Lothar Fendrich (Hrsg.) Handbuch Eisenbahninfrastruktur
Lothar Fendrich (Hrsg.)
Handbuch Eisenbahninfrastruktur mit ...
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Lothar Fendrich (Hrsg.) Handbuch Eisenbahninfrastruktur
Lothar Fendrich (Hrsg.)
Handbuch Eisenbahninfrastruktur mit 900 Abbildungen
13
Professor Dr.-Ing. Lothar Fendrich (Hrsg.) SPITZKE AG Märkische Allee 39/41 14979 Großbeeren
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
isbn-10 3-540-29581-X Berlin Heidelberg New York isbn-13 978-3-540-29581-5 Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. din, vdi, vde) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Umschlaggestaltung: medionet AG, Berlin Satz: medionet AG, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
68/3020/m
-543210
Préface d’un Collègue et Ami (Übersetzung aus dem Französischen durch den Herausgeber)
Le chemin de fer, conçu il y a deux siècles pour le transport de masse des personnes et des marchandises est certainement promis à un bel avenir de développement compte tenu de la croissance de l’urbanisation et de la mondialisation des échanges. Ce développement porte sur trois axes: – entre agglomérations (la grande vitesse) – autour et dans les agglomérations (RER et métros) – entre les centres logistiques marchandises. Cette mutation, à la fois stratégique, technologique et économique se manifeste clairement depuis une trentaine d’années: c’est un véritable renouveau du chemin de fer. Ainsi, la transition lente mais certaine, entre le chemin de fer traditionnel et celui qui est développé aujourd’hui ne fait que s’accélérer car elle est basée sur une vision à long terme, guidée et soutenue, non seulement par l’Union Européenne mais par tous les pays émergeants. La voie est donc tracée afin que le chemin de fer reprenne une place significative dans la répartition modale des voyageurs et du fret, constituant ainsi un véritable moteur de l’économie. Cet ouvrage multi auteurs, faisant le point sur l’état de l’art et des techniques ferroviaires modernes pour l’infrastructure, est une contribution très importante aussi bien pour la formation que pour l’ingénierie ferroviaire. Je félicite mon Collègue et Ami, Prof. Dr.-Ing. Lothar Fendrich, ainsi que tous les auteurs pour cet important travail qui contribuera aux objectifs de mobilité durable des sociétés modernes.
Geleitwort eines Kollegen und Freundes Die Eisenbahn wurde vor zwei Jahrhunderten für den Massentransport von Personen und Gütern konzipiert. Angesichts des Wachstums der urbanen Strukturen und der Globalisierung des Warenaustausches hat sie ohne jeglichen Zweifel noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Die Entwicklung weist in drei Richtungen, nämlich – Hochgeschwindigkeit zwischen den großen Ballungsgebieten, – Nahverkehrssysteme um und in Ballungsgebieten, – Güterverkehrsverbindungen zwischen den Logistikzentren. Dieser sowohl technologische und ökonomische als auch strategische Wandel zeichnet sich klar seit etwa dreißig Jahren ab und führt zu einer ganz neuen Eisenbahn. Der allmähliche, aber nachhaltige Übergang von der traditionellen Eisenbahn zu dem heutigen Entwicklungsstand wird geleitet und beschleunigt durch eine langfristige Vision, die nicht nur von der Europäischen Union, sondern von allen aufstre-
VI
Geleitwort
benden Ländern getragen wird. Der Weg ist also vorgezeichnet, durch den die Eisenbahn wieder einen bedeutenden Anteil am Güter- und Personenverkehr gewinnen und somit einen echten Motor der Volkswirtschaften darstellen kann. Das vorliegende Gemeinschaftswerk vieler Autoren, das den neuesten Stand moderner Eisenbahninfrastruktur umfassend darstellt, ist ein sehr wichtiger Beitrag sowohl für die Ingenieuraus- und -weiterbildung als auch für die Anwendung im Eisenbahningenieurwesen. Ich beglückwünsche meinen Kollegen und Freund Prof. Dr.-Ing. Lothar Fendrich sowie alle Autoren zu diesem gewichtigen Werk, das den Zielen einer nachhaltigen Mobilität unserer modernen Gesellschaft dient. Lausanne, Septembre 2006
Prof. Dr.-Ing. Robert E. Rivier École Polytechnique Fédérale de Lausanne – EPFL Directeur du Laboratoire d’Intermodalité des Transports et de Planification – LITEP
Vorwort
Mit diesem Handbuch wird eine fachübergreifende Darstellung der wesentlichen geltenden Parameter für Bau, Ausbau sowie Instandhaltung und Betrieb von Eisenbahninfrastruktur vorgelegt. Dies entspricht dem dringenden Bedarf nach einem umfassenden, detailreichen und praxisgerechten Nachschlagewerk neueren Datums für Ingenieure der verschiedenen Fachrichtungen im Bereich der Eisenbahninfrastruktur. Das 1961 von Prof. Dr.-Ing. Ewald Graßmann, Berlin, herausgegebene Handbuch des Eisenbahn-Bauwesens erfüllt heutige Anforderungen nicht mehr. In der Zwischenzeit ist eine Fülle von Fachbüchern erschienen, die sich jeweils nur einem Bereich des Eisenbahnwesens widmen. Das aktuelle Werk wendet sich an den praktisch tätigen und planenden Ingenieur und auch an Studierende. Es will die technischen und operativen Grundlagen und Zusammenhänge der Eisenbahninfrastruktur in Maß und Zahl darstellen. Der Nutzer soll nicht durch ausufernde Prosatexte ermüdet werden, sondern durch eine knappe, aber fakten- und detailreiche Darstellung einen schnellen Zugriff auf das gesuchte Wissensgebiet respektive auf die nachzuschlagenden Einzelheiten erhalten. Zugleich sollen die Komplexität und die Verzahnung der Ingenieurdisziplinen der Eisenbahninfrastruktur vermittelt werden, wobei theoretische Grundlagen mit praktischen Erfahrungen verbunden werden. Im Einzelnen werden anerkannte Verfahren und Berechnungen sowie ein umfangreiches Datenwerk mit Bildern, Zahlen, Tabellen und Diagrammen, nach denen man heute unter Zeitdruck meist vergeblich in den verschiedensten Einzelpublikationen sucht, an die Hand gegeben. Der in der Regel in seinem engeren Fachgebiet kundige Leser soll über dieses hinaus gerade in den Kapiteln der anderen Gewerke der Eisenbahninfrastruktur auf umfassende Darstellungen zurückgreifen können, die ihm fundierten Erkenntniszugewinn für seine Arbeit an den vielfältigen Schnittstellen bieten. Insofern ist das Werk auch für Studierende gedacht, die sich mit den Besonderheiten des Systems Schiene vertraut machen wollen. Inhaltlich orientiert es sich an den „Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI)“, welche die Teilsysteme Infrastruktur, Energieversorgung, Zugsteuerung–Zugsicherung–Signalgebung, Fahrzeuge, Instandhaltung, Betrieb, Umwelt und Fahrgäste ausweist. Bereits in der Gliederung kommt das Grundanliegen zum Ausdruck: die Darstellung der für das System Schiene und damit auch für die Eisenbahninfrastruktur charakteristischen Verbundwirkungen und technischen Integrationen. Im Gliederungs- und auch inhaltlichen Mittelpunkt steht die Interaktion Rad/ Schiene respektive Fahrzeug/Gleis, um die sich die systemischen Wechselwirkungen Pantograph/Oberleitung und Fahrzeug/Trassierung mit Lichtraum sowie Eisenbahninfrastruktur insgesamt/Umfeld-Umwelt gruppieren.
VIII
Vorwort
Darüber hinaus wurde Wert darauf gelegt, auch Fachgebiete angemessen darzustellen, die nicht immer im unmittelbaren Blickfeld des Interesses an Eisenbahninfrastruktur stehen, wie die Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur, das Lernen aus Schadensfällen des Baugrundes, Kabelanlagen, Funktionale Sicherheit fester Anlagen, Anforderungen an die eisenbahnbetriebliche Kommunikation. Als Autoren konnten 31 anerkannte Fachleute aus Deutschland und Österreich gewonnen werden. Naturgemäß ergeben sich durch die Vielzahl der Autoren aus den verschiedenen Fachgebieten unterschiedliche Sicht- und Darstellungsweisen. Es ist mir wichtig festzustellen, dass die Individualität der jeweiligen Autoren nicht eingeengt wurde, sondern im Gegenteil die inhaltlichen Schwerpunkte, die die Autoren gesetzt haben, deutlich blieben. Bei der Bearbeitung der einzelnen Kapitel wurde den Autoren auch deshalb große individuelle Gestaltungsfreiheit eingeräumt, um eine lehrbuchhafte Attitude zu vermeiden und stattdessen dem jeweiligen individuellen Erfahrungs- und Erkenntnisschatz des Bearbeiters Vorrang zu geben. An erster Stelle gilt mein herzlichster Dank allen Autoren, die sich von Anfang an bereitwillig, ja enthusiastisch für dieses Gemeinschaftswerk engagiert haben und auch in der terminengen Schlussphase nicht nachließen. Mein Dank gilt Herrn Dipl.-Ing. Thomas Lehnert vom Springer-Verlag, der den Anstoß zu diesem Handbuch gab und sein Werden umsichtig begleitete und förderte. Ein besonderer Dank gebührt Frau Sigrid Cuneus von der Redaktion Technik des Springer-Verlages, die die Herausforderungen von Autorenvielfalt und Detailteufeln vorbildlich gemeistert hat. Möge dieses Handbuch Eisenbahninfrastruktur viele Leser und Nutzer finden, und zwar nicht nur in den deutschsprachigen DACH-Staaten, sondern insbesondere auch in den neuen und künftigen Mitgliedsländern der Europäischen Union. Berlin, im September 2006
Lothar Fendrich
Inhalt
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI 1
Trassierung und Gleisplangestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Manfred Weigend 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3
Längsneigung der Eisenbahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längsneigung der Streckengleise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längsneigung in Bahnhöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausrundungen in der Längsneigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3 3
1.2 1.2.1 1.2.2
Allgemeine Regeln der Linienführung im Grundriss . . . . . . . . Grundregel für durchgehende Hauptgleise. . . . . . . . . . . . . . . . Grundregel für die übrigen Haupt- und Nebengleise . . . . . . . . . .
4 4 5
1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7
Elemente der Linienführung im Kreisbogen . . . . . . . . . . . . . Radius, Überhöhung und Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Größe der Überhöhung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Überhöhungsfehlbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Regelüberhöhung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl der Bogenradien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längen der Kreisbögen und Geraden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleisverziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 5 7 8 10 10 11 11
1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3
Übergangsbogen und Überhöhungsrampe . . . . . . . . . . . . . Die Klothoide mit gerader Überhöhungsrampe . . . . . . . . . . . . . Übergangsbogen- und Rampenlänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Übergangsbogen mit geschwungener Rampe. . . . . . . . . . . .
12 12 15 16
1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3
Der Bogen ohne Übergangsbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krümmungswechsel und Vergleichsradius. . . . . . . . . . . . . . . . Längen der Zwischengeraden oder Zwischenbögen . . . . . . . . . . Gegenbogen mit kleinen Radien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 18 20 21
1.6 1.6.1 1.6.2
Entwurf der Spurpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Wahl und Anordnung der Weichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Die Weiche als Spurplanelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3
Optimierung vorhandener Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßnahmen zur Fahrzeitverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linienkorrekturen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz von Neigetechnikfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 31 31 32 34
X
2
Inhalt
Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
Walter Mittmann 2.1
Fahrzeugbegrenzung und Lichtraumprofil . . . . . . . . . . . . . .
43
2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5
Elemente des Streckenquerschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lichter Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleisabstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fahrbahnbreite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstand fester Anlagen von Gleismitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lichte Weite und Höhe unter Überführungsbauwerken . . . . . . . .
46 46 50 53 55 57
2.3 2.3.1 2.3.2
Streckenquerschnitt der freien Strecke . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Streckenquerschnitt auf Erdkörpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Streckenquerschnitt auf Brücken und in Tunneln . . . . . . . . . . . . 58
2.4
Abstände in Gleisanlagen mit Arbeitsstätten und Verkehrswegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
2.5
Parallelführung von Schienenweg und Straße . . . . . . . . . . .
63
2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4
Bahnsteiganlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze für die Konzeption und Gestaltung . . . . . . . . . . . . . Abmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konstruktionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64 64 66 69 69
3
Eisenbahndämme und Einschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
Horst Rahn 3.1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2
Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geologische, hydrologische Situation, Einfluss aus der Verwitterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umweltschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufschluss des Baugrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baugrundgutachten/geotechnischer Bericht . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3
Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund . . . . . Oberbodenabtrag und Untergrundplanum . . . . . . . . . . . . . . . Dammaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aushub tiefer Baugruben mit Unterwasserbaggerung/ Saugwirkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund . Allgemeine Grundlagen bei der Bewertung der Bahndämme auf wenig tragfähigem Baugrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entstehung der Moore und die bautechnische Nutzung in ihrer Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten der Erkundung und Baugrundbeurteilung . . . . . .
75 77 79 82 86 88 89 91 93 142 145 145 146 149
Inhalt
3.4.4
XI
3.4.5 3.4.6
Überschütten von Moorflächen mit einer Arbeitsund Filterschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Analyse der Schäden schwimmend gegründeter Bahndämme. . . . . 156 Wahl der Sanierungs- und Ertüchtigungsmethode bei Arbeiten an in Betrieb befindlichen Bahndämmen auf weichem Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
4
Ingenieurbauwerke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Manfred Curbach, Dirk Jesse
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6
Eisenbahnbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Zur Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Regelwerk für die Planung von Eisenbahnbrücken . . . . . . . . . . . 217 Neubau von Bahnbrücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Instandhaltung und Instandsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5
Eisenbahntunnel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Zur Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Regelwerk der DB AG für die Planung von Eisenbahntunneln . . . . 238 Tunnelbauverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
5
Beanspruchung von Gleisen und Weichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Johannes Franz
5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.1.6 5.1.7 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6
Verkehrslasten auf Gleisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Vertikallasten – charakteristische Werte (statische Anteile) . . . . . . 253 Vertikallasten – dynamische Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 254 Vertikallasten – Radlastverlagerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Vertikallasten auf Betonschwellen und weitere Lastannahmen für ihre Bemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Horizontallasten – charakteristische Werte . . . . . . . . . . . . . . . 256 Lastangriff der Kräfte Q und Y am Schienenkopf . . . . . . . . . . . . 256 Längsgerichtete Einwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger . . . . . . . . . . . Bettungszahl C beim Schotteroberbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bettungszahl C und Längsträgerbreite b bei der Festen Fahrbahn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stützpunktsteifigkeit c beim Schotteroberbau . . . . . . . . . . . . . . Elastisch gelagerter Längsträger unter vertikaler Belastung . . . . . . Dynamische Wirkungen am elastisch gelagerten Längsträger unter vertikaler Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elastisch gelagerter Längsträger unter vertikal exzentrischer und horizontaler Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257 257 259 260 260 263 270
XII
5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.4.5 5.4.6
Inhalt
Rad-Schiene-Kontaktspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Örtliche Pressungen aus dem Rollkontakt zwischen Rad und Schiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Schubbeanspruchung im Inneren des Schienenkopfes . . . . . . . . . 278 Zulässige Schubspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Weiterführende Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Schienenspannungen und Längenänderungen der Schienen aus Temperatureinwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Längsverschiebe- und Durchschubwiderstand. . . . . . . . . . . . . . 282 Verschiebung der reibungsgelagerten Schiene durch Temperaturänderungen im lückenlosen Gleis . . . . . . . . . . . . . . 285 Temperatursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Stetige Temperaturänderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Einkoppeln von Längskräften bzw. Schienenspannungen in die Schienen des lückenlosen Gleises bei einteiligen Tragwerken und bei Trägerketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Größe der gleichmäßigen Schienenlängskäfte und Schienenspannungen im lückenlosen Gleis bei extremen Schienentemperaturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
5.5
Dauerfestigkeitsnachweis für die Biegezugspannung in Schienenfußmitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
5.6
Vertikalspannungen in Schotter, Schutzschicht und Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Spannungsverlauf im Mehrschichtsystem Schotter/Schutzschicht/ Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Äquivalente Ersatzdicken für Mehrschichtsysteme Schotter/Schutzschicht/Untergrund mit unterschiedlichen E-Modulen des Untergrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
5.6.1 5.6.2
5.7 5.7.1 5.7.2
5.7.5
Gleislagestabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stabiler und gestörter Gleichgewichtszustand . . . . . . . . . . . . . . Biegewiderstand der Schienen, Verdrehwiderstand und Ersatzträgheitsmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Querverschiebewiderstand und Gleisverschiebewiderstand . . . . . . Berechnung der Lagestabilität des lückenlosen Gleises nach der Energiemethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bogenatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
Schienen und Schienenschweißen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
5.7.3 5.7.4
296 296 296 297 300 304
Heinrich Köstermann und Klaus Meißner 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6
Schienenwerkstoff und Schienenprofile . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Stahl als Baustoff, Schienenstahl als individueller Werkstoff . . . . . . 309 Die Aufgaben der Schiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 Eigenschaften des Schienenstahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Das Gefüge des Schienenstahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 Schienenherstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Schienenformen (Schienenprofile) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314
Inhalt
XIII
6.1.7 6.1.8
Walzlängen, Walz- und Prägezeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Verwendung und Verschleißbeanspruchung von Schienen . . . . . . 316
6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5
Schienenschweißen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Abbrennstumpfschweißen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Gaspressschweißen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Aluminothermisches Gießschmelzschweißen von Schienen . . . . . . 323 Lichtbogenschweißen von Schienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3
Schienenschleifen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuschienenschleifen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schleifen von Schweißungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3
Fehler und Schäden an Schienen und Schienenschweißungen. . . 326 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Schienenfehler, Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Beschreibung der Schienenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4
Prüfen, Messen und Bewerten von Schienen und Schienenschweißungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Schienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Schweißungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP) von Schienen. . . . . 333
6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3
Herstellen lückenloser Gleise und Weichen . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung des Spannungsausgleichs im Gleis. . . . . . . . . . . . Durchführung des Spannungsausgleichs in Weichen . . . . . . . . . .
7
Bahnübergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
325 325 326 326
333 333 335 336
Erwin Böck 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5
Die Sicherung von Bahnübergängen (BÜ) . . . . . . . . . . . . . . 339 Die Sicherheit an BÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Der Begriff des Sicherns von BÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Möglichkeiten zur Sicherung von BÜ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Gesetzliche Grundlagen zur Sicherung von BÜ . . . . . . . . . . . . . 340 Interne Regelungen der DB AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4
Ausführung technischer Sicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Anlagen zur technischen Sicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Steuerung der Anlagen zur technischen Sicherung . . . . . . . . . . . 344 Überwachung der technischen Sicherungsanlagen . . . . . . . . . . . 345 Berechnungen zu Anlagen der technischen Sicherung . . . . . . . . . 346
7.3 7.3.1 7.3.2
Ausführung nicht technischer Sicherungen . . . . . . . . . . . . . 347 Sicherung durch die Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Sicherung durch Pfeifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
XIV
Inhalt
7.4 7.4.1 7.4.2
Bautechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs . . . . . . . . . . . . . 349 Entwässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Bauliche Gestaltung des Kreuzungsstücks . . . . . . . . . . . . . . . . 350
7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3
Verkehrstechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs . . . . . . . . . . 351 Bereinigung und Umgestaltung des Kreuzungsbereichs . . . . . . . . 351 Anpassen des Straßenverlaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Beschilderung und Markierung der Zufahrten zu BÜ . . . . . . . . . 356
8
Das Zusammenwirken von Rad und Schiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Klaus Rießberger
8.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.2.7
Der Radsatz im Gleis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Das Reibungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Äquivalente Konizität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 Rückstellsteifigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Einfluss der Spurweite auf Oe, kg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Möglichkeiten der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 Bewegungsgleichungen von Radsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4
Das Drehgestell am Gleis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 „Steife“ Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 „Weiche“ Drehgestelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 „Selbstlenkende“ und „Zwangsgesteuerte“ Drehgestelle . . . . . . . . 369 Gleichungssysteme für Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370
8.4 8.4.1 8.4.2
Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Kritische Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Einflüsse auf die Laufstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
8.5
Bogenlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
8.6
Maßnahmen zur Unterstützung guter Rad-Schiene-Interaktion . 379
8.7
Beispiele und Erfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380
8.8
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385
9
Energieversorgung der elektrischen Bahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Bernd-Wolfgang Zweig
9.1
Bahnstromsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395
9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3
Fahrleitungen . . . . . . . . Oberleitungen . . . . . . . . Stromschienenoberleitung . Stromschienen. . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
Inhalt
XV
9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3
Stromabnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Stromabnehmer für Oberleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 Seitenstromabnehmer bei Grubenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . 453 Stromabnehmer für Stromschienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453
9.4 9.4.1 9.4.2
Rückstromführung, Bahnerdung und Potenzialausgleich . . . . . 454 Rückstromführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 Bahnerdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Eberhard Hunger
10.1
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6
Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur. . . . . . 463 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 Energieverbraucher an Eisenbahnstrecken. . . . . . . . . . . . . . . . 465 Energiequellen an Eisenbahnstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Speichermedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Anwendungsbeispiele aus dem Eisenbahnbereich. . . . . . . . . . . . 475 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5 10.3.6
Elektrische Weichenheizanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 Energieeinspeisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 Komponenten von elektrischen Weichenheizanlagen. . . . . . . . . . 488 Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Steuerung und Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504
10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3
Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 Elektrische Energieanlagen 50 Hz in Eisenbahntunneln . . . . . . . . 508 Sonstige Rettungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515
11
Kabelanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Ralf Baumann
11.1
Bauarten und Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
11.1.1 11.1.2
Energiekabel und Leitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 Signal- und Nachrichtenkabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531
11.2 11.2.1 11.2.2
Garnituren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 Muffen und Verbinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Endverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534
11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4
Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Trassenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 Typenauswahl und Dimensionierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 Lagepläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 Führung, Befestigung und Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542
XVI
Inhalt
11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4
Legung und Montage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Auslegen und Kennzeichnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Garniturenmontage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 Ab- und Inbetriebnahmeprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 Schlussvermessung und Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
11.5 11.5.1 11.5.2
Betrieb und Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 Kabelüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 Instandhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
12
Betriebsführung der Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Jörn Pachl
12.1 12.1.1 12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5
Grundbegriffe des Bahnbetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Rechtsgrundlagen und Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 Einteilung der Eisenbahnunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 Grundsätzliche Klassifizierung der Betriebsverfahren . . . . . . . . . 561 Einteilung der Betriebsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Durchführung von Fahrten auf einer Eisenbahninfrastruktur . . . . . 563
12.2 12.2.1 12.2.2
Signalisierung am Fahrweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 Signalsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 Verwendung der Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575
12.3
Flankenschutz der Fahrwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589
12.4 12.4.1 12.4.2
Bauen im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Sicherung von Arbeitsstellen im Gleis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Betriebliche Maßnahmen zur Durchführung von Baumaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Koordination zwischen Betriebsführung und bauausführenden Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596
12.4.3 13
Eisenbahnsicherungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Ulrich Maschek
13.1 13.1.1 13.1.2
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Maßgebende Systemeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Regelkreis der Eisenbahnsicherungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . 600
13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3
Gleisschaltmittel und Gleisfreimeldeanlagen Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Technische Wirkprinzipien . . . . . . . . . . . Techniken zur Gleisfreimeldung . . . . . . . .
13.3 13.3.1 13.3.2 13.3.3 13.3.4 13.3.5 13.3.6
Sicherung beweglicher Fahrwegelemente. . . . . . . . . . . . . . . 609 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Weichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Gleissperren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 Bewegliche Brücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Drehscheiben und Schiebebühnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Tore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615
. . . . . . . . . . . . 601 . . . . . . . . . . . . . 601 . . . . . . . . . . . . . 602 . . . . . . . . . . . . . 604
Inhalt
XVII
13.4 13.4.1 13.4.2 13.4.3 13.4.4 13.4.5 13.4.6
Technologien der Fahrwegsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Abstandshaltung im Schienenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Steuerung und Sicherung der Fahrwegelemente. . . . . . . . . . . . . 616 Technologie Fahrstraße. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617 Technologie Blockinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 Techniken zur Fahrwegsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Leittechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633
13.5 13.5.1 13.5.2 13.5.3
Anordnung ortsfester Signale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 Bezeichnung der Vor- und Hauptsignale . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 Standort quer zum Gleis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Standort längs zum Gleis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635
13.6 13.6.1 13.6.2 13.6.3
Zugbeeinflussung. Anforderungen . . Einordnung . . . . Anwendungen . . .
14
Funktionale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641
Jens Braband 14.1 14.1.1 14.1.2
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Wesentliche Unfallursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 Epochen der Systemsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4
Definition des Begriffs Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 Klassische Definitionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 Moderne, risikoorientierte Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 Der risikoorientierte Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 Bedeutung der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3
Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Der Risikoanalyse-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 Definition von Sicherheitszielen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Methoden zur Risikoanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669
14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4
Sicherheitsnachweisführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 Der Gefährdungsanalyse-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 Struktur und Hierarchie von Sicherheitsnachweisen . . . . . . . . . . 680 Aufbau und Inhalt von Sicherheitsnachweisen. . . . . . . . . . . . . . 682 Technischer Sicherheitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687
14.5 14.5.1 14.5.2 14.5.3 14.5.4
Ereignisanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 Erfassung und Auswertung sicherheitsrelevanter Ereignisse . . . . . . 690 Unfallursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 690 Unfallursachenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 Organisationales Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693
14.6 14.6.1 14.6.2
Sicherheitskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693 Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 Indikatoren für eine positive Sicherheitskultur . . . . . . . . . . . . . 694
14.7 14.7.1 14.7.2
Beispiel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Systemdefinition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Gefährdungsidentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696
XVIII
15
Inhalt
Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG . . . . . . . . . . . . . 701 Peter Reuther
15.1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701
15.2 15.2.1 15.2.2 15.2.3 15.2.4 15.2.5 15.2.6 15.2.7 15.2.8 15.2.9
Betriebsfernmeldeanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 Ausrüstungsstandards auf der Strecke und im Bahnhof . . . . . . . . 701 Ausrüstung von Betriebszentralen und örtlich zuständige Fahrdienstleiter (öZF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Derzeit im Einsatz befindliche TK-Anlagen und -Systeme . . . . . . . 705 Beschallungs- und Wechselsprechanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Melde- und Überwachungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710 Betriebliche Gefahrenmeldeanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 Videotechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723 Analoger Zugfunk. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 724 Digitaler Zugfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729
15.3
Übertragungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741
16
Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Bernhard Koch
16.1 16.1.1 16.1.2 16.1.3 16.1.4 16.1.5 16.2
16.2.1 16.2.2 16.2.3 16.2.4 16.2.5 16.2.6 16.2.7 16.3 16.3.1 16.3.2 16.4 16.4.1 16.4.2
Umweltmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Tobias Herbert, Bernhard Koch Ziel und Nutzen von Managementsystemen unter besonderer Berücksichtigung des Umweltmanagements . . . . . . . . . . . . . . . 743 Normen im Bereich Umweltmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . 744 Delegation von Unternehmer-/Betreiberpflichten. . . . . . . . . . . . 748 Beauftragtenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 Integrierte Managementsysteme (IMS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 Anlagenbezogener Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Björn Zimmer, Jürgen Kroeter, Markus Hößl, Steffen Jank, Franz Klier, Georg Schell Abwasseranlagen und Abwasserbehandlungsanlagen. . . . . . . . . . Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen . . . . . . . . Innenreinigungsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigungsbedürftige Anlagen nach der 4. BImSchV . . . . . . . Trinkwasserfüllanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strahlenschutzrelevante Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektromagnetische Verträglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753
753 755 761 764 766 768 769
Schutz vor Lärm und Erschütterungen . . . . . . . . . . . . . . . . 787 Christian Keil, Bernhard Koch, Rüdiger Garburg Lärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 Erschütterungen und sekundärer Luftschall . . . . . . . . . . . . . . . 795 Vegetationskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 Gerhard Hetzel Grundlagen und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 Vegetationskontrolle für den Bereich im Gleis . . . . . . . . . . . . . 814
Inhalt
XIX
16.4.3 16.4.4
Vegetationskontrolle für den Bereich am Gleis . . . . . . . . . . . . . 815 Positive Aspekte für den Naturschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822
16.5
Schutz von Natur und Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 Martina Lüttmann Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 Strategische Umweltprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 Umweltverträglichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 Naturschutzfachliche Eingriffsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 828 Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . 829 Artenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832
16.5.1 16.5.2 16.5.3 16.5.4 16.5.5 16.5.6 16.6
16.6.1 16.6.2
Umweltschutzanforderungen an Planungsund Instandhaltungsprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834 Björn Zimmer Entsorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 834 Transport gefährlicher Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 842
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 Walter Mittmann
17.1 17.1.1 17.1.2
Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . 855 Interoperabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 Diskriminierungsfreier Netzzugang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855
17.2
Technische Zugangsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 856
17.3
Abnahme von Fahrzeugen oder Komponenten . . . . . . . . . . . 857
17.4
Feststellung der Kompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857
17.5 17.5.1 17.5.2
Bekanntgabe der Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 Schienennetz-Nutzungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 Infrastruktur- und Fahrzeugregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 866
17.6
Regelwerk für den Infrastrukturzugang . . . . . . . . . . . . . . . 866
17.7
Verfahrensabläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869
17.8 17.8.1 17.8.2 17.8.3
Versuchs- und Probefahrten Zweck und Umfang . . . . . . Ausnahmeregelungen. . . . . Vorgehensweise . . . . . . . .
18
Instandhaltung und Anlagenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873
. . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 871
Peter Veit 18.1
Anlagenmanagement für den Fahrweg von Eisenbahnen . . . . . 878
18.2
Modell zur wirtschaftlichen Bewertung von Fahrwegstrategien. . 879
18.3
Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 Strategie Fahrweg – Stufe 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885
18.3.1
XX
Inhalt
18.3.2 18.3.3
Forschungen zum Qualitätsverhalten des Oberbaus . . . . . . . . . . 902 Strategie Fahrweg – Stufe 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 916
19
Anlagenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 Ulrich Erdmann
19.1 19.1.1 19.1.2 19.1.3 19.1.4 19.1.5
Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme . . . . . . . 929 Systemarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929 Datenimport/Schnittstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 Das Analysesystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 932 Anforderungen und Grundformen der Darstellung. . . . . . . . . . . 936 Fachübergreifende Grundlagen für weitergehende Analysen . . . . . 939
19.2 19.2.1 19.2.2 19.2.3
Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen Ist-Zustandsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandsprognose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Instandhaltungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 943 . . . . . . . . 944 . . . . . . . . 956 . . . . . . . . 962
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 967
Autorenverzeichnis
Dipl.-Ing. Ralf Baumann Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) 10783 Berlin Kap. 11
Dr. Gerhard Hetzel DB Netz AG 60486 Frankfurt Abschn. 16.4
Dipl.-Ing. Erwin Böck Ingenieurbüro für Eisenbahntechnik 80686 München Kap. 7
Dipl.-Ing. Markus Hößl DB Systemtechnik 80939 München Abschn. 16.2
Prof. Dr. rer. nat. Jens Braband Siemens AG 38023 Braunschweig Kap. 14
Dipl.-Ing. Eberhard Hunger Balfour Beatty Rail GmbH 12459 Berlin Kap. 10
Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach TU Dresden 01062 Dresden Kap. 4
Dipl.-Ing. Steffen Jank DB Systemtechnik 80939 München Abschn. 16.2
Ulrich Erdmann ERDMANN-Softwaregesellschaft mbH 02826 Görlitz Kap. 19
Dipl.-Ing. Dirk Jesse TU Dresden 01062 Dresden Kap. 4
Prof. Dr.-Ing. Johannes Franz 39114 Magdeburg Kap. 5
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christian Keil DB Netz AG 60486 Frankfurt Abschn. 16.3 und 16.6
Dipl.-Ing. (FH) Rüdiger Garburg DB Netz AG 10115 Berlin Abschn. 16.3 Dipl.-Ing. Agr. Tobias Herbert DB Netz AG 60486 Frankfurt Abschn. 16.1
Dipl.-Ing. Franz Klier DB Systemtechnik 80939 München Abschn. 16.2 Dipl.-Ing. Bernhard Koch DB Netz AG 60486 Frankfurt Abschn. 16.1 und 16.3
XXII
Autorenverzeichnis
Prof. Dr.-Ing. Heinrich Köstermann Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt 30453 Hannover Kap. 6
Dipl.-Ing. Peter Reuther DB Infrastruktur Netz GmbH 60326 Frankfurt Kap. 15
Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Kroeter Bahn-Umwelt-Zentrum (BUZ) 32423 Minden Abschn. 16.2
Prof. Dr. techn. Klaus Rießberger TU Graz A-8010 Graz Kap. 8
Dipl.-Ing. Martina Lüttmann Bahn-Umwelt-Zentrum (BUZ) 10115 Berlin Abschn. 16.5
Dipl.-Ing. Georg Schell DB Systemtechnik 80939 München Abschn. 16.2
Dr.-Ing. Ulrich Maschek TU Dresden 01062 Dresden Kap. 13
a. o. Univ.-Prof. Dr. techn. Peter Veit TU Graz A-8010 Graz Kap. 18
Dipl.-Ing. Klaus Meißner 04157 Leipzig Kap. 6
Dr.-Ing. Manfred Weigend 82024 Taufkirchen Kap. 1
Dr.-Ing. Walter Mittmann 61350 Bad Homburg Kap. 2 und 17
Dipl.-Geogr. Björn Zimmer DB Netz AG 60486 Frankfurt Abschn. 16.2 und 16.6
Prof. Dr.-Ing. Jörn Pachl TU Braunschweig 38106 Braunschweig Kap. 12 Dr.-Ing. Horst Rahn 13156 Berlin Kap. 3
Dr.-Ing. Bernd-Wolfgang Zweig Balfour Beatty Rail GmbH 63067 Offenbach Kap. 9
1
Trassierung und Gleisplangestaltung Manfred Weigend
1.1 Längsneigung der Eisenbahn 1.1.1 Längsneigung der Streckengleise Die größte Längsneigung und der kleinste Bogenradius, sind die beiden entscheidenden Trassierungselemente einer Eisenbahnstrecke, sie waren es zur Zeit des Eisenbahnbaues im 19. Jahrhundert und sind es – modifiziert – bei heutigen Neubaumaßnahmen. Von diesen beiden Parametern und von verfügbaren Triebfahrzeugen hängen die Anhängelast der Züge, die jeweils erreichbare Geschwindigkeit und schließlich die Leistungsfähigkeit einer Strecke ab. Beim erstmaligen Bau von Eisenbahnen war die Längsneigung meist ausschlaggebend für die Trassenwahl, die Bogenradien durften meist schon aufgrund der Lauffähigkeit der Lokomotiven nicht zu klein gewählt werden. Relativ bald hatten sich größte Neigungen von etwa 25 Promille als Standard für Strecken mit großen Höhenunterschieden, d.h. im Hoch- und im Mittelgebirge und von etwa 10 bis 12 Promille in den Ebenen und im Hügelland durchgesetzt. Auf Nebenstrecken, die von Anfang an als solche geplant wurden, kamen auch größere Neigungen, meist bis zu 40 Promille, vereinzelt auch darüber, zur Anwendung. Auf den Hauptbahnen sind überwiegend Neigungen bis zu etwa 25 Promille, nur selten darüber, zur Anwendung gekommen. Die Festlegung in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BO) von 1928 [1.1] auf 12,5 (bis max. 25) Promille bei Hauptbahnen und 40 Promille bei Nebenbahnen orientierte sich offensichtlich am Bestand des damals bereits
weitgehend fertig gestellten Eisenbahnnetzes in Deutschland, neue Strecken sollten demnach keinesfalls steiler trassiert werden als die überwiegende Mehrzahl der vorhandenen Bahnen. In der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung von 1967 (EBO) und der Novelle von 1991 hierzu [1.2] ist ausgesagt, dass die Längsneigung auf Hauptbahnen bei Neubauten 12,5 Promille nicht überschreiten soll. Soweit heute eine für Personen und Güterverkehr geeignete Strecke gebaut wird, ist dieser Wert nach wie vor als zweckmäßige obere Grenze anzusehen. Beispiel hierfür sind die, Anfang der 90er Jahre in Betrieb gegangenen Strecken Mannheim–Stuttgart und Hannover–Würzburg. Hier hat die Wahl von 12,5 Promille auf Dauer den Vorteil, dass bei Umleitungen über vorhandene Strecken, Neigungen in etwa der gleichen Größenordnung angetroffen werden. Beim Bau neuer Strecken und Streckenabschnitte genügt es daher nicht nur, einen allgemein vorgegebenen Grenzwert einzuhalten, vielmehr muss die Längsneigung danach gewählt werden, welche Größe für die Traktion im jeweiligen Einsatzgebiet der Triebfahrzeuge maßgebend ist. Nach EBO sollen die Längsneigungen bei Neubauten nicht größer sein als: bei Hauptbahnen 12,5‰ bei Nebenbahnen 40‰ in Bahnhöfen 2,5‰. Bei neuen Spezialstrecken für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gelten andere Überlegungen. Hier ist es begründet (und meist auch notwendig) die kinetische Energie des fahrenden Zuges zu berücksichtigen. Soweit es sich
2
1 Trassierung und Gleisplangestaltung
um Trassen mit begrenzten Höhenunterschieden handelt, ggf. auch mit dazwischen liegenden flacheren Abschnitten, kann die Tatsache genutzt werden, dass die Steigungen weitgehend durch „Schwungfahren“ überwunden werden können; wobei der Verlust an Geschwindigkeit und Fahrzeit um so geringer ist, je schneller die betreffenden Abschnitte befahren werden. Beispiele hierfür sind die französische Strecke Paris–Lyon und die deutsche Strecke Köln–Frankfurt. In der für die Europäische Union (EU) geltenden „Technischen Spezifikation des Teilsystems „Infrastruktur“ des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems“ (TSI) [1.3] ist daher für „eigens für den Hochgeschwindigkeitsverkehr gebaute oder zu bauende Strecken“ eine größte Längsneigung von 35 Promille zugelassen; diese darf auf eine Länge von bis zu 6 km vorhanden sein. Außerdem darf das „gleitende mittlere Profil“ über 10 km eine mittlere Neigung von 25 Promille nicht überschreiten. Voraussetzung für die Anwendung derart steiler Längsneigungen ist aber stets eine, auch bei ungünstigem Haftwert ausreichende Anfahrzugkraft und damit ein entsprechend hoher Anteil angetriebener Achsen, damit die Weiterfahrt nach außerplanmäßigem Halt in einer Steigung sichergestellt werden kann. Eine ähnliche Überlegung kann auch bei Änderungen an vorhandenen Strecken angestellt werden. Die klassische Lehre des Eisenbahnbaues forderte stets mit Vorrang eine minimale und über lange Streckenabschnitte gleich bleibende Längsneigung. Das war auch richtig, solange die Grenzlast der mit Dampflokomotiven bespannten Züge so bemessen war, dass diese in Steigungsstrecken nur relativ langsam fahren, und infolge der geringen kinetischen Energie, kaum zusätzliche Steigungen überwinden konnten. Dies gilt heute nur noch eingeschränkt. Beim Bau neuer Kreuzungen mit Straßen oder anderen Verkehrswegen im vorhandenen Netz ist die verfügbare Bauhöhe häufig stark eingeschränkt. Gegen eine Erhö-
hung oder Absenkung der Gradiente, über eine begrenzte Länge, können heute kaum noch berechtigte Einwände erhoben werden. Meist genügt es nachzuweisen, dass das gleitende Mittel der Längsneigung über die Länge des maßgebenden schweren Zuges gleich oder kleiner ist als die größte maßgebende Neigung im weiteren Verlauf der Strecke; bei näherer Betrachtung kann außerdem die kinetische Energie des fahrenden Zuges berücksichtigt werden. Ein weiteres Anwendungsgebiet für größere Längsneigungen sind die S-Bahnstrecken. Aus baulicher Notwendigkeit müssen hier Längsneigungen bis zu 40 Promille angewandt werden. Aufgrund der hohen Triebfahrzeugleistung der S-Bahnen ist dies ohne betriebliche Nachteile tragbar. Im Bereich der Haltepunkte wurde ohnehin meist nur die für Bahnhöfe zulässige Längsneigung (2,5‰) zugrunde gelegt, so dass im Anfahr- und Bremsbereich die mittlere Längsneigung, über die Zuglänge gemessen, entsprechend geringer ist. Bei Strecken mit engen Kurven ist der Bogenwiderstand (auch: Krümmungs-widerstand) zusätzlich zum Neigungswiderstand zu berücksichtigen. Er wird einer Steigung gleichgesetzt und in Promille ausgedrückt. In der Literatur [1.4] sind verschiedene Formeln zur Berechnung des Bogenwiderstands, z.T. abhängig von fahrzeugspezifischen Daten, angegeben. Nach Röckl gilt z.B. für Hauptbahnen mit Normalspur:
Bei Radien von etwa 300 m unterscheiden sich die nach den verschiedenen Quellen errechneten Bogenwiderstände nur wenig voneinander, sie betragen hier etwa 2,6 bis 2,8‰, bei kleineren Bogenradien sind die Unterschiede etwas größer. Wird bei einer Linienverbesserung auf einer Steigungsstrecke der Bogenradius vergrößert, so kann die Längsneigung aufgrund des reduzierten Bogenwiderstands entsprechend erhöht werden, was bei Linienverbesserungen
1.1 Längsneigung der Eisenbahn
auf vorhandenen Bergstrecken auch praktisch genutzt wird. Der Bogenwiderstand wirkt jeweils nur auf den Teil des Zuges, der sich in der Kurve befindet. Aufgrund der unbekannten Merkmale künftig eingesetzter Fahrzeuge ist eine theoretisch genauere Berechnung des Krümmungswiderstands kaum hilfreich. Nach Auffassung des Verfassers genügt es daher, bei der Festlegung der „maßgebenden Neigung“ (Summe aus Neigungs- + Krümmungswiderstand) nur eine der üblichen Faustformeln, z.B. die oben angegebene Formel von Röckl zu benutzen.
1.1.2 Längsneigung in Bahnhöfen Die EBO, wie auch die frühere BO, begrenzt die Längsneigung in Bahnhöfen auf 2,5 Promille. Diese Festlegung wird häufig mit der Begründung kritisiert, dass aufgrund ihres geringeren Rollwiderstands das Abrollen moderner Fahrzeuge dadurch nicht verhindert werden kann. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass abgestellte Wagen in jedem Fall gegen Abrollen gesichert werden müssen, da sich diese, z.B. bei Wind aus entsprechender Richtung, selbst in horizontalen Gleisen unabsichtlich in Bewegung setzen können. Eine Änderung der zulässigen Längsneigung von 2,5‰, wie sie in vorhandenen Anlagen weitestgehend anzutreffen ist, wäre bei Ausbaumaßnahmen mit sehr hohem Aufwand verbunden. Es wurde daher keine Notwendigkeit erkannt, in den deutschen Richtlinien den Wert von 2,5‰ zu ändern. In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die oben bereits genannte TSI [1.3] für Gleise, in denen interoperable Züge abgestellt werden sollen, eine Längsneigung nur bis zu 2‰ erlaubt. Dies wäre zu berücksichtigen, wenn neue Abstellanlagen zu bauen sind. Die eingeschränkte Längsneigung der Bahnhofsgleise wird üblicherweise nur für den Bereich gefordert, in dem Fahrzeuge abgestellt werden oder Züge planmäßig halten. Weichen kommen jedoch häufig in die größeren
3
Neigungen der anschließenden freien Strecke zu liegen. Hier, und ganz besonders wenn die Weichen in Bögen liegen, ist es meist unvermeidbar, auch größere Neigungen als 2,5‰ in Kauf zu nehmen. Obwohl dieses Vorgehen in der EBO (im Gegensatz zur früheren BO) nicht mehr ausdrücklich erwähnt ist, gilt es aber nach wie vor als zulässig.
1.1.3 Ausrundungen in der Längsneigung Änderungen der Längsneigung sind durch vertikale Kreisbögen auszurunden, vertikale Übergangsbögen werden nicht angewandt. Als Mindestradius gilt für Gleise, die von allen Fahrzeugen befahren werden dürfen: ra = 2000 m. Nach den in Deutschland gültigen Regeln beträgt der Mindestradius bei Geschwindigkeiten von 90 km/h und darüber: min ra = 0,25 v2 t 2000 (in m, v in km/h). Der Regelwert für Ausrundungsradien ist: reg ra = 0,4 v2 (in m, v in km/h). Da bei Strecken für sehr hohe Geschwindigkeiten nur besonders konstruierte Fahrzeuge mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verkehren und andererseits besonders große Längsneigung vorkommen können, gelten in Übereinstimmung mit den europäischen Erfahrungen, bei v > 200 km/h folgende Mindestwerte: in Kuppen: ra t 0,175 v2, mit einer Toleranz von –10% und in Wannen: ra ≥ 0,175 v2, mit einer Toleranz von –30%. In der TSI [1.3] sind für (Neben)-Gleise, in denen interoperable Züge abgestellt werden sollen, auch kleinere Ausrundungsradien zugelassen, dies ist aber für Planungen in Deutschland nicht relevant. In den Ablaufbergen der Rangierbahnhöfe werden wesentlich kleinere Ausrundungsradien angewandt:
4
1 Trassierung und Gleisplangestaltung Abb. 1.1 Ausrundung der Längsneigung
in Kuppen von in Wannen von
ra = 300 m und ra = 400 m.
Solche Gleisabschnitte dürfen jedoch nicht von allen Fahrzeugen befahren werden. Die Ausrundungen im Aufriss sollen eine Länge von ca. 20 m nicht unterschreiten. Bei einem Unterschied der Längsneigung von bis zu einem Promille darf auf die Angabe der Ausrundung (Länge, Radius) verzichtet werden.
1.2 Allgemeine Regeln der Linienführung im Grundriss 1.2.1 Grundregel für durchgehende Hauptgleise Als Grundregel gilt: Die Bögen der durchgehenden Hauptgleise sollen mit Übergangsbögen trassiert und „überhöht“ werden. Die Forderung bezieht sich auf die „durchgehenden Hauptgleise“, das sind nach EBO die Gleise der freien Strecke und deren Fortsetzungen in den Bahnhöfen. Mit anderen Worten sind das die Gleise der „Rollbahn“, auf der
sich der Eisenbahnverkehr im Wesentlichen abwickelt, die am stärksten belastet sind und die mit hohen Geschwindigkeiten befahren werden. Sie genießen Priorität in der Qualität und verlangen bestes Können der Ingenieure bei Planung und Ausführung. Von der fahrdynamischen Qualität dieser Gleise hängen die Laufgüte der Fahrzeuge, der Reisekomfort und vor allem auch der Aufwand für die Instandhaltung entscheidend ab. Regelform des Übergangsbogens im Grundriss ist die Klothoide, mit der geraden Überhöhungsrampe im Aufriss; in geeigneten Fällen werden auch Übergangsbögen nach Bloss mit entsprechenden geschwungenen Rampen verwendet. In der Regel ist die Überhöhung durch Anheben der bogenäußeren Schiene herzustellen, die bogeninnere Schiene verläuft durchgehend in der Streckengradiente. Stets sollen Überhöhungs- und Krümmungslinie nach demselben Gesetz gebildet sein; Übergangsbogen und Überhöhungsrampe sollen ein gemeinsames Element bilden. In bestimmten Ausnahmefällen dürfen auch Bögen in durchgehenden Hauptgleisen ohne Überhöhung und ohne Übergangsbögen hergestellt werden. Solche Ausnahmen sind gewollt bei sehr großen Bogenradien ohne Überhöhung, wie
1.3 Elemente der Linienführung im Kreisbogen
5
z.B. bei Gleisverziehungen; zwangsläufig müssen sie angewandt werden im abzweigenden Strang der Weichen, auch wenn ein durchgehendes Hauptgleis abzweigt, wie z.B. bei Streckenverzweigungen.
sind. Auch die anschließenden Gegenbögen im Gleis werden meist mit etwa gleich großen Radien trassiert, nach Möglichkeit sind dort aber größere Radien zu verwenden.
1.2.2 Grundregel für die übrigen Haupt- und Nebengleise
1.3 Elemente der Linienführung im Kreisbogen
Außer den durchgehenden Hauptgleisen gelten Gleise als Hauptgleise, wenn sie planmäßig von Zügen befahren werden. Das sind u.a. die Überholungs- und die Kreuzungsgleise und allgemein alle Ein- und Ausfahrgleise in den Bahnhöfen. Nebengleise sind Gleise, die in der Regel nur von Rangierfahrten befahren werden. Hinsichtlich der Linienführung unterscheiden sich diese Gleise von den durchgehenden Hauptgleisen dadurch, dass hier die Bögen in der Regel nicht überhöht sind und keine Übergangsbögen haben. Es bleibt aber stets freigestellt, Gleise, die regelmäßig von durchfahrenden Zügen benutzt werden, wie durchgehende Hauptgleise mit Überhöhung und mit Übergangsbögen zu trassieren, falls dies notwendig oder zweckmäßig sein sollte. Liegen in den durchgehenden Hauptgleisen Weichen, so sind die Stammgleise in der Regel gerade. In den Zweiggleisen wird dann auf Überhöhungen und meist auch auf Übergangsbögen verzichtet, d.h. am Anfang und Ende der Zweiggleisbögen wird ein unvermittelter Krümmungswechsel in Kauf genommen. Dies ist notwendig, um die Weichenbereiche und damit die Bahnhofsköpfe und Rangierfahrwege in der Länge auf ein vertretbares Maß zu beschränken. Zwangsläufig wird deshalb auch in den anschließenden Gleisbögen auf Überhöhungen verzichtet. Die Wirtschaftlichkeit erfordert es, jeweils nur die Weichen zu verwenden, die für die geforderte Abzweiggeschwindigkeit benötigt werden. Das bedeutet, dass Zweiggleisbögen regelmäßig mit Mindestradien zu entwerfen
1.3.1 Radius, Überhöhung und Geschwindigkeit Im Eisenbahnbau wird der Zusammenhang zwischen Bogenradius, Überhöhung und Geschwindigkeit durch die (vereinfachte) Beziehung
ausgedrückt. Hierin ist r der Bogenradius in m, v die Geschwindigkeit in km/h und u die Überhöhung des Gleises in mm. Der Wert uf ist der sog. „Überhöhungsfehlbetrag“. Die Summe aus Überhöhung und Überhöhungsfehlbetrag wird als „ausgleichende Überhöhung“ uo bezeichnet. Es ist uo = u + uf. Die Überhöhung u ist der Betrag, um den die bogenäußere Schiene tatsächlich höher gelegt wird als die gegenüberliegende innere Schiene. Definitionsgemäß wird die Überhöhung bei Regelspur (Nennmaß 1435 mm) auf einen Abstand von (genau) 1500 mm bezogen. Nach diesem Maß, das etwa dem Schienenkopf-Mittenabstand entspricht, sind die Überhöhungsmessgeräte geeicht. Die Überhöhung ist damit proportional zum Sinus des Winkels β, um den die Fahrbahn quer geneigt ist (Abb. 1.2):
Der Überhöhungsfehlbetrag uf ist der Betrag, um den die ausgleichende Überhöhung bei gegebener Geschwindigkeit unterschritten werden darf.
6
1 Trassierung und Gleisplangestaltung Abb. 1.2 Definition der Überhöhung
Abb. 1.3 Seitenbeschleunigung im überhöhten Kreisbogen
Er ist proportional zu der Seitenbeschleunigung aq, die in der Ebene des überhöhten Gleises wirkt, es gilt vereinfacht:
Die genaue Formel würde lauten (Abb. 1.3):
Der Faktor cos E wird üblicherweise gleich 1 gesetzt, dadurch ist die Seitenbeschleunigung in Gleisebene mit zunehmender Überhöhung
etwas kleiner (max. um etwa 2%) als der nach der üblichen Formel berechnete Wert, die Fallbeschleunigung wird anstelle des durch Norm definierten Wertes gerundet mit 9,81 m/s2 angesetzt. Im Wagenkasten eines Schienenfahrzeugs wird meist ein anderer Wert der Seitenbeschleunigung gemessen. Dies ist dadurch bedingt, dass sich der Wagenkasten infolge der Seitenbeschleunigung bei schneller Fahrt zur Bogenaußenseite, bei langsamer Fahrt im überhöhten Gleis dagegen zur Bogeninnenseite neigt. Die Seitenbeschleunigung ai par-
1.3 Elemente der Linienführung im Kreisbogen
allel zum Wagenfußboden ist daher um den „Wankzuschlag“s größer als der rechnerische Wert aq: ai = aq (1 + s) (in m/s2). Der Wankzuschlag kann bei den üblichen Fahrzeugen zwischen 0,25 und 0,4 angenommen werden. Bei der Berechnung des kinematischen Mindestlichtraums wird allgemein ein Wert von 0,4 angesetzt. Durch Umformen der obigen Beziehung zwischen Radius, Überhöhung und Geschwindigkeit erhält man die sog. „Mindestüberhöhung“:
wobei zul uf der jeweils zulässige Wert des Überhöhungsfehlbetrages ist. Bei gegebener Überhöhung, gegebenem Bogenradius und dem jeweils zulässigen Überhöhungsfehlbetrag errechnet sich die zulässige Geschwindigkeit nach der Formel:
Bei einer Überhöhung von 160 mm und einem Überhöhungsfehlbetrag von 150 mm ergibt sich danach eine zulässige Geschwindigkeit von:
Anmerkung: Die hier beschriebene pragmatische Näherungsberechnung enthält Ungenauigkeiten, die man beseitigen könnte. Dadurch ginge aber die sehr anschauliche Möglichkeit verloren, die einschlägigen Parameter: „ausgleichende Überhöhung“, Überhöhung und „Überhöhungsfehlbetrag“ sowie die unvermittelte Änderung des Überhöhungsfehlbetrages, bildhaft darzustellen, was besonders bei komplizierten Bogenweichenverbindungen von großem Vorteil ist. Eine physikalisch genauere Berechnung z.B. mit Hilfe von Vektoren brächte zwar im Extremfall ein um etwa 1 bis 2% anderes Ergebnis, im Hinblick auf die wesentlich größere Ungenauigkeit infolge des Wankverhaltens der Fahrzeuge wäre dies aber ohne praktischen Wert.
