismusf'6rderung richten sich die Bemtihungen vor allem an Tourismusorganisationen, wobei das Augenmerk auf dem Tourismusmarketing liegt. 753 Entwicklungen auf den Mfirkten, in der Technologie und in der Politik haben dazu gefi~hrt, dass die Rolle der Tourismuspolitik neu diskutiert und verschiedene Instrumente kritisch hinterfragt werden. ,,Not all of these interventions are 'optimal' state activities, because some of them distort competition and promote tourism at the expense of other sectors of the economy. ''754 Letztlich sind die begrenzt einsetzbaren Instrumente und die knappen 6ffentlichen Mittel nicht in der Lage, auf Dauer ungent~gende Standortvoraussetzungen oder Strukturdefizite in einem dynamischen Wettbewerb zu kompensieren. 755 Folgender Abschnitt zeigt die aktuellen Grundanforderungen an die Tourismuspolitik in den Alpenl~ndem auf.
2.5.3 Anforderungen an die Tourismuspolitik ,,Die gesamte Tourismuspolitik ist immer noch in einer Umbruchphase, wohl auch deshalb, weil das Verst~ndnis und damit die Akzeptanz eines grundlegenden Wandels der Tourismuspolitik an der touristischen Basis noch weitgehend fehlt und die Akteure der Tourismuspolitik sich von alten und vor allem immer noch popul~ren politischen Verhaltensmustem nur schwer 16sen k6nnen. ''756 Einige der in der Vergangenheit eingesetzten Instrumente der Tourismuspolitik sowie verschiedene traditionelle Legitimationen mtissen hinterfragt werden. ,,Ein negatives Attest
752 Vgl. Weiermair,K., Aufgaben der Tourismuspolitik,2002, S. 64. 753 Vgl. Smeral, E., Die Zukunft des internationalenTourismus, 2003, S. 163 ff. 754 Socher,K., Tasks of the state in providing the framework for tourism, 2001, S. 59. 755 Vgl. Bieger, Th., Perspektivender Tourismuspolitik,2001, S. 17. 756 Tschurtschenthaler, P. et al., Qualifikationsdefizite in Tourismusorganisationen und tourismuspolitische Implikationen, 2001, S. 137. 186
kann sich hierbei nicht nur auf die mangelnde Zielerreichung der Tourismuspolitik beschrgnken, sondern muss sich auch an der Wahl falscher Zielsetzungen festmachen. ''v57 Die Uberlegungen konkretisieren sich bei der Diskussion der eingesetzten Instrumente: 758 Die F6rderpolitik und bier im Besonderen die materiellen Anreize sowie die zielorientierten struktur- und prozesspolitischen Instrumente unterstt~tzen auch nicht marktkonforme und daher nicht wettbewerbsffihige Angebote, die mit gesunden Angeboten konkurrieren. Strukturverzerrungen, welche einen natfirlichen Strukturwandel untergraben, k6nnen die Folge sein. Die Tourismuspolitik muss sich hier mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass es beim Einsatz derartiger Steuerungsmodi nicht um ,die Sache', sondern primgr um die Sicherung von Wghlerstimmen geht. 759 Weiters werden Begrenzungs- und Schutzziele zur Verhinderung negativer externer Effekte zunehmend durch fibergeordnete Instrumente wie einer integrierten Umweltpolitik abgel6st. Auch der Umgang mit externen Effekten muss diskutiert werden. Durch die Dynamisierung der M~irkte erzeugen nicht nur Tourismusorganisationen oder 6ffentliche Akteure positive externe Effekte, sondern auch private Anbieter, denen es gelingt, erfolgreiche touristische Marken aufzubauen. Abgesehen von den ersten Phasen der Tourismusentwicklung in den traditionellen Destinationen bleibt eine eher bescheidene Erfolgsbilanz der Tourismuspolitik hinsichtlich der Legitimit~t als auch der Auswirkungen. 76~ Letztlich kommt es zu Marktversagen, da unterschiedliche Tourismusf6rderungen ungleiche Voraussetzungen im internationalen Wettbewerb schaffen. 761 Um Wettbewerbsverzerrungen, Missallokation von Kapital in wettbewerbsschwachen Betrieben oder Oberkapazitfiten zu verhindern, muss die Tourismuspolitik neue Wege gehen. Gefordert wird die Sicherung der Wettbewerbsf~ihigkeit der Tourismus-Destinationen bei einer nachhaltigen Entwicklung. Die tourismuspolitischen Ziele umfassen dazu: 762 -
-
-
die wirtschaftliche Substanz auf Basis von Wertsch6pfung, qualifizierten Arbeitspl~itzen sowie der Schaffung von Netzwerkvoraussetzungen; die gesellschaftliche Substanz auf Basis lokaler Identit~it und Kultur; Verhinderung von Abwanderung sowie der Definition der lokalen Besonderheiten; die natfirliche Substanz auf Basis der langfristigen Sicherung der natfirlichen Ressourcen und deren vernfinftige Nutzung, Schaffung der Grundlagen f'lir Investitionen in die Erhaltung nattMicher Ressourcen sowie entsprechender Sensibilisierung der Bev61kerung.
Die moderne Tourismuspolitik wird sich in vielen L~indern aufgrund von meritorischen Zielen und Marktversagen weg von der direkten Einflussnahme und hin zu einer integrierten, strategischen Standort- und Branchenpolitik bewegen. 763 Dazu ist es notwendig, eine durch
757 Weiermair, K., Aufgaben der Tourismuspolitik, 2002, S. 62. 758 Vgl. Bieger, Yh., Tourismuslehre, 2004, S. 297 f. 759 Vgl. Socher, K., Tasks of the state in providing the framework for tourism, 2001, S. 59. 760 Vgl. Weiermair, K., Aufgaben der Tourismuspolitik, 2002, S. 65. 761 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre, 2004, S. 300 f. 7~,, Vgl. Laesser, Ch., Destinationsmanagement und Tourismuspolitik, 2002, S. 96 f; Bieger, Th., Perspektiven der Tourismuspolitik, 2001, S. 35 ft. 7(,3 ,,Der Glaube an die Marktkr~fte und die Privatisierung hat auch viele Regierungen der westlichen Industriel~.nder veranlasst, sich zum Teil aus der Tourismuspolitik zurfickzuziehen und die Finanzierungsbeitr~ige zu reduzieren. Dazu kommt noch, dass die EU sektorale Strukturpolitik - verstanden als F6rderung des 187
private Eigentt~merinteressen getriebene Erfolgsorientierung zu unterstt~tzen. 764 Eine die private Wirtschaftst~itigkeit f6rdemde Tourismuspolitik sollte zum einen die individuellen F~ihigkeiten der touristischen Akteure st~irken und sie so in die Lage versetzen, die neuen Ausgangskonstellationen auf den Tourismusm~irkten zu bew~iltigen. Dazu ist die touristische Basis durch eine intensive Aus- und Weiterbildungspolitik zu qualifizieren. Zum anderen ist es notwendig, die Rahmenbedingungen far kooperative Organisationsstrukturen zu schaffen, sodass die klein- und mittelbetrieblich strukturierten Akteure gemeinsam agieren k6nnen. Es braucht institutionelle Voraussetzungen far aufgabenbezogene Kooperationsformen, die ausschlief31ich jene Agenden t~bemehmen, die einzelbetrieblich nicht in ausreichendem MaB erfolgen k6nnen. Dies ist nur m6glich, wenn diesen Kooperationen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfagung gestellt werden. Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Tourismuspolitik einen breiten Horizont von Kooperationsformen abzusichern. Flexible Dimensionen von Kooperationen sind erforderlich. 765 ,,Es sind einfach und keineswegs spektakul~ire Grundforderungen an die Tourismuspolitik der Alpenl~inder, deren Realisierung den alpinen Tourismus in die Lage versetzt, auf den internationalen Reisem~irkten seinen Platz zu behaupten. ''766
2.6 Zusammenspiel der Bestimmungsfaktoren Die beschriebenen Bestimmungsfaktoren der Governance von Destinationen stehen in Beziehung zueinander. In Anlehnung an das analytische Modell des akteurzentrierten Institutionalismus k6nnen die Bestimmungsfaktoren und ihre Verbindungen far TourismusDestinationen dargestellt werden. 767 Das Ergebnis ist ein spezifisches Modell far Destinationen, welches die relevanten Aspekte der Governance von Destinationen erfasst. Die Elemente dieses Modells und spezifischen Charakteristika bilden die Grundlage der Analyse der Organisationsstrukturen, Verfahrensnormen und Entscheidungsprinzipen nach denen die Handlungen der Akteure koordiniert werden k6nnen. Die Bausteine des Modells bestimmen somit die gmnds~itzlichen Eigenheiten der Governance. Abbildung 37 zeigt das Modell der Bestimmungsfaktoren der Governance von Destinationen und somit die Ausgangsposition der Governance von traditionellen Tourismus-Destinationen auf. Die Handlungssituation ist gepr~igt von herausfordernden Marktgegebenheiten mit welchen die Akteure umgehen mtissen. Die Vielzahl der Akteure mit ihrer Wettbewerbsmentalit~it stellt ein virtuelles im Raum fixiertes Dienstleistungsunternehmen dar, was Kooperations- und Netzwerkbeziehungen notwendig macht und die M6glichkeiten an Interaktionsformen eingrenzt.
Tourismussektors - als wettbewerbsverzerrend ansieht und deshalb die horizontale Strukturpolitik favorisiert" (Smeral, E., Die Zukunft des internationalenTourismus, 2003, S. 161). 764 Vgl. Bieger, Th., Tourismuslehre,2004, S. 302. 765 Vgl. Socher K. & Tschurtschenthaler,P., Destination Management- OrdnungspolitischePerspektive, 2002, S. 173 f.; Tschurtschenthaler, P. et al., Qualifikationsdefizite in Tourismusorganisationenund tourismuspolitische Implikationen,2001, S. 137 f. 766 Socher K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management - Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 173. 767 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 85. 188
Institutioneller Kontext: Der institutionelle Kontext wird im Wesentlichen vonder Tourismuspolitik gepr~igt: - bewusste F6rderung und Gestaltung der touristisch relevanten Gegebenheiten aufgrund von 6ffentlichen Interessen und Marktversagen - Ziel ist die Sicherung der Wettbewerbsfiihigkeit bei nachhaltiger Entwicklung Aktuelle Situation und Ziele: - Von der direkten F6rderpolitik zur integrierten Branchenpolitik durch den Einsatz fibergeordneter Instrumente - Einflussnahme nur bei tats~ichlich begrtindbaren Marktversagen - F6rderung der privaten Wirtschaftst~itigkeit durch Untersttitzung der Aus- und Weiterbildung Schaffung yon Netzwerkvoraussetzungen und aufgabenbezogenen Kooperationsformen
Handlungssituation:
Akteure und Handlungsorientierung:
Schwaches Wachstum, Stagnation K~ufermarkt Neue, differenzierte Ansprfiche der Nachfrager durch verfinderte Trends und Lebensgewohnheiten Konkurrenz anderer Destinationen (weltweiter Wettbewerb) Wichtigkeit qualitativ hochwertiger Leistungsbt~ndel
Vielzahl von touristischen und nicht-touristischen Akteuren mit egoistischrationalen Handlungsorientierungen und Kooperationsscheu Kollekte Akteure und Interessengruppen Klein- und mittelbetriebliche Strukturen Tourismusorganisationen mit t~bergreifenden Aufgaben Wichtigkeit der Entwicklung von einer aggressiven und defensiven hin zu einer integrativen Wettbewerbsmentalitgt; langfristiges Gewinnstreben
Konstellation: Virtuelles, jedoch im Raum fixiertes, Dienstleistungsunternehmen: Leistungserstellungssystem mit Netzwerkcharakter Kooperationsbeziehungen sind notwendig zur Absch6pfung von Gr6Ben- und Verbundvorteilen
Interaktionsformen: Destinationsebene: Vorwiegende Interaktionsformen sind Anpassung und Verhandlungen ProblemlOsen und positive Koordination
Ergebnis
Kooperationen sind m6glich, jedoch noch nicht genfigend vorhanden: Koordinationsund Kooperationslficke
Akteursebene: Alle Interaktionsformen sind m6glich
Nicht-institutioneller Kontext, 6konomische, 6kologische und politische Rahmenbedingungen, Umwelteinflfisse wie Altersstruktur der Gesellschaft, Globalisierung, Individualisierung, technologische Entwicklung, Medienpr~senz, Mobilit~it, usw. Abbildung 37: Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen
189
Traditionelle Destinationen weisen weiters verschiedene Eigenheiten auf, welche zum einen eine ad~iquate Governance erfordern, zum anderen die Ansprfiche an eine solche verdeutlichen. Die wesentlichen Faktoren sind:768 -
Heterogenit~it der Anbieter und Gewicht der Interessengruppen, Notwendigkeit von optimierten Dienstleistungsketten,
-
ungentigende Investitionen in Konzepte und Innovationen,
-
-
-
-
Verpolitisierung und geringer Mitteleinsatz in Tourismusorganisationen, Aufsplitterung der Kompetenzen, mangelnde Kooperation, Schw~iche der Koordinierungsinstrumente.
Diese Faktoren bedingen sich gegenseitig und beeintdichtigen sowohl die Steuerbarkeit als auch die Steuerungsf'~ihigkeit von Tourismus-Destinationen. Vor allem die Schw~iche der Koordinierungsinstrumente stellt eine gro6e Herausforderung dar und beeinflusst die angef'tihrten Faktoren. Daher gilt es, diese zu optimieren, institutionelle Rigidit~iten aufzudecken und l~ihmende Interessendivergenzen zu t~berwinden. Punktuelle Ans~itze oder einzelne L6sungspakete sind nicht ausreichend. Versch~irft werden die Besonderheiten einer Governance von Destinationen durch die dezentralen Eigentumsverh~iltnisse, die nur begrenzt direkte Einflussm6glichkeiten erlauben. Gefragt sind hier weiche Steuerungsmedien, welche durch Kommunikation und Motivation eine Vertrauensbasis erm6glichen. Das Aufzeigen der Besonderheiten zeigt, dass auch in Tourismus-Destinationen, welche wie gezeigt prim~ir dem Strukturmuster Netzwerk entsprechen, die Problemdimensionen und Fallstricke von Netzwerken allgemein zu finden sind. 769 Besonders hervorzuheben ist das Problem der gro6en Zahl, welches die Komplexit~t und das Funktionieren eines Netzwerkes erschwert sowie Vernetzungslt~cken wahrscheinlich macht. Neben der Vielzahl der Akteure sind in Tourismus-Destinationen die Ressourcen vielfach asymmetrisch verteilt und durch die Bildung von kollektiven Interessengruppen versuchen die Akteure die Konstellation zu ver~indern. Motivation sind d a b e i - aufgrund der vorherrschenden Handlungsorientierungvielfach individuelle kurzfristige Interessen, welche durchaus eine Gefahr bei der Erarbeitung langfristiger Ans~itze darstellen k6nnen. Eine weitere Problemdimension ist die mangelhafte institutionelle Konsolidierung der Netzwerke. Letztlich ist ein bestimmter Druck zu beobachten, die Kooperationsbeziehungen zu stabilisieren, da die Akteure voneinander abh~ingen und das Netzwerk langfristig angelegt werden muss. In Tourismus-Destinationen gibt es mehrere Ans~itze, den beschriebenen Herausforderungen zu begegnen. Nachfolgend werden sie diskutiert.
768 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 7 f.; Pechlaner, H. & Tschurtschenthaler, P., Tourism Policy, Tourism Organisations and Change Management, 2003, S. 526; Bieger, Th. & Weibel, C., KooperativesTourismusmarketing, 1998, S. 179 f. 769 Vgl. Problemeund Zerfall yon Netzwerken, Teil II-3.4.6. 190
3. V o m M a n a g e m e n t zur G o v e r n a n c e von Destinationen Traditionelle Tourismus-Destinationen mtissen sich den neuen Entwicklungen wie dem zunehmenden Wettbewerbsdruck von anderen Regionen mit gtinstigeren Rahmenbedingungen, den immer differenzierter werdenden Bedtirfnissen der Nachfrager und dem allgemeinen Strukturwandel der Weltwirtschaft anpassen. ,,Die ge~inderten Gegebenheiten mr und auf den touristischen M~irkten sind dabei vom alpinen Tourismus nicht beeinflussbar; sie sind ftir die touristischen Akteure Fakten, an die sich anpassen mfissen. ''77~ Als Antwort auf die neuen Herausforderungen wurde das Management von Destinationen ein Schwerpunkt in der Tourismusdiskussion der letzten Jahre. Weiermair und Pechlaner definieren Destinationsmanagement als den Versuch, ,,wettbewerbsf'~ihige Produkt-/Markt-Kombinationen durch die (kooperative) Etablierung von Produktentwicklungs- und Marktbearbeitungsplattformen zu schaffen. ''771 Diese Definition basiert auf der Darstellung der Destination als Unternehmensnetzwerk, die als virtuelles Dienstleistungsuntemehmen und als Wettbewerbseinheit tibergreifend gemanagt werden m H S S . 772 Fontanari definiert Destinationsmanagement etwas allgemeiner als ,,im weitesten Sinne die Koordination verschiedenster Akteure und Leistungstr~iger hinsichtlich einer von auBen wahmehmbaren zielgruppenspezifischen Vermarktung touristischer Angebote. ''773 ,,Die Summe mehrerer Anbieter einer Region ist somit f'tir den Erfolg des Ganzen verantwortlich. Zun~ichst scheint die Forderung nach einem Management des Ganzen daher durchaus einleuchtend z u s e i n . ''774 Das Management von Destinationen l~isst sich sowohl institutionell als auch funktional definieren. Erstere Definition umfasst die Instanzen und Einrichtungen mit ihren Entscheidungs- und Anordnungskompetenzen. Bei der funktionalen Abgrenzung hingegen geht es um Aufgaben wie Planung, Organisation und Kontrolle. 775 Grunds~itzlich k6nnen in Anlehnung an die unterschiedlichen Governance-Formen drei verschiedene Ans~itze des Destinationsmanagements ausgemacht werden: 776 -
Unternehmeransatz
-
dezentrale Ansatz und
-
kooperativer Ansatz.
770 Tschurtschenthaler, P., Destination Management, 1999, S. 7. Tschurtschenthaler bezieht sich dabei auf die gesellschaftlichen und regionalwirtschaftlichen Funktionen des Tourismus und weist darauf hin, dass rein 6konomische Ziele auch von anderen Wirtschaftszweigen tibernommen werden k6nnten. 771 Weiermair, K. & Pechlaner, H., Management von Kulturtourismus, 2001, S. 116. 772 Vgl. Bieger, Th., Destinationsmanagementund Finanzierung, 1999, S. 92. 773 Fontanari, M., Trends und Perspektiven des Destinationsmanagements, 2000, S. 75. 774 Socher, K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management - Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 162. 775 Vgl. Tschurtschenthaler, P., Destination Management, 1999, S. 8. 776 Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler, P., Destination Management - Ordnungspolitische Perspektive, 2002, S. 167 f; Bieger, Yh., Tourismuslehre, 2004, S. 164 ff. 191
Der reine Unternehmeransatz entspricht dem Strukturmuster der Hierarchie. Ffir traditionelle Destinationen mit einer Vielzahl von heterogenen Akteuren und mit dezentralen Eigentumsverh~ltnissen ist dies ein extremer Ansatz, der nicht den 6konomischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten entspricht. Ein weiterer Einwand gegen einen zentralen Unternehmeransatz ist in der Tatsache zu sehen, dass das Innovationspotential einer Destination dezentral ist. Bei Obernahme von unternehmensbezogenen also hierarchisch ausgerichteten Konzepten w~re die Gefahr, Idealkonzepte auf die Realit~t fibertragen zu wollen, grol3. Folgende sind die wesentlichen Hemmnisse der Ffihrung einer Destination als Unternehmen:777 -
-
Die Differenziertheit des Leistungsbfindels und die Komplexitfit des Systems lassen eine zentrale Steuerung nicht zu: Die m6glichen Variationen des Angebotes verlangen nach der M6glichkeit dezentraler Entscheidungen. Die unantastbaren Eigentumsrechte erschweren die Zugriffe einer zentralen Instanz: Das breit gestreute Eigentum in den traditionellen Destinationen geniel3t hohen gesellschaftlichen Stellenwert. Eingriffe ins Privateigentum w~ren somit mit gesellschaftspolitischen Problemen verbunden, zumal sie in Marktwirtschaften ein wesensfremdes Element sind.
Die Notwenigkeit des Destinationsmangements bleibt aufrecht. Doch muss nach dezentralen Ansfitzen der Kooperation gesucht werden. Der dezentrale Ansatz hat mit den traditionellen Destinationen kaum etwas gemein. Es handelt sich dabei in erster Linie um Unternehmen, die ~ r ihre Kunden individuelle Reisepakete in bestimmten Destinationen schnfiren. Der kooperative Ansatz hingegen ist im alpinen Tourismus etabliert und findet seinen Ausdruck in der Vielzahl von Tourismusorganisationen, welche kooperative Aufgaben bew~ltigen. Dieser Ansatz spiegelt die Notwendigkeit der freiwilligen oder institutionalisierten Zusammenarbeit wider.
Tourismusorganisationen als Ausdruck des kooperativen Ansatzes Das Wissen um die Wichtigkeit von Kooperationen ffihrte schon vor mehr als 100 Jahren zu freiwilligen oder durch Gesetze erzwungenen Tourismusorganisationen. 77s Ziel war die Absch6pfung von Gr6f3envorteilen und Kosteneinsparungen sowie die Bereitstellung von Gfitern mit 6ffentlichem Charakter. Im Laufe der Zeit hat sich aufgrund der Ver~nderung der Marktgegebenheiten die Gewichtigkeit und die Dimension der Aufgaben ver~ndert, wobei die bestehenden Organisationsformen dem Wandel nicht in ausreichendem Mal3 gerecht werden konnten. Socher und Tschurtschenthaler weisen in diesem Zusammenhang auch auf die fehlende r~iumliche Anpassung der Tourismusorganisationen hin, welche vor allem zu Defiziten in der Marktbearbeitung und Marktforschung l~ 779 Die Anpassung erschweren lange Entscheidungswege, ein starker politischer Einfluss, stfindig wachsende Aufgaben und ein erh6hter Erwartungsdruck. 78~ ,,Wirklich fundamentale Anpassungen sind bislang aber nur
777 Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler,P., Destination Management- OrdnungspolitischePerspektive, 2002, S. 163 ff.; Tschurtschenthaler,P., Destination Management, 1999, S. 16 ff. 778 Vgl. TouristischeAkteure, Teil III-2.1.1. 779 Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler,P., Destination Management- OrdnungspolitischePerspektive, 2002, S. 170f. 7s0 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationenim Wettbewerb, 2003, S. 7; Ullmann, S., StrategischerWandel im Tourismus, 2000, S. 55. 192
vereinzelt erkennbar und lassen einen eigentlichen Reformstau erkennen. ''781 Das durch die Mitglieder wahrgenommene Nutzendefizit fahrte zu verst~irktem Handlungsdruck. Den Tourismusorganisationen gelingt es jedoch nicht zur Geniige, den erweiterten Aufgaben mit Effektivit~it und Effizienz zu begegnen. Zus~itzlich verlangt der hohe Anteil an 6ffentlicher F6rderung ein gewisses Mar3 an Neutralit~it gegentiber den Mitgliedern, was aufwendige Erkl~imngen zur Folge hat. Der 6ffentliche Charakter der von den finanzierten Tourismusorganisationen bereitgestellten Gtiter w~irde bei einer Aufweichung der Pflichtmitgliedschaft Trittbrettfahrer-Ph~inomenen bewirken. Diese Situation fahrte dazu, dass die Innenorientierung der Tourismusorganisationen die Augenorientiemng tiberragte. 782 Die Wichtigkeit der Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes sowie die Entwicklung von institutionellen Grundlagen far effiziente Tourismusorganisationen werden deutlich. ,,Die verschiedenen nationalen und regionalen Tourismusorganisationen mtissen sich auf neue Aufgaben besinnen. D.h., die Aufgaben sollten sich haupts~ichlich auf eine von Inhalten losgel6ste Moderierung des Angebotsprozesses im Sinne der Destinationsbildung, der Qualit~itskontrolle des kundenorientierten Leistungsprozesses, der Wissensproduktion und der Imagebildung konzentrieren. '783
3.1 Notwendigkeit der Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes Unbestritten sind das grunds~itzliche Strukturmuster des Netzwerkes und die Notwendigkeit der Kooperation. 784 Kooperationen stellen die geeignete Mal3nahme dar, die Nachteile der kleinbetrieblichen Strukturen zu tiberwinden. ,,Zwar haben sich nicht die gmnds~itzlichen Kooperations- und Koordinationserfordernisse gewandelt, wohl aber deren Inhalte und vor allem deren Intensit~it. ''785 Smeral weist darauf hin, dass in traditionellen Tourismusregionen die Kooperationsbildung im Sinne einer regionalen Integration nur m~il3ig fortgeschritten ist. Grund dieser Schwachstelle ist eine gewisse Kooperationstr~igheit, die sich zum Teil durch starkes Eigentumsdenken und durch daraus entstehende mentale Barrieren erkl~iren l~sst. 786 Somit geht es um die Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes, der Wettbewerbsf'~ihigkeit bei nachhaltiger Entwicklung erm6glicht. Das Ziel der Intensivierung der Kooperationen ist es, den Kunden ein qualitativ hochwertiges, differenziertes Produkt zu liefern und die Destinationsbildung im Sinne von flexiblen Netzwerken zu unterstfitzen. Voraussetzung far ein erfolgreiches kooperatives Destinationsmanagement im Sinne eines virtuellen im Raum fixierten Dienstleistungsunternehmens ist die Entwicklung der unternehmerischen und organisatorischen Kr~ifte der Tourismusakteure. Nur durch einen Ansatz, der auch die Basis einbindet, k6nnen Kooperationen von unten wachsen und getragen werden. Dazu gilt es neben einer entsprechenden Aus- und Weiterbildung der Akteure die
781 Laesser,Ch., Destinationsmanagementund Tourismuspolitik, 2002, S. 77. 782 Vgl. Pechlaner, H., Tourismus-Destinationen im Wettbewerb, 2003, S. 7 f. 783 Smeral,E., Ansatzpunkte for eine innovative Yourismuspolitik, 2005, S. 34. 784 Vgl. Keller, P., The future of SMEs in tourism, 2004, S. 14 f.; Bieger, Yh., SMEs and cooperations, 2004, S. 141 ff.; Smeral, E., Die Zukunft des internationalen Tourismus, 2003, S. 165. 785 Tschurtschenthaler, P., Destination Management, 1999, S. 25. 786 Vgl. Smeral, E., Die Zukunft des internationalen Tourismus, 2003, S. 165. 193
Koordinations- und Kooperationslticke zu schliel3en. ,,Neue Organisationen werden dann nicht mehr geschaffen, um die eigenen Schwierigkeiten und die Verantwortung ftir ihre Bew~iltigung abzuschieben, sondern sie entstehen aus der Einsicht in ihre Notwendigkeit. Die nachhaltigen Erfolgschancen steigen damit enorm. ''787 Die Einsicht in kooperatives Vorgehen, die Schaffung institutioneller Voraussetzungen sowie die Absicherung breiter und stabiler Kooperationsformen sind wesentliche Schltissel zur Weiterentwicklung des kooperativen Ansatzes. 788 Die Herausforderung liegt somit in der Entwicklung einer DestinationsGovernance, welche entsprechend der Definition eine Form der Selbststeuerung darstellt, die im Kern auf der Kooperation zwischen den Akteuren beruht und die durch politische Ftihrung, sprich einen ad~iquaten institutionellen Kontext sowie durch formale Organisationsund Verfahrensregeln gestaltet wird. Nur so wird tiberzeugtes kollektives Handeln m6glich. Der n~ichste Abschnitt wird sich mit einem derartigen Governance-Modell besch~iftigen. ,,Hier geht es aber nicht um die Schaffung von Destinationen, sondern um die Schaffung eines Organisationssystems, das die jeweiligen Aufgaben sinnvoll und effizient bew~iltigen kann. Es geht um die Btindelung der Mittel, die vorhanden, aber infolge ihrer traditionell bedingten Zersplitterung nicht effizient genug Einsatz finden. Hier liegt ein (institutionenorientiertes) Forschungsdefizit, das es zu vermindern gilt, damit die notwendigen und theoretisch begrtindbaren Kooperationen entstehen und ihre Koordinierungsaufgaben wahrnehmen k6nnen. ''789
3.2 Exkurs: Governance von p o l i t i s c h - a d m i n i s t r a t i v e n Regionen versus Destinationen Regional Governance besch~iftigt sich vor allem mit politisch-administrativen Regionen, welche eine eher ,ktinstliche' Abgrenzung aufweisen k6nnen und nicht immer an landschaftliche, kulturelle oder auch wirtschaftlich-funktionale Regionsbildung ankntipfen. In solchen F~illen entspricht die Region nicht unbedingt dem identit~itsstiftenden Handlungsraum der Akteure. 79~ Die Destinationsbildung und -entwicklung hingegen ist normalerweise nicht an politische oder administrative Grenzen gebunden. Die Akteure k6nnen die Abgrenzung funktional und entsprechend dem identit~itsstiftenden oder den far die Produktentwicklung notwendigen Raum vornehmen. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit, um f'tir Kunden ein attraktives Angebot erstellen zu k6nnen, untersttitzt die Einsicht in die Wichtigkeit kollektiver Handlungsf~ihigkeit und in die branchentibergreifende Verflechtung. Die Herausforderung in Destinationen liegt wie in politisch-administrativen Regionen in der Einsicht zur Kooperation und in der Einigung tiber Ziele und Auswahl von Vorgehensweisen. Ein weiterer Unterschied zwischen politisch-administrativen Regionen und TourismusDestinationen liegt in der relevanten Akteurstruktur. In administrativen Regionen sind vor
787 Tschurtschenthaler,P., Destination Management, 1999, S. 27. 788 Vgl. Socher, K. & Tschurtschenthaler,P., Destination Management- OrdnungspolitischePerspektive, 2002, S. 172 ff. 789 Tschurtschenthaler,P., Destination Management, 1999, S. 26. 790 Vgl. Danielzyk, R. & Rietzel, R., Regionalplanung,2003, S. 520. 194
allem politische Akteure bestimmend, w/~hrend es in Tourismus-Destinationen vor allem touristische Akteure sind. Auch wenn politische Akteure wie Gemeinden eine bedeutende Rolle spielen k6nnen, haben die touristischen Akteure im Rahmen der institutionellen Einbettung Handlungsspielraum, den es gemeinsam zu nutzen gilt. Die ver/~nderten Rahmenbedingungen machen es jedoch/~hnlich wie in politisch-administrativen Regionen notwendig, Akteure anderer Branchen einzubinden sowie private und 6ffentliche, horizontale und vertikale Verbindungen herzustellen und zu pflegen. Es zeichnet sich ab, dass gleich wie die Abgrenzung von Regionen erfolgt, das Ziel die Wettbewerbsf~ihigkeit des Gebietes und der darin agierenden Akteure ist.
3.3 Entwicklung eines Governance-Modells fur Tourismus-Destinationen Governance beschreibt die Kombination unterschiedlicher Steuerungsformen, wobei den Institutionen eine besondere Rolle zugemessen wird. Es gilt, geeignete Steuerungsmodi sowie deren m6gliche Einsatzebenen auszumachen und in einem weiteren Schritt zu kombinieren. Auf diese Weise kann auf die Potentiale verschiedener Steuerungsformen zurfickgegriffen werden, wobei sich einige Potentiale vor allem aus der Kombination ergeben. 79~ Nachfolgend soll die Perspektive so auf Destinationen gelenkt werden, dass die unterschiedlichen Steuerungsebenen mit ihren dominanten Koordinationsformen ausgemacht werden k6nnen. Nicht ein Ausschnitt oder das Produkt stehen im Vordergrund, sondem die Destination als Ganzes.
3.3.1 Steuerungsebenen in einer Tourismus-Destination Die Entwicklung eines Govemance-Modells f'ur Tourismus-Destinationen basiert auf den Bestimmungsfaktoren der Governance von Destinationen. Dies sind, wie im vorigen Abschnitt diskutiert, im Wesentlichen: - die Handlungssituation, welche nach neuen L6sungen und nach qualitativer Weiterentwicklung verlangt; die Vielzahl der Akteure mit egoistisch-rationalen Handlungsorientierungen, welche vor der Herausforderung stehen ihre defensive Wettbewerbsmentalit/~t zu ver~indem; -
-
-
ein Leistungserstellungssystem mit Netzwerkcharakter, welches Interaktionen und Kooperationen verlangt und der institutionelle Kontext.
Der Bestimmungsfaktor ,Leistungserstellungssystem mit Netzwerkcharakter' verdeutlicht, dass die traditionelle Destination nicht ein Netzwerk, sondem einen Netzwerkpool darstellt. Diese Schlussfolgerung entspringt der Diskussion um die Handlungsorientierung der Akteure, welche Kooperationen erschwert und der Definition von Netzwerken, welche diesen einen
791 Vgl. Wiesenthal,H., Markt, Organisationund Gemeinschaft,2000, S. 62. 195
strukturellen Charakter zuschreibt. 792 Grunds~tzlich kann zwischen latentem Netzwerkpool und aktivem Netzwerk unterschieden werden. 793 Der latente Netzwerkpool stellt die Basis f'tir den Aufbau aktiver Netzwerke dar. Der Pool umfasst potentielle Netzwerkpartner, die einem Netzwerk n~her stehen als einer reinen Marktbeziehung; es handelt sich also um eine Beziehungskonstellation. In einem aktivierten Netzwerk arbeiten die Akteure in einem unternehmungsfibergreifenden Wertsch6pfungsprozess zusammen. Die Interaktionen sind aktiv-kooperativ und das Netzwerk ist nach aul3en sichtbar. Die Unterscheidung zwischen Netzwerkpool und aktiviertem Netzwerk dient dazu, in touristischen Destinationen zwischen potentiellen und effektiven Kooperationen zu unterscheiden. Zusfitzlich stellen sie unterschiedliche Steuerungsebenen dar. Zusammenfassend k6nnen somit in einer traditionellen Tourismus-Destination unterschiedliche Steuerungsebenen ausgemacht werden, welche unterschiedliche Koordinationsstrukturen darstellen und die durch unterschiedlich dominierende Interaktionsformen gekennzeichnet sind. Erstens werden Tourismus-Destinationen von einem institutionellen Kontext beeinflusst, was als hierarchische Einbettung oder auch als Autoritfitsstruktur interpretiert werden kann. Institutionen wie die Tourismuspolitik beeinflussen den Handlungsspielraum der Akteure und lenken deren Verhalten in eine bestimmte Richtung. Eine zweite Ebene ist die Destinationsebene. Hier gilt es Interaktionsformen zu finden, welche den Netzwerkpool lebendig halten und welche die Aktivierung von Netzwerken f6rdern. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich s~mtliche Akteure zu einem groBen Netzwerk zusammenschlieBen, ist kaum gegeben und auch nicht notwendig, da R~ume ihre Potenziale vor allem durch eine Vielzahl von Initiativen entfalten. TM ,,Steuerung ist notwendig, denn man kann nicht alles mit allem vernetzen. Es muB also eine gewisse Netzwerkstrukturierung geben, ohne welche die gewollten Heterogenisierungstendenzen zu einem blol3en formlosen und chaotischen Nebeneinander von Aktivit~ten verkommen wi~rden. ''795 Abbildung 38 stellt die verschiedenen Ebenen dar.
792 Vgl. Netzwerke als heuristische Kategorie, Teil II-3.4.1. 793 Vgl. Mack, O., Konfiguration und Koordination von Unternehmungsnetzwerke, 2003, S. 127 ff. Sehr allgemein lieBen sich alle Unternehmensbeziehungen zur Umwelt als Netzwerkbeziehungen interpretieren. Grunds~tzlich werdenjedoch nur solche Akteure als einem Netzwerk zugeh6rig betrachtet, die tats~chlich an einer gemeinsamen Leistungserbringung in Form von Kooperationen beteiligt sind. Daher macht es Sinn, zwischen Netzwerk und Netzwerkpoolzu unterscheiden. 794 Vgl. Ffirst, D., Steuerung auf regionaler Ebene versus Regional Governance, 2003, S. 444. 795 Hessinger, P., Vernetzte Wirtschaft und 6konomische Entwicklung, 2001, S. 263. 196
Abbildung 38: Destinations-Modell als Governance-Grundlage Rahmenbedingungen mfissen so gestaltet werden, dass flexibel Netzwerke entstehen k6nnen und zwar branchenfibergreifend. Bemfihungen, Netzwerke zu verbinden und so die Initiativen effektiver zu machen, mfissen unterstfitzt werden. Insgesamt gilt es, dezentrale Steuerungsformen und Selbstorganisation zu f6rdern, um innovative und wettbewerbsf~hige L6sungen zu erm6glichen. Aktivierte Netzwerke, seien es projektbezogene Kooperationen oder langfristig angelegte Zusammenarbeiten, k6nnen durch ein bewusstes Management die dieser Koordinationsform innewohnenden Fallstricke umgehen oder mindern. Diese Perspektive erlaubt die Bestimmung unterschiedlicher Ebenen, in welchen dominante Steuerungsformen ausgemacht werden k6nnen und zu empfehlen sind. Das Zusammenspiel von diesen sowie der dazu passende Einsatz von verschiedenen Steuerungsmedien ergibt ein Governance-Modell ft~r Tourismus-Destinationen, das in Anlehnung an den RegionalGovernance-Ansatz durch folgende Charakteristika gekennzeichnet ist: 796 -
Zusammenspiel von Akteuren auf der Basis von wechselseitigen Abh~ngigkeiten;
-
Oberschreitung der Grenzziehungen und Verantwortlichkeiten zwischen Sektoren; horizontale Interaktionsformen primer fiber Modi des Argumentierens und Verhandelns, weniger der Macht und des Zwangs;
-
Netzwerke;
-
-
Regeln, die die Interaktionen kanalisieren, Erwartungssicherheit erh6hen;
Transaktionskosten
senken und
die
institutioneller Kontext.
Die spezielle Ausgestaltung dieser Elemente bestimmt die konkrete Form der Governance einer Tourismus-Destination. Die wesentlichen Steuerungselemente in einer Destination sind die hierarchische Struktur, welche primer in der institutionellen Einbettung gegeben ist, sowie Selbstorganisation auf
796 Vgl. Ftirst, D., Regional Governance,2004, S. 50. 197
Destinationsebene, welche grunds~itzlich auf Verhandlung basiert und durch welche der Netzwerkpool gepflegt wird. Ziel ist die dezentrale und flexible Kooperations- und Netzwerkbildung. Selbstorganisation wird durch die institutionelle Einbettung gef6rdert und in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Abbildung 39 zeigt die verschiedenen Steuerungsebenen.
Hierarchische Einbettung (Koordination) Selbstorganisation - Verhandlung (Kooperation, Netzwerk) Netzwerkmanagement
Abbildung 39: Governance-Modell einer Tourismus-Destination Im Modell aufgezeigt sind die dominanten Steuerungsformen, die ~ r und in den Destinationen unterschiedliches Gewicht haben und aufgrund der spezifischen Situation mehr oder weniger durch andere Koordinationsmechanismen erg~inzt werden k6nnen. In den nachfolgenden Abschnitten werden die unterschiedlichen Ebenen, ihre Eigenheiten, Potentiale und eventuellen Fallstricke aufgezeigt. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf die dominanten Koordinationsformen der Ebenen und deren Zusammenspiel. Nicht detailliert betrachtet werden unter- oder tibergeordnete Ebenen, wie der institutionelle Kontext, in welchem Institutionen wiederum durch Netzwerke oder hierarchische Koordination verbunden sein k6nnen. Auch bedeutet die Interpretation der Destination als Netzwerkpool nicht, dass die Mechanismen des Marktes oder hierarchische Vorgehensweisen von einflussreichen Akteuren ausgeschaltet sind. Weiters muss betont werden, dass die Ebenen nicht autonom agieren k6nnen, sondern sie beeinflussen sich gegenseitig. Die Komplexit~it des Untersuchungsgegenstandes bewirkt, dass nicht eindeutig zwischen Steuerungsakteur und -objekt unterschieden werden kann. Insgesamt ist es die flexible Integration der verschiedenen Steuerungsformen- was letztlich die spezielle Governance ausmacht-, die eine wettbewerbsf'~ihige Entwicklung von traditionellen Tourismus-Destinationen erm6glicht. ,,Es k6nnte sich n~imlich herausstellen, dab institutionelle Steuerung nicht prim~ir tiber verschiedene idealtypische Steuerungsformen zu verstehen ist, sondern dab sich die letztendliche Steuerungsleitung aus der Synthese, der spezifischen Art und Weise der Kombination verschiedener Steuerungsformen ergibt. In diesem Fall stellt sich dann die Frage nach der jeweiligen Kombinatorik von Steuerungsformen. ''797
797 Schneider,V. & Kenis, P., InstitutionelleSteuerung, 1996, S. 23. 198
3.3.2 Institutionell eingebettete Selbstorganisation Es herrscht weitgehende Einigkeit, dass es, was die Rolle fibergeordneter Instanzen bei der Entwicklung von gesellschaftlichen Systemen betrifft, eine Schwerpunktverlagerung gegeben hat und zwar von direkten hierarchischen Eingriffen hin zu Koordinationsaufgaben. 798 Durch diese Verlagerung ist Selbstorganisation von gesellschaftlichen Teilbereichen m6glich. Trotzdem mfissen die Vorteile der Vergangenheit nicht zur G~nze aufgegeben werden. 799 ,,Damit ein System sich selbst regeln kann, mug es heterarchisch organisiert sein und tempor~re Hierarchien zulassen. ''s~176 Selbstorganisation in einem definierten Rahmen wird in dieser Arbeit als geeignete Steuerungsform des Netzwerkpools Destination betrachtet, da dieser Modus zum einen den dezentralen Eigentumsverh~ltnissen der traditionellen Tourismus-Destinationen gerecht wird und zum anderen dem dezentralen Innovationspotential Entfaltungsm6glichkeiten l~sst und er6ffnet. Durch die Einbettung in einen bewusst gestalteten Kontext kann eine freiwillige und institutionalisierte Zusammenarbeit, welche f'tir die Wettbewerbsfahigkeit notwendig ist, gef6rdert werden. Dabei geht es weniger um die Festlegung konkreter Magnahmen oder um direkte Eingriffe als vielmehr um die Schaffung von lenkenden Rahmenbedingungen und um einen ,Schatten der Hierarchie'. Governance von Tourismus-Destination wird somit in dieser Arbeit interpretiert als Kombination von 6ffentlicher Steuerung 8~ und privater Selbstorganisation, wobei es einen regen Austausch zwischen diesen beiden Formen braucht und eine gegenseitige Beeinflussung sowie Befruchtung als m6glich erachtet wird. s~
3.3.3 Institutioneller Kontext oder ,der Schatten der Hierarchie' ,,Gerade in einer Gesellschaft in der die privaten Akteure, Individuen ebenso wie Organisationen aller Art, nicht nur die Neigung, sondem sogar das Recht haben, ihre je partikularen Interessen zu verfolgen, ist eine Instanz n6tig, die wenigsten dem Anspruch nach Verantwortung ffir das Ganze, eine Art Systemverantwortung tr~gt. ''s~
798 ,,Die gewachsene Bedeutung nichtmarktlich-privater und gemischt staatlich-gesellschaftlicher Regelung ist weithin als Verlust zentraler politischer Steuerungsf~higkeit interpretiert worden und vermittelt den Eindruck eines schwachen oder, wie Peter Katzenstein es mr Deutschland formulierte, nur noch halbsouver~nen Staates (Katzenstein 1987). Tats~chlich handelt es sich jedoch in erster Linie um einen Formwandel staatlichen Handelns" (Mayntz, R., Governance im modernen Staat, 2004, S. 72). 799 ,,Wenn man Institutionen frei konstruieren k6nnten, wtirde man deshalb eher nach systematischen Kombinationsm6glichkeiten von einseitigen (hierarchisch-majorit~ten) Entscheidungskompetenzen und Verhandlungssystemen suchen, in denen die Vorteile des einen Modus den Nachteil des anderen kompensieren" (Scharpf, F.W., Zur Theorie von Verhandlungssystemen, 1992, S. 25). s00 Hejl, P., Politik, Pluralismus und gesellschaftliche Selbstregelung, 1992, S. 129. s0~ Steuerung wird hier nicht definiert als m6glicher Eingriff mit linearer Wirkung. Vielmehr meint der Begriff in diesem Zusammenhang Kontextsteuerung. s02 ,,Hierarchische Kontrolle und dezentrale polyzentrische Koordination schlieBen sich ... nicht wechselseitig aus. Sie kennzeichnen verschiedene, kombinierbare Ordnungsprinzipien" (Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke, 2001, S. 222). Mayntz ffihrt aus: ,,Politische Steuerung und gesellschaftliche Selbstregelung ... sind keine Alternativen, sondern eine verbreitete Mischform von Governance, die unter bestimmten Bedingungen besonders wirkungsvoll sein kann" (Mayntz, R., Politische Steuerung, 1997, S. 279). 8o3 Mayntz, R., Governance im modernen Staat, 2004, S. 72. 199
Ziel des institutionellen Kontextes sprich des ,Schattens der Hierarchie' ist es, erwfinschtes Agieren der Akteure hervorzurufen. ,,Die Steuerung der r~umlichen Entwicklung kann nicht allein den Marktkr~ften fiberlassen werden. Darfiber besteht weitgehend Einigkeit. ''s~ Lenkung und Gestaltung durch zum Beispiel externe Anreize oder Handlungszw~nge sind notwendig, um allgemeinen Tendenzen, die projektbezogene Kooperation der allgemeinen regionalen Kooperation, bilaterale den multilateralen Kooperationen und KleingruppenAushandeln dem Grol3gruppen-Aushandeln vorziehen, zu mindern, s~ Durch -
Anregung,
-
Druck und
-
Kontrolle
k6nnen selbstorganisatorische Prozesse und die Entwicklung von Netzwerken von aul3en gelenkt, gest~rkt, gef6rdert oder auch e r z w u n g e n werden, s~ Es braucht Institutionen, die Gestaltungs- und auch Schiedsrichterfunktionen fibernehmen, um fibergeordnete gesamtgesellschaftliche Kriterien in die Destinationen zu bringen und die zusammen mit den Akteuren fiber wesentliche Konzepte und LOsungen beraten, s~ Der Schatten der Hierarchie beinhaltet hierarchisch fibergeordnete Organisationen, die den Kontext gestalten und auf direkte Interventionen verzichten solange befriedigende LOsungen realisiert werden und kein Marktversagen auftritt. Scharpf spricht in diesem Zusammenhang von hierarchischer Autoritfitsstruktur, welche nicht mit hierarchischer Steuerung verwechselt werden darf. s08 Da die Handlungsorientierungen der Akteure egoistisch-rational sind und opportunistisches Verhalten zu erwarten ist, braucht es institutionelle Regelungen, um aus dem Netzwerkpool m6glichst viele Netzwerke zu generieren und diese auch erfolgreich zu betreiben. Die konkreten Aufgaben und Funktionen der Institutionen, in welche Tourismus-Destinationen eingebettet sind, k6nnen wie folgt zusammengefasst werden:8~
804 Frey, R.L., Regional Governance, 2002, S. 460. 8o5 Vgl. Ffirst, D., Steuerung auf regionaler Ebene versus Regional Governance, 2003, S. 448. 8o6 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 339. 807 Welche Voraussetzungen Institutionen und demokratische Prozesse hierzu erffillen mfissen, wird in dieser Arbeit nicht diskutiert. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass hierzu verschiedene Diskussionen ge~hrt werden. So stellt Gfinter Grass in der ZEIT vom 4. Mai 2005 im Leitartikel die Frage: ,,Ist unsere parlamentarische Demokratie als Garant ffir freiheitliches Handeln noch souver~n genug, um den anstehenden Problemen des 21. Jahrhunderts gegenfiber handlungsf~hig zu sein?" Benz schreibt dazu im Governance-Kontext: ,,In jedem Fall k/~nnen aber weder Netzwerke noch eine kooperative Politik per se als demokratische Governance bezeichnet werden, vielmehr erfordert diese eine Verbindung von offenen Verhandlungssystemen, die diskursive Willensbildung erlauben, und funktionierenden Reprfisentationsbeziehungen innerhalb der beteiligten staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen" (Benz, A., Governance, 2004, S. 26). 8o8 Es gilt zwischen institutionellen Rahmenbedingungen und den darin vorkommenden Interaktionsformen zu unterscheiden. ,,Ffir den hierarchischen Modus entspricht dies der Unterscheidung zwischen der hierarchischen Autoritfitsstruktur und dem tats~chlichen Einsatz von hierarchischer Steuerung zur lJberwindung der Entscheidungspr~ferenzen anderer Akteure" (Scharpf, F.W., Interaktionsformen, 2000, S. 323). Hejl spricht in einem fihnlichen Zusammenhang von ,temporfirer Hierarchie' (vgl. Hejl, P., Politik, Pluralismus und gesellschaftliche Selbstregelung, 1992, S. 129). Ein weiterer Ausdruck ist ,das Schwert in der Scheide' - all diese Formeln deuten an, ,,dass die Bereitschaft zu und der Erfolg von Verhandlungen in vielen Interaktionskontexten ohne die pr~sente Alternative einer hierarchischen Intervention nicht gegeben w~re" (Einig, K., Positive Koordination in der Regionalplanung, 2003, S. 492). 8o9 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 343 f. 2O0
-
-
Koordinations- Organisations- und Moderationsaufgaben, um Probleml6sungen voranzutreiben; Vermittlungsfunktionen zur Entwicklung gemeinsamer Ziele, zur Vermittlung zwischen Akteuren, zur Verbindung von Partikularinteressen und zur Aufl6sung von Interessenkonflikten;
-
Kontrollaufgaben; Initiatoren- und Orientierungsfunktionen, um eine nachhaltige Entwicklung zu erm6glichen; - Korrekturfunktionen ausgetibt durch Institutionen oder durch die F6rderung von Akteuren, damit diese selber in der Lage sind, Gegenmacht- und Kontrollpotentiale aufzubauen. Hierarchische Strukturen erm6glichen durch die Obemahme der beschriebenen Funktionen und durch den Einsatz von Steuerungsinstrumenten wie Anreize oder Druck in TourismusDestinationen Selbstorganisation. Handlungskorridore k6nnen abgesteckt und Kooperationen gef6rdert werden. Eine wesentliche Aufgabe ist dabei ein umsichtiges Interdependenzmanagement. Die Funktionen werden nachfolgend diskutiert.