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1.3.2 Größe der Überhöhung Die Überhöhung eines Eisenbahngleises wird einerseits durch die zulässige Schrägstellung der Fahrzeuge begrenzt, andererseits durch die Lagebeständigkeit des Gleises im Schotterbett bzw. durch die Herstellungsbedingungen bei der festen Fahrbahn. Im Güterverkehr besteht in Gleisen mit großer Überhöhung die Gefahr einer Ladungsverschiebung, besonders bei sehr langsamer Fahrt. Sowohl nach den Untersuchungen in Deutschland als auch weitgehend übereinstimmender Auffassung in Europa, liegt der Grenzwert der Überhöhung für Gleise mit Güterverkehr im Extremfall bei etwa 180 mm. Entsprechend ist in der EBO festgelegt, dass dieser Wert „unter Einbeziehung der sich im Betrieb einstellenden Abweichungen“ nicht überschritten werden darf. Für reine Personenverkehrsstrecken gilt in Europa heute ein Wert von 200 mm nach TSI als noch akzeptabel, allerdings auch hier einschließlich betriebsbedingter Abweichungen Die praktischen Grenzen der Herstellung des überhöhten Gleises, liegen in etwa der gleichen Größe. Die früher häufig vertretene Auffassung, dass der Hangabtrieb, den langsamfahrende Güterzüge auf das überhöhte Gleis ausüben, zu wesentlich erhöhtem Aufwand bei der Instandhaltung führt, konnte in dieser Form nicht bewiesen werden. Zwar bedingt eine größere Überhöhung allgemein eine höhere Sorgfalt bei der Herstellung und führt ggf. auch zu rascherer Verschlechterung der Gleislagequalität – dies gilt aber allgemein, auch in Bögen mit kleineren Radien und unabhängig vom Verhältnis zwischen langsam und schnell fahrenden Zügen. Aus heutiger Sicht sind deshalb die Werte: – 160 mm für Gleise mit Schotterbett und – 170 mm für Gleise auf fester Fahrbahn auf Strecken mit Personen- und Güterverkehr weitestgehend durch die Praxis bestätigt. Damit kann die Forderung der EBO, die Überhöhung „… darf unter Einbeziehung der
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
sich im Betrieb einstellenden Abweichungen 180 mm nicht überschreiten“ mit tragbarem Aufwand bei der Instandhaltung eingehalten werden. In der erwähnten TSI, sowie in der künftigen Europäischen Norm EN 13803-1 und - 2 [1.5] sind Werte bis zu 180 mm bzw. 200 mm auf Strecken mit reinem Personenverkehr angegeben, solche Überhöhungen dürften aber in Deutschland erst angewandt werden, wenn entsprechende Nachweise geführt sind und die Aufsichtsbehörde zugestimmt hat. Unabhängig davon gilt nach wie vor die pragmatische Empfehlung, bei Neubauten von Strecken mit Güterverkehr die Überhöhungen auf etwa 120 mm zu begrenzen. In Gleisbögen an Bahnsteigen soll die Überhöhung nicht größer sein als etwa 100 mm. Diese Festlegung war ursprünglich mit Rücksicht auf Fahrzeuge mit nach außen aufschlagenden Türen getroffen worden. Heute gilt derselbe Wert vor allem mit Rücksicht auf den „barrierefreien“ Zugang zum öffentlichen Personenverkehr, d.h. auf das erleichterte Einund Aussteigen von Fahrgästen mit Krankenfahrstühlen oder Kinderwagen (soweit nicht aus den gleichen Gründen die Überhöhung an Bahnsteigen noch niedriger festgesetzt wird). Ebenfalls auf 100 mm soll die Überhöhung in Gleisbögen mit Weichen begrenzt werden. Letzteres gilt vor allem bei Neu- und Ausbaumaßnahmen; im vorhandenen Netz sind vereinzelt Bogenweichen auch in größeren Überhöhungen eingebaut. In Bögen mit Radien von weniger als etwa 300 m ist eine weitere Begrenzung zu beachten, die sich aus den Untersuchungen zur ORE-Frage B 55 [1.6] ergibt. Mit Rücksicht auf die Gefahr des Entgleisens von (in erster Linie von leeren, verwindungssteifen) Güterwagen in Gleisbögen mit betriebsbedingt fehlerhafter Gleisverwindung, sind danach die Überhöhungen zu begrenzen auf:
Mit dieser Formel ergibt sich z.B. bei einem Radius von 200 m eine größte Überhöhung
von 100 mm. Diese Einschränkung gilt, streng genommen, nur für Gleise, auf denen Güterwagen verkehren, für Strecken mit artreinem Personenverkehr enthalten die Schlussfolgerungen zur ORE-Frage B 55 keine Aussage. Im Bedarfsfall könnten daher z.B. auf einer S-Bahnstrecke größere Überhöhungen eingebaut werden, zuvor wären aber entsprechende Nachweise zu führen. Anmerkung: Wenn die oben erwähnte größte Überhöhung in engen Gleisbögen überschritten werden muss, könnte die Sicherheit gegen Entgleisen infolge eines Gleisverwindungsfehlers auch dadurch erreicht werden, dass die Überhöhung über den Bogenabschnitt mit dem betreffenden kleinen Radius hinaus (um etwa eine Wagenlänge) beibehalten wird, bevor die (fallende) Überhöhungsrampe anschließt. Eine entsprechende Regelung gilt z.B. in der Schweiz.
In Deutschland, wie in den meisten Ländern wird die Überhöhung durch Anheben des bogenäußeren Schienenstranges hergestellt; die bogeninnere Schiene verläuft konstant in der vorgegebenen Längsneigung der Strecke. Lediglich bei Gegenbögen ohne Zwischengerade (z.B. bei „Wendeklothoiden“) verlaufen die Schienen mit stetiger Neigung vom tiefen Strang des ersten zum überhöhten Strang des zweiten (Gegen-)Bogens, das Gleis wird dann um seine Achse gedreht. Anmerkung: In der Schweiz wird abweichend von der sonst üblichen Regelung, allgemein der bogeninnere Strang abgesenkt und der überhöhte Strang angehoben.
1.3.3 Der Überhöhungsfehlbetrag In den Gleisen sind in Deutschland Überhöhungsfehlbeträge von 130 mm allgemein, bzw. von 150 mm in bestimmten, näher definierten Fällen
1.3 Elemente der Linienführung im Kreisbogen
zugelassen. Darüber hinausgehende Werte gelten für Fahrzeuge mit neigbarem Wagenkasten (Neigetechnik). Die EBO legt fest, dass der Überhöhungsfehlbetrag „in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des Oberbaus, von der Bauart der Fahrzeuge sowie von der Ladung und deren Sicherung“ festzulegen ist. Vor der Neufassung der EBO – Novelle 1991 wurden nach umfangreichen Untersuchungen bei der früheren Deutschen Bundesbahn die Bedingungen festgelegt, unter denen Überhöhungsfehlbeträge bis zu 150 mm zugelassen werden können. Der Bereich bis zu 130 mm gilt inzwischen durch die langjährige Erfahrung als abgedeckt bzw. nachgewiesen. Wenn demnach die teilweise größeren Werte nach TSI und EN angewandt werden sollen, müssen auch hier zuvor entsprechende Nachweise geführt werden. In Weichenbögen gelten nach den Richtlinien der DB AG abgeminderte Werte. Hier ist auf einen Unterschied gegenüber den Bestimmungen in anderen europäischen Ländern
hinzuweisen. Dort wird häufig in den durchgehenden Strängen der Bogenweichen der gleiche Überhöhungsfehlbetrag zugelassen wie auch in Gleisen. Auch die TSI kennt keinen Unterschied hinsichtlich des zulässigen Überhöhungsfehlbetrages zwischen Bögen mit oder ohne Weichen.. Die Erfahrungen in Deutschland zeigen jedoch, dass der Instandhaltungsaufwand in Bogenweichen deutlich höher ist als im homogenen Gleisbogen, wenn durchgehend ein zufrieden stellender Fahrzeuglauf gewährleistet werden soll. Dies wird auch von anderen Bahnen (Schweiz, Österreich) bestätigt, bei denen der Anteil an Bogenweichen ähnlich groß ist wie in Deutschland. Aufgrund der Erfahrungen in diesen Ländern wurde in die EN [1.5] eine Empfehlung aufgenommen, nach der die Überhöhungsfehlbeträge in Bogenweichen etwas niedriger angesetzt werden sollen, als im ungestörten Gleis. Diese empfohlenen Werte entsprechen etwa den in Deutschland geltenden Werten. Der Unterschied zwischen Bogenweichen mit (starrem) Herzstück am Außenstrang
Tabelle 1.1 Zulässige Überhöhungsfehlbeträge in Deutschland Gleise bzw. Konstruktion
Gleisbögen, allgemein (Ermessensgrenze) Gleisbögen (Zustimmungswert) Weichenbögen, starres Herzstück im Innenstrang2) Weichenbögen, starres Herzstück im Außenstrang3) Bogenkreuzungen und Bogenkreuzungsweichen Weichenbögen mit beweglicher Herzstückspitze Schienenauszüge in Bögen 1)
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Geschwindigkeit v d 160 160 < v d200 km/h km/h
200 < v d230 km/h
230 < v d300 km/h
4)
nichtzulässig
4)
nicht zulässig
130 mm1) 150 mm 110 mm 110 mm
90 mm
100 mm
nicht zulässig
130 mm
4)
100 mm
4)
In Bögen mit Radius r ≥ 650 m, ohne Zwangspunkte, wie Brücken ohne Bettung, Übergänge zwischen Schotterbett und fester Fahrbahn, befestigte Bahnübergänge 2) Innenbogenweichen, größerer Radius 3) Innenbogenweichen, kleinerer Radius und Außenbogenweichen 4) Im Einzelfall nach Regelung der Zentrale
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
(Radlenker an der inneren Schiene) und solchen mit Herzstück am bogeninneren Strang (Radlenker an der äußeren Schiene) ist durch langjährig gewonnene Ergebnisse der fahrdynamischen Messungen in Deutschland bestätigt. Um einen optimalen Komfort im Reiseverkehr zu gewährleisten, sollte der Überhöhungsfehlbetrag i. Allg. auf Werte um etwa 100 bis 130 mm begrenzt bleiben, sowohl im hochwertigen Fernreiseverkehr mit Speisewagenbetrieb als auch im Nahverkehr, bei letzterem vor allem mit Rücksicht auf stehende Fahrgäste.. Die Annehmlichkeit einer Reise wird aber auch dann nicht spürbar beeinträchtigt, wenn in einzelnen Bögen etwas höhere Seitenbeschleunigungen auftreten.
1.3.4 Die Regelüberhöhung Beim jeweiligen „Mindestradius“ werden die größte Überhöhung und der zulässige Überhöhungsfehlbetrag voll ausgeschöpft. Allgemein liegt es deshalb nahe, die Überhöhung und den Überhöhungsfehlbetrag so zu wählen, wie es jeweils dem Verhältnis der größten zulässigen Werte entspricht. Bei einer größten Überhöhung von u = 160 mm und einem Überhöhungsfehlbetrag von uf = 130 mm beträgt die Überhöhung 55% der ausgleichenden Überhöhung uo. Diesem Verhältnis entspricht die Regelüberhöhung:
Die Werte nach dieser Formel sind etwas kleiner als die nach den früheren Regeln, das ist einerseits begründet durch die größere Spanne der Fahrgeschwindigkeiten im heutigen Betrieb und andererseits durch die im bestehenden Netz tatsächlich vorhandenen – und durch die Erfahrung bestätigten – Überhöhungswerte. Allgemein sollten Überhöhungen von weniger als 20 mm nicht angeordnet werden.
Die „Regelüberhöhung“ ist ein Anhaltswert für Strecken mit gemischtem Betrieb von Reise- und Güterzügen. Auf Strecken mit überwiegend gleichartigem Verkehr, z.B. bei S-Bahnen, kann der Planer eine größere Überhöhung wählen; diese soll jedoch stets kleiner sein als die „ausgleichende Überhöhung“. In Bögen, in denen dagegen nur wenige Züge mit Höchstgeschwindigkeit fahren, z.B. Durchfahrgleise in großen Personenbahnhöfen, sowie allgemein in Bögen mit Weichen soll dagegen die Überhöhung kleiner gewählt werden, etwa zwischen Mindest- und Regelwert.
1.3.5 Wahl der Bogenradien Beim Bau einer neuen Strecke sollte der jeweilige Mindestradius nach Möglichkeit nur dort angewandt werden, wo ein flacherer Bogen aufgrund vorhandener Zwangspunkte wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Im Übrigen wird man die Bogenradien so groß als möglich wählen. Einen „Regelradius“ zu benennen ist deshalb nicht notwendig und auch wenig hilfreich. Da der Mindestradius aber die Grenze darstellt, die nach Erfahrung und Abwägung zwischen Komfortanspruch und Aufwand bei der Instandhaltung festgelegt ist, sollte der Planer einen „kleinsten empfohlenen Radius“ nicht unterschreiten. Dieser sollte um etwa 25% größer sein als der jeweilige Mindestwert, das entspricht etwa einem Radius von:
Auch nach oben sollten die Bogenradien begrenzt werden. Für Bögen mit Überhöhung ergibt sich eine praktische Grenze bei dem Radius, bei dem die Regelüberhöhung weniger als 20 mm beträgt, das ist der Fall bei etwa: r = v2 / 3 (in m; v in km/h). Für Bögen ohne Überhöhung gelten die Regeln für Gleisverziehungen, auf die später eingegangen wird. Mit Rücksicht auf die erzielbare Genauigkeit bei der Pfeilhöhenmes-
1.3 Elemente der Linienführung im Kreisbogen
sung und -prüfung wird heute empfohlen, die Radien nicht größer als 25 000 bis 30 000 m zu wählen. Anmerkung: Wenn bei der Ermittlung des kleinsten Bogenradius auch ein festgelegter Wert für den Überhöhungsüberschuss uu berücksichtigt werden soll, der bei einer, ebenfalls zu definierenden Mindestgeschwindigkeit vmin eingehalten werden soll, gelten folgende Formeln: Aus
und
ergibt sich durch Umformen ein Radius zu
jedoch muss mindestens:
sein. Anschaulicher und wegen der Rundung praktischer ist es aber, zuerst die größte zulässige Überhöhung:
zu bestimmen, und damit den erforderlichen Radius zu berechnen. Beispiel: Für vmax = 230 km/h, uf = 130 mm und vmin = 80 km/h, uu = 110 mm, ergibt sich eine Überhöhung von umin r = 143 ~ 140 mm und damit ein Mindestradius r = 2312 m. Bei schwerem Güterverkehr wäre hier jedoch jedoch u = 120 mm und r = 2500 m zu empfehlen. Wie das Beispiel zeigt, führt die Berücksichtigung des Überhöhungsüberschusses nach den oben angegebenen Formeln und den jetzt für zulässig erachteten Werten (nach EN soll uu auf 110 bis 130 mm begrenzt werden) selbst bei Güterzuggeschwindigkeiten von nur 80 km/h, erst dann zu einer Einschränkung bei der größten Überhöhung wenn die Geschwindigkeit der schnellen Züge mehr als 200 km/h beträgt. Bei Hochgeschwindigkeitsstrecken wird aber einerseits auf die Entmischung des Verkehrs größter Wert zu legen sein, andererseits wird man bei einem Neubau ohnehin die
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Radien so wählen, dass die Überhöhung auf etwa 120 mm beschränkt bleiben kann. Damit erübrigt sich aber die rein theoretische Bestimmung eines zulässigen Überhöhungsüberschusswertes, die auch wegen der kaum genau bestimmbaren tatsächlichen Geschwindigkeiten der langsamen Züge im praktischen Betrieb schon theoretisch fraglich ist.
1.3.6 Längen der Kreisbögen und Geraden Häufige Wechsel der Trassierungselemente sind zu vermeiden, einerseits um den Fahrzeuglauf zu stabilisieren, andererseits um die Instandhaltung soweit als möglich zu vereinfachen. Als Faustregel hat sich eingeführt, dass die Fahrt in den einzelnen Trassierungselementen, Geraden sowie Kreisbögen jeweils mindestens eineinhalb bis zwei Sekunden dauern soll, das entspricht einer Länge von etwa 0,4 v bis 0,6 v (in m; v in km/h). Das Maß ist eine Regel, kein Gebot, und gilt nur für die Geraden und Kreisbögen, nicht für die Länge von Übergangsbögen und auch nur für durchgehende Hauptgleise. Bei relativ großen Radien oder kleinen Überhöhungsfehlbeträgen, wie z.B. bei Gleisverziehungen, kann dieser Regelwert ohne Bedenken auch unterschritten werden. Die Mindestlängen von Zwischengeraden bei Gegenbögen werden später besprochen.
1.3.7 Gleisverziehungen Bei sehr kleinen Richtungsänderungen ist es möglich, dass die Länge eines überhöhten Bogens (z.B. mit u = 20 mm) zu kurz ist, um Übergangsbögen anordnen zu können oder dass ein Bogenradius gewählt werden müsste, bei dem die Regelüberhöhung noch kleiner als 20 mm wäre. Das ist häufig der Fall bei den sog. Gleisverziehungen, bei denen ein Gleis mit einer Folge von Bogen, Zwischengerade und Gegenbogen um ein geringes Maß seitlich
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung Abb. 1.4 Gleisverziehung zwischen geraden, parallelen Gleisen
versetzt werden soll. Bei solchen Gleisverziehungen wird daher i. Allg. auf Überhöhungen und Übergangsbögen verzichtet. Anschließend an eine Gleisverziehung kann das Gleis parallel zur Ausgangsrichtung oder mit einer Richtungsänderung weitergeführt werden. Um einen optimalen Fahrkomfort zu gewährleisten, sollen die Kreisbögen mit einem Radius von r = 0,5 v2 (in m; v in km/h) und die Zwischengeraden mit einer Länge von lg = 0,4 v (in m; v in km/h) trassiert werden. Die Länge lv einer Gleisverziehung zwischen parallelen Gleisen, bestehend aus zwei entgegengesetzt gekrümmten Bögen mit Radius r und einer Zwischengeraden der Länge lg ist dann:
1.4 Übergangsbogen und Überhöhungsrampe 1.4.1 Die Klothoide mit gerader Überhöhungsrampe In der Regel sind in den durchgehenden Hauptgleisen Übergangsbögen und Überhöhungsrampen anzuordnen. Dabei ist die Überhö-
hung durch Anheben der bogenäußeren Schiene herzustellen. Die Fahrbahn bildet dabei eine windschiefe Fläche, die von den Fehlern der gegenseitigen Schienenhöhe überlagert wird, so dass die Radaufstandspunkte eines Fahrzeugs unterschiedlich belastet werden. Die Federung der Räder sowie die elastische Verdrehung des Fahrzeugrahmens müssen daher so ausgelegt sein, dass stets eine ausreichend große vertikale Radkraft, vor allem am führenden Rad, vorhanden ist. Beim Gleis muss die Neigung der Überhöhungsrampe begrenzt werden und es dürfen keine größeren Verwindungsfehler auftreten. Bei der deutschen Bahn gilt als größter Wert der planmäßigen Rampenneigung: 1 : m = 1 : 400. Anmerkung: In anderen Ländern wird die Neigung der Überhöhungsrampe häufig auch in Promille ausgedrückt; 1 : 400 entspricht dann 2,5‰.
Nach den Ergebnissen der Untersuchung zur ORE-Frage B55 [1.6] wird darüber hinaus empfohlen, bei Neu- und Umbauten in geraden Rampen eine Neigung von 1:600 nicht zu überschreiten. Aufgrund der Tatsache, dass in kleinen Radien und damit niedrigen zulässigen Geschwindigkeiten größere Seitenkräfte am führenden Rad auftreten, verbleibt ein etwas größerer Spielraum für betriebsbedingte Verwindungsfehler, wenn die Rampe trotz der geringen zulässigen Geschwindigkeiten auf eine flachere Neigung (1:600) begrenzt bleibt.
1.4 Übergangsbogen und Überhöhungsrampe
Aus demselben Grund wird die für Nebenbahnen nach der EBO zugelassene größte Neigung von 1:300 im Netz der DB nicht angewandt. Anmerkung: Die Empfehlung gilt nicht für geschwungene Rampen, diese dürfen in der Mitte Neigungen bis zu 1:400 aufweisen. Begründet ist dies, weil die größte Neigung an einer Stelle auftritt, an der die Krümmung nur halb so groß ist wie im anschließenden Kreisbogen.
Die größte Neigung 1:400 gilt im Übrigen nur bei Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h. In schneller befahrenen Gleisen muss sie reduziert werden auf: 1 : m = 1 : 8 v. In Ausnahmefällen können steilere Rampen zugelassen werden, bis zu: 1 : m = 1 : 6 v. In der Regel soll jedoch mit einer Rampenneigung von: 1 : m = 1 : 10 v geplant werden. Anmerkung: Die Wahl einer flacheren Rampenneigung bei der Planung einer Trasse wird empfohlen, um spätere Änderungen der Geschwindigkeit und der Überhöhung mit geringem Aufwand zu ermöglichen.
Bei den in Deutschland gegenüber anderen Bahnen relativ flachen Rampenneigungen ist der Knick im Verlauf der Schienenlängshöhe praktisch ohne Bedeutung. Bahnen, die steilere Rampenneigungen zulassen, sehen teilweise Ausrundungen am Rampenanfang und -ende vor. Auf die in Deutschland neben der geraden Rampe ebenfalls angewandte „geschwungene Rampe“ wird später eingegangen. Die Seitenbeschleunigung im Grundriss soll ebenso wie die Querneigung im Aufriss zu- und abnehmen. Bei einer geraden Überhöhungsrampe wird dies durch einen Übergangsbo-
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gen erreicht, bei dem sich die Krümmung (d.h. der Kehrwert aus dem Radius) ebenso geradlinig ändert. Die mathematische Funktion einer Kurve mit linearer Krümmungsänderung über die Bogenlänge ist die Klothoide. Es gilt: R · L = A2 = ri · li , wobei die Größe A als Parameter der Klothoide bezeichnet wird. (R= Radius des Kreisbogens; L= Länge der Klothoide; li = Bogenlänge vom KlothoidenUrsprung bis zum Punkt i; ri = Radius am Punkt i). Die Klothoide hat den Nachteil, dass sich deren rechtwinklige Koordinaten nicht nach einer einfachen Formel berechnen lassen, sondern durch Reihenentwicklung bestimmt oder aus Tabellen entnommen werden müssen. Aus diesem Grund wurden die Übergangsbögen bei Eisenbahnen lange Zeit als Parabel 3. Grades („kubische Parabel“) berechnet. Diese ist als Näherung der Klothoide soweit gut brauchbar, solange die Richtungsänderung innerhalb des Übergangsbogens relativ klein bleibt und der Unterschied zwischen der Bogenlänge und ihrer Projektion auf die Anfangstangente vernachlässigt werden kann. Bei größeren Richtungsänderungen muss die kubische Parabel jedoch korrigiert werden, der Vorteil der einfachen Handhabung geht damit verloren. Dies dürfte der Grund gewesen sein, die Klothoide zuerst im Autobahnbau einzusetzen, weil hier, primär wegen der Anpassung des Straßenverlaufs an die Landschaft, erstmals Übergangsbogen mit größerem Ablenkwinkel zur Anwendung kamen. Heute wird bei der geodätischen Berechnung der Übergangsbögen mit geraden Überhöhungsrampen i. Allg. die Klothoide zugrunde gelegt. Es bleibt aber festzuhalten, dass in den meisten praktisch vorkommenden Fällen die kubische Parabel beim Entwurf einer Eisenbahntrasse für den Planer genügend genaue Ergebnisse liefert, z.B. wenn einzelne Koordinaten an Zwangspunkten schon beim Entwurf benötigt werden. Die Formeln
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung Abb. 1.5 Die Klothoide als Regelform des Übergangsbogens
Tabelle 1.2 zu Abb. 1.5 Näherung
Korrekturglied
Parabel 3.O.
Ordinate y
Abrückmaß f
Messpunkt xM f. d. Abrückmaß
der kubischen Parabel können aus Tabelle 1.3 entnommen werden. Aus den Korrekturgliedern ist die Differenz zwischen Klothoide und kubischer Parabel zu ersehen. Im Straßenbau gilt die Regel, dass der Parameter A der Klothoide zwischen den beiden Größen: R/3 ≤ A ≤ R liegen soll. Das bedeutet, dass Übergangsbögen im Straßenbau bis zu einer Länge L=R vorkommen können. Bei der Eisenbahn ist der Übergangsbogen relativ zum Radius i. Allg. wesentlich kürzer, z.B. ist bei l = 120 m
und r = 275 m (v = 80 km/h) das Verhältnis l/ r = 0,44. Bei hohen Geschwindigkeiten wird dieses Verhältnis sogar noch kleiner, z.B. bei l = 480 m und r = 4500 m (v = 300 km/h) ist l/ r = 0,11, das entspricht dem kleinsten Wert der im Straßenbau üblichen Parameter A. Für den Planer besteht der Unterschied zwischen Eisenbahn- und Straßentrassierung praktisch nur darin, dass bei der Straße Klothoidenschablonen schon beim Trassenentwurf eingesetzt werden, während es bei der Bahn zunächst genügt, nur mit Geraden und Kreisbögen zu arbeiten. Da das Abrückmaß bei Bahntrassen meist sehr klein ist und im Maßstab eines Vorentwurfs nicht dargestellt werden kann, genügt es, die Übergangsbögen
1.4 Übergangsbogen und Überhöhungsrampe
je zur Hälfte in der Geraden bzw. im Kreisbogen abzutragen und die Hauptpunkte Übergangsbogenanfang und Übergangsbogenende zu markieren. Bei Darstellungen im größeren Maßstab kann der Übergangsbogen im Mittelteil als Kreisbogen mit doppeltem Radius gezeichnet werden.
1.4.2 Übergangsbogen- und Rampenlänge In der Regel sollen Übergangsbogen und Überhöhungsrampe ein Element bilden, d.h. zusammenfallen. Vor allem in vorhandenen Anlagen müssen aber z.T. Abweichungen von dieser Regel in Kauf genommen werden. In bestimmten Fällen kann es sogar auch bei Neubauten zweckmäßig sein, Überhöhungsrampen in Kreisbögen anzuordnen, z.B. im Anfahr- und Bremsbereich von Nahverkehrsbahnen oder allgemein bei einem Wechsel der zulässigen Geschwindigkeit innerhalb eines längeren Kreisbogens. Die Länge des Elements – Übergangsbogen und Überhöhungsrampe – errechnet sich: – entweder aus der zulässigen Rampenneigung 1 : m – oder aus der zeitlichen Änderung des Überhöhungsfehlbetrages ∆uf : Dabei ergeben sich folgende Werte für die Mindestlänge des gemeinsamen Elementes: – aufgrund der Rampenneigung:
(in m, v in km/h, 'u in mm). Die zeitliche Änderung der Überhöhung beträgt dabei: ∆u/t = 35 mm/s. – aufgrund der Änderung der Seitenbeschleunigung (des Überhöhungsfehlbetrages):
(in m, v in km/h, ∆uf in mm).
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Die zeitliche Änderung des Überhöhungsfehlbetrages ist dann: ∆uf /t ≤ 70 mm/s. Die Änderung des Überhöhungsfehlbetrages ist nur dann maßgebend für die Mindestlänge des Elements: Übergangsbogen plus Überhöhungsrampe, wenn der Überhöhungsfehlbetrag doppelt so groß oder größer ist als die Überhöhung. Wird die Regelüberhöhung gewählt, so ist stets die Rampenneigung maßgebend. Die Regellänge des Elementes ergibt sich aus der Rampenneigung zu:
(in m, v in km/h, ∆u in mm). Dabei ist die Änderung der Überhöhung in der Zeit: ∆u/t = 28 mm/s. Aus der Änderung des Überhöhungsfehlbetrages folgt, wie bei der Mindestlänge:
(in m, v in km/h, ∆uf in mm). Anmerkung: Für die Änderung des Überhöhungsfehlbetrages ist kein Regelwert vorgegeben.
Beispiel: Gegeben ist ein Bogen mit r = 1133 m, die Geschwindigkeit soll 120 km/h sein, die ausgleichende Überhöhung beträgt 150 mm. Bei Wahl der Regelüberhöhung (u = 85 mm) ist die Übergangsbogenlänge aus der Rampenneigung zu bestimmen, sie beträgt mindestens: l = 8 120 0,085 = 82 m. Bei Wahl der Mindestüberhöhung (u = 20 mm) ergäbe sich aus der Rampenneigung eine Mindestlänge von 19,2 m. Maßgebend ist dann jedoch die Änderung des Überhöhungsfehlbetrages ('uf = 130 mm). der Übergangsbogen muss danach mindestens 62,4 m lang sein. Die kürzeste Länge erhält man jedoch, wenn die ausgleichende Überhöhung im Verhältnis von einem
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Drittel Überhöhung zu zwei Dritteln Überhöhungsfehlbetrag aufgeteilt wird. Dann ist: l = 8 120 0,050 = 4 120 0,100 = 48 m.
1.4.3 Der Übergangsbogen mit geschwungener Rampe 1.4.3.1 Gründe für die Anwendung geschwungener Rampen Wie bereits erwähnt, werden bei Bahnen in einigen anderen Ländern die Überhöhungsrampen an den Enden ausgerundet. Andererseits werden dort steilere Rampenneigungen angewandt. Als sich bei Einführung des Verkehrs mit Schnelltriebwagen in Deutschland zeigte, dass die Verlängerung der Übergangsbögen infolge der seitlichen Verschiebung der Kreisbögen hohe Kosten am Bahnkörper verursachen kann, hat man nach Möglichkeiten gesucht, um auch steilere Rampen anwenden zu können. So wurde bereits vor mehr als 70 Jahren auf Initiative von Schramm die sog. „geschwungene Rampe“ in der Form eingeführt, die Helmert bereits 1870 beschrieben hatte. Als größte Neigung in der Mitte der Überhöhungsrampe wurde dabei der, gegenüber der geraden Rampe doppelte Wert zugelassen. Damit kann der Übergangsbogen – ohne Seitenverschiebung des Kreisbogens – um ca. 40% verlängert werden, ebenso ist – bei gleicher Geschwindigkeit – eine Vergrößerung der Überhöhung um ca. 40% möglich. Gegenüber der Rampenform nach Helmert und Schramm lassen sich aber noch weitere Vorteile bei Geschwindigkeitserhöhungen mit einer Form des Elementes: Übergangsbogen plus Überhöhungsrampe erzielen, wie sie 1936 von Bloss vorgeschlagen wurde. Die Funktion der Überhöhung (und Krümmung) ist hier eine Parabel 3. Grades, die Neigung in Rampenmitte ist (bei gleichem Abrückmaß im Grundriss) etwas flacher als bei einer Rampe nach Helmert und Schramm; zudem ist das Element etwas kürzer. Bei unverändertem
Abrückmaß und unter sonst gleichen Bedingungen ist es möglich, mit einem Übergangsbogen nach Bloss die Überhöhung gegenüber der bei einer Klothoide mit gerader Rampe um ca. 70% zu vergrößern. Aus diesem Grunde wurde die Übergangsbogen- und Rampenform nach Bloss in Deutschland eingeführt. Sie wird vor allem bei der Ertüchtigung (Erhöhung der Geschwindigkeit) auf vorhandenen Strecken, aber auch auf neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken angewandt. 1.4.3.2 Länge der Übergangsbögen nach Bloss Bei geschwungenen Rampen beträgt die zulässige Neigung in Mitte der Rampe (größter Wert) in Deutschland: 1 : mM = 1 : 4 v bzw. 1 : 400. Die Mindestlänge eines Übergangsbogens mit geschwungenen Rampe nach Bloss ist damit:
(in m, v in km/h, 'u in mm). Bei Neubauten soll das Element: Übergangsbogen und Überhöhungsrampe etwa 25‰ länger gewählt werden:
(in m, v in km/h, 'u in mm). Auch bei Übergangsbögen nach Bloss muss die Änderung des Überhöhungsfehlbetrages berücksichtigt werden, wenn sich damit größere Längen ergeben. Es gilt:
(in m, v in km/h, 'uf in mm). Mit den oben angegebenen Formeln ist die – zeitliche Änderung der Überhöhung beschränkt auf: 'u / t d 70 mm/s und – zeitliche Änderung des Überhöhungsfehlbetrages auf: 'uf / t d 93 mm/s.
1.4 Übergangsbogen und Überhöhungsrampe
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Abb. 1.6 Übergangsbogen nach Bloss
Beide Werte erreichen ihren jeweils größten Betrag jedoch nur punktuell in der Mitte des Übergangsbogens- bzw. der Überhöhungsrampe. Die Länge eines Übergangsbogens nach Bloss ist nach der Änderung des Überhöhungsfehlbetrages zu bemessen, wenn das Verhältnis zwischen Überhöhung und Überhöhungsfehlbetrag kleiner ist als 4,5 / 6, das heißt, wenn die Überhöhung kleiner ist als ~ 43% der ausgleichenden Überhöhung.
Verlängerung der Klothoide bedingt aber stets eine Verschiebung der Trasse zur Bogeninnenseite. In solchen Fällen bietet sich eine Umwandlung der Klothoide in einen Übergangsbogen mit geschwungener Rampe und ebenso geschwungener Krümmungslinie an. Das Abrückmaß eines Übergangsbogens nach Bloss ist
1.4.3.3 Umwandlung von Übergangsbögen Wenn in einem vorhandenen Übergangsbogen mit gerader Rampe (Klothoide) die Überhöhung geändert werden soll, um eine höhere Geschwindigkeit zulassen zu können, reicht die Rampenlänge hierfür oft nicht aus. Eine
Damit kann eine Klothoide mit der Länge lK – ohne Seitenverschiebung des Kreisbogens – umgewandelt werden in einen Übergangsbogen nach Bloss mit der Länge:
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Beispiel: In einem vorhandenen Bogen mit Radius r = 800 m und beiderseitigen, je 110 m langen Übergangsbögen (Klothoiden) soll die Geschwindigkeit soweit als möglich angehoben werden. Durch Umwandlung der Klothoiden in Übergangsbögen nach Bloss können diese auf 1,29 110 = 142 m verlängert werden. Dies reicht aus, um eine Überhöhung von 160 mm herzustellen und den Bogen mit v = 140 km/h (uf = 129 mm) befahren zu können. (lmin = 6 140 0,16 = 134,4 < 142 m.) (Die Änderung des Überhöhungsfehlbetrages ergibt eine Mindestlänge von 4,5 140 0,129 = 81,3 m und ist hier nicht maßgebend.) Anmerkung: Der Grund für die Einführung geschwungener Überhöhungsrampen in Deutschland war nicht primär die bessere fahrdynamische Eignung, diese kann bei geraden Rampen mit entsprechend flacher Neigung als gegeben vorausgesetzt werden, sondern, wie erwähnt, das kleinere Abrückmaß und die damit geschaffene Möglichkeit zur Verlängerung der Übergangsbögen auf vorhandenem Bahnkörper. Eine weiter verfeinerte theoretische Betrachtung der Bewegung eines Massenpunktes auf idealer Bahn mit Hilfe von Funktionen höherer Ordnung lässt angesichts der Abweichungen der Gleislage im praktischen Betrieb und der unterschiedlichen Reaktionen der verschiedenen Fahrzeuge keinen Gewinn erwarten, weder beim Fahrzeuglauf, noch bei der Instandhaltung. Die Auswertung der zahlreichen Messungen bei der oberbautechnischen Qualitätskontrolle lassen immer wieder erkennen, dass die Unterschiede zwischen geraden und geschwungenen Rampen bei der geometrischen Messung eines Gleises mit gutem Zustand zwar deutlich abgebildet werden, bei den fahrdynamischen Messungen von der größeren Bandbreite der Kräfte und Beschleunigungen überdeckt werden und daher aus dem Verlauf der Kraftund Beschleunigungsschriebe kaum Unterschiede der Rampenformen erkannt werden können.
1.5 Der Bogen ohne Übergangsbogen 1.5.1 Krümmungswechsel und Vergleichsradius In den Bögen der „übrigen“ Haupt- und der Nebengleise gilt, dass hier, im Gegensatz zu den durchgehenden Hauptgleisen i.d.R. auf Übergangsbögen verzichtet wird. Außerdem haben diese Gleise i.d.R. keine Überhöhung und damit auch keine Überhöhungsrampen. Ein Fahrzeug, das aus einer Geraden kommend in einen Kreisbogen einfährt, erfährt am Bogenanfang eine plötzliche Änderung der Fliehbeschleunigung. Der federnd mit dem Laufwerk verbundene Wagenkasten „wankt“, d.h. er neigt sich zur Bogenaußenseite. Im Bogen selbst stellt sich ein neues Gleichgewicht zwischen dem Wankmoment und dem Rückstellmoment der Wagenfederung ein. Unmittelbar bei der Bogeneinfahrt, wankt der Wagenkasten aber über die neue (geneigte) Gleichgewichtslage hinaus. Die Seitenbeschleunigung im Wagen wird dabei kurzzeitig etwa doppelt so groß wie die rechnerische Fliehbeschleunigung im Kreisbogen. Zur Ermittlung einer zulässigen, noch ausreichenden Komfort bietenden Größe der Seitenbeschleunigung wurden verschiedene Theorien aufgestellt. Ein kinematisches Fahrzeugmodell zu entwickeln und dessen Verhalten beim Befahren eines Krümmungswechsels zu untersuchen, dürfte mit den heute verfügbaren Rechenmethoden kaum ein Problem darstellen. Schwieriger dagegen dürfte es sein, sich auf ein „Normfahrzeug“ zu einigen, das alle in Frage kommenden, heutigen und künftigen Fahrzeuge mit deren jeweiliger Charakteristik hinsichtlich der Abmessungen, der Anordnung der Achsen sowie der Federung und Dämpfung abdeckt. Außerdem müsste auch eine „Normgeometrie“ definiert werden, bei der, statistisch gesichert, die Abweichungen von der Soll-Gleislage berücksichtigt sind. Nach den Ergebnissen der Beratungen zur Europä-
1.5 Der Bogen ohne Übergangsbogen
19
Abb. 1.7 Seitenbeschleunigung an einem Krümmungswechsel
ischen Norm [1.5] ist derzeit aber kein derartiges Verfahren allgemein anerkannt. Andererseits haben die Bahnen aber unzählige Anlagen – vor allem Weichen – in Betrieb, die tagtäglich mit den weitgehend durch Erfahrung festgelegten Geschwindigkeiten ebenso weitgehend auch zufrieden stellend befahren werden. Zu beachten ist weiter, dass die Geschwindigkeiten in den Weichenbereichen durch Signale angezeigt und in den Betriebsunterlagen niedergelegt sind und deshalb für alle Fahrzeuge einheitlich gelten müssen. Aufgrund dieser Erfahrungen gilt bei den meisten Bahnen in Europa, dass bei unvermitteltem Krümmungswechsel von einer Geraden in einen Kreisbogen bis zu einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h ein Überhöhungsfehlbetrag von etwa 100 mm zugelassen werden kann und wird. In Deutschland gilt für diesen Anwendungsfall (v d 100 km/h) die vereinfachte Beziehung:
und umgekehrt:
Der Überhöhungsfehlbetrag ist dabei: uf = 106 mm. Bei der früheren Deutschen Reichsbahn (DR) wurde ein Überhöhungsfehlbetrag von (genau) uf = 100 mm zugrunde gelegt. Damit lauteten die entsprechenden Gleichungen:
Die Radien und die zulässigen Geschwindigkeiten der in Tabelle 1.3 angegebenen, in Deutschland verwendeten Weichen halten auch diese Werte ein. Tabelle 1.3 In Deutschland verwendete Regel-Weichen Zweiggleisradius r0
Geschwindigkeit im Zweiggleis vz
Überhöhungsfehlbetrag uf bzw. 'uf
190 300 500 760 1200 2500 4000 7000
40 50 60 (65) 80 100 130 160 200
99 98 85 (100) 99 98 80 76 67
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Die Zweiggleisradien sowie die zulässigen Geschwindigkeiten entsprechen, mit geringfügigen Rundungsabweichungen, den Vorgaben der EN [1.5]. Bei Gegenbögen und Korbbögen ist der Krümmungsunterschied umzurechnen in einen entsprechenden Vergleichsradius rW (Bezeichnung nach der DB-Richtlinie 800.0110, an anderer Stelle auch r0* oder rid). Dieser Vergleichsradius entspricht dem Radius, der beim Krümmungswechsel: Gerade/ Kreisbogen. einen gleich großen Krümmungsunterschied ergibt. Es gilt:
(in m; + bei Gegenbögen, – bei Korbbögen) Beispiel: Ein vorhandener Gegenbogen hat die Radien 1200 und 400 m, damit ist der Vergleichsradius: rW = 1200 400 / 1200 + 400 = 300 m. Die zulässige Tabelle 1.4 Vergleichsradius rW Geschwindigkeit in km/h
40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200
Vergleichsradius*) in m 178 278 400 544 711 900 1111 1500 (1472) 1850 (1827) 2250 (2216) 2700 (2658) 3200 (3199) 3800 (3776) 4400 (4429) 5200 (5237) 6000 (6085) 7000 (7045)
*) Werte bei v > 100 km/h gerundet
Änderung des Überhöhungsfehlbetrages in mm
106 mm
97 93 90 87 83 80 77 73 70 67
Geschwindigkeit ist 50 km/h entsprechend der im Zweiggleis einer Weiche mit ro = 300 m.
In der EN [1.5], Teil 2, ist zur Festlegung der zulässigen Geschwindigkeit an einem Krümmungswechsel der Unterschied des Überhöhungsfehlbetrages ',lim definiert, dabei entspricht ,lim dem zulässigen Überhöhungsfehlbetrag uf. Es ist: bei v d 100 km/h: ',lim = 100 mm, bei 100 < v d 220 km/h: ',lim d 133,3 – 0,333 v (in mm, v in km/h). Die Werte der EN sind empfohlene Werte, d.h. geringfügige Überschreitungen sind möglich. Die Beziehung zwischen dem Vergleichsradius und der Änderung der ausgleichenden Überhöhung 'u0 (gleich der Änderung des Überhöhungsfehlbetrages 'uf ) lautet:
1.5.2 Längen der Zwischengeraden oder Zwischenbögen Bei jedem Krümmungswechsel reagiert das Fahrzeug auf die wechselnde Seitenbeschleunigung durch Änderung des Wankwinkels. Wie erwähnt, schwingt der Wagenkasten dabei über die neue Gleichgewichtslage hinaus und stellt sich auf diese in gedämpfter Schwingung erst nach einer gewissen Zeit ein. Innerhalb der Strecke, die in dieser Zeit durchfahren wird, sollte kein weiterer Krümmungswechsel folgen. Aufgrund der praktischen Erfahrung sowie durch Versuchsfahrten bestätigt, wurden die folgenden, in Deutschland geltenden Mindestlängen zwischen Gegenbögen festgelegt: bei v d 70 km/h l = 0,10 v bei 70 < v d 100 km/h l = 0,15 v und bei v > 100 km/h l = 0,20 v, (je in m). Der Zwischenabschnitt kann eine Gerade, ein Kreisbogen oder Teil eines Übergangsbogens
1.5 Der Bogen ohne Übergangsbogen
sein. Ist der Abstand zwischen zwei Krümmungswechseln kürzer als die Mindestlänge, so sind die aufeinander folgenden Krümmungswechsel fahrdynamisch als ein Krümmungswechsel zu betrachten. Zwischen Krümmungswechseln in gleichgerichteten Bögen (Korbbögen) ist keine Mindestlänge vorgegeben, hier ist der jeweils größte Krümmungsunterschied, bzw. der kleinste Vergleichsradius, für die zulässige Geschwindigkeit maßgebend. In vorhandenen Anlagen sind, aufgrund früherer Regelungen, Zwischengeraden mit Längen von weniger als 0.15 v z.T. auch bei Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h vorhanden. Solche Gleisverbindungen sollten bei einer Erneuerung entsprechend geändert werden. Die zulässige Fahrgeschwindigkeit ist ggf. durch Fahrversuche nachzuweisen, sie darf nicht größer sein als das Zehnfache der jeweiligen Länge in Metern (min l t 0,1 v). Wenn abzuwägen ist, ob eine längere Zwischengerade oder ein größerer Radius im folgenden Gegenbogen gewählt werden soll, so ist der größere Radius vorzuziehen, vorausgesetzt die Mindestlänge der Zwischengeraden ist vorhanden. Anmerkung: Die wirksame Länge einer Zwischengeraden hängt wesentlich auch davon ab, ob und in welcher Größe das Gleis von seiner Soll-Lage abweicht. Der Verfasser schlägt deshalb vor, Zwischengeraden mindestens so lang zu wählen, dass bei einer angenommenen Verschiebung der Gleisachsen von jeweils etwa einem Zentimeter zu Bogenaußenseite noch eine Zwischengerade von mindestens 0,1 v zwischen den (verlängerten) Kreisbögen verbleiben würde.
Die Zwischengeraden bei Bögen mit kleinen Radien (r < 220 m) sind im folgenden Abschnitt behandelt. Zwischengeraden in durchgehenden Hauptgleisen wurden in Abschn. 1.3.7 angesprochen.
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1.5.3 Gegenbogen mit kleinen Radien Bei Gegenbögen mit kleinen Radien muss beachtet werden, dass sich die Puffer der aneinander stoßenden Fahrzeuge noch ausreichend überdecken. Hierfür gilt in Europa das UIC-Merkblatt 725 – 1 VE [1.7], das auch in die TSI aufgenommen wurde. Dieses Merkblatt fordert eine Zwischengerade, wenn zwei entgegengesetzt gekrümmte Bögen mit Radien r1= r2 < 200 m aneinander stoßen. Die Länge der erforderlichen Zwischengraden hängt jeweils von der Größe des Krümmungsunterschiedes ab. Eine mögliche Spurerweiterung bis zu 1470 mm ist dabei berücksichtigt. Im Übrigen wird eine fehlerfreie geometrische Gleislage unterstellt, die aber in der Praxis nicht vorausgesetzt werden kann. Nach den Erfahrungen der früheren Deutschen Bundesbahn sind mehrere Fälle von Unregelmäßigkeiten (auch Aushängen der Kupplungen) bekannt, die an Gegenbögen mit entsprechend kleinen Radien (z.B. r1 /r2 = 190/215 m) auftraten. Solche Störungen sind offenbar nur deshalb selten wahrgenommen worden, weil die weitaus häufigste Kombination von Gegenbögen mit Radien r = 190/190 m seit langem in Deutschland mit mindestens 6 m langen Zwischengeraden trassiert wird und Gegenbögen mit größeren Weichen (z.B. r1 / r2 = 190/300 m) weit außerhalb des kritischen Bereichs liegen. Um auch in Zukunft solche Störungsquelle auszuschalten, wird heute eine sechs Meter lange Zwischengerade bereits gefordert, wenn der Vergleichsradius: rW < 110 m (bzw.107 m)1 ist. Bei einem Vergleichsradius rW < 80 m (r1/ r2 < 160/160 m) wäre eine Zwischengerade von mehr als 6 m erforderlich. Solche Gegenbögen (z.B. r1/ r2 = 160 m), kommen in Deutschland aber extrem selten vor, deshalb 1 Zwei unmittelbar Spitze an Spitze verlegte Außenbogenweichen 215–1:4,8 sind noch zulässig.
22
1 Trassierung und Gleisplangestaltung
genügt hier der Hinweis auf das entsprechende UIC-Merkblatt.
1.6 Entwurf der Spurpläne Es werden hier die Regeln und Bedingungen angesprochen, die bei allen Anlagen in Verbindung mit Weichen zu beachten sind, sowie die Trassierungselemente der „übrigen Hauptgleise“, d.h. der Hauptgleise außer den „durchgehenden“ Hauptgleisen sowie der Nebengleise.
1.6.1 Wahl und Anordnung der Weichen Weichen sind besonders aufwändige Fahrwegelemente, in der Beschaffung wie in der Instandhaltung: Sie sind außerdem auch die Elemente, die am häufigsten von Störungen betroffen sind. Bei der Bestimmung der notwendigen Weichen ist daher ein strenger Maßstab anzulegen, ganz besonders bei Weichen in durchgehenden Hauptgleisen. Soweit es möglich ist, sollten deshalb die erforderlichen Fahrwege über schwächer belastete Gleise geführt werden, wenn damit die Anzahl der Weichen in den durchgehenden Hauptgleisen verringert werden kann. Dies gilt auch, wenn an anderer Stelle die gleiche Anzahl von Weichen bzw. dieselben Weichenformen eingebaut werden müssten. Im abzweigenden Strang der Weichen wird, weil es die wirtschaftliche Verwendung der sehr teueren Weichen anders nicht zulässt, ein unvermittelter Krümmungswechsel in der nach allgemeiner Auffassung noch erträglichen Größe in Kauf genommen. Anmerkung: Die Bezeichnung „Ruck“ für die Änderung der Seitenbeschleunigung wird hier vermieden, da sie in der Literatur mehrdeutig verwendet wird.
Erträglich heißt es auch deshalb, weil im Verlauf einer längeren Reise der abzweigende Strang der Weichen überwiegend nur relativ langsam und im Mittel langsamer als zulässig befahren wird. Dies ist sowohl bei der Einund Ausfahrt von haltenden Zügen als auch bei Überleitstellen auf freier Strecke der Fall, wobei letztere ohnehin nur relativ selten, d.h. bei Arbeiten am Gleis und in Störungsfällen, benutzt werden. Besondere Beachtung verdienen andererseits die Weichen, die in beiden Strängen häufig und schnell befahren werden, wie z.B. Weichen bei Streckenverzweigungen, hierauf wird später noch eingegangen. In der Regel sind Weichen nur für die Geschwindigkeit vorzusehen, die betrieblich gefordert und auch tatsächlich zugelassen wird. Unterschiedliche Geschwindigkeiten in verschiedenen Fahrwegen bedingen auch eine unterschiedliche Signalisierung. Die endgültige Wahl muss daher mit der Planung der Leit- und Sicherungstechnik abgestimmt werden. Vom Beginn bis zum Ende einer Fahrstraße muss i. Allg. auch stets eine gleich bleibende Geschwindigkeit zugelassen werden. Nur in sehr großen Bahnhöfen kommen abgestufte Geschwindigkeiten in Frage, diese müssen im Einzelfall gemeinsam mit allen Beteiligten untersucht und festgelegt werden. Eine Ausnahme von der Regel, nur die jeweils kleinste erforderliche Weiche zu wählen, gilt bei den einfachen Weichen mit Radius 190 m, wenn diese im Zweiggleis besonders stark befahren werden. Hier kann es sinnvoll sein, sie durch Weichen mit Radius 300 m zu ersetzen um den sonst sehr starken Fahrkantenverschleiß reduzieren zu können. An Personenbahnsteigen und Laderampen sollten weder Weichen der Grundform mit Radius ro = 190 m noch Bogenweichen mit rz < 250 m eingebaut werden, weil sonst die Bahnsteigkante, bzw. Rampenkante wegen des größeren Lichtraumbedarfs zurückgesetzt werden muss. Nach Möglichkeit sind einfache Weichen zu verwenden. Kreuzungen und Kreuzungsweichen sind in durchgehenden Hauptgleisen, wenn immer möglich zu vermeiden und
1.6 Entwurf der Spurpläne
„aufzulösen“, d.h. durch einfache Weichen zu ersetzen. Dies gilt auch für die fahrdynamisch etwas günstigeren aber baulich aufwändigeren, Flachkreuzungen mit beweglichen Doppelherzstückspitzen. In den übrigen Gleisen ist der Verzicht auf Kreuzungen und Kreuzungsweichen, wegen des größeren Platzbedarfs und der Verlängerung der Rangierfahrwege vielfach nicht möglich. Soweit Kreuzungsweichen notwendig werden, sollten diese nach Möglichkeit nur in den Formen 190 – 1:9, (auch mit abgewandelter Endneigung) eingebaut werden. Ein sehr strenger Maßstab ist ferner anzulegen bei den sog. Doppelweichen, diese sollten nur bei extrem beengten Verhältnissen verwendet werden. In Deutschland sind in den zurückliegenden Jahrzehnten hinsichtlich der Vereinfachung der Weichenbereiche umfangreiche Vorleistungen
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erbracht worden. Heute ist es fast ausnahmslos möglich, alle begründbaren Spurplanwünsche mit einer begrenzten Zahl von „Regelweichen“ zu erfüllen.
1.6.2 Die Weiche als Spurplanelement 1.6.2.1 Geometrie der Weichen Die „klassische“ Form der einfachen Weiche hat ein gerades Stammgleis und ein Zweiggleis mit konstantem Radius. Die Zweiggleisachse tangiert am Weichenanfang die Achse des Stammgleises. Der Zweiggleisbogen endet entweder vor oder nach dem Herzstück, im letzteren Fall meist am Weichenende. Entsprechend hat die Weiche entweder ein gerades oder ein gebogenes Herzstück. Bei Weichenformen mit Bogenherzstück kann auch ein kurzes Stück
Abb. 1.8 Grundformen der einfachen Weichen
24
1 Trassierung und Gleisplangestaltung
des Zweiggleisbogens zwischen Herzstück und Weichende durch eine Gerade ersetzt sein oder werden. Bei der Planung von Weichenbereichen ist zu beachten, dass Stamm- und Zweiggleis hinter dem Weichenende noch auf eine gewisse Länge über die „durchgehenden Schwellen“ miteinander verbunden sind. Zwischen Weichende (WE) und letzter durchgehender Schwelle (ldS) können beide Gleise im Grundriss unabhängig voneinander trassiert werden. Im Querschnitt müssen jedoch alle vier Schienen auf einer Ebene liegen, so dass sie im Aufriss auf derselben Höhe verlaufen oder, bei überhöhten Gleisen, im Querschnitt auf einer gemeinsamen schrägen Ebene bzw. windschiefen Fläche liegen (vgl. hierzu auch Abschn. 1.6.3). Die Gleishöhenlage wird i. Allg. in einem Weichenhöhenplan (bei der DB AG bezeichnet als „Weichenvermarkungsplan“) dargestellt. Um den Fahrt im Herzstückbereich zu verbessern und den Verschleiß günstig zu beeinflussen, wurden Weichen mit beweglichen Herzstückspitzen entwickelt. Dabei werden die Herzstücke, wie Weichenzungen bewegt und gesichert, die Radlenker können entfallen. Der sicherungstechnische Aufwand für das bewegliche Herzstück entspricht dem einer zusätzlichen Weiche. In den deutschen Richtlinien werden bewegliche Herzstückspitzen erst bei Gleisen gefordert, die mit mehr als 230 km/h, nach den EN erst mit Geschwindigkeiten von 280 km/h und darüber befahren werden sollen. Die Entscheidung über den notwendigen Einbau solcher Weichen liegt im Übrigen beim Netzbetreiber. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass Weichen mit einer Endneigung von weniger als 1:30 mit Rücksicht auf die Magnetschienenbremsen mit beweglichen Herzstückspitzen ausgerüstet sein müssen. Dies ist jedoch eine Frage der Weichenkonstruktion, nicht der Weichenverwendung.
1.6.2.2 Bogenweichen Die in Deutschland verwendeten Weichen sind, mit wenigen Ausnahmen, weitestgehend freizügig zu Innen- oder Außenbogenweichen verformbar. Dabei bleibt die Krümmungsdifferenz zwischen Stamm- und Zweiggleis erhalten, es ändern sich die Schienenlängen und die Schwellenabstände; z.T. müssen auch die Herzstücke angepasst werden. Konstruktiv wird – unabhängig von der betrieblichen Bedeutung des jeweiligen Fahrwegs – stets das schwächer gekrümmte Gleis als Stammgleis und das stärker gekrümmte Gleis als Zweiggleis bezeichnet. Bei Weichen in Übergangsbögen sind die Krümmungsverhältnisse in Weichenmitte für die Unterscheidung zwischen Stamm- und Zweiggleis maßgebend. Anmerkung: Eine einfache Weiche der Grundform, im Bogen eines durchgehenden Hauptgleises und mit einem geraden Zweiggleis, ist wie eine Außenbogenweiche zu betrachten.
Die Radien der Bogenweichen können vereinfacht mit Hilfe der Krümmungsüberlagerung bestimmt werden; dabei entspricht die Krümmungsdifferenz zwischen Stamm- und Zweiggleis der Krümmung des Zweiggleises in der Grundform der betreffenden Weiche. Zur Vereinfachung legt man den 1000fachen Kehrwert der Radien als Krümmung zugrunde, dann gilt:
(+ bei Außen-, – bei Innenbogenweichen). Hieraus ergeben sich die jeweils unbekannten Radien: – bei Abzweigungen zur Bogeninnenseite (Innenbogenweichen):
rS ist der gegebene Stammgleisradius und rZ der gesuchte Radius des Zweiggleises, r0 ist der Radius der Weichengrundform.
1.6 Entwurf der Spurpläne
– bei einer Innenbogenweiche, die zur Bogenaußenseite abzweigt:
rZ ist der gegebene Radius des durchgehenden Gleises und rS der gesuchte Radius des nach außen abzweigenden Gleises r0 ist der Radius der Weichengrundform. – bei einer Abzweigungen zur Bogenaußenseite als Außenbogenweiche:
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Wie erwähnt, beruhen die oben genannten Formeln auf dem Näherungsprinzip der Krümmungsüberlagerung, sie sind für Entwürfe und zum fahrdynamischen Nachweis der zulässigen Geschwindigkeit stets genügend genau. Bei Annahme exakt konstanter Tangentenlängen ergeben sich geringfügig unterschiedliche Radien, dann gelten die Formeln: – bei Abzweigungen nach innen:
– und bei Abzweigungen nach außen: r1 ist der gegebene Radius und r2 der gesuchte Radius des nach außen abzweigenden Gleises, r0 ist der Radius der Weichengrundform. Entsprechend dem Rechenergebnis wird das Gleis mit dem größeren Radius als Stammgleis, das mit dem kleineren als Zweiggleis bezeichnet.
.
Der Unterschied zwischen den nach der vereinfachten Formel berechneten Radien und den Ergebnissen der genaueren Formel beträgt bei den deutschen Regelweichen maximal etwa 0,5% und ist für die Spurplanung ohne
Abb. 1.9 Außenbogenweichen (ABW) und Innenbogenweichen (IBW)
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Tabelle 1.5 Grenzen der Biegbarkeit bei einfachen Weichen Zweiggleisradius der Weichengrundform (in m)
Kleinste Stamm- und Zweiggleisradien bei Innenbogenweichen (in m)
190 300 500 760 1200 2500
2217/175 420/175 333/200 500/302 700/442 1510/941
Bedeutung. Auch für die geodätische Berechnung („Einrechnung“) von Gleisanlagen mit Bogenweichen ist der genaue Zweiggleisradius innerhalb der Weiche nicht von Interesse, weil hierfür meist nur das Spreizmaß und der Neigungswinkel am Weichenende benötigt werden. Lediglich bei der Weichenfertigung ist z.T. eine höhere Genauigkeit erforderlich. Zur Ermittlung der zulässigen Geschwindigkeiten sind die Näherungsformeln (Krümmungsüberlagerung) stets ausreichend genau. Bei Innenbogenweichen sind die Grenzen der Biegbarkeit (Tabelle 1.5) zu beachten, einerseits weil wegen der sonst notwendigen Spurerweiterung der Zweiggleisradius nicht klei-
Abb. 1.10 Weiche im Übergangsbogen
ner werden darf als 175 m, und andererseits weil bei zu starker Verbiegung größere konstruktive Änderungen an der Weiche notwendig werden. Die Grenze hierfür liegt bei einem kleinsten Zweiggleisradius von ca. 40% des jeweiligen Radius der Grundform, so z.B. dürfen Weichen mit ro = 500 m in der Grundform nur bis zu einem kleinsten Zweiggleisradius von rz = 200 m gebogen werden (siehe Tabelle 1.5). Werden Weichen in Übergangsbögen eingebaut, so sollen letztere als Klothoiden mit geraden Überhöhungsrampen gestaltet werden. Die Krümmungsverhältnisse im abzweigenden Strang ergeben sich, ebenso wie bei den Weichen in Kreisbögen, unmittelbar aus der Überlagerung der Krümmung der Weichengrundform mit der Krümmung des durchgehenden Gleises. Der Parameter A der Klothoide ist im Stamm- und Zweiggleis gleich, nur die jeweiligen Klothoidenursprünge (Nullstellen der Krümmung) sind in Längsrichtung gegeneinander verschoben. Bogenweichen in Übergangsbögen, die nach außen abzweigen, sollten so angeordnet werden, dass die Krümmung im abzweigenden Strang nicht das Vorzeichen ändert, d.h. es sollte keine Innen-/Außenbogenweiche entstehen. Diese Empfehlung kann jedoch in vielen
1.6 Entwurf der Spurpläne
Fällen nicht eingehalten werden und ist auch fahrdynamisch von geringer Bedeutung. Mit Bogenweichen ist es in fast allen Fällen möglich, die Linienführung der durchgehenden Hauptgleise auch bei beengten Verhältnissen im Weichenbereich, optimal zu gestalten. Sie sind jedoch, vor allem in der Instandhaltung aufwändiger als Weichen im geraden Gleis. Liegen die durchgehenden Gleise in überhöhten Bögen, so bedingt die Erzeugung einer gleichen Querschnittsebene eine unterschiedliche Höhenlage dieser Gleise sowie häufig eine unerwünscht große Überhöhung (bei IBW) oder auch eine Untertiefung (bei ABW) im jeweils nach außen abzweigenden Strang. Bei den Fahrten, die zur Bogenaußenseite abzweigen, bewirkt zudem der Wechsel des führenden Stranges eine deutlich größere Unruhe im Laufverhalten, besonders bei untertieften Außenbogenweichen. Eine besondere Betrachtung gilt bei Weichen, die in beiden Strängen stark und schnell befahren werden, wie z.B. bei Abzweigungen von Strecken. Wenn solche Weichen in Bögen liegen, sollten sie, wenn immer möglich, als Innenbogenweichen aus entsprechend großen Grundformen gestaltet werden. Sind bei Abzweigungen von Streckengleisen Außenbogenweichen unvermeidbar, wird empfohlen, die jeweils zulässige Geschwindigkeit im untertieften Strang um 10 km/h niedriger festzusetzen als es nach den allgemein gültigen Regeln für Krümmungswechsel zulässig wäre. Bei Weichen in Bogenlage soll die Überhöhung auf etwa 100 mm begrenzt werden. Bei Innenbogenweichen mit Abzweigung zur Bogeninnenseite gilt eine Überhöhung von höchstens 120 mm als pragmatische Obergrenze, bei Außenbogenweichen ergibt sich die größte Überhöhung häufig aus der zulässigen Untertiefung des abzweigenden Fahrwegs. In bestehenden Anlagen sind z.T. auch Bogenweichen in größeren Überhöhungen vorhanden, bei Erneuerungen sollte letztere nach Möglichkeit auf max. 120 mm verringert werden.
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1.6.2.3 Klothoidenweichen Als Klothoidenweichen werden Weichen bezeichnet, deren Zweiggleise nicht als Kreisbogen, sondern aus Teilen von Klothoiden gebildet sind. Das Stammgleis ist, wie bei den Grundformen der einfachen Weichen, gerade (die vorher erwähnten Bogenweichen in Übergangsbögen fallen nicht unter den Begriff „Klothoidenweichen“). Allen bisher bekannten Klothoidenweichen ist gemeinsam, dass die Krümmung des Zweiggleises mit einem endlichen Wert, d.h. mit einem gewissen Radius beginnt. Im weiteren Verlauf der Zweiggleiskrümmung sind grundsätzlich drei Typen von Klothoidenweichen zu unterscheiden (Abb. 1.11): – Typ 1: die Zweiggleiskrümmung nimmt etwa bis zur Weichenmitte zu (abgeschnittene Klothoide)und bleibt dann bis WE konstant (Kreisbogen), – Typ 2: die Zweiggleiskrümmung nimmt wie bei Typ1 zu und anschließend wieder ab (zwei Klothoiden, ggf. mit einem dazwischen liegenden Kreisbogenstück), – Typ 3: das Zweiggleis beginnt mit einem Kreisbogen, anschließend nimmt die Krümmung ab. Bei den Typen 2 und 3 wird die Krümmung meist so gewählt, dass in Gleisverbindungen mit Regelgleisabstand eine durchgehende Wendekloide entsteht. Während bei den Typen 1 und 2 ein sanfter Bogeneinlauf am Weichenanfang angestrebt wird, ist Typ 3 ausschließlich auf die Verbesserung der Gegenbogenfahrt ausgelegt. Die Typen 1 und 2 sind vorgesehen für Gleisverbindungen und Abzweigungen mit anschließender Parallelführung beider Gleise, der Typ 3 für Abzweigungen mit anschließenden gleichsinnig gekrümmten Bögen. In Deutschland sind auf einigen Hochgeschwindigkeitsstrecken sowohl Kreisbogenweichen (z.B. mit Radius 7000 m) als auch Klothoidenweichen bei Abzweigungen ebenfalls schnell befahrener Strecken eingebaut.
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung Abb. 1.11 Typen von Klothoidenweichen, Krümmungsbilder der Zweiggleise
Der Fahrkomfort in Klothoidenweichen ist subjektiv gut, sie sind jedoch länger und damit kostspieliger in der Beschaffung und Instandhaltung als Kreisbogenweichen mit gleichem Mindestradius. Leider konnte bisher kein Nachweis erbracht werden, ob ein spürbarer Unterschied hinsichtlich der Führungskräfte und des Fahrkomforts besteht, wenn eine Kreisbogenweiche mit einer etwa gleich langen Klothoidenweiche verglichen wird. 1.6.2.4 Geometrie der Kreuzungen Kreuzungen bestehen aus zwei sich kreuzenden, meist geraden Gleisen; daneben werden auch Kreuzungen mit einem geraden und einem Bogengleis verwendet. Soweit der Kreuzungswinkel einer der üblichen Weichenendneigungen entspricht, sind die Längen und das Spreizmaß gleich denen der entsprechenden einfachen Weiche mit geradem Herzstück. In der Mitte der Kreuzung befinden sich die sog. „Doppelherzstücke“ mit abgeknickten Radlenkern. Mit Rücksicht auf die zuverlässige Führung der Radsätze in diesem Bereich darf der Kreuzungswinkel (bei den üblichen Kreu-
zungen mit starren Doppelherzstücken) nicht flacher als 1 : 9 sein. Die Neigung 1 : 9 gilt bei Kreuzungen als Regelneigung, Kreuzungen mit steileren Neigungen (z.B. 1 : 7,5 oder 1 : 4,444) werden als „Steilkreuzungen“ bezeichnet. Steilkreuzungen sollten, soweit nicht vermeidbar, nur bis zu einer größten Neigung von 1 : 2,9 (entspr. 3 u 1 : 9) verwendet werden. Soweit notwendig, können Kreuzungen auch gebogen werden. Beide Stränge erhalten dabei den gleichen Radius, bei der Regelneigung 1 : 9 darf dieser nicht kleiner sein als r = 450 m. Wenn im Anschluss an das Zweiggleis einer Weiche 500 – 1 : 12 ein Nachbargleis gekreuzt wird, muss die Neigung 1 : 9 am Doppelherzstück vorhanden sein, je nach Größe des Gleisabstands greift der Zweiggleisbogen (r = 500 m) in das einfache Herzstück ein (Sonderbauform). Im Anschluss an Weichen mit Endneigungen 1 : 14 und flacher werden Kreuzungen benötigt, die im Bereich der Doppelherzstücke flacher als 1 : 9 geneigt sind. An Stelle der starren Doppelherzstücke müssen hier bewegliche Doppelherzstückspitzen verwendet werden. Solche „Flachkreuzungen“ sind z.B. mit Nei-
1.6 Entwurf der Spurpläne
gungen 1 : 14 oder 1 : 18,5 oder – mit einem gebogenen Kreuzungsgleis – r = 1200 m verfügbar. 1.6.2.5 Geometrie der Kreuzungsweichen Es ist zu unterscheiden zwischen „einfachen“ und „doppelten“ Kreuzungsweichen, je nachdem, welche Fahrten zwischen den kreuzenden Gleisen möglich sind. Entsprechend der „Regelneigung“ bei Kreuzungen werden Kreuzungsweichen ebenfalls mit der Neigung 1 : 9 hergestellt. Bei den Kreuzungsweichen mit Radius r = 190 m liegen die Zungenvorrichtungen innerhalb, bei denen mit Radius r = 500 m außerhalb der von den Schienen der kreuzenden Gleise gebildeten Raute. Beim Radius r = 500 m und der Regelneigung 1 : 9 berühren sich die beiden (äußeren) Schienen der Verbindungsbögen in der Mitte der doppelten Kreuzungsweiche. Anmerkung: Die früher verwendeten Kreuzungsweichen mit r = 300 m und Korbbögen in den Verbindungsgleisen waren mit Gelenkzungen ausgestattet. Solche Weichen werden heute in Deutschland nicht mehr eingebaut.
Auch bei Flachkreuzungen ist es technisch möglich, Verbindungsgleise innerhalb der Kreuzungsraute anzuordnen, so z.B. bei der (einfachen) Flachkreuzungsweiche 850 – 1 : 18,5. Diese Weichenform wird für die Planung neuer Anlagen jedoch nicht empfohlen. 1.6.2.6 Gleisverbindungen und Weichenanschlüsse Als Gleisverbindungen bezeichnet werden Verbindungen zwischen benachbarten Gleisen, die jeweils aus zwei Weichen, auch Kreuzungsweichen bestehen. Um eine Zwischengerade ausreichender Länge zu erhalten, ist es nicht immer möglich, Weichen mit Bogenherzstück zu wählen; z.T. müssen Weichen mit geradem Herzstück, ggf. auch Weichen mit Bogenherzstück und geänderter Endneigung verwendet werden. Soweit die Zwischengera-
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de ausreichend lang ist, sollen die Weichenformen so gewählt werden, dass sich eine kurze Länge der gesamten Verbindung (d.h. von WA bis WA) ergibt. Die im Regelfall zu verwendenden Weichen bei Gleisverbindungen im Netz der DB sind in [1.9] angegeben. Beträgt der Achsabstand der zu verbindenden Gleise weniger als 4,50 m, so überdecken sich die „durchgehenden Schwellen“ beider Weichen. Dies bedingt entweder besondere „Langschwellen“(bei Holzschwellen) bzw. geteilte Schwellen mit Schwellenverbindungsplatten oder Mittelschienen (bei Betonschwellen) In jedem Fall ist damit der Einbau und die Erhaltung solcher Verbindungen erschwert, besonders in stark belasteten Gleisen. Abgesehen von Gleiswechselverbindungen auf freier Strecke wird daher empfohlen, Gleisverbindungen in Gleisen mit einem Achsabstand von mind. 4,50 m anzuordnen. Dies gilt auch für die durchgehenden Hauptgleise in Bahnhöfen. Um Krümmungswechsel auf den durchgehenden Schwellen zu vermeiden, wird das Verbindungsgleis zwischen den Weichen bei den üblichen Gleisabständen i. Allg. gerade angelegt. Gleisverbindungen in parallelen Bogengleisen können näherungsweise wie solche zwischen geraden Gleisen entworfen werden. Die Radien der Zweiggleise sind mit Hilfe der „Krümmungüberlagerung“ zu bestimmen, der Radius des Verbindungsgleises zwischen den Weichenenden ist etwas größer als der mittlere Radius der parallelen durchgehenden Hauptgleise und kann näherungsweise berechnet werden, wie in Abb. 1.13 erläutert. Als „Weichenanschlüsse“ werden Anordnungen bezeichnet, bei denen Weichen am Ende einer davor liegenden Weiche an das Stamm- oder/und an das Zweiggleis angeschlossen werden. Dabei ist es von großem Vorteil, wenn der Weichenanfang der folgenden Weiche außerhalb der durchgehenden Schwellen liegt. Als Anhaltswert kann an der „letzten durchgehenden Schwelle“ ein Abstand der Gleisachsen von etwa 2,30 m angenommen werden.
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Abb. 1.12 Gleisverbindung zwischen parallelen Gleisen im Bogen
Abb. 1.13 Zwischenbogen bei Gleisverbindungen im Bogen
Allgemein ist darauf zu achten, dass im Bereich der durchgehenden Schwellen alle vier Schienen von Stamm- und Zweiggleis im Querschnitt auf einer Ebene (waagrecht oder entsprechend der Überhöhung geneigt) liegen müssen. Eine Trennung der Gradienten beider Gleise ist daher erst nach der letzten durchgehenden Schwelle, d.h. bei einem Gleisabstand von mehr als 2,30 m möglich. Im Grundriss kann das Zweiggleis unabhängig vom Stammgleis trassiert werden. Um aber vorbereitete Anordnungen der durchgehenden Schwellen (genormte Schwellensätze) verwenden zu
können, ist darauf zu achten, dass im Bereich der durchgehenden Schwellen in jedem Gleis nur jeweils ein Trassierungselement verwendet wird, d.h. entweder eine Gerade oder ein Kreisbogen mit konstantem Radius. Im Stammund im Zweiggleis können aber jeweils unterschiedliche Elemente verwendet werden. Liegen Weichen mit der Spitze gegeneinander und sind die Zweiggleisbögen durchgehend gleichsinnig gekrümmt, so bestehen fahrdynamisch keine Einwände gegen einen unmittelbaren Anschluss: Weichenanfang an Weichenanfang (WA/WA), ein bestimmter
1.7 Optimierung vorhandener Anlagen
Mindestabstand kann hier aber aus sicherungstechnischen Gründen notwendig sein. Bilden die Zweiggleise einen Gegenbogen, so ergibt sich der Abstand zwischen den Weichenanfängen aus der erforderlichen Länge der Zwischengeraden.
1.7 Optimierung vorhandener Anlagen 1.7.1 Maßnahmen zur Fahrzeitverkürzung Die Attraktivität der Bahn hängt entscheidend von der Reisegeschwindigkeit ab. Maßgebend hierfür ist aber nicht allein die Höchstgeschwindigkeit der Züge, sondern vielmehr die mittlere Geschwindigkeit im Verlauf der Fahrt und die Dauer der Aufenthalte. Um die Reisegeschwindigkeit zu erhöhen, müssen vor allem Beschränkungen im Bereich niedriger Geschwindigkeiten (z.B. 40 statt 60 km/h) beseitigt werden, die sich besonders stark verzögernd auswirken. Auch geringfügige Verkürzungen der Fahrzeit können bedeutsam werden, wenn sich damit z.B. bessere Anschlüsse an den Umsteigbahnhöfen oder wirtschaftlichere Fahrzeugumläufe erzielen lassen. Schließlich ist der zusätzliche Energieverbrauch von Bedeutung, der beim Beschleunigen nach Geschwindigkeitsbegrenzungen entsteht und bei Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit vermieden werden kann. Die wichtigste Voraussetzung, die hierfür von den baulichen Anlagen geschaffen werden kann, ist die Erhöhung der örtlich zulässigen Geschwindigkeit. Wie dargelegt, sind die Beseitigung von Geschwindigkeitseinbrüchen sowie die Anpassung der baulich zulässigen Geschwindigkeit an das Beschleunigungs- und Bremsvermögen der Züge hierbei ebenso wichtig wie die Steigerung der Höchstgeschwindigkeit. Das folgende einfache Beispiel zeigt dies anschaulich:
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Beispiel: In einem großen Bahnhof ist die letzte, von ausfahrenden Zügen befahrene Weiche mehr als einen Kilometer vom Halteplatz des letzten Wagens entfernt. Im Weichenbereich wird mit v = 40 km/ h gefahren, anschließend kann auf v = 160 km/ h beschleunigt werden. Wenn es gelingt, die Ausfahrt mit der technisch möglichen Triebfahrzeugleistung zu ermöglichen, so lässt sich hier ein Fahrzeitgewinn von mehr als einer Minute erzielen. Andererseits bringt eine Erhöhung von v = 250 km/h auf 300 km/h auf freier Strecke den gleichen Gewinn erst bei einer Fahrt über eine Wegstrecke von mehr als mehr als 25 km (ohne Berücksichtigung des Beschleunigungs- und Bremswegs).
Maßnahmen zur Fahrzeitverkürzung müssen daher zuerst dort ansetzen, wo die zulässige Geschwindigkeit besonders niedrig ist. Das obige Beispiel zeigt, dass eine entsprechende Optimierung nur in Zusammenarbeit der einschlägigen Fachgebiete, hier vor allem der Bauund der Leit- und Sicherungstechnik, erreicht werden kann.
1.7.2 Linienkorrekturen In vorhandenen Anlagen ist die Erhöhung der Geschwindigkeit um größere Beträge allerdings meist mit hohem Aufwand verbunden; aber auch kleinere Maßnahmen, als „Linienkorrekturen“ bezeichnet, können wertvolle Gewinne bringen. Solche Linienkorrekturen sind i. Allg. Maßnahmen, die auf vorhandenem Bahnkörper, ohne größere Eingriffe in die Infrastruktur, durchgeführt werden können. Zum Unterschied dazu sind „Linienverbesserungen“ größere Vorhaben, die größere Änderungen an der Infrastruktur bedingen. Folgende Maßnahmen sind meist als Linienkorrektur durchführbar: – Vergrößern der Überhöhung. Häufig bedingt dies die Umwandlung der Übergangsbögen in solche nach Bloss mit entsprechend geschwungenen Rampen. – Bei relativ kurzen Bögen kann auch die Vergrößerung der Bogenradien durch Seitenverschiebung auf dem verfügbaren Bahn-
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Abb. 1.14 Anordnung eines Vor-Gegenbogens („Schwanenhals“)
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körper möglich sein, ggf. in Verbindung mit einer Umwandlung der Übergangsbögen. Reicht die Umwandlung der Übergangsbögen nicht aus, um die Seitenverschiebung auf das verfügbare Maß zu begrenzen, kann in geeigneten Fällen das erforderliche Abrückmaß auch durch Verschwenken der Geraden vor (oder nach) dem Bogen erzeugt werden. Die Trasse nimmt dann die Form eines „Schwanenhalses“ an, die Seitenverschiebung des Gleises beschränkt sich dabei auf den Bereich kurz vor und innerhalb des Übergangsbogens (Abb. 1.14). Anwendung von Ausnahmewerten der Trassierungselemente, insbesondere im Anfahr- oder Bremsbereich bei örtlicher Abstufung der zulässigen Geschwindigkeiten. Aufrunden der rechnerisch zulässigen Geschwindigkeit im Rahmen der nach den Richtlinien zugestandenen Möglichkeiten, z.B. bei max v = 119 eine Erhöhung auf 120 km/h (~ + 1%) anstelle einer sonst notwendigen Abrundung auf 110 km/h. Abstimmung zwischen Signalgebung und Linienführung, z.B. durch Verkürzung der Signalabstände im zulässigen Umfang,
Anordnung von Geschwindigkeitssignalen nicht vor, sondern im Übergangsbogen. In besonderen Einzelfällen auch Verzicht auf förmliche Geschwindigkeitsbegrenzungen in Zwischenstufen, wenn die rechnerisch zulässigen Geschwindigkeiten, aufgrund der physikalisch begrenzten Beschleunigung (Anfahrbereich) oder Verzögerung (Bremsbereich) ohnehin nicht überschritten werden können. – Abstimmung zwischen Linienführung und Anordnung der Einschaltkontakte für die Sicherung von Bahnübergängen, z.B. Berücksichtigung trassierungsbedingter Geschwindigkeitsbeschränkungen bei der Berechnung der Anrückzeiten.
1.7.3 Einsatz von Neigetechnikfahrzeugen Aufgrund der Tatsache, dass die zumutbare Seitenbeschleunigung in einem Eisenbahnfahrzeug primär durch den Reisekomfort bestimmt wird, entstand die Idee, Fahrzeuge mit neigbaren Wagenkästen zu entwickeln. Infolge der Querneigung wirkt auf den Fahrgast dann nur die Seitenbeschleunigung par-
1.7 Optimierung vorhandener Anlagen
allel zum Wagenfußboden, auf das Fahrzeug insgesamt aber die größere Seitenbeschleunigung in der Fahrbahnebene. Voraussetzung für ein komfortables Fahrgefühl ist dabei, dass die Schrägstellung des Wagenkastens am Übergangsbogenanfang beginnt und an dessen Ende abgeschlossen ist. Ein gewisser, noch angenehm zu empfindender, Betrag an Seitenbeschleunigung soll im Kreisbogen aber stets spürbar bleiben. Damit das Fahrzeug einen Bogen selbst als solchen erkennt, muss die Seitenbeschleunigung eine gewisse Größe erreichen. Erst dann kann die Schrägstellung eingeleitet werden. Wenn die Bögen eine Strecke mit Regelwerten der Elemente Überhöhung und Übergangsbogenlänge, jeweils bezogen auf die Geschwindigkeit der konventionellen Züge, trassiert sind, so ist die für den Neigevorgang erforderliche Zeit auch bei der höheren Geschwindigkeit der Neigetechnikfahrzeuge i. Allg. vorhanden. Sind die vorhandenen Überhöhungen jedoch deutlich kleiner als die Regelüberhöhung und die Übergangsbögen entsprechend kurz, so reicht die Zeit ggf. nicht aus, um den Neigevorgang innerhalb des Übergangsbogens vollständig durchführen zu können. In solchen Fällen sind Änderungen an der Linienführung kaum vermeidbar. Folgt auf einen Bogen nach kurzer Zwischengerade ein Gegenbogen, so darf die Neigeeinrichtung nicht aktiviert werden. Da derartige Bogenfolgen vor allem in den langsamer befahrenen Weichenbereichen der Bahnhöfe vorkommen, wird die Neigeeinrichtung allgemein erst bei Geschwindigkeiten von mehr als 70 km/h wirksam geschaltet. Auch bei höheren Geschwindigkeiten könnte es vorkommen, dass das Fahrzeug in einen Gegenbogen mit „falscher“ Querneigung einfährt. Bei den bisher bekannten Neigetechnik-Fahrzeugen wird deshalb die Schrägstellung allgemein nur dann eingeleitet, wenn der betreffende Gleisbogen überhöht ist. Dann kann man davon ausgehen, dass Übergangsbögen vorhanden sind und die Fahrzeugneigung vor einem eventuellen Gegenbogen wieder zurückgestellt wer-
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den kann. Ist ein Übergangsbogen zwar vorhanden, aber von zu kurzer Länge, so kann die Geschwindigkeit nicht, oder nur wenig gegenüber der für die konventionellen Fahrzeuge zugelassene Geschwindigkeit erhöht werden Neigetechnikfahrzeuge sind heute meist für eine größte Querneigung von 8 Grad ausgelegt. Wird im geneigten Fahrzeug zusätzlich eine spürbare Seitenbeschleunigung von etwa 0,65 m/s2 (entsprechend einem Überhöhungsfehlbetrag von ca. 100 mm) akzeptiert, so beträgt die Seitenbeschleunigung in der Ebene des überhöhten Gleises etwa 2,0 m/s2. Festgelegt ist daher i. Allg. ein zulässiger Überhöhungsfehlbetrag von zul uf = 300 mm Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist dann:
In einem mit 160 mm überhöhten Bogen ist die Höchstgeschwindigkeit für ein Neigetechnikfahrzeug höchstens:
Für die Neigung der geraden Rampe gilt ein größerer Wert: 1:m=1:6v Eine Mindestlänge für Übergangsbögen, abhängig von der Größe des Überhöhungsfehlbetrages wurde bisher nicht festgelegt. Begründung hierfür war, dass der Fahrgast die Änderung des Überhöhungsfehlbetrages infolge des Neigevorgangs nicht oder nur teilweise wahrnimmt. Aus dem oben erwähnten Grund ist eine solche Regelung aber dann notwendig, wenn in den Bögen die Überhöhungen klein und die Übergangsbögen entsprechend kurz sind. Nach Auffassung des Verfassers sollte stets nach dem Erkennen eines Bogens durch die Steuerorgane noch eine Zeit von mindestens eineinhalb bis zwei Sekunden zur Verfügung stehen, bis das Fahrzeug das Übergangsbogenende erreicht hat und die notwendige
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Schrägstellung abgeschlossen ist. Berücksichtigt man die Reaktionszeit der Steuerung, so ergibt sich daraus eine Gesamtfahrdauer im Übergangsbogen von etwa drei Sekunden und als Faustregel eine empfohlene Mindestlänge (in m) von: lU = 0,85 v (in m, v in km/h).
Anhang Spurplanung und Planung anderer Gewerke Aufgabenstellung Vor Beginn einer eisenbahntechnischen Planung muss die Aufgabenstellung vom Netzbetreiber festgelegt und formuliert werden. In der Regel wird darin die geforderte Struktur der Gleisanlagen („Gleis-Topologie“) in einer unmaßstäblichen Prinzipskizze dargestellt. Außerdem müssen alle übrigen Anforderungen und Randbedingungen, soweit sie den Spurplan beeinflussen, beschrieben werden. Bei schwierigeren Planungsaufgaben ist es oft notwendig, bereits bei der Formulierung der Aufgabe verschiedene Varianten zu untersuchen, wobei die betriebliche Idee und die bauliche Realisierbarkeit aufeinander abgestimmt und hinsichtlich Nutzen und Aufwand gegenüber gestellt werden müssen. Beispiel hierfür ist die Führung und gegenseitige Lage der Streckengleise (durchgehenden Hauptgleise) und damit die Frage, ob Linienbetrieb, symmetrischer oder verschränkter Richtungsbetrieb zu planen ist (s. Abb. 1.15). Da es kaum möglich sein dürfte, in der Phase der Aufgabenstellung bereits Fachleute aller beteiligten Sparten zu beteiligen, sollte der Besteller der Infrastruktur selbst über umfassende eisenbahntechnische Kenntnisse verfügen; hat er diese detaillierten Kenntnisse nicht, muss er einen entsprechend geeigneten Partner beiziehen. Bei Beginn der bautechnischen Planung sollte die Aufgabenstellung vom Infrastrukturbetreiber weitestgehend klar umrissen sein.
Ideal wäre es, wenn die darauf folgenden Planungsschritte in einem gemeinsamen Prozess zwischen Rahmenplanung, das ist i. Allg. die Aufgabe des Eisenbahn-Bauingenieurs, und den Fachplanungen der anderen beteiligten Gewerke auf einander abgestimmt erarbeitet werden könnten. Dem Ergebnis nähert man sich dabei nach Art einer „Spirale“, wobei jedes Gewerk einen Sektor der Spirale, bei sehr schwierigen Aufgaben ggf. auch wiederholt, bearbeitet. Zusätzlich sollten in jeder Phase die Rückkopplung mit dem Besteller und eine Modifizierung der Aufgabe im Detail gewährleistet sein. Je komplexer und schwieriger eine Planungsaufgabe ist, desto mehr wäre das Prinzip „Spirale“ als Optimum anzustreben. Die fortgeschrittene Spezialisierung der Fachplanungen und die Tatsache, dass diese häufig verschiedenen Organisationen übertragen werden, zwingen jedoch meist dazu, die Planung fachlich und zeitlich in abgrenzbare Schritte zu unterteilen und abzuwickeln. Häufig werden auch die einzelnen Planungsschritte verschiedenen Organisationen übertragen. Am Ende der Vorplanung schließt i.d.R. ein öffentlich-rechtliches Verfahren (Planfeststellungsverfahren) an, in dem alle vorhersehbaren, nach außen wirksamen Eingriffe endgültig dargestellt und beschlossen werden müssen, so dass Änderungen danach unbedingt vermieden werden sollen. Unter diesen Bedingungen entspricht das praktisch realisierbare Planungskonzept weniger der „Spirale“, sondern tendiert vielmehr zu einer „Kaskade“, bei der eine bereits getroffene Vorentscheidung nachträglich nicht oder nur unter großem Aufwand geändert werden kann. Später erkannte Verbesserungen sind dann aber kaum noch oder nur sehr schwierig umzusetzen. Andererseits können sich die jeweils günstigsten Lösungen häufig erst während der Fachplanung ergeben; bei umfangreichen Bahnanlagen ist dies oft der Fall. Ein optimales und ausgereiftes Ergebnis mit aufeinander folgenden Planungsstufen ohne jeweilige Vorschau der Auswirkungen auf spätere Fachplanungen und ohne Rückschau auf vor-
Anhang
her getroffene Festlegungen erscheint daher kaum erreichbar, wenn nur das reine Prinzip „Kaskade“ angewandt wird. In jedem Fall sollte man daher ein Planungsprocedere finden, das zumindest den Zugriff auf grundsätzliche Entscheidungen der Fachplanung ermöglicht, bevor mit der fachlichen Planung im Detail begonnen wird. Ein besonders wichtiger Partner des Bauingenieurs bei der Planung von Eisenbahnanlagen ist die Leit- und Sicherungstechnik. Zwar ist es im Grundsatz möglich, für (fast) alle Gleisanordnungen sicherungstechnische Lösungen zu finden, nicht aber stets die jeweils optimalen. Im Prinzip kann die frühzeitige Rückkopplung zwischen den Planungsträgern aber auch bei allen anderen Fachsparten notwendig werden, so z.B. mit dem Vermessungsingenieur, dem Planer der Fahrleitung und dem Konstrukteur der Ingenieurbauwerke sowie schließlich mit der Baubetriebsplanung hinsichtlich der Baudurchführung unter dem rollenden Rad. Betriebliche Grundsätze Der Planer einer Gleisanlage erhält seine Aufgabenstellung vom späteren Nutzer dieser Anlage. Er sollte aber in jedem Fall selbst über gewisse Grundkenntnisse der Eisenbahnbetriebsführung verfügen, erstens, um die Vorgaben sachgerecht umsetzen und zweitens, wie vorher angesprochen, um gemeinsam optimale Lösungen erarbeiten zu können. Deshalb sollen hier beispielhaft einige der wichtigsten Gedankengänge erörtert werden. Einteilung der Gleise Nach der EBO werden in Deutschland unterschieden: – Durchgehende Hauptgleise; das sind die Gleise der freien Strecke und deren Fortsetzung durch die Bahnhöfe. Auf die durchgehenden Hauptgleise bezieht sich u.a. die Stationierung (Kilometrierung) der Strecke und das Verzeichnis der zulässigen Geschwindigkeiten. Bei der Abzweigung
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einer etwa gleichwertigen Strecke sind beide Gleise gleichwertig anzusehen, das abzweigende Gleis ist von der Spitze der Trennungsweiche ab zu stationieren und als durchgehendes Hauptgleis zu trassieren. (Übrige) Hauptgleise sind alle anderen Gleise in Bahnhöfen, soweit sie regelmäßig von Zügen befahren werden. – Nebengleise sind Gleise, die nur von Rangierfahrten benützt werden. Anordnung der Gleise Auf zweigleisigen Strecken wird i.d.R. rechts gefahren, die Signale stehen rechts neben oder über dem Gleis (siehe 13.5.2). Bei neuen Anlagen wird meist das „Fahren auf dem Gegengleis mit Hauptsignalen“ eingerichtet (früher als „Gleiswechselbetrieb“ bezeichnet, siehe auch 12.2.2.5). Hierbei können beide Gleise unter vollständiger Sicherung in beiden Richtungen befahren werden. Das in Fahrtrichtung jeweils rechte Gleis ist das „Regelgleis“, das andere Gleis ist das „Gegengleis“. Liegen mehr als zwei Streckengleise nebeneinander unterscheidet man zwischen: – Linienbetrieb, wenn die beiden Gleise einer Strecke (Linie) jeweils nebeneinander liegen und – Richtungsbetrieb, wenn die benachbarten Gleise jeweils in gleicher Richtung befahren werden. Richtungsbetrieb hat den Vorteil, dass Züge ohne Fahrwegkreuzung auf ein Gleis der parallelen Strecke übergehen können, die wechselseitige Nutzung der Gleise für Durchfahrten und Überholungen wird damit erleichtert. Der volle betriebliche Vorteil des Richtungsbetriebs wird erreicht, wenn die durchgehenden Gleise der verschiedenen Strecken höhenfrei, d.h. mit Überführungsbauwerken, zusammengeführt bzw. getrennt werden. Richtungsbetrieb ist außerdem von Vorteil für die Reisenden, wenn die Züge, die von der Mehrzahl der umsteigenden Fahrgäste benützt werden am selben Bahnsteig („Richtungsbahnsteig“) halten (siehe Abb. 1.15). Ob symmetrischer oder
36
1 Trassierung und Gleisplangestaltung Abb. 1.15 Linienbetrieb, symmetrischer und verschränkter Richtungsbetrieb
verschränkter Richtungsbetrieb gewählt wird, hängt von den Möglichkeiten bei der Zusammenführung der Strecken ab. Linienbetrieb ist meist baulich einfacher. Er ist dann vorzuziehen, wenn keine oder nur wenige Züge die Strecke wechseln oder wenn Züge wenden und auf gleicher Strecke zurückfahren. Hinsichtlich der Anordnung der Gleise in Bahnhöfen gelten als Standard folgende Grundsätze, die auch als „Blum’sche Grundsätze“ bekannt geworden sind. Danach sollen in Bahnhöfen – Einfahrten von den einzelnen Strecken gleichzeitig möglich sein, – Fahrwegkreuzungen zwischen ein- und ausfahrenden Zügen nur bedingt, das heißt, nur bei schwächeren Verkehrsströmen vorgesehen werden, – unvermeidbare Fahrwegkreuzungen i.d.R. zwischen ausfahrenden Zügen stattfinden, – an eingleisigen Strecken in den Bahnhöfen mindestens zwei Hauptgleise vorgesehen werden.
Die genannten Grundsätze wurden früher u.a. aus Sicherheitsüberlegungen formuliert. Obwohl letztere hauptsächlich Aufgabe der moderne Leit- und Steuerungstechnik sind und bei der Gleisplanung weniger im Vordergrund stehen, sind die „Blum’schen Grundsätze“ nach wie vor für die Betriebsflüssigkeit und Leistungsfähigkeit von Bedeutung. Durch Verlegen planmäßiger Halte an die Bahnsteige, d.h., wenn Kreuzungen in der Ausfahrt stattfinden, kann außerdem Energie und Fahrzeit gespart werden.. Letztlich entscheidend für die Planung der Fahrwege sind aber deren Belastung und die fahrplanmäßig angestrebte Gleichzeitigkeit der Fahrten. Danach entscheidet sich, in wie weit die klassischen Grundsätze zu beachten sind. Ein typisches Beispiel für die Anwendung der Grundsätze ist die Abzweigung bei Nahverkehrsstrecken an einer Haltestelle mit drei Bahnsteigkanten (Abb. 1.16). Für den Personenverkehr vorteilhaft und im Hinblick auf die „barrierefreie“ Nutzung der Bahn von besonderer Bedeutung ist es, wenn die wichtigsten Umsteigebeziehungen jeweils an den selben Bahnsteigen („Richtungsbahn-
Anhang
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Abb. 1.16 Abzweigstelle mit Haltestelle im Nahverkehr
steige“ bei Umsteigeverkehr in gleicher Richtung) abgewickelt werden können. Im Fall eines starken „Eckverkehrs“ kann aber die betrieblich optimale Lösung für die Reisenden ungünstiger sein als die Zusammenführung der Strecken nach dem Bahnsteig. Bei sehr starkem Fahrgastwechsel an Haltepunkten hat sich die sog. „spanische“ Lösung mit getrennten Aus- und Einsteigebahnsteigen sehr gut bewährt. Weichenbereiche Wichtiger Grundsatz bei der Planung von Bahnhöfen ist die klare Zuordnung der einzelnen Gleise und Anlagen hinsichtlich ihrer betrieblichen Funktionen. Rückgrat eines Bahnhofes sind i.d.R. die durchgehenden Hauptgleise der wichtigsten Strecke, daneben die der übrigen Strecken. Die übrigen Hauptgleise, Ein- und Ausfahrgleise, Überholungsgleise und Kreuzungsgleise bei eingleisigen Strecken (engl. „sidings“), sind seitlich neben der Rollbahn anzuordnen und in jeweils einem Weichenbereich an den Enden des Bahnhofs an die durchgehenden Hauptgleise anzuschließen. Alle Verbindungen der durchgehenden Hauptgleise mit den übrigen Gleisen sollen in den Weichenbereichen konzentriert werden.
Nebengleise, die nur von Rangierfahrten bedient werden, sollen nicht unmittelbar an die durchgehenden Hauptgleise angeschlossen werden. In durchgehenden Hauptgleisen sollen Weichen in „Fischgrätenanordnung“ vermieden werden, meist ist es wirtschaftlich günstiger, schwächer belastete Gleise soweit zu verlängern, dass sie an vorhandene Weichenstraßen angeschlossen werden können anstelle Weichen in stark belastete Gleise einzubauen. Auch zu vermeiden sind sog. „Mittelweichen“, das sind Weichen, die zwischen den Weichenbereichen (Bahnhofsköpfen) liegen und sowohl bei Einals auch bei Ausfahrten im betreffenden Gleis befahren werden. „Doppelte Fahrwege“ Als „Doppelte Fahrwege“ (oder „doppelte Fahrstraßen“) bezeichnet man Anordnungen von Weichen und Gleisverbindungen, bei der gleichzeitig auf nebeneinander liegenden Fahrwegen Fahrten möglich sind, z.B. Einund Ausfahrten aus nebeneinander liegenden Überholungsgleisen. Bei Abzweigungen zweigleisiger Strecken sind doppelte Fahrwege die Regel, andererseits entsteht in der abzweigenden Strecke ein eingleisiger Zwischenab-
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
Abb. 1.17 Doppelte Fahrwege bei Ein- und Ausfahrgleisen und bei Abzweigungen von Strecken
schnitt. Bei doppelten Fahrwegen erhöht sich aber die Anzahl der Weichen, vielfach sind auch Kreuzungsweichen unvermeidlich. Aufgrund der gebotenen sparsamen Verwendung von Weichen, werden heute doppelte Fahrwege, nur noch relativ selten vorgesehen, z.B. in sehr großen Bahnhöfen oder im erwähnten Fällen der zweigleisigen Abzweigung. Hinsichtlich der sparsamen Verwendung von Weichen wird im Übrigen auf Abschn. 1.6.1 verwiesen. Einfluss der Leit- und Sicherungstechnik auf die Spurplangestaltung Zu den sicherungstechnischen Entwurfsparametern, die den Gleisplan maßgeblich beeinflussen können und deshalb in der Vorentwurfsphase bekannt sein müssen, sind beispielhaft folgende Fälle zu zählen: – Die Angabe der erforderlichen Abstände zwischen Grenzzeichen und Beginn/Ende der Gleis-Nutzlängen (Unterschied zwi-
schen Baulänge und Nutzlänge; siehe hierzu 13.5.3.2). – Die Angabe der Stellen, an denen Signale zwischen Gleisen angeordnet werden sollen. Das betrifft alle Ausfahr- und Zwischensignale, neben denen sich rechts (in der Schweiz links) ein oder mehrere Gleise befinden; sowie in einigen Fällen die Einfahrsignale von Bahnhöfen bei parallelen Zulaufstrecken. Werden hier die notwendigen Gleisabstände nicht eingehalten, so müssen kostenintensive Signalbrücken oder -ausleger angeordnet werden (siehe auch 13.5.2). – Die Entscheidung, ob und wo besondere Flankenschutzweichen vorzusehen sind (siehe 12.3). – Die Angabe der geforderten Geschwindigkeiten in den einzelnen Fahrwegen. Dabei muss festgelegt werden, ob die Voraussetzungen zur Signalisierung unterschiedlicher Geschwindigkeiten gegeben sind bzw. geschaffen werden sollen.
Anhang
– Die Festlegung der erforderlichen Durchrutschwege und Gefahrpunktabstände, soweit diese im Gleisplanentwurf zu berücksichtigen ist. Da die Kenntnis der sicherungstechnischen Randbedingungen von so erheblicher Tragweite für den Gleisplanentwurf ist, wäre es am günstigsten, wenn sie von Anfang an vom Besteller vorgegeben würden. In jedem Fall müssen sie aber zu Beginn der Gleisplanung – ggf. auch im Vorgriff auf die sicherungstechnische Planungsphase – festgelegt werden. Zweifellos ist es grundsätzlich möglich, signaltechnische Lösungen für beliebig gestaltete Spurpläne zu finden, eine optimale Gesamtlösung bedarf jedoch der frühzeitigen und intensiven Zusammenarbeit der Beteiligten. Anmerkung: In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass in der Lehre der Technischen Universitäten seit jeher die Festlegung der Signalstandorte und der Nachweis von Durchrutschwegen selbstverständliche Bestandteile einer ingenieurtechnischen Planungsaufgabe waren und sind.
Auszugsweise und ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll die Problematik an Beispielen erläutert werden. Die bauliche Gleislänge beginnt bzw. endet meist am Grenzzeichen oder an der Spitze einer Weiche, z.B. einer Flankenschutzweiche. Die „Nutzlänge“ eines Gleises ist die Länge, die von einem haltenden Zug besetzt sein kann bzw. darf, wenn die Nachbargleise freizügig befahrbar sein sollen. Sie beginnt i.d.R. bei der Zugspitze an einem Ausfahrsignal und endet am Zugschluss an der Stelle, die für die betriebliche Freigabe der benachbarten Fahrwege („Fahrstraßenzugschlussstelle“) maßgebend ist. Damit verkürzen sich die Nutzlängen gegenüber den Baulängen der Gleise je nach der Bauart des Signalsystems und den Forderungen der Betriebsführung. Der Besteller legt auch fest, ob ungenaues Anhalten und Stre-
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cken des haltenden Zuges sowie Sicht auf das Signal zusätzlich berücksichtigt werden muss. Soweit Durchrutschwege hinter den Signalen durch Vergrößerung der Gefahrpunktabstände baulich freigehalten werden müssen, gelten die entsprechenden sicherungstechnischen Bestimmungen. Hierauf wird verwiesen. Bei dem in der EBO geforderten Mindestabstand der Gleisachsen in Bahnhöfen von 4,50 m ist die Anordnung von Signalen zwischen den Gleisen möglich, es verbleibt ein Raum von 10 cm, der für die Aufstellung eines Signalmastes ausreicht. Bei Signalen zwischen überhöhten Gleisen ist der notwendige Gleisabstand abhängig von der örtlichen Überhöhung und der Signalkonstruktion, z.B. von der Höhe des Signalschirms, und ist jeweils im Einzelfall zu ermitteln. Wird dies bei der Spurplanung nicht berücksichtigt, so bleibt als Ausweg meist nur die bereits erwähnte, und nach Möglichkeit zu vermeidende, Anordnung von Signalbrücken. Der Gleisabstand und ggf. die Überhöhung sind auch dann zu beachten, wenn auf Strecken, die für das Fahren auf dem Gegengleis mit Hauptsignalen ausgerüstet werden, Signale auch am Gegengleis rechts aufgestellt werden müssen. Letzteres ist i.d.R. der Fall, wenn parallele Strecken auf einen Bahnhof zulaufen. Flankenschutzweichen sind erforderlich zum Schutz der Fahrten am durchgehenden Hauptgleis: – allgemein bei Schnellfahrstrecken (v > 160 km/h), – im Übrigen entsprechend den einschlägigen betrieblichen Richtlinien, die Entscheidung hierüber liegt beim Infrastrukturbetreiber. Auf den vorhandenen Strecken in Deutschland ist meist das Haupt-/Vorsignal-Signalsystem (H/V-System) anzutreffen. Hierbei werden die zulässigen Geschwindigkeiten im Weichenbereich wie folgt signalisiert: – im Allgemeinen mit „grün“ (Hp 1) bei Fahrten ohne oder mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf v t 80 km/h und
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1 Trassierung und Gleisplangestaltung
– mit „grün/gelb“ (Hp 2) bei Fahrten mit Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h. Besondere Geschwindigkeitsanzeiger (Zs 3) wurden nur dann angeordnet, bzw. sind nur vorhanden, wenn dies der Besteller ausdrücklich verlangte. Wegen der hohen Kosten und der unerwünschten Häufung von Signalbildern, wurden hier früher sehr strenge Maßstäbe angelegt. Da aber z.B. eine einzige, nur mit 40 km/h befahrbare Weiche in einem Bereich mit größeren Weichen den Einbau von, ggf. mehreren Geschwindigkeitsanzeigern erfordert – andernfalls müssten alle Fahrten auf Hp 2 („grün/gelb“) auf nur 40 km/h beschränkt werden – kann es bei Spurplanänderungen ggf. sinnvoller sein, im Einzelfall auch eine größere Weiche einzubauen. In solchen Fällen ist der Aufwand für den Nachbau von Geschwindigkeitsanzeigern dem Oberbauaufwand gegenüber zu stellen. Beim K/S-Signalsystem (siehe 12.2.1.3) wird grünes Licht für freie Fahrt über zwei Signalisierungsabschnitte und gelbes Licht zur Ankündigung von Halt am nächsten Signal gezeigt. Das bedeutet, dass unterschiedliche zulässige Geschwindigkeiten stets mit Geschwindigkeitsanzeigern signalisiert werden. Kommt das K/S-Signalsystem zum Einsatz, so ist die unterschiedliche Signalisierung verschiedener Fahrwege mit geringerem Aufwand zu erfüllen. Auch dies ist aber bereits im Rahmen der bautechnischen Planung – und zwar endgültig – festzulegen. Ein Durchrutschweg (D-Weg) muss hinter einem Halt zeigenden Ausfahr- oder Zwischensignal freigehalten werden, wenn eine Fahrstraße bis zu diesem Signal eingestellt ist. Zur Gestaltung und zu den Eigenschaften von Durchrutschwegen siehe 13.4.3.7. In der Gleisplanung muss ein Durchrutschweg nur dann berücksichtigt werden, wenn gleichzeitig solche Fahrten stattfinden sollen, bei denen Überschneidungen von Fahrstraßen mit Durchrutschwegen auftreten. Im Gefahrpunktabstand (Durchrutschweg hinter Einfahrsignalen, in der Schweiz nicht vorgesehen,
siehe auch 13.4.4.2) dürfen i.d.R. keine beweglichen Fahrwegelemente vorgesehen werden.) Über die Notwendigkeit, einen Durchrutschweg baulich freizuhalten, entscheidet der Besteller. Bei neuen Kreuzungsbahnhöfen auf eingleisigen Strecken ist es in Deutschland heute allgemein üblich, Durchrutschwege baulich freizuhalten damit gleichzeitig aus beiden Richtungen eingefahren werden kann. Sowohl das durchgehende Hauptgleis als auch das Kreuzungsgleis müssen dazu hinter den Ausfahrsignalen entsprechend verlängert werden. Allgemein muss ein Durchrutschweg hinter den Ausfahrsignalen der Bahnhöfe nur dann bei der Bemessung der Gleislänge berücksichtigt werden, wenn bei Durchfahrt in einem Gleis gleichzeitig in ein benachbartes Gleis eingefahren werden soll. Die genannten Fälle lassen erkennen, dass ausführungsreife Entwürfe nur dann mit wirtschaftlich tragbarem Aufwand erstellt und optimiert werden können, wenn bestimmte sicherungstechnische Festlegungen bereits vor Beginn der Detailarbeit am Gleisplan getroffen worden sind. Hierzu gehören in jedem Fall die hier erwähnten Fälle: Anordnung von Durchrutschwegen, Bestimmung der Nutzlängen, Anforderungen an den Flankenschutz sowie (nach Möglichkeit) auch die Festlegung der Signalstandorte.