-
Erm~glichung der Selbstorganisation In Destinationen herrscht ebenso wie in anderen r~iumlichen Wettbewerbseinheiten keine Harmonie, sondern eine ,,Mischung aus gegens~itzlichen und gemeinsamen Orientierungen. ''8~~ Selbstorganisation 811 ist nur dann m6glich, wenn Spielregeln bestehen und die Akteure wissen, dass diese Regeln allgemein anerkannt und giJltig sind. 812 ,,Regelsysteme haben den Vorzug der Verl~isslichkeit, der Vermeidung unerw~inschter Verhaltensweisen und der Konfliktregelung bei Regelverst613en. ''813 So ist es Aufgabe der Tourismuspolitik und 6ffentlicher Institutionen zum Beispiel Vertrags- oder Gesellschaftsrechte zur Verftigung zu stellen oder Haftungsrechte auszuarbeiten. Derartige normative Regeln erm6glichen es, dass 6ffentliche und private Akteure mit verminderten Transaktionskosten miteinander verhandeln und L6sungen umsetzen k6nnen. Zudem mtissen Verhandlungsprozesse in geordnete Bahnen gelenkt werden, dass die Ergebnisse den Bedtirfnissen der Btirger wie einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen. Es gilt Situationen zu verhindern, in denen suboptimale Kompromissl6sungen angepeilt werden oder in denen eine Einigung auf Kosten Dritter erfolgen kann. Dies ist nur dann m6glich, wenn die handelnden Akteure nicht die Regeln bestimmen kOnnen. Ein weiterer wesentlicher Punkt in ist die Regelung der Erstellung und Verteilung gemeinsamer Ressourcen. Aufgabe der institutionellen Einbettung ist es jedoch nicht nur, Regeln zu erstellen und zu institutionalisieren, sondern auch Hemmnisse, die im Laufe der Zeit auftreten, zu verhindern. Selbstorganisation kann durch verschiedene Grtinde erschwert oder blockiert werden, wobei
8~0 Mayntz, R., Governance im modernen Staat, 2004, S. 73. 8~1 Vgl. Selbstorganisation,Teil III-3.3.4. 812 Vgl. Frey, R.L., Regional Governance,2002, S. 456 ft. 813 Ftirst,D., Regional Governance,2004, S. 55. 201
in solchen F~llen die institutionelle Einbettung gegensteuern kann. 8~4 Durch Druck von auSen k6nnen Entscheidungsblockaden oder festgefahrene Akteurkonstellationen gelOst und die Beteiligten zu Handlungen oder Ver~nderungen animiert werden. Dies kann auch Organisationshilfe ffir schwache Akteure beinhalten. Zudem k6nnen fibergeordnete Instanzen einseitige, auf die Sicherung von Privilegien abzielende, Handlungsspielr~ume ver~ndem oder ,kartellartige' Kooperationen aufbrechen. 815
Abstecken von Handlungskorridoren Insgesamt bewirkt die Determinierung des Handlungsraums durch eine institutionelle Steuerung zum einen gesellschaftlich anerkannte Entwicklungen wie Nachhaltigkeit oder Verminderung externer Effekte, zum anderen wird die Entscheidungsunsicherheit der Leistungsersteller gemindert. 816 Da jedoch nur der Handlungskorridor abgesteckt und nicht Entscheidungen vorgegeben werden, bleibt ein bestimmter Handlungsspielraum far die Akteure erhalten und somit auch die Voraussetzung far Innovation und flexible Anpassung. 8i7 Die primfiren Probleme hierarchischer Entscheidungen- mangelnde aktuelle Information und Motivation- werden so umgangen. ,,Dies nimmt in Kauf, dass individuelles Handeln immer auch mit diskretion~ren Handlungsspielr~umen verbunden ist, also kontra-intentionale Verhaltensanpassungen der Einzelakteure trotz gegebener Zielvorgaben m6glich sind. ''sis Der institutionelle Rahmen steckt einen Korridor ab und innerhalb diesem k6nnen die Betroffenen agieren. Auf den ersten Blick scheint auf diese Weise auch die Anzahl m6glicher L6sungen geringer. Dies muss jedoch nicht unbedingt der Fall sein. Durch den Schatten der Hierarchie werden L6sungen, die aufgrund der egoistisch-rationalen Handlungsorientierung der Akteure nicht denkbar w~ren, erm6glicht. Dabei spielen die verschiedenen Funktionen des institutionellen Rahmens wie Management von Interdependenzen oder die Initiatorenfunktion zusammen.
F6rderung von Kooperation Kooperation ist die ,,Zusammenarbeit bzw. koordiniertes Handeln von zwei oder mehreren Akteuren zur Erzielung von Nutzenzuw~chsen. ''s19 Kooperation zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus, die in Bezug auf Regionen wie touristische Destinationen wie folgt gegliedert werden k6nnen:
814 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft,1995, S. 334 f. 815 Dies kann als eine punktuellehierarchischerSteuerung interpretiertwerden. 816 Die Gr0ge des Handlungsraums determiniert die Entscheidungsunsicherheit(vgl. Sauerland, D., Politische und wirtschaftliche Bedeutungder Regionen,2002, S. 487). 817 ,,W~hrend in hierarchisch organisierten Systemen die Selektivit~t der Interaktionen zwischen den Komponenten vorgegeben und auf unterschiedlichste Weise stabilisiert ist, resultiert die Selektivit~t in heterarchischen Systemenaus dem von den Komponentenentsprechendihrerjeweiligen Dynamikbei Bedarf erzeugten Verhalten" (Hejl, P., Politik, Pluralismusund gesellschaftlicheSelbstregelung, 1992, S. 129). 818 Bergmann,E. & Jakubowski, P., Strategiender Raumordnung,2002, S. 467. 819 Bergmann,E. & Jakubowski, P., Strategiender Raumordnung,2002, S. 468. 202
Dimension
Merkmal
Gegenpol
Struktur
nicht-hierarchisch: Heterarchie, Netzwerk tauschf6rmig, auf Verhandlungen basierend, dialogisch vielfaltig (zum Beispiel publicprivate-partnership) vonder Destination ausgehend, auf endogene Potenziale gerichtet handlungs-, projektorientiert
hierarchisch
Beziehung Form Raumbezug Ergebnisorientierung Aufgabenverstgndnis Zielbezug Akteurbezug Kommunikationsprozess
pragmatisch-integrativ often, multivalider Prozess teiloffen (selektiver Einbezug) auf gemeinsame Er6rterung ausgerichtet Entscheidungsprozess konsensorientiert Planungs- Handlungsverlauf parallel, gleichzeitig Zeit (Vergnderbarkeit) dynamisch, instabil
direktiv, monologisch eindeutig, vorgeschriebene Formen und Verfahren ortsunspezifisch, generalisiert auf die Erstellung eines Planes ausgerichtet technokratisch-segmentiert definiertes Ziel abgeschottet Folge von Abstimmungschritten (Korridor) einseitige Entscheidung unilinear stabil, dauerhaft, unflexibel
Abbildung 40: Merkmale regionaler Kooperation Quelle: Knieling, J., Kooperative Regionalplanung und Regional Governance, 2003, S. 468 in Anlehnung an Selle, K., Planung, 1994, S. 80. Verschiedene Grfinde beeinflussen die Kooperationsbereitschaft. s2~ In so genannten ,winwin-Situationen' werden die Akteure sicher nicht z6gem, Kooperationen einzugehen. Zudem mfissen die Vorteile der Kooperationen die Transaktionskosten kompensieren. Kooperatives Verhalten ist dann am ehesten zu erwarten, wenn - die Gruppen der Betroffenen klein oder organisiert sind, -
die Betroffenen gleiche Ziele verfolgen oder homogene Interessen haben und
-
die Verursacher von Kosten gut zu ermitteln und die Wirkungen einfach zurechenbar sind.
,,Je weniger diese Kriterien erf'tillt sind, umso mehr hemmen Unwissen, hohe Transaktionskosten und Konflikte der Lastenverteilung das Zustandekommen eines Konsenses. ''82~ Vielfach stehen den Kooperationskosten, welche auch Verlust von Handlungsspielrgumen oder Machtressourcen beinhalten k6nnen, nur schwer kalkulierbare Gewinne gegen•ber, die sich erst mittelbar oder langfristig zeigen. Ein wesentlicher Faktor, dass Kooperationen doch zustande kommen, ist der Handlungsdruck, den die Akteure verspfiren und der im Tourismus durch die verfinderten Rahmenbedingungen gegeben ist. Weitere Faktoren sind zum Beispiel gemeinsame Infrastrukturen oder ein eventueller Ressourcenverbund, den die Unternehmen eingehen, um eine bestimmte Leistung erstellen zu k6nnen. Neben diesen, sich aus der spezifischen Situation ergebenden Grfinden, kann die institutionelle Einbettung Einfluss auf das Engagement und die Kooperationsbereitschaft der Akteure nehmen. 822 M6gliche Ans~itze der Einflussnahme sind die Strukturpolitik, die
820 Vgl. Bergmann,E. & Jakubowski, P., Strategien der Raumordnung,2002, S. 469 f. 821 Cansier,D., Umwelt6konomie, 1996, S. 23. 822 Vgl. Benz, A., RegionalGovernance,2003, S. 512. 203
Ausrichtung der FOrderpolitik, das Fl~ichenmanagement bzw. die Leitlinien der regionalen Entwicklung und Raumplanung sowie konkrete regionale Handlungskonzepte. Die institutionelle Einflussnahme muss besonders dann greifen, wenn sich die Akteure keinen unmittelbaren Nutzen von einer Kooperation versprechen oder wenn die M6glichkeit besteht, auch ohne eigenen Beitrag von einer Situation zu profitieren. Die institutionelle Steuerung von Kooperationen hat zudem die Aufgabe, eine Balancierung von Kooperation und Wettbewerb anzustreben. Zum einen kann Kooperation den destinationsinternen Wettbewerbsdruck mindern und sich im extremen Fall nachteilig auf effizientes und innovatives Verhalten auswirken. Zum anderen verst~irkt die Kooperation m~ichtiger Akteure die grunds~itzlich vorhandene asymmetrische Ressourcenverteilung und andere Leistungserbringer k6nnen alternative Entwicklungsrichtungen nur schwer oder nicht durchsetzen.
Interdependenzmanagement Eine weitere wesentliche Aufgabe der institutionellen Steuerung ist es, Akteure zusammen zu bringen oder die Verbindung zwischen verschiedenen Branchen herzustellen und aufrecht zu halten. Instanzen fibernehmen in solchen Fgllen ein far die integrierte Entwicklung notwendiges Schnittstellen- und Interdependenzmanagement. Besonderes Gewicht bekommt diese Funktion dann, wenn asymmetrische Interdependenzen vorliegen. ,,Interdependenzmanagement bedeutet zwar, dem organisationstheoretischen Satz ,to manage is not to control' entsprechend, keine direkte, imperative Verhaltenssteuerung, verlangt aber trotzdem Eingriffe in die Machtbeziehungen ... und schlief3t auch eine autoritative Priorit~itensetzung bei konkurrierenden Forderungen ein. ''823 Kollektive Probleme kOnnen von Akteuren nur dann gel6st werden, wenn es einheitliche Problemdefinitionen, Ziele und Magnahmen gibt. Dies gilt vor allem dann, wenn es sich um Querschnittprobleme handelt, die die Zust~indigkeitsbereiche mehrerer Branchen betreffen, so wie es allgemein in r~iumlichen Wettbewerbseinheiten und entsprechend auch in Destinationen der Fall ist. Neben der r~iumlichen N~ihe und gemeinsamen Werten erleichtert ein institutioneller Rahmen gemeinsame Zielfestlegungen, die Einbeziehung von verschiedenen Beteiligten und die Diskussion tiber Nutzenausgleich oder Kompensationszahlungen. 824
Grenzen der institutionellen Einbettung Die institutionelle Einflussnahme hat Grenzen, welche auf verschiedene Grtinde zurfickgefahrt werden k/Snnen. 825 Sie kann an der Komplexit~it der Situation scheitern oder Institutionen verfagen nicht fiber das n6tige Wissen. Bei weit reichenden Reformen oder beim Abstecken des Handlungsspielraumes sind Institutionen meist auf die Legitimation gegent~ber strategisch wichtigen Akteuren angewiesen. Das Dilemma, dass sich Institutionen von den Partikularinteressen einzelner Akteure 16sen und den Handlungsspielraum dieser einschr~inken mfissen, die Akteure jedoch bei der Umsetzung von Projekten und der wettbewerbsf'ghigen Entwicklung der Destination aktiv mitarbeiten sollen, zwingt zu
823 Mayntz, R., Governanceim modernen Staat, 2004, S. 72. 824 Vgl. Scharpf, F.W., Zur Theorie von Verhandlungssystemen,1992, S. 25. 825 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 335 ff. 204
Kompromissen. Nicht selten sind Institutionen in Kooperationen oder gesellschaftlichen Netzwerken eingebunden, sodass sich L6sung und Problem verquicken. Die wechselseitige Abh~ingigkeit mindert die Autonomie der tibergeordneten Instanzen, sodass notwendige Korrektur- und Kontrollaufgaben schwierig sind. Insgesamt erschweren sich die aufgezeigten Grenzen und Probleme der institutionellen Steuerung, wenn die Akteure der Destination Misstrauen gegentiber 6ffentlichen Instanzen, hierarchischen Entscheidungen oder einseitig definiertem Gemeinwohl hegen oder sogar institutionalisieren. 826
Tourismuspolitik Trotz dieser Grenzen bleibt zusammenfassend betrachtet die Leistungs- und Probleml6sungsf'~ihigkeit von Destinationen an wirksame institutionelle hierarchische Koordinationsmechanismen gebunden. Ftir Tourismus-Destinationen stellt vor allem die Tourismuspolitik den primfiren institutionellen Kontext dar. Die Anforderungen an diese haben sich im Laufe der Zeit ver~indert. 827 Der Einfluss und der Erfolg der Tourismuspolitik wird dann gegeben sein, wenn 828 -
eine Konzentration auf Grunds~tzliches erfolgt,
-
direkte Interventionen auf gewichtige Einzelf~lle konzentriert bleiben und
-
sich differenzierende, individuell 16sbare Probleme dezentral abgearbeitet werden.
Die wesentlichen Aufgaben der Tourismuspolitik bei der Governance einer Destination sind somit nicht die zentrale Planung oder direkte Intervention, sondem vielmehr Einschrfinkungen von Austausch- und Verhaltensm6glichkeiten. Dies zeigt auch der folgende Abschnitt, der sich mit der Selbstorganisation von Tourismus-Destinationen besch~ftigt.
3.3.4 Selbstorganisation ,,In einer Situation, in der es nicht mehr so sehr um die standardm~il3ige Bereitstellung von Infrastruktur geht, sondern um die regional differenzierte Pflege endogener Potentiale, scheint eine zentrale Steuerung prinzipiell tiberfordert. ''829 Ein derzeit bedeutendes Thema der Diskussionen zur politischen Steuerung ist die M6glichkeit, der Gesellschaft die n6tigen organisatorischen und finanziellen Ressourcen sowie das entsprechende Wissen zur Selbstorganisation zu geben. Dieser Prozess beruht auf verschiedenen Entwicklungen:83o -
Organisierte Gesellschaft: Die Zahl kollektiver Akteure wie Verb~inde, Vereine oder sonstige Interessenorganisationen sowie deren Bedeutung w~ichst. Diese Akteure verfiJgen tiber Ressourcen, Wissen sowie Organisationsf'~ihigkeit und sind somit in der Lage, (regionale) Entwicklungen zu beeinflussen.
826 Institutionalisiertes Misstrauen kann als Teil der Kultur bzw. als Teil des kollektiven Wissens interpretiert werden und ist somit schwer abzubauen. 827 Vgl. Institutioneller Kontext einer Tourismus-Destination, Teil III-2.5. 828 Vgl. Gustedt, E., Nachhaltige Regionalentwicklung, 2000, S. 165. 829 Krafft, A. & Ulrich, G., Chancen und Risiken regionaler Selbstorganisation, 1993, S. 20. 83o Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 170 ff. 205
-
Funktionale Differenzierung: Die Sektoralisierung der Gesellschaft nimmt zu und gleichzeitig auch die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Akteuren und Sektoren. N6tig sind Schnittstellen und Kommunikation zwischen den Branchen, sowie neue Steuerungsformen, die dieser komplexen Situation gerecht werden. Dezentralisierung und Fragmentierung: Die Regionen gewinnen neue Bedeutung und die Trennung zwischen 6ffentlich und privat wird vielfach unscharf. Weiche Steuerungsformen werden dadurch notwendig. Auf das dezentrale in den verschiedenen Akteuren angesiedelte Wissen und deren Aktivit~iten kann nicht verzichtet werden, wenn R~iume langfristig wettbewerbsf~ihig sein sollen.
-
Im Zusammenspiel dieser Ph~inomene entsteht eine ,aktive Gesellschaft'. Es steigen die Interdependenzbeziehungen zwischen Sektoren und somit ist eine integrierte Entwicklung nur durch Kooperation und Handlungskoordination verschiedener Akteure m6glich. Selbststeuerung wird nicht nur v o n d e r Akteurtheorie, sondern auch von der Systemtheorie propagiert. ,,Aus der Sicht der autopoietischen Theorien geh6rt Selbststeuerung zur condition sine qua non eines erfolgreichen Funktionierens von Gesellschaft. Die Akteurtheorien verweisen auf die enormen Effizienzgewinne. ''831 Beide Theorien sind sich einig, dass Selbstorganisation nur unter bestimmten Bedingungen funktionieren kann. 832 Der Fokus richtet sich auf die wesentlichen Elemente der Selbstorganisation- auf Netzwerke und Verhandlungssysteme-, eingebettet in bewusst gestaltete Kontexte und Institutionen. ,,Neben Koordination rfickt also immer mehr auch das kooperative, nicht-hierarchische Vorgehen mittels Verhandlungsl6sungen in den Mittelpunkt. Kooperation und Koordination werden damit zu einem tragendem Element integraler Regionalpolitik. ''833
Definition ,,Wer den Govemance-Begriff verwendet, muss unterstellen, dass Steuerung in Interaktionen zwischen Akteuren m6glich ist, dass also Politik nicht durch wirtschaftliche Zwgnge oder durch Institutionen determiniert ist. Unterstellt werden muss aber auch, dass institutionelle Regelsysteme wirken, dass Politik also nicht einfach mit unkontrollierbarer Machtaustibung von Eliten gleichgesetzt werden kann.''834 Selbstorganisation bedeutet ,,handlungsorientierte Interaktion in 6ffentlich-privaten bzw. privat-privaten Akteurzusammenh~ingen. ''835 Selbstorganisation umfasst die Dezentralisierung von Gestaltungs- und Entscheidungsressourcen, wodurch das Wissen, die Motivation, die Handlungspotentiale und die Ressourcen der Akteure aktiviert werden. In einem m6glichst kontinuierlichen Prozess bemtihen sich die Akteure durch flexible Kooperationen und Organisationsformen zu LOsungen zu gelangen, die einer wettbewerbsf'~ihigen Entwicklung entsprechen. 836 Dementsprechend wird Selbststeuerung dann sichtbar, wenn die Handlungs-
831 Braun, D., Gesellschaftssteuerungzwischen Systemund Akteur, 2000, S. 169. 832 Vgl. Institutioneller Kontext oder ,der Schatten der Hierarchie', Teil III-3.3.3. Der Abschnitt spiegelt die Bedingungen aus Sicht der Akteurtheoriewider. 833 Thierstein,A. & Egger, U.K., IntegraleRegionalpolitik, 1994, S. 147. 834 Benz, A., Governance,2004, S. 21. 835 Botzem, S., Govemance-Ans~itzein der Steuerungsdiskussion,2002, S. 6. 836 Vgl. Thierstein; A. & Egger, U.K., IntegraleRegionalpolitik, 1994, S. 146. 206
spieMiume der Akteure grog sind und ein r~iumliches Bewusstsein sowie ein Denken in regionalen Bezfigen gegeben sind. Selbstorganisation bedeutet die aktive und freiwillige Entwicklung und Gestaltung von Verknfipfungen, welche als Verhandlungssysteme interpretiert werden k6nnen. Interaktionen zwischen allen Akteuren sind nicht m6glich, sodass Priorit~ten gesetzt und entsprechend den Ansprfichen des Marktes und des Einflusses des institutionellen Rahmens umgesetzt werden massen. Das Ergebnis erfolgreicher Selbstorganisation ist reflexive Vernetzung. Roth f't~hrt aus, dass sich regionale Selbstorganisation auf verschiedene Prinzipien stfitzt:837 Regionalisierung, - Prozeduralisierung und Kontextualisierung. -
-
Das Prinzip Regionalisierung umfasst die wachsende und zu f6rdemde Bereitschaft sowie F~ihigkeit regionaler Akteure zur gemeinsamen ProblemlOsung und Interessenvertretung. Wichtig ist die Zusammenffihrung unterschiedlicher Akteure, sowohl 6ffentlicher als auch privater, und die Verflechtung diverser Kompetenzbereiche. Das zweite Prinzip, die Prozeduralisierung, umschreibt die Einbindung kollektiver Akteure wie Verb~nde an der Formulierung und Umsetzung v o n - eventuell auch politischen- Entscheidungen. Durch die Einbindung unterschiedlicher und kollektiver Akteure k6nnen rein sektorale oder horizontal fragmentierte L6sungen sowie kontraproduktive Aktivit~iten vermieden werden. Kontextualisierung schlieglich bezieht sich auf die inhaltliche Konfiguration der Selbstorganisation. Entscheidend ist, inwieweit es den Akteuren gelingt, Handlungsspielr~ume zu nutzen und zu er6ffnen sowie Erfordernisse der Destinationsentwicklung mit zielkonformen Entscheidungen und Implementationsstrukturen zu verbinden. Regionale Selbstorganisation und die beschriebenen Prinzipien werden m6glich und unterstfitzt durch den Aufbau von Wissensnetzwerken, wobei die r~umliche N~he von Vorteil ist.838
Akteure der Selbstorganisation Selbstorganisation von Regionen beruht im Prinzip auf Freiwilligkeit. Far eine wettbewerbsffihige Entwicklung mfissen verschiedene Sektoren wie Wirtschaft, sozio-kulturelle Gesellschaft oder die Verwaltung zusammenarbeiten. Nur so k6nnen integrierte Angebote erstellt und einzigartige sowie schwer imitierbare Kernkompetenzen geschaffen werden. Daher liegt die Herausforderung regionaler Kooperationsformen in der Verbindung heterogener Akteure: -
-
-
Unternehmen, die sich am Markt orientieren; Kommunalpolitiker, die in ihrem Handeln primer von den w~hlenden Einwohnern und von den kommunalen Entscheidungsstrukturen beeinflusst werden; zivilgesellschaftliche Zusammenschlfisse wie Umweltverb~inde.
Die Akteure unterscheiden sich prinzipiell in ihren Handlungsorientierungen, in ihren Zielsetzungen und in ihrer Organisationsform. Die zusammenfassende Auflistung von Akteurgruppen zeigt, dass territorial orientierte Akteure (Politik, Verwaltung) mit funktional
837 Vgl. Roth, Ch., RegionaleSelbstorganisation,2003, S. 12 f. 838 Vgl. Effekter~iumlicherN~heaufNetzwerkbeziehungen,Teil II-3.4.7. 207
orientierten Akteuren (Organisationen, Verb~inde) interagieren mtissen. Neben der Unterscheidung zwischen territorialen und funktionalen Akteuren kann noch zwischen kompetitiven, d.h. am Markt ausgerichteten und solidarischen Akteuren, zum Beispiel Btirgerinitiativen, unterschieden werden. 839 Selbstorganisation ist abh~ingig von der Organisationsf~ihigkeit der Akteure. Meist spielen handlungsf'~ihige kollektive Akteure wie Organisationen, Verb~inde oder Organisationsverbtinde bei Selbstorganisation von gesellschaftlichen Teilsystemen eine bedeutende Rolle. 84~ Die Handlungsf~ihigkeit ist grog, wenn die Akteure Ressourcen und Einflusspotentiale btindeln sowie die Interessen des kollektiven Akteurs und nicht die Individualinteressen der Mitglieder im Vordergrund stehen. Mayntz und Scharpf unterscheiden innerhalb eines Sektors zwischen Leistungsstruktur (,industry structure') und Regelungsstruktur (,governance structure'), TM also zwischen Leistungserbringern und Akteuren, die bei der Selbstorganisation mitwirken. Die Trennung ist analytisch, denn vielfach haben Akteure beide Funktionen inne. Die Regelungsstruktur beeinflusst die Leistungsstruktur und somit die Leistungserstellung. Bei der Selbstorganisation stehen vor allem jene Akteure, Akteurkonstellationen und Institutionen im Vordergrund, welche die F~ihigkeit zur Formulierung und Implementation von Mal3nahmen oder Projekten, die erwfinschtes Verhalten von Kunden oder von anderen Akteuren hervorrufen, besitzen. 842 Dies setzt Organisationsf~ihigkeit der Akteure voraus. Es ist schwierig grof3e Populationen von Betroffenen zu organisieren, besonderes wenn die Interessen heterogen und ffir die Beteiligten von geringer Priorit~it sind. Dies ist bei TourismusDestinationen nur teilweise der Fall. Hier handelt es sich um eine gmndsfitzlich t~berschaubare Anzahl von Betroffenen, die grol3teils durch Produzenten- und Einkommensinteressen verbunden sind (zumindest die touristischen Leismngsersteller), auch wenn die Interessen im Detail dann doch divergieren k6nnen. Akteure, welche im Rahmen der Selbstorganisation zusammenkommen, sind meist organisiert, d. h. dass die Teilnehmenden Mitglieder oder Reprfisentanten von Organisationen sind. Die Akteure mtissen Weisungen befolgen oder ben6tigen die Einwilligung von ihren Organisationen, um Entscheidungen f'~illen zu k6nnen. Daher haben die Vertreter die Aufgabe, verschiedene Interessen zu balancieren wie die Interessen ihrer Organisation und die Interessen der Kooperation. Vielfach bestehen innerhalb der Organisationen mehrere Interaktionsebenen und die Unternehmen sind ihrerseits in verschiedene Verpflichtungen eingebunden. In solchen F~illen kann es sein, dass die Verhandler weniger gemeinsame Interessen verfolgen, sondern den Auftrag haben, m6glichst gewinnmaximierende L6sungen durchzusetzen. Benz schreibt in diesem Zusammenhang, dass ,,intraorganisatorische Regeln den Akteuren in der intergouvernementalen Politik Fesseln anlegen. ''s43 Dies gilt vor allem far Vertreter von Verbgnden oder Tourismusorganisationen. Untemehmer, die an der Spitze der Hierarchie stehen oder externe Berater k6nnen eher, ohne Rt~cksichtnahme auf externe Bindungen, L6sungen vorschlagen oder Entscheidungen treffen.
839 Vgl. Ftirst, D., Regional Governance,2004, S. 48 f. 840 Vgl. Mayntz, R., Politische Steuerungund gesellschaftlicheSteuerungsprobleme,1997, S. 200. 841 Vgl. Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Steuerungund Selbstorganisationin staatsnahen Sektoren, 1995, S. 16 ff. 842 ,,Besonders hoch ist die Organisationsf~ihigkeit des Sektors ftir Regelungszwecke, wenn schon die Leistungsstruktur nur aus wenigen, kollektiv handlungsf~ihigenGrof3organisationenbesteht" (Mayntz, R. & Scharpf, F.W., Steuerungund Selbstorganisationin staatsnahen Sektoren, 1995, S. 20). 843 Benz, A., Governance in Mehrebenensystemen,2004, S. 133. 208
Selbstorganisation basiert auf flexiblen Interaktionen und Kooperationen. Die Entwicklungsdynamik wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst:844 -
-
-
-
-
Entrepreneurship innerhalb der Destination: unternehmerisches Denken kann durch Handlungszw~inge zum Beispiel durch Wettbewerbsdruck verst~rkt werden; die Einbindung einflussreicher- meist wirtschaftlicher- Akteure: die Motivation zu und der Mehrwert von Kooperationen kann durch die Einbindung einflussreicher Akteure gesteigert werden; Vorstellung von der relevanten Region: die Wahrnehmung der Destination als Region und eine zweckgebundene Abgrenzung erleichtern eine dynamische Selbstorganisation; Zulassen von chaotischen oder nicht integrierten Initiativen, die sich erst mit der Zeit stabilisieren oder sogar institutionalisieren; Verknfipfung von Themen: ,Mehrthemenkooperationen' erm6glichen vielf~ltige Verhandlungen, intersektorale Kooperationen und Tauschgesch~ifte.
Selbstorganisation durch Verhandlung ,,Verhandlungen und Verhandlungsl6sungen sind deshalb erforderlich, weil die genannten Akteure zwar bei der Realisierung ihrer Handlungsorientierungen aufeinander angewiesen, aber letztlich nicht einseitigen Weisungen eines Akteurs oder mehrerer Akteure unmittelbar unterworfen sind.''845 Die Logik von interorganisatorischen Beziehungen, die durch Interaktion - ungeachtet divergierender Interessen der A k t e u r e - absichtsvoll kollektive Outputs wie das touristische Angebot produzieren, kann am Besten als Verhandlung beschrieben werden. 846 Diskursive Verfahren wie Verhandlungen dienen zur Aushandlung von Kooperationen. Sie sind somit ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Netzwerken, bei der Regulierung von Konflikten sowie bei der Einigung fiber Ziele und Strategien. Verhandlungen sind die prim~re Vorgehensweise, wenn sich mehrere Akteure organisieren und eine gemeinsame Entwicklungsstrategie festlegen m6chten. Grunds~tzlich kann unterschieden werden zwischen Selbstorganisation, die sich auf Probleme innerhalb der Destination bezieht und Selbstorganisation, die das Verhalten der Akteure fdr Auf3enstehende betrifft. Im ersten Fall, um den es bei der Destination Governance geht, ist das Ziel die Kompatibilit~t von interdependenten und substitutiven Akteuren. Dazu mfissen Akteure aus dem Netzwerkpool in Interaktion treten und durch Verhandlungen gemeinsame L6sungen definieren, Kooperationen eingehen oder Netzwerke aktivieren. Ziel von Verhandlungen ist die Ausarbeitung gemeinsamer Vereinbarungen. Grundlage ist die von Akteuren initiierte, zielgerichtete Koordination von Handlungen unter der Voraussetzung, dass die Akteure zwischen verschiedenen Alternativen wfihlen k6nnen. Verhandlungen beinhalten einen Interessen- und Ressourcenausgleich durch kollektive wie strategische Absprachen, wobei die gegenseitige Nutzenmehrung verfolgt wird. Durch der im Prozess innewohnenden Konfliktaustragung und Konsensbildung stellt Verhandlung ,,einen Akt der
844 Vgl. Benz, A. & Ffirst, D., Erfolgsbedingungenftir Regional Governance,2003, S. 198 f. 845 Heinelt,H., Governanceauf lokaler Ebene, 2004, S. 39. 846 Vgl. Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 480. 209
gesellschaftlichen Willensbildung" dar. 847 Ein Vorteil von Verhandlungen ist die generelle Einsetzbarkeit. Mit Hilfe dieses Koordinationsverfahrens k6nnen auch neu auftretende Problem- und Konflikte branchentibergreifend diskutiert und erschlossen werden. Ziel von Verhandlungen ist es normalerweise, Ergebnisse mit relativer Dauerhaftigkeit zu erreichen, sodass die Akteure von einer langfristigen Orientierung und einer entsprechenden Erwartungssicherheit profitieren k6nnen. Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges von Verhandlungen korreliert negativ mit den Faktoren Anzahl der Akteure, Transaktionskosten, Antizipation von Umsetzungsproblemen und Kosten der Vereinbarung. In Tourismus-Destinationen sind unterschiedliche Verhandlungsprozesse zu finden, welche einen Leistungsaustausch, Probleml6sungen oder die Verteilung von Nutzen und Kosten zum Gegenstand haben k6nnen. 848 Die Festlegung freiwilliger Standards ist einfach und auch effizient, wenn ein gemeinsames Interesse an einem koordinierten Vorgehen besteht und auch die angestrebte L6sung dem Interesse aller Beteiligten entspricht. Ftir einzelne ist es jedoch vielfach vorteilhaft, von der getroffenen Vereinbarung abzuweichen. Sie profitieren trotzdem, solange sich die fibrigen Akteure an vereinbarte L6sung halten. Schwierig wird Selbstorganisation d a n n - und diese Situation trifft auf Tourismus-Destinationen z u - wenn zwar das Interesse an einem koordinierten Vorgehen von vielen geteilt wird, jedoch gegens~tzliche Meinungen tiber L6sungen und Vorgehensweisen gegeben sind. 849 In Anlehnung an die verschiedenen Handlungsorientierungen der Akteure k6nnen typisierend unterschiedliche Verhandlungsstrategien ausgemacht werden:85o Kompetitive Strategie: Den anderen, in der Verhandlung beteiligten, Akteuren wird ein Gewinn zugestanden. Jeder Akteur ist jedoch bestrebt, die Differenz zwischen dem eigenen Gewinn und dem anderer Akteure zu maximieren. Jeder Beteiligte strebt also stets einen relativen Gewinnvorsprung an. Kooperative Strategie: Es wird die Erzielung eines maximalen gemeinsamen Gewinns angestrebt. Dem Einsatz entsprechend erfolgt die Gewinnverteilung. Altruistische Strategie: Ziel ist die Gewinnmaximierung anderer Akteure. Eine solche Strategie kann zum Beispiel von externen Beratem verfolgt werden. -
-
-
-
-
Egalit~re Strategie: Hier wird der Unterschied zwischen den Gewinnen der beteiligten Akteure minimiert. Diese Strategie kann dazu dienen, zuktinftige Ausgangspositionen bei eventuellen Anschlussverhandlungen zu verbessem. Punitive Strategie: In diesem Fall wird der Verlust anderer Akteure maximiert. Selbstvemichtungs-Strategie: Erwahnt sei auch diese Strategie, bei welcher durch die eigene Verlustmaximierung andere Akteure gesch/~digt werden.
Akteure k6nnen in verschiedenen Verhandlungen unterschiedliche Strategien verfolgen und dabei unterschiedliche Mittel wie Tausch, Drohung oder 15berredung einsetzen. Die angeftihrten Verhandlungsstrategien basieren auf den beiden Koordinationsmechanismen ,individualistische Konkurrenz von Akteuren' und ,gemeinschaftliche Kooperation unter
847 Klawitter,J., Staatstheorieals Steuerungstheorie?,1992, S. 209. 848 Vgl. Verhand|ung, Teil I-7.1.2; lnteraktionstbrmenin der Tourismus-Destination,Teil Ili-2.4. 849 Vgl. Mayntz, R. & Scharpt, F.W., Steuerungund Selbstorganisationin staatsnahen Sektoren, 1995, S. 21. 850 Vgl. Klawitter, J., Staatstheorie als Steuerungstheorie?,1992, S. 209 ff. 210
Akteuren'. Kooperative Verhandlungen werden dabei langfristig als erfolgreicher eingestuft als individualistische. Die Attraktivit~it der Ergebnisse und somit auch der Gewinn k6nnen im Vergleich zu anderen Strategien variieren. Zudem helfen kooperative Strategien Vertrauen zwischen den Akteuren aufzubauen, womit die Wahrscheinlichkeit des Erfolges zukfinftiger Verhandlungen steigt. Dies ist auch deshalb m6glich, da die Resultate von Verhandlungen nachvollziehbar sind und Zugestgndnisse bei frfiheren Verhandlungen dargestellt werden k6nnen. Wollen oder k6nnen Akteure zum Beispiel aufgrund zu hoher Kosten nicht verhandeln, so entsteht Verhaltensunsicherheit und die Handlungsf~ihigkeit der Akteure wird eingeschrgnkt. TM Koordinations- und Kooperationsprobleme lassen sich darauf zurfickfahren, dass die Vor- und Nachteile einer verhandelten Mal3nahme die Akteure in unterschiedlicher Weise und in verschiedenem Mal3e treffen. Das Verhalten der Akteure wird von deren Wahrnehmung der Auswirkungen beeinflusst. Verhandlungen k6nnen zwei verschiedene Ziele verfolgen, welche unter Umstgnden zu verschiedenen L6sungen fahren. Die unterschiedlichen Perspektiven sind:852 -
-
Interessenausgleich und optimale Probleml6sung.
Beide Ziele fahren zu einem kollektiven Entscheidungsergebnis, doch sind die dahinter stehenden Prozesse sehr unterschiedlich. Ein Interessenausgleich erfordert ,lediglich' negative Koordination, d. h. die Vermeidung von Nachteilen far andere Akteure. Damit es jedoch zu einer Probleml6sung kommen kann, braucht es kooperatives Zusammenwirken. Referenzpunkt ist die Destination und die Beurteilung der alternativen LSsungen bzw. der Verhandlungsergebnisse muss auf dieser Ebene erfolgen. Negative Koordination ist dann erreichbar, wenn die Betroffenen nicht selber oder nur teilweise in der Verhandlung eingebunden sind. Nur so ist es m6glich, Entscheidungen zu Lasten Dritten zu vermeiden. Bei der Probleml6sung hingegen ist es von entscheidendem Vorteil, wenn die L6sungssuchenden zugleich die verhandelnden Akteure darstellen. Die Ergebnisse des Interessenausgleichs und der Probleml6sung divergieren umso mehr, je weniger die aus Sicht der Destination beste Probleml6sung mit einer m6glichst hohen Summe individueller Nutzen identisch ist. In diesem Zusammenhang muss zwischen dem Nutzen ffir die Destination und dem Nutzen der verhandelnden Akteure unterschieden werden. Diese fallen auseinander, wenn individueller Nutzen kurzfristig und kollektiver Nutzen langfristig kalkuliert wird. Weiters ist m6glich, dass der Nutzen far die Destination auf einer anderen sachlichen Dimension angesiedelt ist, als ein entscheidungsrelevanter individueller Nutzen. Ein Beispiel ist Innovationsf6rderung versus Dom~nensicherung oder Streben nach kurzfristigen Ressourcengewinnen. In solchen Situationen stellt individuelles Nutzenstreben, das in anderen Situationen fiber Ausgleichszahlungen zu kollektiven Strategien fahren kann, keine Basis far die Erzielung der besten Probleml6sung dar und verlangt nach einem lenkenden Kontext. 8s3
ssl Vgl. Klawitter, J., Staatstheorie als Steuerungstheorie?,1992, S. 214. 852 Vgl. Knill, Ch., Policy-Netzwerke,2000, S. 120 ff; weiters Verhandlung, Teil I-7.1.2. 853 Vgl. Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 482. 211
Verhandlungen ohne Schatten der Hierarchie 854 In freiwilligen Verhandlungen sind Vorhaben nur dann konsensf~ihig, wenn sich alle beteiligten Akteure Vorteile davon versprechen. Profitieren alle Akteure von den Verhandlungen, so besteht die Gefahr, dass tendenziell zu viele Vorhaben realisiert werden, da die Beteiligten auch tiber die Grenze des Kaldor-Kriteriums h i n a u s - also sozial sch~idliche, jedoch individuell vorteilhafte - Mal3nahmen umsetzen wtirden. Ist dies nicht der Fall, so schwindet die Chance auf einvernehmliche Entscheidungen; den Akteuren bleibt es jedoch vorbehalten, im Alleingang zu agieren. Sind die Handlungsorientierungen der Akteure kompetitiv oder sogar feindselig, dann sind die Verhandelnden von vomherein nicht in der Lage, das Kaldor-Optimum anzustreben. In der Normalsituation- und davon kann in den Tourismus-Destinationen ausgegangen w e r d e n - haben alle Beteiligten den eigenen Nutzen im Auge und sind sich nicht feindselig gesinnt. Hier kann es far den Erfolg von Verhandlungen entscheidend sein, wenn Nutzenunterschiede durch Ausgleichszahlungen oder Koppelgesch~ifte kompensiert werden k6nnen. Ausgleichszahlungen fahren bei freiwilligen Verhandlungen zu solchen Ergebnissen, die dem Kaldor-Kriterium entsprechen und insgesamt einen positiven Nutzensaldo aufweisen, d. h. Nachteile von Betroffenen k6nnen durch den erzielten Gewinn ausgeglichen werden. Vorhaben mit negativem Nutzensaldo hingegen werden bei freiwilligen Verhandlungen verhindert, da die Benachteiligten eine Veto-Position einnehmen. Sind Ausgleichszahlungen, aus welchen Grtinden auch immer, nicht m6glich oder unangebracht, so k6nnen Verhandlungsl6sungen durch Koppelgesch~ifte erreicht werden. Man ist bereit, Nachteile in Kauf zu nehmen, wenn die anderen Akteure bei anderen Verhandlungen ebenso bereit sind, nachteilige L6sungen zu akzeptieren. Das Problem ist oftmals, dass nicht gentigend vergleichbare Vorhaben zur Disposition stehen, um Koppelgesch~ifte t~itigen zu k6nnen. Neben den m6glichen vorteilhaften Kombinationen von Vorhaben braucht es far Koppelgesch~ifte Informationen und entsprechende Verarbeitungskapazit~it sowie grunds~itzlich kooperative Handlungsorientierungen. Verhandlungen haben im Vergleich zu Hierarchie oder Markt eine Schw~iche und dies ist die Regelung von Verteilungskonflikten. Im Markt wird Verteilung durch den Preis geregelt und in der Hierarchie durch Autorit~it. ,,Verhandlungssysteme dagegen s i n d - anders als der Markt zur expliziten Regelung von Verteilungsfragen gezwungen, aber sie sind d a f a r - anders als die Hierarchie - in jedem Fall auf das Einvernehmen der unmittelbar Beteiligten angewiesen. ''855 Faire Verteilung des durch die Verhandlung erzielten Nutzens ist notwendig, um Vereinbarungen langfristig aufrecht halten zu k6nnen. Insgesamt gilt, je gr6f3er die sachliche, zeitliche und soziale Heterogenit~it der Interessen der beteiligten Akteure, desto schwieriger die Verstgndigung und die Einigung tiber eine ausgewogene L6sung. In diesen F~illen sind institutionelle Rahmenbedingungen (Schatten der Hierarchie) notwendig, um far die Entwicklung der Destination notwendige L6sungen durchzusetzen. D. h. dass Selbstorganisation in Tourismus-Destinationen in erster Linie horizontal, also zwischen den verschiedenen Akteuren abl~iuft. Diese Selbstorganisation muss jedoch in vertikale Prozesse eingebettet sein, um Verhandlungsblockaden oder Verteilungskonflikte zu 16sen. -
854 Vgl. Scharpf, F.W., Koordinationdurch Verhandlungssysteme,1992, S. 51 ff. 855 Scharpf,F.W., Koordinationdurch Verhandlungssysteme,1992, S. 76. 212
Verhandlungen im Schatten der Hierarchie ,,Ideale Verhandlungssysteme sind zwar unter Effizienzgesichtspunkten nicht schlechter als ideale Zentralisierung zu beurteilen; restringierte Verhandlungssysteme jedoch, in denen Ausgleichszahlungen nicht oder nur eingeschr~inkt m6glich sind, schneiden schlechter ab als zentralisierte Systeme, die auf Ausgleichszahlungen nicht angewiesen sind. ,,856 Verhandlungen, die in eine Autorit~itsstruktur eingebettet sind, unterscheiden sich von ,freien' Verhandlungen, denn eine hierarchische Autorit~it ist in der Lage, die Akteure zu koordinieren oder zumindest zu beeinflussen. Gmnds~itzlich muss unterschieden werden zwischen gesellschaftlicher Selbstregelung ohne direkte Mitwirkung von autorit~iren Institutionen und dem Zusammenwirken von privaten und 6ffentlichen Akteuren bzw. dem direkten Einfluss von ,oben'. Wo Institutionen nicht unmittelbar bei der Selbstorganisation mitwirken, ist der Einfluss anders, aber durch die Signalwirkung kaum geringer. Stets ver~gen hierarchische Autorit~itsstmkturen letzten Endes tiber ausschlaggebende Interventionsm6glichkeiten, tiber Kompetenz zur Ratifizierung getroffener Vereinbarungen oder k6nnen bei Nichteinigung der verhandelnden Akteure Entscheidungen treffen. Insgesamt k6nnen die Einflussm6glichkeiten wie folgt zusammengefasst werden: -
Beeinflussung der Zusammensetzung und der Struktur von Akteurkonstellationen, Festlegung oder Ver~indemng der Spielregeln (prozedurale Regelung), Gew~ihmng selektiver Untersttitzung,
-
Ver~indemng der Handlungsorientierung durch Anreize, Weiterbildung, lJberzeugungsarbeit oder Information und
-
autoritative Entscheidung.
Besonders bei Selbstorganisation kann durch minimale Modifikation der Spielregeln das Kr~ifteverh~iltnis der Akteure und somit auch das Verhandlungsergebnis ver~indert werden. Normalerweise findet zwischen den Akteuren, die eine Selbstorganisation anstreben, und der hierarchischen Autorit~it ein Austausch statt, sodass die Beteiligten wissen, far welche Vorhaben sie von ,oben' Untersttitzung erwarten k6nnen. Da die verhandelnden Akteure die obere Ebene jedoch nicht st~indig um Hilfe bitten k6nnen, ohne diese zu tiberlasten oder ohne den ,good will' der Autorit~iten auf Spiel zu setzen, herrscht Einigungsdruck bei der horizontalen Selbstkoordination. Der gemeinsame Vorgesetzte kann dann kontaktiert werden, wenn Akteure in den Verhandlungen keine Chance sehen, eine Position durchzusetzen, die zum Beispiel den Zielen der kommunizierten Tourismuspolitik entsprechen wtirde oder wenn unfaire Verhandlungsstrategien gefahren werden. Insgesamt kann daraus abgeleitet werden, dass Verhandlungen, die in eine hierarchische Struktur eingebettet sind, unter ansonsten gleichen Bedingungen eher zur Einigung ftihren als ,freie' Verhandlungen. Auch werden Verhandlungen beeinflusst vonder Antizipation einer hierarchischen Reaktion. Scharpf ~hrt hierzu aus, dass die Akteure nur dann handeln kOnnen- innerhalb des von der Tourismuspolitik vorgegebenen Rahmens -, wenn sie sich untereinander einigen oder wenn sie die hierarchische Autorit~itsstruktur einbinden. Dieser Mechanismus verhilft den Autorit~itsstrukturen zu grofSem Einfluss: Institutionelle Parameter ver~indem die
856 Zintl, R., Kooperation und Aufteilungdes Kooperationsgewinns, 1992, S. 138. 213
Verhandlungsmacht und somit die zu erwartenden Vereinbarungen und L6sungen. 857 Neben diesen direkten Eingriffen sollten institutionelle Arrangements zum einen die handelnden Akteure nicht nur auf die eigenen, sondern auch auf die Vor- und Nachteile der gesamten Destination aufmerksam zu machen. Zum anderen k6nnen die Bedingungen far einen fairen Nutzenausgleich zwischen Begt~nstigten und Benachteiligten verbessert werden. 858 Institutionen k6nnen somit die Auswahl alternativer Vorhaben beeinflussen.