Literatur 1.1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BO) von 1928 1.2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) von 1967, Novellierung 1992 1.3 Technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems „Infrastruktur“ des Transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems [1 TSI] 1.4 Henschel – Lokomotivtaschenbuch Ausgabe 1962 VDI-Verlag Düsseldorf 1.5 Europäische Norm DIN EN 13 803-1 und 13 803-2 Bahnanwendungen – Linienführung in
Literatur Gleisen – Spurweiten 1435 mm und größer – Teil 1 und Teil 2 (beide Teile in Vorbereitung) 1.6 Ergebnisse der Arbeiten des ORE-Sachverständigenausschusses B55; hinsichtlich Linienführung zusammengefasst in [1.5], Teil 1 1.7 UIC-Kodex 527-1 Reisezug- Gepäck- und Güterwagen, Abmessungen der Pufferteller, Linienführung der S-Bögen. Internationaler Eisenbahnverband, übernommen in [1.3] 1.8 DB Die Bahn Richtlinie 800.0110 Netzinfrastruktur Technik entwerfen, Linienführung
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1.9 DB Die Bahn Richtlinie 800.0120 Netzinfrastruktur Technik entwerfen, Weichen und Kreuzungen 1.10 Weigend M (2004) Linienführung und Gleisplangestaltung. VDEI – Schriftenreihe für Verkehr und Bahntechnik, Eurail Press 1.11 Schlemmer H, Müller G u.a. (Hrsg.) (2000) Handbuch Ingenieurgeodäsie. 3. Aufl. Herbert Wichmann Verlag Heidelberg
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Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen Walter Mittmann
2.1 Fahrzeugbegrenzung und Lichtraumprofil Alle Eisenbahnfahrzeuge benötigen im Bewegungszustand einen von festen Gegenständen freigehaltenen lichten Raum, der größer ist als die dem Fahrzeug zugeordnete Begrenzungslinie. Eine wesentliche Voraussetzung für die sichere Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen ist somit die Kenntnis des kinematischen Raumbedarfs; dieser setzt sich aus fahrzeugspezifischen und bautechnischen Anteilen zusammen, die teils berechenbar sind, teils jedoch dem Zufall unterliegen und sich somit nur abschätzen lassen [2.1]. Mit Übernahme der kinematischen Berechnungsgrundlagen in die Fassung 1991 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) [2.5] wurde die bis dahin in Deutschland angewendete statische Berechnungsweise verlassen, bei der vom stehenden Fahrzeug ausgehend dessen angenommenes Bewegungsverhalten im Gleis – und damit der zusätzliche Raumbedarf – durch pauschale Zuschläge ermittelt wurde. Mit diesem Vorgehen war jedoch keine optimale Inanspruchnahme des vorhandenen Raums möglich. Erst die im UIC-Kodex (Merkblätter Reihe 505 des Internationalen Eisenbahnverbands) enthaltenen verbindlichen kinematischen Rechenregeln haben eine genauere Erfassung des horizontalen und auch des vertikalen Bewegungsverhaltens eines Fahrzeugs bei ausreichenden Sicherheitsreserven erlaubt, so dass heute i.d.R. auf das Festlegen von Gleisen verzichtet werden kann. Durch das Fixieren der Schwellenlage ließ sich vor Einführung der kinematischen Berechnungsweise ein den
Eisenbahnbetrieb gefährdendes Heranbewegen von Gleisen – und damit der Fahrzeuge – an benachbarte feste Gegenstände wirksam verhindern. Erwünscht war eine Gleisfestlegung besonders an Bahnsteigkanten, weil sich ein festgelegtes Gleis näher an die Kante heranlegen ließ, was sich wegen des geringeren horizontalen Spalts günstig auf den Zugang zu den Fahrzeugen auswirkte. Die kinematische Betrachtungsweise grenzt die Verantwortungsbereiche für die Fahrzeugkonstruktion und den Eisenbahnbau gegeneinander ab, indem mit Hilfe einer definierten „Bezugslinie“ der Fahrzeugkonstrukteur die zulässigen Abmessungen des Fahrzeugs und der bautechnische Planer den notwendigen Lichtraumbedarf ermitteln können (Abb. 2.1). Für die Berechnung der Fahrzeugabmessungen müssen die Maße der Bezugslinie um fahrzeug- und gleisseitige Einflüsse eingeschränkt und damit verkleinert werden (Einschränkungen E, vgl. Anlage 9 zur EBO [2.5]), während sich der Mindestraumbedarf für den Durchgang der Fahrzeuge in Gestalt der „Grenzlinie für feste Anlagen“ ergibt, indem die Verschiebungen aus den horizontal wirkenden Einflussgrößen – Ausladungen S (geometrische Anteile aus der Stellung eines Fahrzeugs im Gleisbogen und aus der ungünstigsten Stellung in einem Gleis mit einer größeren Spurweite als der Regelspurweite von 1435 mm), – quasistatische Seitenneigung Q (Anteil des Einflusses der Fliehkraft) und – zufallsbedingte Verschiebungen T (im Wesentlichen aus unregelmäßiger Gleislage) zur Bezugslinie addiert werden (vgl. Anlage 2 zur EBO und [2.3]). Die Grenzlinie ist die Grundlage der Definition von Planungsregeln
44
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Abb. 2.1 Bestandteile des Lichtraumprofils. 1 tatsächliche Fahrzeugbegrenzung; 2 Begrenzungslinie für die Fahrzeugkonstruktion; 3 Bezugslinie; 4 Begrenzungslinie für den statischen Raumbedarf; 5 Kinematische Begrenzungslinie; 6 Grenzlinie für feste Anlagen; 7 Lichtraumumgrenzung
für den in einem Streckennetz vorzuhaltenden Raum. Der Zuschlag Z zwischen Grenzlinie und Lichtraumumgrenzung deckt besondere Umstände (z.B. außergewöhnliche Sendungen, starker Seitenwind) ab. Die EBO enthält, basierend auf den ehemaligen statischen Fahrzeugbegrenzungen, zwei Bezugslinien mit den Bezeichnungen G1 und G2 (Abb. 2.2). Die kleinere Bezugslinie G1 gilt für Fahrzeuge, die auch im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzt werden können. Die im oberen Bereich deutlich größere Bezugslinie G2 liegt dem seit 1991 gültigen Regellichtraum der EBO zugrunde, der nach der kinematischen Berechnungsmethodik entwickelt
wurde. Da sich dieser wegen bestehender Einragungen nicht überall durchgängig herstellen lässt, jedoch Fahrzeuge verkehren, die die Bezugslinien überschreiten, muss der Mindestlichtraumbedarf für Fahrzeuge, also die maßgebende örtliche Grenzlinie, im Einzelfall rechnerisch ermittelt werden. Der untere Bereich der Grenzlinie für feste Anlagen ist in Anlage 1 Bild 2 der EBO [2.5] dargestellt; er ist ohne Einfluss auf die Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen. Der Regellichtraum setzt sich aus dem von der jeweiligen Grenzlinie umschlossenen Raum und zusätzlichen Räumen für bauliche und betriebliche Zwecke zusammen (Abb. 2.3). In diesen Räumen sind bestimmte, in Anlage 1 Bild 1 der EBO genannte Einragungen auf Dauer zulässig (Bereich A) bzw. nur bei Bauarbeiten, wenn die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen sind (Bereiche A und B). Über diese Fälle hinaus dürfen in den unteren Raum des Bereichs A wegen der dort ohnehin zahlreich vorhandenen Einragungen, z.B. durch Bahnsteigkanten, weitere bauliche Anlagen bis zur Höhe von 0,38 m über Schienenoberkante (SO) hineinragen, insbesondere – Flucht- und Rettungswege auf bzw. in Bauwerken, – Dauerhilfsbrücken, – Obergurte der Hauptträger von Trogbrücken, Fundamente von Oberleitungsmasten, – Schotterbegrenzungsbalken sowie Kabelkanäle auf Brücken und in Trogbauwerken, wenn andere Lösungen unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen würden [2.6]. Die innerhalb des Regellichtraums dargestellten beiden Grenzlinien (kleine und große Grenzlinie) begrenzen die Bandbreite für den erforderlichen Mindestlichtraum bei Zugrundelegung extrem günstiger bzw. extrem ungünstiger Trassierungsparameter und reichen daher für eine erste Abschätzung aus. Zwischen diesen beiden Grenzlinien liegt eine unendliche Schar weiterer Grenzlinien, mit denen sich jede örtlich vorhandene Trassierung abbil-
2.1 Fahrzeugbegrenzung und Lichtraumprofil
45
Abb. 2.2 Bezugslinien G1 und G2 (Maße in mm)
Abb. 2.3 Regellichtraum in der Geraden und in Bogen bei Radien t 250 m. Linke Hälfte: bei durchgehenden Hauptgleisen und bei anderen Hauptgleisen für Reisezüge, rechte Hälfte: bei den übrigen Gleisen. Bereich A: Zulässig sind Einragungen von baulichen Anlagen, wenn es der Bahnbetrieb erfordert (z.B. Bahnsteige, Rampen, Rangiereinrichtungen, Signalanlagen). Bereiche A und B: Zulässig sind Einragungen bei Bauarbeiten, wenn die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen sind
46
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
den lässt. Eine genauere Ermittlung der jeweiligen Grenzlinie ergibt sich durch Addition der in Anlage 2 der EBO (Grenzlinie für feste Anlagen ohne Oberleitung, vgl. Abb. 2.1) bzw. Anlage 3 der EBO (Grenzlinie bei Oberleitung; hier sind auch die Verschiebungen des Stromabnehmers infolge des Schwingens sowie des Auslenkens im Gleisbogen anzusetzen) aufgelisteten Einflussgrößen nach der kinematischen Berechnungsweise oder auch vereinfachend unter Verwendung der auf der sicheren Seite liegenden Tabellenwerte der Anlagen 2 und 3 der EBO [2.5].
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts 2.2.1 Lichter Raum Mit dem Regellichtraum ist einerseits festgelegt, welche Mindestabmessungen für den lichten Raum einzuhalten sind, andererseits steht den Eisenbahnen die Möglichkeit offen, für bestimmte Einsatzbereiche von Fahrzeugen
und Ladeeinheiten auch Lichträume mit größeren Abmessungen einzuführen. Die Deutsche Bahn (DB AG) als größter deutscher Netzbetreiber hat hiervon Gebrauch gemacht und schreibt beim Neubau und umfassenden Umbau von Strecken ein gegenüber dem Regellichtraum im oberen Bereich erweitertes Lichtraumprofil GC vor (Abb. 2.4); es erlaubt die uneingeschränkte Durchführung aller Sendungen des kombinierten Ladungsverkehrs sowie von Fahrzeugen, die im oberen Bereich die Grenzlinie G2 überschreiten [2.8]. Auch bei sonstigen Baumaßnahmen, z.B. bei der Erneuerung von Bahnsteigdächern, soll das Lichtraumprofil GC angestrebt werden. Es ist von der Geschwindigkeit unabhängig und enthält Reserven für die Hebung des Oberbaus bei Instandhaltungsmaßnahmen sowie einen Zuschlag von 25 mm für die Ausrundung von Neigungswechseln mit einem Ausrundungsradius von 2000 m. Bei Strecken, auf denen ausschließlich Stadtschnellbahnfahrzeuge (S-Bahnfahrzeuge) verkehren, dürfen die halben Breitenmaße des Regellichtraums um 100 mm auf 2400 mm bzw. auf 2100 mm verringert werden (Abb. 2.5).
Abb. 2.4 Lichtraumprofil GC in der Geraden und in Bogen bei Radien t 250 m. Linke Hälfte: bei durchgehenden Hauptgleisen und bei anderen Hauptgleisen für Reisezüge, rechte Hälfte: bei den übrigen Gleisen (Maße in mm). 1) Raum, in den bauliche Anlagen einragen dürfen, wenn es der Bahnbetrieb erfordert (vgl. Abb. 2.3); er reicht im Höhenbereich unter 760 mm bzw. unter 1200 mm bis an die Grenzlinie (gestrichelt) heran
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts
47
Abb. 2.5 Lichtraumprofil für S-Bahnen in der Geraden und in Bogen bei Radien t 250 m. Linke Hälfte: bei Hauptgleisen, rechte Hälfte: bei den übrigen Gleisen (Maße in mm). 1) Raum, in den bauliche Anlagen einragen dürfen, wenn es der Bahnbetrieb erfordert (vgl. Abb. 2.3); er reicht im Höhenbereich unter 960 mm bis an die Grenzlinie (gestrichelt) heran. 2) Die halbe Breite des Lichtraums darf in Tunneln und unmittelbar anschließenden Einschnittsbereichen bis auf 1900 mm verringert werden, sofern besondere Fluchtwege vorhanden sind
Entscheidend für die Zulässigkeit der Anwendung der Maße für Stadtschnellbahnen (S-Bahnen) ist, ob auf einer zu bauenden Strecke tatsächlich ausschließlich besonders gebaute Fahrzeuge zur Abwicklung des Personennahverkehrs in Ballungsräumen verkehren. Der Begriff der „Stadtschnellbahnen“ bezog sich ursprünglich auf die S-Bahnen in den Verdichtungsräumen Berlin, Hamburg und München. Inzwischen wird der Begriff der „S-Bahn“ bundesweit auch außerhalb der Verdichtungsräume ver-
wendet. Die Privilegierung für Stadtschnellbahnen beim Bau von Strecken greift jedoch nur dann, wenn auf diesen Strecken nur solche Fahrzeuge verkehren, die besonders dafür gebaut sind. Der auf allen elektrifizierten und zur Elektrifizierung vorgesehenen Strecken des Netzes der DB AG freizuhaltende Regellichtraum bei Oberleitung (s. Abb. 2.3) berücksichtigt für die halbe Mindestbreite b unterschiedliche Höhenbereiche des Stromabnehmers (Tabelle 2.1). Im bestehenden Netz darf das Maß b unter Ein-
Tabelle 2.1 Maße des Regellichtraums bei Oberleitung 15 kV 16,7 Hz bei Radien t 250 m Regellichtraum v ≤ 160 km/h
Regellichtraum 160 < v ≤ 230 km/h
Lichtraum v > 230 km/h
Regellichtraum v ≤ 140 km/h S-Bahnen
Regelmaße
a [mm]
b [mm]
a [mm]
b [mm]
a [mm]
b [mm]
a [mm]
b [mm]
ohne BÜ an BÜ
6150 6500
1510 1510
6150 –
1510 –
6150 –
1615 –
5500 6150
1440 1510
a = Höhe des Lichtraums bei Oberleitung (mm) b = halbe Mindestbreite im Arbeitshöhenbereich des Stromabnehmers (mm) Abschrägung der Ecken: c = 300 mm, d = 400 mm
48
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.2 Vergrößerung der halben Breitenmaße der Lichtraumprofile und des Regellichtraums bei Oberleitung bei Radien < 250 m Radius
[m]
Lichtraumprofil Bogenseite innen außen [mm] [mm]
250 225 200 190 180 150 120 100
0 25 50 65 80 135 335 530
0 30 65 80 100 170 365 570
Regellichtraum bei Oberleitung [mm] 0 10 20 25 30 50 80 110
Zwischenwerte dürfen geradlinig eingeschaltet werden
beziehung der örtlichen Trassierungsgrößen auch spitz ermittelt werden (Grenzlinie bei Oberleitung). Alle Maßangaben für die Lichträume beziehen sich auf die Verbindungslinie der Schienenoberkanten in Soll-Lage. Da die Mittellinie senkrecht auf dieser Verbindungslinie steht, wird in überhöhten Gleisen auch der Lichtraum um diesen Schnittpunkt gedreht, so dass sich alle Eckpunkte entsprechend verschieben [2.6]. In Gleisbogen mit Radien von weniger als 250 m sind die halben Breitenmaße der Lichtraumprofile und der Lichträume bei Oberleitung nach Tabelle 2.2 zu vergrößern.
Stoßen Gleisabschnitte mit verschieden großen Lichtraumprofilen aneinander, z.B. – bei festgelegten und nicht festgelegten Gleisabschnitten, – beim Wechsel von einem Radius unterhalb 250 m auf einen größeren Radius oder – beim Übergang von reinem S-Bahnbetrieb auf Mischbetrieb, sind in den Übergangsbereichen entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Dabei wird nach Fällen mit (Abb. 2.6) und ohne Übergangsbogen (Abb. 2.7) unterschieden. Besonders zu beachten ist, dass bei einem im Bahnsteigbereich abzweigenden engen Weichenbogen die Bahnsteigkante im Bereich des Einlaufs in die Weiche in Abhängigkeit von der Krümmung zurückgesetzt werden muss, was deshalb vermieden werden sollte. Der Mindestlichtraum, der den Raumbedarf aller Regelfahrzeuge und Regelsendungen, das sind alle – nach den Bezugslinien G1 und G2 gebauten Fahrzeuge, – Bauarten des ICE, der Doppelstock- und Neigetechnik-Fahrzeuge sowie – Sendungen des kombinierten Ladungsverkehrs auf Containertragwagen, abdeckt und stets freigehalten werden muss, ist keine Planungsgröße, sondern legt die Eingriffsschwelle für die Instandhaltung des Oberbaus fest (Wiederherstellung der Soll-Lage). Dies gilt auch für den Mindestlichtraum GC, der gegenüber dem Mindestlichtraum für 5m
UA
UE / BA
r < 250
m
lUB
Abb. 2.6 Übergang zwischen verschiedenen Lichtraumbreiten bei Gleisbogen mit Übergangsbogen. BA = Bogenanfang; UA = Anfang des Übergangsbogens; UE = Ende des Übergangsbogens
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts
2m
5m
15 m
49
x
BA WA
20 m x[m]
150 190 300
7 6 2
r
r[m]
Abb. 2.7 Übergang zwischen verschiedenen Lichtraumbreiten bei Gleisbogen ohne Übergangsbogen oder bei Weichen. WA = BA = (Weichen-)Bogenanfang
Abb. 2.8 Mindestlichträume in der Geraden und in Bogen bei Radien t 250 m. Linke Hälfte: Mindestlichtraum GC, rechte Hälfte: Mindestlichtraum (Maße in mm). 1) Die Ecke darf bei v d 160 km/h abgeschrägt werden
100
4 832
100
4 705 1) 1 825
1 070
4 135
1 637 3 555
3 500 1 865
1 863
1 811
1 811
1 815
1 815
760 380
1 683
1 683
1 583
1 583
1 275
1 275
Regelfahrzeuge und Regelsendungen im oberen Bereich so vergrößert ist, dass er auch Huckepack-Verkehre mit Ladungen nach der Begrenzungslinie GC zulässt (Abb. 2.8) [2.8]. Bei Radien unter 250 m sind die halben Breitenmaße beider Mindestlichträume nach Tabelle 2.2 zu vergrößern.
760 380 SO
Überschreiten Fahrzeuge die Bezugslinien G1 und G2 („übergroße Fahrzeuge“ [2.4]), ist der Mindestlichtraumbedarf besonders zu ermitteln.
50
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
2.2.2 Gleisabstand Der Gleisabstand ist der Abstand von Mitte zu Mitte benachbarter Gleise; er wird horizontal zwischen den Gleismitten gemessen. Die DB hat für Neubauten und größere Umbauten in ihrem Netz Regelgleisabstände vorgeschrieben, denen im Hinblick auf den erwünschten einheitlichen Netzstandard die in der EBO festgelegten Mindestabstände zugrunde liegen. Danach ist in der Geraden und in Bogen mit einem Radius > 250 m ein Gleisabstand herzustellen von – 4,00 m auf der freien Strecke, – 4,50 m in Bahnhöfen und – 3,80 m bei S-Bahnen; bei Mischbetrieb (S-Bahn- und anderer Verkehr auf der gleichen Strecke) muss der Gleisabstand 4,00 m betragen [2.8]. Beim Ausbau vorhandener Strecken für eine Geschwindigkeit bis v d 230 km/h reicht ein Gleisabstand von 4,00 m aus, wenn für die erhöhte Geschwindigkeit nur Triebzüge mit aerodynamisch günstigen Eigenschaften zum Einsatz kommen sollen, für die ein entsprechender Nachweis erbracht ist (z.B. ICE). Für neue Hochgeschwindigkeitsstrecken (v > 200 km/h) ist grundsätzlich ein Gleisabstand von 4,50 m vorzusehen [2.2]. Bei Gleisabständen von 4,40 m und weniger überschneiden sich die Lichtraumprofile benachbarter Gleise. Dies ist bis herab auf die örtlichen Mindestgleisabstände (Tabelle 2.3) unkritisch, solange sich keine festen Einbauten zwischen den Gleisen befinden und keine Fahrzeuge verkehren, die die Fahrzeugbegrenzungen nach den Bezugslinien G1 und G2 überschreiten. Ausgenommen hiervon sind feste Gegenstände in einer Höhe von bis zu 0,38 m über Schienenoberkante, wie niedrige signaltechnische Einrichtungen. Lediglich bei Bauarbeiten sind Einragungen auch im darüber liegenden Höhenbereich zulässig, wenn die Mindestlichträume – Freihalten der fahrzeugspezifischen Grenzlinien – gewahrt und die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen
(z.B. Verschließen der Fenster von Reisezugwagen) getroffen sind. Die in Tabelle 2.3 genannten Abstandsmaße bei Radien unter 250 m (Anlage 4 EBO) enthalten bereits die Vergrößerung nach Tabelle 2.2. Praxisgerechter für die Anwendung im bestehenden Netz der DB, insbesondere mit ICEVerkehr, ist bei Streckengeschwindigkeiten von weniger als 160 km/h und relativ kleinen Bogenradien die Zuordnung von Soll-Gleisabständen nach Tabelle 2.4. Diese Tabelle ist nach Werten aus der Summe von ua (Überhöhung des Außenbogengleises) und ufi (Überhöhungsfehlbetrag des Innenbogengleises) aufgebaut und berücksichtigt in Radien von 350 m und weniger einen etwas größeren Gleisabstand, der durch den übergroßen ICE 1 bedingt ist. Beim Verkehren von Fahrzeugen mit Neigetechnik ändern sich die Soll-Gleisabstände nicht, solange die Werte für den Überhöhungsfehlbetrag des Innenbogengleises um nicht mehr als 150 mm erhöht werden. Sollen zwischen den Gleisen Signale mit Schmalmasten aufgestellt werden, ist bei Streckengleisen ein größeres Abstandsmaß als der Regelgleisabstand erforderlich. Bei Gleiswechselbetrieb soll ein Gleisabstand von 4,60 m eingehalten werden, bei S-Bahnen von 4,40 m. Hierin sind die Breite eines Schmalmastes von 0,10 m sowie eine Bautoleranz von jeweils 0,05 m enthalten. In Gleisbogen müssen Gleisüberhöhungen berücksichtigt werden. In Bahnhöfen gestattet ein Soll-Gleisabstand von mindestens 4,50 m das Aufstellen von bis zu 0,10 m breiten Schmalmasten zwischen den Gleisen (z.B. für Signale), wenn sichergestellt ist, dass der Bereich B des Regellichtraums bzw. des Lichtraumprofils GC nicht in Anspruch genommen wird. Bei diesem kleinsten zulässigen Herstellmaß von 4,50 m ist jedoch vorhersehbar, dass durch Gleislageveränderungen der Soll-Abstand unterschritten wird. Derartige Unterschreitungen sind nur solange nicht unmittelbar betriebsrelevant, wie Abstandsmessungen zwischen der Vorderkante des Masts und der Gleisachse ergeben, dass die seitlichen Verschiebungen des Gleises aus der
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts
51
Tabelle 2.3 Mindestgleisabstände Radius [m]
Mindestgleisabstand [m] bei einer Geschwindigkeit von [km/h] 160 140 120 100 80 70 60 50
40
30
2100
3,50
3,50
3,50
3,50
1600
3,54
3,50
1300
3,58
3,53
3,50
1100
3,61
3,56
3,51
950
–
3,59
3,53
850
–
3,61
3,55
3,50
700
–
–
3,59
3,53
600
–
–
3,62
3,55
3,50
500
–
–
–
3,59
3,52
450
–
–
–
3,61
3,54
3,50
400
–
–
–
–
3,55
3,52
3,50
300
–
–
–
–
3,61
3,56
3,52
3,50
250
–
–
–
–
–
3,60
3,55
3,51
3,50
3,50
225
–
–
–
–
–
–
3,63
3,58
3,56
3,56
200
–
–
–
–
–
–
3,71
3,66
3,62
3,62
180
–
–
–
–
–
–
3,80
3,74
3,69
3,68
3,50
3,50
3,50
3,50
3,50
3,50
Zwischenwerte dürfen geradlinig eingeschaltet werden
Soll-Lage nicht mehr als 25 mm betragen; dieser Anteil der zufallsbedingten Verschiebungen wird in der Grenzlinienberechnung berücksichtigt. Bis zur Wiederherstellung des vorgeschriebenen Gleisabstands ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die für die Gleislagetoleranz in Ansatz gebrachten Werte nicht überschritten werden. Eine Forderung, bereits bei der Herstellung der Gleislage grundsätzlich die Mindestmaße der EBO um entsprechende Zuschläge zu vergrößern, lässt sich aus der Vorschrift nicht herleiten. Ein Mindestgleisabstand von 4,50 m erlaubt auch das Einlegen von Weichenverbindungen ohne die bei geringeren Gleisabständen zu verwendenden Langschwellen, was bei Instandhaltungsarbeiten an dem einen Gleis auch die Sperrung des Nachbargleises erfordert.
Tabelle 2.4 Soll-Gleisabstände [m] im bestehenden Netz bei Streckengeschwindigkeiten < 160 km/h ua + ufi [mm]
Radius [m] 250 350
500
650
950
2000
3,56 3,51 3,50 3,50 3,50 3,50 d 100 3,56 3,52 3,50 3,50 3,50 3,50 110 3,57 3,53 3,50 3,50 3,50 3,50 120 3,58 3,54 3,52 3,50 3,50 3,50 140 3,59 3,55 3,53 3,51 3,50 3,50 160 3,60 3,56 3,55 3,53 3,52 3,51 180 3,60 3,56 3,56 3,54 3,53 3,52 200 3,61 3,58 3,58 3,56 3,55 3,54 220 3,62 3,59 3,59 3,58 3,57 3,56 240 3,63 3,61 3,61 3,59 3,58 3,57 260 3,64 3,63 3,63 3,61 3,60 3,59 280 3,66 3,64 3,64 3,63 3,61 3,60 300 3,67 3,66 3,65 3,64 3,63 3,62 320 Zwischenwerte dürfen geradlinig eingeschaltet werden
52
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.5 Breite des Gefahrenbereichs in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit Nutzungsart der Gleise
Breite [m]
Fernbahngleise mit 160 km/h < v d 300 km/h Fernbahngleise mit v < 160 km/h S-Bahngleise mit 120 < v < 140 km/h S-Bahngleise mit v < 120 km/h Nebengleise mit v = 50 km/h Nebengleise mit v < 40 km/h
3,00 2,50 2,40 2,30 2,00 1,85
Durchgehende Hauptgleise ohne Zwischenbahnsteig dürfen im Gleisabstand der freien Strecke durch Bahnhöfe geführt werden, wenn die Herstellung eines Gleisabstands von 4,50 m mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist. Je nach Anordnung und Art der Gleise sowie in Abhängigkeit von der gefahrenen Geschwindigkeit kann es erforderlich sein, dass der Gleisabstand gegenüber den Regelwerten vergrößert werden muss. So ist aus Gründen der Unfallverhütung mindestens neben jedem zweiten Gleis ein Sicherheitsraum von 0,80 m Brei-
Überholungsgleis
te außerhalb des Gefahrenbereichs bewegter Fahrzeuge (Tabelle 2.5) vorgeschrieben, in welchem sich im Gleisbereich Beschäftigte ungefährdet aufhalten können. Das Aufstellen von Masten (Oberleitungs-, Signal-, Beleuchtungsmasten) im Sicherheitsraum beeinträchtigt dessen Schutzfunktion nicht, da bei Zugfahrten rechtzeitig Schutz vor oder hinter den kurzen Einbauten gefunden werden kann. Der Abstand eines Überholungsgleises zu einem durchgehenden Hauptgleis muss mindestens so groß sein, dass bei Fahrt in einem der beiden Gleise mit der größten zugelassenen Geschwindigkeit stets noch der Sicherheitsraum neben dem Nachbargleis zur Verfügung steht. Der geringste Gleisabstand ergibt sich, wenn bei Fahrt im durchgehenden Hauptgleis der Sicherheitsraum bis unmittelbar an die Grenzlinie der im benachbarten Überholungsgleis stehenden Fahrzeuge heranreicht; diese verläuft im relevanten Höhenbereich in 1,70 m Abstand von der Gleisachse (Abb. 2.9).
durchgehendes Hauptgleis
Gefahrenbereich für v 160 km / h
Gefahrenbereich für v > 160 km / h
1 3,00 (2,50) )
2,50 A
B
0,80 0,80 SO 2)
1,70
C 1,60
1) 5,50 (5,00) erforderlicher Gleisabstand
Abb. 2.9 Gleisabstand zwischen durchgehendem Hauptgleis und Überholungsgleis mit Zwischenweg (Maße in m). A Sicherheitsraum für Beschäftigte bei Durchfahrt im Schnellfahrgleis; B Sicherheitsraum für Beschäftigte bei Einfahrt im Überholungsgleis; C Zwischenweg. 1) Maße in Klammern gelten für v d 160 km/h; 2) Abstand der Grenzlinie
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts
53
Tabelle 2.6 Gleisabstand bei Hauptgleisen in Bahnhöfen ohne Mastgasse Anordnung des Sicherheitsraums
Gleisabstand [m]
Ohne Sicherheitsraum zwischen den durchgehenden Hauptgleisen (Hgl.)
4,50 bzw. t freie Strecke
Sicherheitsraum im Zwischenweg neben haltenden Fahrzeugen: – durchgehendes Hgl. (>160 km/h) – Überholungsgleis (< 160 km/h) – durchgehendes Hgl. (< 160 km/h) – Überholungsgleis (< 160 km/h) Sicherheitsraum zwischen zwei Gefahrenbereichen: – Hauptgleis (> 160 km/h) – Hauptgleis (> 160 km/h) – Hauptgleis (> 160 km/h) – Hauptgleis (d 160 km/h) – Hauptgleis (d 160 km/h) – Hauptgleis (d 160 km/h) – Hauptgleis (> 160 km/h) – Nebengleis (d 50 km/h) – Hauptgleis (d 160 km/h) – Nebengleis (d 50 km/h)
Können in benachbarten Gleisen gleichzeitig Zugfahrten stattfinden, muss der Sicherheitsraum zwischen beiden Gefahrenbereichen liegen, so dass sich der Gleisabstand um 0,80 m vergrößert (Tabelle 2.6). Zum Gleisabstand bei parallel geführten Strecken s. Abschn. 2.3.1. Zwischen zusammenlaufenden Gleisen muss ein Grenzzeichen angebracht werden, dessen Standort die Gefährdung eines abgestellten Fahrzeugs durch ein bewegtes Fahrzeug ausschließt. Der erforderliche Gleisabstand ist unter Berücksichtigung der Kinematik zu ermitteln und verlangt mindestens das Freihalten der jeweiligen Grenzlinien. Der Mindestgleisabstand kann für Geschwindigkeiten bis 160 km/h auch den Tabellen 2.3 bzw. 2.4 entnommen werden. Hat das bogenäußere Gleis
Tabelle 2.7 Vergrößerung der Gleisabstände bei r < 250 m
5,50 5,00 6,80 6,30 5,80 5,80 5,30
eine größere Überhöhung u als das bogeninnere, ist der Mindestgleisabstand um das Maß 2,35 'u [mm] zu vergrößern. Für den Schutz von Personen sind nach den Vorschriften des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung im Gleisbereich jedoch größere Gleisabstände am Grenzzeichen erforderlich (s. Abschn. 2.4). Das Grenzzeichen darf deshalb nur dann im Mindestabstand, d.h. für die sichere Begegnung von Fahrzeugen, vorgesehen werden, wenn sich dort keine Personen in Ausübung ihrer Tätigkeit aufhalten müssen. Bei Gleisbogen sowie bei Zweiggleisbogen von Weichen mit weniger als 250 m Radius muss der Gleisabstand vergrößert werden (Tabelle 2.7). Hinsichtlich des Standortes des Grenzzeichens trifft dies auch für Fälle zu, in denen hinter dem Ende der Weiche ein Gleisbogen mit weniger als 250 m Radius anschließt.
Radius [m]
Erforderliche Vergrößerung [mm]
2.2.3 Fahrbahnbreite
250 225 200 180 170 150 120 100
0 50 120 180 215 305 700 1100
Bei einer zweigleisigen Strecke setzt sich die Breite der Fahrbahn zusammen aus – dem Gleisabstand, – den beiden Gefahrenbereichen, – der zweifachen Breite des Sicherheitsraums und – ggf. der von der Überhöhung abhängigen Verbreiterung auf der Bogenaußenseite bei Schotteroberbau.
Zwischenwerte dürfen geradlinig eingeschaltet werden
54
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Maßgebend sind hierbei – die Entwurfsgeschwindigkeit für den Gleisabstand und für die Breite des Gefahrenbereichs, – das Lichtraumprofil für den Abstand fester Anlagen von der Gleisachse, – der Gleisabstand für das Aufstellen von Masten zwischen den Gleisen und ggf. für das Anlegen eines Zwischenweges, – der Gefahrenbereich bzw. der SchotterbettFußpunkt bei überhöhtem Gleis für den Abstand der inneren Randwegkante auf der Bogenaußenseite, – der Sicherheitsraum für die Breite der Randwege. Für die Breite des Gefahrenbereichs neben Streckengleisen soll grundsätzlich eine Entwurfsgeschwindigkeit von mindestens 160 km/ h vorgesehen werden. Lässt jedoch die Strecke auf Dauer – auch z.B. bei einem eventuellen späteren Einsatz von Zügen mit Neigetechnik – nur eine Geschwindigkeit von weniger als 160 km/h zu, kann der hierfür notwendige Gefahrenbereich angesetzt werden, wenn dies im Planungsauftrag vorgegeben ist; entsprechend verringert sich die Fahrbahnbreite. Randwege sollen eine Breite von 0,80 m aufweisen und sind i.d.R. in Höhe der Tragschicht anzuordnen bei – eingleisigen Strecken auf beiden Seiten der Fahrbahn, – zweigleisigen Strecken auf den beiden Außenseiten der Fahrbahn, – Bahnhöfen neben den äußeren Gleisen (außer bei Bahnsteigen und Rampen). Sie dienen u.a. der – Erhaltung der Lagestabilität des Gleises, – Abtragung der Lasten aus dem Eisenbahnbetrieb, – Sicherheit des Personals bei Inspektionsgängen und Instandhaltungsarbeiten während der Vorbeifahrt von Zügen (Sicherheitsraum),
– vorübergehenden Lagerung von Baumaterialien und Arbeitsgeräten, – Evakuierung eines Zuges. Bei Strecken mit ausschließlichem S-Bahnverkehr darf die Randwegbreite bis auf 0,60 m verringert werden, wenn es die Vorschriften für die Unfallverhütung im Gleisbereich örtlich zulassen. Ist bei eingleisigen Strecken wegen beengter Platzverhältnisse abschnittsweise nur ein einseitiger Randweg möglich, darf auf den zweiten Randweg verzichtet werden, wenn der Planungsauftrag dies vorsieht. Dabei soll ein Wechsel der Gleisseite vermieden werden. Auf der dem Randweg gegenüberliegenden Seite soll der Abstand der Fahrbahnkante zum Schotterbett-Fußpunkt mindestens 0,20 m betragen. Zwischenwege sollen eine Breite von 0,80 m aufweisen und sind i.d.R. in Höhe der Tragschicht anzuordnen – zwischen höhengleich und parallel geführten Strecken nach jedem zweiten Gleis, – zwischen den durchgehenden Hauptgleisen der Bahnhöfe bei ausreichendem Gleisabstand, – sonst neben den durchgehenden Hauptgleisen. Sie sollen bei abgeböschtem Schotterbett in Höhe der Fahrbahn und bei durchgehendem Schotterbett in Höhe der Schwellenoberkante angelegt werden. Da Rand- und Zwischenwege der Sicherheit des Personals bei Inspektionsgängen und Instandhaltungsarbeiten während der Vorbeifahrt von Zügen dienen, sollen Einbauten im Höhenbereich bis zu 2,20 m über Wegoberkante vermieden werden. Ausgenommen hiervon sind feste Anlagen mit geringer Längenentwicklung, wie Maste, Mastfundamente, Sprechstellen oder Schalteinrichtungen, wenn eine andere Anordnung ausscheidet. Derartige Einrichtungen beeinträchtigen die Schutzfunktion des Sicherheitsraums nicht, da bei Zug-
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts
55
Tabelle 2.8 Fahrbahnbreiten Streckengleise
Entwurfsgeschwindigkeit
Gleisabstand
Gefahrenbereich
Randwegbreite
[Anzahl]
[km/h]
[m]
[m]
[m]
Fahrbahnbreite [m] bei SchO bei FF u [mm] = 0 160 0–170
2 S-Bahn 2 2 2 ABS 2 NBS 1 S-Bahn 1 1
d 140 d 160 > 160–200 > 200–230 > 200–300 d 140 d 160 > 160–300
3,80 4,00 4,00 4,00 4,50 – – –
2,40 2,50 3,00 3,00 3,00 2,40 2,50 3,00
0,80 0,80 0,80 0,80 0,80 0,80 0,80 0,80
10,20 10,60 11,60 11,60 12,10 6,40 6,60 7,60
fahrten neben den Einbauten Schutz gefunden werden kann. Der Fußbereich von Rand- und Zwischenwegen darf bei abgeböschtem Schotterbett bis auf 0,55 m verringert werden. Auf zweigleisigen Strecken mit Schotteroberbau (SchO) und Überhöhung liegt der Schotterbett-Fußpunkt des auf der Bogenaußenseite liegenden Schienenstrangs außerhalb des Gefahrenbereichs, wodurch die innere Randwegkante um bis zu 0,40 m weiter nach außen rückt. Die entsprechende Verbreiterung der Fahrbahn soll am Anfang des Übergangsbogens beginnen. Bei Oberbau mit Fester Fahrbahn (FF) bewirken selbst große Überhöhungswerte keine Verbreiterung der Fahrbahn auf der Bogenaußenseite (Tabelle 2.8). Stoßen Streckenabschnitte mit verschiedenen Fahrbahnbreiten aneinander, sollen die Fahrbahnkanten auf einer Länge von etwa 10 m verzogen werden. Bei stark überhöhten Gleisen darf sich auf der Bogeninnenseite der über dem Rand- oder Zwischenweg freizuhaltende Raum mit dem Lichtraum überschneiden, sofern der Sicherheitsraum außerhalb des Gefahrenbereichs angeordnet ist. Grenzen Randwege an Flächen, die steiler als etwa 45° bzw. senkrecht abfallen und beträgt die Absturzhöhe mehr als einen Meter, sind Absturzsicherungen (z.B. Geländer) vorzusehen.
10,50 11,00 12,00 12,00 12,50 6,40 6,60 7,60
– 11,60 11,60 11,60 12,10 – – 7,60
2.2.4 Abstand fester Anlagen von Gleismitte Feste Anlagen in Gleisnähe dürfen weder Zugfahrten gefährden noch Personen, die sich außerhalb des Gefahrenbereichs aufhalten. Bauliche Anlagen oder Gegenstände sollen sich daher nur außerhalb der Fahrbahn befinden. Ausgenommen hiervon sind die im Lichtraum sowie im Rand- bzw. Zwischenweg zulässigen Einragungen. Bestimmend für den Abstand fester Anlagen von Gleismitte sind die Summe aus Gefahrenbereich und Sicherheitsraum (Rand- bzw. Zwischenwegbreite) entsprechend den Festlegungen in den Unfallverhütungsvorschriften sowie bei überhöhten Gleisen der bogenaußen liegende Schotterbett-Fußpunkt (Tabelle 2.9). Steht fest, dass die Geschwindigkeit auf einem Hauptgleis im Bahnhof auf Dauer unter 160 km/h liegen wird, reicht ein kleinerer Gefahrenbereich aus (Tabelle 2.10). Von dieser Möglichkeit sollte z.B. neben Überholungsgleisen Gebrauch gemacht werden, wenn wegen beengter Platzverhältnisse das Erstellen einer Lärmschutzwand in dem für 160 km/h bemessenen Regelabstand zu erheblichen Mehrkosten führen würde. Neben stark überhöhten Gleisen mit Schotteroberbau darf bei Stützwänden und Lärmschutzwänden auf die sonst erforderliche Vergrößerung der Abstände an der Bogenaußen-
56
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.9 Regelabstand fester Anlagen von Gleismitte
[mm]
eingleisige Fernbahnen v d 160 km/h [m]
v > 160 km/h [m]
eingleisige S-Bahnen v d 140 km/h [m]
bis 160
3,30
3,80
3,20
Überhöhung
[mm]
zweigleisige Fernbahnen v d 160 km/h v > 160 km/h bogeninnen bogenaußen bogeninnen bogenaußen [m] [m] [m] [m]
zweigleisige S-Bahnen v d 140 km/h bogeninnen bogenaußen [m] [m]
bis 20 25–50 55–100 105–160
3,30 3,30 3,30 3,30
3,20 3,20 3,20 3,20
3,30 3,50 3,60 3,70
3,80 3,80 3,80 3,80
Tabelle 2.10 Abstand fester Anlagen von Gleismitte nicht überhöhter Gleise bei Geschwindigkeiten < 160 km/h Geschwindig- Gefahren- Sicherheits- Abstand keit bereich raum fester Anlagen [km/h] [m] [m] [m] ≤ 140 ≤ 120 ≤ 90 ≤ 70 ≤ 50
2,40 2,30 2,20 2,10 2,00
0,80 0,80 0,80 0,80 0,80
3,20 3,10 3,00 2,90 2,80
3,80 4,00 4,10 4,20
3,20 3,30 3,40 3,50
seite verzichtet werden, wenn der Randweg, zugleich Sicherheitsraum, etwa in Höhe der Schwellenoberkante verläuft (Abb. 2.10). Muss zwischen zweigleisigen Strecken mit durchgehendem Schotterbett eine Lärmschutzwand angeordnet werden, ist auf jeder Seite der Wand ein Sicherheitsraum vorzusehen, der als Randweg nutzbar ist (Abb. 2.11). Um Platz zu sparen, kann der Randweg ungefähr in Höhe der Schwellenoberkante angeordnet werden. Abb. 2.10 Abstand einer Stützwand bei verbreitertem Schotterbett und v d 160 km/h (Maße in m)
3,30 2,50 Gefahrenbereich Sicherheitsraum
0,80
2,20
Überhöhung
2.2 Elemente des Streckenquerschnitts
57
0,20 3,30 0,80
0,80
2,50 Gefahrenbereich
2,20
2,20
2,50 Gefahrenbereich
3,30
Sicherheitsraum
Lärmschutzwand 6,80
Abb. 2.11 Abstand einer Lärmschutzwand zwischen zweigleisigen Strecken bei durchgehendem Schotterbett und v d 160 km/h (Maße in m)
2.2.5 Lichte Weite und Höhe unter Überführungsbauwerken Bei der Bemessung der lichten Weite unter Überführungsbauwerken sind die Regelmaße für die Fahrbahnbreite der freien Strecke (vgl. Tabelle 2.8) lediglich Mindestmaße (Tabelle 2.11). Neben Bautoleranzen sind Verbreiterungen, die erforderlich werden, um einen befahrbaren Weg vor dem Widerlager vorbeizuführen, sowie mögliche spätere Geschwindigkeitsanhebungen (z.B. bei Fahrzeugen mit Neigetechnik) oder weitere Gleise zu berücksichtigen. Die Maße bei Überhöhung gelten für Oberbau mit abgeböschtem Schotterbett; wird die Standfläche des Sicherheitsraums auf Höhe der Schwellenoberkante angelegt sowie
bei Fester Fahrbahn, sind die Werte für u = 0 und 20 mm ausreichend. Im Bereich von Bahnhöfen soll zu Widerlagern, Stützen und dgl. ein Mindestabstand von 3,80 m von der Gleismitte eingehalten werden. Bei Geschwindigkeiten bis 160 km/h darf dieser Abstand auf 3,30 m verringert werden, wenn die Standfläche des Sicherheitsraums (Randweg) auf Höhe der Schwellenoberkante angelegt wird. Die lichte Bauwerkshöhe richtet sich nach dem Lichtraumprofil bzw. bei elektrifizierten Strecken nach dem Stromsystem und der Systemhöhe der Oberleitungskonstruktion (Tabelle 2.12, [2.11]). Mit Wechselstrom betriebene Bahnen benötigen aufgrund der höheren Nennspannung und des dadurch erforderlichen größeren Sicherheitsabstands zu Spannung führenden Teilen (elektrischer Mindest-
Tabelle 2.11 Lichte Mindestweiten unter Überführungsbauwerken bei ein- und zweigleisigen Streckenabschnitten Überhöhung [mm]
eingleisig [m] d 160 km/h > 160 km/h
zweigleisig [m] d 160 km/h > 160 – 200 km/h
> 200 km/h
0 und 20 160
6,60 6,60
10,60 11,00
12,10 12,50
7,60 7,60
Zwischenwerte dürfen geradlinig eingeschaltet werden.
11,60 12,00
58
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.12 Lichte Mindesthöhen unter Überführungsbauwerken bei Lichtraumprofil GC (u = 0 mm) und Oberleitung mit 15 kV 16,7 Hz Wechselstrom Streckengeschwindigkeit [km/h]
Freie Strecke im Normalbereich der Kettenwerke [m]
Freie Strecke im Bereich von Nachspannungen, Streckentrennungen, -trennern, Bahnhöfen [m]
d 160 > 160–200 > 200–3001 > 200–3002
5,70 5,90 6,70 7,40
6,20 6,20 7,20 7,90
1 Systemhöhe der Oberleitung: 1,10 m, Längsspannweite: 40 m 2 Systemhöhe der Oberleitung: 1,80 m, Längsspannweite: > 40–65 m
abstand in Luft) grundsätzlich eine größere lichte Höhe als Gleichstrombahnen. Bei reinen S-Bahnstrecken mit Oberleitung soll eine lichte Höhe von 6,10 m freigehalten werden. Sind elektrifizierte Gleise unter Bauwerken überhöht, muss die nach Tabelle 2.12 erforderliche lichte Mindesthöhe um einen Wert von ⅔ der Überhöhung u (mm) sowie bei geneigten Gleisen um 1,5 mm je Promille der Längsneigung I (‰) vergrößert werden: Δh = ⅔ u + 1,5 ∙ I (mm).
(2.1)
Bei den sich hiernach ergebenden lichten Bauwerkshöhen ist die Anordnung der Oberleitung sowie der Speise- und Verstärkungsleitungen unter Bauwerken ohne zusätzliche Nachweise möglich [2.11].
2.3 Streckenquerschnitt der freien Strecke 2.3.1 Streckenquerschnitt auf Erdkörpern Da sich alle Streckenquerschnitte je nach Entwurfsgeschwindigkeit und Oberbauart aus den in Abschn. 2.2.3 zusammengestellten Fahrbahnbreiten entwickeln lassen, wurden in den Anhang zu diesem Kapitel nur einige typische Querschnittsskizzen für zweigleisige Strecken mit Schotteroberbau und mit Fester Fahrbahn bei großen Überhöhungswerten aufgenommen (Abb. 2.16 bis 2.18). Weitere Regelzeich-
nungen zu Streckenquerschnitten, auch für eingleisige Strecken, enthält das Regelwerk der DB Netz AG [2.8]. Die Regelquerschnitte für Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h und für S-Bahnen dürfen an eine geringere Entwurfsgeschwindigkeit angepasst werden, wenn sich dadurch erhebliche Einsparungen ergeben und die Verkleinerung im Planungsauftrag vorgegeben ist. Die Profile des Erdkörpers, die Lage von Kabeltrassen und -querungen, die Verlegezonen für Rohrzüge sowie die Einrichtungen zur Entwässerung werden in Kap. 3 behandelt. Soll parallel und höhengleich neben einer vorhandenen elektrifizierten Strecke eine weitere Strecke verlaufen, müssen die Oberleitungsanlagen i.d.R. umgebaut werden. Zwischen den beiden innen liegenden Gleisen der Strecken kann dann der für die Mastgasse erforderliche Raum für den Gleisabstand maßgebend sein (Tabelle 2.13). Sofern die vorhandenen Oberleitungsanlagen ausnahmsweise beibehalten werden sollen, ist der Gleisabstand besonders zu ermitteln, ebenso bei einer unterschiedlichen Höhenlage der Gleise von parallel geführten Strecken.
2.3.2 Streckenquerschnitt auf Brücken und in Tunneln Das den Fahrbahnbreiten in Abschn. 2.2.3 zugrunde liegende Raster lässt sich auf alle Bauwerksquerschnitte übertragen (Tabelle 2.14).
2.3 Streckenquerschnitt der freien Strecke
59
Tabelle 2.13 Gleisabstand zwischen zwei parallel und höhengleich geführten elektrifizierten Strecken bei Umbau der vorhandenen Oberleitung Strecke vorhanden Fernbahn d 160 km/h
geplant
2,50 3,00
0,80
6,40
3,00 3,00
0,80
6,80
2,50 2,40
0,80
6,30
3,00 2,40
0,80
6,30
S-Bahn d 140 km/h
Fernbahn > 160 km/h
Gleisabstand [m]
Fernbahn > 160 km/h
Fernbahn d 160 km/h
Sicherheitsraum [m]
Fernbahn > 160 km/h
Fernbahn > 160 km/h
Gefahrenbereich [m]
S-Bahn d 140 km/h
Tabelle 2.14 Grundabmessungen von Bauwerksquerschnitten Bauwerksart
Geschwindigkeit Oberbau [km/h]
Gleisabstand Überhöhung [m] [mm]
Breite des Überbaus [m]
d 160 > 160–200 > 200–300 > 200–300
SchO SchO SchO FF
4,00 4,00 4,50 4,50
0–180 0–180 0–180 0–180
11,00 12,10 12,10 12,10
Talbrücke2
d 160 > 160–200 > 200–300 > 200–300 > 200–300
SchO SchO SchO FF FF
4,00 4,00 4,50 4,50 4,50
0–180 0–180 0–180 0 180
11,00 12,10 12,10 12,10 12,25 Breite der inneren Tragwerksbegrenzung [m]3
Tunnel
d 160 > 160–200 > 200–300
SchO SchO FF
4,00 4,00 4,50
0–180 0–180 0–180
11,00 12,10 12,10
Trogbauwerk, Deckbrücke, Aufständerung1
1 ohne Oberleitungsmaste zwischen Gleisbett und Randweg 2 mit Oberleitungsmasten zwischen Gleisbett und Randweg oder außerhalb des Randwegs 3 zuzüglich der doppelten Breite des bautechnischen Nutzraums
Allerdings muss für die Überhöhung das Betriebsgrenzmaß u = 180 mm nach § 6 Abs. 3 EBO angesetzt werden. Wenn im Geschwindigkeitsbereich über 200 km/h Feste Fahrbahn (FF) eingebaut wird, führt dies trotz des um
0,50 m größeren Gleisabstands zu keiner größeren Bauwerksbreite als bei Schotteroberbau (SchO) für Geschwindigkeiten bis 200 km/h. Bei Talbrücken mit Oberleitungsmasten zwischen Fester Fahrbahn und Randweg sowie
60
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
mit Raum für den Einsatz des randwegverfahrbaren Brückenbesichtigungsfahrzeugs vergrößert sich die Breite des Überbaus je nach Überhöhung.
2.4 Abstände in Gleisanlagen mit Arbeitsstätten und Verkehrswegen Arbeitsstätten sind solche Bereiche innerhalb eines Bahnhofs, in denen sich Beschäftigte zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Gleisfeld aufhalten müssen, z.B. zum Rangieren, Untersuchen oder Vor- und Nachbehandeln von Schienenfahrzeugen. Diese Beschäftigten (z.B. Rangier- , Triebfahrzeug-, Stellwerks-, Reinigungspersonal) müssen Verkehrswege benutzen, um bestimmte Betriebsanlagen und Arbeitsplätze ungefährdet erreichen bzw. verlassen zu können. Verkehrswege für Personen liegen unmittelbar neben oder zwischen Gleisen; sie können auch selbst Arbeitsplätze sein. Rand- und Zwischenwege sind nur dann Verkehrswege, wenn sie den daran gestellten Anforderungen entsprechen und als solche ausgewiesen sind. In Gleisanlagen mit Arbeitsstätten oder Verkehrswegen für Personen sind Mindestabstände einzuhalten, die die besonderen Anforderungen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung im Gleisbereich berücksichtigen [2.9]. Dies führt i.d.R. zu größeren Querschnittsabmessungen als bei Streckengleisen und bei Hauptgleisen in Bahnhöfen; wenn sich dort keine Arbeitsstätten befinden, müssen nur die außerhalb der Gefahrenbereiche neben bzw. zwischen den Gleisen vorgeschriebenen Sicherheitsräume vorgehalten werden.
In Arbeitsstätten sowie an Verkehrswegen für Personen ist zwischen Schienenfahrzeugen und Teilen der Umgebung zum Schutz vor Verletzungen durch Anstoßen oder Quetschen ein ausreichender seitlicher Sicherheitsabstand vorzusehen. Dieser muss mindestens 0,50 m breit sein; bei zulässigen Geschwindigkeiten über 30 km/h soll er 0,70 m betragen. Unter Teilen der Umgebung sind feste Anlagen zu verstehen, aber auch nur vorübergehend bestehende Hindernisse, wie neben den Gleisen gelagerte Gegenstände, Schienenfahrzeuge im Nachbargleis oder gleisnah geparkte Kraftfahrzeuge. Anlagen, von denen im Bewegungszustand unmittelbar Gefahren ausgehen können, z.B. Kräne in Umschlagbahnhöfen, verlangen vergrößerte seitliche Sicherheitsabstände, die wiederum größere Gleisabstände zur Folge haben. Der Mindestabstand von Hindernissen zur Gleismitte ergibt sich aus dem zutreffenden Begrenzungsmaß des bewegten Schienenfahrzeugs und dem seitlichen Sicherheitsabstand. Die von Hindernissen über Schienenoberkante (SO) freizuhaltende Höhe richtet sich nach der Standfläche der Beschäftigten. Dadurch wird berücksichtigt, dass Beschäftigte an der Außenseite von Fahrzeugen auf erhöhten Standorten mitfahren oder sich hinauslehnen können, z.B. Rangierpersonal (Tabelle 2.15). Das Grenzzeichen muss in Arbeitsstätten dort gesetzt werden, wo der seitliche Sicherheitsabstand auch bei besetzten Gleisen gewahrt ist. Der Gleisabstand am Grenzzeichen ergibt sich somit aus der Summe der Begrenzungsmaße beider Schienenfahrzeuge zuzüglich dem mindestens 0,50 m breiten seitlichen Sicherheitsabstand.
Tabelle 2.15 Freihalten des seitlichen Sicherheitsabstands Fahrzeug
Standfläche des Beschäftigten
Höhe des Sicherheitsabstands über SO [m]
Begrenzungsmaß des Fahrzeugs [m]
im Stillstand in Bewegung in Bewegung
auf Fahrzeug neben Fahrzeug auf Fahrzeug
bis 3,50 bis 2,20 bis 3,50
1,70 1,70 1,75
2.4 Abstände in Gleisanlagen mit Arbeitsstätten und Verkehrswegen
Feste Anlagen dürfen den seitlichen Sicherheitsabstand auf Dauer unterschreiten und bis an die Grenzlinie heranreichen, wenn es der Bahnbetrieb erfordert. Hierzu gehören insbesondere Bahnsteige, Rampen, Laufstege, Antriebe und Signale von Weichen sowie rangiertechnische Einrichtungen. Andere ortsfeste Anlagen sind in diesem Bereich nur zulässig, wenn durch Schutzeinrichtungen bewirkt wird, dass Beschäftigte durch Schienenfahrzeuge nicht gefährdet werden oder wenn bei übersteigbaren Einrichtungen ein Anstoßen oder Quetschen nicht zu befürchten ist. Auf mindestens einer Seite jedes Gleises muss ein Sicherheitsraum von 0,80 m Breite vorhanden sein, damit sich Beschäftigte vor herannahenden Schienenfahrzeugen in Sicherheit bringen können. Verkehrswege für Personen dürfen sich mit den Sicherheitsräumen überschneiden bzw. überlagern; sie müssen eine durchgehende Breite von mindestens 1,00 m aufweisen und bis in eine Höhe von mindestens 2,00 m (möglichst 2,20 m) über der Wegoberfläche von Hindernissen frei sein. Wenn Verkehrswege gleichzeitig als Arbeitsplatz für Tätigkeiten an Schienenfahrzeugen
61
genutzt werden, muss die Wegbreite entsprechend größer bemessen sein. Wird kein besonderer Platzbedarf benötigt, z.B. für eine wagentechnische Untersuchung, reicht i.d.R. eine Mindestbreite von 1,30 m aus. Der Mindestabstand eines Verkehrsweges von der Gleismitte hängt ab von seiner Anordnung, von der Breite des maßgebenden Sicherheitsraums sowie von den in den Gleisen zugelassenen Geschwindigkeiten. Die Maße ergeben sich nach der Unfallverhütungsvorschrift „Eisenbahnen“ der Eisenbahn-Unfallkasse (EUK) [2.12] aus dem Mindestabstand von Teilen der Umgebung zur Gleismitte abzüglich der jeweiligen Breite des geschwindigkeitsabhängigen Sicherheitsraums (Tabelle 2.16) bzw. der konstanten Breite des Sicherheitsraums von 0,80 m (Tabelle 2.17). In Gleisbogen mit Radien unter 250 m sowie dort, wo regelmäßig mit übergroßen Fahrzeugen oder das Lademaß überschreitenden Sendungen zu rechnen ist, sind die auf die Gleismitte bezogenen Maße entsprechend zu vergrößern. Liegt ein Verkehrsweg für Personen neben nur einem Gleis (Abb. 2.12), ergibt sich der Mindestabstand fester Anlagen von der Gleis-
Tabelle 2.16 Mindestabstand eines Verkehrsweges neben einem Gleis Zulässige Geschwindigkeit [km/h]
Mindestabstand von Teilen Breite des geschwindigkeits- Abstand des Verkehrsder Umgebung zur Gleismitte abhängigen Sicherheitsraums weges von Gleismitte [m] [m] [m]
30 40 50 60
2,35 2,65 2,80 2,90
0,50 0,70 0,70 0,70
t 1,85 t 1,95 t 2,10 t 2,20
Tabelle 2.17 Mindestabstand eines Verkehrsweges zwischen zwei Gleisen Zulässige Geschwindigkeit [km/h]
Mindestabstand von Teilen der Umgebung zur Gleismitte [m]
Breite des Sicherheitsraums [m]
Abstand des Verkehrsweges von Gleismitte [m]
30 40 50 60
2,35 2,65 2,80 2,90
0,80 0,80 0,80 0,80
t 1,70 t 1,85 t 2,00 t 2,10
62
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Abb. 2.12 Verkehrsweg neben einem Gleis (Maße in m)
mitte (z.B. Gebäude, Zaun, Mast, Wasseranschluss) aus der örtlich erforderlichen Mindestbreite des Verkehrsweges (hier: 1,00 m) zuzüglich des Mindestabstands der Wegkante von der Gleismitte. Bei Lage zwischen zwei Gleisen (Abb. 2.13) setzt sich der Gleisabstand aus der örtlich erforderlichen Verkehrswegbreite (hier z.B. 1,30 m) zuzüglich der beiderseitigen Mindestabstände zusammen. Befindet sich in einem zwischen zwei Gleisen gelegenen Verkehrsweg für Personen ein punktförmiger Einbau, z.B. ein Mast (Abb. 2.14), müssen auf der einen Seite des Einbaus ein ausreichender seitlicher Sicherheitsabstand und auf der anderen Seite die örtlich erforderliche Mindestbreite des Verkehrsweges (hier z.B. 1,00 m) zuzüglich seines Mindestabstands von der Gleismitte vorhanden sein. Bei längeren Einbauten, wie Gebäuden, Treppenabgängen oder durchgehenden Brückenwiderlagern, ist der Verkehrsweg als neben nur einem Gleis liegend anzusehen.
Abb. 2.13 Verkehrsweg zwischen zwei Gleisen (Maße in m)
2.5 Parallelführung von Schienenweg und Straße
63
Abb. 2.14 Punktförmiger Einbau im Verkehrsweg (Maße in m)
2.5 Parallelführung von Schienenweg und Straße Schienenwege und der darauf abgewickelte Verkehr müssen vor Gefahren geschützt werden, die von parallel geführten Straßen (Wegen, Plätzen) ausgehen. Neben dem von Schienenfahrzeugen in Anspruch genommenen lichten Raum sowie den Bereichen, in denen sich Beschäftigte zur Erfüllung ihrer Aufgaben aufhalten können, sind auch außerhalb liegende feste bauliche Anlagen (z.B. Stützen von Überführungsbauwerken, Signal- und Oberleitungsanlagen) einzubeziehen, wenn deren Beschädigung zu einer Gefährdung des Eisenbahnbetriebs führen kann. Risiken im Bereich der Parallelführung sind insbesondere – ein zu geringer Abstand zwischen Schienenweg und Straße, – eine Straßenführung oberhalb des Schienenwegs,
– eine ungünstige Trassierung der Straße (auch großes Längsgefälle), – Gefahrpunkte im Bereich der Straße (z.B. Einmündungen) und des Schienenwegs (z.B. Weichenverbindungen), – ungünstige Witterungseinflüsse (z.B. häufiger Nebel, starker Schneefall, Glättegefahr), – Gefahrgut- und Schwerlastverkehr auf der Straße, – hohe zulässige Geschwindigkeiten auf Schienenweg und Straße. Die erforderlichen Schutzeinrichtungen und - maßnahmen sind nach den örtlichen Gegebenheiten sowie der vorhersehbaren Verkehrsentwicklung festzulegen und je nach Risikopotenzial zu bemessen (Tabelle 2.18). Einrichtungen zum Schutz des Schienenwegs dürfen in andere Einrichtungen (z.B. Lärmschutzwälle, Windschutzwände) einbezogen werden. Die Schutzwirkung des ausreichenden Abstands, der Geländeprofilie-
64
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.18 Schutzeinrichtungen und Maßnahmen Gefährdungen
Schutzvorkehrungen
Aufprallgefahr durch abirrende Straßenfahrzeuge
Schutz des Schienenwegs durch – ausreichenden Abstand zur Straße, – tiefere Lage der Straße, – Erdbauwerke (z.B. Wälle, Gräben), – Bauwerke (z.B. Mauern, Wände, Überbauungen), – Schutzplanken (passive Schutzeinrichtungen) an der Straße, – Anprallschutz für Bauwerke, – sonstige Schutzeinrichtungen (z.B. Fangzäune, Spezialwände, Kiesbett), – verkehrslenkende Maßnahmen auf der Straße (z.B. Überholverbot, Geschwindigkeitsbeschränkung); Schutz des Eisenbahnbetriebs durch – tiefere Lage der Straße, – Blendschutzzaun an der Straße, – Sichtblenden an den Lichtzeichenanlagen, – Sichtschutz an der Straße, – Versetzen von Lichtzeichenanlagen; Schutz von Personen durch – Einhalten der Mindestabstände von Fahrzeugen und Einrichtungen der Straße zu allen der Berührung zugänglichen spannungsführenden Teilen der Oberleitung (z.B. auch Standflächen auf zugänglichen Stützwänden), – Einzäunung, – Warnhinweise, Piktogramme
Blendgefahr durch Straßenfahrzeuge, Verwechslungsgefahr von Lichtzeichenanlagen der Straße mit Signalen der Bahn
Gefahr durch Stromschlag an elektrifizierten Strecken
rung sowie der gegenseitigen Höhenlage ist bereits bei der Trassierung zu berücksichtigen. Liegt die Straße mehr als drei Meter unterhalb des Schienenwegs, sind i.d.R. keine weiteren Schutzeinrichtungen erforderlich. Den Mindestabstand zwischen Schienenweg und parallel geführter Straße bestimmen insbesondere – die jeweiligen Trassenquerschnitte mit den örtlich notwendigen Bauwerken (z.B. Stützmauern, Lärmschutzwände) und Einbauten (z.B. Entwässerungseinrichtungen, Maste, Kabeltrassen), – die Breitenabmessungen der Schutzeinrichtungen, – Zuwegungen und Räume für die Instandhaltung, Rettung usw., – Räume für vorhersehbare Verbreiterungen.
2.6 Bahnsteiganlagen 2.6.1 Grundsätze für die Konzeption und Gestaltung Die Querschnittsabmessungen der Bahnanlagen in Personenbahnhöfen werden in besonderem Maße durch die Anordnung der Bahnsteige (Mittelbahnsteig, Außenbahnsteig bzw. Hausbahnsteig) sowie deren Anzahl und Breite bestimmt [2.10]. Grundlage hierfür sind sowohl verkehrliche Bedürfnisse (Fahrgastaufkommen) als auch betriebliche Vorgaben (Betriebsprogramm). Bahnsteige und ihre Zugänge sollen außerdem die Benutzung durch behinderte Menschen und alte Menschen sowie Kinder und sonstige Personen mit Nutzungsschwierigkeiten ohne besondere Erschwernis ermöglichen (§ 2 Abs. 3 EBO,
2.6 Bahnsteiganlagen
65
Tabelle 2.19 Bahnsteigzugänge Art des Zugangs
Vorteile
Nachteile
höhengleiche Gleisquerung geringer Instandhaltungsaufwand (Bahnübergang, Reisendenübergang) mit Anschlussrampen zum Bahnsteig – seitlich innerhalb des – kürzester Zugang, auch bei Bahnsteigs (im Bestand) geringer Bahnsteigbreite – vor Kopf an den Bahnsteig – barrierefreie Gestaltung bei angrenzend kurzen Wegen, auch für erhöhte Bahnsteige > 0,38 m höhenfreie Gleisquerung vom Zugverkehr unabhängig, (Personenunter- oder ständig verfügbar -überführung) mit – Rampenbauwerken (d 6%) – vollkommen barrierefreier Zugang; zusätzliche Aufzüge, Treppen, geringe Betriebskosten, geeignet als Flucht- und Rettungsweg, ausfallsicher – Aufzügen
– festen Treppen
– Fahrtreppen
sichere Gleisquerung nur bei v d 160 km/h sowie bei begrenztem Zugverkehr und Reisendenaufkommen – nur bei niedrigen Bahnsteigen d 0,38 m möglich
vorgeschrieben bei v > 160 km/h, hohe Baukosten bei Unter- oder Überführung – sehr lange Entwicklungslängen bzw. Wege, daher nicht geeignet bei Überführungen über elektrifizierte Strecken (wegen besonders großer Höhendifferenz) – barrierefreier Zugang; für – begrenzte Kapazität, nur Reisende mit Gepäck, Kinderzusätzlich zu festen Treppen wagen, Kofferkulis, Fahrrädern, möglich; erhöhte BetriebsRollstuhlfahrer und Personen kosten, störanfällig bzw. nicht mit Krankentragen ausfallsicher – nicht geeignet für Rollstuhl– bequemer Zugang auf kurzem fahrer, nur bedingt geeignet Weg für Reisende ohne (je nach Höhendifferenz) für Mobilitätseinschränkung, große Senioren, Reisende mit FahrKapazität möglich rädern, Kinderwagen, Gepäck; – zur Kapazitätserhöhung fester bei Fahrtreppen zusätzlich: erhöhte Betriebskosten, störTreppen bei hohem Personenanfällig bzw. nicht ausfallsicher aufkommen und bei sehr großer Höhendifferenz (> 8 m)
[2.5]), insbesondere durch einen barrierefreien Zugang (Tabelle 2.19). Bei Aufzügen oder Fahrtreppen müssen stets auch feste Treppenanlagen vorgesehen werden, weil nur diese – auch als Flucht- und Rettungsweg – ständig verfügbar sind; sie sollen vor Witterungseinflüssen geschützt sein. Feste Treppenanlagen können bei besonderem Bedarf und ausreichenden Platzverhältnissen mit Handgepäck-Förderbändern und Fahrradrinnen kombiniert werden. Bahnsteige sollen grundsätzlich an Gleisen mit geradem Verlauf oder im Bereich gro-
ßer Bogenradien errichtet werden. Hierdurch ergeben sich eine – gute Sicht auf die Einstiegsbereiche für den Triebfahrzeugführer bzw. das Abfertigungspersonal, – einwandfreie Signalsicht, – hohe Durchfahrgeschwindigkeit auch bei fehlender oder geringer Überhöhung, – vertretbare Spaltbreite zwischen Bahnsteigkante und Einstiegsebene, – geringe Querneigung des Wagenbodens während des Halts (erleichtertes Öffnen der Außentüren und von Schiebetüren im Wageninneren).
66
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Bahnsteige sind mit ihrem Kantenverlauf an die Linienführung der Gleise (Soll-Gleislage) gebunden. Die Lage an Gleisen mit einer Längsneigung von mehr als 2,5‰ sowie mit engen Gleisbogen (< 500 m Radius) und größeren Überhöhungen (> 60 mm) wirkt sich nachteilig auf die Einstiegsverhältnisse aus. Bei der Standortplanung und bei der Planung der Linienführung am Bahnsteig soll dies berücksichtigt werden.
2.6.2 Abmessungen Die Mindestlänge der Bahnsteige richtet sich nach der vorgegebenen größten Länge der planmäßig haltenden Reisezüge einschließlich eines Zuschlags für ungenaues Halten. Grundsätzlich muss sichergestellt sein, dass alle Einstiegsbereiche am Bahnsteig liegen. Je nach Zuglänge betragen die Regellängen zwischen 60 m (z.B. zweiteilige Triebwagen) und 405 m (größte internationale Länge von Triebzügen). Bei Bahnsteigen, die für den gleichzeitigen Halt zweier Züge an derselben Bahnsteigkante unterteilt sind, können sich abweichende Baulängen ergeben. Auch andere örtliche und betriebliche Situationen (z.B. Nutzung
im Kopf- oder Durchgangsbahnhof, Anordnung der Bahnsteigzugänge und -abschlüsse, Weichenverbindungen im Bahnsteigbereich, Signalstandorte, Doppeltraktion) haben Einfluss auf die Baulänge. Bahnsteige sollen ein barrierefreies, d.h. bequemes, schnelles und sicheres Ein- und Aussteigen ermöglichen. Der Idealfall im Hinblick auf mobilitätsbehinderte Reisende ist ein stufenfreier Übergang zwischen Bahnsteig und Einstiegsbereich der Fahrzeuge mit einer rollstuhlgeeigneten Höhendifferenz und Spaltbreite. Dies ist nur in solchen Teilnetzen erreichbar, in denen alle Fahrzeuge auf eine einheitliche Bahnsteighöhe sowie auf den Verlauf der Bahnsteigkante bzw. auf die Linienführung des Bahnsteiggleises optimiert sind (z.B. Bahnsteigkanten an Gleisen, die von gleichartigen S-Bahnfahrzeugen genutzt werden). Beim Verkehren von Fahrzeugen mit unterschiedlich hohen Einstiegsebenen (Trittstufen bzw. Wagenboden im Einstiegsbereich) sind hinsichtlich der Höhe der Bahnsteigkanten nur Kompromisse möglich. So lassen sich solche Höhendifferenzen von Rollstuhlfahrern nur durch fahrzeug- oder bahnsteigseitige Einstiegshilfen (z.B. mobile Rampen, Hublifte) überwinden, die zu einer Verlänge-
Tabelle 2.20 Systemhöhen für den Bau von Personenbahnsteigen Systemhöhe über SO [m]
Zulässigkeit nach EBO (nur für Neu- und Umbau)
0,96
größte zulässige Höhe S-Bahnfahrzeuge mit ~ 1 m Wagen(nur für Linien mit bodenhöhe im Einstiegsbereich ausschließlich optimierten S-Bahnfahrzeugen) Regelhöhe Fahrzeuge des Fern- und Regionalverkehrs sowie S-Bahnfahrzeuge mit ~ 0,8 m Wagenbodenhöhe im Einstiegsbereich Zwischenhöhe Niederflurfahrzeuge des Regionalund Fernverkehrs mit ~ 0,6 m Wagenbodenhöhe im Einstiegsbereich niedrigste zulässige Niederflurfahrzeuge mit Eignung für Höhe innerstädtischen Verkehr mit ~ 0,35 m Wagenbodenhöhe im Einstiegsbereich
0,76
0,55
0,38
Barrierefreie optimierte Fahrzeuge (Wagenboden als Einstiegsebene, rollstuhlgerecht)
Bedingt barrierefreie Fahrzeuge (Trittstufe als Einstiegsebene) –
unterste Trittstufe auf ~ 0,8 m
unterste Trittstufe auf ~ 0,6 m unterste Trittstufe auf ~ 0,4 m
2.6 Bahnsteiganlagen
rung der Aufenthaltszeiten führen. Haben die Fahrzeuge eine einheitlich hohe Einstiegsebene und müssen sie an verschieden hohen Bahnsteigkanten halten, können im Einzelfall auch Teilbereiche der Bahnsteige an die Einstiegsverhältnisse eines solchen Fahrzeugs angepasst werden. Beim Neu- und Umbau von Bahnsteigen soll unter Betrachtung der gesamten Linie die auch langfristig optimale Systemhöhe vorgesehen werden (Tabelle 2.20). Die Höhe der Bahnsteigkante sollte etwas unterhalb der Einstiegsebene der i.d.R. eingesetzten Fahrzeuge liegen, da andernfalls – die Durchgangshöhe im Einstiegsbereich verringert wird (Verletzungsgefahr), – das Hinabsteigen in bzw. das Hinaufsteigen aus dem Fahrzeug dazu führen kann, dass Personen verunsichert werden (Stolpergefahr), – sich dadurch die Fahrgastwechselzeit verlängert. Die Einbaumaße für Bahnsteigkanten berücksichtigen den Lichtraumbedarf bei ungünstigen horizontalen und vertikalen Bewegungen der Fahrzeuge sowohl beim Vorbeifahren als auch beim Halt am Bahnsteig sowie Lage- und Richtungsänderungen des Oberbaus, außerdem enthalten sie Einbautoleranzen. Die Abstände der Bahnsteige von der Gleisachse hängen darüber hinaus ab von der – Höhe der Bahnsteigkante, – Anordnung der Bahnsteigkante am Außenoder Innenbogen, – Krümmung der Bahnsteigkante entsprechend dem Bogenradius des Bahnsteiggleises, – Überhöhung des Bahnsteiggleises. Für die gängigen Bahnsteighöhen sind die Einbaumaße dem Regelwerk [2.10] zu entnehmen. Damit beim Übergang von einem Radienbereich zum folgenden keine horizontalen und vertikalen Sprünge entstehen, sind die Bahnsteigkanten lage- und höhenmäßig entsprechend zu vermitteln.
67
Die Mindestbreite der Personenbahnsteige im nutzbaren Bereich (Tabelle 2.21) richtet sich nach – der Bahnsteiganordnung (Außen- oder Mittelbahnsteig), – dem entsprechend der größten Geschwindigkeit vorbeifahrender Züge auf dem Bahnsteig freizuhaltenden Gefahrenbereich, – der Breite der Bahnsteigzugänge und Einbauten (z.B. Treppenanlagen, Rampen, Aufzüge, Einhausungen, Warteräume) sowie nach deren erforderlichem Abstand vom benachbarten Gleis bzw. zur Bahnsteigkante oder zu anderen Bauwerken, – dem Fahrgastaufkommen (Anzahl Gehspuren von 0,80 m Breite, bei Treppenanlagen i.d.R. mindestens drei Gehspurbreiten), – den barrierefreien Durchgangsbreiten neben Einbauten (i.d.R. mindestens zwei Gehspuren, für Rollstuhlnutzung in verengten Bereichen mindestens 1,20 m außerhalb des Gefahrenbereichs). Der Bahnsteigquerschnitt in Abb. 2.15 berücksichtigt unterschiedlich breite Gefahrenbereiche entsprechend der größten Vorbeifahrgeschwindigkeit an den Bahnsteigkanten. Darüber hinaus ist die Vorschrift der EBO (§ 13 Abs. 2) zu beachten, dass feste Gegenstände auf Personenbahnsteigen (z.B. Säulen) bis zu einer Höhe von 3,05 m über Schienenoberkante mindestens 3,00 m von der Gleismitte entfernt sein müssen [2.5]. Befindet sich am Bahnsteigende kein öffentlicher Zugang und beträgt die Geschwindigkeit durchfahrender Züge höchstens 160 km/ h, darf im Endbereich die Mindestbreite von Außenbahnsteigen bis auf 2,00 m, die von Mittelbahnsteigen bis auf 2,80 m verjüngt werden. Die Anordnung von Bahnsteigen an Gleisen, die mit mehr als 200 km/h befahren werden, ist nur beim Ausbau vorhandener Strecken bis zu einer Durchfahrgeschwindigkeit von 230 km/h zulässig, wenn der aus aerodynamischen Gründen verbreiterte Gefahrenbereich (s. Abschn. 2.6.4) durch ein unterbrochenes festes Geländer gegen den Aufenthalts-
68
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.21 Mindestbreite von Personenbahnsteigen
in Bereichen ohne Treppe oder Rampe: – Breite des Gefahrenbereichs bei v d 160 km/h 160 km/h < v d 200 km/h 200 km/h < v d 230 km/h – Abstand der Bahnsteigkante von der Gleisachse – 2 Gehspurbreiten Mindestbreite bei v d 160 km/h 160 km/h < v d 200 km/h 200 km/h d v d 230 km/h (Pilotanwendung) in Bereichen mit festem Treppenzugang: – Breite des Gefahrenbereichs bei v d 160 km/h 160 km/h < v d 200 km/h 200 km/h d v d 230 km/h – Abstand der Bahnsteigkante von der Gleisachse – Durchgangsbreite außerhalb des Gefahrenbereichs – Regel-Treppenbreite 2,40 m bei 3 Gehspuren und Wangen (mit Verkleidung) Mindestbreite bei v d 160 km/h 160 km/h < v d 200 km/h 200 km/h < v d 230 km/h
Außenbahnsteig (1 Bahnsteigkante)
Mittelbahnsteig (2 Bahnsteigkanten)
2,50 m 3,00 m 3,70 m – 1,65 m + 1,60 m
5,00 m 6,00 m 7,40 m – 3,30 m + 1,60 m 2,45 m 2,95 m 3,65 m
3,30 m 4,30 m 5,70 m
2,50 m 3,00 m 3,70 m – 1,65 m + 1,20 m
5,00 m 6,00 m 7,40 m – 3,30 m + 2,40 m
+ 3,00 m
+ 3,00 m 5,05 m 5,55 m 6,25 m
7,10 m 8,10 m 9,50 m
Abb. 2.15 Querschnitt durch einen Mittelbahnsteig mit Treppenzugang (Maße in m)
2.6 Bahnsteiganlagen
bereich auf dem Bahnsteig abgegrenzt ist [2.7]. Bei neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken dürfen Bahnsteige grundsätzlich nicht an die durchgehenden Hauptgleise gelegt werden.
2.6.3 Konstruktionssysteme Personenbahnsteige müssen so konstruiert und bemessen sein, dass sie den größten angenommenen Verkehrslasten (z.B. Befahrbarkeit durch Kraftfahrzeuge) standhalten (Tabelle 2.22). Insbesondere dürfen Bewegungen der Bahnsteigkante (Kippen oder Verschieben in den freizuhaltenden Gleisbereich) nicht zu einer Gefährdung des Eisenbahnbetriebs führen. Die tragenden Teile der Bahnsteige sind daher sicher zu gründen. Alle Elemente für
69
Bahnsteigkanten (z.B. Betonfertigteile) müssen bauaufsichtlich zugelassen sein. Vor- und Nachteile der Systeme sind in jedem Einzelfall abzuwägen (Tabelle 2.23). Der Witterung ausgesetzte Bahnsteigbereiche müssen zur Entwässerung eine Querneigung erhalten (Tabelle 2.24). Zeichnungen und Einbauanweisungen der zugelassenen Konstruktionssysteme für Bahnsteige enthalten die Zulassungsbescheide der Hersteller.
2.6.4 Sicherheitselemente Auf Bahnsteigen kommen die Reisenden unmittelbar mit dem Zugbetrieb in Berührung. Um Personen vor den hiervon ausge-
Tabelle 2.22 Konstruktionssysteme für Bahnsteige Konstruktionssystem
Gründung
Tragkonstruktion
Bahnsteigkante
Belag
Modulare Fertigteilbauweise
Fertigbetonfundamente, Pfeiler in Beton
Stahlbetonplatten
Stahlbetonplatten
Konventionelle Bauweise (BSK)
Ortbeton oder Fertigteilfundamente
Stahlbetonfertigteile als Bahnsteigplattenund Tragbalkenkonstruktion ohne Hinterfüllung Erdhinterfüllung
Betonfertigteile, Kantenstützelemente und Abdecksteine
Pflaster, Platten
Tabelle 2.23 Anwendung der Konstruktionssysteme für Bahnsteige Konstruktionssystem Vorteile
Nachteile
Fertigteilbauweise
Anpassen an Gleislage nur begrenzt möglich, bei Weichenverbindung im Bahnsteigbereich mit kleinem Radius Sonderanfertigung, Sonderkonstruktion bei höhenfreiem Zugang (außer am Bahnsteigende) Aufhöhen nur bedingt möglich, Gefahr des Kippens von Kantensteinen ins Lichtraumprofil, Kante hinderlich bei Oberbauarbeiten, Schmutzansammlung vor der Kante, Setzen der Kantensteine führt zu längeren Betriebsbehinderungen
Massivbauweise
kurze Bauzeit, kostengünstige Erstellung, Aufhöhen möglich, sehr gut geeignet für Außenbahnsteige in Dammlage, bei hohen Bahnsteigen Sicherheitsraum unterhalb der Deckplatte problemloses Anpassen an jede Gleislage (Bogenradius, Überhöhung, Neigungswechsel), Gleis gegen Kantensteine festlegbar, Kantensteine einzeln auswechselbar, durchgehender Längstritt als Sicherheitselement
70
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Tabelle 2.24 Querneigung bei neuen Bahnsteigen (Längsneigung d 2,5‰) Art und Lage
Größe der Querneigung
– Bahnsteige in geschlossenen Hallen oder in Tunnellage – Bahnsteige unter Bahnsteigdächern im mittleren Bereich in der Randzone bis 1,50 m von der Bahnsteigkante (Einflussbereich von Schlagregen) – Außen- und Mittelbahnsteige ohne Bahnsteigüberdachung
keine keine ca. 2% nach außen/zum Gleis hin ca. 2% nach innen/vom Gleis weg
Tabelle 2.25 Sicherheitselemente bei neuen Bahnsteigen Sicherheitselement Schutzfunktion Gefahrenbereich
Sicherheitsraum (Arbeitsschutz)
Sicherheitsauftritt (Arbeitsschutz)
Elektrische Sicherheit
Absturzsicherheit
Schutz vor aerodynamischen Einwirkungen vorbeifahrender Züge; Begrenzung auf dem Bahnsteig in Form des Blindenleitstreifens: Geschwindigkeit Abstand des GefahrenAbstand des Blindenleitbereichs von der Gleisachse streifens von der Bahnsteigkante d 160 km/h 2,50 m ~ 0,85 m d 200 km/h 3,00 m ~ 1,35 m d 230 km/h 3,70 m (Abstand zu ~ 2,05 m (in Höhe des (bei Ausbaustrecken) festem Geländer) festen Geländers) Blindenleitstreifen: Markierung auf dem Bahnsteig im Anschluss an den Gefahrenbereich mit – einer Mindestbreite von 0,30 m, – einer Rillierung parallel zur Bahnsteigkante und – einem Mindestabstand von 0,60 m zu festen Einbauten Sicherer, von Einbauten und sonstigen Gegenständen freigehaltener Raum zum Schutz im Gleisbereich Beschäftigter – zwischen den Gleisen, – auf dem Bahnsteig oder – als Behelf in Form eines durchgehenden Raums von 0,70 m u 0,70 m Querschnitt unter 0,96 m hohen S-Bahn-Bahnsteigen Aufstiegshilfe an der Kante von 0,55 m, 0,76 m und 0,96 m hohen Bahnsteigen zum raschen Verlassen des Gleisbereichs in den Sicherheitsraum auf dem Bahnsteig – bei konventioneller Bauweise über einen durchgehenden Längsauftritt, – bei modularer/überkragender Bauweise (Stahlbetonfertigplatte) über Auftrittstufen Schutz von Personen vor den Gefahren des elektrischen Stroms durch – Bahnerdung aller Anlagen aus Stahlbeton und Metall auf Bahnsteigen (Bahnsteigkonstruktionen, Bahnsteigüberdachungen, Treppen- und Bahnsteiggeländer, Maste, Wetterschutzhäuser u.a.), – Einhalten des elektrischer Sicherheitsabstands zu spannungsführenden Teilen von Triebfahrzeugen (bei Aufenthalt auf 0,96 m hohem Bahnsteig sowie auf öffentlichen Wegen und Treppen in Oberleitungsnähe) Schutzmaßnahmen gegen Absturz von Personen und Gegenständen: – bei Bahnsteigen mit Längsneigung > 2,5‰ Vorkehrungen gegen das Abrollen frei stehender Gegenstände in den Gleisbereich (Kinderwagen, Rollen-Koffer, Kofferkulis), z.B. durch Querneigung vom Gleis weg, große Rauheit des Bodenbelags, Beschilderung, – Geländer als Absturzsicherung außerhalb des Lichtraumprofils (2,50 m von der Gleisachse, bei S-Bahnen 2,40 m) an verkehrlich nicht genutzten Kanten von Bahnsteigen sowie an Bahnsteigenden ohne öffentlichen Zugang
Anhang
71
henden Gefahren zu bewahren, ist es notwendig, sie durch geeignete Maßnahmen zu schützen (Tabelle 2.25). Bestimmte Sicherheitsmaßnahmen sind zum Arbeitsschutz der im Gefahrenbereich der Gleise Beschäftigten erforderlich.
Anhang zu Abschn. 2.3.1
Abb. 2.16 Zweigleisiger Streckenquerschnitt auf Erdkörper (Maße in m): v d 160 km/h, Schotteroberbau mit u = 160 mm
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2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Abb. 2.17 Zweigleisiger Streckenquerschnitt auf Erdkörper (Maße in m): 160 < v d 200 km/h, Schotteroberbau mit u = 160 mm
Anhang
Abb. 2.18 Zweigleisiger Streckenquerschnitt auf Erdkörper (Maße in m): 200 < v d 300 km/h, Feste Fahrbahn mit u = 170 mm
73
74
2 Querschnittsgestaltung der Bahnanlagen
Literatur 2.1 Mittmann W (1989) Die Lichtraumbestimmungen bei kinematischer Betrachtungsweise und ihre Auswirkungen auf die Produktion. Eisenbahn Ingenieur Kalender ’89. Tetzlaff Verlag, Darmstadt, S 101–123 2.2 Mittmann W (2002) Infrastrukturgestaltende Parameter und Standards der DB für höhere Geschwindigkeiten. EIK – Eisenbahn Ingenieur Kalender 2003. Tetzlaff Verlag, Hamburg, S 141–158 2.3 Jacobs K, Mittmann W (1993) Neue Lichtraumbestimmungen auf kinematischer Grundlage – Regeln, Auswirkungen, Perspektiven. In: Heinisch R, Koch P, Kracke R, Rahn T (Hrsg) Edition ETR: Erstellen und Instandhalten von Bahnanlagen. Hestra-Verlag, Darmstadt, S 241–249 2.4 Mittmann W, Zehme I (1998) Verkehren von überbreiten Eisenbahnfahrzeugen. Eisenbahn Ingenieur Kalender ’99. Tetzlaff Verlag, Hamburg, S 85–112 2.5 Wittenberg KD, Heinrichs HP, Mittmann W, Mallikat J (2006) Kommentar zur Eisenbahn-
Bau- und Betriebsordnung (EBO), 5. Aufl. Eurailpress Tetzlaff-Hestra, Hamburg 2.6 Freystein H, Muncke M, Schollmeier P (2005) Handbuch Entwerfen von Bahnanlagen. Eurailpress Tetzlaff-Hestra, Hamburg 2.7 Hausdörfer RD, Haag C (2005) Reisendensicherung auf der Strecke Hamburg – Berlin. In: Heinisch R, Keppel A, Klumpp D, Siegmann J (Hrsg) Edition ETR: Ausbaustrecke Hamburg – Berlin für 230 km/h. Eurailpress TetzlaffHestra, Hamburg, S 118–123 2.8 Richtlinie 800.0130 der DB Netz AG (1997) Netzinfrastruktur Technik entwerfen; Streckenquerschnitte auf Erdkörpern 2.9 Technische Mitteilung zur Richtlinie 800.0130 der DB Netz AG (2006) Mindestabstände in Arbeitsstätten 2.10 Richtlinie 813.0201 der DB Station&Service AG (2005) Personenbahnhöfe planen; Bahnsteige konstruieren und bemessen 2.11 Richtlinie 997.0101 der DB Netz AG (2001) Oberleitungsanlagen; Allgemeine Grundsätze 2.12 Unfallverhütungsvorschrift GUV-V D30.1 „Eisenbahnen“ (1998). Eisenbahn-Unfallkasse (EUK), Frankfurt am Main, § 5 Abs. 2 und 3
3
Eisenbahndämme und Einschnitte Horst Rahn
3.1 Einführung Erdbauwerke bestehen i.d.R. nur aus natürlichen Stoffen, die meist in der unmittelbaren Nähe gewonnen wurden. Sie zeichnen sich aus durch Langlebigkeit und verträgliche Eigenschaften zur Umwelt. Wesentlich ist, dass der eingebaute Boden jederzeit bei Umbauten ohne Verlust wieder eingebaut oder ergänzt werden kann. Diesen Ansprüchen genügen Beton, mit Zement injizierte Böden und Einbauten von Geotextilien nicht. Ihr Ausbau bedeutet Entsorgung als Abfall. Es ist das Anliegen des Kapitels, darauf hinzuweisen, zukünftig nur dort solche Hilfsstoffe einzusetzen, wo es unumgänglich ist. Den nachfolgenden Generationen darf eine Explosion der Abfälle und die aufwändige Aufbereitung großer Abfallmengen nicht zugemutet werden. Der Beitrag soll nicht der Wiedergabe bestehender Vorschriften und Richtlinien dienen, sondern diese Kenntnisse voraussetzen. Nur im Fall erkennbarer Widersprüche wird darauf Bezug genommen. Die Grundkonzeption des Buches legt fest, dass der Schwerpunkt der Betrachtungen die Vermittlung von Erfahrungen ist. Dies bedeutet eine starke Betonung der Analyse von Schadensfällen und der daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Als Ingenieur ist man geneigt, bei einem Schaden zuerst Fehler in der Berechnung der Konstruktion zu suchen. Bei nüchterner Betrachtung lässt sich jedoch erkennen, dass die Technologie mit den zum Einsatz kommenden Geräten häufig wegen der Nebenwirkungen die Ursache für erhebliche Auswirkungen auf nicht geplante Veränderungen des Bauzustandes, d.h. auch eine Hauptursache der Schadensauslösung sind.
Die Herstellung der Erdbauwerke ist immer als ein Eingriff in natürliches Gelände zu betrachten. Mit dem Wachsen der Forderungen nach dem Schutz der Natur dürfen Erdbauwerke nicht nur als Zweckbauten ausgebildet werden, sondern müssen auch ästhetische bzw. landschaftsgestalterische Anforderungen erfüllen. Die Einbindung in die Topographie des Geländes ist zwangsläufig eine Störung des natürlichen Gleichgewichts hydrologischer und geologisch bedingter Standortbedingungen. Je höher das Erdbauwerk gestaltet werden soll und je mehr die Anforderungen daran wachsen, umso deutlicher müssen geologische, hydrologische und baugrundtechnische Gutachten die Wechselwirkungen Bauwerk–Baugrund des Standortes analysieren und die entsprechenden Schlussfolgerungen zur bautechnischen Lösung vorgeben. Ein meist unterschätzter Faktor ist die Inhomogenität des Baugrundes bezüglich der anstehenden Böden, des Wasserangebots und der Auswirkungen, die durch die Errichtung des Bauwerkes entstehen. Was kann uns besser deutlich machen als Schadensfälle, ob unsere Prognosen richtig sind bzw. ob die Grundlagen nach denen wir bewerten – also unsere Vorschriften und Erfahrungen – ausreichend waren. Sie sind die Quelle, die Anforderungen an Konstruktion, Material und Funktion immer weiter zu entwickeln. Umso mehr sollte jeder Auftraggeber daran interessiert sein, einen Schadensfall nach Ursachen und Versäumnissen zu publizieren. Da das Eingeständnis eigenen Versagens heute nicht ungefährlich für die Erhaltung der Arbeitsstelle ist, werden viele wichtige Erkenntnisse als betriebseigenes Know-how zurückgehalten. Das kann nicht Ziel einer Gesellschaft sein, die die Wirtschaft-
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
lichkeit zur Zielstellung des Handelns gemacht hat. Die Ausbildung des Ingenieurs muss gerade mit den Konfliktthemen aus Schadensfällen angefüllt werden, um die Zusammenhänge zu begreifen und den Umgang mit dem Baustoff Boden als wesentliche Grundlage für erfolgreiche Arbeit in den Fachgebieten Erdund Grundbau, Bodenmechanik zu beherrschen. Eine Übersicht möglicher Erdbauwerke aus den Bereichen des Bauwesens und der Entsorgungswirtschaft zeigt Tabelle 3.1. Es ist verständlich, dass sich die Anforderungen an diese Erdbauwerke in wesentlichen Punkten unterscheiden, aber auch viele grundsätzliche Übereinstimmungen aufweisen. Die Bewertung wird durch folgende Faktoren bestimmt: – Funktion, – Höhe des Bauwerks, – Art der Beanspruchung (Wasser, Verkehr, Chemikalien),
– Technische Anforderungen (zulässige Verformung, Durchlässigkeit, Standsicherheit), – Materialauswahl (Untergrund, Schüttung …), – Topographische Situation, – Nebenwirkungen aus der Umgebung (Bergwerksgebiete, Bauarbeiten bei Kreuzungen). Wenn auch häufig ungewollt, wird ein Verkehrsdamm bei ungünstigen Witterungsbedingungen, wie die Praxis beweist, manchmal auch zu einem Deich, einem Damm für die Zurückhaltung von ausgelaufenen Absetzbecken oder ein Ableitungssystem für überlaufende Meliorationsgräben. Deshalb muss die Planung auch solche Bedingungen eines Gebietes beachten, wenn der Verkehrsweg eine große Bedeutung für die Infrastruktur eines Landes hat. Der für die Bahn tätige Ingenieur sollte sich durch ein gutes Einfühlungsvermögen für die Anforderungen des Eisenbahnbetriebes aus-
Tabelle 3.1 Allgemeine Übersicht der Erdbauwerke Anwendungsbereich Fachgebiet
Spezielle Anwendung
Verkehrsbau
– Erdbaumaßnahmen zur Überwindung von Tälern – Kreuzung von Verkehrswegen – Dämme in Moorgebieten bzw. über andere Weichschichten – Dämme als Verkehrsbauwerke und als Deich – Einschnitte und Entwässerungssysteme – Kanäle auf Erdbauwerken – Deiche und Wege/Straßen und sonstigen Hochwasserschutz – Erdbauwerke zum Schutz der Bevölkerung gegen Lärmeinwirkung
Eisenbahnbau Straßenbau
Wasserstraßen
Lärmschutzdämme Deponiebau
Deponiedämme Absetzanlagen
– Erdbauwerke zur Abfallentsorgung von Feststoffen – Erdbaumaßnahmen für die Speicherung flüssiger und schlammiger Industrieabfälle – temporärer Spülfelder zur Sandgewinnung
Landschaftsund Gartenbau
Biologisch-landschafts– Städtebau bei repräsentativen Bauten gärtnerisch genutzte Dämme
Ingenieurbau
Städtebau
– Einschüttung von Bauwerken wie Sportstätten, Bunkeranlagen, Brücken – Bodenaustauschmaßnahmen für Bauwerke
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes
zeichnen. So wird es ihm gelingen, die zutreffenden Wirkungssysteme auf das Erdbauwerk (Kabelführung, Maste der Elektrifizierung, Durchlässe, Brücken …) abzuleiten sowie die Forderung nach Sicherheit und Zuverlässigkeit des Erdbauwerkes in der Bau- bzw. Reparaturphase sowie in der Nutzungsphase zu gewährleisten. Durch die Bemühungen um eine Privatisierung der Bahn sind – bezogen auf das Erdbauwerk – einige Wirkmechanismen, z.B. die Baustoffprüfstellen der Deutschen Reichsbahn (gegründet 1921 – abgeschafft 1992), nicht mehr wirksam. Die Fachkompetenz müssen jetzt Planer und Ingenieur in der Instandhaltung vertreten. Es ist die Absicht des Kapitels, die wiederkehrenden Fehler im Erd- und Tiefbau herauszustellen, um die damit verbundene Systematik besser zu erkennen. Das hat seinen Grund in der Tatsache, dass die Ursache vieler Umplanungen bei Erd- und Tiefbauarbeiten letztlich auf Mängel in der Baugrunduntersuchung, der Planung und der Technologie zurückzuführen sind. Dies hat zur Folge, dass die Mehrkosten in diesem Fachgebiet einen Spitzenplatz im Vergleich zu anderen Gewerken einnehmen. Aber auch Schadensfälle häufen sich hier besonders. Interessant wird ein Einzelsachverhalt erst in der Bewertung mit den im Zusammenhang stehenden Faktoren. Deshalb wird die Diskussion darüber vorwiegend am Beispiel von Schadensfällen geführt. Neben fachlichen Fehleinschätzungen darf der Anteil der Vertragspartner durch fehlerhafte Aufgabenstellungen, schlechtes Management, fehlende Fachkompetenz nicht ohne Berücksichtigung bleiben.
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes Die Qualität der Planung und das Langzeitverhalten der Erdbauwerke werden insbesondere bei schwierigem Untergrund durch die Aussagen des Baugrundgutachtens bestimmt. Eine
77
Analyse von Schadensfällen zeigt folgende Fehlerquellen: – Aufgabenstellung und Auswahl des Baugrundgutachters durch den Auftraggeber für die Vorplanung bzw. die Entwurfsplanung sind oberflächlich, – Art der Ausschreibung der Baugrundleistungen und ihre Vergabe, – ungenügende Ergänzung der Baugrundaussagen nach Wahl des Bauverfahrens in der Ausführungsplanung bzw. Bauphase, – Zusatzforderungen der Behörden im Laufe der Plangenehmigung, z.B. Umwelt, Wasser, – ungenügende Erschließung der Baugrundverhältnisse und der hydrologischen Situation, – bei vorhandenen Weichschichten die ungenügende Abgrenzung im Trassenbereich, bei der Ermittlung der Rinnen und ggf. von Querneigungen des tragfähigen Baugrundes, – ungenügende Überwachung des Bohrbetriebes (Bohrgerät, Probeentnahmetechnik, Einmessung der Bohransatzpunkte, Probenaufbewahrung, Transport …), – fehlerhafte Klassifizierung der Böden, ungenügende Laborprüfungen, Anwendung falscher Versuchsdurchführungen, statistisch nicht abgesicherte Bodenkennwerte, – falsche oder unvollständige Schlussfolgerungen des Baugrundgutachters aus den Aufschlüssen, den bodenphysikalischen Kennwerten, mangelhafte Erfahrung in der praktischen Realisierung bei den anzuwendenden Gründungsverfahren und der Erdbautechnologie, – Nichtbeachtung der Veränderungen der Bodenkennwerte durch technologische Vorgänge oder andere Nebenwirkungen, – Nichterkennen der kritischen Bauzustände, – ungenügende Beachtung der Auswirkungen aus der angewandten Bautechnologie auf die anliegende Bebauung. Was allerdings trotz der vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteile häufig der Auftraggeberseite große Probleme bereitet, ist die Anwen-
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
dung der funktionalen Ausschreibung bei Vorhaben mit schwierigen Baugrundverhältnissen. Gerade solche Vorhaben erfordern eine sehr gründliche Analyse der Baugrundsituation im Voraus wie: – Literatur- und Archivrecherchen, um Informationen aus der Herstellungsphase des Erdbauwerkes und seiner Veränderungen in der Nutzungsphase einschließlich Schadensbeseitigung zu erhalten, – bautechnischer Zustand (Erhaltungsaufwand) und seine Beanspruchungen, – Bedeutung des Bauwerkes bisher und die zu planenden Veränderungen (technische Parameter), – Bewertung alter Gutachten und sonstiger Dokumentationen. Aus den genannten Informationen wird sich die spezielle Sanierungsmethode abzeichnen. Hier müssen Baugrundgutachter und Auftraggeber beweisen, dass sie den Erfahrungsschatz aus der Vergangenheit mit den Ergebnissen der modernen Technik verbinden können. Der Auftraggeber ist gut beraten, wenn er die Aufgabenstellung für den Komplex der Baugrunduntersuchung, wie auch erste Vorplanungen, schon unter dem Blick möglicher Lösungen beeinflusst. Der Baugrundgutachter muss die Qualität der geforderten Aussagen im Baugrundgutachten deutlich erkennen lassen, ob es sich um – eine Abschätzung der Baugrundverhältnisse mit einem Minimum an Baugrundaufschlüssen für eine Vorplanung geht, – ein Baugrundgutachten für die Anforderungen einer Entwurfsplanung handeln soll. Dann ist in jedem Falle den Forderungen aus DIN, Betriebsnormen und Erkenntnissen der Analyse des Langzeitverhaltens des Erdbauwerkes zu entsprechen. Hier muss der Auftraggeber bereits auf evtl. kritische Bauzustände hinweisen, denn diese können bei schwierigen Baugrundverhältnissen eine noch so gute konstruktive Lösung im Endzustand in Frage stellen.