3.3.5 Netzwerkpool ,,Denn die Reproduktion von Unternehmungsnetzwerken im 6konomischen Proze6 l~i6t sich nur als spezifisch raum- und kontextgestaltenden Proze6 begreifen. Das impliziert, da6 man 6konomische Raumstrukturen, die so etwas wie eine elementare Ebene des 6konomischen Prozesses darstellen, ins Blickfeld rtickt.''859 Akteure in Tourismus-Destinationen stellen aufgrund der r~iumlichen N~ihe und des zu erbringenden Leistungsbtindels einen Netzwerkpool dar, 86~ der schon alleine durch den gegebenen Handlungsdruck zur Aktivierung von Netzwerken anregt. Ein Netzwerkpool kann somit als Interdependenzmuster interpretiert werden. Grfinde far die Entstehung von Netzwerken bzw. far eine bewusste Interdepedenzgestaltung sind Tauschprozesse, strategische Interaktionen wie Markterschlie6ungen oder Probleme, die kollektives Handeln verlangen. TM In solchen F~illen aktivieren sich Netzwerke, die keineswegs alle Akteure des Pools (der Destination) einschliel3en mtissen. W~ihrend im Netzwerkpool die Ressourcen auf die verschiedenen Akteure verteilt sind, werden durch die Grtindung von Netzwerken die Ressourcen und Handlungen gebtindelt. Dabei verdichten sich die Beziehungen und aus ungeplanten und locker koordinierten Interaktionen und Aktivit~iten bilden sich geordnete Prozesse. Die Einbindung verschiedener Branchen ist von Vorteil. 862 Eine Destination ist weit mehr als ein als geographischer Standort far wirtschaftliche Einheiten, sondern ist zu verstehen als spezieller Zusammenhang r~iumlicher Kooperationsund Interaktionsbeziehungen. Dieser Zusammenhang ist wesentlicher Bestandteil der Einzigartigkeit und Wettbewerbsf~ihigkeit von Destinationen. Intersektorale und interdisziplin~ire Kooperationen sind far innovatorische Prozesse wesentlich, ebenso wie die Qualit~it des Austausches zwischen Akteuren sowie die Bereithaltung und Schaffung von Netzwerken. 863 In dieser Arbeit wird ein Netzwerkpool als latent vorhandene Beziehungskonstellation verstanden. Diese Definition bildet einen 0bergang zwischen reinen Marktbeziehungen und Netzwerken und verdeutlicht die Vielf~iltigkeit m6glicher Beziehungen. Aus einer allgemeinen kompetitiven und komplement~iren Vernetzung entstehen spezifische (aktivierte)
857 Vgl. Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 323 ff. 858 Vgl. Scharpf, F.W., Koordination durch Verhandlungssysteme, 1992, S. 89 ff. 859 Hessinger, P., Vernetzte Wirtschaft und 6konomische Entwicklung, 2001, S. 83. 860 Andere Bezeichnungen sind Netzwerkplattform, Basisnetzwerk, Kooperationspotential oder Beziehungspotential (vgl. Frey, M., Netzwerkmanagement,2002, S. 39). 861 Vgl. Mayntz, R., Policy-Netzwerke, 1996, S. 480. 862 Hessinger spricht in diesem Zusammenhang von Sph~irenintegrationund Spharentiberbdackung als doppelte Funktion unternehmerischen Handelns (vgl. Hessinger, P., Vernetzte Wirtschaft und Okonomische Entwicklung, 2001, S. 132). 863 Vgl. Ftirst, D. & Schubert, H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 352 ff. 214
Netzwerke, mit einer einzigartigen Zusammensetzung, internen Strukmr, Arbeitsweise und mit legitimierten Ergebnissen. 864 Der Netzwerkpool umfasst die Akteure einer Destination, welche aufgrund bestimmter Eigenschaften die Voraussetzung zur Teilnahme an (aktivierten) Netzwerken haben. Der Pool ist im Allgemeinen heterogen, da die Akteure unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbereichen angeh6ren. Von grol3er Bedeutung sind vor allem jene Akteure, die Verbindungen zwischen verschiedenen Bereichen oder Sektoren herstellen. Der Netzwerkpool hat normalerweise keine formale Organisationsstruktur. Die Verbindungen resultieren vielmehr aus der r~iumlichen Nahe der Akteure und aus dem Verhalten der G~iste.865 Es kann zwischen einem latenten und einem aktivierten Netzwerkpool unterschieden werden. Der latente Netzwerkpool umfasst potentielle Netzwerkpartner. Er bildet eine Teilmenge, aus welcher sich Mitglieder mr ein aktives Netzwerk rekrutieren lassen. Vielfach ist ein derartiger latenter Netzwerkpool nur schwer bestimmbar, da die N~ihe zu aktiven Netzwerken nicht immer offensichtlich ist. In bestimmten FNlen kann jedoch eine Institutionalisierung des latenten Pools erfolgen und eine klare Abgrenzung erm6glichen. Somit erfolgt eine Aktivierung des Netzwerkpools. s66 In Tourismus-Destinationen kann zum Beispiel der institutionelle Rahmen eine solche Aktivierung herbeiftihren. ,,Das Zusammenschliel3en von offenen Netzwerkoptionen wird durch das Zusammenleben in demselben (regionalen) Lebens- und Bezugsraum, durch den Besuch derselben Ereignisorte und durch Teilen derselben normativen Erwartungen begtinstigt. ''867 Die r~iumliche N~ihe und Einbettung, so wie das bei den Akteuren von Tourismus-Destinationen der Fall ist, f6rdert und erleichtert den kommunikativen, wirtschaftlichen und politischen Austausch. Die Verbindungen sind vor allem wegen der Dauerhaftigkeit r~iumlich korrelierender Beziehungen und wegen der komplement~iren Leistungserstellung durchaus von Gegenseitigkeit bestimmt. Somit tr~igt die r~iumliche N~ihe wesentlich zur Generierung und Dynamik des Netzwerkpools in Destinationen bei. Erfolgreiche Kooperationen beruhen nicht zuletzt auf stabilen Erfahrungen der Vergangenheit und verl~isslichen Beziehungen der Gegenwart. Dieses Wissen hilft den Akteuren sich im Netzwerkpool zu bewegen.
3.3.6 Vom Netzwerkpool zu aktivierten Netzwerken Der Netzwerkpool repr~sentiert die MOglichkeit der Zusammenarbeit und die dahinter stehenden Potentiale. 868 Diese Potentiale sind:869 -
Potentiale der Bfindelung und Zentralisierung durch Zusammenlegung von Ressourcen und Vermeidung von Redundanzen;
864 Vgl. Schubert, H., Netzwerkmanagement,2004, S. 183. 865 Vgl. RgumlicheAbgrenzungvon Destinationen,Teil III-1.4. 866 Vgl. Mack, O., Konfiguration und Koordinationvon Untemehmungsnetzwerken,2003, S. 128. 867 Schubert,H., Netzwerkmanagement,2004, S. 189. 868 Windeler unterscheidet in diesem Zusammenhangzwischen potentiellen und tatsgchlichen Interaktionen, in denen der Austausch unterschiedlicher Gfiter und Dienstleistungen erfolgen kann (vgl. Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke,2001, S. 34). 869 Vgl. Mack, O., Konfiguration und Koordination von Unternehmungsnetzwerken,2003, S. 139; MfillerStewens, G. & Lechner,Ch., StrategischesManagement,2001, S. 466 ff. 215
-
-
-
-
Potentiale des Transfers vor allem von Wissen; Potentiale der Integration und Restrukturierung durch M6glichkeiten der Adaption und Optimierung der Aktivit~iten sowie der Gesamtabstimmung der tibergreifenden Wertsch6pfungskette der Destination; Potentiale durch Erg~inzung und durch einen schnellen, erweiterten und/oder verbesserten Zugang zu knappen Ressourcen oder spezifischem Know-how; Potentiale durch Ausgleich aufgrund der M6glichkeit eines untemehmungstibergreifenden Kapazit~itsmanagements in der Destination, um zum Beispiel zyklische oder auch azyklische Nachfrageschwankungen besser zu kompensieren.
Die Akteure haben unterschiedliche Kompetenzen und Ressourcen. Diese Heterogenit~it macht die Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit von kooperativen dezentralen Ans~itzen aus. Die im Netzwerkpool vorhandenen Potentiale reichen jedoch nicht aus, um ein Netzwerk zu aktivieren. Eine weitere Voraussetzung ist das soziale Beziehungsfeld. Die Akteure einer Destination bilden zwar einen Netzwerkpool, trotzdem kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Akteure ohne Aufwand miteinander agieren k6nnen. Die Interaktionen werden beeinflusst v o n d e r (Nicht)Existenz von Verbindungen der Akteure innerhalb des Pools. Diese Verbindungen erzeugen selektive Gelegenheitsstrukturen, innerhalb derer ein erster Austausch stattfindet. ,,Manche Akteure ver~gen tiber mehr Verbindungen, durch welche sie andere Akteure erreichen k6nnen, mit denen sie u.U. tiber wechselseitig vorteilhafte EinfluBm6glichkeiten verhandeln k6nnen. ''87~ Soziale Beziehungen im Netzwerkpool k6nnen auf unterschiedlichen Ebenen bestehen. TM Zum einen ist dies die personelle Ebene, auf welcher Individuen Beziehungen zu anderen pflegen. Denkbar sind hier sowohl famili~ire Verbindungen oder private Bekanntschaften als auch fachlicher Austausch. Eine weitere Ebene ist die Unternehmensebene oder Ebene der kollektiven Akteure. Diese Ebene umschreibt die Beziehungen innerhalb von Unternehmen oder des Tourismusverbandes. Derartige Verbindungen k6nnen die Konstituierung eines Netzwerkes begrtinden oder erleichtern. Eine dritte Ebene ist jene der akteurtibergreifenden eventuell sogar institutionellen Verbindungen. Sie umfasst die Beziehungen zwischen einer Gruppe von Akteuren mit ~ihnlichen Merkmalen und Interessen. Die Arbeit an diesen Beziehungen kann den Pool stabilisieren und die Aktivierung von Netzwerken untersttitzen. 872 Die Beziehungsstrukturen in einem Netzwerkpool und auch in einem aktivierten Netzwerk k6nnen durch verschiedene Eigenschaften und Mal3zahlen charakterisiert werden:873 -
Dichte (Verbindungen und realisierte Beziehungen),
-
Gr613e(Anzahl der Akteure, sowie GrOl3e des Einflussraumes),
-
Clusterung (Cluster mit hoher Dichte),
-
Offenheit (Verbindungen zwischen Clustern oder Branchen),
-
Erreichbarkeit (M6glichkeit der Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren), Konnektivit~it (direkte und indirekte Verbindungen).
870 Scharpf, F.W., Interaktionsformen,2000, S. 237. 871 Vgl. Mack, O., Konfigurationund Koordinationvon Unternehmungsnetzwerken,2003, S. 140 f. 872 Vgl. Frey, M., Netzwerkmanagement,2002, S. 39. 873 Vgl. Mack, O., Konfiguration und Koordination von Unternehmungsnetzwerken,2003, S. 51; B6ttcher, R., Global Network Management, 1996, S. 99. 216
Durch Faktoren wie r~umliche N~he oder gemeinsame Kultur werden diese Eigenschaften positiv beeinflusst. Wesentlich ist, dass es Akteure gibt, die in der Lage sind, kollektive Interessen zu formieren, zu artikulieren und t~ber Verhandlungen zu vermitteln. Hier kann der institutionelle Rahmen f6rdernd eingreifen. Die im Netzwerkpool vorhandenen Potentiale sowie die Beziehungen zwischen den Akteuren ergeben zusammen die Netzwerkf~higkeit einer Destination. Kommt Netzwerkwilligkeit dazu, kommt es zur Aktivierung von Netzwerken. ,,Das aktive Netzwerk kann als das tats~chliche Feld der gemeinsamen Leistungserstellung der Partner verstanden werden. Damit werden die bisherigen Merkmale des Netzwerkpools um das konkrete Tun in Form der tats~chlichen Zusammenarbeit erg~nzt. ''874 Abbildung 41 zeigt die Zusammenh~nge.
-
Netzwerkf'~higkeit
-
Akteure Potentiale Kompetenzen Ressourcen Verbindungen (Beziehungen)
Netzwerkwilligkeit (Handlungsorientierung)
_ . . .
Netzwerkpoo| r~iumliche N~ihe Kultur Werte Normen . . .
Netzwerk-Aktivierung Abbildung 41: Netzwerkpool und Aktivierung von Netzwerken Quelle: In Anlehnung an Mack, O., Konfiguration und Koordination von Unternehmungsnetzwerken' 2003, S. 141. Wichtig ist, dass trotz aktivierter Netzwerke die Pflege des Netzwerkpools nicht vergessen wird. Zum einen mfissen Destinationen Netzwerke ,bereithalten', da es nicht m6glich ist, eine alle Akteure erfassende Vernetzung aufrecht zu halten. Zum anderen gilt es aktivierte Netzwerke zu kontrollieren und zu integrieren sowie die Kommunikation zwischen bestehenden Netzwerken zu f6rdem, damit sich aktivierte Netzwerke nicht v611ig vom Pool abgrenzen. 875 Ein Netzwerkpool ist dann dynamisch und kann seine Funktionen erffillen,
874 Mack, O., Konfiguration und Koordination von Unternehmensnetzwerken,2003, S. 145. 875 Schwache Bindungen zwischen Netzwerken mit starken Bindungen bieten gute Voraussetzungen, dass Informations- und Innovationstransfer zustande kommt (vgl. Ffirst, D. & Schubert, H., Regionale Akteursnetzwerke, 1998, S. 352 ff.). 217
wenn es gelingt eine ergebnisbezogene Solidaritgt, eine gemeinsame Wahrnehmung der gegenwgrtigen Situation und eine Geschlossenheit far m6gliche zukfinftige L6sungen bzw. Handlungsschritte zu erzeugen. Unterstfitzend wirken hier komplementgre Synergieeffekte, die motivieren und von den Vorteilen der Zusammenarbeit fiberzeugen. Zusammenfassend liegt die Herausforderung darin, regionale Verflechtungen und Interaktionen zu generieren, zu beobachten und zu gestalten. Das entwickelte Governance-Modell sieht den Netzwerkpool Destination als Arena der m6glichen Selbstorganisation. Ziel ist die Nutzung des Wissens der lokalen Akteure sowie die Entwicklung gemeinsamer Strategien und aktivierter Netzwerke aufgrund von Verhandlungen. Im Vordergrund stehen damit Probleme, Vorteile und Funktionen von Verhandlungssystemen und Netzwerken. Die durch diese Beziehungen aktivierten Netzwerke sind jedoch nicht per se erfolgreich. Vielmehr mfissen sie bewusst entwickelt und gemanagt werden. Das Netzwerkmanagement stellt im Modell eine weitere Steuerungsebene dar, mit welcher sich der n~ichste Abschnitt befasst.
3.3.7 Netzwerkmanagement ,,Das Handeln im Netzwerk muss eine Richtung bekommen .... Gelingt diese inhaltliche Ausrichtung nicht oder geht sie verloren, dann wird Kooperation zum Selbstzweck, der im wesentlichen darin bestehen dfirfte, die Aufrechterhaltung der Netzwerkstruktur um jeden Preis zu gewfihrleisten und Privilegien der Beteiligten abzusichern. ''s76 Der Netzwerkpool ist gekennzeichnet durch undeutliche Grenzen, schwache Formalisierung und verschiedene Interessenkonflikte. Aktivieren sich aus diesem Pool Netzwerke, so ist es wichtig, dass diese Charakteristika fiberwunden werden. Das Management von Netzwerken ist notwendig, da die Abstimmung von Zielen und Interessen sowie die Ausrichtung und Entwicklung von Netzwerken nicht automatisch erfolgt, sondern der Steuerung bedarf. Die Begriffsbestimmung ist nicht eindeutig und vielfach wird Netzwerkmanagement fiber die wesentlichen Aufgaben bestimmt: ,,Aufbau, Pflege und Erhalt der Netzwerkstrukturen und -beziehungen sowie deren synergienutzende Koordination." Es handelt sich um Aufgaben, die ,,zur Gestaltung der Zusammenarbeit in sachlicher, zeitlicher und sozialer Dimension fiber den gesamten Lebenszyklus der Zusammenarbeit ... notwendig sind, um die angestrebten Wirkungen hinsichtlich einer h6heren Dynamik und Flexibilitgt zu realisieren. ''877 Das Management von Netzwerken ist aus verschiedenen Grfinden komplex. Zum einen werden in Netzwerkstrukturen zunehmend komplexere Aufgaben angegangen, da immer hgufiger Branchengrenzen fiberwunden werden mfissen. Zum anderen sind die beteiligten Akteure vielfach nicht nur in einem, sondern in mehreren Netzwerken eingebunden. Letztlich ist Netzwerkmanagement ein Management von Spannungsverhgltnissen:878 - Autonomie versus Abhgngigkeit; -
Vertrauen versus Kontrolle;
-
Kooperation versus Wettbewerb;
876 Messner,D., Netzwerkgesellschaft,1995, S. 308. 877 Wildemann,H., Entsorgungsnetzwerke,1996, S. 326 f. 878 Vgl. Sydow,J., Managementvon Netzwerkorganisationen,2003, S. 318 f. 218
-
-
-
-
Flexibilitfit versus Spezifit~it; Vielfalt versus Einheit; Stabilitfit und Herrschaftssicherung versus Fragilit~it und Wandel; Formaliffit versus Informalitiit.
Mit diesen Spannungsverh~iltnissen muss sowohl auf Akteurebene als auch auf Netzwerkebene umgegangen werden. Eine wesentliche Managementkompetenz besteht in der Balancierung dieser Verhfiltnisse.
Grundformen der Netzwerksteuerung Netzwerke k6nnen entweder eine heterarchische (polyzentrische) Steuerungsform, d. h. die Steuerung ist auf die beteiligten Akteure verteilt, oder eine hierarchische (fokale) Steuerungsform, d. h. ein oder mehrere Akteure dominieren die Netzwerkentwicklung, aufweisen. 879 Die Unterscheidung ist in erster Linie analytisch und soll nicht darfiber hinweg ffiuschen, dass in der Praxis verschiedene Auspr~igungen und Zwischenformen der Normalfall sind. Trotzdem gibt es meist eine dominante Koordinationsform, welche vielfach von der gegebenen Situation gepr~igt ist und welche die Netzwerkentwicklung beeinflusst. Grunds~itzlich bieten Hierarchie und Heterarchie unterschiedliche M6glichkeiten auf die im Netzwerk ablaufenden Prozesse Einfluss zu nehmen und verlangen nach unterschiedlichen Steuerungskompetenzen. 88~ Von den Grundformen der Netzwerksteuerung kann nicht automatisch auf andere Charakteristika geschlossen werden. Umgekehrt sagen allgemeine Merkmale wie Strategie oder zeit-r~iumliche Lokalisierungen wie lokale oder intemationale Netzwerke nichts fiber die zugrunde liegende Steuerung aus. TM Hierarchisch gesteuert und koordiniert sind solche Netzwerke, in denen die Beziehungen und Interaktionen der Akteure eine hierarchische Form aufweisen. Merkmale sind Unter- und lJberordnungen, d. h. in Raum und Zeit bestehende Abhfingigkeiten basierend auf Autorit~itsund Machtasymmetrie. Dementsprechend weisen die Interaktionen teilweise anweisungsfihnliche Formen auf. Normalerweise gibt es in solchen FNlen ein natfirliches Ffihmngsuntemehmen 882 oder einen erkennbaren und akzeptierten Netzwerkkoordinator, der seine Position relativ dauerhaft zugewiesen bekommt und durchsetzen kann, sodass die hierarchische Form faktische Geltung erlangt. Je nachdem wie ausgepr~igt die Hierarchie ist, bleibt den beteiligten Akteuren ein Handlungsspielraum und sei es, aus dem Netzwerk auszutreten. 883 Diese ,exit'-M6glichkeit verdeutlicht, dass ein Netzwerk niemals vollsffindig von zentraler Stelle aus gesteuert werden kann. Durch die Autonomie der Akteure greifen Fremd- und Selbststeuerung subtil ineinander. 884 Autorit~it in Netzwerken und in Unter-
879 Vgl. Mack, O., Konfiguration und Koordination von Untemehmungsnetzwerken, 2003, S. 214 f.; Sydow, J. et al., Kompetenzentwicklung in Netzwerken, 2003, S. 79 f.; Windeler, A., Untemehmungsnetzwerke, 2001, S. 39 ff. ss0 Vgl. Sydow, J. et al., Kompetenzentwicklung in Netzwerken, 2003, S. 79 ff. 88~ Vgl. Windeler, A., Untemehmungsnetzwerke,2001, S. 40 f. 882 Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 85. 883 Vgl. Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke, 2001, S. 43 ft. 884 Vgl. Sydow, J., Management von Netzwerkorganisationen, 2003, S. 306. 219
nehmen ist somit nicht g l e i c h - ihr Ursprung ist ein anderer. Beispiele ftir den Erwerb von Autorit~it in Netzwerken sind 6konomische Ressourcen, Wissensvorsprung oder Reputation. Die Heterarchie kann allgemein als Gegenprinzip zur Hierarchie gesehen werden. 885 W~ihrend die Hierarchie monozentrisch angelegt ist, basiert die Heterarchie auf polyzentrischen Strukturen. Die Koordination erfolgt gemeinsam oder durch gemeinsam festgelegte, zeitweilige Ubertragung auf einen bestimmten Akteur oder einer Gruppe von Akteuren. Die Ubertragung der Aufgaben ist grunds~itzlich wieder riickg~ingig zu machen, da sich ansonsten die Delegation zu einer hierarchischen Koordinationsform wandeln wtirde. 886 W~ihrend bei der Hierarchie groBe Machtasymmetrien zu beobachten sind, sind in heterarchischen Netzwerken sowohl Autorit~it als auch Macht tendenziell gleich verteilt. Bei einer tiberschaubaren Anzahl von Akteuren werden die Netzwerkbeteiligten unter Umst~inden zur ,stillschweigenden Ubereinkunft' gezwungen, um den sanktionierenden Reaktionen der anderen Akteure zu entgehen. 887 D. h., dass das Netzwerk letztlich durch das Eigeninteresse der Akteure gesteuert wird. Macht die Anzahl der beteiligten Akteure die Beobachtung der anderen schwierig oder kann das Verhalten der Partner nur mit Verz6gerung bewertet werden, ist es notwendig, Managementeinheiten zu schaffen. Diese haben die Aufgabe die Entwicklung des Netzwerkes und das Verhalten der Beteiligten zu beobachten und zu lenken.
Integrierte versus unabh~ngige Managementeinheit Unabh~ingig davon, ob es sich um hierarchische oder heterarchische Netzwerke handelt, braucht es eine Steuerungs- bzw. Managementeinheit, welche sich um Fiihrungsbelange und um strategische Aufgaben ktimmert. Abbildung 42 fasst die Vor- und Nachteile von integrierten im Unterschied zu ausgelagerten Managementeinheiten zusammen: M a n a g e m e n t e i n h e i t
UnabhiingigeManagementeinheit
z. B. fokales Unternehmen oder Steuerungsaussch uss
z. B. neutraler Geschdfisfiihrer oder Unternehmensberatung
-
-
Integrierte
Vorteile
-
Nachteile
-
problemnah kurze Entscheidungswege dichte Kommunikation Eigeninteresse Gefahr der Arbeitstiberlastung Gefahr einseitiger Parteinahme
-
-
-
unabh~ingigeStellung in Interessenkonflikten Entlastung der Netzwerkakteure Professionalit~it keine unmittelbare Durchsetzungskraft Organisations- und Legitimitgtsaufwand Gefahr von Interessenkonflikten zwischen Management einheit und Netzwerkakteuren
Abbildung 42: Vor- und Nachteile integrierter und unabh~ingiger Managementeinheiten Quelle: In Anlehnung an Brussig, M. et al., Regionale Netzwerke, 2001, S. 90.
885 Heterarchie leitet sich aus dem Griechischen ab: heteros = der andere. Sie kann als eine Herrschaft der Nachbarschaft bzw. als ,Herrschaft wechselnder Vieler' interpretiert werden (vgl. Mack, O., Konfiguration und Koordinationvon Unternehmungsnetzwerken,2003, S. 215). 886 Vgl. Sydow, J. et al., Kompetenzentwicklungin Netzwerken, 2003, S. 84. 887 Dies entspricht der ,Yheorie des oligopolistischenWettbewerbs nach Chamberlin (1933) (vgl. Genosko, J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 85). 220
Bei integrierten Managementeinheiten besteht die M6glichkeit, einen externen Moderator einzubinden. Ein solcher Moderator muss auf die Interessen der Netzwerkakteure Rficksicht nehmen und gleichzeitig den institutionellen Kontext im Blickfeld haben. Diese Varianteintegrierte Managementeinheit mit Einbindung eines externen Moderators- scheint in vielen strategischen Belangen ,,das erfolgsversprechendste Steuerungsmodell" zu sein, sgs denn es verbindet die Vorteile von integrierten und unabh~ngigen Managementeinheiten. Innerhalb der Managementeinheit gilt normalerweise das Konsensprinzip.
Strategische Aufgaben des Netzwerkmanagements Die Steuerung von Netzwerken muss sowohl mit dem Einfluss unberechenbarer fiul3erer Umweltbedingungen umgehen, als auch die Interessen einer Vielzahl heterogener Akteure koordinieren, wobei Wettbewerb und Kooperation balanciert werden mfissen. Das Netzwerkmanagement muss von Anfang an aktiv sein bzw. bereits die Konstituierung begleiten. Schubert unterscheidet vier Steuerungsebenen, welche als die entscheidenden strategischen Aufgaben des Netzwerkmanagements interpretiert werden k6nnen. Dies sind die Bestandsaufnahme des Akteurfeldes sprich des Netzwerkpools, die Festlegung der Aufbauorganisation bzw. der Netzwerkarchitektur, das Prozess- und Projektmanagement sowie die Entwicklung von Netzwerkkompetenzen. ss9 Nachfolgend werden sie diskutiert. Bei der Bestandsaufnahme des Akteurfeldes muss zwischen zwei Akteurkategorien unterschieden werden. Zum einen gilt es jene Akteure des Netzwerkpools ausfindig zu machen, die bei der Aktivierung des Netzwerkes als Partner in Frage kommen bzw. yon Bedeutung sind und zum anderen mfissen die wesentlichen Stakeholder und positiv oder negativ betroffene Akteure ermittelt werden. Bei der Partnerwahl sollten die bestehenden Vorvernetzungen ausgemacht, die verschiedenen Interessen identifiziert und die Ressourcen der potentiellen Partner ausgelotet werden. Wichtig sind vor allem jene Akteure, die eine grol3e Macht bezfiglich der spezifischen Thematik der Zusammenarbeit haben und diese auch zur Geltung bringen wfirden. Diese Gruppe muss von jenen Akteuren unterschieden werden, die zwar einen hohen Willen zur Machtausfibung artikulieren, deren Macht im Bereich der spezifischen Zusammenarbeit im Bezugsraum jedoch begrenzt ist. Bei der Stakeholderanalyse ist es fihnlich wie bei der Partnerauswahl notwendig, jene Stakeholder zu ermitteln, die Einfluss auf das Netzwerk nehmen k6nnen. Die Interessen dieser Akteure mfissen bei der strategischen Ausrichtung berficksichtigt werden. Innerhalb des Netzwerkpools bilden sich fiber strategische Prozesse wie Informationsaustausch oder Abstimmung Akteurgeflechte mit starken Bindungen heraus. Bei der Architektur dieser Netzwerke gilt es verschiedene Aspekte zu beachten. Bestehende Netzwerke und eventuell vorhandene Arbeitsgruppen mfissen berficksichtigt werden; eventuell ist es sinnvoll, auf diese zurfickzugreifen. Um die Langfristigkeit zu gew~hrleisten ist es wichtig, dass die beteiligten Akteure genfigend Macht besitzen, um die Verhandlungsergebnisse in ihren eigenen Organisationseinheiten durchzusetzen. Weiters ist zu berficksichtigen, dass Netzwerke nur eine begrenzte Anzahl von Partnern haben k6nnen, um
88s Genosko,J., Netzwerke in der Regionalpolitik, 1999, S. 96. 889 Vgl. Schubert, H., Netzwerkmanagement,2004, S. 191 ff. 221
Transaktionskosten iibersichtlich zu halten und dem ,Problem der groBen Zahl '89~ entgegen zu wirken. Das Management muss so gestaltet werden, dass zum einen die AufgabenerfWlung effizient durchge~hrt werden kann und zum anderen die Akzeptanz die beteiligten Akteure geschaffen wird. Gleich ob es sich um eine hierarchische und heterarchische Netzwerksteuerung handelt, wichtig ist, dass die Entscheidungen des Managements die nOtige Legitimation aufweisen und somit umsetzbar sind. Weitere wichtige Elemente der Netzwerkstruktur sind Infrastrukturen wie Gesch~iftsstelle, Interaktionsstil oder die Evaluation der Netzwerkarbeit. Die Gestaltung von Handlungen und Prozessen in Netzwerken muss ebenso wie die Planung von Strukturen und Strategien angegangen werden. Zum Prozessmanagement geh6ren folgende Aktivit~iten: -
Zielformulierungen und Ergebnisvereinbarungen;
-
Abstimmung von Arbeitsschritten fiir die Zielerreichung im Rahmen des Vernetzungsprozesses;
-
Definition der Aufgaben des Netzwerkmanagements und Abgrenzung der dezentral, von den beteiligten Akteuren durchgeftihrten Aktivit~iten;
-
Controlling auch hinsichtlich Vernetzung und Netzwerkqualit~it.
Netzwerkkompetenzen sind neben den F~ihigkeiten, welche zur Erf'tillung konkreter Aufgaben erforderlich sind, vor allem Beziehungs- und Verhandlungskompetenzen. Fiir konsensuale Einigung und kooperative Probleml6sungen gilt es gemeinsame Werte und lDberzeugungen zu pflegen sowie Verpflichtungen durchzusetzen. Gemeinsame Erfahrungen tragen zum Sozialkapital bei. Bei der Entwicklung und Nutzung der Kompetenzen sind zwei Ebenen zu unterscheiden. Zum einen k6nnen die einzelnen Akteure auf Basis der durch die Netzwerkpartner eingebrachten Kernkompetenzen nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen und zum anderen kann dies auf Netzwerkebene durch die Kombination eingebrachter Kompetenzen geschehen. Netzwerkkompetenzen umfassen somit eine eigene Dynamik und sind mehr als die bloBe Addition von einzelnen Kernkompetenzen. 891 Von Vorteil ist, wenn die von den Akteuren eingebrachten Kompetenzen eine gewisse Komplementarit~it aufweisen.
Gegenst~nde der Netzwerksteuerung Die Gegenst~inde der Netzwerksteuerung wurden von Sydow und Windeler ausgearbeitet. 892 Es sind die Selektion der Netzwerkakteure, die Allokation von Ressourcen und Aufgaben, die Regulation der Zusammenarbeit sowie die Evaluation des Netzwerkes und damit zusammen-
89o Vgl. Probleme und Zerfall von Netzwerken, Teil II-3.4.6. 89~ ,,Einerseits kann die Einbringung der Kernkompetenz einen Kompetenz-Mengeneffekthervorrufen, in dem die eigene Kernkompetenz nun in eine gr6Bere Menge an Kernprodukten umgesetzt werden kann, die dann im Netzwerk Verwendung finden. Andererseits kann die Rentensteigerung durch eine Art KompetenzLeverage-Effekt erfolgen, indem die eingebrachte Kernkompetenz breiter als bisher in weiteren Anwendungsformen verwertet wird. Der Kompetenz-Konzentrations-Effekt schlieBlich entsteht durch die Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzenund damit die Biindelung der eigenen KNifteauf wenige Kompetenzfelder" (Mack, O., Konfigurationund Koordination von Unternehmungsnetzwerken,2003, S. 168 f.). 892 Vgl. Sydow, J. & Windeler, A., Netzwerke, 1994, S. 4 ff.; Sydow, J. & Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke, 1997, S. 151 ff.; Brussig, M. et al., RegionaleNetzwerke, 2001, S. 89. 222
h~ingender Faktoren. Windeler hat in einem zweiten Schritt die Regulationsfunktion durch die Faktoren Integration, Grenzkonstitution und Positionskonfiguration ersetzt. 893 Die Gegenst~inde sind eng miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Nachfolgend werden sie vorgestellt. Die Selektion der Akteure aus dem Netzwerkpool, welche in ein aktiviertes Netzwerk eingebunden werden sollen, ist von grol3er Bedeutung. Zum einen ist die Mitgliedschaft hochgradig intentional, diskursiv, strategisch wichtig und disponibel und zum anderen soll das Netzwerk Bestand haben und erfolgreich agieren. Im Rahmen der Selektion mtissen folgende Entscheidungen getroffen werden: -
-
Eintritts-, Austritts- und Ausschlusskriterien sowie entsprechende Selektionspraktiken; Besetzungen selektionsrelevanter Netzwerkpositionen;
-
Durchsetzung netzwerkf6rderlicher Bedingungen wie selektionsrelevante Regeln oder politische Regulationen;
-
Nutzung netzwerkfibergreifender Institutionen zum Beispiel zur Sanktionierung von Regelverst613en.
Die Selektion ist keine punktuelle Aufgabe des Managements, sondern muss st~indig im Blickfeld bleiben, da unter Umst~inden Akteure aussortiert 894 oder neue Beziehungen gekntipft werden mtissen. Neben der Selektion von Akteuren gilt es zudem Handlungsbereiche auszuw~ihlen. Netzwerke mtissen ihre materiellen und immateriellen Ressourcen verteilen sowie deren Nutzung regeln. Eine Ressourcensteigerung ist nur dann m6glich, wenn Ressourcen nicht nur additiv zusammengeffihrt, sondern auch synergetisch verkntipft werden, um eine Mehrfachnutzung zu ermOglichen. 895 Weiters ist die Allokation von Aufgaben und Zust~indigkeiten notwendig. Allgemein zu regeln sind: -
Rechte des Zugriffs und der Nutzung von Informationen, Maschinen und Personen sowie von Beziehungen zwischen Akteuren;
-
Verfahren der Mittelvergabe und-nutzung;
-
Rechte und Pflichten der Teilnahme an Entscheidungen;
-
Rechte und Pflichten bei verschiedenen Netzwerkaktivit~iten;
-
Entwicklung, Produktion, Verteilung und Sicherung von Ressourcen;
-
Besitz-, Eigentums- oder Transferrechte von Ressourcen;
-
Sanktionierung und Ahndung von Verst613en.
Grunds~itzlich wird die Aufgaben- und Verantwortungsverteilung Kompetenzen der beteiligten Netzwerkakteure entsprechen.
den
spezifischen
Damit sich ein Netzwerk erfolgreich entwickeln kann, ist es notwendig, sowohl das Netzwerk als Ganzes als auch Leistungsbeitr~ige, Ergebnisse von Aktivit~iten oder Beziehungen zu evaluieren und situative Alternativen unter Berticksichtigung von vergangenen, gegenw~irtigen und zuktinftigen MOglichkeiten zu bewerten. Die Evaluation erfolgt nach
893 Vgl. Windeler,A., Untemehmungsnetzwerke,2001, S. 249 ff. 894 Sydow spricht in diesem Zusammenhang yon ,Negativselektion' (vgl. Sydow, J., Management yon Netzwerkorganisationen, 2003, S. 313). 895 Vgl. Sydow,J. & van Well, B., Wissensintensivdurch Netzwerkorganisation,2003, S. 120. 223
bestimmten Regeln, wobei es sich meist um 6konomische Evaluationskriterien handelt. Kontrolle und Evaluation sind umso schwieriger, je weniger die Ergebnisse der Netzwerkaktivit~iten gemessen werden k6nnen und je mehr die Aktionen auf l~ingerfristige Wirkungen zielen und kurzfristig lediglich Verbesserungen yon Verfahren und Interaktionsstrukturen bewirken. 896 Damit Evaluation erfolgen kann, sind folgende Faktoren zu bestimmen: -
Kriterien der Evaluation sowie deren Gestaltung, Uberwachung, Einhaltung und Sanktionierung; Prozeduren und Programme, um die Potentiale und Beitr~ige von Akteuren sowie durchgeffihrte Aktivit~iten zu bestimmen und zu bewerten;
-
Kriterien zur Kontrolle des Managements und Bestimmung der Zust~indigkeit;
-
Benchmarking und Vergleiche mit anderen Governance-Formen;
-
-
Kontext, welcher netzwerkf6rderliche Evaluationsbedingungen und-verfahren erlaubt. Diese mfissen mit anderen Medien wie Sprache, Schrift, Geld, Technik oder Wissen kombiniert werden.
Verst~indigungsprozesse mfissen fiber gemeinsame Bewertungs-, Verteilungs- und Fairnessvorstellungen gefiihrt werden, bevor es zu Konflikten kommt, welche gemeinsame Regelungen erschweren. 897 Einer Netzwerkkonstitution liegt die Integration yon Aktivit~iten und Akteuren zugrunde, womit Reziprozit~iten und Beziehungen hergestellt werden, die sich fiber Raum und Zeit ausdehnen. Integration umfasst in einem Netzwerk das Gestalten und l]berwachen yon: -
unternehmensfibergreifenden Anl~isse und Gelegenheiten; Kommunikations-, Planungs- Produktions- und Distributionsprozessen; Ordnung und Verbindung von Netzwerkaktivit~iten in Zeit und Raum;
-
-
Gestaltung von Form, Reichweite und Charakter von Verflechtungen; Gestaltung von Handlungssequenzen.
-
Nur durch die Abstimmung der Aktivit~iten und Akteure kann ein Netzwerk effizient und erfolgreich arbeiten. Zudem erh6ht die Integration die Motivation der Beteiligten und fibt eine stabilisierende Wirkung auf das Netzwerk aus. Netzwerke bilden soziale Positionen 898 und in einem weiteren Schritt Positionsgeffige aus, wobei Akteure mehrere Positionen bekleiden k6nnen. Zum einen kann durch die Schaffung yon Positionen das Netzwerkgeschehen standardisiert und die Verhaltenserwartungen generalisiert werden und zum anderen bietet das Positionsgeffige M6glichkeiten der Koordination. Die Position eines Akteurs in einem Netzwerk beeinflusst sowohl die Macht als auch den Einfluss desselben. Welche Position yon einer Organisation eingenommen werden kann, ist von verschiedenen Faktoren abh~ingig: 899 Wesentlich sind die Dom~ine des Akteurs
896 Vgl. Benz, A., Regional Governance, 2003, S. 511. 897 Vgl. Messner, D., Netzwerkgesellschaft, 1995, S. 310. 898 ,,In struktureller Hinsicht konstituieren sich soziale Positionen als spezifische Beziehungsgeflechte von Signifikation, Herrschaft und Legitimation, worauf sich wiederum die Formierung bestimmter Typen von Akteuren bezieht. Eine soziale Position setzt die Bestimmung einer ,spezifischen' Identit~it innerhalb eines Netzwerkes sozialerBeziehungen voraus, einer Identit~itallerdings, auf die eine Reihe normativer Sanktionen bezogen ist" (Giddens, A., Konstitution der Gesellschaft, 1992, S. 137). 899 Vgl. Thorelli, H.B., Networks, 1986, S. 40. 224
und seine Kompetenzen, die Position des Akteurs in bilateralen Beziehungen, in der Destination sowie in anderen Netzwerken und die Macht des Akteurs relativ zu den anderen Netzwerkteilnehmern. Diese Macht resultiert aus der 6konomischen Situation, den Kompetenzen, dem Vertrauen als auch aus formellen Rechtsgrundlagen. Unabh~ingig davon, ob die Positionen oder das Positionsgef't~ge in Zeit und Raum stabil sind, 9~176 bedarf es der Regulierung. Diese erfolgt fiber: -
Erstellen der Positionen und des Positionsgeflechtes und der entsprechenden Aktivitgten und Beziehungen;
-
Festlegung von Aufgaben, Rechten und Verpflichtungen des Netzwerks sowie der beteiligten Akteure;
-
-
Balancieren von Chancen, zum Beispiel die Nutzung von Ressourcen und Risiken oder die Bindung von Ressourcen durch die Bekleidung von Netzwerkpositionen; 9~ Abstimmung, Auswahl und Durchsetzung von Prozeduren der Positionsbesetzung wie die Rotation von Koordinatoren in heterarchischen Netzwerken;
Mit der Festlegung von Positionen und der Bestimmung des Positionsgefiiges stellt das Netzwerk die Weichen f'tir die Zukunft. ,,Wo die Grenzen von Unternehmungsnetzwerken (wie allgemein die sozialer Systeme) verlaufen, ist gerade in modemen sozialen Kontexten mit ihren Praktiken leichterer Ent- und Wiedereinbettung unklarer und oft prek~irer als vielfach zugestanden wird. ''9~ Daher muss im Rahmen der Grenzkonstitution die Fixierung und Uberwachung von Bedingungen ffir eine koordinierte ()ffnung und Schliel3ung des Netzwerks geregelt werden. Die Aufgaben sind: -
Zuordnung von Gesch~iftsaktivitfiten zum Netzwerk oder zu einzelnen Netzwerkakteuren einschliel31ich der Zuordnung von Resultaten und Konsequenzen;
-
Regelung des ,Grenzverkehrs', d. h. des Offnens und Schliegens der Grenzen gegent~ber Dritten inklusive der Handhabung unterschiedlicher Kommunikationswege;
-
Abgleich der Grenzziehungen von einzelnen Akteuren mit jenen des Netzwerkes;
-
Erstellen von Zugangsregelungen zum Netzwerk oder zu Handlungsorten;
-
Einflussnahme aufpolitisch-rechtliche Regulationen von Grenzen;
-
Sanktionierung von Grenzverletzungen.
Eine bewusste Grenzziehung ist wichtig, denn sie beeinflusst die wechselseitige Beeinflussung, die Verteilung von Ressourcen und die Zuordnung von Rechten und Pflichten. 9~
9oo Zum Beispiel ist die Position eines Netzwerkkoordinators in hierarchischen Netzwerken zumeist stabil, wghrend in heterarchischen Netzwerken oft wechselnde Formen zu finden sind. Insgesamt weisen soziale Positionen unterschiedlichen Raum- und Zeit-Ausdehnungen auf. Sie k6nnen fiber einen sehr langen Zeitraum bestehen oder kurzfristig wieder ver~indert bzw. abgeschafft werden. 90~ ,,Die Teilnahme an Unternehmungsnetzwerken hat eventuell auch ihre positionalen Schattenseiten: Positionen in und von Unternehmungen gegent~ber Mitkonkurrenten und anderen Akteuren k6nnen durch die Beteiligung an Netzwerken in Frage gestellt werden.... Zudem k6nnen Wt~nsche und Vorstellungen der Akteure und die Positionsvorschriften und -erwartungen auseinanderfallen" (Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke, 2001, S. 261). 902 Windeler, A., Untemehmungsnetzwerke, 2001, S. 262. 9o3 Durch Grenzen werden dem Verhalten im Raum und Zeit Schranken auferlegt (vgl. Giddens, A., Konstitution der Gesellschaft, 1992, S. 162). 225
Schwierigkeiten der Netzwerksteuerung Die Steuerung von Netzwerken ist insgesamt ein komplexer Prozess. Zus~tzlich zur allgemeinen Steuerungsproblematik9~ muss auch den Problemfeldern und Fallstricken 9~ yon Netzwerken begegnet werden. ,,Schon aufgrund der Tatsache, dab ein Netzwerk die rechtliche Selbst~ndigkeit der Unternehmen nicht antastet, muB yon inh~irenten Steuerungsproblemen ausgegangen werden. ''9~ Die Schwierigkeiten sind vielf'~iltig und die Herausforderungen liegen vor allem in der Festlegung klarer Zust~ndigkeiten, dem Aufbau und der Aufrechterhaltung yon Vertrauen, die faire Regelung yon Gewinnverteilung und Wissenstransfer sowie ganz allgemein in der Tatsache, dass Verbindungen zwischen Akteuren sowohl Gelegenheit ffir kooperative Zusammenarbeit als auch ffir Konflikte bergen. Eine weitere groBe Herausforderung liegt in der Tatsache, dass Netzwerksteuerung yon anderen Steuerungsebenen beeinflusst wird und daher eine alleinige Betrachtung des Netzwerkes zu kurz greifl. Sydow und Windeler unterschieden vier Steuerungsebenen: 9~ - Ebene Netzwerk: Diese Ebene rfickt die Steuerung der beteiligten Organisationen und Akteure, deren Beziehungen und Interaktionen, in den Mittelpunkt. Ebene Organisation (korporative Akteure): Das Management yon Organisationen beeinflusst auf verschiedene Weise die Netzwerksteuerung und das Verhalten im Netzwerk. -
Individuelle Ebene: Individuen k6nnen sowohl die Steuerung yon Organisationen als auch jene yon Netzwerken beeinflussen. Mehrere Steuerungsinstrumente wie Ausbildung oder bestimmte Anreize, haben ihre Wirkung auf dieser Ebene.
-
-
Institutionelle Ebene: Ver~inderungen der Kontexte wie F6rderpolitik haben Auswirkungen auf die Netzwerkgestaltung. Die beschriebenen Ebenen mt~ssen in ihrem wechselseitigen Zusammenspiel bei der Netzwerksteuerung bel~cksichtigt werden. 9~
Steuerungsmedien In der Strukturform Markt werden Austauschbeziehungen primgr fiber den Preis und in der Stmkturform Hierarchie vor allem durch formale Regeln, Routinen und Autoritgt geregelt. In Netzwerken spielen soziale und weiche Steuerungsmechanismen eine groBe Rolle, da durch die gegebene funktionale Interdependenz bei gleichzeitiger formaler Unabhgngigkeit der Akteure die Herausforderungen in der gegenseitigen Abstimmung yon Prgferenzen, der Koordinierung yon Ressourcen und Strategien sowie in der Absicherung gegen opportunistisches Verhalten liegen. Auch wenn weiche Steuerungsmedien vielfach und insbesondere in Netzwerken hagen Steuerungsmedien vorgezogen werden, so ist es auch in Netzwerken die Kombination, welche den Medieneinsatz erfolgreich macht. 9~ ,,In Unternehmungsnetzwerken bedarf es einer auf die Netzwerkaktivit~iten und ihren Zusammenhang bezogenen
904 Vgl. Steuerungsproblematik,Teil I-5. ,ms Vgl. Probleme und Zerthli yon Netzwerken,Teil I1-3.4.6. ,~o6Staber, U., Steuerungvon Unternehmensnetzwerken,2000, S. 59. 907 Vgl. Sydow,J. & Windeler,A., Steuerungvon und in Netzwerken,2000, S. 3 ff. ,~osDieseArbeit konzentriertsich vor allem auf die Ebenen Netzwerkund institutionellerKontext. 909 Vgl. Steuerungsmedien,Teil I-4.3. 226
Abstimmung des Mix, um die notwendige AnschluBf~ihigkeit und Bandelung der Aktivit~ten in regulierter Form (unter Einbezug kontextueller Anforderungen und Chancen) zu erzielen. ''91~ Jones et al. diskutieren Netzwerkkultur, Zugangsbeschrgnkungen sowie Sanktionen als m6gliche soziale Steuerungsmechanismen in Netzwerken: 91~ Ebenso wie einzelne Untemehmen bildet auch ein Netzwerk eine spezifische Kultur aus, welche die geteilten Grundannahmen, Werte und Normen widerspiegelt. Eine homogene Kultur kann einerseits die Koordination erleichtem, andererseits jedoch zu starren Strukturen und Verharrung in bekannten Positionen ffihren. Insgesamt beeinflusst die Kultur verschiedene Vorggnge wie Entscheidungsprozesse, Umsetzung von Strategien oder Beeinflussung des unternehmerischen Alltags. 9~2 Um positive Einfltisse zu f6rdem und negative bzw. hemmende Wirkungen zu begrenzen, ist es notwendig die Entwick|ung der Kultur zu lenken. Dazu gibt es verschiedene Ansatzpunkte. 9~3 Ein wesentlicher Faktor ist die Kommunikation, welche die Voraussetzung ffir einen m6glichen Austausch von Erfahrungen, Werten oder mit anderen Kulturelementen schafft. 914 Wichtig sind sowohl horizontale als auch vertikale Kommunikationsstrukturen und soziale Kompetenz. Weiters beeinflussen verschiedene Kontextbedingungen wie kooperative Ffihrung, konsensorientiertes Management, Anreizsysteme oder Strukturen die Kulturentwick|ung. W~ihrend die Gestaltung der Kontextbedingungen auf das Umfeld des Netzwerkes abzielt, k6nnen weitere Ansatzpunkte direkt auf die Akteure wirken. Ein Beispiel ist die Selektion der beteiligten Akteure. Die Reputation der Netzwerkakteure spielt als Steuerungsmechanismus eine Rolle, denn sie beeinflusst die Vertrauenswt~rdigkeit und Glaubwt~rdigkeit der beteiligten Akteure. Eine gute Reputation erh6ht den Einfluss und der entsprechende Akteur kann zum Beispiel zu solidarischem Handeln motivieren. Aus transaktionstheoretischer Sicht stellt die Reputation ein spezifisches Kapital dar: ,,Eine Reputation ffir Ehrlichkeit, Zuverl~il3igkeit und so welter reduziert zudem teilweise den Konkurrenzdruck und verringert den Anreiz f'lir opportunistisches Verhalten, was wiederum die anfallenden Informations-, Verhandlungs- und Vertragskosten senkt. ''9~5 Aus institutionalistischer Sicht kann die Reputation eines bedeutenden Netzwerkakteurs eine stabilisierende Wirkung haben. Besonders bei unsicheren Rahmenbedingungen tendieren Akteure dazu, die Strategien und Praktiken erfolgreicher Organisationen zu t~bemehmen, weniger well diese besonders effizient arbeiten, sondern vielmehr weil sie Legitimit~itsgeltung haben.