Der Baugrundgutachter ist der Berater des Auftraggebers. Der Auftraggeber trägt alle Risiken des Baugrundes, wenn diese nicht aus der Erkundung deutlich werden. Der Auftraggeber erkennt bei solchen Problemdiskussionen, ob der vorgesehene Baugrundgutachter überhaupt über die nötigen Erfahrungen und Kenntnisse verfügt, also für die Aufgabe ausreichend qualifiziert ist. Mit dem Ergebnis solcher Fachgespräche sind die Voraussetzungen für die Ausschreibung der baugrundtechnischen und der Erkundungsfragen zur Entwurfsplanung gegeben. Bedauerlicherweise wird häufig dem billigsten Anbieter der Baugrunduntersuchungen diese Aufgabe übertragen. Durch Bietergespräche mit den in die engere Wahl gezogenen Instituten sollten folgende Kriterien berücksichtigt werden: – Referenzobjekte in Planung und Realisierung, – Nachweis des notwendigen Fachpersonals und der technischen Voraussetzung, – plausible Angebotsgestaltung mit allen Aspekten, die der Auftraggeber zu berücksichtigen hat, – statistische Sicherheit der Laborkennwerte für inhomogene Baugrundschichtungen. Bei der Meinungsbildung kann der Auftraggeber durch eine entsprechende Analyse die Vergabe entscheiden. Das schließt nicht aus, Nachbesserungen zu fordern. Mit der Entscheidung muss eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Baugrundgutachter beginnen. Soll das Baugrundgutachten auch allen Anforderungen der Ausführungsplanung genügen, so sind die Aufwendungen wegen der fehlenden Angaben der zu wählenden technischen Lösung mit entsprechenden Varianten relativ hoch. Wenn es auch manchmal terminlich schwierig ist, so sollte dieses Ergänzungsgutachten erst nach dem Vorliegen der Vorentwurfsplanung erstellt werden. Hier können offene Fragen zu den Baugrundverhältnissen, den Berechnungskennwerten und der Optimierung zur Bewältigung der kritischen Bauzustände auf der Basis einer konkreten Pla-
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes
nung bearbeitet werden. Besonders wird dies bei Verkehrsbauobjekten, z.B. bei der Kreuzung von Verkehrswegen deutlich. Dann sind meist die Geschwindigkeitskonzeptionen für den Fahrbetrieb und damit die Anforderungen einer zulässigen Setzung in der Bauzeit, Mindestforderungen an die Standsicherheit, die voraussichtliche Bauzeit und die Einflüsse auf die Natur bei den Partnern bekannt. Auf dieser Basis lässt sich eine konkrete Aufgabenstellung für das Ergänzungs-Baugrundgutachten (Hauptuntersuchung) bearbeiten und beauftragen. Durch diese stufenweise zu erarbeitenden Baugrundaussagen wird erreicht: – der Auftraggeber trägt ein vertretbares Baugrundrestrisiko, – der Baugrundgutachter kann stärker in die Verantwortlichkeit eingebunden werden, – Planungsänderungen werden auf ein Minimum begrenzt, – die Grundlagen der Vertragsgestaltung sind weniger anfällig, Störungen in der Bauzeit sind geringer, Nachträge in einem begrenzten unvermeidlichen Rahmen sind zu erwarten, – die Qualität des hergestellten Erdbauwerkes ist wesentlich höher. Die Baugrundbegutachtung in der Planungsphase durchzuführen oder über das Planungsbüro zu vergeben, ist – wie die Praxis zeigt – mit einem hohen Risiko für den Auftraggeber behaftet. Es ergibt sich meist keine optimale Lösung. Die baugrundtechnischen Belange sind nicht genügend verwertet, weil eine Parallelarbeit immer Annahmen voraussetzt, die sich in der Endphase ggf. nicht bestätigen. Außerdem sind die Mittel für den baugrundtechnischen Teil der Planungsphase nicht auskömmlich, weil die Systematik der HOAI ein allgemeines Gutachten, was unter der Regie des Auftraggebers erstellt wird, voraussetzt. Häufig wird ein Gutachten als eine beschreibende Aufgabe angesehen. Die Erfahrung sagt, dass ein Baugrundgutachten eine beschreibende und eine technisch orientierende Aufgabenstellung für die zu wählende Konstrukti-
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Tabelle 3.2 Geotechnische Beurteilung der Erdbauwerke Standsicherheit Tragfähigkeit Frostsicherheit Verformungsverhalten Elastizität Filterstabilität Schwingstabilität
on und das Bauverfahren bezüglich der realen Baugrundverhältnisse zu liefern hat. Inhaltlich muss das Erdbauwerk nach den geotechnischen Kriterien der Tabelle 3.2 beurteilt werden. Diese Bewertung muss in allen relevanten Phasen gesichert sein. Dabei fordert eine Sanierung das umfassendste Untersuchungsprogramm: – Zustandsbewertung vor Baumaßnahme (Istzustand), – Veränderung durch die geplante Lösung, – Auswirkungen der Bauzustände, Definition des kritischen Bauzustandes mit den zutreffenden Randbedingungen, – Fertigstellung und Nutzungsbeginn, – Bewährung in der Nutzungsphase. Allein die Aufzählung dieser Faktoren beweist, dass ein umfassendes und fundamentiertes Baugrundgutachten, gültig für alle Bauphasen, nur bei sehr einfachen Verhältnissen ausreichend ist. Deshalb ist ein Gutachten mit entsprechenden Ergänzungen in den Planungsphasen meist die wirtschaftlichere Lösung. Sie bietet die besten Voraussetzungen für eine umfassende und ausgereifte bautechnische Lösung, die mit den Boden- und Baugrundverhältnissen harmoniert.
3.2.1 Geologische, hydrologische Situation, Einfluss aus der Verwitterung Eine intensive Bewertung geologischer und hydrologischer Bedingungen vor Ort ist eine wichtige Voraussetzung, um die Schwachpunkte des Baugrundes vor einer Baumaßnah-
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
me, soweit diese aus dem Entstehungsprozess der Erde herrühren, zu erkennen. Dazu gehören geologische Störzonen, wie – alte Vulkanschlote mit den stark wechselnden Materialeigenschaften (Verwitterung, Frostempfindlichkeit und Tragfähigkeitsunterschiede), – Übergänge von Festgesteinen zu Sedimenten durch das verschiedene Setzungsverhalten, – Tuff und porphyrische Gesteine mit großen Unterschieden der Wasserdurchlässigkeit, – veränderlich feste Gesteine, z.B. Tonschiefer, Buntsandsteine durch Lösung der Gesteinsfestigkeit nach Entlastung und Verwitterung, – Tonablagerungen mit Harnischflächen, die bei Anschnitt zu Wasseraustritten, Rutschungen und Verlust der Oberflächenstruktur durch die Witterung führen können. Sie sind erschütterungsempfindlich (Neigung zu Thixothropie und Quellen), – Karst und Erdfallgebiete als Folge von Auslaugungen in unterirdischen Räumen, – Eiszeitlich geprägte Gebiete mit Rinnen organischer Ablagerungen und Auftürmung von wasserempfindlichen Böden als Reste der Endmoränen, – lockere Sande (Dünen/Aufschüttungen) wegen der Gefahr des Setzungsfließens, – Lössablagerungen durch wechselnde Kalkgehalte und Struktur mit Auswirkungen von Setzungen. Diese Störzonen können in einer Verkehrsfläche, wenn sie nicht mit bautechnischen Mitteln unwirksam gemacht werden, zu Einschränkungen des Fahrbetriebes und hohen Unterhaltungsaufwendungen bis zur Streckensperrung führen. Nachfolgende Beispiele sollen einige fehlerhafte Einschätzungen der geologischen Situation einschließlich der aus Materialeigenschaften entstandenen Schadensfälle erläutern.
3.2.1.1 Starke Verwitterung eines Felsgesteins In den Jahren 1962 bis 1964 wurde eine Bahnstrecke bei Ronneburg in Thüringen durch ein Bergmassiv aus veränderlich festem phylitischen Tonschiefer als Einschnitt von ca. 15 m Tiefe hergestellt. Die Lösung sah Böschungen von 1 : 2 und eine Abdeckung mit Mutterboden von 0,30 m vor. Schon während der Bauarbeiten zeigte sich die sehr unterschiedliche Gesteinsqualität. In der Winterperiode aufgefrorene Böschungsflächen rutschten im Frühjahr erst als punktförmige Störstellen, im folgenden Winter aber großflächig ab. Die Verwitterung durch die Auflockerung und den Frost führte zu einer sehr schnellen Entfestigung und so zum Abfließen bzw. Abrutschen. Die Folge war, dass in den aufgefahrenen Einschnitt ein massives Tunnelbauwerk eingebaut und der Einschnitt wieder verfüllt werden musste. Die Baukosten hatten sich mehr als verdoppelt, die geplante Bauzeit wurde um zwei Jahre überschritten. Die Klärung der Schuldfrage war schwierig, weil zu diesem Zeitpunkt eine objektive Bewertung über die Schnelligkeit und die Auswirkung einer solchen Verwitterung des Tonschiefers nur verbal möglich war. Warnungen gab es, aber es war politisch eine Priorität zum Bau der Strecke vorgegeben (Urangesteinsabbau). 3.2.1.2 Dammschäden durch Unterspülung an einem porphyrischen Bergmassiv Mitte August des Jahres 1981 wurden um die Stadt Gera in wenigen Tagen Niederschläge bisher nicht festgestellter Intensität und Zeitdauer gemessen. Diese führten auch bei der Bahn zu erheblichen Schäden an Erdbauwerken, die in der Zeit des mehr als 100-jährigen Bestehens nicht bekannt waren. Von dem sehr porösen und zum Teil sehr inhomogenen Porphyrgestein wurden die starken Niederschläge mühelos aufgenommen. Durch die Wassermenge und den in 30 m Tiefe anstehenden undurchlässigen Gesteinsschichten, kam es zur Ausbildung einer Wasserdruckhöhe von ca. 30 m
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes
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Abb. 3.1 Situation an der Strecke Weimar–Gera 1981. 1 bebautes Hochplateau mit Gartenanlage; 2 begrünte, standsichere Festgesteinböschung; 3 Versickerung; 4 poröser Porphyr; 5 angeschütteter Bahnkörper; 6 wasserundurchlässiges Gestein
Sanierung Der Wiederaufbau des Bahnkörpers erfolgte mit gutdurchlässigen und grobkörnigen Kiessanden. Auf der Hangseite wurde ein wirksames Entwässerungssystem eingebaut. Schadensursache Extreme Niederschläge dieser Art und eine solche Auswirkung sind nicht völlig auszuschließen. Die Klärung der Entwässerungsverhältnisse (Vorflut) war eine vorrangig baubegleitende Maßnahme. Die Ausspülungen sind deshalb entstanden, weil die Anschüttung weniger durchlässig war als das vorhandene Gestein. Es gilt als allgemeine Regel „Eine Anschüttung muss eine 10-fache Durchlässigkeit gewährleisten“.
Abb. 3.2 Unterspülung des Bahnkörpers im Anschnitt, Gera 1981
Wassersäule. Das Wasser trat nach entsprechender Sättigung des Gesteins unter starkem Druck am Böschungsfuß aus und führte zur Unterspülung des Bahnkörpers auf mehreren hundert Metern Länge (s. Abb. 3.1 und 3.2). Diese Schäden führten zur Streckensperrung über mehrere Monate.
3.2.1.3 Streckenbau in eiszeitlich geprägtem Gebiet Die Strecke Berlin–Rostock-Hafen wurde in den Jahren 1960 bis 1970 mit dem Ziel höherer Belastbarkeit und Zuggeschwindigkeiten bis 140 km/h rekonstruiert bzw. in einigen Abschnitten mit neuer Trassenführung als Neubaustrecke errichtet. Geologisch betrachtet quert die Strecke das Berliner Urstromtal, die Grund- und Endmoränen des Frankfurter und des Pommerschen Stadiums der Weichseleiszeit. Die Folgen der eiszeitlichen Prägung im nördlichen Teil der Strecke sind ein sehr kuppiges Gelände und relativ tiefe Täler. Die Hügel werden von Ablagerungen des Geschiebemergels (SU, SU*, TU, TL) aus Nestern von
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Feinsanden/Kiessanden (SE, SU/SE, SI, GE) und aus großflächigen Sand/Kiesablagerungen gebildet. In der Regel findet man mehrere Grundwasserhorizonte und häufig gespanntes Wasser. Dies bedeutet, dass die gewonnenen Böden häufig sehr fest und nur mit Hilfsmitteln gelöst werden können bzw. andererseits eine sehr weiche Konsistenz aufweisen und ohne künstliche Austrocknung mit Branntkalk diese Böden häufig nicht einbaufähig sind. Sie sind frostempfindlich und neigen in der Frühjahrsperiode zu flächenhaftem Abrutschen der Böschungsflächen. Die Täler sind in den Senken meist mit organischen Ablagerungen gefüllt. Die Schichten sind i.d.R. aus 3 m bis 5 m starkem Torf (HN – HZ) und dessen Verwitterungsprodukten sowie aus den unterlagernden Mudden (F) (Faulschlamm, Wiesenkalk) aufgebaut. Die Mächtigkeit genannter organischer Schichten wurde in Rinnen (Lage Nord) bis 28 m Dicke erkundet. Die vorgesehene Kreuzung einer Strecke in einem solchen Moorfeld ist bedingt durch den „Schlängellauf “ der verfüllten Urströme und Bäche erfahrungsgemäß geprägt durch: – ständig wechselnde Moormächtigkeit, – Querneigungen des tragfähigen Baugrundes mit wechselnden Richtungen, – große Inhomogenität der organischen Stoffe, – unterschiedliche Tragfähigkeit und Bruchgefahr, – starke Setzungen bei Belastung. Die Hinweise aus den geologischen Besonderheiten solcher Moorflächen erfordern in der Planung und Ausführung eine große Sorgfalt in der Erkundung und Einschätzung der Bodeneigenschaften sowie eine kritische Bewertung der gewählten technischen Lösung mit all den möglichen Auswirkungen auf das Erdbauwerk. Beim Bau der Strecke Berlin–Rostock hat die Deutsche Reichsbahn aus zum Teil in der Planung nicht erkannten Risiken erhebliche Nacharbeiten an Böschungen von Dämmen und Einschnitten sowie in den Moorgebie-
ten wegen fehlendem Know-how in Kauf nehmen müssen. Die Schlussfolgerungen prägen noch heute die Bautätigkeit in diesen Gebieten. Die genannten Schäden haben zu einer intensiven Aufklärungskampagne mit regelmäßigen Schulungen aller Beteiligten geführt und fanden Niederschlag in den gültigen Vorschriften der DR (TGL 24 756 und TGL 11 482/08) und entsprechenden Schulungsheften. In der jetzt gültigen RiL 836 werden die genannten Erfahrungen der DR nicht berücksichtigt.
3.2.2 Umweltschäden Neben den geologisch/hydrologisch bedingten natürlichen Schwachstellen des Baugrundes hat der Mensch diverse Schädigungen in der Natur, die wir heute als Umweltschäden bezeichnen, zu verantworten. Sie umfassen die Veränderungen im Boden, im Wasser und in der Luft. Dazu tragen Deponien von Fest- und Flüssigstoffen, industrielle Bauwerke und Brachen, militärisch genutzte Flächen einschließlich diverser Übungsplätze bei. Im weitesten Sinne wird auch die Ausbreitung von Vibration und Schall sowie von Staub und Gerüchen dazu gerechnet. Der Naturschutz weist in gesetzlich festgelegten Naturschutzgebieten erhöhte Anforderungen im vorgenannten Sinne, aber auch zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt aus. Zur Einhaltung der Vorgaben haben die Länder der Bundesrepublik Deutschland zum Teil unterschiedliche Richtlinien erlassen. Zur Vorbereitung einer Baumaßnahme werden durch den Auftraggeber von den Umweltbehörden Zustimmungen eingeholt, die mit der Vorgabe einzuhaltender Grenzwerte, Handlungs- und Vorbeugemaßnahmen sowie Kontroll- und Nachweispflichten verbunden sind. Diese werden in der Planung durch entsprechende Maßnahmepläne festgeschrieben und sind bei den entsprechenden Abnahmen vorzulegen. Die erste Orientierung für die Planung ist das Studium des Umweltatlasses bzw. Erhebungen bei den Nutzern. Hier haben die Länder jeweils
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes
bekannte Umweltschäden zusammengestellt. Die nächste Phase zur näheren Spezifizierung der Umweltfaktoren beginnt mit der Erkundung der Einzelstandorte. Aus der Praxis sollen einige Beispiele genannter Umweltschäden angeführt werden. 3.2.2.1 Altölablagerungen Bei Erkundungs- und Bauarbeiten 1990 zur Herstellung der Zweigleisigkeit der S-Bahnstrecke Berlin-Königswusterhausen (S 8/S 46) wurden in einer Senke bei Wildau 3 m bis 4 m dicke Altölablagerungen ermittelt, die bei der Erkundung fälschlich als eine spezielle Mudde bezeichnet worden waren. Bei den Ausbaggerungsarbeiten erwies sich der Fehler durch intensiven Gasaustritt fast tödlich für den Baggerfahrer, der bei seiner Arbeit ohnmächtig wurde. Durch intensives Handeln konnten der Verletzte gerettet und andere Betroffene im Krankenhaus behandelt werden. Nach Erkennen der Explosionsgefahr wurde der Bahnverkehr sofort unterbrochen und die Ursache der Umstände geklärt. Die Aushubmassen wurden in entsprechenden geschlossenen Kesselwagen einem großen petrolchemischen Werk zur Aufbereitung zugeführt. Bei der Ermittlung des Verursachers wurde festgestellt, dass eine Panzerfabrik im 1. und im 2. Weltkrieg in einen abgeriegelten Altarm eines Wasserkanals die Altöle ohne Wissen der Kommune deponiert und schließlich mit Sanden überdeckt hatte. Auch die Anlieger kannten die Gefahr nicht. Die Nachweisführung bzw. das Entdecken dieser Verunreinigung war einer Baugrundlaborantin in der Bauphase zu danken. Bei einer Schlämmanalyse von einer Probe, die nahe der Schadensstelle aus gelben Sanden entnommen wurde, konnte die hochgradige Verschmutzung aus dem leichten Petrolgeruch und dem im Zylinder sich bildenden Film aus Treibstoffen erkannt werden.
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3.2.2.2 Kerosin im Boden An der Strecke Berlin–Magdeburg bei Werder wurden zur Untersuchung der Unterbauverhältnisse 1992 Schürfarbeiten durchgeführt. Auffällig waren an zwei benachbarten Entnahmestellen der Geruch und die Schmierigkeit der gewonnenen Sandproben. Nach einer Stunde hatte sich in den Schürfen eine Flüssigkeit angesammelt. Die Untersuchung zeigte später, dass es sich um Kerosin handelte. Der Verdacht fiel auf einen angrenzenden Flugplatz der Roten Armee. Verursacher war ein offenbar undichtes Tanklager. Die Entsorgung sollte im sog. Einpumpen von Verdünnungsmitteln und im Absaugverfahren erfolgen. 3.2.2.3 Gärungsstoffe im Baugrund Bei Schürfarbeiten an der Strecke Berlin–Magdeburg wurde im Stadtgebiet Werder 1992 nach Öffnen mehrerer Schürfe starker Alkohol-/Gärungsgeruch wahrgenommen. Die sandigen Bodenproben enthielten 0,5% organische Bestandteile, der Alkoholgehalt war klein, d.h. es waren keine Maßnahmen erforderlich. Als Ursache stellte sich eine Abfalldeponie im naheliegenden Hof einer Obstmosterei heraus, die seit Jahrzehnten die Früchtereste dort kompostierte. 3.2.2.4 Chemikalien in Sanden des Bahnkörpers Bei Sanierungsarbeiten 1996/1997 am Tragschichtsystem des Unterbaus wurde in einem Bereich von ca. 200 m nach Abtrag des Schotters des Berliner Außenrings (BAR) in Höhe eines Pharma Betriebes in Berlin-Grünau der Geruch von Arzneistoffen festgestellt. Die obere Schüttung des Bahndammes bestand aus Sanden mit hellgrauer Färbung. Bei der Untersuchung der Bodenproben trat bei Wasserzugabe ein ätzender Geruch auf, der mit Kopfschmerzen und späteren Verätzungen der Hände der Laboranten verbunden war. Die Laboruntersuchungen wurden sofort abgebrochen und das Probenmaterial luftdicht ver-
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
schlossen. Nach weiterer Untersuchung wurde das Material als chemisch verunreinigt befunden, vom Damm ca. 0,5 m abgetragen und einem Chemiewerk zur Aufbereitung übergeben. Wer war der Verursacher? Das Pharmawerk hat über Jahrzehnte auf dem Gelände zur Bahn ein größeres Absetz-/Verdunstungsbecken betrieben. Nach Verdunstung wurden die Sandfilter ausgetauscht und seitlich gelagert. Ein Baubetrieb hatte diese Massen ohne Prüfung als Dammbaustoff ca. 1959/1961 in den oberen Teil des Dammes eingebaut. Der Betrieb eines solchen Absetz-/Verdunstungsbeckens ist nach heutiger Rechtssprechung eine akute Gefährdung der Umwelt. Der Einbau der verseuchten Sande in den Bahnkörper ist nicht zulässig und strafbar. 3.2.2.5 Schwellentränkmittel im organischen Baugrund Bei Erkundungsarbeiten an einem Bahndamm der Strecke Augsburg–München wurden 1995 ölartige Einlagerungen in den Bodenproben aus Torf und Mudde sowie der Geruch von Karbolineum oder ähnliches festgestellt. Die Untersuchungen ergaben, dass das gesamte Moorfeld betroffen war. Verursacher dieses schweren Umweltschadens war ein privates Unternehmen, welches bis etwa zum 2. Weltkrieg über viele Jahrzehnte dort einen Betrieb für hölzerne Bahnschwellentränkung betrieben hatte. Offenbar waren erhebliche Anteile der Tränkungsmittel im angrenzenden Moorfeld versickert, welches von der Bahnstrecke gekreuzt wird. Seit etwa acht Jahren betreibt das Land Bayern eine mobile Waschanlage. Pumpen ziehen dabei Wasser aus dem Baugrund ab und führen gereinigtes Wasser zurück. Nur sehr langsam schreitet der Sanierungsprozess voran und wird mindestens noch 10 Jahre andauern. Die baulichen Maßnahmen der Bahn sehen einen Teilaushub (Reibungsfüße) und eine Entsorgung als Sondermüll vor.
3.2.2.6 Aktivierter Zementmörtel verändert Moorfeld In den Jahren 1989/1990 gab es Ideen für die Sanierung eines Bahnkörpers auf organischem Baugrund mit Hilfe von Betonplatten und Verspannung des Dammes durch Injektionsanker. Diese Maßnahme wurde in der Fune-Niederung bei Halle angewandt. Das Einbringen der Verpresspfähle hatte zur Folge, dass größere Mengen des aktivierten Mörtels in den Untergrund und in die seitlichen Moorflächen austraten. Zum Ende der Bauarbeiten zeigte das angrenzende Moor eine Gelbfärbung des Bewuchses, Absterben der typischen Moorpflanzen und Gasblasenaustrieb in den Wasserflächen. Das Moor war in seinem natürlichen Milieu gekippt, der PH-Wert als äußeres Zeichen verändert. Es roch nach Vermoderung, der Anblick auf größere Flächen war der einer Kloake. Es ist zu hoffen, dass das Moorfeld sich auf natürlichem Wege wieder regeneriert hat. 3.2.2.7 Müllablagerungen in Erdbauwerken Bedingt durch die Teilung der Stadt Berlin im Jahre 1961 wurden zahlreiche Strecken der SBahn stillgelegt. Die Anlieger haben in den 35 Jahren auf ihre Art mit der Verwilderung einer solchen Bahnlinie davon Besitz ergriffen, so z.B. an der S-Bahn-Strecke 25 von BerlinTegel nach Hennigsdorf. Hier wurden in Aufgrabungen Müllkippen im Bahnkörper angelegt und abgedeckt, der Bahnkörper als Reitplatz genutzt, der Damm abgetragen, um im eigenen Grundstück eine höhere Lage durch Auftrag zu erreichen. Swimmingpools oder Terrassen wurden in die Böschung des Dammes eingebracht oder als Deponien benutzt. Bei der Vorbereitung zur Inbetriebnahme war es äußerst schwierig, solche Schwachpunkte der Dämme zu finden und mit hohem Aufwand zu sanieren, da natürlich die wenigsten Anlieger sich als Verursacher bekannten. Die vorgenannten Beispiele lassen sich zu einer nicht endenden Kette von Vorgängen fortsetzen. Ziel muss es sein, dass der Baugrundfachmann aus kleinen
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes
Hinweisen bei der organo-leptischen Prüfung der Boden- und Wasserproben durch einen geschulten Blick, mit langjähriger Erfahrung Umweltschäden aufdecken kann. Es muss uns bewusst sein, dass solche Schäden die Sicherheit des Bahnbetriebes, die Gesundheit Einzelner im hohen Maße gefährden können und eine fachgerechte Entsorgung immer trotz der hohen Kosten vorzuziehen ist. 3.2.2.8 Munitionsverseuchung, Kampfmittelberäumung Sie dient dem Schutz der auf der Baustelle Tätigen gegen Explosionen als Folge von Erdarbeiten, wie auch bei Bohrungen/Sondierungen während der Erkundung und letztlich auch im Bauprozess durch den Einsatz von Rammtechnik, Baggern und Transportfahrzeugen. Man unterscheidet vier verschiedene Phasen bei der Durchführung von Maßnahmen zur Freigabe: – Auswertung von Luftbildaufnahmen bei entsprechenden Bombenabwürfen der kriegsführenden Länder. Hieraus lässt sich das Gefahrenpotenzial abschätzen und die weitere Vorgehensweise festlegen. – Einsatz einer Oberflächensonde in Funktion eines Metalldetektors, die eine Untersuchungstiefe bei ca. 1,50 m ermöglicht. Untersucht wird je nach Bodenart bis auf ein Raster von 1,50 m u 1,50 m. Für die Durchführung solcher Arbeiten benötigt der Untersuchungsbetrieb eine an strenge Auflagen gebundene staatliche Zulassung (Lizenz). – Bei vermuteten Bomben und Granaten in größerer Tiefe (sandiger oder organischer Untergrund, Wasserflächen) sind verrohrte Bohrungen (Spülbohrungen) notwendig. In das in Teilabschnitten ausgeräumte Bohrrohr werden Spezialsonden herabgelassen, die Metalle horizontal bzw. den Vorlauf an der Bohrspitze erkunden. Für das Bergen solcher Verdachtskörper sind ggf. Spundwandkästen oder Großrohre erforderlich, je nach Größe und Lage der Sprengkörper. – Bleiben dennoch Verdachtsmomente, so wird für Baggerarbeiten an der Baggerbrust
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durch eine Fachkraft des Munitionsbergungsbetriebes eine ständige Kontrolle notwendig. Bei Abtragsarbeiten wird in ca. 1m-Schichten gearbeitet und so die folgende Ebene geprüft. Mit Beendigung der Munitionssuche und Bergung der Verdachtskörper wird ein Freigabeprotokoll durch den Munitionsbergungsbetrieb in Person des Lizenzträgers erstellt. Der Auftraggeber ist verpflichtet, alle Verantwortlichen der Beschäftigten durch ein Protokoll vor Baubeginn über das Ergebnis einschließlich der Auflagen des Abschlussprotokolls über die Untersuchungen zur Munitionsbergung aktenkundig zu informieren. 3.2.2.9 Archäologische Fundstellen In die Vorbereitung einer Baumaßnahme werden die für Genehmigungsverfahren zuständigen Stellen der Länder einbezogen. Von diesen werden Informationen gegeben zu – archäologischen Fundgebieten die für eine Bebauung ausgeschlossen werden, – vermutete Fundgebiete mit besonderen Auflagen bei Überbauung, – archäologische Freiflächen. Die Auflagen bei Verdacht solcher Fundstellen sind hoch. In der Praxis haben Verkehrsbauobjekte erhebliche Bauzeitverzögerungen, bedingt durch die Bergung/Registrierung dieser archäologischen Kulturgüter, in Kauf nehmen müssen. 3.2.2.10 Halden, Deponien Die Überbauung solcher Bereiche stellt an ein Erdbauwerk eine große Herausforderung wegen der zu erwartenden Inhomogenität der Haldenmaterialien bezüglich der Setzungen, der Standsicherheit und Entsorgung von Giftstoffen dar. Im Regelfall werden solche Flächen nicht genutzt oder abgetragen.
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
3.2.3 Aufschluss des Baugrundes Für die Planung, das Bauen und die Instandsetzung von Erdbauwerken gilt die RIL 836 der Deutschen Bahn [3.1]. Diese Richtlinie legt zur Abwicklung der geotechnischen Untersuchungen unter 836.0200 die Rahmenbedingungen fest. Dabei sind die Grundlagen gelegt durch DIN 18 196 Bodenklassifikation für bautechnische Zwecke, DIN 1054 Baugrund, zulässige Belastung des Baugrundes, DIN 4020 Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke, ZTVE-StB Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau, EURO-Normen. Begleitend gelten diverse DIN und besondere Regelungen für die Durchführung von Baugrunduntersuchungen. Die RIL 836 fordert von dem einzusetzenden Baugrundgutachter eine besondere Qualifikation, die bei der Bahn als Sachverständiger für Geotechnik definiert ist. Damit soll eine baugrundtechnische Betreuung von der Aufgabenstellung bis zur Bauausführung mit hoher Fachkompetenz erfolgen. Die Inhalte einer solchen Aufgabe des geotechnischen Sachverständigen soll im Sinne der in Abschn. 3.2.1 und 3.2.2 genannten Probleme vorbeugend wirken, d.h. Fehler vermeiden. Es sollen Konstruktionen entstehen, die eine hohe Qualität darstellen und geringe Unterhaltungsaufwendungen verursachen. In den nachfolgenden Ausführungen wird auf die Darlegung der genannten Vorschriften und Richtlinien verzichtet. Dafür soll über praktische Erfahrungen berichtet werden. 3.2.3.1 Aufgabenstellung für Aufschlussarbeiten Die Aufgabenstellung ist das Kernstück einer Baugrunduntersuchung. Diese ist vom Auftraggeber zu erarbeiten und sollte verschie-
dene Phasen der Baugrunduntersuchung festlegen, d.h. – Vorplanung/Vorentwurfsplanung, – Entwurfsplanung, – Ausführungsplanung, – Bauphase. In Tabelle 3.3 wird versucht, die Zusammenhänge die bei einer Erkundung und Baugrundbegutachtung zu bewerten sind, darzustellen. Darin wird deutlich, wie hoch die Anforderungen an den Auftraggeber und den ausgewählten Baugrundgutachter zu stellen sind. Die Vielzahl der Aussagen der Teilgebiete erfordert eine gute Koordination vor Beginn der Probenahme, damit alles mit einer Erkundung erledigt werden kann. Sonst drohen erhebliche Mehrkosten. Je detaillierter der Auftraggeber die Angaben zur technischen Lösung, zur voraussichtlichen Bauausführung und den von Behörden zu erwartenden Auflagen machen kann, umso mehr können die Phasen zusammen verzahnt werden. Voraussetzung ist die Freigabe der zu bebauenden Flächen bezüglich Munitionsverseuchung/Kampfmittel. Die Aufgabenstellung muss folgende Anforderungen enthalten: – Aufschlussdichte und Erkundungstiefe, – Bohr-/Sondierverfahren mit Gerätevorgaben, – Anforderungen an die Qualität der Probenahme, – Ansprache der Bohrprofile, Probengewinnung, – Feststellung von einzelnen oder mehreren Wasserhorizonten, gespanntem Wasser, Notwendigkeit von evt. Wasserstandsbeobachtungspegeln, – Anzahl der Bodenprüfungen bzw. Wasseranalysen mit Vorgabe spezieller Aussagen zu Bodeneigenschaften bei erwarteten Belastungsvorgängen, – Gefahrabschätzungen aus Bodenschichtungen mit wenig tragfähigen Eigenschaften (Moor, Ton …), – Einflüsse aus vorhandener Bebauung, Störzonen, Trümmer, Halden …,
Tabelle 3.3 Einflussfaktoren bei der Baugrundbegutachtung
3.2 Baugrundtechnische Bewertung der Erdbauwerke und des Baugrundes
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
– Aussagen zur Empfindlichkeit des Baugrundes und anliegender Bebauung gegenüber Einsatz von Vibration, Sprengverfahren, Grundwasserabsenkung, Befahrbarkeit, – Auflagen der Rechtsträger, die Auswirkungen auf die gewählte technische Lösung haben können, – Aufbewahrung von Bodenproben(Rückstellproben).
3.2.4 Baugrundgutachten/geotechnischer Bericht Nach DIN 4020 [3.5] ist das Ergebnis der Baugrunduntersuchungen aus folgenden Teilprüfungen zu entwickeln: – geologisch-hydrologische Situation des Standortes, – Erkundung des Baugrundes, – Baustoffprüfungen in situ und im Labor, – Umweltsituation, – Schlussfolgerungen und Empfehlungen zur Gründung sowie zur Bautechnologie. Die DIN 4020 nennt im Vorwort die Anforderungen an die Bearbeiter der Begutachtung, d.h. des Baugrundes und der Baustoffe. Sie sollen vielseitige und gründliche Kenntnisse sowie Erfahrungen vorweisen können. Die Analyse von Schadensfällen belegt, dass eine Reihe von „Gutachtern“ diesen Ansprüchen nicht genügt. Sie beurteilen selbst Objekte, die nach DIN 4020, Punkt 3.8 in die höchste Schwierigkeitsstufe einzuordnen sind. Ohne Reglementierungen das Wort zu reden – ohne einen Qualifikationsnachweis in Form einer Zulassung sollte kein Bauingenieur als Baugrundgutachter tätig werden können. Solange ein solcher Qualifikationsnachweis nicht verbindlich vorgeschrieben ist, liegt die Verantwortung bei den technischen Kräften des Auftraggebers. Erst in zweiter Linie darf der Preis des Angebots den Zuschlag an einen Bewerber entscheiden. Im Verkehrsbau, insbesondere im Bahnbereich, muss dazu eine entsprechende Sensibilität für die Dynamik und den Einfluss auf die Baustoffe sowie damit auf das
Langzeitverhalten des Bauwerkes vorhanden sein. Die Benennung „Geotechnischer Sachverständiger“ durch die Länder ist der richtige Weg. Er wird leider in der Praxis meist nur bei Schadensfällen wirksam. Die DIN 4020 macht deutlich, dass es nur in sehr einfachen Fällen eine Einphasen-Begutachtung geben kann. Der Regelfall sollte folgende Etappen der Baugrundbewertung vorsehen: – Voruntersuchung des Baugrundes für die Standortwahl und Vorplanung des Bauwerkes, – Hauptuntersuchungen für Entwurf, Ausschreibung und Baudurchführung, – baubegleitende Untersuchungen zur Beobachtung des Baugrundverhaltens, der Wasserverhältnisse und des Tragverhaltens von Einzelbauelementen. Bei sehr schwierigen Baugrundverhältnissen kann die Notwendigkeit weiterer Etappen bestehen. Die HOAI [3.22] legt zur Abwicklung genannter Baugrunduntersuchungen Arbeitsinhalte, Schwierigkeitsgrade und ein entsprechendes Honorar je nach Größe des Vorhabens fest. So wird in der HOAI Teil XII – Leistungen für Bodenmechanik, Erd- und Grundbau – das Grundanliegen festgehalten: „Leistungen für Bodenmechanik, Erd- und Grundbau werden erbracht, um die Wechselwirkungen zwischen Baugrund und Bauwerk sowie seiner Umgebung zu erfassen und die für die Berechnungen erforderlichen Bodenkennwerte festzulegen.“ Dies bedeutet, dass bei Abweichungen von der Vorhersage die Notwendigkeit von ergänzenden Baugrunduntersuchungen besteht. Der Verfasser ist bemüht, diesen Aspekt, der bei ungünstigen Technologien für bestimmte Böden, z.B. organische Erdstoffe, besonders deutlich wird, in den einzelnen Abschnitten dem Leser näher zu bringen.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund Im Verkehrsbau bestimmen die Anforderungen an die Fahrbahn die an den Erdkörper und dessen Gründung zu stellende Qualitätsbedingungen. Dabei ist der Begriff Tragfähigkeit so zu verstehen, dass die Beanspruchungen aus der Verkehrsbelastung keine unverträglichen Verformungen am Zustand der Fahrbahn auslösen bzw. diese Veränderungen durch planmäßige Erhaltungsmaßnahmen beseitigt werden können. Zu den Erdbauwerken zählen nach RIL 836: – die Aufschüttung von Dämmen,
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– der Abtrag des Geländes zu Einschnitten, – die Ausbildung von Anschnitten, – die Gründung im anstehenden Baugrund durch erdbautechnische Bauweisen, – die Ausbildung bauwerksbezogener und flächenhafter Entwässerungssysteme, – die Herstellung des Planums und besonderer Trag-, Frostschutz- und kapillarbrechender Schichten, – Böschungen mit und ohne Bermen. Von wesentlicher Bedeutung für die Wahl der technischen Lösung ist, ob es sich – um die Reparatur eines bestehenden Erdbauwerkes,
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b Abb. 3.3 Beispiele von Regelausbildungen des Unterbaus P300 – Damm. a Schotteroberbau, b Feste Fahrbahn
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Tabelle 3.4 Verzeichnis der Begriffe nach RiL 836
– um eine Ertüchtigung zu vorgesehenen höheren Beanspruchungen als bisher (Geschwindigkeit, Achslast …) oder – um einen Neubau handelt. Deshalb spielt der Boden als dominierender Baustoff, seine Dichte, Kornverteilung, Konsistenz u.a. für die geometrische Ausbildung der genannten Erdbauwerksteile eine besondere Rolle. Sowohl bei der Sanierung als auch bei der Ertüchtigung ist das Erkennen der Schä-
den und seine Ursachen die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Baumaßnahme. Dies wird umso wichtiger, wenn die Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebes und seine besonderen Randbedingungen, wie – Langsamfahrstellen, – Teil- und Vollsperrungen oder – Schwerlasttransporte den Ablauf der Bauarbeiten bestimmen. In Abschn. 3.4 wird auf solche Situation eingegangen. Ein wirksames Überwachungssystem
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
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b Abb. 3.4 Beispiele von Regelausbildungen des Unterbaus P300 – Einschnitt. a Schotteroberbau, b Feste Fahrbahn
erlaubt, das Verhalten des Bauwerks besser zu bewerten und so zielsicher die Entscheidungsfindung vorzubereiten. Zur besseren Orientierung des Lesers werden die im Eisenbahnbau verwendeten Begriffe (Tabelle 3.4) und das Beispiel einer Regelausbildung des Unterbaus mit den Qualtitätsanforderungen (Abb. 3.3a/b/3.4a/ b) als Auszüge der gültigen RiL 836 beigefügt.
3.3.1 Oberbodenabtrag und Untergrundplanum 3.3.1.1 Oberboden Bei einem zu errichtenden Eisenbahndamm wird das Gründungsplanum nach Abtrag des
Oberbodens freigelegt. Der Begriff des Oberbodens (auch als Mutterboden oder Kulturboden bezeichnet) ist häufig umstritten. Nach DIN 18 300 wird Oberboden grundsätzlich in die Bodenklasse 1 eingestuft, was bei einigen Böden, z.B. den Bördeböden in Sachsen-Anhalt, aufgrund des mehrfachen „Gewinnungswiderstandes“ gegenüber einem sandigen Oberboden nicht immer berechtigt ist. Oberboden ist die oberste Schicht des natürlichen Bodens, die neben anorganischen/mineralischen, z.B. Sand- und Kiesanteilen, sowie Schluffen und Tongemischen als Hauptbestandteilen auch organische Anteile, wie Humus, Nährstoffe und Bodenbakterien, enthält. Häufig wird gemeint, dass alles, was schwarz ist oder eine dunkel-
92
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
graue Farbe hat, automatisch auch ein Oberboden sein muss. So sind die obere Deckschicht in Buchen- oder Eichenbeständen sowie auch der Nadelteppich in Nadelwäldern völlig ungeeignet. Von der Wiederverwendung als Abdeckung der Böschungen oder Flächen mit solchen „Oberböden“ wird dringend abgeraten, weil sich eine Wachstumskultur wegen fehlender Mikroorganismen, Humus und Nährstoffen nicht bilden kann. In der Regel sind Oberböden von begrünten Weiden, mit Ausnahme von Moorflächen, oder von landwirtschaftlich genutzten Flächen geeignet. Erfahrungsgemäß hat die obere Bodenschicht von 25 bis 30 cm, Ausnahmen bis 50 cm, die gewünschten Eigenschaften. Im strittigen Fall klärt ein Begrünungsversuch die Situation. Der Humusanteil wird für das Wasserspeichervermögen (Glühverlust 1% bis 5%) des Bodens benötigt. Allerdings darf man neben der Aufgabe einer „grünen“ Schutzfunktion für die Erdbauwerke nicht vergessen, dass beim Einbau auf Böschungen auch die innere Stabilität und Frostsicherheit des Baustoffes Oberboden gegeben sein muss. Entsprechender Kornaufbau, Verdichtungsfähigkeit und eine Mindestdichte, verbunden mit einer rauen Oberfläche als Grundlage (Grobplanum) sind Garant einer guten Qualität, d.h. ein Abgleiten wird verhindert, s. auch Abschn. 3.3.2.7. Es sei dringend darauf verwiesen, dass Oberböden ein wichtiges Kulturgut darstellen und deshalb eine besondere Lagerung und Reinhaltung erfordern.
3.3.1.2 Untergrundplanum und Gründungsplanum Mit dem Abtrag des Oberbodens soll nach entsprechender Verdichtung eine für die Auflagerung des Dammes standsichere und verformungsarme Gründung gewährleistet werden. Häufig sind wasserangereicherte weichplastische Böden, organische Weichschichten, bei felsigem Untergrund unterschiedliche Verwitterungsgrade und andere Störungszonen anzutreffen. Anwendungen finden dabei: – Bodenaustausch, – Bodenverbesserung bei bindigen Böden mit Kalk (s. Abschn. 3.3.2.5), – kapillarbrechende Schichten bei hohen Wasserständen oder einem Untergrund aus Böden mit erheblicher Kapillarität (SU … TL/TM) oder zu erwartendem einseitigem Wasserstau. Zielstellung ist ein sehr fester und nicht verformungsempfindlicher Untergrund bzw. Gründungsplanum. Bei geneigtem Gelände müssen im Regelfall Verzahnungen des Schüttmaterials mit dem Untergrund hergestellt werden. Diese Verzahnungen/Abtreppungen müssen bei bindigem Untergrund talwärts zur Vermeidung von Wasserstau geneigt hergestellt werden. Häufiger Streitpunkt ist die Höhe der Abstufungen. Eine übliche Schütthöhe in schwerem Erdbau mit einer Dicke von ca. 0,5 m blieb bei den bekannten Erdbauvorhaben bisher ohne negative Auswirkungen. Schäden entstehen, wenn Schüttmaterial mit erheblichen kapillaren Eigenschaften (SU, SU, TL) auf gleiches Material
Abb. 3.5 Beispiele für die Anwendung kapillarbrechender Schichten bei tragfähigem Baugrund und Wasserspiegel in Geländehöhe. 1 kapillarwirkendes Schüttmaterial; 2 Kapillarsaum; 3 Wasserspiegel (WSP); 4 kapillarbrechende Schicht; 5 durchlässiges Material; 6 Kapillarität wird nicht zurückgehalten; 7 kapillarbrechende Schicht voll wirksam
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
ohne den Einbau einer kapillarbrechenden Schicht oder in falscher Lage aufgebaut wird (Abb. 3.5). Die Anreicherung des Wassergehaltes durch die Kapillarität, die durch dynamische Einflüsse aus dem Verkehr noch weiter aktiviert wird, führt in Folge von Frosthebungen in der Böschung zur Wasseranreicherung (Eislinsen) und so zu Böschungsbrüchen bis zum flächenhaften Abfließen der weichen Massen in der Tauperiode. Die RiL 836 schreibt keine verbindliche Materialqualität für eine kapillarbrechende Schicht vor. Nach Erfahrungen des Verfassers und der Festlegung in der Literatur [3.10] sollten die Bedingungen für Schüttmaterialeinbringung „unter Wasser“ angewandt werden (s. Abschn. 3.4.4)
3.3.2 Dammaufbau 3.3.2.1 Schüttmaterial Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass alle Böden mit folgenden Ausnahmen als Dammbaustoff verwendet werden können: – natürliche Böden mit einer Fließgrenze WL t 50% (TA), – Böden mit organischen Anteilen > 5%, – Böden mit Wassergehalten, die den optimalen Wassergehalt um mehr als 2% überschreiten. Bei Erdbauwerken mit sehr hohen Anforderungen an die Lagestabilität müssen weitere Böden ausgeschlossen oder durch spezielle Behandlung, z.B. mit Branntkalk, aufbereitet werden. Bei der Verwendung von gebrochenem Fels sind nach praktischen Erfahrungen folgende Grenzen zu setzen: – das Größtkorn soll max. 2/3 der vorgesehenen Schütthöhe betragen, – verwitternde Felsgesteine bzw. gebrächer Fels sind häufig setzungsempfindlich. Ursprünglich stabile Böschungen rutschen
93
in der Frost-Tau-Periode ab (Buntsandstein, Muschelkalk, Tonschiefer …). In neuerer Zeit wird versucht, Stoffe aus dem Recyclingprozess oder industrielle Nebenprodukte als Dammbaustoff einzusetzen. Hier sind allerdings die Schwankungen in der Qualität und das Verhalten gegenüber Wasser häufig Hindernisgründe. Hingegen hat die Anwendung von Geokunststoffen zugenommen. Die gewollten Anwendungsfälle bieten dem Ingenieur zahlreiche Möglichkeiten der Konstruktion, wie Gestaltung von Entwässerungssystem, Tragschichten, Böschungen. Leider ist das Langzeitergebnis solcher Lösungen nicht nur mit positivem Ausgang zu erwarten. Es gibt einige Negativbeispiele bei der Bahn, die eine gesunde Skepsis bei neuen Anwendungen notwendig machen. Im Versagensfall ist festzustellen, dass Geokunststoffe bei einem Ausbau nur von Hand vom Boden getrennt werden können, oder es ist Abfall. 3.3.2.2 Dichteprüfung und andere Qualitätsnachweise Hohe Stabilität eines Bodens (Tragfähigkeit, Setzungsverhalten, Widerstand gegen Kornumlagerungen), einer Schicht oder des Erdbauwerkes sind bestimmt durch das Verhältnis von Masse Boden, Luftporen und Wasser. Dabei spielen die Festigkeit der Einzelkörner und der Anteil aktiver Tonminerale eine entscheidende Rolle. Der Proctorversuch nach DIN 18 127 versucht mit einer genormten Verdichtungsarbeit, die einer wirtschaftlichen Verdichtung nachempfunden ist, das optimale Verhältnis von – Dichte des Bodens, – Wassergehalt, – Luftporen im Labor zu bestimmen. Das Ergebnis ist die Proctorkurve (Abb. 3.6). Das Verhältnis von Trockendichte Ud und Wassergehalt w lässt sich an i.d.R. mindestens 5 Teilpunkten ablesen. Die Bestimmung von Dichte U bzw. Ud erfolgt über nachfolgende Beziehung:
94
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.6 Verhältnis von Dichte, Wassergehalt (Proctorkurve) und Tragfähigkeit eines bindigen Bodens
U = m/V, Ud = U/1 + w = md/V
[g/cm3]
Beim Proctorversuch ist V das Volumen des Proctorzylinders. Die Masse der nach dem Einstampfen vorbereiteten Probe (mindestens 5) mit verschiedenen Wassergehalten wird jeweils mit m (md = Trockenmasse) bezeichnet. W sind die verschiedenen Wassergehalte. Der Wassergehalt wird im Trockenschrank bei vorgeschriebener Temperatur von 105 °C mit entsprechender Trockendauer je nach Bodenart und Probemenge zwischen 6 und 24 Stunden bestimmt. Wesentliches Merkmal, die Trocknung, ergibt Massekonstanz. Dieses Verfahren der Dichtebestimmung ist bei Einsatz entsprechenden Fachpersonals (Baustoffprüfer) sehr zuverlässig. Der Boden muss den
Gruppensymbolen eines feinkörnigen mit einem Größtkorn (Überkornkorrektur) von 20 mm für Typ A entsprechen. Vorausgesetzt wird auch, dass es sich um Boden mit natürlichem Rundkorn handelt. Bei Gemischen, die Bedingungen für die Anwendung Proctorversuch Typ A nicht erfüllen, können die Anlagen B + C mit höherem Größtkorn (B = 31,5 mm, C = 63 mm) angewendet werden. Die entsprechenden Anlagen Typ B + C sind sehr kostenaufwendig und teuer in der Vorhaltung. Nur wenige Baugrundinstitute verfügen über diese Einrichtungen. In der Praxis werden leider häufig die Anwendungsgrenzen des Proctorversuchs nicht beachtet und führen so zu falschen Schlussfolgerungen, ja irreparablen Schwachstellen/Schäden. Verwiesen
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
sei auf die Anwendung des Proctorversuchs bei Brech- oder Mischprodukten Brechkorn/ Rundkorn. Bei praktischen Arbeiten hat sich eine Grenze von 30% Brechkorn im Korngemisch aus Rundkorn als noch vertretbar ergeben. Bei mehr als 30% Brechkorn sind die bautechnischen Schlussfolgerungen zur – Dichtebewertung (Porenvolumen), – Tragfähigkeit, – Filterstabilität, – Kornverteilung (Schlämmanalyse) u.a. nicht mehr zuverlässig. Fehlbewertungen sind die Folge. Mit dem Vergleichsmaß aus der Proctorkurve sind die spezifischen Erdstoffeigenschaften zur Verdichtung festgehalten. Auf der Baustelle muss nun die tatsächliche Dichte bestimmt werden. Dazu bedient man sich zur Volumenbestimmung i.d.R. eines Einschlagoder Einpressstutzens mit möglichst gleichem Volumen wie der Proctortopf. Bewährt haben sich auch solche Ersatzmethoden wie das Densitometer nach Haas. Das Verfahren zur Bestimmung der Dichte unterscheidet sich von der klassischen Stutzenentnahme nur in der Art der Volumenbestimmung. Die Dichteforderung ist mit DPr (Dichte Proctorversuch) bezeichnet. DPr 1,0 bedeutet eine Dichteforderung von 100%. Das Maß DPr wird je nach Qualitätsanspruch für einzelne Bauteile mit 92%, 95%, 97%, 100% in Anforderungsblättern festgelegt (s. Beispiel aus RiL 836, Abb. 3.4 und 3.5). Durch die Dichteprüfung auf der Baustelle an einem Punkt ist also nachzuweisen: vorhandene Dichte t geforderte Proctordichte Ud t DPr × JPr . Da aus der Inhomogenität der Böden und möglicher Prüffehler eine Verkehrsfläche nicht korrekt bewertet wird, ist nach ZTVE – StB 96/97 eine flächenhafte Bewertung (Baulos, Teilstrecke …) vorgeschrieben. Mit ZTVE 94 ist die Vorgehensweise bei der Prüfung der Verdichtung neu geregelt. Es wurden eingeführt: – Methode M 1 mit statistischem Prüfplan, – Methode M 2 als flächendeckende Prüfung, dynamische Arbeits-/Messwalze (FDVK),
95
– Methode M 3, erweitertes bisher übliches Nachweisverfahren (Arbeitsverfahren, Überwachung, Prüfung …). Dazu gibt es die generelle Festlegung, dass die vorgeschriebenen Dichteforderungen DPr als Mindestforderung gelten (vor 1994 Mittelwerte). Die notwendige Bewertung erfolgt nach dem System der gaußschen Glockenkurve, wobei ein 10%-Mindestquantil zugelassen ist. Die Qualitätsforderungen sind damit seit 1994 wesentlich erhöht. Die Reaktion auf die Neuordnung der Verfahren bei der Führung der Dichte- und Tragfähigkeitsnachweise (ZTVE 94/97, Kap. 14) sind zwiespältig. – Die Festlegung zur Anwendung der FDVK (M 2) sind ein Gewinn für die Praxis. Damit wird eine Homogenisierung des Festigkeitsverhaltens eines Erdbauwerkes über die Fläche in verschiedenen Ebenen erreicht. Voraussetzung ist allerdings, dass der Aufbau der einzelnen Schichten bis zur Prüffläche weitgehend homogen ist. Der „Eichaufwand“ in einem Prüffeld ist momentan noch recht groß, denn es muss ein zulässiges : (Bomag-System) oder ein CMV-Wert (Dynapac) definiert werden, welcher die Anforderung nach Dichte und Tragfähigkeit gewährleistet. Wegen der hohen Aufwendungen vor den Verdichtungsarbeiten wird die Anwendung der Methode M 2 nur bei Großflächen, z.B. Flughafenbau, Straße, Bahn bei Neubaustrecken, begrenzt einsetzbar sein. Eine sehr gute Anwendung hat sich im Verkehrsbau-Sanierungsprogramm ergeben, wenn man die Messwalze auf dem beräumten Erdplanum zum Einsatz bringt. Hier kann man Schwachpunkte, wie Quellen, Schottersäcke, organische Einschlüsse und andere Unstetigkeiten im Baugrund gut erkennen. So können diese bisher für die Qualität der Fahrbahn bestimmenden Schwachpunkte durch Wasserfassung, Bodenaustausch u.ä. vor dem Überbauen beseitigt werden. Dies ist eine echte Hilfe und Ergänzung zur punktförmigen Baugrundunter-
96
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
suchung in der Planungsphase. Eine neue Information der Industrie besagt, dass in Zukunft die Prüfwalze eine direkte Anzeige des Tragfähigkeitswertes Ev2 ermöglicht. Die Anwendung der FDVK kann nur Erfolg haben, wenn der dazu notwendige präzise Ablauf (Stationierung, Einhaltung der Bahnen, Fahrgeschwindigkeit, Funktionstüchtigkeit der Walze …) und ein guter Ausbildungsstand des Fahrers wie des Bewerters garantiert sind. Dazu gehört eine aktuelle Ausrüstung mit der erforderlichen PCTechnik für Aufnahme und Auswertung der Daten sowie die notwendige Erfahrung der beteiligten Personen. – Die Methode M 1 stößt bei erfahrenen Erdbaufachleuten häufig auf Ablehnung, weil die Bewertung zu stark den mathematischen Grundsätzen folgt, die eine Homogenität des Bodens als Stoff und seiner Einbaubedingungen voraussetzt. Es beginnt mit der Auswahl der Prüfpunkte nach sog. Stichprobenprüfplänen. Die Prüfpunkte werden nach dem Zufallsprinzip bestimmt. Der Ablauf einer solchen Auswertung wird im Merkblatt für die „Verdichtung des Untergrundes und Unterbaues im Straßenbau“ beschrieben. Nach Erfahrungen des Verfassers ist M 1 für allgemeine Erdarbeiten nicht von Vorteil, weil die erkennbaren Schwachpunkte nicht in die Prüfung einbezogen werden. Die Anwendung wird damit auf Großprojekte mit großen Flächen und vergleichbaren Randbedingungen begrenzt bleiben. – Die Methode M 3 ist in der Praxis die Regelanwendung. Allerdings ist die Ähnlichkeit mit der bis 1994 üblichen Anwendung nur formal. M 3 kann sich in drei Schritten in verschiedenen Varianten (M 3.1 bis M 3.4) entwickeln. Das sind: Nachweis der Eignung des Verdichtungsverfahrens und Aufstellung der Arbeitsanweisung (Schütthöhe, Zahl der Übergänge, Ablauf des Verdichtungsvorgangs für das vorgesehene Gerät), Einhaltung der Arbeitsanweisung und Durchführung von Einzelversu-
chen. Die Prüfpunkte werden hier an kritischen Stellen innerhalb eines Prüfloses festgelegt. Selbst bei kleineren Losen ist die Mindestanzahl der Prüfpunkte mit 3 Stück einzuhalten. Indirekte Prüfverfahren Wenn man die Veröffentlichungen des Straßenwesens verfolgt (ZTVE-StB), so gibt es in der Bewertung für die Qualität der Verdichtung ein absolutes Primat für die Dichte (Verdichtungsgrad). Dementsprechend werden die Verfahren der Dichtebestimmung als „direkte Prüfverfahren“ definiert. Folgende „indirekte Prüfverfahren“ kommen zum Nachweis des erreichten Verdichtungsgrades und Luftporenanteiles nach ZTVE-StB-94/97, Abschn. 14.2.5, in Frage: – statischer Plattendruckversuch nach DIN 18 134, – dynamischer Plattendruckversuch nach TPBF Teil B 8.3 und Richtlinie für die Anwendung des leichten Fallgewichtsgerätes im Eisenbahnbau seit 01.02.1997, – Prüfung der Einsenkung mit dem Benkelman-Balken nach TP-BF Teil B 9, – Prüfung des Sondierwiderstandes durch Ramm- oder Drucksondierungen nach DIN 4094, in Leitungsgräben auch mit speziellen Grabensonden, – Prüfung durch Setzungsmessungen nach den einzelnen Verdichtungsübergängen bei Felsschüttungen und Böden mit Steinen über 200 mm oder mit hohem Kies- und Steinkornanteil, – dynamische Messung der Beschleunigungsaufnahme an der für das Verdichten eingesetzten Arbeitswalze oder einer speziellen Messwalze. Neben der Bestimmung von Dichte bzw. Verdichtungsgrad wird für einige Teile des Erdbauwerkes zusätzlich der Nachweis der Tragfähigkeit gefordert. Momentan ist es möglich, diesen Nachweis als – statischen Versuch (Plattendruckversuch EV1/EV2) Abb. 3.7a/b,
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
97
Abb. 3.7 Statischer Plattendruckversuch nach DIN 18134. a Skizze der Messanordnung. 1 Widerlager; 2 Druckstempel; 3 Libelle; 4 Dosenlibelle; 5 Messuhr; 6 Kraftmessdose 0 bis 100 kN; 7 aufgelockerter Boden; 8 verschiebbarer Tastarm; 9 Feststellschraube; 10 Anzeige; 11 Draufsicht, b Auswertung
a
b
– dynamischen Versuch (dynamisches Plattendruckgerät/leichtes Fallgewichtsgerät) nach TPBF Teil 8.3 Abb. 3.8a/b zu erbringen.
Beide Verfahren ermitteln einen Tragfähigkeitswert, der aus unterschiedlichen Randbedingungen ermittelt wird. Sie ergeben einen direkt bestimmten Wert der Tragfähigkeit EV2 oder EVd. Die derzeit übliche Praxis nennt dies
98
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
a
Tabelle 3.5 Orientierungsgrößen des Verformungsmoduls zum statischen Plattendruckversuch zur Dichte Bodengruppe
Statischer Verformungsmodul EV2 in MN/m2
Verdichtungsgrad DPr in %
GW, GI
> 120 > 100 > 80 > 70 > 80 > 70 > 60
> 103 > 100 > 98 > 97 > 100 > 98 > 97
GE, SE, SW, SI
b
Tabelle 3.6 Orientierungsgrößen des Verformungsmoduls zum dynamischen Plattendruckversuch zur Dichte Bodengruppe
dynamischer Verformungsmodul EV2 in MN/m2
Verdichtungsgrad DPr in %
GW, GI
> 65 > 50 > 40 > 30 > 50 > 40 > 35
> 103 > 100 > 98 > 97 > 100 > 98 > 97
GE, SE, SW, SI
Abb. 3.8 Dynamischer Plattendruckversuch. a Skizze des Messprinzips für Leichtes Fallgewichtsgerät. Lastplatte: Masse 15 kg, Durchmesser 300 mm; Fallmasse: Masse 10 kg; Führungsstange: Masse 5 kg; Dämpfungssystem: Tellerfedern; Setzungsmesseinrichtung: elastisches System, b Auswertung
dennoch „indirektes Prüfverfahren“. Dadurch kommt man natürlich denen, die meinen, mit der Dichte gleichzeitig die Tragfähigkeit bewertet zu haben, entgegen. Die ZTVE 94/97 Tabelle 8 gibt Richtwerte für DPr und EV2 an, die häufig in der Praxis im falschen Zusammenhang verwendet werden. Folgende „indirekte Prüfverfahren“ kommen zum Nachweis des erreichten Verformungs-
modules nach ZTVE-StB-94/97, Abschn. 14.3 in Frage: – dynamischer Plattendruckversuch nach TPBF Teil B 8.3, – Einsenkungsmessungen mit dem Benkelman-Balken nach TP-BF, Teil B 9, – dynamische Messungen der Beschleunigungsaufnahme der für das Verdichten eingesetzten Arbeitswalze oder einer speziellen Messwalze gemäß TP-BF Teil E 2. Auch die Tatsache, dass der dynamische Plattendruckversuch als „indirektes Prüfverfahren“ in einer neueren Fassung des genannten Merkblattes zum statischen Plattendruckversuch festgelegt ist, ist nicht akzeptabel. Unbestritten ist, dass der dynamische Plattendruckversuch seinen Siegeszug in der Praxis in Ost
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
und West fortgesetzt hat. Die Praxis hat mit sog. Teilschritten die Wissenschaft überholt. Stoffbezogene Anforderungswerte für den dynamischen Plattendruckversuch (Evd) Die Entwicklung des dynamischen Plattendruckgerätes begann schon 1970 mit einem Forschungsthema im Auftrage der Deutschen Reichsbahn. Dieses wurde im Laufe der Jahre in gemeinsamer Arbeit von Straße und Bahn in der DDR bis zur Standardreife (TGL 11 461/10 vom Oktober 1980) entwickelt und bei Straße und Eisenbahn verbindlich eingeführt. In den alten Bundesländern wurden ähnliche Versuche entwickelt. Nach der Wiedervereinigung wurde 1991 eine Richtlinie für den Bereich der Deutschen Reichsbahn und 1997 die für die Deutsche Bahn gültige Fassung Richtlinie für die Anwendung des leichten Fallgewichtsgerätes im Eisenbahnbau vom 01.02.1997 eingeführt (s. Tabelle 3.7). Eine einheitliche Richtlinie für die praktische Anwendung im Straßenwesen existiert derzeit noch nicht. Die Basis ist der Gerätetyp nach TPBF-StB, Teil B 8.3 (Tellerfedersystem). Bei der Festlegung der Einzelparameter sind folgende Arbeitsergebnisse berücksichtigt: – Evd-Werte sind bodenabhängig. Deshalb müssen Relationen für SE, SI, SU, GE, GI jeweils gesondert ermittelt werden. – Dichte und Tragfähigkeit (Ev2/Evd) zeigen nur im Bereich des nassen Astes der Proctorkurve eine ausreichend mathematisch vertretbare Übereinstimmung. Deshalb sind sog. Umrechnungen von Dichte und Tragfähigkeit und umgekehrt meistens falsch. Dichte und Tragfähigkeit sind unterschiedlich zu bewertende Parameter. – Plattendruckversuch und Leichtes Fallgewichtsgerät sind zwei verschieden wirkende Messsysteme und zeigen deshalb bei gleichen Spannungen unterschiedliche, aber vergleichbare Verformungsgrößen, insbesondere bei unterschiedlichen Wassergehalten im Boden, an. – Für den Verkehrsbau muss dem dynamischen Plattendruckversuch (leichtes Fall-
99
gewichtsgerät) nach Erfahrung des Verfassers eine höhere Wertigkeit/Zuverlässgkeit eingeräumt werden als dem statisch wirkenden Plattendruckversuch. – Bei unterschiedlichem Wassergehalt (wn > wopt) von Böden mit Schluffkorn (SU, SU*, U, UT …) fällt der Zahlenwert bei der Bestimmung Evd stärker ab als beim Plattendruckversuch Ev2. Während beim Plattendruckversuch Wasser unter der langsam wachsenden Lasteinwirkung je nach Durchlässigkeit abfließen kann (Konsolidierungsvorgang), wird beim dynamischen Plattendruckversuch ein Teil vom Porenwasser getragen und so zunehmend eine plastische Verformung, d.h. ein Abfall der Tragfähigkeit (Reibung) verursacht. – Grobkornanteile > 30 mm sowie Brechkorn > 30% verursachen ungerechtfertigt Erhöhungen der Tragfähigkeit bei gleicher Dichte. Bei diesen Grenzen wird die Zulässigkeit des Nachweissystems der Dichte nach Proctor verlassen. – Aus den Vergleichsuntersuchungen (Dichte, EV2, EVd) zeichnet sich ab, dass einige Vorgaben zur Dichte/Tragfähigkeit bestehender Vorschriften fehlerhaft sein müssen (RiL 836 und ZTVE 94/97). Der durchgeführte Vergleich einer Messeinrichtung mit Dreipunktmessung mit dem Plattendruckversuch zu einem neueren Typ mit Einpunktmessung brachte bei gleichen Voraussetzungen unterschiedliche Ergebnisse. Deshalb müssen die als identisch im Vorschriftenwerk angegebenen Parameter Dichte und EV2 überprüft werden. 3.3.2.3 Verdichtung der Schüttstoffe Für die Erdarbeiten im Eisenbahnbau gelten generell die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau ZTVE-StB 94“ in Verbindung mit DIN 18 300 – Erdarbeiten. In diesem Abschnitt sollen nur einige Punkte, die durch technologische Fehler im Eisenbahnbau
100
Tabelle 3.7 Tragfähigkeitsanforderungen zur Anwendung „Leichtes Fallgewichtsgerät“ bei der DB Erdplanum
natürliche Böden
DPr
Ev2 [N/mm2]
1. durchgehende Hauptgleise von Hauptbahnen (außer S-Bahn)
1,00
Neubau
2. durchgehende Hauptgleise von S-Bahnen und Nebenbahnen 3. übrige Gleise
Erhaltung
Bestehende Eisenbahnstrecken
Streckenart
4. v >160 km/h
5. v <160 km/h
mit Kalk verbesserte Böden
nach Verdichtung < 48 h
> 48 h
Abhängigkeiten
Evd [N/mm2]
Evd [N/mm2]
Evd [N/mm2]
Evd [N/mm2]
80
GE,GI,GW,GU,SI,SW andere Bodengruppen
40 35
40
45
40
0,97
60
GE,GI,GW,GU,SI,SW andere Bodengruppen
35 30
35
40
35
0,95
45
GE,GI,GW,GU,SI,SW andere Bodengruppen
30 25
30
35
30
0,95
45
GE,GI,GW,GU,SI,SW andere Bodengruppen
30 25
30
35
30
GE,GI,GW,GU,SI,SW andere Bodengruppen
25 20
25
30
25
0,93
20
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
mit Kalk verfestigte Böden
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
immer wieder zu Schäden in der Nutzungsphase einer Strecke führen, behandelt werden. Einsatz von Verdichtungsgeräten Durch die Baumaschinenindustrie werden von namhaften Firmen Geräte mit unterschiedlichem Leistungsvermögen, d.h. Flächenleistung, Tiefenwirkung, Verdichtung für bestimmte Bodengruppen u.a. angeboten. Der Baubetrieb ist gut beraten, sich an die Empfehlungen des Anbieters zu halten und den technischen Zustand seines Gerätes durch gutes Fachpersonal regelmäßig prüfen zu lassen (tatsächliche Frequenz, Drehzahl, Energieübertragung, Zahl der Übergänge). Deshalb ist gerade bei hohen Qualitätsanforderungen die Prüfung des Leistungsvermögens der Geräte durch Probeverdichtung der zum Einbau vorgesehenen Böden im Interesse von Auftraggeber und Auftragnehmer. In der Qualitätsvereinbarung sind solche Abstimmungen, insbesondere auch wegen sonst möglicher Streitigkeiten, einvernehmlich lösbar. Dies gilt umso mehr, wenn Verdichtungsgeräte frisch gestrichen auf der Erdbaustelle, z.B. von Reparaturen oder einer Generalüberholung, eintreffen. Es gilt die Erfahrung, „nicht alles was Krach macht, verdichtet auch gut“. Beim Verdichtungsvorgang sollen sich die Bahnen überlappen. In den Dammaußenzonen sollte die Schütthöhe vermindert wer-
101
den. Da der Energieverbrauch zur Erzielung einer geforderten Dichte, bedingt durch den Grobkornanteil, den Anteil von Brechkorn und der Kornabstufung im Schüttboden stark wechseln kann, werden vom Hersteller unterschiedliche Wirkungstiefen und die Zahl der Übergänge ohne konkretes Verdichtungsergebnis (Proctordichte in %) angegeben. Dies ist häufig nur durch Probeverdichtung klärbar. Die Wirkungstiefe ist nicht identisch mit der zulässigen Schütthöhe, weil Schüttstoffe beim Verdichtungsvorgang, z.B. von Vibrationswalzen, durch die Art der Abstützung bei der Vorwärtsbewegung eine Störungszone (Auflockerung) erzeugen (siehe Skizze Abb. 3.9). Diese muss beim Verdichten der nächsten Schüttlage mit verdichtet werden. Die Vibrationswalzen sind das bestimmende Verdichtungsgerät (Wirtschaftlichkeit) beim Einbau größerer Bodenmassen auf Baustellen in Deutschland. Verdichterplatten haben i.d.R. die Aufgabe eines Ergänzungsgerätes, z.B. bei: – Verdichtungsabschluss von Tragschichten (Oberflächenverdichtung), – Verdichtungsarbeiten hinter Brückenwiderlagern und anderen Ingenieurbauwerken, – Arbeiten in Dammrandzonen, – Arbeiten bei Grabenverfüllungen. Diese Geräte haben den Vorteil, bedingt durch die nahezu vertikale Schlagwirkung, quasi keiAbb. 3.9 Schematische Darstellung des Verdichtungsvorgangs mit einer Vibrationswalze. 1 Auflockerungszone; 2 Schütthöhe; 3 Ud t UPr; 4 Wirkungstiefe; 5 Einwirkungsbereich; 6 Auflockerungszone vorangegangener Walzverdichtung
102
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.10 Verdichtung mit einem Plattenrüttler. 1 Auflockerungszone nicht vorhanden; 2 Schütthöhe; 3 Ud t UPr; 4 Wirkungstiefe; 5 Einwirkungsbereich; 6 Auflockerungszone vorangegangener Walzverdichtung
ne Auflockerungszonen zu erzeugen und sehr beweglich in engen Bauräumen einsetzbar zu sein (s. Abb. 3.10). Einsatz von Verdichtungsgeräten beim Verfüllen der Widerlager, Baugruben u.a. Für diese Fälle kommt in der Praxis überwiegend nur eine Verdichterplatte in Frage. In alten Vorschriften war die Schütthöhe auf d 0,30 m begrenzt. Dies hatte folgende Gründe: – Beim Einsatz von Walzen wurde häufig die Brückenisolierung und die Entwässerungsleitung durch die hohe Energie beschädigt – Die Walze kann nicht alle Bereiche wirklich verdichten (siehe Abb. 3.11), deshalb gibt es bei deren Einsatz immer wieder Setzungen im Verfüllbereich, die zu häufigen Gleisstopfungen führen und letztlich Schottersäcke unmittelbar am Widerlager ausbilden. – Nur der Einsatz einer Verdichterplatte oder spezielle Stampfer sind bei 30 cm Schütthöhe wirtschaftlich; und dafür wird der entsprechende Preis kalkuliert. Beim Einsatz von Verdichterplatten kann bei einem funktionstüchtigen Gerät eine hohe Qualität der Verdichtung gesichert werden, sofern man sich an die alte Regel einer maximalen Schütthöhe von 0,30 m hält und eine ständige Kontrolle gewährleistet (s. Abb. 3.12) wird. Der Energieeintrag auf das Ingenieurbauwerk ist wesentlich geringer und damit die Gefahr von Schädigungen kleiner. Verdichtung der Randzonen/Böschungsbereiche Zahlreiche Böschungsrutschungen, insbesondere bei Dämmen aus bindigen, frostemp-
findlichen Materialien weisen auf den neuralgischen Punkt der nach Einführung der Verdichtungstechnik erstellten Bahndämme, die Böschungsbereiche, hin. Untersuchungen an großflächigen Rutschungen an Dämmen und Einschnitten aus Geschiebemergel der Bahnstrecke und Autobahn Berlin–Rostock haben bei der Ursachenermittlung zu folgenden Erkenntnissen geführt: – Die Herstellung der Dämme mit Hilfe einer seitlichen Verbreiterung von ca. 1 m bis 2 m, um die Verdichtungsgeräte auch im Böschungsbereich wirksam werden zu lassen (nach Abb. 3.13), ist selten ausreichend. Abbildung 3.14 zeigt die Situation einer Schüttlage bei späterer Frosteinwirkung. Die Frosteindringung bis zu 1,50 m bei einem lang anhaltenden Winter war besonders an der Windseite (ohne Schneeabdeckung) festzustellen. – In der Tauperiode wird im unteren Teil der jeweiligen Schüttlage die Fließgrenze des Geschiebemergels weit überschritten. Der aufgeweichte, fast flüssige Geschiebemergel dringt unter der Grasnarbe in Rissen, Mäuselöchern und anderen Störstellen hervor. Mit dem Auftauprozess wurden einzelne Stellen zu Großflächen. Der begrünte Oberboden reißt ab und schwimmt auf dem abfließenden Geschiebemergel nach unten. Bermen sind wegen Schneebedeckung ebenfalls Auslöser solcher Flächenrutschungen. Auch sog. Pflanzmulden für Jungbäume sind Auslöser. – Die Rutschungen sind kein Standsicherheitsproblem, sondern vorrangig stoffliches Versagen.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
103
Abb. 3.11 Vibrationswalze und Verdichtung im Widerlagerbereich. 1 Widerlager; 2 Isolierung; 3 Schutzverkleidung; 4 Entwässerung
Abb. 3.12 Verdichterplatte und Verdichtung im Widerlagerbereich. 1 Widerlager; 2 Isolierung; 3 Schutzverkleidung; 4 Entwässerung
104
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Abb. 3.13 Technologie der üblichen Dammverdichtung der Randzonen mit zeitweiliger Überschüttung nach RiL 836: 1,0 m, nach TGL 11482/08: 1,5–2,0 m. 1 lt. Ril 836.05.06 Pkt. 2(3); 2 Auftrag aus Böschungsabtrag; 3 Vibrationswalze Walzenzug; 4 Schütthöhe = Wirkungstiefe bei entsprechender Auflockerungszone; 5 Abtrag nach lagenweiser Verdichtung der Schüttlage Abb. 3.14 Ergebnisse von Untersuchungen an Böschungsrutschungen bei bindigen Böden in den Wintern 1963/1964 und 1964/1965. 1 Verdichtungsgerät; 2 Auflockerungszone; 3 Dichte; 4 Wassergehalt; 5 Frostlinsenbildung; 6 Abtrag
Abb. 3.15 Situation nach Verdichtung in der Böschungsfläche bei bindigen Böden. 1 Vibrationswalze; 2 Zone gleicher Dichte und gleicher Wassergehalte; 3 Dichte; 4 Wassergehalt; 5 Frostlinsenbildung
– Die Ableitung der Oberflächen- und Schichtenwässer war weitgehend gesichert. Teilweise wurden Kieskeile und Zusatzdrainagen an den Böschungsfüßen schon in der Bauphase eingebaut. Die Bermen wurden zugunsten einer Böschungsverflachung und als Ursache vieler Schäden aufgegeben. Als Schlussfolgerung wurde die für die Deutsche Reichsbahn gültige TGL 11 482/08 Erdarbeiten im Straßen- und Eisenbahnbau geändert.
– Die zeitweilige Verbreiterung der Böschung wird je nach gewählter Schütthöhe mit 1,5 m bis 2,0 m festgelegt (s. Abb. 3.13) – Die Böschungen an Dämmen und Einschnitten (SU … TL) > 3,0 m werden durch Verdichtung in der Böschungsebene nach Abb. 3.15 hergestellt. – Die Verdichtung mit eingeschalteter Vibration wird nur vom Dammfuß bis hoch zur Dammschulter vorgenommen. Die Dichteforderung betrug DPr t 95%.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
Mit der Inkraftsetzung der RiL 836 wurden diese Erfahrungen, die nach der Verschmelzung beider Bahnen als ABEST zur DS 836 gültig waren, nicht übernommen. Ein Stück Erfahrung für Baumaßnahmen in den eiszeitlich geprägten Gebieten im Norden Deutschlands geht damit verloren. Bei der derzeit vorbereiteten Rekonstruktion der Strecke Berlin– Rostock zeigen die Planer echte Defizite, es ist sicher, dass sich einige Fehler wiederholen! Schutz des Schüttplanums Zur gefahrlosen Ableitung von Niederschlägen sollen die jeweils oberen Lagen zum Arbeitsschluss oder nach Fertigstellung mit einem Quergefälle von ca. 6% versehen werden. Leider wird dies bei längeren Schüttpausen durch Transportfahrzeuge immer wieder zerstört und das Quergefälle nicht wirksam. Die Folgen in Regenperioden durch Erosion sind häufig beträchtlich. Bei sandigen Böden spielt die Erosion durch Wassereinfluss nur eine geringe Rolle. Eine fehlende Oberflächensicherung führt häufig bei Windeinfluss zum erheblichen Abtrag und kann begrünte Böschungen in wenigen Stunden ersticken. 3.3.2.4 Erdplanum Das Erdplanum trennt den eigentlichen Erdkörper (Unterbau) von dem darüber einzubauenden Tragschichtsystem. Ein dauerhaft stabiler Zustand entscheidet über die Funktion der Tragschichten und damit über den Erhaltungsaufwand des Oberbaus. Deshalb sind die folgenden Eigenschaften des Planums von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Gesamtsystems Ober- und Unterbau: – homogene, nicht verwitterungsempfindliche und zertrümmerungsfeste Böden bilden die oberflächennahen Schichten des Erdbauwerkes und gewährleisten eine gleichmäßige Elastizität, – Tragfähigkeit und Dichte erfüllen die Anforderungen, d.h., es werden nur unschädliche Verformungen entstehen,
105
– das Quergefälle von 1 : 20 und entsprechende Ebenflächigkeit gewährleisten den Abfluss durchsickernder oder aufgetriebener Wässer aus Kapillarität, – die Oberfläche wird zum Abschluss mit einer Vibrationsplatte verdichtet (s. Abschn. 3.3.2.3 und Abb. 3.10). Dabei ist es selbstverständlich, dass eine so hergestellte Fläche vor Befahren geschützt wird und eine funktionstüchtige Entwässerung dauerhaft wirksam ist. 3.3.2.5 Sanierung des Erdplanums Eine besondere Bedeutung gewinnen die zuvor genannten Anforderungen der Neuherstellung, wenn es sich um eine Sanierung/Ertüchtigung des Unterbausystems handelt. Die Mehrzahl der Strecken ist vor 1900 entstanden. Dementsprechend sind solche Erdbauwerke nicht mit heutigen Ansprüchen des Erdbaus vergleichbar. Die Unterschiede sind: – Es gab keine Auswahl der Schüttstoffe, so dass neben organischen verunreinigten Böden auch ein Gemisch aus bindigen und sandigen Erdstoffen vorgefunden wird. – Die Verdichtung im technischen Sinne gab es seinerzeit nicht, so dass sich die natürlichen Dichten zu einer Proctordichte um 92% unter Eisenbahnbedingungen entwickelt haben. Das bedeutet Setzungen bei neuer Last bzw. dynamischen Laststeigerungen. – Die Kapillarität ist bei feuchtem Untergrund nicht durch kapillarbrechende Schichten unterbunden und so häufig im Planum voll wirksam (weiches Planum). – Die dynamischen und statischen Lasten haben sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich erhöht und so unterschiedliche Verformungen ausgelöst. – Der Gleisabstand hat sich erheblich vergrößert mit daraus resultierenden Aufwölbungen und Senken im Erdplanum.
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Daraus entwickeln sich Schäden, die nur beim Freilegen des Erdplanums sichtbar werden: – Schottersäcke, häufig in sehr unterschiedlichen Formen, Breiten und Tiefen aus Setzungen und Vermischungen der Stoffe, – Materialwechsel aus früheren Anschüttungen bei Planumsverbreiterungen, aus zweigleisigem Ausbau, Auswirkungen früherer Anwendung des Klotzverfahrens und manchmal aus Brucherscheinungen bzw. deren Reparatur, – Aufweichen bindiger Böden und daraus entstehende plastische Verformung (Aufwölbung), teilweise aus fehlender Frostsicherung, – Entfernen alter Schutzschichten durch Bettungsreinigungen und so Erzeugung eines unebenen, nicht durchgehenden Planums mit Verlust der Querentwässerung. Solche Schäden am Erdplanum machen sich immer wieder auch bei vorhandenen Tragschichten, z.B. Einbau mit PM 200, durch eine unruhige Gleislage bemerkbar, wenn eine Sanierung der o.g. Schadensbilder im Erdplanum nicht erfolgt ist. Die schlechte Gleislage ist bedingt durch die ungleichmäßigen Aufla-
gerbedingungen der Schwelle, die aus unterschiedlichem Trag- und Schwingverhalten des Unterbaus herrühren und letztlich zu Setzungen und horizontalen Verschiebungen des Gleises führen. Wesentlich für die Planung der Sanierung ist, die Ursache der Schadensbilder zu finden. Sind es Schäden, die aus der Gründung, z.B. bei schwimmenden Dämmen in Moorgebieten herrühren, so ist deren Ursache vor einer Sanierung des Erdplanums vorzunehmen, wenn ein dauerhafter Erfolg gesichert werden soll (siehe Abschn. 3.4). Zur Sanierung der genannten Schadensbilder am Erdplanum dienen folgende Hinweise, s. auch Abb. 3.16 und 3.17: – Schottersäcke müssen nicht bei sandigen Böden in voller Tiefe abgetragen werden, sondern es reicht ein Aushub von 0,5 m. Die Verfüllung sollte möglichst mit grobkörnigem Material (Vorschlag Korngemisch II) durchlässig, U t 15, filterstabil mit einer Mindestdicke von 0,30 m erfolgen. Die KGII-Auffüllung sollte durch Verdichtung mit Vibroplatte erfolgen. Der Fehlbetrag kann durch anstehendes Material des Planums ergänzt werden. So hat die Oberfläche weitgehend homogene Eigenschaften.
Abb. 3.16 Einschnitt einer Bahnstrecke nach mehr als 150-jähriger Nutzung im Bänderton nach geometrischen Änderungen, Achslasterhöhungen, punktuellen Sanierungen und Versagen des Entwässerungssystems. 1 natürlicher Bänderton; 2 Schotterdicke zum Teil > 0,80 m völlig durchsetzt; 3 Aufwölbungen; 4 Sandauffüllung mit Schotter vermischt; 5 Wasserstand; 6 Punkt der Erkundung; 7 natürlicher Bänderton TA bis TL; 8 halbgelochtes Steinzeugrohr Ø 300 bis 500 mm; 9 Tonrohr 30 bis 100 mm; 10 Grabenprofil mit Schotter verfüllt (Schotter völlig mit Tonmaterial versetzt); 11 Bänderton mit Sandzwischenlagen; 12 Tonrohre völlig versetzt
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
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Abb. 3.17 Dammquerschnitt nach misslungener Unterbausanierung (Bodenaustausch vor 1923, anstehender Ton ist in plastischen Zustand übergegangen Ic < 0,5). 1 Reste eines verwachsenen Grundbuches; 2 Weichzonen (Konsistenz Ic < 0,5); 3 Bodenaustausch > 1 m SE/SU; 4 Wasserstand; 5 Sandlinse (SE/SU)
– Organische Linsen im Planum sollten wie Schottersäcke behandelt werden, sofern diese nicht dicker als 0,50 m sind. – Kapillare Einflüsse in Form von Nassstellen lassen sich nur durch Bodenaustausch einer t 0,30 m dicken Schicht mit KG II oder bei geringen Wirkungen durch eine verstärkte PSS KG II ausschalten. Bei letzterer Verfahrensweise muss mit einer geringeren Dichte und Tragfähigkeitsverlust gerechnet werden. Dies kann durch eine größere Dicke der PSS ausgeglichen werden. – Quellenähnliche Wasseraustritte müssen gefasst und das Wasser durch Drainagen zur Tiefenentwässerung geführt werden.
Abb. 3.18 Tragfähigkeitsschäden durch unbehinderte Kapillarität bei fehlender Planumsschutzschicht nach Bettungsreinigungsarbeiten und Tragfähigkeitsverlust
– Aufgeweichtes Planum bei bindigen Böden (SU … TL) muss entweder im Bodenaustausch ersetzt oder durch eine Bodenbehandlung/Bodenverbesserung im Planum stabilisiert werden. Da der Bodenabtrag aus dem Gleisbereich immer ein Problem ist, hat die Deutsche Reichsbahn von 1964 bis 1990 ein System zur „Kalkstabilisierung des Erdplanums“ realisiert, wobei laut ZTVE-StB heute der Begriff Bodenverbesserung/Bodenverfestigung dafür verwendet wird. Mit großem Erfolg wurden in 10 Jahren ca. 500 km Gleis auf diese Weise saniert. Leider hat die Deutsche Bahn diese sehr positiven Erfahrungen in der Theorie der Eignung der Böden, Technologie der Vorbereitung und Durchführung sowie bei den Langzeituntersuchungen nicht fortgeführt. Es ist dennoch geraten, das genannte Verfahren wegen seiner Wirtschaftlichkeit und seines Sanierungseffekts planmäßig in das Programm der Streckensanierung der Deutschen Bahn wieder aufzunehmen (s. Abb. 3.18 bis 3.22). Der Ablauf ist in folgenden Schritten zu organisieren: – Baugrundgutachten sind zu erstellen und bei einer Eignung der Böden auf Kalkhydrat-/Branntkalk-Reaktion ist eine Rezeptur für den praktischen Einsatz zu entwickeln. Durch den Einsatz von Branntkalken (CaO) wird die Minderung der Wassergehalte (1% CaO in guter Qualität bindet ca. 1% bis 2% Wassergehalt) vordergründig angestrebt. Häufig wird durch Kalkzuga-
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Abb. 3.19 Schottersäcke und ihre Sanierung bei schwimmender Dammgründung
Abb. 3.20 Durchgeführte Kalkstabilisierung/Bodenverbesserung am Erdplanum
Abb. 3.21 Boden-Kalkgemisch hat gute Krümelstruktur, zeigt optimale Reaktion
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
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Tabelle 3.8 Langzeituntersuchungen an einer Bodenverbesserung durch Einmischen von Kalkhydrat/Branntkalk Kalkstabilisierung Langzeituntersuchung Tragfähigkeitsentwicklung (Evd)
Bauzeit 1966 (Mittelwerte) 15 cm Kiesschicht >15 cm Kalkstabilisierung Bodenart Geschiebemergel(SU-TL) Tragschichtsystem
be (Kalkhydrat) zusätzlich der Effekt einer Materialumwandlung der aktiven Tonanteile in den Böden erreicht. Damit wird ein neues Material mit optimalen Eigenschaften für den Unterbau hergestellt. – Entwurfs- und Ausführungsplanung berücksichtigen die Wirkung der kalkbehandelten Schicht in der Bemessung als verbessertes Planum oder Teil der Tragschicht. Es wird die Technologie für den Ablauf der
Kalkbehandlung einschließlich der notwendigen Qualitätsüberwachung festgelegt. – Im Gegensatz zum häufig vorgeschlagenen Einsatz von Bindemitteln (Zement u.ä.) ist die kalkbehandelte Schicht elastisch und erfüllt alle Tragfähigkeitsforderungen. Dazu ist sie spätestens nach 6 Monaten frostsicher und rissefrei. Selbst nach mehr als 20 Jahren Nutzungsphase waren solche Abschnitte voll funktionstüchtig, s. Tabelle 3.8).
Abb. 3.22 Prüfung der Qualität der Durchmischung, Dicke der Schicht und Homogenität
3.3.2.6 Schutz-, Trag- und Frostschutzschichten Tragschichten sind das Bindeglied zwischen dem Oberbau (Fahrbahnkonstruktion) und den anstehenden oder geschütteten Böden. Ihre Eigenschaften entscheiden über die Langlebigkeit der Erdbaukonstruktion, und diese sollte 50 Jahre, möglichst mehr als 100 Jahre halten. Natürlich ist die Größe der Beanspruchung aus dem Verkehr durch – statische Last, – dynamische Kräfte/Schwingungen und – Verkehrsdichte und Zuggeschwindigkeit die Ausgangsgröße für die Dimensionierung (Dicke) und die Auswahl der materialtechnischen Beschaffenheit der Tragschicht. In diesem Abschnitt wird versucht, praktische Erfahrungen und wissenschaftliche
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Erkenntnisse mit den geltenden Richtlinien in Einklang zu bringen. Die Kernfragen dabei sind: – Was muss bei der Auswahl des Materials für die Tragschichten beachtet werden? – Stimmen die Qualitätsvorgaben mit den Anforderungen der Tragschichtsysteme noch überein? – Wo gibt es wissenschaftlichen Klärungsbedarf? – Was kann man den Produzenten von PSS empfehlen, wo können neue Impulse bei der Herstellung eines für die Kunden optimalen Korngemisches gesetzt werden? Vorschriften, Richtlinien Seit dem 1. April 2000 gilt für den Eisenbahnbau BN 918062 – Technische Lieferbedingungen (TL) Korngemsiche für Trag- und Schutzschichten zur Herstellung von Eisenbahnfahrwegen [3.13]. Sie löst die TL 918062 1/97 ab. Mit dieser Vorschrift wird das von vielen Herstellern bisher kritisierte Zulassungsverfahren für die Herstellung und Lieferung von Trag- und Schutzschichten geändert, d.h.: – die von der Bahn geführte Lieferliste wird nicht mehr verwendet, – die Liefererlaubnis wird vom Besteller auf der Grundlage vorgelegter Eignungsnachweise und ggf. durch Vorlage der Prüfzeugnisse des Fremdüberwachers vereinbart und – die Zentrale der DB Netz AG behält sich Stichprobenprüfungen der beim Besteller eingereichten Unterlagen vor. Wie wirkt sich die Neuregelung auf die Vertragspartner aus? Das System der Qualitätsüberwachung nach DIN 18 200 gilt für beide Partner, den Hersteller/Lieferer und den Empfänger, s. Abb. 3.23. Lediglich die stoffliche Bewertung des Materials nach TL erfolgt allein durch die Prüfinstitute bei der Eignungsprüfung und Fremdüberwachung bzw. der Kontrollprüfung in der Bauphase. Dies setzt eine höhere Verantwortung und damit Sachkenntnis bei den Vertragspart-
nern voraus, denn die Zentrale Kontrollinstanz der DB Netz zieht sich aus dem Tagesgeschäft zurück, behält sich aber Informationsleistungen der Partner vor. So verständlich diese Maßnahme aus Gründen der Rationalisierung bei der Bahn auch sein mag, so werden in der nächsten Zukunft viele Fragen offen bleiben, weil der Grundsatzbearbeiter sie nicht erfährt. Bei der Bewertung der Tragschichten sind die Festlegungen in der RIL 836 Fassung vom 20.12.1999 im Modul Schutzschichten 836.0503 zu beachten. Anforderung an Trag- und Schutzschichten Wer die Anforderungen an eine Planumsschutzschicht bewertet, muss verschiedene materialtechnische Aspekte unter Berücksichtigung der Oberbaukonstruktion zu einer für das Gesamtwerk optimalen Lösung führen. Die Anforderungen an natürliche oder gebrochene Materialien (Tabelle 3.9) sind: – Tragfähigkeit, d.h. Lasten ohne schädliche Verformungen übertragen und lastverteilend wirken, – elastisch reagieren, d.h. elastische Verformungen mitmachen, die zum Vorgang der Energievernichtung gehören und die Rückstoßkräfte in das Fahrzeug minimieren, – keine plastischen Verformungen, also bleibende Setzungen erzeugen, – frostsicher sein, d.h. Eislinsenbildungen in der Frostperiode nicht zuzulassen und damit Frosthebungen auszuschließen, – Filterstabilität garantieren, also die Durchdringung von Feinteilen in die angrenzenden Schichten (Erdplanum) oder den Übergang zum Oberbau (Planum) nicht zuzulassen, – Kornfestigkeit muss gegeben sein, es darf keine Verfeinerung des Materials in der Langzeit eintreten, – Entmischung des Materials beim Verdichtungsvorgang während der Einbauarbeiten bzw. in der Nutzungsphase darf nicht erfolgen und – keine umweltschädigenden Bestandteile dürfen vorhanden sein.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
Abb. 3.23 System der Qualitätsüberwachung im Erd- und Tiefbau analog DIN 18200
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Tabelle 3.9 Übersicht zu Anforderungen an eine Planumsschutzschicht Eigenschaften
Anforderung
Bewertung
Tragfähigkeit
Dichte (Fullerkurve) Tragfähigkeit elastisches Material
Proctorversuch Plattendruck-/Leichtes Fallgerät elastische Verformung
Setzung (plastische Verformung) Dichte s.o. minimierter Porenraum verschleißfreies Material
nach Proctorversuch na. > 15 % doppelter Proctorversuch
Frostsicherheit
begrenzte Schluffkornanteile Kornverteilungskurve d > 0,063 mm > 5 % d > 0,063 mm gute Entwässerungsbedingungen hydrologischer Fall wirkt nicht kapillar
Filterstabilitätf
Einhaltung Filterregeln Kornverteilung Durchströmen des Wassers wird erwünscht, Feinkorntransport Filterregeln durch Porengeometrie verhindert
Elastizität (elastische Verformung) Anforderung ist von der DB Netz zu definieren Planung der Materialien für die PSS entsprechend vorgegebenem Zweck möglichst großen Anteil von Quarzsand im Korngemisch
Die BN 918062 nennt zwei Korngemische mit unterschiedlichen Eigenschaften, aber nicht die Einsatzbedingungen. Diese sind in der RiL 836 (1) nicht eindeutig festgelegt. Einheitliche Anforderungen an Tragschichten Momentan werden für den Schotteroberbau folgende Tragschichten angewendet: – Planumsschutzschichten und – Frostschutzschichten. Für die Feste Fahrbahn sind dies nach Tabelle 3.10: – obere ungebundene Tragschicht (OT) – zugleich Frostschutzschicht und – untere ungebundene Tragschicht (UT). Tabelle 3.10 soll einen Überblick über die wesentlichen Anforderungen für die im Bahnbau angewandten Tragschichten geben. Es ist anzunehmen, dass die nach den technischen Lieferbedingungen oder BN 918062
noch offen Vorschlag: Messung der elastischen Einsenkung der Schwelle bei Befahren mit ausgewähltem Regelfahrzeug (Lok)
festgelegten Korngemische 1 und 2 sowohl für den Schotteroberbau als auch die Tragschichten der Festen Fahrbahn definiert sein müssten. Es ist auffällig, dass die Anforderungen der Tragschichten für die Feste Fahrbahn großzügiger ausgelegt sind als die Tragschichten für den Schotteroberbau, obwohl man aus den viel geringeren zulässigen Verformungen bei der Festen Fahrbahn ein umgekehrtes Bild erwartet. Es ist verwunderlich, dass in den Darstellungen für die Feste Fahrbahn der Begriff der Frostschutzschicht verwendet wird, obwohl von jeder Tragschicht auch Frostsicherheit verlangt wird, aber nicht umgekehrt von den Frostschutzschichten ein tragfähigkeitserhöhender Effekt. Das Tragverhalten einer PSS ist dominant und es sichert i.d.R. auch Filterstabilität und Schwingstabilität. Deshalb wird angeregt, dass der Auftraggeber – eine einheitliche Definition der Tragschichten für beide Systeme Schotteroberbau und Feste Fahrbahn festlegt,
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
113
Tabelle 3.10 Planumsschutzschichten für Schotteroberbau und Feste Fahrbahn Kiessandgemische (KSG) > 70 % Rundkorn (natürliche Kiessande) ≤ 30 % Brechkorn (geeignete Festgesteine)
Brechkorn-Kies-Sandgemisch (BSKG) ≥ 30 % Rundkorn (natürliche Kiessande) ≤ 70 % Brechkorn (geeignete Festgesteine)
Schotteroberbau (BN 918 062) Planumsschutzschichten/Tragschicht
Feste Fahrbahn (Lit. 1, 2, 5) Frostschutzschicht/obere ungebundene Tragschicht
Eingruppierung DIN 18 916
Allgemeine Lieferkörnung
Korngröße
Eingruppierung DIN 18 196
KornGW gemisch 1 GI
0–32 mm 0,02 0,063 U kf m/s Obere GW Größtkorn mm mm Zone der GI–6 63 mm ≤ 3 % ≤ 5 % > 15 ≤ 10 FSS (OT)
KornGW gemisch 2 GI
0–45 mm – Größtkorn 63 mm
≤ 5 % > 15 ≥ 10–5 Untere GW Zone der GI FSS (UT) GE SW SI
– gleiche Materialparameter auswählt, – die jetzigen Festlegungen zu den Frost- bzw. Tragschichten für die Feste Fahrbahn überprüft und auf den gleichen Stand bringt, der aus dem Schotteroberbau mit der BN 918062 sich im Laufe der Jahre unter Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen entwickelt hat, – deutlich macht, welchen Typ der nach BN 918062 möglichen Korngemische (nach Tabelle 3.10) – Kiessandgemische bis 70% natürliches Rundkorn – Brechkorn-Kiesand-Gemisch bis 70% Brechkorn, dem eine – elastische Tragschicht oder – starre Tragschicht zuzuordnen sind und – den geotechnischen Sachverständigen nicht die Grundsatzfragen entscheiden lässt. Dies ist nicht der richtige Weg. Auch ein Sachverständiger braucht Richtwerte, um die Anpassungen zur Örtlichkeit vornehmen zu können. Nicht jeder Sachverständige ist Spezialist für solche baustofflich zu entscheidenden Fragen. Nach RiL 836.0503 3
Allgemeine Lieferkörnung
Korngröße
unbekannt 0,063 U kf m/s mm ? ≤ 5% ≤ 10–4 (5 × 10– 4)* unbekannt ≤ 5 % ?
5 × 10–5
ist festgelegt, dass für Frostschutzschichten unter Festen Fahrbahnen KG 1 (undurchlässig) nicht verwendet werden darf. Es wird offen gelassen, welche Tragschicht nach ZTVT StB mit einer Wasserdurchlässigkeit von KG > 5 · 10-5 m/s anzuwenden ist. Warum heißt es nicht, KG 2 ist zu verwenden? Elastizitätsverhalten der Tragschichten Neue Zuggenerationen, z.B. ICE, erfordern ein umso gleichmäßigeres Verhalten des Tragsystems, je mehr die Geschwindigkeit zunimmt, um letztlich den Fahrkomfort und die Sicherheit zu gewährleisten. Die Bahn hat auf höhere Anforderungen an den Unterbau in den letzten Jahrzehnten für die Tragschichten reagiert durch – höhere Dichteforderungen, – höhere Tragfähigkeitsmindestwerte, – Forderung nach größeren Dicken der Tragschichten und – Verbesserung der Materialqualität.
114
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Das Maß aller Dinge war dabei, eine hohe Tragfähigkeit zu sichern. Die praktischen Erfahrungen im Schnellfahrverkehr sagen aus: – der Unterbau ist zu starr geworden, – die Fahrzeuge haben einen zu hohen Verschleiß an den Federelementen, – die Abnutzung an der Oberbaukonstruktion ist erheblich, – die größten Probleme entstehen beim Übergang von unterschiedlicher Elastizität, z.B. Erdbauwerk und Tunnel/Brücke bzw. bei Schwächezonen im Untergrund (Moor-, Tonbereiche) und – die überhöhten Dichteforderungen (DPr > 100%) führen zur Zertrümmerung des Materials beim Verdichtungsvorgang. Sicher ist es ein guter Beitrag, die Elastizität des Oberbaus durch neue Zwischenlagen und Unterschottermatten im Tunnel zu erhöhen. Aber die Möglichkeit der Materialzusammenstellung für die Tragschichten auf dem Erdkörper bietet weitaus größeren Gestaltungsspielraum, um ein elastisches oder relativ starres Verhalten zu entwickeln. Am Beispiel für die Feste Fahrbahn macht der Verfasser den Versuch, Tendenzen für die Elastitzitätsanforderungen der Einzelschichten des Gesamtsystems darzustellen (Tabelle 3.11). Die Anregungen haben sich aus zahlreichen Fehlschlägen bei der Verlegung von bewehrten Stahlbetonplatten für Straßenbahngleise und Versuche von Plattentragwerken (DR und CSD) entwickelt. Demnach war erkennbar: – Betonplatten auf gut abgestuften Kiessanden mit einer Dicke > 0,5 m hatten eine gute Lagequalität, Tabelle 3.11 Empfohlene Elastizitätsmodule bei der Festen Fahrbahn Schicht/Bauteil
E (N/mm2)
Beton BT S
40 000
Obere Tragschicht
400
anstehender BG
50–80
– Platten auf bindigen Böden, Feinsanden o.ä. zeigten bei Durchfahrt von Zügen eine starke Vibration (Flattern) und bildeten große Fugen an den Plattenrändern. Die Platte schwamm, (s. auch Thema Kapillarwirkung), – nach frostsicherem Ausbau > 0,70 m, Verwendung von guten Kiessandschichten und funktionierender Entwässerung war die Gleislage, z.B. bei der Straßenbahn, akzeptabel. In den Diskussionen kam zum Ausdruck, dass in einem elastisch reagierenden System – die Elastizität der aufgebauten Schichten sich max. um 1/10 verändern darf, – die natürlichen Kiessande (RundkornQuarz) aufgrund ihrer eiszeitlichen Beanspruchung die günstigsten Eigenschaften aufweisen. In Abb. 3.24 wird folgende Tendenz erkennbar: – die bisher verwendete Darstellung über die Abstufung der Elastizitätsmodule E in den Materialien für Feste Fahrbahn ist unrealistisch, – die HGT sollte wirklich nur Magerbeton sein und den Elastizitätsmodul von 5 000 N/mm2 nicht überschreiten, – die obere Tragschicht der FSS sollte ein E von 300–500 N/mm2 haben, d.h. die Merkmale eines KG 2 aufweisen, – der untere Teil der OT sollte ebenfalls aus GI/GW bzw. KG 2 bestehen und – die untere Tragschicht (UT) könnte bei diesem Vorschlag aus anstehendem Material beibehalten oder bei höheren Forderungen mit Grobkorn angereichert werden. Aus den genannten Erwägungen heraus sollten die Elastizitätsmodule etwa die Größen wie in Tabelle 3.11 angegeben für die Feste Fahrbahn aufweisen. Die Elastizitätsmodule sind abgeschätzt auf Grundlage von Literaturauswertungen. Aus dieser Abschätzung könnten Akzente für die Ausbildung der PSS durch die Hersteller abgeleitet werden (Tabelle 3.10). Ein
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
Abb. 3.24 Abschätzung notwendiger Elastizität beim Tragschichtsystem Feste Fahrbahn
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
möglichst hoher Brechkornanteil steigert den Elastizitätsmodul, macht die Schicht steifer. Derzeit denkbar sind 70% Brechkorn und 30% Kiessandgemische. Ein hoher Brechkornanteil birgt folgende Gefahren: – Es kann Materialverfeinerung in der Nutzungsphase auftreten, weil nicht die Kugelpackung von Kieskörnern, sondern eine schotterähnliche Verspannung (Kraftübertragung über Spitzen des gebrochenen Gesteins) vorliegt. – Bedingt durch den Brechprozess in einem Backenbrecher hat das Brechkorn Anrisse, die sich letztlich bei dynamischer Beanspruchung lösen. Das Korn bricht. – Die Porengeometrie führt durch den Brechproduktanteil zur Erhöhung des Porenvolumens und damit einer steigenden Gefahr des Versagens bezüglich der Filterstabilität. – Die Verdichtbarkeit nach Proctor wird erreicht, weil es sich um ein relatives Dichtemaß aus gleicher Verdichtungsarbeit handelt. Im eigentlichen Sinne versagt der Proctorversuch bei hohen Brechkornantei-
len. Hier müsste ein maximaler Porenanteil festgelegt werden. Bei zu hohen Brechkornanteilen wird möglicherweise schon während des Verdichtungsvorgangs eine Entmischung erreicht. Ursache ist die hohe Korndichte der Brechprodukte (z.B. Basalt 3 t/m3, Quarzkorn 2,65 t/m3). Es ist auch denkbar, dass bei hochfrequentem Verkehr diese Entmischung eintritt. Der stetige Verlauf der Kornverteilungslinie ist gefordert (s. Abb. 3.25), um den notwendigen Stützkörper aus allen Kornfraktionen für die Tragfähigkeit abzusichern (keine Fehlkörnungen). Obwohl für die Eigenschaftssicherung der Filterstabilität das Feinkorn aus Quarzsanden in den unteren Korngrößen 0–2 mm sehr wichtig ist, sollte auch in den gröberen Fraktionen 2–63 mm Rundkorn zur Absicherung der Elastizität (mindestens 30%) vorhanden sein. Die Optimierung des Korngemisches für die Feste Fahrbahn sollte bei – 50% Rundkorn aller Fraktionen 0–32 mm aus Quarzsanden und
Abb. 3.25 Beispiel einer Kornverteilungslinie mit Fehlkorn 2–10 mm
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
– 50% Brechkorn 0–63 mm liegen. Die Tragschicht sollte den Anforderungen des KG 2 genügen. Bei Einsatz der PSS für den Schotteroberbau ist dringend zu empfehlen, die mögliche Definition einer Tragschicht nach den Grundsätzen des Straßenwesens (ZTVTStB) nicht zuzulassen (siehe [3.1], Pkt. 3.2). Die Festlegung bei einigen Vorhaben, die Korngröße des Naturkorns mit dmax = 16 mm zu begrenzen, ist nicht akzeptabel. Effekte beim Einbauvorgang der Tragschichten aus KG 1 und KG 2 Noch vor wenigen Jahren gab es nur eine Planumsschutzschicht, das heutige Korngemisch 1. Die Überlegung zur Einführung bei der DB war, ein neues Material zur Gestaltung des Tragschichtsystems von Schnellfahrstrecken festzulegen, mit dem Ziel, das Wasser auf der Oberfläche des Planums zur Entwässerung, ohne Versickerung in den Unterbau, abzuführen und nur das Material vorzuschreiben, was durch Reibung und Kohäsion ein Maximum an Tragfähigkeitszuwachs, aber auch Frostsicherheit/Filterstabilität gewährleistet. Diese Überlegungen haben sich im Prinzip bewährt (s. Abb. 3.26). Es gab dennoch Nachteile bei der praktischen Anwendung. Diese liegen vor allen Dingen in
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der Wasserempfindlichkeit und Undurchlässigkeit des KG 1, d.h., es gab immer wieder bei Regenwetter Schwierigkeiten, die vorgeschriebene Dichte bzw. Tragfähigkeit und die Ebenheit des Planums zu erreichen (Abb. 3.26). Eine Ursache war in der Überschreitung des optimalen Wassergehalts schon bei Antransport oder bei offener Lagerung durch Regenfälle gegeben. Da nutzte es wenig, wenn die Hersteller zur Lieferung frei Baustelle mit einem Wassergehalt < wopt verpflichtet wurden. Bei günstiger Witterung kann man durch mehrfaches Umsetzen den Wassergehalt im angelieferten Material wieder herabsetzen. Es wäre auch eine künstliche Austrocknung bis max. 5% Branntkalk möglich, was allerdings vom Auftraggeber bisher wegen des vermeintlichen Verlustes an Undurchlässigkeit häufig abgelehnt wird. Probleme gab es auch immer dann, wenn die PSS KG 1 in Bereichen mit ungünstigen hydrologischen Bedingungen eingebaut werden sollte. Die Feuchtigkeit im Erdplanum wird natürlich durch die Kapillarkräfte im PSS Material aktiviert und steigt in die PSS vor und während des Verdichtungsvorgangs auf. Die Verformung des Planums und das Nichterreichen von Dichte und Tragfähigkeit sind die logische Folge (Abb. 3.27). Wählt man eine PSS mit einer Durchlässigkeit Kf > 10-5 m/s (wie die Deutsche Reichsbahn bis zur Bildung der DB nach
Abb. 3.26 Die Planumsschutzschicht KG1 und die Entwässerung
Funktionsprinzip während der Nutzungsphase auf bindigem Untergrund: – 95 % des Oberflächenwassers fließt auf der Planumsfläche ab. – 5 % versickert in der PSS und wandert mit wochenlanger Zeitverzögerung zur Böschungsfläche. – PSS bildet eine Dampfsperre und behindert so die natürliche Verdunstung. Aufweichung des bindigen Bodens in der Grenzzone ist möglich und kann damit zum Tragfähigkeitsverlust führen.