9~0 Windeler, A., Unternehmungsnetzwerke,2001, S. 249. 91~ Vgl. Jones, C. et al., Network governance, 1997, S. 925 ff.; Staber, U., Steuerung yon Unternehmensnetzwerken, 2000, S. 66 ff. 912 Beispiele sind: Steuerung der Informationssuche und -weitergabe, Schaffung von Interpretati~ Beeinflussung der Reaktionen der Untemehmung auf Umweltver~ndemngen und -anforderungen, Anwendung nicht hinterfragter Erfolgs- und Alltagstheorien, Unterstatzung des Zielfindungsprozesses, Erm6glichung der Umsetzung einer Strategie durch kulturelles Lernen und Motivation, Legitimierung von innovativem Wissen bzw. dessen Generierung, Vorgabe von Rollenvorschriften,die den Umgang mit Wissen f6rdem oder hemmen. 913 Vgl. Steinle, C. et al., Gestaltungsm6glichkeitenund -grenzen von Unternehmenskulturen, 1994, S. 138 ff. 914 ,,Die kulturelle Auspr~igung vollzieht sich durch Kommunikation.... Wenn man nur so vor sich hin kommuniziert, bildet sich die Organisationskultur unbewusst heraus, sie emergiert. Die Kommunikationsabhfingigkeit der Organisationskultur l~isst abet erkennen, dass man bestimmte Kommunikationsinhalte und -formen durchaus zu einer bewussten Kulturbeeinflussung heranziehen kann" (Wollnik, M., Organisationsstruktur und Organisationskultur, 1991, S. 85). 9~5 Staber, U., Steuerung yon Unternehmensnetzwerken,2000, S. 69. 227
Zugangsbeschr~nkungen umfassen die Kontrolle fiber den Zugang und den Ausschluss von Netzwerkakteuren. Uber dieses Steuerungsinstrument k6nnen Unterschiede in Pr~ferenzen, Zielen und Kompetenzen minimiert und somit die Entwicklung des Netzwerkes gesteuert werden. Grunds~tzlich sind homogene Akteure leichter zu lenken und zu kontrollieren als sehr heterogene Akteure. Zwei Problembereiche machen dieses Steuerungsinstrument komplex. Zum einen ist eine allgemein akzeptierte Einsch~tzung der optimalen Gr613e eines Netzwerkes schwierig und im Zeitablauf ver~nderbar. Zum anderen ist die Kontrolle der gesetzten Grenzen komplex, auch da die beteiligten Unternehmen rechtlich unabh~ngig sind und somit einseitiges Handeln stets m0glich bleibt. Das Management von Netzwerkgrenzen muss akzeptiert sein und Legitimit~t haben, damit die Grenzziehung nicht permanent zur Disposition gestellt werden kann. W~hrend bei kleinen Netzwerken gemeinsame Deutungen und eine effektive Regelung von interorganisationalen Beziehungen eher m6glich sind als bei grol3en Netzwerken, k6nnen kleine Netzwerke jedoch innovationshemmend sein, wenn Homogenit~t Strukturen erstarren l~sst, Abh~ngigkeiten f6rdert oder Wandel hemmt. Insgesamt mfissen die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Netzwerkgr613e gegeneinander abgewogen werden. Kleine Netzwerke sind insgesamt leichter zu steuern, w~hrend grol3e Netzwerke bessere Legitimationswirkungen auf Aul3enstehende haben, gr0Bere Visibilit~t aufweisen und positive Externalit~ten integrieren k6nnen. Die Macht abweichendes Verhalten zu verhindern, beruht unter anderem auf der M0glichkeit, die beteiligten Akteure zu bestrafen. Die Bestrafung muss dabei als solche empfunden werden, damit die Durchsetzung oder bereits die Androhung regulierend wirken kann. In Netzwerken sind Sanktionsm0glichkeiten unterschiedlicher Art und mit unterschiedlichen Auswirkungen m6glich: 916 Sanktionen k6nnen einen Akteur direkt treffen oder auch dessen Beziehungen im Netzwerk. Eine niedrige Sanktionsstufe ist dabei die Entziehung von Aufgaben, was die Rolle des Akteurs im Netzwerk ver~ndert. Ahnlich wirkt ein sanktionierender Einfluss auf die Intensit~t und Art der Netzwerkbeziehungen. Eine mittlere Sanktionsstufe ist ein tempor~rer oder auch definitiver Ausschluss des Akteurs aus dem aktivierten Netzwerk. Die Organisation Ffillt dann in den Netzwerkpool zur~ck, kann sich aber an neuen Netzwerken beteiligten. Die h0chste Sanktionsstufe ist das Ausscheiden aus dem Pool, was in Tourismus-Destination letztlich eine (gesellschaftliche) Absonderung oder Ausgrenzung darstellt. Hier ist die Beteiligung bei sich neu konstituierenden Netzwerken kaum mehr m6glich, was eine Verfinderung im Potenzial- und Beziehungsfeld des Akteurs bewirkt. Diese netzwerkspezifischen Steuerungsinstrumente mfissen mit anderen Medien wie Sprache, Schrift, Geld, Technik oder Wissen kombiniert werden. Es ist notwendig, die Steuerungsbemfihungen zu untermauern und getroffene Vereinbarungen durchzusetzen. Die Medien k6nnen Regeln und Verhaltensweisen auferlegen, induzieren, verkaufen oder einpr~gen. Verschiedene Situationen oder Gegenst~nde der Netzwerksteuerung verlangen nach unterschiedlichen Kombinationen von Medien. Zusammenfassend zeigen die Ausffihrungen, dass Netzwerke ~hnlich wie Unternehmen gemanagt werden mt~ssen, um die angepeilten Ziele erreichen und den in sie gesetzten Erwartungen gerecht werden zu k6nnen. Die wesentlichen Elemente der strategischen Unternehmensffihrung wie Strategieentwicklung, Prozessmanagement oder Evaluation sind auch in Netzwerken von entscheidender Bedeutung. Um diese strategischen Aufgaben zu bew~ltigen, muss das Netzwerkmanagement
916 Vgl. Mack, O., Konfigurationund Koordinationvon Unternehmungsnetzwerken,2003, S. 210. 228
Schnittstellen, Interdependenzen und verschiedene Spannungsverh~iltnisse wie Kooperation und Autonomie balancieren. Wesentlich ist dabei die Legitimation des Managements, welche in heterarchischen Netzwerken, wie sie in Tourismus-Destinationen vorwiegend vorkommen, von den beteiligten Akteuren verliehen werden muss.
3.3.8 Integration der verschiedenen Steuerungsebenen Die verschiedenen Steuerungsebenen einer Tourismus-Destination- institutioneller Kontext, Netzwerkpool und aktivierte N e t z w e r k e - spielen auf verschiedene Weise zusammen und bedingen sich gegenseitig. Wichtig ist, dass die Grenzen durchl~issig sind, damit sich die Akteure austauschen k6nnen und kollektive Handlungsf~ihigkeit m6glich wird. Dazu braucht es intermedi~ire Akteure oder Organisationen, die darauf achten, dass Kommunikation und Interaktion erfolgen. Solche Intermediatoren unterscheiden sich von anderen Akteuren dahingehend, dass letztere nicht zwingend zwischen verschiedenen Sph~iren angesiedelt und vielfach nicht vermittelnd t~itig sind. Intermedi~ire Organisationen geben Wissen weiter und schaffen Verbindungen zwischen dezentralen Strukturen. In Tourismus-Destinationen k6nnten Arbeitskreise gebildet werden, welche eine solche intermedi~ire Funktion fibernehmen k6nnten. Es ist jedoch auch m6glich, dass relevante kollektive Akteure wie Tourismusorganisationen eine vermittelnde Rolle einnehmen. Gustedt betont, dass von intermedi~iren Akteuren oder Organisationen die Produktion positiver externer Effekte erwartet wird und nennt folgende wichtige Funktionen: 917 -
Vermittlung zwischen verschiedenen Akteuren und Branchen; Mobilisierung endogener Potentiale;
-
Errichtung von Kommunikationsstdingen zwischen den verschiedenen Ebenen; UnterstiJtzung zur Aufl6sung von Missverst~indnissen oder Interessenkonflikten; Transparente Vermittlung von Fachwissen;
-
Unterstiitzung von Wissensaustausch;
-
Untersttitzung bei der Entwicklung von brancheniibergreifenden Strategien.
Die Entstehung von Intermediatoren sowie ihr Erfolg werden vonder spezifischen Situation einer Destination beeinflusst. Wichtig ist, dass die Vermittlung zwischen den Akteuren und Steuerungsebenen von solchen Organisationen erfolgt, die eine nachhaltige Entwicklung der Destination als Wettbewerbseinheit verfolgen. Ist dies der Fall, so untersti~tzen und f6rdern die Intermediatoren bei der ErftHlung ihrer Funktionen gleichzeitig die Identit~itsstiftung der Destination im Raum und den regionalen Bezug der Akteure.
917 Vgl. Gustedt, E., Nachhaltige Regionalentwicklung,2000, S. 188. 229
3.4 Zusammenfassung: Ansatz einer Governance von Tourismus-Destinationen In Tourismus-Destinationen kOnnen unterschiedliche Steuerungsebenen ausgemacht werden. Zum einen ist dies der institutionelle Kontext, welcher eine hierarchische Einbettung bildet und die Akteure sowie deren Handlungssituation auf unterschiedliche Weise beeinflussen kann. Eine zweite Ebene ist die Destinationsebene, welche einen Netzwerkpool darstellt und in welcher vor allem das Koordinationsverfahren der Verhandlung sowie die Selbstorgansation zum Tragen kommen. Aktivierte Netzwerke bilden schliel31ich eine dritte Ebene, welche durch ein bewusstes Netzwerkmanagement gef6rdert werden kann. Die Ebenen agieren und wirken nicht autonom, sondern sind auf vielf~iltige Weise miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Tourismuspolitik:
-
-
,Schatten der Hierarchie' Schaffung von Netzwerkvoraussetzungen Aus- und Weiterbildungspolitik Punktuelle Eingriffe nur bei gewichtigen Einzelf'~illen Unterstiitzung dezentraler LOsungsans~itze Interdependenzmanagement Anregung, Druck, Korrektur, Kontrolle
Selbstorganisation: -
-
Dezentralisierung von Gestaltungs- und Entscheidungsressourcen Wahrnehmung des Netzwerkpools Pflege yon Beziehungen Strategische Absprachen Einbindung kollektiver Akteure Durch Verhandlung und Interessenausgleich zu Netzwerken Entrepreneurship
Netzwerkman
-
-
agement
Selektion von Akteuren und Handlungsdom~inen Allokation yon Ressourcen Integration von Aktivit~iten und Akteuren Grenzkonstitution Evaluation des Netzwerkgeschehens Entwicklung von Netzwerkstrategien und Netzwerkkompetenzen
Abbildung 43: Steuerungsebenen und deren Funktionen im Govemance-Modell 230
Der institutionelle Kontext hat die Aufgabe Kooperationen zu f6rdern, Marktversagen entgegen zu wirken sowie gesamtgesellschaftliche Kriterien in die Destinationen zu bringen. Ziel ist dabei prim~ir die Gestaltung des Kontextes und die Absteckung eines Handlungskorridors, wobei die Selbstorganisation der Akteure zugelassen und unterstfitzt werden muss. Institutionen und Regelsysteme erm6glichen es, dass Akteure mit verminderten Transaktionskosten verhandeln und gemeinsame L6sungen ausarbeiten k6nnen. Bei Entscheidungsblockaden k6nnen fibergeordnete Instanzen eingreifen und festgefahrene Akteurkonstellationen 16sen. Konkrete Ans~itze der Einflussnahme sind zum Beispiel die Erstellung von Leitlinien regionaler Entwicklung, die Raumplanung oder die Strukturpolitik. Die Grenzen der institutionellen Steuerung werden gesetzt durch die Komplexit~it von Handlungssituationen, der Schwierigkeit relevantes Wissen zu sammeln und zu filtern sowie der wechselseitigen Abh~ingigkeit von privaten und 6ffentlichen Akteuren. Die zweite Ebene, die Selbstorganisation, umfasst die Aktivierung des Wissens, der Handlungspotentiale und der Ressourcen der Akteure durch die Dezentralisierung von Gestaltungs- und Entscheidungsressourcen. Ziel ist die Bildung von Verhandlungssystemen, welche zu einer reflexiven Vernetzung ffihren. Wesentlich ist dabei die Verknfipfung der Akteure von unterschiedlichen Sektoren, damit Kernkompetenzen geschaffen und integrierte Angebote erstellt werden k6nnen. Der institutionelle Kontext kann derartige Verhandlungen auf verschiedene Weise beeinflussen zum Beispiel durch prozedurale Regelungen, selektive Unterstfitzung, Ver~inderung der Handlungsorientierung durch Anreize, Weiterbildung oder Informationen und letztlich durch autoritative Entscheidungen. Selbstorganistion ist vor allem dann m6glich, wenn die Handlungsf'~ihigkeit der Akteure gegeben ist, daher spielen meist kollektive Akteure wie Organisationen oder Verb~inde eine wichtige Rolle, welche ihre Ressourcen, Interessen und Einflusspotentiale gebfindelt haben. Selbstorganistion verlangt nach Entrepreneurship, nach der Verknfipfung von Themen, einem gemeinsamen Raumbezug und nach der Einbindung einflussreicher Akteure. Die Destination stellt einen Netzwerkpool dar, der sich durch Selbstorganisation weiterentwickelt und durch Verhandlungen zu aktivierten Netzwerken ~hrt. Motivation sind verschiedene Potentiale wie die Bfindelung von Ressourcen, die Vermeidung von Redundanzen oder die Optimierung der Wertsch6pfungskette. Notwendige Voraussetzung zur Aktivierung von Netzwerken ist neben der Motivation durch die m6gliche Aussch6pfung von Potentialen das soziale Beziehungsfeld. Die Interaktionen zwischen den Akteuren werden beeinflusst von den vorhandenen Verbindungen, welche selektive Gelegenheitsstrukturen darstellen und innerhalb derer erste Austauschprozesse stattfinden. Wesentlich sind der Aufbau und die Pflege von Beziehungen und dass die Akteure in der Lage sind, kollektive Interessen zu formieren und fiber Verhandlungen zu vermitteln. Die Charakteristika des Netzwerkpools wie undeutliche Grenzen, schwache Formalisierung oder divergierende Interessen werden durch die Aktivierung von Netzwerken zumindest teilweise fiberwunden. Netzwerke sind jedoch nicht per se erfolgreich, sondern es braucht ein Management, welches die Zusammenarbeit koordiniert und die Erreichung der gesetzten Ziele anpeilt. Zusammenfassend sind die Aufgaben des Netzwerkmanagements der Aufbau und die Pflege der Netzwerkstrukturen und -beziehungen sowie die Koordination der T~itigkeiten. Das Management muss dabei verschiedene Spannungsverh~iltnisse wie Autonomie versus Abh~inigkeit, Vertrauen versus Kontrolle oder Formalit~it versus Informalit~it balancieren. Grunds~itzlich k6nnen Netzwerke eine heterarchische oder eine 231
hierarchische Steuerungsform aufweisen. Bei ersterer ist die Steuerung auf die beteiligten Akteure verteilt, w~ihrend bei der hierarchischen Form ein oder mehrere Akteure dominieren. Die strategischen Aufgaben des Netzwerkmanagements liegen in der Bestandsaufnahme des Akteurfeldes, der Festlegung der Aufbauorganisation, dem Prozess- und Projektmanagement sowie der Entwicklung von Netzwerkkompetenzen. Die diskutierten E b e n e n - institutioneller Kontext, Netzwerkpool (Selbstorganisation) und aktivierte Netzwerke - spielen zusammen und deren Integration macht die Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten aus. Auf Tourismus-Destinationen tibertragen k6nnen die Ausf'tihrungen zu den verschiedenen Steuerungsebenen, deren Funktionen und Aufgaben in einem erweiterten und beschreibenden Modell, wie in Abbildung 43 dargestellt, zusammengefasst werden. Das Modell umfasst die wesentlichen sich gegenseitig beeinflussenden Steuerungsebenen sowie deren primgre Funktionen. Verschiedene Steuerungsformen greifen ineinander und die Integration dieser beeinflusst die kollektive Handlungsf~ihigkeit und den Steuerungserfolg. Wichtig sind intermedi~ire Akteure oder Organisationen, welche Kommunikationsstr~inge zwischen den Ebenen errichten und pflegen, den Wissensaustausch f6rdem, zwischen Branchen und Akteuren vermitteln und somit die Mobilisierung endogener Potentiale vorantreiben. Dem Modell zugrunde liegen die Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen wie die Handlungssituation, die Handlungsorientierung der Akteure, die Konstellationen und Interaktionsformen. Ver~indem sich diese, so wird das Modell davon beeinflusst und die Verkntipfungen zwischen den Ebenen k6nnen sich ver~indem. Das Wissen um die verschiedenen Steuerungsebenen, deren Verbindungen und die zugrunde liegenden Akteurkonstellation gibt einen Einblick in die Komplexit~it der Governance von Tourismus-Destinationen, weist auf Einflussm6glichkeiten hin und zeigt den Einsatz von geeigneten und m6glichen Steuerungsmedien. Eigendynamik und Steuerungsprozesse greifen ineinander und verlangen nach Lernprozessen der Akteure. Spezifische Rahmenbedingungen einzelner Destinationen k6nnen Auswirkungen haben auf das Gewicht, die Wirkung sowie den Einfluss der verschiedenen Elemente. Dies best~itigt die empirische Untersuchung, welche im n~ichsten Teil der Arbeit diskutiert wird.
232
IV Empirische Untersuchung 1. Zielsetzung Governance ist ein Forschungsfeld, welches vor allem theoretisch und durch qualitative Untersuchungen erschlossen wurde. Allgemeines Ziel der empirischen Erhebung dieser Arbeit ist es, die theoretischen Ausftihrungen und das entwickelte Modell auf die Praxis zu beziehen und durch empirische quantitative Daten zu tiberp~fen und zu konkretisieren. Im Einzelnen verfolgt die empirische Untersuchung folgende Ziele: -
-
Analyse der Ist-Situation der Bestimmungsfaktoren der Governance in TourismusDestinationen: Bestimmung der Handlungsorientierung der Akteure, deren Beziehungen und Verbindungen; Bewertung des institutionellen Kontextes und dessen Einfluss auf die Akteurkonstellationen; Aufzeigen der Rollen von kollektiven Akteuren wie Tourismusorganisationen oder 6ffentliche K6rperschaften; Anwendung der verschiedenen Interaktionsformen; Auspr~igung von Governance-Formen und-Medien sowie damit verbundene Schwierigkeiten; Diskussion der Governance-Akteure und -Adressaten; Darstellung der Unterschiede zwischen verschiedenen R~iumen und zwischen verschiedenen Akteurgruppen; Aufzeigen von Relationen zwischen den Bestimmungsfaktoren der Governance und der Wettbewerbsf~ihigkeit der touristischen R~iume; Darstellung der im Modell vorhandenen Steuerungsebenen, deren Integration und die Aufdeckung der eventuellen Dominanz einer bestimmten Ebene;
-
-
Ableitung von Schlussfolgerungen und Aussagen zur Verbesserung der Governance in Tourismus-Destinationen.
Die genannten Zielsetzungen der empirischen Untersuchung erm6glichen die Vertiefung und Konkretisierung der Modellelemente sowie deren Zusammenspiel. Das allgemeine Modell wird im Besonderen f'tir die R~iume, welche in die empirische Untersuchung einbezogen werden, spezifiziert und darauf aufbauend kann die Governance der Destinationen im Sinn einer wettbewerbsf~ihigen Entwicklung angepasst werden.
2. Methode 2.1 Quantitative Untersuchung Im Forschungsgebiet der Governance wurde bisher vor allem auf qualitative Untersuchungen zur~ckgegriffen, da Analysekriterien erstellt werden mussten und die Komplexit~it und auch die Neuheit des Untersuchungsgegenstandes die Erarbeitung von einzelnen Themen durch qualitative Methoden verlangten. Um darauf aufbauend allgemeine und grundlegende Aussagen zu den Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen zu erm6glichen und zu tiberpriifen, wird in dieser Arbeit eine quantitative Untersuchung- eine 233
Befragung- durchgeftihrt. Die quantitative Untersuchung eignet sich zur empirischen Untermauerung der diskutierten Bestimmungsfaktoren und zum Aufzeigen der konkreten Situation in Tourismus-Destinationen unter Berticksichtigung der Aussagen zahlreicher Akteure aus verschiedenen Sektoren. Die Analyse aggregierter Daten ist ebenso m6glich wie die Bildung verschiedener Akteurgruppen und die Untersuchung auf signifikante Unterschiede zwischen diesen sowie zwischen unterschiedlichen Regionen. Folgende Schwerpunkte wurden aufgrund der theoretischen Aus~hrungen und dem Pretest operationalisiert und in die Befragung aufgenommen: -
-
-
-
-
Allgemeine Informationen zu den Akteuren wie Handlungsorientierung, Einbindung in Kooperationen und Funktionen der Tourismusorganisationen; Akteurkonstellationen und entsprechende Verteilung des Einflusses; Einsatz von Steuerungsmedien; Praktiken der Entscheidungsfindung; Interessenkonflikte zwischen den Akteuren; Einfluss der 6ffentlichen Institutionen; Netzwerkbildung sowie Probleme der Netzwerkentwicklung; Erfolg und Wettbewerbsf'~ihigkeit der untersuchten R~iume; Koordination von touristischen Gebieten.
Diese Schwerpunkte decken das entwickelte Modell ab und erm6glichen konkrete Aussagen zur Governance in den untersuchten R~iumen.
2.2 Stichprobe In Anlehnung an den Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus wird bei der Untersuchung der Bestimmungsfaktoren der Governance yon Tourismus-Destinationen das Handeln von kollektiven und korporativen Akteuren in den Vordergrund gestellt. 9~8 Die Stichprobe berticksichtigt folgende Faktoren: -
Einbeziehung aller wesentlichen tiberindividuellen Akteure eines touristischen Raumes, wobei auch nicht-touristische Akteure inkludiert sind;
-
M6glichkeit der Aufdeckung von Unterschieden zwischen verschiedenen Regionen;
-
M6glichkeit der Aufdeckung von Unterschieden zwischen verschiedenen Sektoren;
Ausgehend von diesen Faktoren und der zur Verffigung stehenden Adressen wurden folgende Gruppen aus den alpinen Regionen Tirol (A), Stidtirol (I) und Trentino (I) in die Stichprobe aufgenommen: -
-
Tourismusorganisationen, 4-Sterne Hotels und Gemeinden der Regionen Tirol (A), Stidtirol (I) und Trentino (I) - bei s~imtlichen Gruppen wurde keine Auswahl getroffen, sondern die Grundgesamtheit in die Stichprobe aufgenommen; Betriebe aller Branchen mit mehr als 10 Mitarbeitern und mit einer Email-Adresse in S~idtirol (I), wodurch auch 3-Sterne Hotels in die Stichprobe eingebunden wurden. In den anderen Regionen standen die Adressen dieser Akteurgruppe nicht zur Verf'tigung.
918 Vgl. Der Ansatz des akteurzentriertenInstitutionalismus,Teil II-3.2. 234
Insgesamt wurden 2.830 Betriebe kontaktiert. Abbildung 44 gibt einen 15berblick tiber die gew~ihlte Stichprobe. Tirol Tourismusorganisation Hotel 4-Sterne Gemeinden Betriebe > l0 Mitarbeiter Gesamt Abbildung 44: Stichprobe
Stidtirol 63 406 278 747
Trentino
91 285 116 1239 1731
49 97 206 352
Gesamt 203 788 600 1239 2830
2.3 Vorgehensweise Es wurde eine Online-Befragung durchgeftihrt, wobei vorab durch das Sammeln der Adressen tiberprtift wurde, ob eine gentigende Anzahl der Akteure und Akteurgruppen der gew~ihlten Stichprobe tiber Internetanschluss und tiber eine Email-Adresse ver~gt. Nach der Programmierung des Fragebogens wurde die Internet-Adresse zum Fragebogen (link) per Email an die Akteure der Stichprobe versandt. Damit wurde das Problem der Auffindbarkeit des Fragebogens, welches zu Stichprobenverzerrungen ~hren k6nnte, umgangen. Die kontaktieren Organisationen konnten den Fragebogen im Internet 6ffnen und durch Anklicken der Antwortm6glichkeiten den Fragebogen ausftillen. Diese Vorgehensweise wurde aus verschiedenen Grtinden gew~ihlt: Die Online-Befragung ist kostengtinstig und zeitsparend. Zudem ist diese Vorgehensweise ftir manche Akteure ist eine technische Neuheit, welche zum Beantworten des Fragebogens motiviert. Die Daten werden automatisch registriert, sodass eventuelle Fehler bei der Dateneingabe vermieden werden k6nnen. Die Angaben zum Unternehmen waren fakultativ und eine gewtinschte Anonymit~it konnte durch die OnlineBefragung garantiert werden, da keine Registrierung durchgeftihrt wurde. Eine Woche nach Versenden der Internet-Adresse des Fragebogens wurden die Mitglieder der Stichprobe noch einmal durch ein weiteres Email an den Fragebogen erinnert.
2.4 Pretest Vor der eigentlichen Befragung wurde ein Pretest durchge~hrt, wobei zufWlig gew~ihlte Vertreter der Gruppen der Stichprobe sowie Tourismuswissenschaftler befragt wurden. 919 Nach dem Ausftillen des Fragebogens wurden mit den Testpersonen eventuelle Schwierigkeiten aber auch inhaltliche Themen diskutiert. Ziel des Pretests war das Uberprtifen v o n 920 -
der ausreichenden Variation der Antworten,
-
des Verst~indnisses der Fragen durch die Befragten,
-
der Schwierigkeit der Fragen for die Befragten,
~w9Gesch~iflst~ihrerineiner Tourismusorganisation, Hotelier, 2 Untemehmer (Dienstleistungssektor), Vertreter des Untemehmerverbandes(produzierendes Gewerbe), Gemeindesekret~ir(als Vertreter einer 6ffentlichen Institution), Tourismuswissenschaftlerund Raumplanerin. 920 Vgl. Schnell,R. et al., Methodender empirischen Sozialforschung, 1999, S. 324. 235
-
des Interesses der Befragten gegentiber den Fragen und des Themas, der Kontinuit~it des Interviewablaufs,
-
- der Dauer der Befragung. Aufgrund des Pretests wurde der Fragebogen tiberarbeitet, verktirzt, vereinfacht und mit Beispielen versehen. Der Pretest wurde auch genutzt, um mit den Vertretern der Branchen die Vorgehensweise zu diskutieren. Die geplante Online-Befragung wurde von allen Befragten far gut geheigen und als geeignet angesehen. Ein besonderes Verst~indnisproblem, welches der Pretest aufzeigte, war die Abgrenzung der Tourismus-Destination vor allem far nicht-touristische Akteure. Die Problematik der Grenzziehung92~ ffihrt zu unterschiedlichen Raumbeztigen, sodass die Befragten die Gr6ge einer Destination unterschiedlich einstuften. Da die empirische Untersuchung in verschiedenen Regionen durchge~hrt und Akteure unterschiedlicher Branchen befragt wurden, mussten sich die Fragen auf eine Raumeinheit beziehen, welche eindeutig und klar abgrenzbar ist. Gew~ihlt wurde die Gemeinde, welche als politisch-administrative Einheit klare Raumgrenzen aufweist. Ein Thema, das ursprtinglich im Fragebogen vorgesehen war, aufgrund des Pretests jedoch gestrichen wurde, ist das Netzwerkmanagement. Die Befragten waren bei diesem Punkt ~iberfordert und der ztigige Befragungsablauf gest6rt. Eine V.ereinfachung konnte diese Schwierigkeiten nicht beheben und die Analyse hat gezeigt, dass sich die Akteure aufgrund der schwachen Netzwerkbildung kaum mit diesem Thema auseinandersetzen. ,,Die Entwicklung eines Fragebogens erfordert mehrere Phasen des Testens einzelner Fragen und des vollst~indigen Erhebungsinstrumentes. ''922 Grunds~itzlich kann zwischen Entwicklungs- und Abschluss-Pretest unterschieden werden. 923 Ein Entwicklungs-Pretest dient der grunds~itzlich Oberpr~fung des Fragebogens, w~ihrend der Abschluss-Pretest die Pr~isentation der get~itigten Anderung umfasst und nur noch kleinere Korrekturen verlangt. Diese Phasen wurden auch im Pretest dieser Arbeit best~itigt. Eine erste Befragungsrunde zeigte die Schwierigkeiten des Fragebogens auf. Die durchgefiihrten Anderungen erm6glichten in weiteren Diskussionen eine st~indige Verbesserung und Harmonisierung des Fragebogens, wobei es in der Endphase vor allem um die Formulierung einzelner Punkte und um die grafische Darstellung ging.
921 Vgl. R~iumlicheAbgrenzungvon Destinationen,Teil III-1.4. 922 Schnellet al., Methodender empirischenSozialforschung, 1999, S. 325. 923 Converse,J.M. & Presser, S., Handcraftingthe StandardizedQuestionnaire, 1986, S. 65 ff. 236
3. Ergebnisse 3.1 AIIgemein 3.1.1 Angewandte Tests bei Vergleichen zwischen Gruppen Bei Vergleichen zwischen Regionen und Sektoren wird bei gegebener Homogenit~it der Varianzen die einfaktorielle Varianzanalyse und ansonsten der Brown-Forsythe-Test herangezogen. Mit diesen Tests kann der Einfluss einer kategorial skalierten Variable auf eine intervall- oder ordinalskalierte Variable festgestellt werden. Somit k6nnen die Mittelwerte aus mehreren Gruppen bzw. Kategorien gleichzeitig analysiert und auf signifikante Unterschiede untersucht werden. Es zeigt sich, ob sich auftretende Mittelwertunterschiede zwischen Gruppen mit zuf~illigen Schwankungen erkl~iren lassen oder nicht. Sinnvoll sind anschlieBende Post-Hoc-Tests (multiple paarweise Mittelwertvergleiche), die direkte Vergleiche zwischen den Gruppen aufzeigen. Hier wird bei gegebener Homogenit~it der Varianzen der Scheffe-Test durchgeRihrt, ansonsten der Tamhane-T2-Test. In Anlehnung an das zentrale Grenzwerttheorem kann bei den Tests aufgrund der gegebenen Fallzahlen die Normalverteilung approximiert werden. 924 Die Zusammenh~inge zwischen kategorial skalierten Variablen werden hingegen mit Hilfe des Chi-Quadrat-Tests analysiert. Dieser Test tiberprtift die Unabhangigkeit der beiden Variablen einer Kreuztabelle und damit indirekt auch deren Zusammenhang. Beobachtete H~iufigkeiten werden mit erwarteten H~iufigkeiten verglichen. Stimmen diese tiberein, dann gelten die Variablen als unabh~ingig. 92s Bei Vergleichen zwischen den Regionen werden die Gruppen Tourismusorganisationen, Hotels und Gemeinden einbezogen. Nicht berticksichtigt wird die Kategorie ,andere Branchen', da entsprechende Daten nur in Stidtirol erhoben werden konnten.
3.1.2 Angewandte Tests zur Analyse yon Zusammenh~ngen Die Regressionsanalyse wird eingesetzt, um die Art des Zusammenhangs zwischen intervalloder ordinalskalierten Daten aufzuzeigen. 926 Der Wert einer (abh~ingigen) Variable wird aus den Werten anderer (unabh~ingiger Variablen) untersucht und vorhergesagt. Ergebnis ist die Sch~itzung der Koeffizienten der Gleichung y = b 1-X 1 + b2.X2 + ... + bn.Xn + a, wobei n die Anzahl der unabh~ingigen Variablen ist, die mit X1 bis Xn bezeichnet sind, w~ihrend a eine Konstante darstellt. Gew~ihlt wird die schrittweise Methode. Dabei werden die Vorw~irtsMethode und die Rtickw~irts-Methode kombiniert. Erstere nimmt nacheinander die Variablen mit dem h6chsten partiellen Korrelationskoeffizienten mit der abh~ingigen Variable in die
924 Zentrales Grenzwerttheorem: ,,Die Verteilung von Mittelwerten aus Stichproben des Umfanges n, die s~imtlich derselben Grundgesamtheit entnommen wurden, geht mit wachsendem Stichprobenumfang in eine Normalverteilung fiber." Daher kann davon ausgegangen werden, ,,dass die Mittelwerteverteilung ffir beliebige Verteilungsformen des Merkmals in der Population bereits dann hinreichend normal ist, wenn n >= 30" (Bortz, J., Statistik, 1993, S. 91). 925 Vgl. Biihl, A. & Z6fel, P., Modeme Datenanalyse, 2000, S. 238 ff. 926 Vgl. Bfihl, A. & Z6fel, P., Moderne Datenanalyse, 2000, S. 344 ff. 237
Gleichung auf. Die Rtickw/~rts-Methode f'gngt mit der L6sung an, die alle unabh~ingigen Variablen enth~lt und schliegt dann jeweils die unabhgngigen Variablen mit dem kleinsten partiellen Korrelationskoeffizienten aus, soweit der zugeh6rige Regressionskoeffizient nicht signifikant ist. Die schrittweise Methode funktioniert /~hnlich wie die Vorw~irts-Methode, jedoch werden die aufgenommenen Variablen nach der Rtickw/~rts-Methode untersucht. Die unabh~ngigen (erkl~irenden) Variablen k6nnen dabei bis zu einem gewissen Grad untereinander korrelieren. Die Messung dieser Multikollinearit/~t wird durch den Indikator Varianzinflation (VIF) gemessen, welcher einen Grenzwert von 5,3 nicht tiberschreiten sollte. 927
3.1.3 ROcklaufquote Insgesamt haben 414 der kontaktierten Unternehmen den Fragebogen ausgeftillt. Dies ergibt eine Rticklaufquote von 14,6%, wobei Unterschiede zwischen den Regionen auszumachen sind. 67,4% der Frageb6gen wurden von St~dtiroler Untemehmen, 22,2% von Tiroler und 9,9% von Trentiner Unternehmen beantwortet. 0,5% machten keine Angabe zur Region, in welcher sie t~itig sind. Die ungleiche Verteilung kann darauf zuriickgefahrt werden, dass Betriebe unterschiedlicher Branchen mit mehr als 10 Mitarbeitern nur in Stidtirol kontaktiert wurden. Hinsichtlich der verschiedenen Akteurgruppen verteilt sich die Rticklaufquote wie folgt: Anzahl
Prozent
Hotel 4-, 5-Sterne 93 22,5 Hotel 3-Sterne 27 6,5 Tourismusorganisation 54 13,0 Gemeinde 95 22,9 Handel 28 6,8 Dienstleistung 29 7,0 Handwerk 30 7,2 Industrie 41 9,9 Landwirtschaft 5 1,2 Camping 4 1,0 Sonstiges 8 1,9 Gesamt 414 100,0 Abbildung 45: Rficklauf nach Akteurgruppen Den Fragebogen haben Akteure aus unterschiedlichen Branchen beantwortet. Die Akteurgruppen werden zur weiteren Auswertung wie folgt gruppiert: Tourismusorganisationen, Hotels, Gemeinden und andere Branchen.
927 Vgl. Hair, J. et al., Multivariate Data Analysis, 1998, S. 193. 238
Tourismusorganisation 13% andere Branche 34%
Hotels 30%
Gemeinde 23%
Abbildung 46: Gruppierung der Akteurgruppen
Die Gruppe Hotels umfasst die 3-, 4- und 5-Sterne Hotels und die Gruppe ,andere Branche' die Unternehmen aus den Sektoren Handel, Dienstleistung, Handwerk, Industrie, Landwirtschaft und sonstiges. Vergleiche zwischen Akteurgruppen basieren auf dieser Gruppierung.
3.1.4 Unternehmen und Gruppen Umfeld Die Akteure wurden gebeten die Wichtigkeit des Tourismus in ihrer Gemeinde zu bewerten. Wichtig ist der Tourismus in 65,9%, eher wichtig in 20,5%, weder noch in 5,1%, eher unwichtig in 6,5% und unwichtig in 1,2% der Fglle. 0,7% machten keine Angaben. Dies ergibt eine durchschnittliche Wichtigkeit von 1,55 - wobei ,1 = sehr wichtig und 5 = unwichtig'.
Kooperation Die Frage nach der Einbindung in Kooperationen ergab, dass viele Unternehmen einem Verband angeh6ren und Kooperationen vor allem innerhalb derselben Branche zu finden sind. Unterschiede zwischen Hotels und Unternehmen anderer Branchen gibt es bei der horizontalen Kooperation: 41,8% der Hotels kooperieren mit Unternehmen derselben Branche, bei den anderen Unternehmen sind es 23,4%. Abbildung 47 zeigt die Ergebnisse im Detail.
239
~ii~!!ii ~!i~i!i i ~i ~!ii !i i @!!ii i i ~i~!~i~!~i~i ~i i i i !~i!!~i!!i~!~i!!ii!~!!!~!~ii~i~!ii!i!i i~i i !i i i i i!i!~i!~ii ~!ii!~ii !~i~i!~ mit Unternehmen derselben Branche
~
~
mit Unternehmenaus ~ anderen Branchen mit der Offentlichen ~ Verwaltung
25,4o/~ 8,6%
9,6%
Sonstige Kooperation / 5 ' 3 %
ne,n ii! iiiiii ]D!iBiiiUii iii it2,,9 0
50
100
-4 150
200
250
300
Anzahl (MehrfachantwortenmOglich)
Abbildung 47" Einbindung der Akteure in Kooperationen
Handlungsorientierung Die Befragten wurden gebeten auf einer Skala von ,1 = trifft zu' bis ,5 = trifft nicht zu'
Charakteristika der Akteure einzustufen. Insgesamt treffen am ehesten die Charakteristika offen und individualistisch zu, mit einer durchschnittlichen Bewertung von 2,2 gefolgt von innovativ (2,4), kooperativ (2,5), flexibel und opportunistisch (jeweils 2,6). Ein Vergleich zwischen den Regionen zeigt signifikante Unterschiede auf. Die Charakteristika innovativ und kooperativ werden in Tirol und Stidtirol (ca. 2,3) h6her bewertet als im Trentino (ca. 2,9). Unterschiede gibt es weiters zwischen den Einsch~itzungen der verschiedenen Sektoren des Merkmales kooperativ: Gemeinden und Tourismusorganisationen geben eine h6here Bewertung (2,2) als Hotels und sonstige Branchen (2,6). Dies zeigt der folgende Tamhane-Test. (I)
(J)
Standard- Signifikanz Mittelwert fehler Differenz (I-J) 0,124 0,177 -0,412 1,000 0,175 0,016 0,195 0,167 -0,357 0,124 0,177 0,412 0,027 0,149 *0,429 0,999 0,140 0,056 1,000 0,175 -0,016 0,027 0,149 *-0,429 0,042 0,137 *-0,373 0,195 0,167 0,357 0,999 0,140 -0,056 0,042 0,137 *0,373
Hotels Gemeinden andere Branchen Tourismusorganisationen Hotels Gemeinden andere Branchen Tourismusorganisationen Gemeinden Hotels andere Branchen Tourismusorganisationen andere Branchen Hotels Gemeinden * Signifikanz der Mittelwert-Differenzauf 5% Niveau Abbildung 48: Kooperative Handlungsorientierung- Vergleich zwischen Akteurgruppen Tourismusorganisationen
240
Funktionen der Tourismusorganisationen Die Tourismusorganisation ist ein wesentlicher kollektiver Akteur in einer Destination und hat im kooperativen Ansatz des Destinationsmanagements eine zentrale Rolle. Folgende Funktionen werden den Tourismusorganisationen am H~iufigsten zugeordnet: Information (92,1%), Organisation von Veranstaltungen (79,2%), Betreuung von G~isten (69,3%), Marketing (58,2%), Interessenvertretung nach augen (43,3%), Koordination der touristischen Angebotstr~iger (35,4%) und Produktentwicklung (20,5%). Nur 5,4% der befragten Akteure gibt an, die Funktionen der Tourismusorganisationen in der Gemeinde nicht zu kennen. Unterschiede gibt es zwischen den Regionen. A nzahl Nennungen in Prozent Siidtirol Trentino
Tirel
Information 93,4 96,4 95,1 Organisation von Veranstaltungen 70,3 84,9 78,0 Produktentwicklung 27,5 25,9 41,5 Betreuung von G~isten 72,5 72,7 65,9 Interessenvertretung nach auBen 52,7 46,8 34,1 Marketing 70,3 57,6 63,4 Koordination der touristischen Angebotstr~iger 41,8 41,0 26,8 Abbildung 49: Funktion der Tourismusorganisation- Vergleich zwischen Regionen Marketing wird in Tirol h~iufiger genannt als in Stidtirol und Trentino. In Stidtirol sticht die Organisation von Veranstaltungen hervor und im Trentino die Produktentwicklung. Weiters k6nnen signifikante Unterschiede zwischen den Antworten der Gruppen, vor allem zwischen den Tourismusorganisationen und den anderen Akteuren, ausgemacht werden. Auffallend ist, dass sich Tourismusorganisationen selber mehr Funktionen zuweisen, als von den anderen Akteuren wahrgenommen wird. 120 100
...........................................................................................................................................................................................................................
~ . .
"*
6o
....
*,
-
.
20
0
.
.
.
~ . . . .
...." ~ ...........~
.
.
.
.
.
.
"
~
" " ~ 1 7 6
9--
~
>
~
,,
- Tourismusorganisation
--m~,~ Hotels
,
2_
-~
.~
E - ,~
.
a. ,L
Gemeinde
.... ~'~.... andere Branchen L
Abbildung 50: Funktion der Tourismusorganisation - Vergleich zwischen Akteurgruppen
241
3.2 Einfluss der Akteure 3 . 2 . 1 Einfluss der v e r s c h i e d e n e n A k t e u r g r u p p e n Um die Akteurkonstellationen, Governance-Formen und -Medien zu erheben, befasst sich ein Abschnitt des Fragebogens mit der Einflussverteilung und der Durchsetzung von Interessen.Die H6he des Einflusses von Akteurgruppen bei Entscheidungen in der Gemeinde konnten die Befragten auf einer Skala von ,1 = sehr hoch, 2 = hoch, 3 = ausreichend, 4 = wenig und 5 = kein Einfluss' angeben. Den eindeutig h6chsten Einfluss haben 6ffentliche K6rperschaften, zum Beispiel die Gemeinde. Dies gilt far alle drei der untersuchten Regionen. Bei anderen Akteurgruppen hingegen gibt es Unterschiede. So ist der Einfluss des Handels und des produzierenden Gewerbes bei Entscheidungen in Stidtirol signifikant gr6f3er als in Tirol. Unterschiedlich grog ist auch der Einfluss der Landwirtschaft. 5
...........................................................................................................................................................................................................................
4 -
~3
~
~1~~
- "tirol S0dtirol
---,~-~--=Trentino
2
i
,
i
i
i
i
E
o
~
T
....
-,-,
9- -
t--
.~
==
I
=
=8
5"-,
E -r--
~
m
(1 = s e h r
hoch,
5 = kein
Einfluss)
Abbildung 51: Einfluss von Akteurgruppen- Vergleich zwischen Regionen In den Antworten der verschiedenen Sektoren k6nnen Unterschiede ausgemacht werden. Der Einfluss der Tourismusorganisation wird von den Hotels am niedrigsten eingesch~itzt. Den Einfluss von Hotels und Gastwirten hingegen sch~itzen die Hotels und die Gemeinden niedriger ein als die anderen Sektoren.
242
5 ] ........................................................................................................................................................................................................................... i
I
4 4 .
= i
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
i
1
I ~-.:-:-:.-:.-.g. I
I
1 ,
.-
o~-~
._~
,,
2
E
T
~
~
~
ca_
=
~
~
--
~"
z
~-
I
(1 = sehr hoch, 5 = kein Einfluss)
- ..e- - Tourismusorganisation
--I-~
Hotels --..lk.---Gemeinde ......4/~--.- andere Branchen
Abbildung 52: Einfluss von Akteurgruppen- Vergleich zwischen Akteurgruppen
3.2.2 Verteilung
des Einflusses
Um die Konzentration bzw. die Verteilung des Einflusses zu erheben, wurden die Akteure gebeten verschiedene Aussagen einzustufen auf einer Skala v o n , 1 - trifft zu, 2 = trifft eher zu, 3 = weder noch, 4 = trifft eher nicht zu und 5 = trifft nicht zu'. Berficksichtigt wurde dabei auch der Einfluss der 6ffentlichen Hand.
Einige wenige haben gro6en Einfluss
Die 6ffentliche Hand bestimmt den Handlungsspielraum
2,21
/ Auch Interessengruppen t mit wenig Einfluss werden bei Entscheidungen eingebunden I I 1
3,07 !
i
2
3
4
5
Mittelwert (1 = trifff zu, 5 = tritft nicht zu)
Abbildung 53: Verteilung des Einflusses Die Aussagen ,Einige wenige haben grof3en Einfluss' und ,Die 6ffentliche Hand bestimmt den Handlungsspielraum' treffen eher zu und best~itigen den hohen Einfluss der/Sffentlichen
K6rperschaften. Bei der Einstufung der Aussagen gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Regionen. Die Gemeinden jedoch sch~itzen die Verteilung des Einflusses anders ein als die anderen Akteure. Sie sehen den Einfluss weniger konzentriert. 243
5
...........................................................................................................................................................................................................................
,
4
"~3-
:.~,-;~'~~'~*g
2 .....
-U
]
i Einige wenige haben g r o g e n Einfluss
, Die ~ffentliche Hand bestimmt den Handlungsspielraum
Auch Interessengruppen mit wenig Einfluss wer6en bei
Entscheidungeneingebunden (1 - trimzu, 5 = trifftnichtzu) -
Tourism usorganisation m l - -
Hotels
.i.
Gemeinde - - o - - - a n d e r e
Branchen
1J
Abbildung 54: Verteilung des Einflusses - Vergleich zwischen Akteurgruppen
3.2.3 Einsatz von Steuerungsmedien Akteure k6nnen ihren Einfluss mit Hilfe von unterschiedlichen Medien geltend machen. Gefragt wurde sowohl nach dem Einsatz von harten als auch von weichen Steuerungsmedien. Am h~,ufigsten genannt werden Beziehungen (60,9%), Vertrauen (45,5%) und Geld (40,4%) gefolgt von Macht (39,6%), Wissen (34,4%) und Kooperation (32,9%). Die Ergebnisse betonen somit die Wichtigkeit von weichen Medien. Signifikante Unterschiede zwischen den Regionen k6nnen ausgemacht werden. In Stidtirol werden Wissen und Kooperation weniger eingesetzt als in anderen Regionen. Die Beziehungen spielen hingegen eine bedeutendere Rolle. Geld wird in der Region Trentino weniger oft genannt als in den anderen Regionen. Anzahl Nennungen in Prozent
Tirol
I Siidtirol
I Trentino
Durch Macht 34,5 37,6 42,1 Durch Geld 40,2 44,0 26,3 Durch Aufbau von Vertrauen 52,9 48,0 44,7 Durch Wissen (z. B. Beratung)* 44,8 28,8 50,0 Durch Kooperation 40,2 29,6 31,6 Durch Beziehungen (Seilschaften)* 49,4 66,4 47,4 * Chi-Quadrat-Test, signifikanteUnterschiede Abbildung 55: Einsatz von Steuerungsmedien- Vergleich zwischen Regionen
244
Weitere signifikante Unterschiede bei den Antworten gibt es zwischen den Sektoren. 80 1
...........................................................................................................................................................................................................................
70 ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
~, 4 0
== 30
-::'=~__~.
....
.
.
.
.
.
.
.
.
l-
.............. .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
. .........................
ze= 20
0-~ 10/ . . . . . . . . . . . . . . . Durch Macht
Durch Geld
I - -O- - Tourismusorganisation
,
-
,
,
Durch Aulbau Durch Wissen yon Vertrauen (Beratung)
--~
Hotels
.L
i
i
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
- ..... , . . . . Durch Kooperation
,
Durch Beziehungen (Seilschaffen)
Gemeinde - - . 4 ~ - a n d e r e
Branchen I
Abbildung 56: Einsatz von Steuerungsmedien- Vergleich zwischen Akteurgruppen Hotels und andere Branchen stufen den Einsatz der verschiedenen Steuerungsmedien ~ihnlich ein. Sie betonen die Wichtigkeit von Beziehungen, Macht und Geld, um Einfluss geltend zu machen. Kooperation wird am wenigsten oft genannt. Die Nennungen unterscheiden sich vor allem von jenen der Gemeinden, welche den Aufbau von Vertrauen hoch und den Einsatz von Macht und Geld niedrig einstufen. Tourismusorganisationen ffihren vor allem die Steuerungsmedien Vertrauen, Kooperation und Beziehungen an.
3.3 Interaktionsformen Die Praktiken der Entscheidungsfindung umfassen die verschiedenen Koordinationsverfahren und deren Ausprggungen. Untersucht werden die Hgufigkeit der Anwendung in den Gemeinden sowie der Einfluss der Interaktionsformen auf die Bewertung einer nachhaltigen Entwicklung und des gemeinsamen Raumbezugs.
3.3.1 Einsatz von Interaktionsformen Der Fragebogen inkludiert eine detaillierte Liste an Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung, deren Anwendung die Akteure auf einer Skala v o n , 1 = immer, 2 = oft, 3 = ab und zu, 4 = selten und 5 = nie' einstufen konnten. Abbildung 57 ordnet die Interaktionsformen nach der durchschnittlichen Hgufigkeit, mit welcher sie in den Gemeinden eingesetzt werden.
245
Offentliche KSrperschaften entscheiden Abstimmung Verhandlungen Informationsaustausch Kompromiss Der St~rkste entscheidet Gegengesch~lt Keine Einigung (das Projekt scheitert) Gegner werden ausgeschlossen Ausgleichszahlungen 1
2
3
4
5
Mittelwert (1= immer, 2 = oft, 3 = ab und zu, 4 = selten, 5 =nie)
Abbildung 57: Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung Der Einfluss der 6ffentlichen K6rperschaften zeigt sich auch im Einsatz der Interaktionsformen. Oft eingesetzt werden weiters Abstimmungen und Verhandlungen. Auffallend ist, dass der Informationsaustausch keine grunds~itzlich tibliche Interaktionsform darstellt, obwohl er die anderen Praktiken untersttitzen miisste. Es zeigt sich erneut, dass vor allem einflussreiche Akteure in Entscheidungsfindungen einbezogen werden. Allgemein eher untiblich sind Gegengesch~ifte und Ausgleichszahlungen. Zwischen Tirol und Stidtirol gibt es keine signifikanten Unterschiede in der Einstufung der Interaktionsformen. Die Ergebnisse zwischen Tirol und Trentino hingegen unterscheiden sich signifikant bei der Anwendung folgender Praktiken: Verhandlungen, ,Der St~irkste entscheidet', Ausschluss von Gegnern, Ausgleichszahlungen und Abstimmung. Sie kommen in Tirol h~iufiger zur Anwendung als im Trentino. Unterschiede gibt es auch zwischen den Akteurgruppen, obwohl eine grunds~itzliche Tendenz ausgemacht werden kann, die zeigt, welche Interaktionsformen h~iufig eingesetzt werden. Vergleichbar sind die Antworten von Hotels und anderen Branchen, welche sich in einigen Punkten von jenen der Gemeinden und Tourismusorganisationen unterscheiden. Letztere stufen die Anwendung der Praktiken Informationsaustausch und Kompromiss h~iufiger sowie ,Gegner werden ausgeschlossen' seltener ein.
246
5
...........................................................................................................................................................................................................................
4.
...........
~3 ............. ~,,,41F~
.
_~
"-'
-o
~
~,~6
.
.
.
.
~
~ ~
9-
.
~ , z~
~
.-
.-
--
._
,~
Q..
x/
o
'E
(1 = i m m e r , 5 = n i e ) . .~-
- Tourismusorganisation
< mU~.-
Hotels
,t,
Gemeinde
.... ~ ...... a n d e r e B r a n c h e n
Abbildung 58" Interaktionsformen -Vergleich zwischen Akteurgruppen
3.3.2 Einfluss der Interaktionsformen auf die Nachhaltigkeit Die eingesetzten und tiblichen Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung beeinflussen die Entwicklung einer r~iumlichen Wettbewerbseinheit und die Beziehungen zwischen den Akteuren. Es gilt aufzudecken, welche Koordinationsformen Nachhaltigkeit untersttitzen. Um diesen Einfluss zu analysieren, wird eine lineare multiple Regressionsanalyse durchgefiihrt. Die Bewertung der nachhaltigen Entwicklung dient als abh~ingige und die verschiedenen Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung als unabh~ingige Variablen. Abbildung 59 zeigt die Ergebnisse der Analyse. R R - Q u a d r a t KorrigiertesR-Quadrat Standardfehlerder Sch~itzung 0,507 0,257 0,245 0,941
Regression Residuen Gesamt
Quadratsumme df 81,973 237,500 319,473 Faktor
4 268 272
Mittel der Quadrate F Signifikanz 23,125 0,000 20,493 0,886
Standardisierter Beta-Koeffizient
t
Signifikanz
VIF
Informationsaustausch 0,233 3,657 0,000 1,462 Auch Interessengruppen mit wenig 0,195 3,238 0,001 1,310 Einfluss werden bei Entscheidungen eingebunden Keine Einigung (das Projekt scheitert) -0,144 -2,667 0,008 1,050 Einigung auf eine m~$glichstoptimale 0,145 2,329 0,021 1,407 Probleml6sung (Kompromiss) Abbildung 59: Regressionsanalyse: Einfluss der Interaktionsformen auf die nachhaltige Entwicklung Die Bewertung der nachhaltigen Entwicklung wird signifikant positiv beeinflusst vom Informationsaustausch, der Einbindung von einflussschwachen Interessengruppen sowie von 247
der Einigung auf m6glichst optimale Probleml6sungen. Wird hingegen der Austausch abgebrochen und es kommt zu keiner Einigung, so hat dies einen negativen Einfluss. Die Ergebnisse zeigen, dass nachhaltige Entwicklung als partizipativer Prozess gesehen wird, der m6glichst alle Akteurgruppen einbinden sollte, um erfolgreich zu sein.
3.3.3 Einfluss der Interaktionsformen auf den Raumbezug Ein gemeinsamer Raumbezug untersttitzt die Zusammenarbeit und die Entwicklung von integrierten Produkten in Tourismus-Destinationen. Er kann durch die Wahl von Interaktionsformen beeinflusst werden. Dieser Einfluss wird anhand einer linearen multiplen Regressionsanalyse aufgezeigt, welche die Bewertung des Zusammengeh6rigkeitsgefahls bzw. des gemeinsamen Raumbezugs als abh~ingige und die Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung als unabh~ingige Variablen einbindet. Abbildung 60 zeigt die Ergebnisse dieser Analyse. R R-Quadrat KorrigiertesR-Quadrat Standardfehlerder Sch~itzung 0,501 0,251 0,241 1,053 Quadratsumme Regression Residuen Gesamt
104,253
310,343 414,596 Faktor
df 4 280 284
Mittel der Quadrate F Signifikanz 23,515 26,063 0,000 1,108
Standardisierter Beta-Koeffizient
t
Signifikanz
,318 5,461 ,000 Informationsaustausch ,014 ,148 2,477 Auch Interessengruppen mit wenig Einfluss werden bei Entscheidungen eingebunden ,014 -,130 -2,469 Keine Einigung (das Projekt scheitert) ,120 2,145 ,033 Die Mehrheit entscheidet durch Abstimmung Abbildung 60: Regressionsanalyse:Einfluss der Interaktionsformenauf den Raumbezug
VIF
1,269 1,344
1,035 1,177
Das Zusammengeh6rigkeitsgefahl und ein gemeinsamer Raumbezug werden von den Interaktionsformen Informationsaustausch, Einbindung auch von einflussschwachen Akteurgruppen und Entscheidung der Mehrheit durch Abstimmung positiv beeinflusst. Negative Auswirkung hingegen hat das Abbrechen von Entscheidungsprozessen, wenn es keine Einigung gibt und das Projekt scheitert. Ebenso wie bei der nachhaltigen Entwicklung spielt Partizipation und Austausch far den gemeinsamen Raumbezug eine Rolle. Hierarchische Koordinationsformen hingegen bewirken keinen signifikanten Einfluss.
248
3.4 Kollektive Handlungsf~ihigkeit Kollektive Handlungsf'ahigkeit wird zum einen beeinflusst von den vorhandenen Interessenkonflikten zwischen den Akteurgruppen und zum anderen von der Einigkeit tiber ein gemeinsames Vorgehen und fiber die strategische Ausrichtung.
3.4.1 Interessenkonflikte Interessenkonflikte k6nnen sowohl innerhalb einer Akteurgruppe als auch zwischen diesen vorkommen. Gefragt wurde, wie oft die unterschiedlichen Konflikte in den Gemeinden auftreten. Insgesamt werden die Interessenkonflikte nicht als sehr gravierend eingestuft. Die meisten treten nur ,ab und zu' auf, wobei die Interessenkonflikte zwischen den touristischen Angebotstr~gern sowie zwischen Tourismusorganisation und Mitgliedern (in Tirol und Sfidtirol) sehr leicht fiberwiegen. Abbildung 61 zeigt die H~ufigkeit der Interessenkonflikte nach Regionen, wobei die m6glichen Antwortm6glichkeiten von, 1 = immer, 2 = oft, 3 = ab und zu, 4 = selten bis 5 = n i e ' reichen. Die Interessenkonflikte zwischen Tourismus und Handel sowie zwischen Tourismus und produzierendem Gewerbe sind in Sfidtirol signifikant h6her als in Tirol und Trentino. Der Einfluss dieser beiden Akteurgruppen ist in St~dtirol h6her als in den beiden anderen Regionen und somit steigt das Konfliktpotential. In der Region Trentino werden die Interessenkonflikte generell niedriger eingestuft. 5
...........................................................................................................................................................................................................................'
4-
-
:
:. ~ - - - - "
'-
i
e
i 2 .
.
.
.
l
-' ~- "5
~
.e_ .
=
l
.
.
,
,
-,
.
9m__.
(1 = i m m e r ,
5 = nie)
. +
- Tirol
i =~=
o
~ ~
9~_ ~
_
,
:~
m
E m .r.-
--o.--
SOdtirol
....
~
.... Trentino
Abbildung 61: Interessenkonflikte- Vergleich zwischen Regionen Unterschiede gibt es vor allem bei Interessenkonflikten zwischen Tourismusorganisation und deren Mitgliedern sowie zwischen Tourismus und Landwirtschaft. Neben den Unterschieden zwischen den Regionen sch~tzen auch die befragten Akteurgruppen die Interessenkonflikte in ihren Gemeinden unterschiedlich ein: Von Tourismusorganisationen und Gemeinden werden sie signifikant niedriger eingeschfitzt als von Hotels und anderen Branchen.
249
'-
._
-
=
=~
.-~
-,= E-~
7
~
=
~
~.
~
=
.=
~
.
=~=
~~
~ ~
.~_~
Z
(1 = immer, 5 =nie) - -~- - Tourismusorganisation - - I - -
Hotels
-it
Gemeinde ~ a n d e r e
Branchen I
Abbildung 62: Interessenkonflikte- Vergleich zwischen Akteurgruppen Die grunds~itzliche T e n d e n z - geringe Interessenkonflikte zwischen Tourismus und Handel sowie zwischen Tourismus und produzierendem Gewerbe - kann unabh~ingig von Region und Sektor beobachtet werden. Hier spiegelt sich die niedrige Kooperatlonsrate zwischen den unterschiedlichen Sektoren wider, wodurch Konflikte vermieden werden.
3.4.2 Gemeinsames Vorgehen Eine vergleichbare Einsch~itzung der Handlungssituation, gemeinsame Ziele und Projekte sind die Voraussetzung f'tir die Bestimmung und Durchsetzung einer kollektiven strategischen Ausrichtung und Handlungsfiihigkeit. Zum gemeinsamen Vorgehen geh6rt weiters die Verteilung von eventuellen Gewinnen, die durch die Zusammenarbeit entstehen. Dies ist nicht einfach, da alle Beteiligten auf ihren Vorteil bedacht sind und unter Umst~inden kann die Frage der Verteilung zum Scheitern von Verhandlungen ~hren. Die Akteure wurden daher gebeten Aussagen zu diesen Faktoren auf einer Skala von, 1 = immer, 2 = oft, 3 = ab und zu, 4 = selten und 5 = nie' einzustufen. Insgesamt wird das gemeinsame Vorgehen nur moderat bewertet.
250
.......................................... ~..................................................................................................................................
Der Handlungsbedarl wird yon den Beteiligten ~hnlich wahrgenommen
~ 2,80
Die Beteiligten einigen sich auf gemeinsame
7iele~
2,85
Die Beteiligten investieren gemeinsam in ein Projekt
3,37
3,41
Projektpartner kSnnen sich Qber die Verteilung yon eventuellen Gewinnen einigen* , 2
3
4
5
Mittelwert * 1 8 , 6 % g e b e n an, dass dieser Punkt nicht diskutiert wird
(1 = immer, 5 = n i e )
Abbildung 63: Gemeinsames Vorgehen Durchschnittlich nur ,ab und zu' wird der Handlungsbedarf der Akteure in einer Gemeinde ~ihnlich wahrgenommen und k6nnen sich die Beteiligten auf gemeinsame Ziele einigen. Gemeinsame Investitionen sind eher selten und die Verteilung von eventuellen Gewinnen muss daher nicht oft diskutiert werden. Die Aussagen werden in den untersuchten Regionen durchschnittlich ~ihnlich eingestuft. Signifikante Unterschiede gibt es jedoch bei den Antworten auf diese Frage zwischen den Sektoren. 5-f
...........................................................................................................................................................................................................................
I 4-} . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I
1=
2-t
........................
-.
. . . . .
-.
"I
-
i 1 [
,
Der Handlungsbedarf wird yon den Beteiligten ~hnlich wahrgenommen
,
,
Die Beteiligten einigen Die Beteiligten Projektpartner k S n n e n sich auf gemeinsame investieren gemeinsam sich eber die Ziele in ein Projekt Verteilung von eventuellen Gewinnen einigen (1 = immer, 5 = nie)
- +
- Tourismusorganisation
--a,-.-
Hotels
.t
G e m e i n d e ..........~ ...........andere Branchen ]
Abbildung 64: Gemeinsames Vorgehen- Vergleiche zwischen Akteurgruppen Vor allem Tourismusorganisationen bewerten das gemeinsame Vorgehen besser als die anderen Sektoren, auch wenn die Gemeinden Aussagen zur Handlungssituation und zu den gemeinsamen Zielen ~ihnlich beurteilen. Am seltesten wird ein gemeinsames Vorgehen von den anderen Branchen eingestuft. Hier best~itigt sich, dass intersektorale Kooperationen zwischen privaten Akteuren eher selten vorkommen. Ann~iherungen gibt es bei den privaten Akteuren zwischen Hotels und anderen Branchen bei der Einsch~itzung des Handlungsbedarfs und bei der Einigung auf gemeinsame Ziele. 251
3.5 Einfluss der i~ffentlichen Hand In den traditionellen Tourismus-Destinationen wird der institutionelle Kontext stark von der 6ffentlichen Hand bestimmt. Die empirische Untersuchung best~itigt, dass 6ffentliche K6rperschaften grol3en Einfluss haben und diesen auch einsetzen. Die gewtinschte Rolle der Offentlichen Hand wird anhand von vier Aussagen untersucht, die verschiedene Formen der Intervention der 6ffentlichen Hand aufzeigen. Die Befragten konnten auf einer Skala von, 1 = stimme zu, 2 = stimme eher zu, 3 = neutral, 4 = stimme eher nicht zu bis 5 = stimme nicht zu' ihre Meinung ausdr~cken. Insgesamt sind sich die Akteure einig, dass die 6ffentliche Hand weniger direkt intervenieren als vielmehr untersttitzende Rahmenbedingungen schaffen sollte.
Die (~ffentliche Hand hat die Aufgabe, unterst0tzende Rahmenbedingungen zu schaffen
I.,,i,.i.I..................................................................
Die (Sffentliche Hand hat nicht die Aufgabe, in betriebliche Belange einzugreifen
2,1
Die 5ffentliche Hand hat die Aufgabe, zwischen den Unternehmen und den Branchen zu vermitteln
2,6
Die 5ffentliche Hand muss den Handlungsspielraum der Unternehmen vorgeben
3,3
J 2
3
4
5
Mittelwert (1 = stimme zu, 5 = stimme nicht zu)
Abbildung 65: Rolle der 6ffentlichen Hand Die Akteure sehen die 6ffentliche Hand kaum als Vermittler zwischen Unternehmen und Branchen und stimmen auch der Aussage, dass die 6ffentliche Hand den Handlungsspielraum der Unternehmen vorgeben sollte, eher nicht zu. Dieses Ergebnis entspricht der Anforderung an die Tourismuspolitik, aufgrund von meritorischen Zielen und Marktversagen nicht direkte Einflussnahme zu betreiben, sondern integrierte Standortpolitik. Es gilt die F~higkeiten der Akteure zu f6rdern und die Rahmenbedingungen ffir Kooperationen zu gestalten. 928 Insgesamt gibt es nur wenige signifikante Unterschiede zwischen den Regionen bei der Bewertung der Aussagen. Diese betreffen stets die Region Trentino, welche die 6ffentliche Hand etwas mehr in der Rolle des Vermittlers (durchschnittliche Bewertung 1,9) sieht und nach unterstfitzenden Rahmenbedingungen verlangt (durchschnittliche Bewertung 1,25). Auch die verschiedenen Akteurgruppen sind sich einig, dass es Aufgabe der 6ffentlichen Hand ist, untersttitzende Rahmenbedingungen zu schaffen. Die anderen Branchen lehnen Eingriffe und die Vermittlung der 6ffentlichen Hand am deutlichsten ab, gefolgt von den Hotels. Am ehesten stimmen die Tourismusorganisationen einem Einfluss der 6ffentlichen Hand zu, auch wenn die Unterschiede im Antwortverhalten nicht sehr grol3 sind. Einen signifikanten Unterschied gibt es bei der Aussage ,Die 6ffentliche Hand hat nicht die
928 Vgl. Anforderungenan die Tourismuspolitik,Teil III-2.5.3. 252
Aufgabe, in betriebliche Belange einzugreifen'. Der Scheffe-Test zeigt die Mittelwerte und tie Unterschiede zwischen homogenen Untergruppen. 929 Untergruppe ffir Alpha = 0,05 1 2 andere Branchen 1,90 Hotels 2,04 Gemeinde 2,11 2,11 Tourismusorganisation 2,57 Sig. ,686 ,075 Abbildung 66: Eingriff der 6ffentlichen Hand- Vergleich zwischen Akteurgruppen N 135 115 92 51
3.6 Netzwerke Die Fragen, die sich auf Netzwerke beziehen, umfassen zum einen die Analyse der Vernetzung und zum anderen die Probleme und Fallstricke in Netzwerken.
3.6.1 Netzwerkqualit~t Die Qualit~it von Netzwerken kann dadurch verbessert werden, dass Unternehmen in mehreren Netzwerken Partner sind, sodass Vemetzungslt~cken verhindert werden. Weiters sollten sowohl einflussreiche als auch fachlich kompetente Akteure eingebunden werden. Die Akteure konnten die Art der Netzwerke anhand verschiedener Faktoren bewerten.
In Netzwerken sind sowohl einflussreiche als auch fachlich kompetente Unternehmer eingebunden
2,83
In Netzwerken sind auch 6ffentliche K6rperschaften eingebunden
3,04 [
FiJr Interessierte ist es leicht, in bestehende Netzwerke einzutreten
3,15
Untemehmen sind in mehrere Netzwerke gleichzeitig eingebunden
3,21 ! t
i
2
3
4
5
Mittelwert (1 = immer, 2 = o1~, 3 = ab und zu, 4 = selten, 5 = n i e
Abbildung 67" Netzwerke
929 Dieser zeigt aufgrund eines signifikanten Ergebnisses der Varianzanalyse, welche Sektoren sich im Einzelnen signifikant unterscheiden. Als Signifikanzniveau wurde 0,05 gewfihlt. Die Homogenitgt der Varianzen ist gegeben. Aufgrund unterschiedlicherGruppengr6f3enwird ein harmonisches Mittel von N = 85,873 verwendet. 253
Die Bewertung der Netzwerke f~illt insgesamt sehr moderat aus, wobei es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Regionen gibt. Nur ab und zu sind in Netzwerken sowohl einflussreiche als auch fachlich kompetente Akteure eingebunden. Ftir Interessierte ist es nicht immer einfach, in bestehende Netzwerke einzutreten und eher selten sind die Akteure in mehreren Netzwerken t~itig. Diese Ergebnisse best~itigen emeut, dass Akteure vor allem innerhalb einer Branche miteinander verbunden sind und sektorentibergreifende Kooperationen sich noch entwickeln mtissen. Die Bewertung der Netzwerke unterscheidet sich signifikant nach Akteurgruppen. Tourismusorganisationen beurteilen die Vernetzung und die Zusammensetzung der Netzwerke am h6chsten, w~ihrend die Gemeinden und andere Branchen das Vorkommen s~imtlicher Merkmale als eher selten einstufen. Trotz der absoluten Unterschiede bewerten alle Akteurgruppen die gleichzeitige Einbindung von einflussreichen und fachlich kompetenten Akteuren am Besten. Die einfaktorielle Varianzanalyse sowie anschlieBende Post-Hoc-Tests verdeutlichen die Unterschiede. Vorab wird eine Oberprfifung auf Varianzenhomogenit~it durch Levene-Test vorgenommen. LeveneStatistik* 2,093
dfl **
Unternehmen sind in mehrere Netzwerke gleichzeitig eingebunden 0,583 Ftir Interessierte ist es leicht, in bestehende Netzwerke einzutreten 1,659 In Netzwerken sind sowohl einflussreiche als auch fachlich kompetente Unternehmer eingebunden 2,861 In Netzwerken sind auch 6ffentliche K6rperschaften eingebunden * Prtifgr6Be t ** Freiheitsgrade Abbildung 68: Netzwerke - Test der Homogenit~it der Varianzen
df2**
Signifikanz
3
329
0,101
3
298
0,627
3
297
0,176
3
306
0,037
Die Nullhypothese des Levene-Tests erkl~irt die Varianzenheterogenit~it. Ftir die Aussagen bei denen der Test eine Signifikanz gr6Ber 0,05 ergibt, kann die Varianzenhomogenit~it angenommen und die Varianzanalyse (ANOVA) durchgeflihrt werden. Diese zeigt, ob sich die Bewertung der Netzwerke in den vier verschiedenen Akteurgruppen signifikant voneinander unterscheiden. Bei der letzten Aussage ist die Varianzenhomogenit~it nicht gegeben. Hier wird der Brown-Forsythe-Test angewandt. Abbildung 69 zeigt, dass beide Tests signifikante Unterschiede best~itigen. Brown-Forsythe-Test Statistik dfl 3 In Netzwerken sind auch 6ffentliche 7,152 K6rperschaften eingebunden
254
dr2 244,824
Signifikanz ,000
Unternehmen sind in mehrere Netzwerke gleichzeitig eingebunden FOr Interessierte ist es leicht, in bestehende Netzwerke einzutreten
Einfaktorielle Varianzanalyse Quadratdr2 summe zwischen Gruppen 18,100 258 innerhalb der 308,602 254 Gruppen gesamt 326,703 254 zwischen Gruppen 11,076 254 innerhalb der 319,918 250 Gruppen gesamt 330,993 251 zwischen Gruppen 8,606 231 innerhalb der 309,753 249 Gruppen gesamt 318,359 256
Mittel der F Quadrate 1,467 6,432
Sig. 0,005
0,564
0,849
3,439
0,004
0,728
In Netzwerken sind 0,242 2,751 sowohl einflussreiche 0,847 als auch fachlich kompetente Untemehmer eingebunden Abbildung 69: Netzwerke - Vergleiche zwischen Akteurgruppen - Mittelwertvergleiche
0,004
Bei den signifikanten Ergebnissen wird bei Varianzenhomogenit~it mit Hilfe des ScheffeTests ein multipler Mittelwertvergleich durchgeftihrt. Bei Varianzenheterogenit~it wird auf den Tamhane-T2 zurtickgegriffen. AnschlieBend stellt Abbildung 71 die Unterschiede grafisch dar. Scheffe-Test: Unternehmen sind in mehrere Netzwerke gleichzeitig eingebunden Untergruppe far Alpha = 0,05 N 1 2 3 Tourismusorganisation 45 2,91 Hotels 102 2,96 2,96 Gemeinde 74 3,41 3,41 andere Branchen 112 3,42 Signifikanz 0,992 0,054 1,00 Scheffe-Test: Ftir Interessierte ist es leicht, in bestehende Netzwerke einzutreten Untergruppe fiir Alpha = 0,05 N 1 2 Tourismusorganisation 41 2,73 Hotels 99 3,12 3,12 Gemeinde 60 3,17 3,17 andere Branchen 102 3,34 Signifikanz 0,125 0,681
255
Scheffe-Test: In Netzwerken sind sowohl einflussreiche als auch fachlich kompetente Unternehmer eingebunden Untergruppe far Alpha = 0,05 N 1 2 Tourismusorganisation 40 2,45 Hotels 95 2,78 2,78 Gemeinde 100 2,93 2,93 andere Branchen 66 2,98 Signifikanz 0,066 0,720 Tamhane-T2-Test: In Netzwerken sind auch Mittelwert Standard6ffentliche K6rperschaften eingebunden Differenz (I-J) fehler Tourismusorganisationen Hotels -0,107 0,191 Gemeinden *-0,742 0,207 andere Branchen -0,423 0,191 Tourismusorganisationen 0,107 0,191 Hotels 0,165 Gemeinden *-0,636 andere Branchen -0,317 0,144 Gemeinden Tourismusorganisationen *0,742 0,207 0,165 Hotels *0,636 0,319 0,164 andere Branchen 0,191 andere Branchen Tourismusorganisationen 0,423 0,317 0,144 Hotels -0,319 0,164 Gemeinden * Signifikanz der Mittelwert-Differenzauf 5% Niveau Abbildung 70: Netzwerke - Multipler Mittelwertvergleich zwischen Akteurgruppen
5
...........................................................................................................................................................................................................................
4-
.|| 3 2-
Unternehmen sind in mehrere Netzwerke gleichzeitig eingebunden
F0r Interessierte ist es In Netzwerken sind leicht, in bestehende sowohl einflussreiche Netzwerke einzutreten als auch fachlich kompetente Unternehmer eingebunden
In Netzwerken sind auch 5ffentliche KSrperschalten eingebunden
(1 = immer, 5 =nie) . ~
- Tourismusorganisation m l - -
Hotels
,I,
Gemeinde ........~ .........andere Branchen ]
Abbildung 71 : Netzwerke - Vergleich zwischert Akteurgruppen
256
Signifikanz 0,994 0,003 0,164 0,994 0,001 0,161 0,003 0,001 0,282 0,164 0,161 0,282
3.6.2 Netzwerkprobleme Verschiedene Problemdimensionen k6nnen den Erfolg von Netzwerken schm~ilern.93~ Die wesentlichen Fallstricke werden im Fragebogen angefOhrt und die Befragten konnten die H~iufigkeit bestimmter Schwierigkeiten, mit denen Netzwerke zu k~impfen haben, einstufen. 25% der Befragten haben diese Frage nicht beantwortet. Dieser hohe Anteil spiegelt die geringe Vernetzung wider und best~itigt die Ergebnisse des Pretests, der zeigte, dass sich die Akteure kaum mit dem Thema Netzwerkmanagement auseinandersetzen. Einige wenige bestimmen die Netzwerkentwicklung Kurzfristige Interessen ~
'~-~
.........................................................................................
[ 2
,
5
2
/ Fehlendes oder nicht professionelles Management
2,65
] Unregelm~i6ige Kontakte zwischen den Partnern
2,68
Mangelndes Vertrauen in die Partner
2,74
Zu kleine Anzahl yon Beteiligten
3,20
Zu gro6e Anzahl yon Beteiligten
3,30
J 2
3
4
5
Mittelwert (1 = immer, 2 = of(, 3 = ab und zu, 4 = selten, 5 =nie)
Abbildung 72: Netzwerkprobleme Die gr613ten Fallstricke von Netzwerken liegen darin, dass vielfach nur einige wenige die Netzwerkentwicklung bestimmen oder dass kurzfristige Interessen vorherrschen. Fehlendes oder nicht professionelles Management, unregelm~i6ige Kontakte und mangelndes Vertrauen sind eher relevant als die Anzahl der Beteiligten. Die Schwierigkeiten werden in den drei untersuchten Regionen ahnlich eingestuft. Signifikante Unterschiede gibt es zwischen den Antworten der Akteurgruppen bei den Faktoren Anzahl der Beteiligten, fehlendes oder nicht professionelles Management sowie kurzfristige Interessen. Insgesamt sch~itzen die Gemeinden die Schwierigkeiten, mit denen Netzwerke zu k~impfen haben, etwas geringer ein als die restlichen Akteurgruppen. Abbildung 73 zeigt die Antworten im Detail.
93o Vgl. Problemeund Zerfallvon Netzwerken,Teil II-3.4.6. 257
5
...........................................................................................................................................................................................................................
4
.
2
. . . . . . .
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
i
.
.
.
.
.
.
.
.
,
.
.
.
.
.
.
.
.
i
g
g
zo
_>
_>
-
,_~~=
-e-
.
.
.
.
.
.
.
.
r
&~
.{~o
._~-~ ~'--=
LLI
~1.
.
.
.
.
.
.
i
==
,--
.
~
.
.
.
.
.
.
.
.
.
i
~
.-~
_~ - o
~.~
_=~-=--
g~E
~c~ N
z
(1 -immer, 5-- nie) -
-~-
- Tourismusorganisation
ml--
Hotels
,l,
Gemeinde
,-+,andere
Branchen
Abbildung 73" Netzwerkprobleme- Vergleich zwischen Akteurgruppen
3.7
Erfolg
3 . 7 . 1 B e w e r t u n g von E r f o l g s f a k t o r e n In dieser Arbeit wird als Ziel der Governance von Tourismus-Destinationen die langfristige Sicherung der Wettbewerbsf~ihigkeit festgelegt. Verbunden damit sind zum Beispiel Innovationsf~ihigkeit, Unternehmertum, Netzwerkbildung oder ein gemeinsamer Raumbezug, um die Vorteile r~umlicher N~he nutzen zu k6nnen. 93~ Die befragten Akteure wurdea gebeten, den Erfolg ihrer Gemeinde anhand dieser Faktoren einzustufen. MOgliche Beurteilungen waren ,1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = zufrieden stellend, 4 = gent~gend und 5 = ungen•gend'. Insgesamt ffillt die Bewertung der Gemeinden moderat aus. Die durchschnittlichen Bewertungen der aufgelisteten Erfolgsfaktoren sind meist zufrieden stellend. Die h6chste Note erh~lt die Innovationsffihigkeit gefolgt vom Unternehmertum. Keine der genannten F~higkeiten oder Merkmale werden mit gut oder sehr gut bewertet. Die Gemeinden werden in Tirol und St~dtirol vergleichbar eingestuft. Im Trentino ffillt die Bewertung bei einigen Faktoren etwas zurfickhaltender aus.
931 Vgl. Effekte r~iumlicherN~iheaufNetzwerkbeziehungen, Teil II-3.4.7. 258
...........................................................................................................................................................................................................................
Inno~tionsI~higkeit
:2,89 1
Unternehmertum
2,99
i
Nachhaltige Entwicklung
3,03
i
Einzigartigkeit
3,03
i
Wettbewerbsftihigkeit
3,08
Zusam mengeh6rigkeitsgeftihl (Raumbezug)
3,09
Zusammenarbeit 6ffentliche Hand / Iokale Unternehmen
3,15 [
3,52
Kooperation/Netzwerkbildung 2
3
4
5
Mittelwert (1 = sehr gut, 5 = ungenQgend)
Abbildung 74: Bewertung von Erfolgsfaktoren Gemeinden und Tourismusorganisationen bewerten die Erfolgsfaktoren etwas h6her als die anderen Akteurgruppen. Die Antworten der Hotels und der anderen Branchen fallen ~ihnlich aus. Die h6chsten signifikanten Unterschiede gibt es bei der Einstufung des Raumbezugs sowie bei der Zusammenarbeit zwischen 6ffentlicher Hand und lokalen Unternehmen. 5
...........................................................................................................................................................................................................................
4
~2
/Ik.,'-"""~'-
i
1
._
-
'-
E
.~ c E
=_
~
.~
-~ .-
~
.=
-~ _c _c
~
~._.
,.-,
-,.-..
~
-----
_~
.~d
~
o
N
~
z
~
.-
.-- -~
.~
~
Z o
N
-~'e
(1 = sehr gut, 5 = ungenegend) - +
- Tourismusorganisation - - - ~ .
Hotels
&
Gemeinde ..........~...........andere Branchen J
Abbildung 75" Erfolgsfaktoren- Vergleich zwischen Akteurgruppen Die Kooperation/Netzwerkbildung wird von allen Akteurgruppen am niedrigsten bewertet.
259
3.7.2 Wettbewerbsf~higkeit Die Beurteilung der Wettbewerbsf'ghigkeit wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Um diesen Zusammenhang aufzuzeigen wird eine multiple lineare Regressionsanalyse durchgefahrt, wobei die Wettbewerbsf~ihigkeit als abh~ingige Variable und die diversen Erfolgsfaktoren als unabh~ingige Variablen eingesetzt werden. Die Durchfahrung einer schrittweisen Analyse ergibt folgendes Ergebnis: R R - Q u a d r a t KorrigiertesR-Quadrat Standardfehlerder Sch~itzung 0,814 0,663 0,658 0,644
Regression Residuen Gesamt
Quadratsumme df 254,620 129,672 384,292 Faktor
4 313 317
Mittel der Quadrate F Signifikanz 63,655 153,649 0,000 0,414
Standardisierter Beta-Koeffizient
Unternehmertum 0,509 KooperationfNetzwerkbildung 0,232 Zusammenarbeit zwischen 0,119 6ffentlicher Hand und lokalen Untemehmen Einzigartigkeit 0,093 Abbildung 76: Regressionsanalyse Wettbewerbsf~ihigkeit
t
Signifikanz
VIF*
11,302 4,792 2,508
0,000 0,000 0,013
1,879 2,171 2,076
2,432
0,016
1,366
Die Analyse zeigt jene Faktoren, welche signifikanten Einfluss auf die Bewertung der Wettbewerbsf~ihigkeit einer Gemeinde ausOben: Unternehmertum, Kooperation/Netzwerkbildung, Zusammenarbeit zwischen 6ffentlicher Hand und lokalen Untemehmen sowie Einzigartigkeit. Alle signifikanten Erfolgsfaktoren werden von den befragten Akteuren jedoch nur moderat bewertet. Die Wichtigkeit der aufgenommenen unabhgngigen Variablen wird durch den standardisierten Beta-Koeffizienten ausgedrackt. Dieser ist beim Untemehmertum eindeutig am h6chsten, gefolgt von Kooperation/Netzwerkbildung. Nachfolgend werden diese zwei Faktoren sowie die Bewertung der Einzigartigkeit analysiert, um zu bestimmen, wie sie beeinflusst und verbessert werden k6nnen.
3.7.3 Unternehmertum Wie Abbildung 76 zeigt, ist das Unternehmertum far die Wettbewerbsf~ihigkeit von groger signifikanter Wichtigkeit. Daher soll der Einfluss verschiedener Faktoren auf das Unternehmertum untersucht werden. Die folgende lineare multiple Regressionsanalyse bezieht die Erfolgsfaktoren sowie die Handlungsorientierung der Akteure als unabh~ingige Variablen ein. Nachfolgend die Ergebnisse der schrittweisen Analyse. R R - Q u a d r a t KorrigiertesR-Quadrat Standardfehlerder Sch~itzung 0,697 0,485 ,479 0,779
260
Regression Residuen Gesamt
Quadratsumme df 176,333 186,977 363,310 Faktor
4 308 312
Mittel der Quadrate F Signifikanz 44,083 72,617 0,000 0,607
Standardisierter Beta-Koeffizient
Kooperation/Netzwerkbildung Zusammengeh6ri gke itsge fiJhl (gemeinsamer Raumbezug) Innovative Handlungsorientierung Zusammenarbeit zwischen 6ffentlicher Hand und lokalen Unternehmen Abbildung 77: Regressionsanalyse Unternehmertum
t
Signifikanz
VIF*
0,346 0,237
6,106 4,664
0,000 0,000
1,926 1,549
0,125 0,162
2,734 2,668
0,007 0,008
1,242 2,198
Die Bewertung des Unternehmertums wird in erster Linie vonder Kooperation/Netzwerkbildung beeinflusst und weiters vom gemeinsamen Raumbezug, einer innovativen Handlungsorientierung sowie v o n d e r Zusammenarbeit der 6ffentlichen Hand und der lokalen Unternehmen. S~imtliche Faktoren werden lediglich moderat bewertet.
3.7.4 Kooperation/Netzwerkbildung Die Kooperation/Netzwerkbildung spielt in r~iumlichen Wettbewerbseinheiten eine groge Rolle. Sowohl auf die Bewertung der Wettbewerbsf~ihigkeit als auch auf das Unternehmertum tibt dieser Faktor einen signifikanten Einfluss aus. Daher wird er als abh~ingige Variable in eine lineare schrittweise Regressionsanalyse einbezogen. Die unabh~ingigen Variablen sind Erfolgsfaktoren, Netzwerkcharakteristika und Netzwerkprobleme. R R - Q u a d r a t KorrigiertesR-Quadrat Standardfehlerder Sch~itzung 0,673 0,453 0,442 0,808
Regression Residuen Gesamt
Quadratsumme df 106,546 128,563 235,109 Faktor
4 197 201
Mittel der Quadrate F Signifikanz 26,636 40,816 0,000 0,653
Standardisierter Beta-Koeffizient
t
Zusammengeh6rigkeitsge~hl 0,415 7,215 (gemeinsamer Raumbezug) In Netzwerken sind sowohl einfluss0,306 5,035 reiche als auch fachlich kompetente Untemehmer eingebunden Kurzfristige Interessen -0,229 -3,908 In Netzwerken sind auch 6ffentliche 0,161 2,630 K0rperschaften eingebunden Abbildung 78: Regressionsanalyse Kooperation/Netzwerkbildung
Signifikanz
VIF
0,000
1,194
0,000
1,328
0,000 0,009
1,240 1,342
261
Signifikanten Einfluss auf die Bewertung der Kooperation/Netzwerkbildung haben das Zusammengeh/SrigkeitsgefOhl bzw. der gemeinsame Raumbezug, die gleichzeitige Einbindung von einflussreichen und fachlich kompetenten Untemehmern sowie von 6ffentlichen K6rperschaften. Kurzfristige Interessen hingegen zeigen eine negative Auswirkung. Der gemeinsame Raumbezug kann durch die F6rdemng bestimmter Interaktionsformen verbessert werden. 932
3.7.5 Einzigartigkeit Die Bewertung der Wettbewerbsf~ihigkeit wird neben dem Untemehmertum und der Netzwerkbildung auch von der Einzigartigkeit beeinflusst. Die lineare schrittweise Regressionsanalyse zeigt, welche Faktoren die Einzigartigkeit des Gebietes in den Augen der Akteure verbessern. Abh~ingige Variable ist die Einzigartigkeit und als unabh~ingige Variablen werden die Erfolgsfaktoren und Interaktionsformen herangezogen. R R-Quadrat KorrigiertesR-Quadrat Standardfehlerder Sch~itzung 0,597 0,357 0,349 0,968
Regression Residuen Gesamt
Quadratsumme df Mittel der Quadrate F Signifikanz 132,434 3 44,145 47,138 0,000 238,809 255 0,937 371,243 258 Faktor
Standardisierter Beta-Koeffizient
Zusammengeh~rigkeitsgefiihl (gemeinsamer Raumbezug) Kooperation/Netzwerkbildung Verhandlungen Abbildung 79: RegressionsanalyseEinzigartigkeit
t
Signifikanz
VIF
0,470
7,862
0,000
1,417
0,144 0,109
2,347 2,063
0,020 0,040
1,494 1,102
Die Bewertung der Einzigartigkeit der Gemeinden wird vor allem positiv beeinflusst vom Zusammengeh6rigkeitsgefohl sprich dem gemeinsamen Raumbezug, weiters yon der Netzwerkbildung und der Koordinationsform Verhandlung. Diese Bedeutung des Raumbezugs hat verschiedene Grfinde: Der Raum stellt ein integratives Bindeglied fOr die verschiedenen Akteurgruppen und Disziplinen dar. Der gemeinsame Bezug ist Voraussetzung fOr eine gemeinsame Abgrenzung yon (touristischen) R~iumen und fOr die Aktivierung yon endogenen Potentialen. Das Zusammengeh6rigkeitsgefOhl untersttitzt eine gemeinsame Produkterstellung und erleichtert die eindeutige Positionierung auf dem Markt. Die Vorteile der r~iumlichen N~ihe k6nnen durch den gemeinsamen Raumbezug verst~irkt werden. Dutch Netzwerkbildung und Verhandlung tauschen sich die Akteure eines Gebietes aus, sie btindeln ihre Ressourcen, profitieren yon Synergien und schaffen somit Kernkompetenzen, die yon anderen nur schwer imitiert werden k6nnen.
932 Vgl. Einflussder Interaktionsformenauf den Raumbezug,Abbildung60. 262
3.8 G o v e r n a n c e Die empirische Untersuchung besch~iftigt sich mit der Koordination von touristischen Gebieten in dreierlei Hinsicht. Erstens wird untersucht, welche Bereiche koordiniert und gesteuert werden sollten. Zweitens gilt es zu erkl~iren, welche Governance-Formen dafar notwendig und drittens welche Akteure bei der Governance einzubinden sind.
3.8.1 Bereiche der Governance In der Befragung wurden die Akteure gebeten, jene Bereiche zu nennen, welche bei der touristischen Entwicklung koordiniert und gesteuert werden sollten. In diesen Bereichen wfirde die Selbstorganisation, welche dezentrale Entscheidungen erm6glicht und Innovation f6rdert, weniger ausgeprggt sein als die anderen Steuerungsformen. Abbildung 80 zeigt die Antworten der befragten Akteure. Marketing
ioi,,,,,i/o
i
i
:
~
i
!
71,9%
Verkehr
i
%
Infrastruktur
54,2% I
Landschaftsplanung Kunden-/G~istebindung
52,9% q
I
]
! _ h
_
Umweltschutz
,
48,4%
Identit~itsentwicklung
43,8%
39,5%
Angebotserstellung !
!
Produktentwicklung
34,9%
0
50
100
150
200
250
300
350
Anzahl N e n n u n g e n (Mehrfachantworten mSglich)
Abbildung 80: Bereiche der Governance Vor allem die Bereiche Marketing, Verkehr und Infrastruktur sollen laut den befragten Akteuren koordiniert und gesteuert werden. Die Landschaftsplanung und die Kunden- und G~istebindung werden von mehr als 50% der Befragten genannt. An letzter Stelle steht die Produktentwicklung mit 34,9% der Nennungen und auch die Angebotserstellung liegt knapp unter 40%. Unterschiede bei den Antworten gibt es zwischen den verschiedenen Akteurgruppen.
263
lOO
| " o
90 ................ ~ ........................................................................................................................................................................................................................... i 80 "\ 9 i 7O
a.
60
"
9,.--- 50 =" 40 "
""" Z
""lr"---~\
"',., ," 2 " / \ k " ..L . . . , . . ~,--// XX~- " - ' ~ ~ "
30
~
;"--.G ",6
',r
20 lO o 9 --
I
~
o
"5
3
<
- -O- - Tourismusorganisation ~ 1 - - -
- -
~
E
;~
Q. Hotels
~
Gemeinde ----~ ...........andere Branchen
Abbildung 81" Bereiche der Governance - Vergleich zwischen Akteurgruppen Bei den Bereichen, die in Abbildung 81 mit ,*' gekennzeichnet sind, zeigt der Chi-QuadratTest signifikante Unterschiede zwischen den Nennungen der Akteurgruppen. Insgesamt liegen die Tourismusorganisationen bei fast allen Bereichen im Spitzenfeld. Auffallende Ausnahme ist der Umweltschutz, bei dem sich jedoch die Nennungen der restlichen Akteurgruppen in etwa decken. Beim Marketing sehen vor allem Hotels und Tourismusorganisationen Koordinationsbedarf. Beim Verkehr hingegen gibt es von Seiten der Gemeinden weniger Nennungen als von den anderen Gruppen. Ahnlich ist es bei der Angebotserstellung und bei der Produktentwicklung. Bei diesen Punkten liegen auch die Antworten der anderen Branchen im unteren Bereich. Die Begrfindung ist darin zu suchen, dass Kooperation vor allem innerhalb desselben Sektors stattfindet und somit die Produktentwicklung und Angebotserstellung kaum als gemeinsame Aufgaben wahrgenommen werden. Bei diesen beiden Bereichen sowie bei der Kunden- und G~istebindung unterscheidet sich das Antwortverhalten der Tourismusorganisationen und Hotels. Einig sind sich alle Akteurgruppen bei den Bereichen Landschaftsplanung und Infrastruktur- hier gibt es von allen Gruppen in etwa gleich viele Nennungen. W~ihrend bei vielen anderen Fragestellungen, das Antwortverhalten von Tourismusorganisationen und Gemeinden ~ihnlich ist und sich von den Einstufungen der Hotels und anderen Branchen unterscheidet, zeigen Tourismusorganisationen und Hotels bei dieser Frage ein ~ihnliches Antwortverhalten.
3.8.2 Dominante Governance-Formen Governance umfasst die Integration von verschiedenen Steuerungsformen. Dabei ist das Verhgltnis nicht immer ausgewogen und es gibt dominante Steuerungsformen, die sich im Laufe der Zeit oder auch nach Bereich gndem k6nnen. Um eine gewt~nschte dominante Steuerungsform far touristische Gebiete auszumachen, konnten die Akteure auf die Frage, wie touristische Gebiete koordiniert und gesteuert werden k6nnen, zwischen zwei Antwortm6glichkeiten w~hlen. Zum einen ,Es braucht ein zentrales Management' und zum anderen ,Es braucht kein zentrales Management, sondem Vermittler zwischen den Branchen 264
und untersttitzende Rahmenbedingungen'. Mischformen werden hier vernachl~issigt, da das Ziel vor allem darin besteht, eine Tendenz aufzuzeigen. Abbildung 82 stellt die Anzahl Nennungen far die jeweilige Position dar.
9% [] Es braucht ein zentrales Management
[] Es braucht kein zentrales Management, sondem Vermittler zwischen den Branchen und unterst0tzende Rahmenbedingungen [] fehlende Angabe
45c
Abbildung 82: Management touristischer Gebiete Die Antworten sind in gleicher Weise auf die zwei Positionen aufgeteilt: 46% der befragten Akteure geben an, dass es ein zentrales Management braucht und 45% stimmen far die analytische Gegenposition. Das Ergebnis best~itigt das theoretische Modell, welches besagt, dass in einer Wettbewerbseinheit verschiedene Steuerungsformen erforderlich sind. Die Untersuchung auf Unterschiede zwischen den Regionen oder zwischen den Akteurgruppen bleibt ohne signifikantes Ergebnis, wie die folgenden Abbildungen zeigen. kein zentrales Management
zentrales Management Tirol Siidtirol Trentino
Gesamt
44 53,0% 67 53,2% 16 42,1% 127 51,4%
Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Wert
df
39 47,0% 59 46,8% 22 57,9% 120 48,6%
Gesamt 83 100%
126 100% 38 100%
247 100%
Asympotische Signifikanz (2-seitig) 2 0,459 2 0,458 1 0,361
Chi-Quadrat nach Pearson 1,559" Likelihood-Quotient 1,563 Zusammenhang linear-linear 0,836 Anzahl der gt~ltigen F~ille 247 *0 Zellen (,0%) haben eine erwartete H~iufigkeitkleiner 5. Die minimaleerwartete Hgufigkeit ist 18,46. Abbildung 83" Management touristischer Gebiete - Vergleich zwischen Regionen 265
Die Kreuztabelle verdeutlicht, dass die Antworten in den Regionen in etwa gleich auf die Antwortm6glichkeiten ,zentrales Management' und ,kein zentrales Management' verteilt sind. Der anschliel3ende Chi-Quadrat-Test best~itigt, dass es keine signifikanten Unterschiede gibt. Insgesamt l~isst sich in Tirol und Stidtirol eine leichte Tendenz in Richtung ,Es braucht ein zentrales Management' und in Trentino ,Es braucht kein zentrales Management, sondern Vermittler zwischen den Branchen und untersttitzende Rahmenbedingungen' ausmachen. Hier kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sich die Akteure der Region Trentino vor allem auf die 6ffentliche Hand beziehen. Dies folgt aus den Antworten auf die Frage, welche Rolle die 6ffentliche Hand tibernehmen soll. Im Vergleich zu den Regionen Tirol und Stidtirol werden im Trentino die Rolle der Vermittlung und die Aufgabe, untersttitzende Rahmenbedingungen zu schaffen, betont. Die n~ichste Abbildung zeigt das Antwortverhalten der verschiedenen Akteurgruppen auf die Frage, wie touristische Gebiete koordiniert und gesteuert werden sollten. zentrales Management Tourismusorganisationen Hotels Gemeinden andere Branchen
Gesamt
Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Anzahl Prozent Weft
32 60,4% 59 52,7% 38 45,2% 59 46,8% 188 50,1% df
kein zentrales Management
Gesamt
21 39,6% 53 47,3% 46 54,8% 67 53,2% 187 49,9%
53 100%
112 100%
84 100%
126 100%
375 100%
Asympotische Signifikanz (2-seitig) 0,276 0,274 0,084
Chi-Quadrat nach Pearson 3,872* Likelihood-Quotient 3,890 Zusammenhang 2,983 linear-linear Anzahl der gtiltigen F~ille 375 *0 Zellen (,0%) haben eine erwartete H~iufigkeitkleiner 5. Die minimale erwartete H~iufigkeit ist 26,43.
Abbildung 84: Management touristischer Gebiete- Vergleich zwischen Akteurgruppen Die Kreuztabelle zeigt die Antworten der verschiedenen Akteurgruppen, wobei der anschliel3ende Chi-Quadrat-Test keine signifikanten Unterschiede ausfindig macht. Die hOchste relative Tendenz zu einem zentralen Management haben die Tourismusorganisationen mit fiber 60% an Nennungen. Bei den Hotels ist das Verh~iltnis ausgewogen und bei den Gemeinden sowie anderen Branchen gibt es eine leichte Mehrheit ftir die Vermittlung zwischen Branchen und unterstiitzende Rahmenbedingungen. Insgesamt macht auch die Auswertung der Antworten der Akteurgruppen deutlich, dass verschiedene Steuerungsformen angewendet werden sollten, welche zusammen die Governance von touristischen Gebieten darstellen.
266
3.8.3 G o v e r n a n c e - A k t e u r e Die bisherigen Auswertungen zur Koordination von touristischen Gebieten haben die Bereiche, welche gesteuert werden sollten, und die Art der Governance gezeigt. Um das Bild abzurunden braucht es Aussagen, wer bei der Koordination der touristischen Gebiete eingebunden werden sollte. Die befragten Akteure hatten mehrere Antwortm6glichkeiten: die Tourismusorganisation, touristische Leitbetriebe, alle touristischen Betriebe, 6ffentliche KOrperschaften (zum Beispiel die Gemeinde), Interessen-/Branchenvertreter und Leitbetriebe der verschiedenen Branchen. Im Fragebogen wurde explizit darauf hingewiesen, dass Mehrfachnennungen m6glich sind und dass diese als gewfinschte Zusammenarbeit der genannten Akteure bei der Koordination interpretiert werden. Abbildung 85 listet die Anzahl der Nennungen pro AntwortmOglichkeit auf.
Die Tourismusorganisation
i ]
!
[
!
'
!
[
]
!
[82,1%! I
Offentliche K~rperschat~en (z. B. die Gemeinde)
Interes sens-/B ranchenvert reter
!67,9%[ 46,1%
[
r
~
l i
Alle touristischen Betriebe
44%
[ Touristische Leitbetriebe
33,2%
!
[
;
!
50
100
Leitbetriebe der verschiedenen Branchen
29 8% 0
150
200
250
300
350
Anzahl Nennungen (Mehrfachantworten mOglich)
Abbildung 85: Akteure der Governance Ober 80% der befragten Akteure finden, dass die Tourismusorganisationen in die Koordination eingebunden werden sollten. Anschliel3end folgen 6ffentliche K6rperschaften mit 67,9% an Nennungen. Die restlichen Antwortm6glichkeiten liegen unter 50%. An letzter Stelle stehen die Leitbetriebe der verschiedenen Branchen. Auch touristische Leitbetriebe werden kaum in einer koordinierenden Rolle gesehen. Somit zeigt sich, dass die befragten Leismngstr~iger als Governance-Akteure vor allem kollektive und 6ffentliche Organisationen sehen. Die mit diesen Organisationsformen verbundene Legitimit~it erkl~irt zum Teil dieses Ergebnis. Die doch recht hohe Anzahl an Nennungen far Interessen-/Branchenvertreter zeigt, dass die Einbindung auch nicht-touristischer Akteure durchaus als positiv empfunden wird. Tourismusorganisationen und 6ffentliche K6rperschaften werden in allen drei Regionen am h~iufigsten in der Koordinatorenrolle gesehen. Trotz dieser Gemeinsamkeit gibt es mehrere Unterschiede.
267
100
~
80
.E
60
...........................................................................................................................................................................................................................
=~ 40 == 20 z 0
,
I
-~
~
,
~
E .m
,
l
==~
-<
~=>
.=-
m
o F- ~
-"tirol ~lI.--
S0dtirol ~Trentino
Abbildung 86: Akteure der Governance - Vergleich zwischen Regionen Signifikante Unterschiede laut dem Chi-Quadrat-Test (*) gibt es bei der Nennung von folgenden Akteuren: Tourismusorganisationen, touristische Leitbetriebe, alle touristische Betriebe sowie Leitbetriebe der verschiedenen Branchen. Es sind vor allem die Akteure der Region Trentino, die nur wenige Akteure in die Koordination einbinden wtirden. Die Konzentration auf kollektive und tiffentliche Akteure, die eine entsprechende Legitimation aufweisen, ist in dieser Region am h6chsten und daher werden vor allem Leitbetriebeunabh~ingig ob touristisch oder n i c h t - und allgemein touristische Betriebe relativ selten genannt. In Stidtirol gibt es die geringsten Schwankungen bei den Nennungen und die Befragten w~iren bereit mehrere und unterschiedliche Akteure in die Koordination einzubinden. Damit ist Stidtirol die einzige Region, welche vergleichbare Ergebnisse bei der Einbindung von touristischen Leitbetrieben und Leitbetrieben der verschiedenen Branchen aufweist. Die Befragten in Tirol sehen mit Ausnahme von 6ffentlichen K6rperschaften vor allem touristische Akteure in der Koordination von touristischen Gebieten. Touristische Leitbetriebe werden eindeutig h~iufiger genannt als Leitbetriebe anderer Branchen. Nicht nur der Vergleich zwischen den Regionen zeigt Besonderheiten auf, sondern auch im Antwortverhalten der Akteurgruppen lassen sich signifikante Unterschiede ausmachen.
268
120 =
100
N a.
2
80
._ =
60
=
40
eC
|
20
0 o ._ '~
~
~"
9
,--
~
-
~Z
~:
E
~ - ~~
(~
~
.=._
>
m
_
J
-r--
- .~-
- Tourismusorganisation
--l....~
Hotels
_-
Gemeinde
~-~4~. . . . . a n d e r e B r a n c h e n
Abbildung 87: Akteure der Governance - Vergleich zwischen Regionen Auch bei den Akteurgruppen bestgtigt sich das insgesamte Ergebnis: In erster Linie sollen Tourismusorganisationen und 6ffentliche K6rperschaften in die Koordination von touristischen Gebieten eingebunden werden. Signifikante Unterschiede (*) gibt es dennoch. Wghrend alle Tourismusorganisationen der Meinung sind, dass sie eine koordinierende Rolle einnehmen sollten, so meinen dies nur ca. 80% der Hoteliers und bei den anderen Branchen ca. 70%. Die Einbindung von touristischen Leitbetrieben hingegen sehen vor allem Hotels als sinnvoll, w~ihrend andere Branchen neben den Tourismusorganisationen und 6ffentlichen K6rperschaften auch Interessen-/Branchenvertreter h~iufig nennen. Die Gemeinden sehen neben den primgr genannten noch alle touristischen Betriebe sowie Interessen-/Branchenvertreter in einer koordinierenden Rolle. Am wenigsten Schwankungen gibt es im Antwortverhalten der Hotels. Sie nennen jedoch im Vergleich zu den anderen Akteurgruppen die 6ffentlichen K6rperschaften weniger oft.
4. Interpretation der Ergebnisse Die empirische Untersuchung erlaubt die Konkretisierung der Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen sowie deren Zusammenspiel. 933 Die Ergebnisse k6nnen in einem zweiten Schritt in das Modell der Destination-Governance einflie6en, sodass dieses ffir die untersuchten Regionen spezifiziert werden kann.
933 Vgl. Zusammenspielder Bestimmungsfaktorender Governancevon Tourismus-Destinationen,Teil III-2.6. 269
4.1 Bestimmungsfaktoren der Governance Die wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Organisationen sind Akteure und deren Handlungsorientierung, Akteurkonstellation, Interaktionsformen sowie der institutionelle Kontext. 934Nachfolgend werden sie far die untersuchten Regionen diskutiert.
4.1.1 Akteure In touristischen Gebieten gibt es eine Vielzahl von Akteuren, die auf komplexe Weise miteinander verbunden sind. Besondere Akteure sind die Tourismusorganisationen, welche den kooperativen Ansatz des Destinationsmanagements reprfisentieren. Sie haben die Aufgabe, abergreifende Funktionen in touristischen Gebieten zu t~bemehmen. Die empirische Erhebung hat gezeigt, dass die Tourismusorganisationen in den untersuchten Regionen primgr operative Funktionen wie Information, Organisation von Veranstaltungen oder Betreuung von Ggsten aust~ben. Von den strategischen Aufgaben t~bemehmen die Tourismusorganisationen die Marketingfunktion, weniger jedoch die Planungs-, Koordinations- oder Entwicklungsfunktion. Weiters schreiben sich die Tourismusorganisationen mehr Funktionen zu als von den Mitgliedern oder anderen Akteuren wahrgenommen werden. Dies schmglert die Bedeutung, Handlungsf'~ihigkeit und Durchsetzungskraft der Tourismusorganisationen, da sie Energie zur Oberzeugung der Mitglieder aufwenden mt~ssen und nach augen weniger stark erscheinen. Die Mitglieder und die anderen Befragten schgtzen insgesamt den Einfluss der Tourismusorganisationen geringer ein als die Tourismusorganisationen selber. In der empirischen Erhebung ~ihnelt das Antwortverhalten der Tourismusorganisationen in verschiedenen Punkten eher jenem der Gemeinden als jenem ihrer Mitglieder, der Hotels. Dies sind: Bewertungen der Handlungsorientierung, Einbindung von Interessengruppen mit wenig Einfluss, Einsatz des Steuerungsmediums Macht, Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung, Interessenkonflikte, Bewertung der Gemeinden zum Beispiel hinsichtlich Innovationsfahigkeit oder Raumbezug. Hotels und andere Branchen stufen diese Faktoren kritischer und konfliktreicher ein. Sollen Tourismusorganisationen und Gemeinden jedoch eine fahrende Rolle bei der Governance von Tourismus-Destinationen fibemehmen, so ist es far die partizipative Vorgehensweise und die kollektive Handlungsf'ahigkeit wichtig, eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln. Die St~irke von Akteurgruppen ist abh~ingig von der Anzahl der Akteure, die einer Gruppe angeh6ren und von der Homogenitgt der Interessen. Den h6chsten Einfluss haben 6ffentliche K6rperschaften, in Tirol und Sfidtirol gefolgt von der Landwirtschaft und von den touristischen Akteuren. Der Einfluss der 6ffentlichen K6rperschaften sowie die geringe branchenabergreifende Zusammenarbeit erkl~iren die geringe H~ufigkeit von Interessenkonflikten zwischen Tourismus und anderen Branchen. Wenn der Einfluss anderer Akteurgruppen steigt, werden auch Interessenkonflikte hfiufiger. Insgesamt zeigt die Studie, dass es ein relativ reibungsloses ,Nebeneinander' von Akteurgruppen in den touristischen Gebieten
934 Die Handlungssituationund der nicht-institutionellenKontextwurden in der empirischenUntersuchungnicht aufgenommen,da sie nicht regionsspezifischsind, sonderngenerelleGt~ltigkeithaben und lokal nur begrenzt beeinflussbar sind. 270
gibt und dass die Bildung von kollektiven Akteuren, zum Beispiel Tourismusorganisationen, nicht so erfolgt, dass diese alle jene Funktionen erffillen und Vorteile nutzen k6nnen, die kollektiven Akteuren im Allgemeinen zugeschrieben werden. Diese Situation spiegelt sich auch in der moderaten kollektiven Handlungsf~ihigkeit wider. Durchschnittlich nur ab und zu wird der Handlungsbedarf von den Beteiligten ~ihnlich wahrgenommen und ~ihnlich oft kommt es zu einer Einigung auf gemeinsame Ziele. Die Btindelung von Ressourcen, als Voraussetzung kollektiver Handlungsf~ihigkeit, ist daher nur eher selten m6glich. Die seltene Auseinandersetzung mit Problemen der Produktion und der Verteilung von eventuellen Gewinnen erm6glicht die Streuung von sowohl positiven wie auch negativen externen Effekten, d. h. dass auch nicht involvierte Akteure betroffen sein k6nnen.
4.1.2 Handlungsorientierung In den theoretischen Ausf'tihrungen wurde diskutiert, dass die Handlungsorientierung der Akteure im Tourismus von einer defensiven Wettbewerbsmentalit~it gepr~igt ist und dass egoistisch-rationale Handlungsorientierungen unterstellt werden k6nnen. 935 Die empirische Erhebung in den Regionen Tirol und Stidtirol zeigt, dass die Forderung nach einer integrierten Wettbewerbsmentalit~it von den Akteuren wahrgenommen wird. Die Charakteristika ,individualistisch' und ,often' treffen auf die Akteure laut der Befragung am ehesten zu, gefolgt von ,innovativ'. Auch wenn das Merkmal ,kooperativ' etwas weniger hoch eingestuft wurde, so k6nnen doch Offenheit und innovativer Charakter m6gliche Kooperationen begtinstigen. Eine unver~inderbar dominante egoistisch-rationale Orientierung der Akteure kann somit ausgeschlossen werden und Magnahmen zur Verbesserung der Kooperationsbereitschaft und -f~ihigkeit k6nnen sinnvoll sein.
4.1.3 Akteurkonstellation Die Untersuchung der Akteurgruppen hat gezeigt, dass 6ffentliche KOrperschaften hohen Einfluss bei touristischen Entscheidungen haben. Dies spiegelt sich auch bei der Verteilung des Einflusses wider. Es sind einige wenige, darunter 6ffentliche KOrperschaften, die Einfluss austiben und die 6ffentliche Hand bestimmt den Handlungsspielraum. Es wird deutlich, dass die hierarchische Steuerungsebene (Schatten der Hierarchie) in den untersuchten Regionen stark ausgepr~igt ist. Interessengruppen mit wenig Einfluss werden in Entscheidungen kaum eingebunden. Diese Einflussverteilung ist vorteilhaft, wenn Entscheidungen ztigig getroffen oder nicht popul~ire Mal3nahmen ergriffen werden mtissen. Die Situation wirkt sich jedoch nachteilig auf den gemeinsamen Raumbezug aus. Zudem zeigt die Studie, dass die Einbindung einflussschwacher Interessengruppen in Entscheidungen die nachhaltige Entwicklung beganstigt. Nachhaltigkeit bedeutet die Balance von 6konomischen, 6kologischen und gesellschaftlichen Zielen. Die Konzentration des Einflusses auf einige wenige Akteure bewirkt vielfach, dass ein Bereich die Oberhand gewinnen kann. Zum Nachteil kann sich eine asymmetrische Einflussverteilung vor allem dann entwickeln, wenn Interaktionsformen den Informationsaustausch nicht f6rdem und Partizipation keinen hohen Stellenwert hat.
935 Vgl. Handlungsorientierungder Akteure, Teil III-2.2. 271
Tourismus-Destinationen stellen ein Leistungserstellungssystem mit Netzwerkcharakter dar. Durch Kooperationen k6nnen Leistungsbtindel erstellt und integrierte Angebote ausgearbeitet werden. Kooperation und Netzwerkbildung wurden insgesamt mit lediglich ,eher gentigend' bewertet. Ca. 25% der Akteure kooperieren mit Akteuren derselben Branche und lediglich knapp 9% mit Unternehmen aus anderen Branchen, d. h. dass sowohl horizontale und vor allem vertikale Kooperationen nicht stark ausgepr~igt sind. Auch die Faktoren der Netzwerkqualit~it werden nur moderat bewertet. Nur ,ab und zu' sind in Netzwerken sowohl fachlich kompetente als auch einflussreiche Akteure eingebunden. ,Ab und zu' bis ,selten' sind Unternehmen in mehrere Netzwerke gleichzeitig eingebunden, wodurch auf Vemetzungslticken innerhalb der Gemeinden geschlossen werden kann. 13ffentliche K6rperschaften sind ebenfalls nur ab und zu Netzwerkpartner, d. h. dass sie ihren Einfluss und ihr Wissen weniger in Diskussionen und Verhandlungen einbringen, als vielmehr als tibergeordnete Instanzen. Die Netzwerkentwicklung und -qualit~it muss daher geftirdert werden, damit die Netzeffekte, welchen das touristische Kerngesch~ift unterworfen ist, besser ausgesch6pft werden k6nnen. Die Frage nach den Schwierigkeiten, mit denen Netzwerke zu k~impfen haben, wurde von ca. 25% der befragten Akteure nicht beantwortet. Das kann auf die geringe Netzwerkentwicklung zurtickgeffihrt werden. Insgesamt werden kurzfristige Interessen und die Tatsache, dass nur wenige die Netzwerkentwicklung bestimmen, als die gr613ten Netzwerkprobleme gesehen, die ,oft' bis ,ab und zu' auftreten. Diese Einstufung spiegelt die eher individualistische Handlungsorientierung und die eher asymmetrische Einflussverteilung wider. Weitere Schwierigkeiten sind fehlendes oder nicht professionelles Management, unregelm~if3ige Kontakte zwischen den Partnern sowie mangelndes Vertrauen. Die Faktoren der Netzwerkqualit~it werden von den Tourismusorganisationen h6her eingestuft als von den anderen Akteuren. Die der Netzwerke stufen die Gemeinden geringer ein. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Kooperationen und Netzwerke, in denen Gemeinden und Tourismusorganisationen eingebunden sind, von jenen Netzwerken unterscheiden, in denen keine kollektiven oder 6ffentlichen Akteure Partner sind. Dies unterstreicht die theoretischen Aus~hrungen, dass Verhandlungen zwischen gleichberechtigten Partnern oft schwierig sind. Trotzdem sind sie ftir eine innovative Entwicklung wichtig.
4.1.4 Interaktionsformen Akteure in Tourismus-Destinationen k6nnen auf eine Vielzahl von Interaktionsformen zurtickgreifen. In den untersuchten Regionen zeigt sich bei den Praktika zur Entscheidungsfindung der Einfluss der 6ffentlichen K6rperschaften, die am h~iufigsten entscheiden. Dies wird von allen Akteurgruppen erkannt. Verhandlungen, welche dem grunds~itzlichen Strukturmuster touristischer Gebiete entsprechen, werden an zweiter Stelle genannt. Sie werden vor allem von Tourismusorganisationen und Gemeinden als ,eher h~iufig' gesehen. Hotels und andere Branchen hingegen stufen Verhandlungen seltener und in etwa gleich hoch ein wie ,Der St~irkste entscheidet'. Durch Entscheidungen der 6ffentlichen K6rperschaften spielen Koppelgesch~ifte und Ausgleichszahlungen keine grol3e Rolle. Der Informationsaustausch wird von Hotels und anderen Branchen ebenfalls moderat bewertet und steht bei den Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung an dritter Stelle. Die F6rderung des Informationsaustausches ist daher wichtig, um Informationsasymmetrien abzubauen, um Beziehungen zu pflegen und um langfristige kooperative L6sungen zu erm6glichen. 272
Gemeinden und Tourismusorganisationen sch~itzen demokratische Interaktionsformen h6her ein als Hotels und andere Branchen. Entsprechend betonen letztere h~iufiger, dass durch harte Steuerungsmedien Einfluss geltend gemacht werden kann. Aufbau von Vertrauen kommt nach Beziehungen (Seilschaften), Macht und Geld bei diesen Akteuren erst an vierter Stelle. Demokratische Interaktionsformen sowie Informationsaustausch sind jedoch ftir eine nachhaltige Entwicklung und ftir die Pflege eines gemeinsamen Raumbezugs unerl~isslich. Insgesamt best~itigt die Auseinandersetzung mit den Interaktionsformen zur Entscheidungsfindung, dass die Steuerungsebene der Selbstorganisation, die auf Dezentralisierung, Pflege von Beziehungen, strategischen Absprachen und Verhandlungen beruht, nur moderat ausgepr~igt ist. Der institutionelle Kontext sollte daher Raum lassen ffir entsprechende Interaktionsformen und die Anwendung dieser Mechanismen f6rdern. Offentliche K6rperschaften haben hier weniger die Aufgabe der direkten Intervention als vielmehr untersttitzende Strukturen und Regeln zu erstellen sowie ihren ,Schatten'936 ZH werfen.
4.1.5 Institutioneller Kontext Die institutionelle Einbettung von Tourismus-Destinationen ~ibt in den untersuchten Regionen grol3en Einfluss aus, auch wenn Kooperationen mit der 6ffentlichen Verwaltung nur von 9,6% der befragten Akteure genannt werden. Alle Akteurgruppen sind sich einig, dass der 6ffentliche Handlungsraum vielfach von der 6ffentlichen Hand bestimmt wird (,trifft eher zu'). Weiters ist ,6ffentliche K6rperschaften entscheiden' die am h~iufigsten auftretende Interaktionsform bei Entscheidungsfindungen in den Gemeinden. Der hierarchisch ausgetibte Einfluss ist also eher hoch, w~ihrend die Zusammenarbeit zwischen 6ffentlicher Hand und privaten Unternehmen nur moderat bewertet wird. Gefordert ist hier sowohl laut theoretischen Diskussionen als auch entsprechend der Ergebnisse der empirischen Untersuchung eine Verschiebung der Rolle der 6ffentlichen Hand. Die Politik hat weniger die Aufgabe in betriebliche Belange einzugreifen oder den Handlungsspielraum der Unternehmen vorzugeben, sondern prim~ir untersttitzende Rahmenbedingungen zu schaffen und eine Form der gleichberechtigten Zusammenarbeit zu finden. Auch die Rolle des Vermittlers zwischen Unternehmen und Branchen wird von den Akteurgruppen in der Studie nicht hervorgehoben. Die Akteurgruppen sind sich einig, dass die Zusammenarbeit zwischen Offentlicher Hand und lokalen Unternehmen die Wettbewerbsf'~ihigkeit und das Unternehmertum positiv beeinflussen. Die Zusammenarbeit durch Einbindung von 6ffentlichen K6rperschaften in Kooperationen im Sinne von public-private-Partnership wird von den Akteuren positiv gesehen. 10bertragen auf das Governance-Modell f'tir Tourismus-Destinationen bedeutet dies eine Aufwertung der Steuerungsebene Selbstorganisation und eine Minderung der Bedeutung der Steuerungsebene institutionelle Einbettung. Die Verbindung zwischen den zwei Ebenen soll weniger auf Hierarchie und direkter Intervention basieren, als vielmehr durch Integration und Zusammenarbeit in Netzwerken erfolgen. Die 6ffentliche Hand sollte direkte Interventionen konzentrieren auf die Erstellung von 6ffentlichen Gtitern, die Minderung von unvollkommener Information und auf das Management von externen Effekten. Dabei steht nicht der Eingriffbei Marktversagen im Vordergrund als vielmehr die Vermeidung.
936 Vgl. InstitutionelleKontextoder ,der Schattender Hierarchie', Teil III-3.3.3. 273
4.2 Governance-Modell Die empirische Untersuchung best~itigt das im theoretischen Teil der Arbeit entwickelte Modell. Die langfristige Sicherung der Wettbewerbsf'~ihigkeit von traditionellen TourismusDestinationen erfordert das Zusammenspiel verschiedener Steuerungsebenen, eine institutionelle Einbettung, die Pflege des Netzwerkpools, demokratische Interaktionsfo~xnen sowie das Management von Netzwerken, um die Netzwerkqualit~it zu verbessern. Dies geht aus den Antworten der befragten Akteure hervor, die sich unterstfitzende Rahmenbedingungen w~inschen, aber auch wissen, dass Wettbewerbsf~ihigkeit durch Unternehmertum und Kooperation/Netzwerkbildung geschaffen werden muss. Die Ubertragung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung in das Governance-Modell zeigt die derzeitige Situation in den untersuchten Gebieten auf und weist in Anlehnung an das entwickelte Modell auf wesentliche Ansatzpunkte hin.
Sehr stark ausgepr~igt: Institutionelle Einbettung
-
Destination = Netzwerkpool
Selbstorganisation (schwach ausgepr~igt): -
,~
Aktivierte Netzwerke
Von der direkten Intervention zum ,Schatten der Hierarchie' Schaffung von Netzwerkvoraussetzungen Aus- und Weiterbildungspolitik Punktuelle Eingriffe nur bei gewichtigen Einzelf'~illen Unterstiitzung dezentraler L6sungsans~itze F6rderung yon Enterpreneurship
Individualistische und offene Handlungsorientierung Mangelnder Informationsaustausch F6rderung yon (sektortibergreifenden) Beziehungen zwischen den Akteuren Durch Verhandlung und Interessenausgleich zu Netzwerken
Netzwerkmanagement (schwach): -
Mangelnde Netzwerkentwicklung Moderate Netzwerkqualit~it F6rderung der Integration von Aktivit~iten und Akteuren Entwicklung yon Netzwerkstrategien und Netzwerkkompetenzen Einbindung yon 6ffentlichen K6rperschaften
Abbildung 88: Ansatzpunkte im Govemance-Modell der untersuchten Regionen Das Modell verdeutlicht, dass die Ebene der institutionellen Einbettung stark ausgepr~igt ist, was die Ebene der Selbstorganisation schw~icht. Diese Ebene ist jedoch far die Wettbewerbsf'~ihigkeit von Tourismus-Destinationen wichtig, denn Wettbewerbsf~ihigkeit 274
basiert neben Einzigartigkeit und Untemehmertum auf Kooperation/Netzwerkbildung sowie der Zusammenarbeit der 6ffentlichen Hand mit lokalen Unternehmen, welche primgr auf gemeinsamen L6sungen beruht und weniger auf hierarchischer Intervention. Teilweise bedingen und f6rdem sich die verschiedenen Erfolgsfaktoren gegenseitig. Kooperationen f6rdem zum Beispiel Untemehmertum und die Einzigartigkeit eines Gebietes. Ft~r alle Faktoren gilt, dass ein gemeinsamer Raumbezug unterstfitzend wirkt. Dieses Zusammengeh6rigkeitsgeft~hl kann durch ein ausgeglichenes VerhWtnis der Steuerungsebenen gef6rdert werden. Ein Ansatzpunkt f'tir die Governance von Tourismus-Destinationen liegt daher in der F6rderung der zweiten Steuerungsebene, der Selbstorganisation. Die institutionelle Einbettung kann diese Entwicklung unterstfitzen, indem Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Raum geben ft~r dezentrale Entscheidungen und die Marktversagen verhindern. Auf diese Weise k6nnen die 6ffentlichen Institutionen zusammen mit dem Handlungsdruck von aul3en und getragen vonder grunds~itzlich offenen Handlungsorientierung der A kteure Unternehmertum und Netzwerkbildung f6rdem. Letztlich ist das Ziel die Integration der verschiedenen Steuerungsebenen, sodass das Modell als Ganzes funktionieren kann. Dass es mehrere Steuerungsformen und somit eine Governance braucht, best~tigt auch die empirische Untersuchung. Es gibt keine klare Tendenz zu einer bestimmten Steuerungsform. Jedoch mt~ssen die Grenzen zwischen den Steuerungsebenen durchl~issig sein, damit kollektive Handlungsffihigkeit m6glich ist. Notwendig sind intermedi~ire Akteure oder Organisationen, die die Kommunikationswege zwischen den Ebenen und Akteurgruppen pflegen. Die Studie zeigt, dass die Akteure in der Rolle solcher Intermediatoren in touristischen Gebieten die Tourismusorganisationen, 6ffentliche K6rperschaften und Interessen-/Branchenvertreter sehen. Um diese Aufgabe zu erffillen, mfissen 6ffentliche K6rperschaften mit den Akteuren zusammenarbeiten und Tourismusorganisationen mfissen neben den bisherigen Aufgaben, welche vor allem operative Tfitigkeiten umfassen, auch strategische Funktionen fibemehmen und kollektive Handlungsf~ihigkeit erlangen. Grunds~itzlich ist wichtig, dass die in die Governance eingebundenen Akteure die nachhaltige Entwicklung der Destination als Wettbewerbseinheit verfolgen. Die Empirie hat gezeigt, dass es daffir sinnvoll ist, auch Interessengruppen mit wenig Einfluss in Entscheidungen einzubinden.
5. Aussagekraft der empirischen Untersuchung Bei der Interpretation der Ergebnisse der empirischen Untersuchung zur Governance von Tourismus-Destinationen mt~ssen einige einschrgnkende Faktoren berficksichtigt werden. In der Befragung wurden neben touristischen auch nicht-touristische Akteure eingebunden, da die langfristige Sicherung der Wettbewerbsf~ihigkeit einer Tourismus-Destination die Zusammenarbeit aller Akteure verlangt. Weiters wurde auf diese Weise m6glich, das Vorhandensein vertikaler und diagonaler Kooperationen zu prfifen sowie Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Akteurgruppen ausfindig zu machen. Die nicht-touristischen Akteure konnten jedoch, wie der Pretest gezeigt hat, mit dem Begriff der Destination und mit 275
den touristischen Abgrenzungen von R~iumen nicht umgehen. Daher musste die Gemeinde, welche ein klar definierter Raum ist, als Untersuchungsobjekt herangezogen werden. Nicht immer jedoch decken sich die Grenzen der Gemeinden mit jenen der Destinationen. Es kommt vor, dass Destinationen mehrere Gemeinden umfassen. In solchen F~illen ktJnnen sich die Bestimmungsfaktoren der Governance wie die Akteurkonstellation oder die Interaktionsformen etwas ver~indem. Die Online-Befragung erm6glicht die Befragung vieler Akteure, sodass Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Akteurgruppen angestellt werden k6nnen. Gleichzeitig beschr~inkt diese Vorgehensweise die Stichprobe aufjene Akteure, die tiber Internetanschluss und EmailAdresse ver~gen. Die ausgewahlten touristischen A k t e u r e n - 4-Sterne Hotels und Tourismusorganisationen- sowie die Gemeinden konnten alle per Email erreicht werden und es wurden s~imtliche Akteure kontaktiert. Nur bei vemachl~issigbar geringen Adressen gab es Probleme zum Beispiel aufgrund fiberftillter Mailboxen. Bei den nicht-touristischen Akteuren hingegen gibt es mehrere, die fiber keine Email-Adresse verffigen, obwohl die Stichprobe nur Betriebe mit mehr als 10 Mitarbeitern umfasst. Diese Betriebe konnten nicht in die Befragung aufgenommen werden. Weiters waren die Adressen von nicht-touristischen und nicht 6ffentlichen Unternehmen nur in Sfidtirol ver~gbar. Daher beziehen sich die Auswertungen dieser Akteurgruppe nur auf Sfidtirol und ein Vergleich mit anderen Regionen ist nicht m6glich. Die Erstellung des Fragebogens verlangte eine Auswahl der wesentlichen Bestimmungsfaktoren der Governance von Tourismus-Destinationen. Nicht alle im theoretischen Teil der Arbeit diskutierten Begriffe konnten dabei berficksichtigt werden. Die Auswahl basierte auf den Zielsetzungen der empirischen Untersuchung, die prim~ir die grundlegenden Ausffihrungen untermauern sowie das erstellte Modell fiberprtifen und konkretisieren sollte. Daher wurden sehr spezifische Faktoren, Einzelf'~ille der Governance oder rein vertiefende AusfOhrungen nicht in die Studie aufgenommen. Die Fragebogenerstellung erforderte weiters die Operationalisierung der verschiedenen Themenbereiche und der ausgew~ihlten Faktoren. Sie erfolgte in Anlehnung an die theoretische Diskussion. Aufgrund der Vielfalt der befragten Akteure erforderte die Operationalisierung die Vereinfachung vieler, auch touristischer Begriffe. Zum Beispiel wurde im Fragebogen nicht mit dem Begriff Governance gearbeitet. Eine solche Operationalisierung und Vereinfachung geht einher mit einem Verlust an Pr~izision, der nicht immer durch Umschreibungen und Erkl~irungen ausgeglichen werden kann. Weiters ist das Ergebnis der Operationalisierung komplexer Begriffe und Entwicklungen eine Vielzahl von Faktoren, die nicht s~imtlich in den Fragebogen aufgenommen werden konnten. Hier erfolgte eine Auswahl hinsichtlich der Abdeckung des gewtinschten Begriffs, der Verst~indlichkeit und der l]bereinstimmung mit dem untersuchten Gegenstand. Die Vorgehensweise der postalischen Befragung weist verschiedene Vor- und Nachteile auf. Diese gelten zum Teil auch ftir Online-Befragungen. Die methodischen und inhaltlichen Vorteile sind: 937
937 Vgl. Schnell,R. et al., Methodender empirischenSozialforschung, 1999, S. 336 f. 276
-
geringere Kosten als bei Befragungen durch Interviewer;
-
Vermeidung von Interviewfehlern;
-
die Antworten sind bedingt durch die Abwesenheit eines Interviewers ehrlicher;
-
die Antworten k6nnen tiberlegt gegeben werden, da mehr Zeit zum Aus~llen des Fragebogens gegeben ist;
Motivation dadurch, dass der Beantwortungszeitpunkt selbst gew~ihlt werden kann. Diesen Vorteilen stehen verschiedene Nachteile gegentiber: -
-
-
-
h6here Ausfallquoten, wobei Ausf~ille systematisch passieren k6nnen, da Personen mit h6herem Bildungsniveau, die Erfahrung mit dem Medium haben oder die stark am Thema interessiert sind, den Fragebogen eher ausftillen; keine Kontrolle die Datenerhebungssituation und des Antwortvorgangs; zum Beispiel entf~illt die Steuerung der Reihenfolge der Fragebeantwortung; es ist nicht kontrollierbar, welche Person den Fragebogen effektiv ausftillt.
Diese Nachteile wurden bei der Konzeption der Befragung berticksichtigt und so weit als m6glich gemindert. Zum einen wurden die Befragten zur korrekten Beantwortung und Rticksendung des Fragebogens veranlasst. Durch den Pretest konnten das Verst~indnis und die Strukturiertheit des Fragebogens tiberprtift und verbessert werden. Weitere Faktoren, welche im Vorfeld berticksichtigt wurden, sind die optische Gestaltung des Online-Formulars, die Ausarbeitung eines m6glichst kurzen Fragebogens sowie die Erstellung eines erkl~irenden und motivierenden Begleitschreibens. Durch eine Nachfassaktion nach Ablauf einer Frist wurden die kontaktierten Akteure nochmals an die Befragung erinnert und die Rticklaufquote erh6ht. Ziel der empirischen Studie war die Uberprtifung und Konkretisierung des im theoretischen Teil der Arbeit erstellten Governance-Modells ffir Tourismus-Destinationen. Es wurden drei Regionen ausgew~ihlt, welche eine Vielzahl von traditionellen alpinen Destinationen umfassen. Um eine allgemeine Gtiltigkeit des Fragebogens und die Vergleichbarkeit der Daten zu gew~ihrleisten, war es nicht m6glich, lokale Besonderheiten zu berticksichtigen. Durch die Wahl mehrerer Regionen konnten jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Regionen ausgearbeitet werden. Diese Vorgehensweise basiert auf der Annahme, dass kulturelle Unterschiede und institutionelle Gegebenheiten zwischen den Regionen gr6Ber sind, als zwischen Destinationen derselben Region. So haben zum Beispiel die Destinationen in einer bestimmten Region einen ~ihnlichen institutionellen Kontext. Nicht m6glich ist es, Unterschiede zwischen einzelnen Destinationen aufzuzeigen, welche auch innerhalb einer Region vorkommen k6nnen. Obwohl verschiedene Regionen in die Studie aufgenommen wurden, ist es wahrscheinlich, dass sich andere Regionen von diesen unterscheiden. Daher mtissen bei der 15bertragung der Ergebnisse auf andere Regionen deren Eigenheiten berticksichtigt werden.
277
V Schlussbetrachtung und Ausblick Die Governance von diumlichen Wettbewerbseinheiten stellt einen komplexer Prozess dar, in welchem Eigendynamik und Steuerungsprozesse ineinander greifen und der mit Lern- und Suchprozessen der Akteure verbunden ist. Nicht markt- und hierarchielastige Steuerungskonzepte sind die Antwort auf komplexe Wirkungszusammenhgnge und Interdependenz der Akteure, sondern die Kombination verschiedener Steuerungsformen und-elemente. Bei der Auseinandersetzung mit Steuerbarkeit und Steuerungsf~higkeit sozialer Systeme kann nicht klar zwischen Steuerungsobjekten und Steuerungsadressaten unterschieden werden, sondern das System als Ganzes muss in den Prozess eingebunden werden. Zudem prggen vorhandene Regelungsstrukturen und Institutionen die Entwicklung. Die Arbeit hat sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Die wesentlichen Implikationen sind: der Raum beeinflusst die Entwicklung von Akteuren und Wettbewerbseinheiten;
-
-
-
-
-
-
Governance unterst~tzt die Zukunfts- und Wettbewerbsfahigkeit von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten; nur die Akzeptanz der Komplexitgt sozialer Systeme und der Governance lgsst die Entwicklung eines umfassenden Governance-Modells zu; Steuerungsformen, Koordinationsverfahren und Steuerungsmedien mt~ssen intelligent kombiniert werden, um die Steuerbarkeit und die Steuerungsf'~higkeit von gesellschaftlichen Systemen und r~iumlichen Wettbewerbseinheiten zu erh6hen; der Einsatz einzelner Steuerungsformen ist nicht ausreichend; die spezifische Handlungssituation und die daraus resultierenden Ziele bestimmen die Balance zwischen den Governance-Elementen und die eventuell notwendige Dominanz eines Elements; die Integration der verschiedenen Steuerungsebenen erm6glicht die Verknt~pfung von gesellschaftlichen Teilbereichen; getragen wird die Integration von ausgew~ihlten Governance-Akteuren; die Weiterentwicklung der Bestimmungsfaktoren von Tourismus-Destinationen verbessert die Umsetzung des Governance-Modells;
Nachfolgend werden die Aussagen diskutiert.
1. Rolle des regionalen Raumes for eine wettbewerbsf~hige Entwicklung Der Raum beeinflusst Geschehnisse, Menschen und ihre Beziehungen. Regionale Rgume sind charakterisiert durch die Interdependenz zwischen Orten und Aktivitgten. Sie sind in der Lage, Erlebnisse und Geschehnisse zu absorbieren und dadurch werden sie individuell. Von der Einzigartigkeit der Rgume profitieren Strukturen und gesellschaftliche Gebilde, die mit dem Raum verschmelzen. Sind Akteure um rfiumliche Interessenpunkte gruppiert und fixiert wie es bei Tourismus-Destinationen der Fall i s t - , so garantieren diese Stabilit~it und Langfristigkeit von Beziehungen. Um auf einem globalen Markt bestehen zu k6nnen, braucht es lokale Einbindung, Identit~it und Kooperationen. Geographische, kulturelle und institutionelle N~he ft~hren zu privilegiertem Ressourcenzugang und zu Produktivit~ts- und
-
279
Innovationsvorteilen. In diesem Sinn stellen regionale R~iume Ressourcen dar, die nicht imitiert werden k6nnen und somit die Wettbewerbsf~ihigkeit der in ihnen agierenden Akteure beeinflussen. Die Vorteile regionaler R~iume bzw. r~iumlicher N~ihe k6nnen jedoch nur dann ausgesch6pft werden, wenn sich die Akteure verbunden ftihlen und Interdependenzen genutzt und geregelt werden. Auf diese Weise entsteht kollektive Handlungsf'~ihigkeit. Ein gemeinsamer Raumbezug ergibt sich nicht automatisch. Er muss durch die Pflege von Beziehungen, Kooperationen und demokratischen Koordinationsverfahren unterst~itzt werden. Besonders Tourismus-Destinationen k6nnen von den Vorteilen r~iumlicher N~ihe profitieren. Die sozialen Bindungen, welche die Basis einer gemeinsamen Identit~it darstellen, erm6glichen die Erstellung eines integrierten Produktes und Verbesserungen der Schnittstellen in den Dienstleistungsketten. Traditionen, lokale Werte, Kultur und die M6glichkeit von direkten Interaktionen sind nicht nur Teil der Authentizit~it und Einzigartigkeit von touristischen R~iumen, sondern reduzieren Unsicherheit und senken dadurch Transaktionskosten. Tourismus-Destinationen sind umso wettbewerbsf'~ihiger, je besser die Akteure in der Lage sind, kollektives Handeln zu organisieren. Notwendig sind Konsensbildung nach innen und Wettbewerbsorientierung nach aul3en. Wesentlich ist die Erkenntnis und Akzeptanz, dass ein gemeinsamer Raumbezug die Wettbewerbsf~ihigkeit untersttitzt und dass die gemeinsame Identit~it unterstfitzende Maf3nahmen getroffen werden mfissen. Hier spielt die Governance eine bedeutende Rolle.
2. Wichtigkeit der Governance von r~umlichen Wettbewerbseinheiten Akteure versuchen stets ihre Situation zu verbessern und daher kommt es in r~iumlichen Wettbewerbseinheiten immer wieder zu Gestaltungsbestrebungen bzw. zum Versuch die Entwicklung zu beeinflussen. Nur durch Handlungskoordination sind die Btindelung dieser Gestaltungsintentionen, die Entwicklung einer gemeinsamen Ausrichtung und die Nutzung von Synergien m6glich. Es braucht eine Rahmen setzende Governance, um langfristig nachteilige Entwicklungen zu verhindern, opportunistisches Handeln zu mindern und um an den Raum sowie an die Kooperation von Akteuren gebundene Potentiale auszuschOpfen. Eine gemeinsame strategische Ausrichtung, Handlungs- und Wettbewerbsf~ihigkeit verlangen in r~iumlichen Wettbewerbseinheiten nach kollektiven L6sungen, Sozialkapital und nach der gezielten Beeinflussung der Entwicklung. Tourismus-Destinationen stehen unter Handlungsdruck von aul3en. Die Entwicklung vom Verk~iufer- zum K~iufermarkt, internationale Konkurrenz sowie die Ver~inderungen im Kundenverhalten stellen die wesentlichen Herausforderungen dar. Die Suche nach Antworten ffihrte zur Auseinandersetzung mit verschiedenen Ans~itzen des Destinationsmanagements, wobei erste kooperative L6sungsans~itze gefunden wurden. Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Destinationsmanagements ist jedoch gegeben und verlangt nach neuen, der Komplexit~it von Tourismus-Destinationen gerecht werdenden Herangehensweisen. Governance stellt eine solche Weiterentwicklung des Destinationsmanagements dar und verbindet die Vorteile verschiedener Steuerungsformen.
280
3. Akzeptanz der Komplexit~t yon Governance Der Erfolg von rgumlichen Wettbewerbseinheiten verlangt nach einer Handlungskoordination abseits von Steuerungspessimismus und Machbarkeitsglaube. Eindimensionale L6sungsansgtze oder einmalige Interventionen stellen keine ad~iquate Herangehensweise dar, um den Rahmenbedingungen, Herausforderungen und der Komplexit~it von regionalen Rgumen gerecht zu werden. Die funktionale Ausdifferenzierung der Gesellschaft, welche charakterisiert ist durch eine hohe interne Komplexitfit der Teilbereiche und komplexen Interdependenzen zwischen den Bereichen, fahrt zu einer grol3en Anzahl leistungs- und entscheidungsfahiger Akteure und somit zu einer Komplexitgtssteigemng. Die Verbindung von Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Bildung ist wesentlich ffir eine wettbewerbsf'~ihige Entwicklung und verlangt nach entsprechenden Govemance-Modellen, welche sich mit Fragen von Steuerungsbedarf und Steuemngskapazit~iten auseinandersetzen. Die Erarbeitung von gemeinsamen Probleml6sungen fordert die Interaktion zwischen den unterschiedlichen Akteuren sowie Entscheidungen, die Legitimation haben und von den Beteiligten getragen werden. Sachliche, soziale, zeitliche, r~iumliche oder operative Komplexit~t k6nnen nur mit Govemance-Ans~itzen beantwortet werden, die Raum lassen fiir Innovation, Selbstorganisation und Redundanz. Umgang mit Komplexit~it heil3t Fghigkeiten entwickeln, um Ziele setzen und variieren zu k6nnen sowie eine gemeinsame aktive Gestaltung der Entwicklung der regionalen R~iume zu ermOglichen. In traditionellen Tourismus-Destinationen agiert eine Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen, verschiedenen Handlungslogiken, Handlungsmustem und Machtpositionen. 121berzeugtes kollektives Handeln als Voraussetzung fiir Wettbewerbsf~ihigkeit setzt die Einbindung der relevanten Akteure voraus. Um trotz der Heterogenit~it der Anbieter und der Aufsplittung von Kompetenzen kollektive Handlungsf~ihigkeit und innovative optimierte Dienstleistungsketten zu erreichen, braucht es ein Govemance-Modell, das trotz der Schw~ichen der bestehenden Handlungssituation, wie mangelnde Kooperation oder ungenfigende Investitionen in Konzepte und Innovationen, angewendet werden kann.
4. Kombination von G o v e r n a n c e - E l e m e n t e n In der Arbeit wurden unterschiedliche Strukturmuster, Koordinationsverfahren und Steuerungsmedien vorgestellt, wobei die Trennung nur analytisch sein kann. Die Elemente spielen zusammen und durch eine intelligente Kombination k6nnen sie ihre Potentiale und Steuerungwirkungen entfalten. Das Wissen um die Stfirken und Schwfichen von GovernanceFormen l~sst einen flexiblen und der Handlungssituation entsprechenden Einsatz zu und hilft weiters, die Governancekosten zu reduzieren. Die Kombination unterschiedlicher Governance-Elemente verhindert zum Beispiel Widerstfinde, wie sie bei einseitig-autorit~iren Entscheidungen vorkommen k6nnen, oder unterstfitzt die Funktionsweise des Marktes durch Regulierungen. Das entwickelte Governance-Modell diskutiert die Kombination unterschiedlicher Strukturmuster und Koordinationsformen in Tourismus-Destinationen. Zusfitzlich gilt es unterschiedliche Steuerungsmedien einzusetzen. Die Ausffihrungen zeigen, dass weiche Steuerungsmedien die harten Formen nicht verdr~ingen oder ersetzen k6nnen. In Destinationen, wo eine Vielzahl von Akteuren agiert und die Eigentumsrechte verteilt sind, braucht es sowohl weiche Steuerungsmedien um Interaktionen und Kooperationen zu f6rdern 281
als auch harte Medien, um zum Beispiel opportunistischem Verhalten entgegenzutreten oder um den Umgang mit externen Effekten zu regeln. Die Ableitung der geeigneten Modell-Elemente far Tourismus-Destinationen erfolgt fiber die Festlegung der Bestimmungsfaktoren der Governance. Die klein- und mittelbetrieblichen Strukturen und die Vielzahl der Akteure verlangen prim~ir nach dem Strukturmuster Netzwerk. Jedoch nicht alle Akteure und Bereiche einer Destination k6nnen miteinander vernetzt werden. Hier kann der Markt far das Aufeinandertreffen von verschiedenen Akteuren und Leistungen sorgen und Freiheiten gew~ihrleisten, die Unternehmertum und Innovation untersttitzen. In Destinationen handelt es sich jedoch nicht um reine Marktbeziehungen, sondern die Fixierung im Raum und der dadurch entstehende gemeinsame Raumbezug kreieren ein Beziehungsgeflecht zwischen den im Raum agierenden Akteuren, welches einen Netzwerkpool darstellt. Die Konzentration auf die Governance-Formen Netzwerk und Markt ist jedoch nicht ausreichend. Regionale und touristische Faktoren wie Vorhandensein 6ffentlicher Gtiter und Interessen, Marktversagen, die egoistisch-rationale Handlungsorientierung der Akteure oder die Produktion von externen Effekten fordern ein weiteres Strukturmuster, jenes der hierarchischen Einbettung, welche durch den institutionellen Kontext gegeben ist. Institutionen k6nnen die anderen Strukturmuster und die damit zusammenh~ingenden Interaktionsformen beim Ziel der Wettbewerbsf'~ihigkeit unterstiitzen.
5. Balance zwischen Governance-Formen und -Elementen Die Kombination verschiedener Governance-Elemente muss die Wettbewerbsf'~ihigkeit der r~iumlichen Einheiten untersttitzen und eine innovative Entwicklung erm6glichen. Das Zusammenspiel wird dabei in unterschiedlichen Situationen ein anderes sein. Grunds~itzlich sollten in r~iumlichen Wettbewerbseinheiten Netzwerke und damit zusammenhgingende Koordinationsformen tiberwiegen. Sie sind notwendig, um Gr66en- und Verbundvorteile auszusch6pfen oder bei der Produkterstellung die gemeinsame Aufgaben- und Funktionserfallung einer Vielzahl von Leistungstr~igern zu erm6glichen. Netzeffekte wie Aufteilung von Arbeit, Kosten und Risiken k6nnen durch die anderen Strukturmuster nicht gew~ihrleistet werden. Netzwerke werden auch dann gef6rdert und eingesetzt, wenn entscheidungsrelevantes Wissen zusammengefahrt und langfristige Absprachen zwischen autonomen Akteuren erforderlich sind. Die alleinige Etablierung yon Netzwerkstrukturen ist jedoch nicht ausreichend um eine umfassende Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten zu gew~ihrleisten. Zum einen ist die Zusammenarbeit in Netzwerken freiwillig und zum anderen sind Netzwerke mit verschiedenen Problemen und Fallstricken verbunden wie dem Problem der grogen Zahl. Eventuelles sub-optimales Operieren von Netzwerken muss durch andere weitere Governance-Elemente ausgeglichen werden. Die Fluktuation der eingebundenen Akteure, Diskussionen und die Vielfalt der beteiligten Organisationen erm6glichen den Erfolg von Netzwerken, welcher auf der Balance zwischen Ahnlichkeit und Verschiedenheit sowie zwischen Kooperation und Konkurrenz beruht. Wesentlich ist, dass die Akteure eine Ebene haben, auf welcher sie sich generell finden, austauschen, selber organisieren und auch ohne Absprachen evtl. auch nur einmalig Gesch~ifte machen k6nnen. Die Governance-Formen Markt und Selbstorganisation dominieren dann, wenn die Akteure nicht in geordneten Strukturen kooperieren. Hier wird der Grundstein far Netzwerke gelegt und die Qualit~it der Ebene wird vor allem in r~iumlichen Wettbewerbs282
einheiten durch die Pflege von Kontakten und durch Austausch erh6ht. Diese Ebene bildet weiters die Plattform, auf welcher sich Netzwerke begegnen und die Vernetzung der Netzwerke stattfinden kann. Regionen sind nicht nur geographische Standorte, sondern auch die Basis von Interaktionsbeziehungen, die interdisziplin~ire Kooperationen und innovatorische Prozesse f6rdern. Die institutionelle Einbettung spiegelt die hierarchische Governance-Form wider. Sie hat grol3en Einfluss und beeinflusst die Handlungssituation der Akteure. Wichtig ist, dass Platz bleibt for die anderen Govemance-Elemente und dass hierarchische Entscheidungen von 6ffentlichen Institutionen vor allem dort getroffen werden, wo die anderen Instrumente versagen. Nur durch ein solches Zusammenspiel k6nnen Untemehmertum und Innovation gedeihen und die Motivation der Akteure aufrecht bleiben. Gefordert ist der institutionelle Kontext, um Marktversagen zu verhindem und um 6ffentliche Interessen zu wahren. In Tourismus-Destinationen handelt es sich beim institutionel|en Kontext in erster Linie um die Tourismuspolitik. Diese sollte, um den anderen Govemance-Elementen Raum zu lassen, als integrierte strategische Standortpolitik auftreten, die die F~ihigkeiten der Akteure st~irkt und deren Aktivit/iten f6rdert. Aufgaben des institutionellen Kontextes sind daher in erster Linie die Implementierung einer intensiven Aus- und Weiterbildungspolitik und die Schaffung von untersttitzenden Rahmenbedingungen zum Beispiel for kooperative Organisationsstrukturen. Wichtig ist die tiberlegte und gezielte Kombination der Govemance-Elemente, ohne dass ein bestimmtes Instrument generell dominiert. Damit dies gelingen kann, braucht es die Integration der verschiedenen Steuemngsebenen und den Austausch zwischen 6ffentlichen und privaten Akteuren.
6. Integration der Steuerungsebenen Die Diskussion der Kombination von Govemance-Elementen in Tourismus-Destinationen zeigt die verschiedenen vorhandenen Steuerungsebenen auf. Dies sind der institutionelle Kontext, die Selbstorganisation und Netzwerke. Nur durch das Zusammenwirken und die Integration dieser Ebenen kann ein umfassendes Govemance-Modell erstellt werden. Ziel ist die Schaffung von Handlungsspielr~umen, in welchen 6konomische, 6kologische und soziale Belange miteinander verkn0pft sind. Die Integration der Steuerungsebenen ist weiters eine wichtige Voraussetzung ffir die Zusammenf0hmng von Entwicklungskonzepten und der Governance von Regionen. Erstere bemOhen sich, Handlungsspielr~iume, vorhandene Potentiale und Synergie-Effekte in Regionen zu nutzen. Regionalentwicklungskonzepte verlangen nach der Zusammenarbeit zwischen 6ffentlichen und privaten Akteuren und der Organisation von Handlungsffihigkeit. Hier muss die Governance Hilfestellung leisten, wobei durchl~ssige Grenzen zwischen den Steuerungsebenen erforderlich sind. Die Integration der verschiedenen Steuerungsebenen bedeutet im Konkreten die Gestaltung kollektiver Prozesse der L6sungssuche, welche der zunehmenden Fragmentierung der Gesellschaft entgegentreten und die Identifikation des regionalen kollektiven Handlungsbedarfs sowie die Entwicklung kollektiver Handlungsfahigkeit erm6glichen. Wettbewerbsf'~higkeit hat einen systemischen Charakter und verlangt nach Beziehungen zwischen verschiedenen Teilsystemen wie Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft. Voraussetzung ist die Gestaltung von Kommunikationsprozessen, die dann in einem weiteren Schritt zu kollektivem Handeln der verschiedenen Akteurgruppen ffihren. Die Kommunikationsdichte zwischen 283
formal autonomen Akteuren und Sektoren erm6glicht horizontale und vertikale Kooperation. Damit verbunden ist zum einen die Wahrnehmung, Diskussion und Integration von Partialperspektiven sowie von unterschiedlichen Interessen. Zum anderen m%sen auch gemeinsame Pr~ferenzen entwickelt werden, welche nicht Einzelinteressen sondern Gesamtvorteile betreffen. Ziel ist die Entwicklung einer gemeinsamen Identit~t, die Oberwindung kurzfristiger partialer Interessen sowie das Zusammenftigen von Erfahrungen und Wissen der verschiedenen Ebenen und Akteure. Zusammenfassend hat die Integration der verschiedenen Steuerungsebenen eine intertemporale, intersektorale und interpersonale Dimension. Einmaliges oder zeitlich befristetes Zusammenfinden der Ebenen ist nicht ausreichend, um ein konsequentes Schnittstellenmanagement zwischen verschiedenen Sektoren und Akteuren zu etablieren. Es mt~ssen Reziprozit~ten und Beziehungen hergestellt werden, die sich fiber Raum und Zeit ausdehnen und somit lfihmende Interessendivergenzen Oberwinden, institutionelle Rigidit~ten aufdecken und letztlich die Sicherung langfristiger Wettbewerbsf~higkeit erm6glichen. Durch derartige Integrationsprozesse werden die Ressourcen, Kompetenzen und das Wissen der Angebotsund Entscheidungstr~ger in r~umlichen Wettbewerbseinheiten wie Tourismus-Destinationen zu einem schwer imitierbaren System, aus welchem konkurrenzffihige Produkte und Innovationen hervorgehen. Es ist die flexible Integration der verschiedenen Steuerungsformen welche die spezielle Governance von r~umlichen Einheiten pr~gt.
7. Governance-Akteure Regionale Wettbewerbeinheiten stellen einen intermedi~ren Handlungsraum dar, der die Grenzen zwischen verschiedenen Ebenen und Akteuren, zum Beispiel zwischen 6ffentlichen und privaten Organisationen, fiberschreitet. Die Integration der Steuerungsebenen und die Kombination von Governance-Elementen muss durch ausgew~hlte Akteure untersttitzt und forciert werden. Die Aufgaben solcher Intermediatoren sind die Errichtung und Pflege von Kommunikationswegen zwischen den Ebenen, die F6rderung kollektiver Handlungen, die Vermittlung zwischen Akteuren und Sektoren sowie die UnterstOtzung der Mobilisierung endogener Potentiale. Eine weitere wesentliche Aufgabe der intermedifiren Akteure ist die Etablierung eines effizienten Wissensmanagement in den r~umlichen Wettbewerbseinheiten. Dazu geh6ren die FOrderung der kollektiven Wissensgenerierung, der offene Wissenstransfer und die Nutzung des vorhandenen Wissens. Damit Wissensbarrieren abgebaut werden, mfissen Intermediatoren zur Aufl6sung von Missverst~ndnissen und Interessenkonflikten beitragen. Nicht wfinschenswert hingegen ist die Vermeidung von jeglichen Konfliktsituationen, denn eine solche Orientierung wfirde wfinschenswerte Diskussionen untergraben. Insgesamt ist es notwendig, dass bei den intermedi~ren Akteuren nicht egoistisch-rationale Handlungsorientierungen sondern eine integrative Wettbewerbsmentalit~t vorherrscht. Geeignet sind daher vor allem solche Akteure, die zwischen verschiedenen Sph~ren angesiedelt sind, strategische Partner darstellen oder mehrere Akteure repr~sentieren. Intermediatoren sind zu unterscheiden von jenen Akteuren, die zwar einen hohen Willen zur Machtausfibung artikulieren, deren Macht und Bereitschaft im Bereich der intersektoralen Zusammenarbeit jedoch begrenzt ist. Die Aufgaben intermedi~rer Akteure erfordern die Balance zwischen Informalit~t und Formalit~t, zwischen Regel-Freiheit und Regel-Setzung. Der Erfolg von intermedi~ren 284
Akteuren zeigt sich in der Entwicklung und Implementierung branchent~bergreifender Strategien, der Zusammenarbeit von unterschiedlichen autonomen Akteuren und in der Produktion von positiven extemen Effekten. M6glich ist die Schaffung von Erwartungssicherheit und dadurch die Senkung von Transaktionskosten innerhalb der Wettbewerbseinheit. Innovation als arbeitsteiliger und kollektiver Prozess wird erm6glicht und gef6rdert. Die geschaffenen Verbindungen zwischen dezentralen Strukturen helfen einen gemeinsamen Raumbezug herzustellen und schaffen ein Zusammengeh6rigkeitsge~hl. Eine solche Stabilit~it darf jedoch nicht zu Abschottung f'tihren, d. h. die Intermediatoren mfissen neben der Innenorientierung auch die Aul3enorientiemng pflegen und aufrecht halten.
8. Entwicklung der Bestimmungsfaktoren der Governance Die Bestimmungsfaktoren der Governance einer Tourismus-Destination sind die Akteure und deren Handlungsorientierung, Akteurkonstellationen, Interaktionsformen und der institutionelle Kontext. Diese Faktoren mt~ssen sich entwickeln, um die Steuerbarkeit und Steuemngsf~ihigkeit von Tourismus-Destinationen zu verbessern und um die Funktionsweise des entwickelten Govemance-Modells zu unterst~tzen.
Akteure Der Bestimmungsfaktor Akteure verdeutlicht die Vielzahl der Akteure und deren komplement~ire Funktionen. Es gilt eine verbesserte Wahrnehmung zu schaffen, dass die Akteure in einem komplexen Beziehungsgeflecht miteinander verbunden sind und sich dadurch gegenseitig st~irken aber auch schw~ichen k6nnen. Nicht nur tourismusspezialisierte Akteure sind in dieses Geflecht eingebunden, sondem auch tourismusabh~ingige Akteure und so genannte Co-Produzenten. Das Aufzeigen der gegenseitigen Abh~ingigkeit ist die Voraussetzung far die Steuerung der Wechselwirkungen der Akteurhandlungen und far die Entwicklung gemeinsamer Strategien. Die fiberwiegende klein- und mittelbetriebliche Struktur kann durch die ihr innewohnenden Vorteile wie Vielfalt, Kultur oder Flexibilit~it zu einem Wettbewerbsvorteil werden, wenn es gelingt, Nachteile durch Interaktion und Kooperation zu mindern. Dies verlangt nach der Entwicklung von Kommunikationswegen und einer sektorent~bergreifenden Zusammenarbeit. Den Tourismusorganisationen kommt in den Destinationen eine besondere Rolle zu. Es ist daher notwendig, dass sie sich vedinderten Rahmenbedingungen und Herausforderungen anpassen k6nnen. Die Besch~iftigung mit der gmnds~itzlichen Struktur von Tourismusorganisationen- sie sind komplexe kollektive Akteure - ist natzlich, um die Entwicklungsm6glichkeiten der Organisationen aufzuzeigen. Nur wenn die innere Struktur geordnet und die kollektive Handlungsf~ihigkeit dadurch verbessert und gew~ihrleistet wird, k6nnen die Augenorientiemng und die Durchsetzung auf dem Markt gelingen. Um die kollektive Handlungsf~ihigkeit zu erh6hen, muss der Hauptzweck der Tourismusorganisationen eindeutig festgelegt und kommuniziert werden. Durch Kommunikation, Interaktion sowie dem Einsatz von harten und weichen Steuerungsmedien mfissen die Interessen der Mitglieder gebt~ndelt und auf gemeinsame Ziele gerichtet werden. Dies schafft Koh~irenz nach innen und erh6ht den Einfluss in der Region. Auf diese Weise ist es m6glich, dass Tourismusorganisationen neben operativen Aufgaben auch strategische Funktionen wie Koordination 285
und Interessenvertretung fibemehmen k6nnen. Die empirische Erhebung hat gezeigt, dass die verschiedenen Akteure der Tourismus-Destinationen diese Erwartungen an die Tourismusorganisationen haben und entsprechende Entwicklungen begrfiBen wfirden. Gmnds~tzlich lassen sich in Tourismus-Destinationen verschiedene Interessengruppen ausmachen. Je homogener die Mitglieder dieser Gruppen und je kompakter die Gruppengr6Be, desto st~irker deren kollektive Handlungsf'~ihigkeit. Die Interessengruppen sind in den verschiedenen Steuerungsebenen eingebunden und k6nnen zus~itzlich zu anderen Kommunikationswegen t~ber die Integration dieser Ebenen verbunden werden. Die Wahl von Interessenvertretern erleichtert die Interaktion zwischen den Gruppen und erm6glicht Verhandlungen fiber die zukfinftige Entwicklung der Tourismus-Destination. Die Berficksichtigung auch einflussschwacher Interessengruppen unterst0tzt die Bildung einer kollektiven Identitgt und eines gemeinsamen Raumbezugs. Eine solche Einbindung aller Stakeholder bei Entscheidungen ist bei kurzfristigen Interessen schwierig und konfliktreich, bei langfristigen Absprachen ist dieser Ansatz jedoch von Vorteil und erm6glicht die insgesamte Weiterentwicklung einer Tourismus-Destination.
Handlungsorientierung Die Akteure in den Tourismus-Destinationen weisen unterschiedliche Handlungsorientierungen auf. Insgesamt ist eine eher egoistisch-rationale Orientierung auszumachen. Defensives, individualistisches Denken kann den vergnderten Markt- und Nachfragebedingungen jedoch nicht gerecht werden. Es braucht die Entwicklung einer integrativen Wettbewerbsmentalitgt. Diese kann durch unterschiedliche Ans~itze begt~nstigt werden. Zum einen f6rdert der Handlungsdruck von auBen den notwendigen Blick tiber den Tellerrand und die Bereitschaft zur Kooperation. Wenn einzelnes Handeln nicht zu dauerhaftem Erfolg ~hrt, dann gndert sich die Orientierung der Handelnden und die Suche nach neuen L6sungsans~itzen beginnt. Zum anderen kann dieses Ziel durch den Einsatz verschiedener Steuerungsmedien, durch Institutionen, Kontrollen oder Sanktionen angepeilt werden. Wesentlich ist die Ausund Weiterbildung der Akteure, welche die unternehmerischen Fghigkeiten, die Kooperationsbereitschaft und -f~ihigkeit sowie die Innovationsf~ihigkeit f6rdert.
Akteurkonstellation Tourismus-Destinationen werden als virtuelle im Raum fixierte Dienstleistungsunternehmen diskutiert. Die grundsgtzliche Akteurkonstellation hat somit Netzwerkcharakter, wobei nicht alle Leistungstrgger gleichzeitig durch Strukturen und Kooperationen miteinander vernetzt sein k6nnen. Destinationen bilden die Basis f'tir Kooperationen, denn die Akteure in einer Destination stehen sich n~iher als Leistungstr~iger auf einem Markt, die nicht durch einen gemeinsamen Raumbezug und durch eine notwendige kollektive Handlungsf~ihigkeit miteinander verbunden sind. Die Pflege diese Beziehungsgeflechts bzw. dieses latenten Netzwerkpools muss aktiv angegangen werden. Die Entwicklung eines gemeinsamen Raumbezugs durch die Integration der Steuerungsebenen, die Vermittlung der intermedigren Akteure und schlieBlich der bewusste Einsatz von demokratischen Interaktionsformen f6rdem neben der erforderlichen Unterstt~tzung durch die 6ffentlichen Institutionen die Gestaltung eines lebendigen Netzwerkpools, auf den die Akteure immer wieder ZUlqickgreifen k6nnen 286
und der die Wettbewerbsf~higkeit der Leistungstr~ger unterstfitzt. Die Entwicklung eines solchen Beziehungsgeflechts stellt eine flexible Akteurkonstellation dar, die sich je nach Handlungssituation ver~ndern kann. Kleine Akteure sind dadurch in der Lage, asymmetrischen Akteurkonstellationen, welche normalerweise einflussschwache Akteure benachteiligen, durch Netzwerkbildung entgegen zu treten.
Interaktionsformen Die meisten der in dieser Arbeit diskutierten Interaktionsformen kommen in TourismusDestinationen zum Einsatz, auch wenn die gegebene Akteurkonstellation die Anwendung von bestimmten Koordinationsverfahren wahrscheinlicher macht. Die F6rderung von demokratischen Interaktionsformen wie Informationsaustausch, Verhandlung oder Einbindung aller Interessengruppen unterstfitzt den Netzwerkcharakter einer Destination und die Entwicklung des gemeinsamen Raumbezugs. Einfluss haben vor allem einflussstarke Akteure, die die Art der Entscheidungsfindung bestimmen. In r~umlichen Wettbewerbseinheiten mit klein- und mittelbetrieblichen Strukturen sind dies vielfach die Offentlichen Institutionen. Um Selbstorganisation, Innovation und Dezentralisierung zu unterstt~tzen, sollten die 6ffentlichen Institutionen einseitige bzw. hierarchische Interaktionsformen vor allem dann anwenden, wenn die demokratischen Koordinationsverfahren keine oder nicht wohlfahrtseffiziente L6sungen hervorbringen w~rden.
Institutioneller Kontext Der institutionelle Kontext beeinflusst den Handlungsspielraum der Akteure, indem er die rechtlichen, finanziellen oder natfirlichen Ressourcen regelt. In Tourismus-Destinationen handelt es sich hierbei in erster Linie um die Tourismuspolitik. Primer sind es externe Effekte, 6ffentliche Gfiter und unvollkommen Informationen, die den Eingriff der Politik rechtfertigen. Interventionen in gesellschaftliche Bereiche haben aufgrund der Komplexit~t von Systemen vielffiltige und verzweigte Auswirkungen, die sich teilweise erst langfristig zeigen. Grund ist die Interdependenz der Teilbereiche und das bestehende Beziehungsgeflecht zwischen den Akteuren. Um Transintentionalit~ten wie Wettbewerbsverzerrung durch asymmetrische Anreize zu verhindern, ist es sinnvoll Interventionen nur in ausgew~hlten Bereichen vorzunehmen. Dabei sollte weniger die Verbesserung von nicht-6ffentlichen Infrastrukturen im Vordergrund stehen als vielmehr die ErhOhung der Methoden-, Sozial- und Fachkompetenz der Leistungstr~ger. Klare Ziele wie die Verbesserung der dezentralen innovativen Entwicklung oder Schutz der Ressourcen sind zum einen die Grundlage langfristiger Tourismuspolitik und erlauben die Diskussion der Zielerreichung sowie der Legitimit~t der gesetzten Mal3nahmen. Wesentlich ist auch die Auseinandersetzung mit der touristischen Entwicklung, damit falsche Zielsetzungen frfihzeitig korrigiert werden k6nnen. Zum anderen geben klare Ziele den Akteuren Orientierung sowie Erwartungssicherheit, welche die Ausarbeitung langfristiger Strategien und die wettbewerbsffihige Entwicklung von Tourismus-Destinationen erm6glichen. Die Tourismuspolitik kann auf verschiedene harte und weiche Steuerungsinstrumente zurfickgreifen. Normalerweise wird eine Kombination an Medien wie materielle Anreize, Gebote oder prozesspolitische Instrumente eingesetzt. Die Anwendung muss dahingehend 287
untersucht werden, dass vor allem wettbewerbsf~ihige Angebote und nicht schwache bzw. nicht-marktkonforme Produkte erm6glicht werden. Andernfalls kann es zu Strukturverzerrungen kommen. Wesentlich ist die Abstimmung der institutionellen Kontexte verschiedener Bereiche, damit eine integrierte Politik geschaffen und umgesetzt werden kann. Die empirische Untersuchung hat gezeigt, dass die Akteure diese Anforderungen an die Tourismuspolitik verstehen und die allgemeine Sicherung der Wettbewerbsf~ihigkeit durch untersttitzende Rahmenbedingungen den direkten betrieblichen Eingriffen vorziehen. Die Schaffung von wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und nattirlicher Substanz ist die Basis einer strategischen Standort- und Branchenpolitik.
9. Governance von Tourismus-Destinationen Traditionelle Tourismus-Destinationen stehen vor verschiedenen Herausforderungen. Die Analyse der Bestimmungsfaktoren einer wettbewerbsf~ihigen Destination zeigt die Notwendigkeit von Ver~inderungen auf den Faktorm~irkten, der Einbindung anderer Branchen sowie der Reaktion auf ver~inderte Nachfragebedingungen und Marktstrukturen. Die Kombination von Ressourcen, die Suche nach neuen Finanzierungsformen und die aktive Gestaltung des Wertsystems sind die Voraussetzungen um komplexe touristische Produkte zu kreieren und um auf dem K~iufermarkt zu bestehen. Die Entwicklung dieser Bestimmungsfaktoren wird durch die Schw~iche der Koordinierungsinstrumente gehemmt, die die Steuerbarkeit und die Steuerungsf~ihigkeit von Tourismus-Destinationen begrenzen. Punktuelle, einzelne L6sungspakete oder die entwickelten Ans~itze des Destinationsmanagements reichen nicht aus, um die Entwicklung in die gewtinschte Richtung voranzutreiben. Die Grtinde liegen in der mangelhaften Kooperationsbildung, in der nicht ausreichenden Diskussion institutioneller Voraussetzungen und in der ungentigenden Suche nach Koordinationsformen, welcher der Komplexit~it von Tourismus-Destinationen gerecht werden. Notwendig ist ein Governance-Modell, welches die Erkenntnisse der Steuerungstheorie nutzt und ftir Tourismus-Destinationen umsetzt. Governance umfasst die Kombination verschiedener Steuerungsformen und -elemente, wobei ein intelligentes, der Situation angepasstes Zusammenspiel die Potentiale der einzelnen Instrumente st~irkt und die Schw~ichen mindert. Ein geeignetes Governance-Modell muss die wesentlichen Elemente der Koordination einer Destination berticksichtigen. Diese sind die handelnden Akteure, deren Handlungsorientierung, die Akteurkonstellationen, die Interaktionsformen sowie der institutionelle Kontext. Durch die Berticksichtigung dieser Faktoren wird das kollektive Zusammenspiel der Leistungstr~iger in ihrer situativen und institutionellen Einbindung zur Untersuchung der Steuerung und Selbstorganisation herangezogen. Die Analyse der Handlungssituation in Tourismus-Destinationen ist somit Ausgangspunkt far die Entwicklung des Modells. Sie zeigt, dass eine Vielzahl von Akteuren mit Wettbewerbsmentalit~it, beeinflusst von einem ausgepr~igten teilweise wettbewerbsver~indernden institutionellen Kontext, ein touristisches Produkt entwickelt. Schltisselelemente sind dabei Innovation, Zusammenarbeit und die Nutzung endogenen Potentiale. Das entwickelte Governance-Modell ftir Tourismus-Destinationen integriert die verschiedenen Steuerungsebenen institutionelle Einbettung (Tourismuspolitik), Selbstorganisation und Netzwerke. Das Zusammenspiel macht die Governance aus und erm6glicht 288
sowohl hierarchische Effizienz als auch Innovation, Unternehmertum und Motivation, welche eher den anderen Steuerungsformen zugeschrieben werden kOnnen. Jeder Ebene werden jene Funktionen fibertragen, welche mit den jeweils zugrunde liegenden Interaktionsformen am Besten er~llt werden k6nnen. Insgesamt werden die wesentlichen Koordinationselemente der Tourismus-Destinationen in ihrer situativen Auspr~gung zusammengeftihrt und m6gliche Ansatzpunkte der Entwicklung verdeutlicht. Diese Herangehensweise kann als Weiterentwicklung des Destinationsmanagements gesehen werden, welche sich an den kooperativen Ansatz anlehnt. Das allgemeine Modell ist ffir traditionelle Tourismus-Destinationen dasselbe. Destinationsspezifische Unterschiede ergeben sich aus der jeweiligen Handlungssituation, der spezifischen Integration der Ebenen sowie aus der unterschiedlichen Auspr~gung der einzelnen Steuerungsformen und dem damit zusammenh~ngenden Einsatz von Steuerungsmedien. Hier mfissen die einzelnen Destinationen fiber Analysen und Diskussionen das Modell an ihre jeweilige Situation und an die Auspr~gungen ihrer Bestimmungsfaktoren anpassen. Grunds~tzlich wichtig sind die bewusste und von ausgewfihlten Akteuren gepflegte Integration der Steuerungsebenen und die Einbindung aller Leistungstr~ger, damit kollektive Handlungsf'~higkeit und Wettbewerbsf~higkeit erreicht werden k6nnen.
10. WeiterfOhrende Forschungsempfehlungen In dieser Arbeit wurde ein allgemeines Governance-Modell ffir traditionelle TourismusDestinationen entwickelt. Dieses Modell kann die Grundlage bilden ffir weiter~hrende theoretische und empirische Untersuchungen und dadurch weiter konkretisiert werden. Zukfinftige Forschungen kOnnen sich zum einen auf das allgemeine Modell beziehen und sich zum anderen mit der Governance spezifischer Destinationen besch~ftigen. Das Thema der Governance von Tourismus-Destinationen profitiert von den Erkenntnissen verschiedener Theorien und Ans~tzen wie der gesellschaftlichen Steuerung oder der Regional Governance. Entwicklungen dieser Theorien und weitere Untersuchungen k6nnen in das Modell eingearbeitet werden und die Zusammenh~nge weiter konkretisieren. Forschungsbedarf besteht primfir in folgenden Bereichen: -
Die Elemente des Tourismussystems werden von kontinuierlichen Entwicklungen beeinflusst wie der Ver~nderung der Marktstruktur oder des Kundenverhaltens. Diese Ver~nderungen k6nnen die Akzeptanz einzelner Steuerungsformen und -instrumente und somit deren Funktionsweise und Wirkung bei den Akteuren ver~ndern. Das Aufzeigen der Zusammenh~nge kann das Zusammenspiel der Governance-Elemente verbessern und transintentionale Folgen mindern.
-
Die Handlungsorientierung der Akteure beeinflusst die anderen Bestimmungsfaktoren der Governance wie Interaktionsformen oder Akteurkonstellationen. Die Orientierung ist jedoch dynamisch und kann sich aufgrund unterschiedlicher Faktoren wie Handlungsdruck, gesellschaftliche Tendenzen wie Solidarit~tsbewegungen oder Imitationen von erfolgreichen Beispielen ver~ndern. Es gilt diese Entwicklung zu beobachten und eventuelle Auswirkungen aufzuzeigen.
-
Governance basiert auf der Kombination von unterschiedlichen Steuerungsformen und -medien. Ziel ist die Nutzung der jeweiligen St~rken und die Minderung der Schw~chen. Dadurch werden jedoch die Rahmenbedingungen ver~ndert und untersucht werden muss, 289
ob die Kombination eine Ver~inderung der Wirkungsweise der einzelnen GovernanceElemente hervorruft. Die Anforderungen an den institutionellen Kontext beziehen sich auf die Entwicklung von einer direkten Einflussnahme hin zu einer integrierten, strategischen Standort- und Branchenpolitik. Notwendig sind die Analyse der Schnittstellen zwischen den Branchen und die Diskussion von mOglichen Herangehensweisen, damit die Integration ohne Schaffung umfangreichen Strukturen oder Abwehrmechanismen m6glich ist. - Das Modell zeigt die Rolle von intermedi~iren Akteuren bei der Governance von r~iumlichen Wettbewerbseinheiten auf. In Tourismus-Destinationen k6nnen zum Beispiel Tourismusorganisationen eine derartige Funktion tibernehmen. Forschungsbedarf besteht, um die Voraussetzungen solcher Intermediatoren wie F~ihigkeiten und Struktur sowie deren Aufgaben weiter zu konkretisieren. Dies sind die wesentlichen Forschungsfelder. Weiters kann das Modell von Fallstudien profitieren, welche auch allt~igliche Barrieren und Hindernisse aufzeigen. -
Die Forschungsfelder verdeutlichen, dass das Wesen des Modells dynamisch ist und den Entwicklungen angepasst werden kann. Wesentlich ist daffir der Austausch zwischen Disziplinen, Destinationen und Branchen sowie zwischen Entscheidungs- und Leistungstr~igern, deren Arbeit von der Governance beeinflusst wird.
290
Literatur Adamaschek, B. (2001). Der Interkommunale Leistungsvergleich- Eine geeignete Strategie f~r Regionen? Informationen zur Raumentwicklung, Regionen im Wettbewerb, Heft 8, S. 503 - 509. Altvater, E. & Mahnkopf, B. (1996). Grenzen der Globalisierung - 0konomie, 0kologie und Politik in der Weltgesellschaft. Mfinster: Westfalisches Dampfboot. Augustin, S. (2000). Der Stellenwert des Wissensmanagements im Unternehmen. In H. Mandl & G. Reinmann-Rothmeier, Wissensmanagement: Informationszuwachs - Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements. Mfinchen, Wien: Oldenbourg, S. 159 - 168. Bachmann, R. (2000). Die Koordination und Steuerung interorganisationaler Netzwerkbeziehungen fiber Vertrauen und Macht. In J. Sydow & A. Windeler, Steuerung von Netzwerken - Konzepte und Praktiken. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 1 0 7 - 125. Baert, P. (1991). Unintended Consequences: A Typology and Examples. International Sociology, Vol.6, Nr. 2, S. 201 - 210. B~tzing, W., Messerli, P. & Perlik, M. (1995). Regionale Entwicklungstypen- Analyse und Gliederung des schweizerischen Berggebietes. Bundesamt ~ r Industrie, Gewerbe und Arbeit: Bern. Bahn, Ch., Potz, P. & Rudolph, H. (2003). Urbane R e g i m e - M6glichkeiten und Grenzen des Ansatzes. Wissenschaftszentrum Berlin ffir Sozialforschung, Discussion Paper SP II12003-201. Bauer, N. (2003). Industrielle Cluster in Japan - Entstehung, Funktionalit~t und Wandel. Japan Analysen Prognosen, Nr. 189. Mfinchen: Japan-Zentrum der Ludwig-Maximilians-Universit~t und DJW. www.djw.de Behrmann, D. (1999). Wissensmanagement, Weiterbildung und bedeutungsorientiertes L e r n e n Impulse zu einer wissensbasierten und wissensorientierten Professionalisierung beruflichen Handelns. In Projektgruppe wissenschaftliche Beratung (Hrsg.), Organisationslernen durch Wissensmanagement. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Lang, S. 65 - 96. Benz, A. (2004). Governance - Modebegriff oder nfitzliches sozialwirtschaftliches Konzept? In A. Benz, Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 11 - 28. Benz, A. (2004). Multilevel Governance - Governance in Mehrebenensystemen. In A. Benz, Governance- Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 125 - 146. Benz, A. (2003). Regional Governance mit organisatorischem K e r n - Das Beispiel der Region Stuttgart. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region - Regional Governance, Heft 8/9, S. 505 - 512. Benz, A. & Ffirst, D. (2003). R e g i o n - Regional G o v e r n a n c e - Regionalentwicklung. In B. Adamaschek & M. Pr6hl, Regionen erfolgreich steuern, Regional Governance- von der kommunalen zur regionalen Strategie. Gfitersloh: Bertelsmann Stiftung, S. 11 - 66. Benz, A. & Ft~rst, D. (2003). Erfolgsbedingungen f~r Regional Governance. In B. Adamaschek & M. Pr6hl, Regionen erfolgreich steuern, Regional Governance - von der kommunalen zur regionalen Strategie. Gfitersloh: Bertelsmann Stiftung, S. 189 - 211. Benz, A. (2000). Politische Steuerung in lose gekoppelten Mehrebenensystemen. In R. Werle & U. Schimank, Gesellschaftliche Komplexit~t und kollektive Handlungsfahigkeit. Frankfurt am Main: Campus, S. 9 7 - 124. Bergmann, E. & Jakubowski, P. (2002). Strategien der Raumordnung zwischen Kooperation und Wettbewerb. Informationen zur Raumentwicklung, Regionen im Wettbewerb, Heft 8, S. 4 6 5 - 479. Bernet, B. & Bieger, Th. (1999). Finanzierung im Tourismus: Herausforderungen und L6sungsans~tze im Lichte der neuen Finanzbedingungen. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. 291
Bieger, Th. (2004). Tourismuslehre- ein Grundriss. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. Bieger, Th. (2004). SMEs and cooperation. In P. Keller & Th. Bieger, The Future of Small and Medium Sized Enterprises in Tourism. St. Gallen: Edition AIEST, S. 141 - 149. Bieger, Th. & Laesser, Ch. (2004). Neue Organisationsformen und Geschaftsmodelle im Tourismus. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Unternehmertum im Tourismus - Ftihren mit Emeuerungen. Berlin: ESV, S. 6 9 - 90. Bieger, Th. & Laesser, Ch. (2003). Tourismustrends- Eine aktuelle Bestandsaufnahme. In Th. Bieger & Ch. Laesser, Jahrbuch 2002/2003, Schweizerische Tourismuswirtschaft. St. Gallen: Institut ftir Offentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universit~it St. Gallen, S. 13 - 37. Bieger, Th. (2002). Management von Destinationen (Lehr- und Handbuch, 5. Auflage). Mtinchen, Wien: Oldenbourg. Bieger, Th. & R0egg-Sttirm, J. (2002). Net Economy - Die Bedeutung der Gestaltung von Beziehungskonfigurationen. In Th. Bieger, N. Bickoff, R. Caspers, D. zu Knyphausen-AufseB & K. Reding, Zuktinftige Gesch~iftsmodelle- Konzept und Anwendung in der Netz~konomie. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 15 - 33. Bieger, Th. (2001). Perspektiven der Tourismuspolitik in traditionellen alpinen Tourismusl~indemWelche Aufgaben hat der Staat noch? In E. Kreilkamp, H. Pechlaner & A. Steinecke, Gemachter oder gelebter Tourismus? Destinationsmanagement und Tourismuspolitik. Wien: Linde, S. 11 - 40. Bieger, Th. (2000). Lem- und entwicklungsf~ihige Regionen. In A. Thierstein, K. Schedler & Th. Bieger, Die lemende Region - Regionale Entwicklung dutch Bildung. Chur, Ztirich: Rtiegger, S. 1 - 8. Bieger, Th. (2000). Dienstleismngsmanagement: Einftihrung in Strategien und Prozesse bei pers6nlichen Dienstleistungen (2. tiberarbeitete und erggnzte Auflage). Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. Bieger, Th. (1999). Destinationsmanagement dank Finanzierung- Finanzierung dank Destinationsmanagement. In H. Pechlaner & K. Weiermair, Destinationsmanagement- Fiahrung und Vermarktung von touristischen Zielgebieten. Wien: Linde, S. 91 - 117.
-
Bieger, Th. & Weibel, C. (1998). M6glichkeiten und Grenzen des kooperativen Tourismusmarketings Schaffung von Tourismussystemen als Strategien gegen destinations~ihnliche Konkurrenzprodukte. In P. Keller, Destination Marketing - Scopes and Limitations. St. Gallen: Edition AIEST, S. 167 200. Bleicher, K. (1991). Kooperation als Teil des organisatorischen Harmonisationsprozesses. In R. Wunderer, Kooperation: Gestaltungsprinzipien und Steuerung der Zusammenarbeit zwischen Organisationseinheiten. Stuttgart: Poeschel, S. 143- 157. Bochert, R. (2001). Tourismus in der Marktwirtschaft- Ordnungspolitik der Tourismusm~irkte (Lehrund Handbuch, 1. Auflage). Mtinchen, Wien: Oldenbourg. Bortz, J. (1993). Statistik Nr Sozialwissenschaftler (4. tiberarbeitete Auflage). Berlin, Heidelberg: Springer. B6ttcher, R. (1996). Global Network Management: Context, Decision-Making, Coordination. Wiesbaden: Gabler.
Botzem, S. (2002). Govemance-Ans~itze in der Steuerungsdiskussion- Steuerung und Selbstregulierung unter den Bedingungen der fortschreitenden Intemationalisiemng. Wissenschaftszentrum Berlin fiir Sozialforschung, Discussion Paper. Boustedt, O. (1975). GrundriB der empirischen Regionalforschung- Tell I: Raumstrukturen. Hannover: Hermann Schroedel Verlag. Bratl, H. & Trippl, M. (2001). Systemische Entwicklung regionaler Wirtschaften. Oberprtifung der Leistungsf~ihigkeit der Neueren Systemtheorie am Beispiel der Industrieregion Obersteiermark. Institut far Regionale Innovationen GmbH (Hrsg.), Studie im Auftrag des Bundeskanzleramtes, Wien. 292
Braun, D. (2003). Transintentionalit~it und Ordnung. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen- Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 351 - 366. Braun, D. (2000). Politische Gesellschaftssteuerung zwischen System und Akteur. In S. Lange & D. Braun, Politische Steuerung zwischen System und Akteur- Eine Einfiihrung. Opladen: Leske und Budrich, S. 9 9 - 176. Brussig, M., B6hm-Ott, S., Drinkuth, A., Kinkel, S., Lay, G. & Storch, K. (2001). Regionale Netzwerke erfolgreich gestalten und betreiben. Frankfurt am Main: VDMA. Budzinski, O. (1998). Die Theorie der Wirtschaftspolitik aus evolutorischer Sicht. Hannover: Langenhagen. www.wiwi.uni-marburg.de Btiehl, A. & Z6fel, P. (2000). SPSS Version 1 0 - Einftihrung in die moderne Datenanalyse unter Windows (7. Oberarbeitete und erweiterte Auflage). Mtinchen: Addison Wesley. Bu6hoff, H. (1992). Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit- Beitdige zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, Einleitung. Camagni, R. (1993). Inter-Firm Industrial Networks. The Costs and Benefits of Cooperative Behaviour. Journal of Industry Studies, Nr. 1, S. 1 - 15. Canetti, E. (2000). Masse und Macht (26. Auflage). Frankfurt am Main: Fischer. Cansier, D. (1996). Umwelt6konomie (2. neubearbeitete Auflage). Stuttgart: Lucius & Lucius. Converse, J.M. & Presser, S. (1986). Survey Questions. Handcrafting the Standardized Questionnaire. Beverly Hills: Sage. Crozier, M. & Friedberg, E. (1979). Die Zw~inge kollektiven Handelns. Ober Macht und Organisation. K6nigsberg: Athen~ium. Czada, R. & Schimank, U. (2000). Institutionendynamik und politische Institutionengestaltung: Die zwei Gesichter sozialer Ordnungsbildung. In R. Werle & U. Schimank, Gesellschaftliche Komplexit~it und kollektive Handlungsf'~ihigkeit. Frankfurt am Main: Campus, S. 23 -43. Danielzyk, R. & Rietzel, R. (2003). Regionalplanung als Motor regionaler Kooperation. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region - Regional Governance, Heft 8/9, S. 505 - 512. Dettmer, H. (2001). Tourismus: Arbeitsbuch for Studium und Praxis, 3. Band: Reiseindustrie. Stuttgart: Sch~iffer-Poeschel. Dill, P. & Ht~gler, G. (1987). Unternehmenskultur und Ftihrung betriebswirtschaftlicher Organisationen - Ansatzpunkte mr ein kulturbewusstes Management. In E. Heinen, Unternehmenskultur- Perspektiven mr Wissenschaft und Praxis. Mtinchen: Oldenbourg. S. 141 - 209. D6ring, A. (1894). Ober Zeit und Raum. http://philosophiebuch.de/doering.htm D6rner, D. (1992). Die Logik des Mif31ingens- Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Druwe, U. & GOrlitz, A. (1992). Politikfeldanalyse als mediale Steuerungsanalyse. In H. Bul3hoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit- Beitr~ige zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, S. 143 - 164. Edgington, D.W. (1996). Flexibility and Corporate Organization in Ch~kyo, Japan: A Study of Five Industries. Regional Development Studies 3, 1996/1997, S. 83 - 108. Eger, T. & Nutzinger, H.G. (1999). Traditionelle Ordnungstheorie, Neue Institutionen6konomik und Evolutorische t)konomik im Vergleich. In D. Cassel, Perspektiven der Systemforschung. Berlin: Duncker & Humblot, S. 11 - 44. Eggert, U. (1997). Konsumententrends. Dtisseldorf: Metropolitan-Verlag. 293
Einig, K. (2003). Positive Koordination in der Regionalplanung: Transaktionskosten des Planentwurfs in Verhandlungssystemen. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum R e g i o n - Regional Governance, Heft 8/9, S. 479- 503. Einig, K., Ffirst, D. & Knieling J. (2003). Aktionsraum Region- Regional Governance, Ein~hrung. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region- Regional Governance, Heft 8/9, S. I XIII. Elias, N. (1996). Was ist Soziologie? (9. Auflage). Weinheim, MUnchen: Juventa. Erlei, M., Leschke, M. & Sauerland D. (1999). Neue Institutionen6konomik. Stuttgart: Sch~fferPoeschel. Esser, H. (1999). Soziologie- Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln. Frankfurt am Main: Campus. Esser, H. (1993). Soziologie- Allgemeine Grundlagen. Frankfurt am Main: Campus. EBer, K., Hillebrand, W., Messner, D. & Meyer-Stamer, J. (2001). Systemische WettbewerbsFahigkeit und Entwicklung. In R.E. Thiel, Neue Ans~tze zur Entwicklungstheorie (2. Auflage). Bonn: DSE/IZEP, S. 147- 163. Etzrodt, Ch. (2003). Sozialwissenschaftliche Handlungstheorien- Eine Einffihrung. Konstanz: UVK. Florida, R. (1995). Toward the Learning Region. Futures, vol. 27, Nr. 5, S. 527- 536.
-
Fontanari, M.L. (2000). Trends und Perspektiven ffir das Destinationsmanagement- Erste empirische Ergebnisse. In M. Fontanari & K. Scherhag, Wettbewerb der Destinationen: Erfahrungen- Konzepte Visionen. Wiesbaden: Gabler, S. 73 - 93.
Frey, M. (2002). Netzwerkmanagement in der Hotelindustrie, Gestaltungsans~tze ~ r Klein- und Mittelunternehmen. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt. Frey, R.L. (2002). Regional Governance zur Selbststeuerung territorialer Subsysteme. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region- Regional Governance, Heft 8/9, S. 451 -462. Freyer, W. (2004). Tourismus-Marketing- Marktorientiertes Management im Mikro- und Makrobereich der Tourismuswirtschaft (4. Oberarbeitete Auflage). Mfinchen, Wien: Oldenbourg. Freyer, W. (2001). Tourismus- Ein~hrung in die Fremdenverkehr~konomie (Lehr- und Handbuch, 7. t~berarbeitete und aktualisierte Auflage). Mt~nchen, Wien: Oldenbourg. Fuchs, M. (2004). Zur Umsetzungsproblematik von Benchmarkingmodellen in Destinationen: Ein theoretischer Ansatz. In Th. Bieger, Ch. Laesser & P. Beritelli, Jahrbuch 2003/2004, Schweizerische Tourismuswirtschaft. St. Gallen: Institut Far Offentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universit~t St. Gallen, S. 27-45. Ffirst, D. (2004). Regional Governance. In A. Benz, Governance- Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 4 5 - 64. Ft~rst, D. (2003). Steuerung auf regionaler Ebene versus Regional Governance. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region- Regional Governance, Heft 8/9, S. 441 -450. Ffirst, D. (2002). Region und Netzwerke - Aktuelle Aspekte zu einem Spannungsverh~iltnis. www.die-bonn.de/zeitschrift/12002/region_und_netzwerke.htm Ft~rst, D. & Knieling, J. (2002). Konsens-Gesellschaft und innovationsorientierte Entwicklung. Neue Modell der Wissensproduktion und -verarbeitung am Beispiel der "Lernenden Region". BMBFF6rderinitiative "Politik, Wissenschaft und Gesellschaft". http://www.sciencepolicystudies.de/dok/expertise-fuerst-knieling.pdf
294
Fiirst, D. (2001). Die "leming region"- Strategisches Konzept oder Artefakt? In H.-F. Eckey & P. Klemmer, Ordnungspolitik als konstruktive Antwort auf wirtschaftspolitische Herausforderungen. Stuttgart: Lucius & Lucius, S. 71 - 90. Ft~rst, D. (2001). Regional governance zwischen Wohlfahrtsstaat und neo-liberaler Marktwirtschaft. www.laum.uni-hannover.de/ilr/publ/onlinepub.html Ftirst, D. (2001). Selbststeuerungsf~ihigkeit der Regionen. http://www.laum.uni-hannover.de/ilr/publ/fuerst/selbsteu.pdf Fiirst, D. (2001). Paradigmatische Steuerung in der Regionalplanung.
http://www.laum.uni-hannover.de/ilr/publ/fuerst/paradigm.pdf Fiirst, D. & Schubert, H. (1998). Regionale Akteursnetzwerke- Zur Rolle von Netzwerken in regionalen Umstrukturierungsprozessen. Raumforschung und Raumordnung, Nr. 5/6, S. 352- 361. Gei61er, H. (1999). Standardisierung und Entstandardisierung von Wissen als Auflage von Wissensmanagement. In Projektgruppe wissenschaftliche Beratung (Hrsg.), Organisationslemen durch Wissensmanagement. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Lang, S. 39 - 63. Genosko, J. (1999). Netzwerke in der Regionalpolitik. Marburg: Schtiren-Verlag. Giddens, A. (1992). Die Konstitution der Gesellschaft - Grundztige einer Theorie der Strukturierung. Frankfurt am Main, New York: Campus. GOrlitz, A. (1995). Politische Steuerung - Ein Studienbuch. Unter Mitarbeit von H.P. Burth und U. Druwe. Opladen: Leske und Budrich. Greipel, P. (1988). Strategie und Kultur- Grundlagen und m6gliche Handlungsfelder kulturbewussten strategischen Managements. Bern, Stuttgart: Haupt. Greshoff, R. (2003). Die Konzeptionalisierung ,,nicht-intendierter Handlungsfolgen" in den Sozialtheorien von Norbert Elias und Friedrich A. v. Hayek im Vergleich. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 108- 137. Greshoff, R., Kneer, G. & Schimank, U. (2003). Die Transintentionalit~it des Sozialen- Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Greshoff, R. (2003). Soziale Transintentionalit~it als Forschungsproblem. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 376- 390. Giinter, U. (1994). Politische Steuerung - Staatliche Intervention aus systemtheoretischer Sicht. Obladen: Leske und Budrich. Gustedt, E. (2000). Nachhaltige Regionalentwicklung durch intermedi~ire Organisationen? Erwartungshaltungen, Hemmnisse und M6glichkeiten, dargestellt vor dem Hintergrund intermedi~irer Organisationen in vier peripheren, touristisch orientierten Regionen. Stuttgart: ibidem-Verlag. Haggett, P. (1965). Locational Analysis in Human Geography. London: Arnold. H~iussermann, H. & Siebel, W. (1993). Gemeinde- und Stadtsoziologie. In H. Korte & B. Sch~ifer, Einftihrung in spezielle Soziologien, Band 4. Obladen: Leske und Budrich, S. 363 - 387. Hair, J., Anderson, E., Tatham, R. & Black, W. (1998). Multivariate Data Analysis (5. Auflage). Upper Saddle River, New Jersey: Prentice-Hall. Hamer, E. (1987). Das mittelst~indische Unternehmen- Eigenart, Bedeutung, Risiken und Chancen. Stuttgart: Poller.
295
Hayek, F.A. (1945). The Use of Knowledge in Society. American Economic Review, Nr. 4, S. 5 1 9 530. Heiland, I. (1968). Der Begriff Region. Notwendige Oberlegungen beim Aufbau eines Fachthesaurus. Informationen, Institut fOr Raumordnung, S. 657 - 676. Held, M. & Nutzinger H.G. (1999). Institutionen pdigen Menschen- Menschen pdigen Institutionen. In M. Held & H.G. Nutzinger, Institutionen pdigen M e n s c h e n - Bausteine einer allgemeinen Institutionen6konomik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 7 - 29. Heiderich, R. & Rohr, G. (1999). Wertewandel: Aufbruch ins Chaos oder neue Wege? MOnchen: Olzog. Heinelt, H. (2004). Governance auf lokaler Ebene. In A. Benz, Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 2 9 - 44. Heintel, M. (2001). Mainstream-Regionalentwicklung. Landnutzung und Landentwicklung 42, Heft Nr. 5, S. 193 - 200. Hejl, P.M. (1992). Politik, Pluralismus und gesellschaftliche Selbstregelung. In H. Bu6hoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit- Beitdige zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, S. 107 - 142. Henckel, D. (2004). Raumzeitpolitik- EinfOhrende Oberlegungen. R a u m Konferenz fOr Planerinnen und Planer NRW. Dortmund: ILS, S. 1 4 - 25. Herdin, Th. & Luger, H. (2001). Der eroberte H o r i z o n t Kommunikation. Aus Politik und Zeitgeschichte, B 47, S. 6 - 19.
Z e i t - Planung, 9.
Tourismus und interkulturelle
Hessinger, P. (2001). Vernetzte Wirtschaft und 6konomische Entwicklung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Hinterhuber, H.H., Pechlaner, H., Kaiser, M.-O. & Matzler, K. (2004). Kundenmanagement als Erfolgsfaktor- Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin: ESV. Hinterhuber, H.H. & Raich, M. (2004). Strategie und Ft~hrungsverantwortung im Tourismus. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Unternehmertum im Tourismus - Fiihren mit Erneuerungen. Berlin: ESV, S. 91 - 103. Hinterhuber, H.H. & Pechlaner, H. (1999). Verbundsysteme von Tourismusorganisationen und Destinationen - Hypothesen fOr einen konzeptionellen Ansatz. In H. Pechlaner & K. Weiermair, Destinationsmanagement - Fi~hrung und Vermarktung von touristischen Zielgebieten. Wien: Linde Verlag, S. 227 - 242. Hinterhuber, H.H. & Krauthammer, E. (1998). Leadership - mehr als Management (2. Auflage). Wiesbaden: Gabler. Hinterhuber, H.H. (1996). Strategische Unternehmensfohrung (Band 1, 6. Auflage). Berlin, New York: de Gruyter. ISO Institut zur Erforschung sozialer Chancen (2004). Forschungsleitlinien des Forschungsschwerpunktes III, Organisation und Okologie. Job, H., Metzler, D., Mi~ller, M. & Mayer, M. (2004). The contribution of small and medium tourism enterprises to regional economic development - a comparison between two German national park regions. In P. Keller & Th. Bieger, The Future of Small and Medium Sized Enterprises in Tourism. St. Gallen: Edition AIEST, S. 55 - 75. Jones, C., Hesterly, W. & Borgatti, S. (1997). A general theory of network governance: Exchange conditions and social mechanisms. Academy of Management Review 22, S. 911 - 945.
296
Kahlenborn, W., Kraack, M. & Carius, A. (1999). Tourismus- und Umweltpolitik- Ein politisches Spannungsfeld. Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hong Kong, London, Mailand, Paris. Singapur, Tokio: Springer. Kant, I. (1887). Kritik der reinen Vernunfl. Die transzendentale Asthetik, S. 37 - 58. http ://12koerbe.de/phosphoros/kant.htm Kappelhoff, P. (2000). Der Netzwerkansatz als konzeptueller Rahmen fiir eine Yheorie interorganisationaler Netzwerke. In J. Sydow & A. Windeler, Steuerung von Netzwerken- Konzepte und Praktiken. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 25 - 57. Kaspar, C. (1991). Die Tourismuslehre im Grundriss (4. Auflage). Bern, Stuttgart: Haupt. Keller, P. (2005). Entstehung von Innovationen im Bereich des Tourismus: Sind f6rdernde tourismuspolitische Impulse notwendig? In H. Pechlaner, P. Tschurtschenthaler, M. Peters, B. Pikkemaat & M. Fuchs, Erfolg durch Innovation - Perspektiven f'tir den Tourismus- und Dienstleistungssektor. Wiesbaden: Deutscher Universit~its-Verlag, S. 3 9 - 59. Keller, P. (2004). The future of SMEs in tourism. In P. Keller & Yh. Bieger, The Future of Small and Medium Sized Enterprises in Tourism. St. Gallen: Edition AIEST, S. 7 - 2 1 . Keller, P. (2004). Innovation und Tourismus. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M-O. Kaiser, Unternehmertum im Tourismus- Ffihren mit Erneuerungen. Berlin: ESV, S. 203 - 216. Keller, P. (1998). Tourismuspolitik in hochentwickelten Volkswirtschaflen- der schweizerische Weg. Tourismus Journal, 2. Jg., Heft 3, S. 3 5 9 - 368. Kenis, P. & Schneider, V. (1991). Policy Networks and Policy Analysis: Scrutinizing a New Analytical Toolbox. In B. Marin & R. Mayntz, Policy Networks. Frankfurt: Campus, S. 25 - 62. Klawitter, J. (1992). Staatstheorie als Steuerungstheorie? In H. Bul3hoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und SteuerungsF~ihigkeit- Beitr~ige zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos Verlag, S. 193 - 239. Kneer, G. (2003). Die Konzeptualisierung ,,nicht-intendierter Folgen" in der Theorie rationalen Handelns und der Systemtheorie. Ein Vergleich. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 303 -335. Knieling, J. (2003). Kooperative Regionalplanung und Regional Governance: Praxisbeispiele, Theoriebeztige und Perspektiven. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region Regional Governance, Heft 8/9, S. 4 6 3 - 478. Knill, Ch. (2000). Policy-Netzwerke. Analytisches Konzept und Erscheinungsform moderner Politiksteuerung. In J. Weyer, Soziale Netzwerke - Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung. Mtinchen: Oldenbourg, S. 111 - 133. Krafft, A. & Ulrich, G. (1993). Chancen und Risiken regionaler Selbstorganisation. In Das Nieders~ichsische Ministerium f'tir Wirtschafl, Technologie und Verkehr (Hrsg.), Erfahrungen mit der Regionalisierung der Wirtschaflspolitik in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Opladen: Leske und Budrich. Kreilkamp, E. (2001). Zukunftsorientierte Tourismuspolitik in Deutschland- Ergebnisse des 3. Tourismus-Kolloquiums der Deutschen Gesellschafl f'tir Tourismuswissenschaft e.V. In E. Kreilkamp, H. Pechlaner & A. Steinecke, Gemachter oder gelebter Tourismus? Destinationsmanagement und Tourismuspolitik. Wien: Linde, S. 5 7 - 65. Kron, Th. (2003). Transintentionalit~it- Simmel und Goffman im Vergleich. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen- Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 72 - 107.
297
Klawitter, J. (1992). Staatstheorie als Steuerungstheorie? In H. Bu6hoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit- Beitdige zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, S. 193 - 239. Kyrer, A. (2004). Governance im Bereich von Wirtschaft, Politik, Kultur und Bildung. VOWA 24. Wirtschaftsakademikertag, Feldkirch. www.voewa.at Laesser, Ch. (2002). Aufgaben des Destinationsmanagements und Herausforderungen fiir eine zukunftsorientierte Tourismuspolitik. In H. Pechlaner, K. Weiermair & Ch. Laesser, Tourismuspolitik und Destinationsmanagement - Neue Herausforderungen und Konzepte. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt, S. 7 7 - 121. Lammers, E. (2001). Kooperation und Innovation in der Infrastrukturpolitik: Der Lt~ckenschluss der A 31. Informationen zur Raumentwicklung, Regionen im Wettbewerb, Heft 8, S. 511 - 515. Lange, S. (2000). Politische Steuerung als systemtheoretisches Problem. In S. Lange & D. Braun, Politische Steuerung zwischen System und Akteur- Eine Einfiihrung. Opladen: Leske und Budrich, S. 15-97. Lax, D.A. & Sebenius, J.K. (1986). The Manager as Negotiator. Bargaining for Cooperation and Competitive Gain. New York: Free Press. Lechner, O. & Partacini, L. (2002). Innovation- Besonderheit St~dtirol, Bozen. Wirtschaftsforschungsinstitut der Handels-, Industrie- Handwerks- und Landwirtschaftskammer Bozen (Hrsg.). Lindblom, Ch. (1977). Politics and Markets. New York: Basic Books. Luckenbach, H. (2000). Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik (2. t~berarbeitete und erweiterte Auflage). Mfinchen: Vahlen. Luhmann, N. (2002). Einfiihrung in die Systemtheorie - Niklas Luhmann. In D. Baecker (Hrsg.). Heidelberg: Carl-Auer-Systeme. Luhmann, N. (1996). Soziale Systeme. Grundri6 einer allgemeinen Theorie (6. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp. Luhmann, N. (1994). Soziologische Aufkl~irung 4 - Beitdige zur funktionalen Differenzierung der Gesellschaft (2. Auflage). Obladen: Westdeutscher Verlag. Luhmann, N. (1981). Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat. Mt~nchen, Wien: Olzog. Mack, O. (2003). Konfiguration und Koordination yon Unternehmungsnetzwerken- Ein allgemeines Netzwerkmodell. Wiesbaden: Deutscher Universit~ts-Verlag. Maier, G. & T6dtling, F. (2001). Regional- und Stadt6konomik 1. Standorttheorie und Raumstruktur (3. aktualisierte Auflage). Wien, New York: Springer. Malik, F. (2002). Die Neue Corporate Governance, Richtiges Top-Management- Wirksame Unternehmensaufsicht (3. erweiterte Auflage). Frankfurt am Main: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Marshall, T. (2003). Regional Governance in the United Kingdom. Informationen zur Raumentwicklung, Aktionsraum Region- Regional Governance, Heft 8/9, S. 523 - 534. Marz, K. (1867). Das Kapital, 1. Band. Frankfurt am Main, 1972: Verlag Marxistische Bl~itter. Matathia, 1. & Salzmann, M. (1998). Next- Wie sieht die Zukunft aus? MOnchen: Econ. Maturana, H.R. (11982). Die Organisation des Lebendigen: eine Theorie der lebendigen Organisation. In H.R. Maturana, Erkennen: Die Organisation und Verk~rperung von Wirklichkeit. Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg & Sohn, S. 138- 156. Matzler, K. & Pechlaner, H. (1999). Customer Value Management for touristische Destinationen eine kritische Beobachtung. In H. Pechlaner & K. Weiermair, Destinationsmanagement - FOhrung und Vermarktung von touristischen Zielgebieten. Wien: Linde, S. 179 - 208. 298
Matzler, K. & Pechlaner, H. (1999). Kompetenzorientierte Entwicklung von Kundenakquisitionsstrategien Dr touristische Destinationen. In H. Pechlaner & K. Weiermair, DestinationsmanagementFfihrung und Vermarktung von touristischen Zielgebieten. Wien: Linde, S. 137- 157. Mayer, M. (2003). Das Potenzial des Regulationsansatzes ft~r die Analyse st~dtischer Entwicklungen am Beispiel territorialer Anti-Armutspolitik. In U. Brand & W. Raza, Fit ft~r den Postfordismus? Theoretisch-politische Perspektiven des Regulationsansatzes. MOnster: Westf~lisches Dampfboot, S. 265 - 280. Mayer, R.C., Davis, J.H. & Schoorman, F.D. (1995). An integrative model of organizational trust. The Academy of Management Review, 20, Nr. 3, S. 709 - 734. Mayntz, R. (2004). Governance im modemen Staat. In A. Benz, Governance - Regieren in komplexen Regelsystemen. Wiesbaden: VS Verlag, S. 65 - 76. Mayntz, R. (2004). Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie? Max-Planck-lnstitut ft~r Gesellschaftsforschung, Working Paper 04/1. http ://www.mpi-fg-koeln.mpg.de/pu/workpap/wp04-1/wp04-1 .html Mayntz, R. (1997). Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme. In R. Mayntz, Soziale Dynamik und politische Steuerung- Yheoretische und methodologische Oberlegungen. Frankfurt am Main: Campus, S. 186- 208. Mayntz, R. (1997). Politische Steuerung: Aufstieg, Niedergang und Transformation einer Theorie. In R. Mayntz, Soziale Dynamik und politische Steuerung - Theoretische und methodologische Oberlegungen. Frankfurt am Main: Campus, S. 263 - 292. Mayntz, R. (1996). Policy-Netzwerke und die Logik von Verhandlungssystemen. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk - lnstitutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 471 -496. Mayntz, R. & Scharpf, F. (1995). Steuerung und Selbstorganisation in staatsnahen Sektoren. In R. Mayntz & F. Scharpf, Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Frankfurt am Main: Campus, S. 9 - 38. Mayntz, R. & Scharpf, F.W. (1995). Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus. In R. Mayntz & F.W. Scharpf, Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung. Frankfurt am Main: Campus, S. 3 9 - 72. Mayntz, R. (1992). Modernisierung und Logik von interorganisatorischen Netzwerken. Journal ftir Sozialforschung, 32, S. 19- 32. Mayntz, R. (1988). Funktionelle Teilsysteme in der Theorie sozialer Differenzierung. In R. Mayntz (1997), SOziale Dynamik und politische Steuerung - Theoretische und methodologische Uberlegungen. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 38 - 69. Mayntz, R. (1987). Politische Steuerung und gesellschaftliche Steuerungsprobleme. In Th. Ellwein, J.J. Hesse, R. Mayntz & F.W. Scharpf, Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft, Band 1. Baden-Baden: Nomos, S. 8 9 - 110. Merton, R.K. (1936). The unanticipated consequences of purposive social action. American Sociological Review, I, S. 894- 904. Messner, D. (1995). Die Netzwerkgesellschaft- Wirtschaftliche Entwicklung und internationale Wettbewerbsffihigkeit als Probleme gesellschaftlicher Steuerung. K61n: Weltform Verlag. Meyer-Stamer, J. (1999). Strategien lokaler/regionaler Entwicklung: Cluster, Standortpolitik und systemische Wettbewerbsf~higkeit. Projekt Meso-NRW, Institut ftir Entwicklung und Frieden, Universit~t Duisburg und Fundag~op Empreender, Joinville, Brasilien. http://www.cefe.net/forum/j ms-lo.pdf
299
Michel, J. (2004). Der Servicekettenansatz als Grundlage zur Optimierung der touristischen Dienstleitungsqualitgt. In H.H. Hinterhuber, H. Pechlaner, M.-O. Kaiser & K. Matzler, Kundenmanagement als Erfolgsfaktor - Grundlagen des Tourismusmarketing. Berlin: ESV, S. 89 - 102. Mossberger, K. & Stoker, G. (2001). The evolution of urban regime theory: the challenge of conceptualization. Urban Affairs Review, 36/6, S. 810- 835. Mtiller-Stewens, G. & Lechner, Ch. (2001). Strategisches Management- Wie strategische Initiativen zum Wandel fahren (2. Auflage). Stuttgart: Sch~iffer-Poeschel. Mtinch, R. (2003). Soziologische Theorie, Band 2: Handlungstheorie. Frankfurt, New York: Campus. Mfinch, R. (1996). Risikopolitik. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Mfinch, R. (1992). Gesellschaftliche Dynamik und politische Steuerung: Die Kontrolle technischer Risiken. In H. BuBhoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf'~ihigkeit- Beitr~ige zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, S. 81 - 106. Mugler, J. (1993). Betriebswirtschaftslehre der Klein- und Mittelbetriebe. Wien: Springer. Mundt, J. (2001). Einfahrung in den Tourismus (2. erggnzte Auflage). Mfinchen, Wien: Oldenbourg. Nagel, C. (1995). Zur Kultur der Organisation. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Lang. Nischwitz, G., Molitor, R. & Rohne S. (2001). Local und Regional Governance for eine nachhaltige Entwicklung. Sondierungsstudie im Auftrag des Bundesministeriums far Bildung und Forschung. Institut far 6kologische Wirtschaftsforschung, Wuppertal. NOlting, B. (2004). Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus und institutionelle Steuerung. In Querschnittsarbeitsgruppe Steuerung und Transformation im FOrderschwerpunkt Sozial6kologische Forschung des Bundesministeriums far Bildung und Forschung (Hrsg.), Steuerung und Transformation - Uberblick fiber theoretische Konzepte in den Projekten der sozial-6kologischen Forschung, Diskussionspaper 01, S. 17 - 23. Nonaka, I. & Takeuchi, H. (1995). The knowledge-creating company- How Japanese companies create the dynamics of innovation. New York: Oxford University Press. North, D.C. (1992). Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung. Tiibingen: Mohr. Olson, M. (1991). Aufstieg und Niedergang von Nationen - Okonomisches Wachstum, Stagflation und soziale Starrheit (2. durchgesehene Auflage). Tiibingen: Mohr. Osterloh, M. & Weibel, A. (2000). Ressourcensteuerung in Netzwerken: Eine TragOdie der Allmende? tn J. Sydow & A. Windeler, Steuerung von Netzwerken- Konzepte und Praktiken. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 8 8 - 106. Parsons, T. (1980). Zur Theorie der sozialen Interaktionsmedien. Opladen: Westdeutscher Verlag. Pechlaner, H. & Raich, F. (2004). Vom Entrepreneur zum ,,Interpreneur" - die Rolle des Unternehmers im Netzwerk Tourismus. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Unternehmertum im Tourismus- Ffihren mit Erneuerungen. Berlin: ESV, S. 123- 138. Pechlaner, H. & Fischer, E. (2004). Alpine Wellness - Auf dem Weg von der Kemkompetenz zum Produkt. In Th. Bieger, Ch. Laesser & P. Beritelli, Jahrbuch 2003/2004, Schweizerische Tourismuswirtschaft. St. Gallen: Institut far Offentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universit~it St. Gallen, S. 265 - 283. Pechlaner, H. (2003). Tourismus-Destinationen im Wettbewerb. Wiesbaden: Deutscher Universit/itsVerlag.
300
Pechlaner, H. & Tschurtschenthaler, P. (2003). Tourism Policy, Tourism Organisations and Change Management in Alpine Regions and Destinations: A European Perspective. Current Issues in Tourism, vol. 6, no. 6, S. 5 0 8 - 539. Pechlaner, H., Tschurtschenthaler, P. & Trott, v.J. (2002). Distribution durch virtuelle Kooperationeine Chance ffir die Destination Alpen? Tourismus Journal, 6. Jg., Heft 1, S. 5 - 24. Pechlaner, H. & Fuchs, M. (2002). Towards New Skill Requirements for Destination OrganisationsAn Exploratory Study. Tourism Analysis, 7 (1), S. 43 - 53. Pechlaner, H. (2000). Tourismusorganisationen und Destinationen im Verbund- Produktentwicklung, Marktwahrnehmung und Organisationsgestalter als potentielle Konfliktfelder. In M. Fontanari & K. Scherhag, Wettbewerb der Destinationen: Erfahrungen - Konzepte - Visionen. Wiesbaden: Gabler, S. 2 7 - 4 0 . Pechlaner, H. & Weiermair, K. (2000). Die Regionalisierung von Yourismusorganisationen im Spannungsfeld von Know how-Vernetzung und Markterfordernissen. Tourismus Journal, 4. Jg., Heft 3, S. 3 2 9 - 336. Pechlaner, H. (1999). Destinationsmanagement- Grenzen und M6glichkeiten. In R. Mussner, H. Pechlaner & A. SchOnhuber, Destinationsmanagement. Chur, ZiJrich: Ri~egger, S. 9 - 17. Pechlaner, H. (1999). Welche Zukunft f~r eine Destination Alpen? Herausforderungen bei der alpinen l~inder~bergreifenden Kooperation. In M. Fuchs, M. Peters, B. Pikkemaat & E. Reiger, Tourismus in den Alpen - Internationale Beitr/~ge aus Forschung und Praxis. Innsbruck: Studia Universit~itsverlag, S. 123- 139. Pechlaner, H. (1998). Strategisches Management von Destinationen im Alpenraum. In G. Handlbauer, K. Matzler, E. Sauerwein & M. Stumpf, Perspektiven im Strategischen Management. Berlin, New York: de Gruyter, S. 219 - 238. Pechlaner, H. (1996). Die Auswirkungen regional integrierter Tourismusorganisationen und regionaler Produktintegration auf die Tourismusentwicklung und Tourismuspolitik. In K. Weiermair, M. Peters & M. Schipflinger, Alpine Tourism, Sustainability: Reconsidered and Redesidned. Innsbruck: ITD, S. 515-523. Perlik, M. & Messerli, P. (2001). Neuere Ans~itze der Regionalentwicklung und ihre Implementierung in nationalen und internationalen Entwicklungsprogrammen. Geographisches Institut der Universit~it Bern. http://sinus.unibe.ch/wg/Aktuell/perlik_regentw.pdf Peters, M. (2004). Unternehmerspezifisches Wachstumsverhalten im Tourismus. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Unternehmertum im Tourismus - F0hren mit Erneuerungen. Berlin: ESV, S. 2 1 9 - 236. Peters, M. (2001). Wachstum und Internationalisierung - Oberlebenschancen for touristische Kleinund Mittelbetriebe. Wien: Linde. Pfohl, H.C. (1997). Abgrenzung der Klein- und Mittelbetriebe yon Gro6betrieben. In H.C. Pfohl, Betriebswirtschaftslehre der Mittel- und Kleinbetriebe- GrOl3enspezifische Probleme und M6glichkeiten zu ihrer L6sung (3. neubearbeitete Auflage). Berlin: ESV, S. 1 - 25. Pompl, W. (2000). Das Produkt Pauschalreise- Konzept und Elemente. In J.W. Mundt, Reiseveranstaltung (Lehr- und Handbuch, 5. neu bearbeitete und erweiterte Auflage). M~inchen, Wien: Oldenbourg, S. 73 - 113. Pongs, A. (1999). In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? Gesellschaftskonzepte im Vergleich. Berlin: Dilemma-Verlag. Porter, M. (1998). Competitive Advantage- Creating and Sustaining Superior Performance (1 st edition 1985). New York: Free Press.
301
Porter, M. (1998). Competitive Strategy- Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press. Porter, M. (1990). The Competitive Advantage of Nations. New York: Free Press. Powell, W.W. (1996). Weder Markt noch Hierarchie: Netzwerkartige Organisationsformen. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk- Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 213 - 271. Probst, G., Raub, S. & Romhardt, K. (1999). Wissen managen- Wie Untemehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen (3. Auflage). Frankfurt am Main: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Raich, F., Pechlaner, H. & Righi, P. (2004). Mitgliederzufriedenheit in Tourismusorganisationen. In H.H. Hinterhuber, H. Pechlaner, M.-O. Kaiser & K. Matzler, Kundenmanagement als ErfolgsfaktorGrundlagen des Tourismusmarketing. Berlin: ESV, S. 385 -411. Raufer, T. (1999). Koordinationsprobleme politischer Steuerung. Institut fiir Staatswissenschaften, Universit~it der Bundeswehr Miinchen. Neubiberg: IFS. Richardson, H.W. (1971). Economia Regionale. Bologna: Mulino. Romeiss-Stracke, F. (2001). Die Entwicklung der Nachfrage nach Attraktionspunkten, Freizeit- und Erlebniswelten: Am Schnittpunkt von Trends und Gegentrends. In Th. Bieger & Ch. Laesser, Attraktionspunkte - Multioptionale Erlebnisse als Antwort auf sich schnell wandelnde Kundenwtinsche. St. Gallen: IDT-HSG. Roth, Ch. (2003). Regionale Selbstorganisation im Rahmen der Territorialen Besch/iftigungspakete. Occasional Paper Nr. 20, Politische Wirtschaftslehre und Vergleichende Politikfeldanalyse, Institut ftir Politikwissenschaft der Universit~it Ttibingen. Roth, P. (2000). Das Marketing der Reiseveranstalter. In J.W. Mundt, Reiseveranstaltung (Lehr- und Handbuch, 5. neu bearbeitete und erweiterte Auflage). Mtinchen, Wien: Oldenbourg, S. 395 -449. Sauerland, D. (2002). Die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Regionen- Betrachtungen aus Sicht der Neuen Institutionen6konomik. Informationen zur Raumentwicklung, Regionen im Wettbewerb, Heft 8, S. 481 -490. Scharpf, F.W. (2000). Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung. Opladen: Leske und Budrich. Scharpf, F.W. (1996). Positive und negative Koordination in Verhandlungssystemen. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk - Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 4 9 7 - 534. Scharpf, F.W. (1992). Zur Theorie von Verhandlungssystemen. In A. Benz, F.W. Scharpf & R. Zintl, Horizontale Politikverflechtung- Zur Theorie von Verhandlungssystemen. Frankfurt, New York: Campus, S. 11 - 27. Scharpf, F.W. (1992). Koordination durch Verhandlungssysteme. Analytische Konzepte und institutionelle LOsungen. In A. Benz, F.W. Scharpf & R. Zintl, Horizontale Politikverflechtung - Zur Theorie von Verhandlungssystemen. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 51 - 96. Scharpf, F.W. (1989). Politische Steuerung und politische Institutionen. Politische Vierteljahresschrift, 30. Jg., Heft 1, S. 1 0 - 21. Scharpf, F.W. (1988). Verhandlungssysteme, Verteilungskonflikte und Pathologien der politischen Steuerung. In M.G. Schmidt, Staatst~itigkeit - International und historisch vergleichende Analysen, PVS-Sonderheft Nr. 19. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 61 - 87. Scheff, J. (2001). Learning Regions - Regional Networks as an Answer to Global Challenges. Frankfurt am Main: Peter Lang.
302
Scherer, R. (2004). Wie viele Regionen brauchen wir? Oder erleben wir eine Renaissance der Regionalisierung? In IDT Blickpunkte, Universit~it St. Gallen, Nr. 10, S. 1 7 - 18. Schimank, U. (2004). Handeln in Institutionen und handelnde Institutionen. In: F. Jaeger & J. Straub, Handbuch der Kulturwissenschaften. Bd. 2: Paradigmen und Disziplinen. Stuttgart, Weinmar: Metzler, S. 293 - 307. Schimank, U. (2003). Das Wechselspiel von Intentionalit~it und Transintentionalit~it im Institutionalismus und in der Organisationsforschung. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 2 4 6 - 277. Schimank, U. (2003). Transintentionale Weiterungen der Kommunikation tiber Transintentionalit~it. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 440 451. Schimank, U. (2002). Organisationen: Akteurkonstellationen- korporative Akteure- Sozialsysteme. Soziologie der Organisationen, Sonderheft der KOlner Zeitschrift mr Soziologie und Sozialpsychologie, Nr. 42, S. 29 - 54. Schimank, U. (2000). Handeln und Strukturen- Einftihrung in die akteurtheoretische Soziologie. Weinheim, Mtinchen: Juventa. Schimank, U. & Werle, R. (2000). Gesellschaftliche Komplexit~it und kollektive Handlungsf~ihigkeit. In R. Werle & U. Schimank, Gesellschaftliche Komplexit~it und kollektive Handlungsf~ihigkeit. Frankfurt am Main: Campus, S. 9 - 20. Schimank, U. (1992): Determinanten sozialer S t e u e r u n g - akteurtheoretisch betrachtet. Ein Themenkatalog. In H. Bu6hoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeitBeitrage zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, S. 165 - 192. Schl~iger-Zirlik, P. (2003). Der Ansatz der Lernenden Region in der Stadt- und Regionalentwicklung. http :/ /opus. ub. uni-ba yreuth.de/v o ll te xte/2 00 3 / 3 2 / Schneider, U. (1990). Kulturbewusstes Informationsmanagement - Ein organisationstheoretischer Gestaltungsrahmen ftir die Infrastruktur betrieblicher Informationsprozesse. Mtinchen: Oldenbourg. Schneider, V. & Kenis, P. (1996). Verteilte Kontrolle: Institutionelle Steuerung in modernen Gesellschaften. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk - Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 9 - 43. Schneider, W.L. (2003). Intentionalit~it - Transintentionalit~it - Subintentionalit~it in der soziologischen Theorie, oder: Soziologie als Analyse der extraintentionalen Determinanten und Konsequenzen intentionalen Handelns und Erlebens. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit~it des Sozialen - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und moderner Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 4 5 2 - 473. Schnell, R., Hill, P.B., & Esser, E. (1999). Methoden der empirischen Sozialforschung (6. tiberarbeitete und erweiterte Auflage). Mtinchen, Wien: Oldenbourg. Schrey6gg, G. (1989). Zu den problematischen Konsequenzen starker Unternehmenskulturen" Zeitschrift mr betriebswirtschaftliche Forschung, Nr. 2, S. 94 - 113. Schubert, H. (2004). Netzwerkmanagement- Planung und Steuerung von Vernetzung zur Erzeugung raumgebundenen Sozialkapitals. In B. Mtiller, S. L6b & K. Zimmermann, Steuerung und Planung im Wandel. Wiesbaden: VS Verlag, S. 177 - 200. Schtippel, J. (1996). Wissensmanagement- Organisatorisches Lernen im Spannungsfeld von Wissensund Lernbarrieren. Wiesbaden: Dt. Universitatsverlag/Gabler.
303
Schuppert, G.F. (1989). Markt, Staat, Dritter Sektor - oder noch mehr? Sektorspezifische Steuerungsprobleme ausdifferenzierter Staatlichkeit. In Th. Ellwein, J.J. Hesse, R. Mayntz & F.W. Scharpf, Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft. Baden-Baden: Nomos, S. 47 - 88. Schwegler, H. & Roth, G. (1992). Steuerung, Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit komplexer Systeme. In H. BuBhoff, Politische Steuerung. Steuerbarkeit und Steuerungsf~ihigkeit- Beitr/~ge zur Grundlagendiskussion. Baden-Baden: Nomos, S. 11 -49. Schwinn, Th. (2003). Nichtintendierte Folgen als Struktur oder System. Konstruktionsprobleme im Neofunktionalismus und bei Jtirgen Habermas. In R. Greshoff, G. Kneer & U. Schimank, Die Transintentionalit/it des S o z i a l e n - Eine vergleichende Betrachtung klassischer und modemer Sozialtheorien. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 2 7 8 - 302. Shapiro, C. & Varian, H.R. (1999). Information rules - A strategic guide to the network economy. Boston: Harvard Business School Press. Selle, K. (1994). Was ist los mit der Planung los?, Erkundigungen auf dem Weg zum kooperativen Handeln. Dortmunder Beitr/age zur Raumplanung, Bd. 69, Dortmund. Simmel, G. (1900). Philosophie des Geldes (1. Auflage). Berlin: Duncker & Humblot. Simmel, G. (1908). Soziologie - Untersuchungen tiber die Formen der Vergesellschaftung (1. Auflage). Berlin: Duncker & Humblot. Simon, H.A. (1996). Organisationen und Markte. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk- Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 47 - 74. Smeral, E. (2005). Ansatzpunkte ftir eine innovative Tourismuspolitik. In H. Pechlaner, P. Tschurtschenthaler, M. Peters, B. Pikkemaat & M. Fuchs, Erfolg durch Innovation- Perspektiven ftir den Tourismus- und Dienstleistungssektor. Wiesbaden: Deutscher Universit/its-Verlag, S. 23 - 37. Smeral, E. (2004). Wachstumsmaschine Tourismus: Semper et ubique? In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Untemehmertum im Tourismus - Ftihren mit Emeuerungen. Berlin: ESV, S. 3 5 - 5 1 . Smeral, E. (2003). Die Zukunft des intemationalen Tourismus- Entwicklungsperspektiven ftir das 21. Jahrhundert. Wien: Linde. Smeral, E. (2003). Tourismus-Satellitenkonto: Impact Messung am Beispiel Osterreich. In Th. Bieger & Ch. Laesser, Jahrbuch 2002/2003, Schweizerische Tourismuswirtschaft. St. Gallen: Institut fiir Offentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universit~it St. Gallen, S. 67 - 86. Socher, K. & Tschurtschenthaler, P. (2002). Destination Management. Die ordnungspolitische Perspektive und die Rolle flankierender Politikbereiche. In H. Pechlaner, K. Weiermair & Ch. Laesser, Tourismuspolitik und Destinationsmanagement- Neue Herausforderungen und Konzepte. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt, S. 145 - 176. Socher, K. (2001). What are the tasks of the state in providing the framework for tourism? Tourism Review, vol. 56, nr. 1 + 2, S. 5 7 - 60. Socher, K. (2000). Reforming Destination Management Organisations and Financing. Tourist Review, 2, S. 3 9 - 4 4 . Spitzer, H. (1991). Raumnutzungslehre. Stuttgart: Ulmer. Staber, U. (2000). Steuerung von Untemehmensnetzwerken: Organisationstheoretische Perspektiven und soziale Mechanismen. In J. Sydow & A. Windeler, Steuerung von Netzwerken- Konzepte und Praktiken. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 58 - 87. Stahl, K. (1995). Zu Entwicklung und Stand der regional6konomischen Forschung. In B. Gahlen, H. Hesse & H.J. Ramser, Standort und Region - Neue Ans/itze in der Regional6konomik, Band 24. Ttibingen: Mohr, S. 3 - 39. 304
Steinbach, J. (2003). Tourismus- EinfOhrung in das r~iumlich-zeitliche System (Lehr- und Handbuch). Mtinchen: Oldenbourg. Steinle, C., Eggers, B. & Hell, A. (1994). Gestaltungsm6glichkeiten und -grenzen von Unternehmenskulturen. Journal fOr Betriebswirtschaft, Nr. 3-4, S. 129- 148. Stiftung Entwicklung und Frieden (Hrsg., 1995). Nachbarn in Einer Welt. Der Bericht der Kommission far Weltordnungspolitik. Bonn: Dietz-Verlag. Sydow, J. (2003). Management von Netzwerkorganisationen - Zum Stand der Forschung. In J. Sydow, Management von Netzwerkorganisationen - Beitr~ige aus der ,,Managementforschung" (3. Auflage). Wiesbaden: Gabler, Westdeutscher Verlag, S. 293 - 354. Sydow, J. & van Well, B. (2003). Wissensintensiv durch Netzwerkorganisationen- Strukturtheoretische Analyse eines wissensintensiven Netzwerkes. In J. Sydow, Management von Netzwerkorganisationen- Beitr~ige aus der ,,Managementforschung" (3. Auflage). Wiesbaden: Gabler, Westdeutscher Verlag, S. 105 - 150.
-
Sydow, J., Duschek, S., M611ering, G. & Rometsch, M. (2003). Kompetenzentwicklung in Netzwerken Eine typologische Studie. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Sydow, J. & Windeler, A. (2000). Steuerung von und in Netzwerken- Perspektiven, Konzepte und vor allem aber offene Fragen. In J. Sydow & A. Windeler, Steuerung von Netzwerken- Konzepte und Praktiken. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 1 - 24. Sydow, J. & Windeler, A. (1997). Komplexit~it und Reflexivit~it in Unternehmungsnetzwerken. In H.W. Ahlemeyer & R. K6nigswieser, Komplexit~it managen. Wiesbaden: Gabler, S. 147- 162. Sydow, J. & Windeler, A. (1994). Ober Netzwerke, virtuelle Integration und Interorganisationsbeziehungen. In J. Sydow & A. Windeler, Management interorganisationaler Beziehungen. Vertrauen, Kontrolle und Informationstechnik. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 1 - 21. Sydow, J. (1992). Strategische Netzwerke und Transaktionskosten. In W. Staehle & P. Conrad, Managementforschung 2. Berlin: de Gruyter, S. 239 - 311. Teubner, G. (1996). Die vielk6pfige Hydra: Netzwerke als kollektive Akteure h/Sherer Ordnung. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk - Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 535 - 561. Thiem, M. (1994). Tourismus und kulturelle Identit~it. Aus Politik und Zeitgeschichte, B47, S. 27 - 31. http://www.bpb.de/pub•ikati•nen/EJTI3K•••••T•urismus-und-ku•ture••e-Identit%E4t.htm• Thierstein, A. & Wilhelm, B. (2000). Hochschulen als Impulsgeber for die regionale Entwicklung. In A. Thierstein, K. Schedler & Th. Bieger, Die lernende R e g i o n - Regionale Entwicklung durch Bildung. Chur, Ztirich: Rtiegger, S. 9 - 35. Thierstein, A. & Egger, U.K. (1994). Integrale Regionspolitik- Ein prozessorientiertes Konzept for die Schweiz. Chur, Ztirich: Rtiegger. Thompson, J.D. (2002). L'azione organizzativa (Tit. orig.: Organizations in action) (Hrsg. und Einleitung B. Maggi). Torino" ISEDI. Thorelli, H.B. (1986). Networks: Between Markets and Hierarchies. Strategic Management Journal, vol. 7, S. 3 7 - 51. Tschurtschenthaler, P. (2004). Unternehmerische Aus- und Weiterbildung im Tourismus. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Unternehmertum im Tourismus- Ftihren mit Erneuerungen. Berlin: ESV, S. 105 - 122. Tschurtschenthaler, P., Pechlaner, H. & Weiermair, K. (2001). Qualifikationsdefizite in Tourismusorganisationen und tourismuspolitische Implikationen. In E. Kreilkamp, H. Pechlaner & A. Steinecke, Gemachter oder gelebter Tourismus? Destinationsmanagement und Tourismuspolitik. Wien: Linde, S. 117 - 139. 305
Tschurtschenthaler, P. (1999). Destination Management/Marketing als (vorl~iufiger) Endpunkt der vergangenen Jahre im alpinen Tourismus. In H. Pechlaner & K. Weiermair, Destinationsmanagement - Ftihrung und Vermarktung von touristischen Zielgebieten. Wien: Linde, S. 7 - 35. Tschurtschenthaler, P. (1996). Die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus- Voraussetzungen und Wettbewerbskonsequenzen. In K. Weiermair, M. Peters & M. Schipflinger, Alpine Tourism: Sustainability- Reconsidered and Redesigned (IST Series: Studies in Tourism and Service Industry, Series 3: Tourism Development), Innsbruck: ITD (Eigenverlag), S. 5 4 - 79. Ullmann, S. (2000). Strategischer Wandel im Tourismus. Wiesbaden: Deutscher-Universit~itsverlag. Ullmann, S. (2000). Netzwerk als Chance im Verdr~ingungswettbewerb. In M. Fontanari & K. Scherhag, Wettbewerb der Destinationen: Erfahrungen - Konzepte - Visionen. Wiesbaden: Gabler, S. 41 - 5 6 . Varian, H.R. (1995). Grundztige der Mikro/3konomik (3. Auflage). M~inchen, Wien: Oldenbourg. Wagner, P. (1995). Soziologie der Moderne. Frankfurt: Campus. Walch, S. (1999). Tourismusmanagement im Spannungsfeld wirtschaftlicher Effizienz und gesellschaftlicher Legitimation. In H. Pechlaner & K. Weiermair, Destinationsmanagement - Fiahrung und Vermarktung von touristischen Zielgebieten. Wien: Linde, S. 65 - 77. Walser, M. & Scherer, R. (2002). Worte statt Konzepte - Nichts geht mehr ohne Regional Governance. In IDT Blickpunkte, Universit~it St. Gallen, Nr. 7, S. 16. Weber, M. (1980). Wirtschaft und Gesellschaft (5. rev. Auflage). Ttibingen: Mohr. Wegener, M. (2004). Beschleunigung, Erreichbarkeit und Raumgerechtigkeit. R a u m - Z e i t - Planung, 9. Konferenz fOr Planerinnen und Planer NRW. Dortmund: ILS, S. 26 - 34. Weiermair, K. (2004). Neue Rahmenbedingungen der Individualhotellerie und Gastronomie des 21. Jahrhunderts. In K. Weiermair, M. Peters, H. Pechlaner & M.-O. Kaiser, Untemehmertum im Tourismus - Ftihren mit Erneuerungen. Berlin: ESV, S. 7 - 18. Weiermair, K. (2004). Design und Qualit~it im Tourismus. In K. Weiermair & B. Pikkemaat, Qualit~itszeichen im Tourismus- Vermarktung und Wahrnehmung von Leistungen. Berlin: ESV, S. 171 - 180. Weiermair, K. (2003). Touristische Attraktionen im Spannungsfeld zwischen globalem Anspruch und regionaler Authentizit~it. In Th. Bieger & Ch. Laesser, Attraktionspunkte - Multioptionale Erlebniswelten fOr wettbewerbsf~ihige Standorte. Bern: Haupt, S. 91 - 112. Weiermair, K. (2002). Aufgaben der Tourismuspolitik im Rahmen eines zukunftsorientierten Destinationsmanagements. In H. Pechlaner, K. Weiermair & Ch. Laesser, Tourismuspolitik und Destinationsmanagement- Neue Herausforderungen und Konzepte. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt, S. 53-75. Weiermair, K. & Pechlaner, H. (2001). Management von Kulturtourismus im Spannungsfeld von Markt- und Ressourcenorientierung. In Th. Bieger, H. Pechlaner & A. Steinecke, Erfolgskonzepte im Tourismus: Marken- Kultur- Neue Gesch~iftsmodelle. Wien: Linde, S. 91 - 123. Wemer, A. (1999). Zukunftsf~ihige Regionalentwicklung- Einordnung, Schwerpunkte und Rahmenbedingungen, www.barkhof.uni-bremen.de Weyer, J. (1993). System und Akteur. Zum Nutzen zweier soziologischer Paradigmen bei der Erkl~irung erfolgreichen Scheiterns. K61ner Zeitschrift fOr Soziologie und Sozialpsychologie, 45, S. 1 - 22. Whittlesey, D. (1954). The Regional Concept and the Regional Method. In P.E. James & C.F. Jones (eds.), American Geography - Inventory and Prospect. New York: Syracuse, S. 19 - 68.
306
Wiesenthal, H. (2000). Markt, Organisation und Gemeinschaft als ,,zweitbeste" Verfahren sozialer Koordination. In R. Werle & U. Schimank, Gesellschaftliche Komplexit~it und koUektive Handlungsf~ihigkeit. Frankfurt am Main: Campus, S. 4 4 - 73. Wildemann, H. (1996). Entsorgungsnetzwerke. In K. Bellmann & A. Hippe, Management von Unternehmungsnetzwerken- Interorganisationale Konzepte und praktische Umsetzung. Wiesbaden: Gabler, S. 305 - 348. Williamson, O.E. (1996). Vergleichende 6konomischer Organisationstheorie: Die Analyse diskreter Strukturalternativen. In P. Kenis & V. Schneider, Organisation und Netzwerk - Institutionelle Steuerung in Wirtschaft und Politik. Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 167 - 212. Williamson, O.E. (1979). Transaction-Cost Economics: The Governance of Contractual Relations. Journal of Law and Economics, Nr. 22, S. 233 - 261. Willke, H. (2001). Systemtheorie III: Steuerungstheorie - Grundztige einer Theorie der Steuerung komplexer Sozialsysteme (3. Auflage). Stuttgart: Lucius & Lucius. Willke, H. (1994). Systemtheorie II: Interventionstheorie- Grundztige einer Theorie der Intervention in komplexe Systeme. Stuttgart: Fischer. Willke, H. (1991). Systemtheorie- Eine Einftihrung in die Grundprobleme der Theorie sozialer Systeme (3. tiberarbeitete Auflage). Stuttgart, New York: Fischer. Willke, H. (1983). Entzauberung des Staates - Oberlegungen zu einer sozietalen Steuerungstheorie. K6nigstein/Ts.: Athen~ium. Windeler, A. (2001). Unternehmungsnetzwerke - Konstitution und Strukturation. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Wippler, R. & Lindenberg, S. (1987). Collective Phenomena and Rational Choice. In J. Alexandet, B. Giesen, R. Mtinch & N. Smelser, The Micro-Macro Link. Los Angeles, London: Berkeley, S. 135 152. Wissen, M. (2004). Der Regulationsansatz. In Querschnittsarbeitsgruppe Steuerung und Transformation im F6rderschwerpunkt Sozial-6kologische Forschung des Bundesministeriums ftir Bildung und Forschung (Hrsg.), Steuerung und Transformation - Oberblick tiber theoretische Konzepte in den Projekten der sozial-6kologischen Forschung, Diskussionspaper 01, S. 41 - 47. Witt, U. (2001). Max-Planck-Institut zur Erforschung von Wirtschaftssystemen, Jahrbuch 2001. www.mpiew-jena.mpg.de Wittlesey, D. (1954). The Regional Concept and the Regional Method. In: P.E. James & L.R. Jones, American Geography: Inventory and Prospect. Syracuse: Syracuse Univ. Press, S. 1 9 - 69. Wollnik, M. (1991). Das Verh~iltnis von Organisationsstruktur und Organisationskultur. In E. Dtilfer, Organisationskultur: Ph~inomen - Philosophie - Technologie (2. erw. Auflage). Stuttgart: Poeschel, S. 6 5 - 9 2 . World Tourism Organization (1993). Sustainable Tourism Development, Guide for local Planers. Madrid: WTO. Zintl, R. (1992). Kooperation und Aufteilung des Kooperationsgewinns bei horizontaler Politikverflechtung. In A. Benz, F.W. Scharpf & R. Zintl, Horizontale Politikverflechtung - Zur Theorie von Verhandlungssystemen. Frankfurt, New York: Campus, S. 9 7 - 146. Zintl, R. (1989). Der Homo Oeconomicus - Ausnahmeerscheinung in jeder Situation oder Jedermann in Ausnahmesituationen. In: Analyse und Kritik, Nr. 11, S. 52 - 6 9 .
307