118
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.27 Die Planumsschutzschicht KG1 bei Überschreitung des optimalen Wassergehalts
Funktionsprinzip während des Verdichtungsvorgangs mit einer Vibrationswalze auf bindigem Boden: – Überschusswasser aus den Poren kann beim Verdichtungsvorgang nicht nach unten abfließen und tritt in der Oberfläche der PPS aus. Die Aufweichung im Planum ist die Folge. – Verbleibendes Wasser bildet Porenwasserdruck aus, der zum plastischen Verhalten des Bodens führt (Walkerscheinung,„toter Elefant“). Das Planum deformiert. – Die geforderte Dichte und Tragfähigkeit werden nicht erreicht. – Bauzeitverlängerung oder Qualitätsmängel sind die Folge.
Abb. 3.28 Verdichtung Planumsschutzschicht KG1 auf durchlässigem Baugrund
Funktionsprinzip: – Feuchtigkeitsüberschuss kann ins durchlässige Erdplanum versickern. – Im Planum austretendes Wasser der oberen PSS verdunstet. – Kein Problem bei Erreichen von Dichte und Tragfähigkeit. – Auflockerung der Oberfläche aus Walzenverdichtung wird durch Verdichterplatte egalisiert.
Abb. 3.28), so wirkt dieses Material kapillarbrechend, die Feuchtigkeit sinkt nach und nach ab bzw. wird in den Poren ohne Probleme gespeichert. Dichte und Tragfähigkeit werden erreicht, das Planum mit ansprechender Qualität hergestellt. Nachteile dieses durchlässigen Materials, heute als KG 2 definiert, sind: – Verlust an Tragfähigkeitszuwachs bei gleicher Dicke der PSS wie KG 1, Ausgleich durch mehr Dicke je nach Untergrund 5– 10 cm (die Kohäsion fehlt gegenüber KG 1).
– Der Abfluss von Oberflächenwasser über das verdichtete Planum bei Niederschlägen geht auf ca. 80% zurück. Die Sickermenge kommt mit Zeitverzögerung am Dammfuß an und mindert die zuweilen auftretenden Ausspülungen am Ende der PSS im Böschungsbereich. – Bei Aufbau über weichen bindigen Böden ist eine künstliche Austrocknung des Erdplanums mit Branntkalk zu empfehlen.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
119
Aber nennen wir auch die Vorteile des PSSMaterials KG 2: – Der Widerstand gegen Kornumlagerung ist bei Forderung eines Ungleichförmigkeitsgrades U t 15 gegeben. – Das Material ist nur gering wasserempfindlich, weil es Wasser relativ schnell abfließen lässt. – Auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen lässt sich das KG 2 einbauen und optimal verdichten. Es ist unverzichtbar bei Betra-Arbeiten. – Für den Einbau unter der Festen Fahrbahn ist KG 2 von seinen Eigenschaften her bei Abschätzung anderer Tragschichten nach dem Modell des Straßenwesens gut geeignet. Richtig ist auch nach RiL 836, KG 1 unter der Festen Fahrbahn wegen seiner Kapillareffekte nicht zuzulassen.
erheblich verschlechtern kann. Erfahrungsgemäß ist der Einbau eines 2-Schicht-Systems (Abb. 3.30, oben ein KG 1 undurchlässig und unten ein KG 2 durchlässig) für viele Fälle eine optimale Lösung, weil – Überschusswässer aus dem KG 1 und im Erdplanum, z.B. nach Regenfällen, durch den Verdichtungsvorgang in das KG 2 austreten können, – ein harmonischer Übergang bezüglich der Elastizität hergestellt wird, – Dichte- und Tragfähigkeitsforderungen auch bei ungünstiger Witterung erreicht werden können und – die Mehraufwendungen für den Einbau von zwei Materialien (KG 1 und KG 2) im Hinblick auf die Qualität und zuverlässige Einhaltung der Bauzeit – insbesondere in Sperrpausen – vertretbar sind.
Wer noch Zweifel hat, ob er KG 1 oder KG 2 anwenden soll und meint, mit der Einbringung eines Geotextils dem System etwas Gutes zu tun, der kann sich sehr irren (Abb. 3.29). Ein Beispiel zeigt, womit man die Situation bei ungünstigen hydrologischen Bedingungen
Wann wird man nun KG 1 und wann KG 2 einbauen? KG 1 erzeugt gegenüber KG 2 – höheren Tragfähigkeitszuwachs bei gleicher Dicke und Dichte, – bessere Lastverteilung.
Abb. 3.29 Verdichtung einer Planumsschutzschicht KG1 bei Einbau eines Geotextils auf durchlässigem Boden
Funktionsprinzip: – Das Geotextil wird bei Feuchtigkeits berschuss in der PSS sehr schnell undurchlässig (Poren zugeschwemmt). – Das durch den Verdichtungsvorgang aus den Poren verdrängte Wasser weicht die PSS KG 1 über dem Geotextil auf (weiche Konsistenz der PSS). – Die Oberfläche der PSS wandelt sich während des Verdichtungsvorgangs in einen weichplastischen Zustand. – Dichte und Tragfähigkeit werden nicht erreicht. Das Planum ist deformiert. – Bauzeitverlängerung oder die Inkaufnahme von Mängeln sind die Folge.
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.30 Einbau einer Planumsschutzschicht als Zweischichtsystem auf bindigem Boden
Funktionsprinzip: – Überschüssiges Wasser aus Korngemisch 1 wird während des Verdichtungsvorgangs vorwiegend in die durchlässige Schicht Korngemisch 2 ausgetrieben. – Geringfügige Anreicherung der Feuchtigkeit an der Planumsoberfläche trocknet ab. – Überschüssiges Wasser im Erdplanum tritt in das durchlässige KG 2 ein und wird von dort gefahrlos nach außen abgeführt. – Dichte und Tragfähigkeit werden für das Gesamtsystem ohne Probleme erreicht. – Vorteil ist ein harmonischer Übergang bezüglich der Elastizität, d. h., der Elastizitätsmodul nimmt nach unten ab. – Lösung ist wegen des 2-Schichtsystems aufwändiger, aber weitgehend witterungsunabhängiger, d. h. besonders geeignet für Sperrpausenarbeiten.
Des Weiteren – verhindert es eine Entmischung der Körnung im eingebauten Zustand bei Zugverkehr und – wirkt wasserableitend. Damit ist KG 1 für den Schotteroberbau im Hochgeschwindigkeitsverkehr unverzichtbar, zumindest als oberer Teil der Tragschicht. Die Nachteile bei schlechten Einbaubedingungen bzw. unsachgemäßer Bauausführung können jedoch die sonst guten Eigenschaften von KG 1 in Frage stellen. Deshalb empfiehlt es sich, KG 1 und KG 2 in der nach Abb. 3.30 vorgeschlagenen und oft schon realisierten Lösung zu kombinieren. Korngemisch 2 kann man nach Erfahrung für alle Vorhaben mit Streckengeschwindigkeiten VB < 160 km/h im Schotteroberbau und als „Frostschutzschicht“ bei der Festen Fahrbahn zum Einsatz bringen.
Dichte und Tragfähigkeit Der Proctorversuch im Labor simuliert das Verhältnis von Dichte und Wassergehalt für eine Verdichtungsarbeit üblicher Verdichtungsgeräte im Erdbau auf der Baustelle (Abb. 3.31). Proctor hat aus vielen Vergleichsuntersuchungen die Grenze dieser Verdichtungsarbeit auf eine Größe festgesetzt, wo eine höhere Energieeintragung zwar größere Dichten erreichen lässt – genannt sei z.B. verbesserte Proctordichte –, aber eine Zertrümmerung einzelner Körner erfolgt sowie der optimale Wassergehalt herabgesetzt wird. Das bedeutet, dies würde die Einbaufähigkeit natürlich gewonnener Böden stark einschränken. Insofern ist die Entscheidung der Bahn zu begrüßen, den Mindestwert für die Dichte der Tragschichten lt. RiL 836.0501 wieder auf 100% einfache Proctordichte zurückzunehmen. Diese Entscheidung ist auch im Hinblick auf die bereits diskutierte „Elastizität der Tragschichten“ zu befürworten.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
121
Abb. 3.31 Charakteristische Proctorkurve für KG1 mit 100% Rundkorn in Abhängigkeit von der Tragfähigkeit
Abb. 3.32 Charakteristische Proctorkurve für KG2 mit 70% Brechkorn und 30% Sandkorn
Mit der Einführung der ZTVE 94, die die Bahn seinerzeit ohne Anpassung übernommen hat, sind die Dichteforderungen ohnehin durch die Festlegung als Mindestwert erhöht worden. Bis dahin galt, dass die Dichte als Mittelwert erfüllt war, wenn der Einzelwert bis 3% vom Sollwert abgewichen ist. Dies bedeutet, dass die Qualitätsforderungen im Schotteroberbau aus Sicht des Verfassers nach wie vor überhöht sind. Dem wichtigsten Aspekt der Homogenität der Planumsfläche bezüglich Dichte und Tragfähigkeit werden wir damit noch nicht immer gerecht. Die Zulassung der flächendeckenden dynamischen Verdichtungskontrolle (FDVK), Methode M 2, ist dazu der richtige Schritt, aber eben nur auf großen Flächen mit gleichen Randbedingungen anwendbar.
Bei der Bewertung der Qualität einer Tragschicht besteht die Notwendigkeit, Dichte und Tragfähigkeit zu bestimmen. In Abb. 3.31 und 3.32 soll gezeigt werden, dass bei einem hohen Tragfähigkeitswert nicht automatisch auch eine ausreichende Dichte erreicht ist. Hier sind praktische Erfahrungen, wie ein Dichte- bzw. Tragfähigkeitswert durch den Wassergehalt in einem Korngemisch beeinflusst wird, aufgetragen. Dabei ergibt sich, dass im nassen Bereich der Proctorkurve Dichte und Tragfähigkeit der gleichen Tendenz folgen, d.h. die Werte nehmen ab, je mehr der Wassergehalt zunimmt. Im sog. trockenen Ast der Proctorkurve steigt die Linie der Tragfähigkeit anfangs weiter an, während die Dichte mit sinkendem Wassergehalt abnimmt. Daraus dürfte erkennbar sein, dass das Errechnen einer Dichte aus
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
der Tragfähigkeit, insbesondere wenn sich der Wassergehalt im trockenen Ast befindet, falsch ist. Diese Erkenntnisse werden um so komplizierter zu bewerten sein, je mehr gebrochenes Korn dem Korngemisch zugegeben ist. Während bei einem Rundkorngemisch die Dichtewerte gleichzeitig auch Aussagen zum Porenvolumen und damit zur Sättigungsgrenze liefern, ist dies mit steigender Menge der Zugabe von gebrochenem Korn nicht mehr eindeutig. Zum Beispiel sind die Kriterien für die Filterstabilität generell auf die Porengeometrie eines Rundkorns ausgerichtet. Was passiert, wenn diese Kriterien für plattiges oder scharfkantiges Korn angewandt werden? Man sieht, es gibt genügend offene Fragen, die nur in Gemeinschaft mit den Herstellern der Korngemische und wissenschaftlichen Instituten geklärt werden können. Probleme bei der Ermittlung der Kornverteilung Die BN 918062 [3.13], Technische Lieferbedingungen, Korngemische für Trag- und Schutzschichten, schreibt vor, dass die Kornverteilung der Korngemische nachzuweisen ist (siehe BN Anlage 3, Blatt 1, S. 15) für Körnungen d = 0,02 mm bis 0,063 mm durch die Sieb- und Schlämmanalyse nach DIN 18 123 und für Körnungen d > 0,063 mm durch Nasssiebung. Es gibt kaum Prüfergebnisse mit so vielen Unterschieden der Eigenüberwacher, Fremdüberwacher und Kontrollprüfer bei gleichen Materialien, wie bei der Sieb- und Schlämmanalyse. Diese Fehler nehmen zu, je mehr gebrochenes Korn in den Feinfraktionen enthalten ist. Natürlich führen solche Differenzen zu Misstrauen unter den Partnern, zu Unsicherheit und Fehlentscheidungen. Bei einer Ringanalyse an homogenisierten KG-1-Proben wurde die Kornverteilung bei verschiedenen Instituten, beim Fremdüberwacher und beim Hersteller bestimmt. Im Ergebnis sind folgende Fehlerquellen zu erkennen: – große Unterschiede der Korndichte bei Kiesen und Sanden (Quarzsande) natürlicher Vorkommen von 2,65 t/m2, z.B. bei gebrochenem Basaltkorn von 3,10 t/m2,
– Anschluss des Schlämmastes bei 0,063 mm bzw. 0,125 mm, – individuelle Fehler durch Einsatz von Anlernkräften (Bedienungsfehler), – Verwendung von verklebten Sieben, – Nutzung von Leitungswasser statt destilliertem Wasser, – das Mischen der Flüssigkeit von Hand oder mit Mischteller, – abweichende Raumtemperaturen und – ungenügendes Vorweichen der Probe. Das Gesetz von Stookes geht von einer Korndichte = 2,65 t/m2 aus: – Sinkgeschwindigkeit gleicher Korngrößen wird durch unterschiedliche Korndichten erheblich beeinflusst. Bei der Zugabe z.B. von Basalt wird ein zu großes Korn vorgetäuscht, – bei plattigen rauen Kornformen wird die Sinkgeschwindigkeit kleiner und damit ein erhöhter Feinkornanteil ermittelt und – die Angleichung des Schlämm- und des Siebastes sollte wieder bei 0,063 mm und nicht, wie jetzt vorgeschrieben, bei 0,125 mm erfolgen. Die gewonnenen Erfahrungen zeigen die Tendenz, dass – eine Nass- und Trockensiebung mit dem Kleinstsieb d = 0,063 mm bei Korngemischen verschiedener Korndichten eine wesentlich höhere Zuverlässigkeit liefert als die geforderte Sieb- und Schlämmanalyse, – im Bedarfsfall der Anteil d < 0,02 mm auch mit dem entsprechenden Sieb nachgewiesen werden kann, – das Einsümpfen bzw. Einweichen bei Brechkornanteilen auch für eine Nass- und Trockensiebung von großer Bedeutung ist (puzzolane Effekte), – Nass- und Trockensiebungen sind schneller durchführbar und damit für die Eigenüberwachung bezüglich der Einflussnahme auf die Produktion wesentlich effektiver. Dazu sind die Kosten eines Versuchs erheblich geringer und erlauben bei gleichem
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
Aufwand wie bisher mehr Prüfungen. Die daraus abzuleitende Statistik liefert den Nachweis von mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit des Produktes. Schlussbemerkungen zur Materialauswahl der Tragschichten Die DB Netz AG hat in der Einführungsverfügung zur BN 918062 an die höhere Verantwortung der Prüfinstitute appelliert. Dennoch bleibt die Entscheidung zu Grundsatzfragen der Materialauswahl für Tragschichten bei der DB Netz. Dabei sind aktuelle Fragen, z.B. bei der Prüfung von Korngemischen mit Brechkornanteilen, fachtechnisch zu lösen. Die Schlämmanalyse sollte für Korngemische mit Brechkorn nicht mehr zur Anwendung kommen. Die Elastizität der Fahrwegkonstruktion wird durch deren Einzelelemente bestimmt. Während es intensive Bemühungen gibt, einen starren Untergrund durch besondere Zwischenlagen im Oberbau weicher zu machen, wird derzeit das mögliche Elastizitätspotenzial der Korngemische für die Gesamtkonstruktion nicht systematisch genutzt. Vorschläge, dies zu ändern, wurden vorgestellt. Der Verfasser ist davon überzeugt, dass die Abnutzungserscheinungen des Schotters an besonderen Stellen der Schnellfahrstrecken ihre Ursache ebenfalls in einem zu starren Untergrund haben. Die Diskussion sollte dazu auffordern, in Anbetracht der rasanten Entwicklung des Verkehrs und insbesondere der Herausforderungen für den Schienenverkehr in den nächsten Jahren die Möglichkeiten des natürlichen Materials besser zu nutzen. Der Eisenbahningenieur sollte erkennen, dass die Betrachtung der Zusammenhänge nicht an der Schotterunterkante endet. Eine Optimierung der Anforderungen an ein Gleis für höchste Ansprüche und lange Liegedauer sowohl für Schotteroberbau als auch für Feste Fahrbahn ist nur erreichbar über bessere Kenntnisse der Wechselbeziehungen von Ober- und Unterbau.
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Einbau von Planumsschutzschichten mit Planumsverbesserungsmaschinen (PVM) Der Einbau von Planumsschutzschichten (PSS) mit typischen Erdbaugeräten im sog. „gleislosen Einbau“ ist bei einer notwendigen Sanierung des Erdplanums (Schottersäcke, Bodenaustausch/Bodenbehandlung bei weicher Konsistenz von Bodenpartien, Fassung von Quellen) trotz eines hohen Mechanisierungsgrades „gleisgebundener Verfahren“ noch immer notwendig. Bei überschaubaren Schadensbildern, Notwendigkeit der Verstärkung der PSS, Gründe begrenzter Bauzeit, ist der Einsatz der gleisgebundenen Maschinenkomplexe eine gute Lösung. Die Betreiber solcher PVM bieten in Form von Arbeitsbehelfen und anderen Dokumentationen die Leistungsparameter an. Aus geotechnischer Sicht sind folgende Faktoren gegeneinander abzuwägen: – Die Leistungsgrößen übertreffen die Bauweise des gleislosen Einbaus erheblich, Transporte werden gleisgebunden mit Rollcontainern bzw. MfS-Spezialwagen realisiert. Die Bauarbeiten werden in größeren Sperrpausen und mit maximalen Schichtleistungen bis 500 m Gleislänge durchgeführt. – Die Dicke der PSS kann bis 0,5 m in einem Arbeitsgang eingebracht werden. – Neuere Maschinenkombinationen solcher PVM bieten Schotterwaschanlagen und Schotterrecycling an. – Der Mittelverbau bei mehrgleisigen Strecken ist nicht erforderlich (Flanke wird abgestützt). – Da die Beräumung des Erdplanums durch eine Planumsaushubkette erfolgt, ist die herzustellende Querneigung in der geforderten Qualität des Erdplanums nur bedingt möglich (Ebenheit). – Es erfolgt nur ein Glätten (Abziehbohle) und keine Verdichtung des Erdplanums. – Der Nachteil einiger Maschinen auf eine Begrenzung der Aushubbreite (Ausbildung eines Wassersackes) ist bei neueren
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
PVM mit Breiten bis 6,60 m in den meisten Anwendungen behoben. Die Entscheidung über den Einsatz einer PVM oder eine Arbeit im gleisfreien Planum muss nach Abwägung aller Einflussfaktoren erfolgen. Entscheidend sind letztlich der Zustand des Erdplanums mit den Untergrundverhältnissen (Schadensbild) und die angestrebten Anforderungen der Nutzung nach den Bauarbeiten. 3.3.2.7 Böschungen Für die Herstellung von Böschungen und deren Sanierung im Schadensfall gilt RiL 836.0506. Diese Richtlinie hat sehr allgemeinen Charakter, so dass der Leser vergeblich nach klaren Handlungsvorgaben für einen speziellen Fall sucht. Dies ist aber die Frage des Praktikers, der die Zusammenhänge im Einzelfall nicht immer erkennen kann und so häufig eine fehlerhafte Entscheidung trifft. Im Entscheidungsprozess muss man erkennen, ob – erdstatische Probleme oder – materialtechnisches Versagen die Ursache eines Böschungsschadens sind. Letzterer Fall wird in der RiL 836 überhaupt nicht erwähnt. Das materialtechnische Versagen tritt bei Böschungsschäden umso deutlicher hervor, je feinkörniger und bindiger ein solcher Erdstoff ist. Damit wird er empfindlicher gegen die verschiedenen Wirkungen des Wassers (Erweichen, Fließen, Ausspülungen durch Strömungsdruck) und gegenüber Frosteinwirkungen (Frostlinsenbildung, Ausdehnung). Die genannten Faktoren sind mit einer statischen Bewertung allein nicht zu fassen. Diese liefert lediglich die Konturen einer Böschung im Falle, dass ein Materialversagen nicht entsteht (Böschungsneigung). Umso mehr muss man bei feinkörnigen Böden die Ursache einer Materialveränderung bis zum Versagen mit Merkmalen eines Böschungsschadens kombinieren und dafür die Sanierungsmöglichkeiten definieren. Dies ist letzt-
lich eine Frage langjähriger Erfahrung, die mit wissenschaftlich-technischen Langzeituntersuchungen untersetzt werden muss. Materialtechnisches Versagen von Böschungen Die Deutsche Reichsbahn hat mit massenhaften Böschungsrutschungen von 1960 bis 1975 in eiszeitlich geprägten Gebieten MecklenburgVorpommerns und Nordbrandenburgs, vorrangig an der Strecke Berlin–Rostock, schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Teilweise gab es Mehrfachsanierungen, weil die Sanierungsverfahren fehlschlugen. Diese Schäden verursachten nicht nur ein Mehrfaches der ursprünglich geplanten Kosten, Bauzeitverlängerungen und Einschränkungen des Eisenbahnbetriebes (eingleisiger Betrieb, Geschwindigkeitsreduzierung bis zur völligen Sperrung von Teilabschnitten). Deshalb hatte die Leitung der Deutschen Reichsbahn eine Kommission eingesetzt, um die hinter den Schäden vermuteten Qualitätsverstöße und Fehlhandlungen Einzelner zu klären. Heraus kam: – die gültigen Vorschriften waren den Anforderungen einer so schwierigen geotechnischen Aufgabe nicht gewachsen, – politische Entscheidungen zum Einbau solcher bindiger Böden unter Winterbedingungen hatten großen Einfluss auf das Ausmaß der Schäden, – die Sparpolitik zur Frostsicherung mit frostsicheren Kiesen erwies sich als falsch. Diese Erkenntnisse hatten zur Folge, dass bei der Deutschen Reichsbahn und den Autobahnverwaltungen eine wissenschaftliche Begleitung der Baumaßnahmen solcher Böschungssanierungen und die Zusammenarbeit beider Verkehrsträger organisiert wurden. Die gewonnenen Erfahrungen brachte die Deutsche Reichsbahn als „Vorläufige Richtlinie für Lockergesteinsböschungen“, als DRA 2002 1976, heraus und die Grundsätze in der TGL 11 482/08 – Erdarbeiten im Straßen- und Eisenbahnbau [3.10] sowie in der TGL 24 756 Eisenbahnunterbau bis zur Fassung 1990 [3.9] entwickelt. Obwohl die genannten Erkennt-
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
nisse in der Praxis mit Erfolg zu einer drastischen Senkung solcher Schäden im Erdbau der Deutschen Reichsbahn geführt haben, wurden diese Regelungen in die RiL 836 leider nicht übernommen. Es besteht die Gefahr, dass bei Bauarbeiten an einer Strecke in Nordund Mitteldeutschland mit eiszeitlicher Prägung sich diese Fehler wiederholen. Der Verfasser versucht, die damaligen und noch heute gültigen Erkenntnisse zusammenzufassen als Hilfe für die Entscheidungsfindung der Praktiker.
125
Austritt des Grundwasserhorizonts oberhalb des Erdplanums, Ausdruck für geringe Wirksamkeit der Tiefenentwässerung (Abb. 3.38) Maßnahme: Ansatz eines Kieskeils (Flächendrainage), der am Tiefpunkt zu einer Hauptdrainage führt.
Schadensbilder Erosionsrinnen (Abb. 3.33, 3.34 und 3.35) Ausdruck nicht beherrschter Entwässerung im angrenzenden Gelände durch fehlende Hanggräben bzw. noch nicht wirksame Begrünung in den Böschungsflächen. Ausspülungen bei in Geschiebemergel eingelagerten Sandlinsen/Quellen (Abb. 3.36 und 3.37) Beherrschbar nur durch eine flächige Kiesdrainage (Kieskeil), die durch eine frostfrei eingebaute Tiefenentwässerung am Fuß der Böschung das zufließende Wasser zu jeder Jahreszeit gefahrlos abführt. Sofortlösung: Pumpensumpf mit Wirksamkeit in der Sandschicht. Abb. 3.34 Punktuelle Erosion einer Rohböschung am Tiefpunkt einer Berme
Abb. 3.33 Flächenhafte Erosion einer Rohböschung
Abb. 3.35 Erosion nach Schmelzwasserkonzentration im Vorland und auf der Berme
126
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Bermen sind Ausgangspunkt für Abrutschen der Böschungsoberfläche durch erhöhte Wasserzufuhr nach Auftauen von Schneewächten (Abb. 3.35) Lösung: Vermeidung von Bermen oder ein Entwässerungssystem am Knickpunkt Böschung/ Berme mit frostfreier Wasserführung einbauen.
Abb. 3.36 Ausbluten einer mit Wasser gefüllten Sandlinse
Abfließen der Böschungsoberfläche nach Erreichen der Fließgrenze des bindigen Bodens an der Wetterseite eines 12 m hohen Bahndammes (Abb. 3.39 und 3.40) Maßnahme: Böschungsverdichtung in der Böschungsebene, ggf. Böschungsverflachung, Beachten der Bepflanzung, z.B. keine Gräser mit Nährstoffen für Nager (Rotklee), wirksame Entwässerung am Böschungsfuß (Kieskeil), keine Bermen, keine Pflanzmulden zulassen, Begrünung muss eine geschlossene Oberfläche zum Wintereinbruch aufweisen. Böschungsbefestigung mit Totfaschinen nicht zulassen, möglichst Drainagen in flacher Neigung oder Steinpackungen (sehr aufwändig) einbau-
Abb. 3.37 Quelle mit langjähriger Aktivität
Abb. 3.38 Austritt der Sickerlinie in der Böschungsfläche
Abb. 3.39 Geschiebemergel in flüssiger Konsistenz nach der Frostperiode führte zum Abgleiten der bewachsenen Böschung einschl. Strauchbewuchs bei einer Böschungsneigung von 1:2
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
Abb. 3.40 Fehlgeschlagene Böschungssanierung mit Totfaschinen im Geschiebemergel
Abb. 3.41 Böschungsschaden durch Ausspülung infolge hydrostatischen Überdrucks
en (s. auch Abschn. 3.3.2.3), möglichst keine Kaskaden, sondern frostfrei geführte Rohre, Fallschächte, weil Kaskaden durch flächenhafte Vereisung am Einlauf nicht früh genug frei sind für den Abfluss der Tauwässer aus der Fläche. Die Folge ist Umspülung bis zum Einsturz der Kaskaden. Konstruktive Lösungen und Einzelelemente der Böschungssicherung bzw. unverträgliche Anwendungen zeigen die Abb. 3.42 bis 3.44.
127
Nach den Erfahrungen des Verfassers sind 90% aller Böschungsschäden kein Problem der Statik, sondern punktuelles Versagen durch „Materialversagen“ aus örtlich massivem Wirken von Wasser und in Kombination mit den Ergebnissen aus Frosteinwirkung. Deshalb wird die Richtung der RiL [3.1] mit den vorgeschlagenen Maßnahmen (836.0506, Punkt 4) zumindest in Gebieten mit Böden aus eiszeitlicher Bildung für falsch gehalten, weil damit die Ursache nicht beseitigt wird (z.B. Stützscheiben, Injektionen, Anker) und der Schaden wieder auftreten kann. Dazu kommt, dass die Kosten solcher Sanierung viel zu hoch sind. Die erprobten Verfahren der Sanierung mit geeigneten Böden verbinden eine größere Harmonie im Verhalten bei extremen Einflussnahmen durch die Natur und eine unbegrenzte Haltbarkeit. Böschungssanierung ohne Betriebsunterbrechung durch elektrochemische Stabilisierung (Abb. 3.45) Die Sperrung einer Strecke bei einem überschaubaren Böschungsschaden ist nicht immer aus betrieblichen Gründen möglich. Folgerichtig wurden bei der Deutschen Reichsbahn Verfahren gesucht, die ohne Massentransporte eine Sanierung vor Ort ermöglichten. Dazu wurde eine großtechnische Erprobung zur Sicherung einer in Bewegung befindlichen Tonböschung bei Frankfurt/Oder in den Jahren 1988 bis 1992 durchgeführt. Der Vorgang der elektrochemischen Stabilisierung wird unterteilt in: – elektroosmotische Entwässerung als Vorlauf (Abpumpen von Wasser) mit Hilfe von Gleichstrom, – Einbringung eines Verfestigungsmittels (Kalziumchlorid) im Umkehreffekt zur Entwässerung durch Änderung des Stromflusses (Eindringen der chemischen Lösung in die Porenräume und Einleitung der Reaktion mit den Tonmineralien). In Abb. 3.45 ist der Vorgang dargestellt: – Material Bänderton (TA-TM), – Hohlrohrsonden mit Perforierung im Raster 1,25 m eingebaut,
128
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Oberboden verdichtet
Hanggraben/ Aufwallung GeMe, SU, SŪ, TL, U Natürlicher Wasserzufluss
Verhindern der Böschungserosion
1∕3 H Vorbeugen einer Bodenerweichung
Sickerhorizont 2∕3 H H
Verhindern eines Böschungsausbruchs
Sandeinschluss
Sandlinse
Kieskeil (SI U>6)
gespanntes Wasser
Fußdrainage Tiefenentwässerung (Frostsicher) (Sauger-Sammler)
Abb. 3.42 Böschungssicherung mit voller Funktion der Flächenentwässerung zu allen Jahreszeiten
Lebend-Faschinen
Anst. Boden
Hangdrainage
Wasserableiter (geschlossenes Rohr)
Kiesfilter
Oberboden
Flächendrainage Halbgelochte Rohre Querschnitt Hangdrainage
Hangdrainage Anordnung der Drainagen in ca. 30° Draufsicht
Abb. 3.43 Elemente einer Böschungssicherung bei frostempfindlichen Böden in der Böschungsfläche
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
129
Schneewächten
Durchweichung und Auflockerung (Frostlinsen) Vermeidung von Bermen
Keine Totfaschinen (Fäulnis-vorgezeichneter Wasserablauf Rinne mit Erosion!
Pflanzmulde
Umspülung in Tauperiode
Ausbruch
Durchweichung Keine Pflanzmulden für Sträucher/Bäume
Durchweichung Keine Kaskaden
Abb. 3.44 Möglichst zu vermeidende Anwendung bei hohen Böschungen in bindigen Böden
– Materialien 4% Cal2-Lösung (Chemikal), – Spannungsgradienten 45 V/m.
weitere Anwendungen bei starkbindigen Tonböschungen.
Durch die Staffelung des Einbaus und der Inbetriebnahme der einzelnen Sonden wurde der Bruch systematisch eingeschnürt und die Abwärtsbewegung schließlich gestoppt. Die Behandlung dauerte 20 Tage. Die säulenartige Verfestigung und die Veränderung der bodenmechanischen Kennwerte zwischen den Sonden ergaben eine gute Stabilität der Böschung (14 Jahre bisher). Die Abrutschmassen wurden wieder als Verfüllmaterial genutzt. Das Verfahren bedarf einer guten Vorbereitung einschließlich der notwendigen Eignungsprüfungen. Vor und nach dieser Sanierung gab es
3.3.2.8 Rutschungen an alten Erdbauwerken Beispiel 1 Abrutschen eines 33 m hohen Eisenbahndammes bei Weimar am 21.06.1970 Seit der Herstellung des Dammes 1872–1876 gab es Schwierigkeiten. Der Erdkörper wurde aus verwitterungsempfindlichem Tonschiefer bzw. Tonstein über Bockrüstung geschüttet. Diese nicht verdichteten Schüttmassen verwandelten sich im Laufe der Nutzung zu Aue-Lehm-Tonen (TM). Der Damm war auf dem zum Flusslauf „Ilm“
130
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.45 Sanierung einer Rutschung durch elektrochemische Stabilisierung (1990/1992) im Ton
Querschnitt
1:2
Rutschmassen
inst, Ton TA/TM
1,25
Gl.Pbf-Rbf
1,25
Station ~ 1,8 + 4,5
Ansicht der Böschungsrutschung Gl. Frankfurt O – Berlin km 80,00 1
1
1
1
1
1
1 Abrisskante
3
2
1
sch
3
2
1
3
3
3
1
2
3
3
1
2
3
3
1
2
2
Rut
1
ung
1
1,8 Phasen 1 … 3
zeitlich gestaffelte Aktivierung mit dem Ziel der Verlangsamung der Rutschgeschwindigkeit bis zur völligen Beruhigung
Sondeneinschlagtiefen 2,5–3,5 m Setzungspegel
Anode Katode
geneigten Planum vermutlich ohne Verzahnung geschüttet. Bedingt durch die fehlende Vorflut des hangseitigen Grabens wurde die Konsistenz im Bereich der Dammaufstandsfläche immer weicher. Schon in der Bauphase gab es mehrere Rutschungen, die man mit sand-kiesigen Massen wieder verfüllte. Nach
längerer Nutzung sind Rutschungen an verschiedenen Dammabschnitten 1941/1942 – nach extrem kalten Wintern – in der Tauperiode im Frühjahr bekannt. 1968/1969 stellte man im Böschungsbereich Staffelrisse fest, die sich nach Schließung immer wieder öffneten. So wurde entschieden, die Entwässe-
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
131
Abb. 3.46 Dammrutschung bei Weimar (Thüringen) 1970
rungsbedingungen an der Berg- und Talseite zu verbessern. Durch das Verkennen der Labilität des Dammes legte man die Fußzehe ohne besondere technologische Forderungen für die Aushubarbeiten an. So kam es am 21.06.1970 zu einem Böschungsbruch/Dammrutsch, der einen ca. 6 m tiefen Abriss in Bahnachse und Verschiebung am Fußpunkt um ca. 15 m Tiefe ergab. Die Strecke war 15 Monate gesperrt. Sanierung Die erkennbare Bruchfigur wurde in ihren geometrischen Ausmaßen unter Zuhilfenahme der gemessenen Setzungen und Verschiebungen bestimmt. Sie war Grundlage für die Nachberechnung des tatsächlich vorhandenen Reibungswinkels Mc im Zustand K = 1, d.h., der Bruch wurde wie ein Großscherversuch bewertet. Danach ergab sich: Dammmaterial Mc 19° (22°)* Gründungsbereich Mc 18° (17°)* (Auelehm) Bei Beachtung einer Sicherheitsforderung von K t 1,3 ergab sich ein Defizit einer freien Schubkraft S von ~ 100 t/m, so dass die Sanie-
* Klammerwerte für ein zweites Profil
rung nur mit Hilfe einer Vorschüttung bzw. eines Reibungsfußes möglich war. Die wichtigsten Daten hierzu sind: Reibungsfuß Einbindung in den Untergrund (Auelehm) 4m Breite 16 m Überschüttung 3m Böschungsneigung oben 10 m 1:1,75 unten 1:3 Verfüllmaterial Si – Sw – Gi – Gw
Dpr > 97%
gut abgestufte Kiessande Reibungswinkelvorgabe Mc 33° Die Schüttung erfolgte so, dass kritische Porenwasserdrücke im Untergrund nicht auftraten. Bei den Baumaßnahmen wurden ca. 100.000 m3 abgetragen und 140.000 m3 wieder eingebaut. Schadensursachen – mangelhafte Bewertung der Schäden in der Geschichte des Dammes, – ungenügende Erfassung der langanhaltenden Setzungen und Verschiebungen,
132
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
ungeeignete Überwachungssysteme wurden angewandt, – fehlende geotechnische Kenntnisse zu solchen geologisch-hydrologisch schwierigen Baugrundverhältnissen bei Planer und Auftraggeber, – Die Maßnahmen der ursprünglich vorgesehenen Sanierung wurden ohne Berechnungen festgelegt. Es gab keine besonderen Vorgaben für die Sanierung an den Baubetrieb. – Der Baubetrieb verfügte offenbar über kein geotechnisches Einfühlungsvermögen. Der Aushub der Fußzehe über größere Längen löste letztlich den Dammrutsch auf einer Länge von > 300 m aus.
Beispiel 2 Dammschäden an Erdbauwerken infolge Unwetterschäden bei Gera im August 1981 Mitte August des Jahres 1981 wurden im Umkreis der Stadt Gera in wenigen Tagen Niederschläge bisher nicht festgestellter Intensität und Zeitdauer gemessen. Diese führten auch bei der Bahn zu erheblichen Schäden an Erdbauwerken, die in der Zeit des mehr als 100jährigen Bestehens nicht bekannt waren. Von dem sehr porösen und zum Teil sehr inhomogenen Porphyrgestein wurden die starken Niederschläge mühelos aufgenommen. Durch die Wassermenge und die in 30 m Tiefe anstehenden undurchlässigen Gesteinsschichten kam es zur Ausbildung einer Wasserdruckhöhe von ca. 30 m Wassersäule. Das Wasser trat nach entsprechender Sättigung des Gesteins unter starkem Druck am Böschungsfuß aus und führte zur Unterspülung des Bahnkörpers auf mehreren hundert Metern Länge (s. Abb. 3.47). Diese Schäden führten zur Streckensperrung über mehrere Monate.
Hinweis: Zu diesem Schadensfall wurde ein Film gefertigt, der im Filmarchiv der ehemaligen Deutschen Reichsbahn, Berlin-Lichtenberg, Bürgerheimstraße, aufbewahrt wird.
Bebautes Hochplateau mit Gartenanlagen
begrünte standsichere Festgesteinsböschung
Versickerung poröser Porphyr
angeschütteter Bahnkörper
wasserundurchlässiges Gestein
Abb. 3.47 Unterspülung der Anschüttung bei Gera 1981
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
Sanierung Der Wiederaufbau des Bahnkörpers erfolgte mit gutdurchlässigen und grobkörnigen Kiessanden. An der Hangseite wurde ein wirksames Entwässerungssystem eingebaut. Schadensursache Extreme Niederschläge dieser Art und eine solche Auswirkung sind nicht völlig auszuschließen. Die Klärung der Entwässerungsverhältnisse (Vorflut) war eine vorrangige, baubegleitende Maßnahme. Die Ausspülungen sind deshalb entstanden, weil die Anschüttung weniger durchlässig war als das vorhandene Gestein. Als allgemeine Regel gilt: „Eine Anschüttung muss eine 10-fache Durchlässigkeit gewährleisten“. Beispiel 3 Bruch eines Eisenbahndammes infolge Hochwasser bei Halle/Süd (Sachsen-Anhalt) im Februar/März 1987, Strecke Berlin–Erfurt Ein ca. 8 m hoher Damm wird als Folge der plötzlich einsetzenden Schneeschmelze durch die um bis zu 2 m über die Ufer tretende „Weiße Elster“ gefährdet. Die Gründung des Bahnkörpers auf dem anstehenden Auelehm, des sehr inhomogenen Schüttkörpers (bindig-tonig bis sandig-kiesige Massen in relativ lockerer Lagerung), die Ablagerung von Bettungsrückständen auf der Böschung verursachen mit dem zunehmenden Wasseranstieg der Elster eine unruhige Gleislage. Nach wenigen Tagen sind Staffelrisse im Randwegbereich deutlich sichtbar, die letztlich in einen Abriss an der Schotterkante übergehen. Am Dammfuß neigen sich große Bäume bzw. wandern mit einem Bruchkörper in die bestehende Wasserfläche hinaus (s. Abb. 3.48). Durch den Einfluss des Auftriebs am Dammfuß entwickelte sich ein klassischer Grundbruch. Es waren zwei Bruchstadien zu vermerken, im Februar mit noch vertretbaren Auswirkungen auf das Gleis, und der Versuch einer Kleinsanierung, die sich jedoch als Fehlschlag erwies und zum eigentlichen Bruch im März 1987 führte. Anfangs wurde ein Gleis
133
gesperrt, später mussten beide Gleise gesperrt werden. Sanierung Durch ein besonders berufenes Beraterteam und einen örtlichen Baustab wurden die Ermittlung der Ursachen, die Entwicklung eines Sanierungskonzeptes und die Vorbereitung der Bauarbeiten parallel vorangetrieben. Mit der Anbringung von Setzungspegeln bzw. Messpfählen in einem Raster über der Bruchfläche erreichte man folgendes: – Dank der Ermittlung des Zentrums der größten Setzungen und Querverschiebungen konnte eine Prognose der Massenverschiebung der abgleitenden Bahnkörperbereiche abgeleitet werden. – Die Kubatur der abrutschenden Massen konnte bestimmt werden. – Die Scherparameter im Bruchzustand wurden rechnerisch ermittelt. Die Erkundung an wichtigen Punkten der Schadstelle sowie die Suche nach geeigneten Materialien für Anschüttungen bzw. Verfüllungen wurden forciert. Der Baumbewuchs wurde von Pioniereinheiten abgeräumt. Das Sanierungskonzept hatte folgende Grundidee: – Durch systematische Einschnürung des Bruchzentrums sollten die Bewegungsabläufe verlangsamt und schließlich zum Stehen gebracht werden. Dazu war es notwendig, in das bis zu 2 m hohe Wasser einen 2– 3 m breiten Umschließungsdamm aus gut durchlässigem Material (alter Gleisschotter) zu schütten. Dieser Schotterdamm erwies sich bei der starken Strömung im Überflutungsgebiet als vollauf geeignet. Kleine Brucherscheinungen durch nachgiebigen weichen Untergrund wurden unverzüglich geschlossen. Dies wurde mit der Hilfe von Transporthubschraubern erreicht, die mit 3 t Kippmulden ausgerüstet waren. – Durch beidseitig beginnende Verfüllung in den Folgen 1–3 (Abb. 3.49) konnten schon nach zwei Tagen die Breite der Bruchzone und die Bewegungsgeschwin-
134 3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Abb. 3.48 Querschnitt eines Böschungs-/Grundbruches unter Hochwassereinfluss Halle/Süd
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
135
Schutzdamm – Schottereinbringung mit Hubschrauber (Wassertiefe 1,5–2,0 m)
km 6,7
Abb. 3.49 Zeitfolge der Schüttungen bei der Dammsanierung unter Hochwasserbedingungen
digkeit im Bruchzentrum auf die Hälfte verringert werden. Der Kontaktschluss (5) erfolgte erst, als das notwendige Widerlager (4) geschüttet war und entsprechende Verfüllmassen in ausreichender Menge auf (4) bereit standen. In wenigen Stunden wurde die bis dahin nur mit Wasser gefüllte ca. 300 m2 große Fläche (5) von mehreren starken Planierraupen zugeschüttet. Die Schüttrichtung war immer gegen die Gleitlinie gerichtet. – Verschiebungsmessungen ergaben im Damm- und Bruchbereich einen Rückgang von max. Vh = 30 mm/h auf 2 mm/h (Wert liegt innerhalb der Messgenauigkeit) schon am zweiten Tag nach der Verfüllung. – Die Setzungen verringerten sich ebenfalls erheblich. Diese waren letztlich nur noch auf die vertikale Komponente, also aus den
Konsolidierungsvorgängen abzuleiten, die von der Überschüttung organisch durchsetzter weicher Auelehme herrührten. – Im Querschnitt (Abb. 3.50) ist die Wiederherstellung des sanierten Dammes dargestellt. Die Phase ¢1² beschreibt die zuvor genannten Vorgänge, also Stopp der Verschiebungen. Die Phasen ¢2² und ¢3² beschreiben die Herstellung eines insgesamt standsicheren Querschnitts, wobei die Verdichtung mit leistungsfähigen Geräten erst in diesen Phasen möglich war. Die bis ein Jahr nach Beendigung der Bauarbeiten durchgeführten Überwachungsmessungen bestätigten das aus Erfahrungswerten abgeleitete Sanierungskonzept, was durch weitere Informationen während der Bauphase (Erkundung) untersetzt wurde.
136
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Abb. 3.50 Dammsanierung bei Hochwasser, Schüttfolge im Querschnitt
Schadensursache Den Schaden löste das Hochwasser aus. Die Auswirkungen wurden vergrößert, weil mit einer Teilsanierung (Fußsicherung durch Schwellenstapel) im Februar ein sich abzeichnender Grundbruch nicht erkannt wurde. Durch starke Anschüttungen von Bettungsrückständen in Jahrzehnten im oberen Teil der Böschung, war die Standsicherheit des Erdbauwerkes herabgesetzt. Die Inhomogenität des Schüttmaterials und der in weicher Konsistenz anstehende Auelehm im Dammfußbereich lösten letztlich die Bruchzustände aus. Beispiel 4 Zerstörung der Kleinbahnstrecke Freital–Hainsberg bei Dresden im August 2002 Starke Niederschläge im Umfeld des Rabenauer Grundes und die überlaufende Talsper-
re Malter führten zu einer Vervielfachung der Wassermenge in der Weißeritz. Diese Wassermassen haben mit unbeschreiblicher Wucht Gleise in den Tälern unterspült, Brücken und Straßen weggerissen. Die Ursachen sind nicht auf geologisch/geotechnische Fehler zurückzuführen. Die Frage lautet vielmehr, wie z.B. der Dammaufbau solcher Strecken beschaffen sein sollte. In jedem Fall muss eine relativ große Durchlässigkeit der Einbaustoffe in den Sanierungsbereichen gewährleistet werden, damit sich ein einseitiger Wasserdruck schnell ausgleichen kann. Aber manchmal reicht dies nicht. Als Kernfrage ist allerdings von den für Hydrologie und Wasserwirtschaft zuständigen Behörden zu beantworten, wie eine solche Wasserkonzentration vermieden werden kann.
Abb. 3.51 Zerstörungen an Bahnanlagen im Rabenauer Grund (2002 bei Dresden/Sachsen)
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
137
Abb. 3.52 Unterspülungen der Bahnanlagen im Rabenauer Grund (2002 bei Dresden/Sachsen) (1)
Abb. 3.53 Unterspülungen der Bahnanlagen im Rabenauer Grund (2002 bei Dresden/Sachsen) (2)
Abb. 3.54 Unterspülungen der Bahnanlagen im Rabenauer Grund (2002 bei Dresden/Sachsen) (3)
138
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
3.3.2.9 Entwässerung Die Aufgabe einer Entwässerung ist durch folgende Anforderungen festgelegt: – Abführung des Oberflächen- und Schichtenwassers, – Abzug von ungebundenem Wasser aus den anstehenden Böden, – Verhinderung von Wasserrückstau und Auftrieb, – Wirksamkeit auch in der Frostperiode, – Zugänglichkeit für Unterhaltungsarbeiten. Das angestrebte Ziel ist: – die natürlichen Wassergehalte so niedrig zu halten, dass keine Tragfähigkeitsschäden im angrenzenden Erdplanum auftreten, – Verhinderung von Frosthebungen im Erdplanum, – Sicherstellung einer Verdunstung im Entwässerungssystem, – Abzug von Wasser aus dem Böschungsfuß zur Sicherung der Stabilität der Böschung. Schadensfälle belegen, dass die Sorgfalt der Planung und Ausführung häufig nicht den Ansprüchen für eine langfristige Nutzung genügt. Neue Materialien werden anstelle erdbautechnisch erprobter Systeme kritiklos eingeführt und versagen. Der Ausfall der Entwässerung kann zwar durch eine gute Wahl der Tragschichtmaterialien oder deren Überdimensionierung zeitweilig überspielt werden. Dies führt aber langfristig zu Schäden, die mit tiefgreifender Erweichung, insbesondere bindiger frostveränderlicher Böden, einhergehen und langfristig zum Versagen des Tragschichtsystems an Verkehrswegen bzw. der Böschungen führen kann. Wo liegen die Fehler? – falsche Filterberechnung und Bemessung der Filter, – Einbau ungeeigneter Filterstoffe, – Verwendung falscher Rohrsysteme, – Nichtbeachten von Hochdrücken der Sohle bei der Herstellung (Auftrieb),
– schlechte konstruktive Lösungen führen zur Zerstörung der Zuläufe, zur Verstopfung und Ausfall der Schächte, – mangelhafte Unterhaltung. In den Richtlinien für Entwässerungsanlagen [3.1] – Bahn RiL 836 Modul 836.0801 bis 0803 – Straße RiL RAS-EW – DIN 18 580/DIN 18 630 findet man eine Fülle von Anwendungsbeispielen für die konstruktive Gestaltung. Schwierig wird es immer dann, wenn für einen speziellen Fall oder bestimmte Baugrundverhältnisse eine Lösung gesucht wird. Vor allen Dingen sind konkrete Details zum Funktionsmechanismus in diesen Richtlinien nicht erkennbar. Aus der Sicht der Schadensfälle sollte jeder Planer die allgemeinen Grundregeln, nach denen insbesondere alte, noch bestehende Entwässerungsanlagen zu rekonstruieren sind, kennen. Er muss wissen, wenn er bei einer Wiederherstellung einen Baustoff ändert, dass damit unter Umständen die Funktion in Frage gestellt wird. Es folgen einige Ausführungen zur funktionellen Seite der einzelnen Entwässerungselemente. Die Konstruktion eines Grabens zur überwiegenden Abführung des Oberflächenwassers und geringfügigen Schichtenwassers wird vornehmlich bei sandigem/schluffigem Baugrund angewandt (Abb. 3.55). Die Lösung in Abb. 3.56 für eine Grabenentwässerung ist sinnvoll, wenn mit überwiegendem Oberflächenwasser gerechnet wird und zeitweilig auch gespanntes Wasser aus den Baugrundschichten aufzunehmen ist. Hier sind die Grabenböschungen nur zu halten, wenn ein auf den Baugrund abgestimmter Kiessandfilter entsprechender Dicke und Wabenplatten als Abdeckung zum Einsatz kommen. Die Konstruktion ist geeignet für Sande, schluffige Sande, schwach bindige Böden. Sie verträgt auch leichte Frosthebungen. In Abb. 3.57 wird eine Tiefenentwässerung als Einrohrlösung dargestellt. Es versteht sich, dass hier nur halbgelochte Rohre zum Ein-
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
139
Abb. 3.55 Zulauf des Wassers zu einem Bahngraben
Abb. 3.56 Grabenausbau bei gespanntem Wasser
Abb. 3.57 Verrohrter Graben (teilgelochtes Rohr, Zweistufenfilter)
satz kommen können. Der Filteraufbau muss natürlich an allen Punkten des Wasseraustritts gewährleistet sein. Diese Lösung ist frostsicher herzustellen, denn sie hat für eine permanente Abführung zuströmenden Schichtenwassers zu sorgen, insbesondere im Winter.
In Abb. 3.58 wird die Ausbildung einer Tiefenentwässerung gezeigt, wo es um die permanente Absenkung eines zuströmenden Wasserhorizontes geht, also in sandig/kiesigen oder geschichtetem Baugrund.
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.58 Tiefenentwässerung als Schwerkraftentwässerung
Abb. 3.59 Schema einer Tiefenentwässerung herkömmlicher Bauart als Sauger-Sammler-System
Abbildung 3.59 stellt das klassische System des Sauger/Sammler-Prinzips unserer Väter dar. Der Sauger bestand aus sog. Tonpfeifen, die das Wasser im Baugrund ansaugen. Deshalb wurden diese meist in den anstehenden Baugrund ohne Filter eingebettet. Die Sauger können auch abgewinkelt in das Erdplanum oder den Böschungsfuß gelenkt werden. Bei anstehenden Schichtenwässern sind auch zwei oder drei solcher Sauger nebeneinander, gespreizt oder in verschiedenen Höhen eingebaut worden. Die Nahtstellen dieser Tonpfeifen (ohne Flansch) wurden mit Stroh, Häcksel (Kaff ) als Filter eingebettet, um nur Wasser in das Rohr gelangen zu lassen. Es gilt als erwiesen, dass diese Tonrohre durch ihre hygroskopischen Eigenschaften und die Art der Verle-
gung der Saugerstränge einen Unterdruck entwickeln. Dieser saugt nicht nur freies Wasser, sondern auch Porenwasser aus dem anstehenden Baugrund an. Die Entwässerungsfähigkeit endet etwa bei Fließgrenzen von WL > 30% (schwachbindige bis mittelbindige Böden). Leider wird diese Lösung als technisch überholt angesehen, aber die Praxis beweist etwas anderes. Einen Drainagestrang im Erdplanum, der schon nach kurzer Zeit völlig zugesetzt war, zeigt Abb. 3.60. Die Nahtstellen waren nicht mit einem Filter ausgestattet. Der weiche flüssige Boden wurde mit dem Wasser in das Rohr eingesaugt. Die Ausbildung von Hangrigolen wird in Abb. 3.61 und 3.62 dargestellt. Diese Konstrukti-
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
141
Kiessand polymerer Filterstoff Sickermaterial (Schotter) PVC-H-Rohr voll gelocht Abb. 3.61 Schotterrigole mit PVC-Rohr und Grabenfilter zur Aufnahme kurzzeitig großer Wassermengen (Schluckbrunnen)
Abb. 3.60 Versetzte Tonrohre einer Drainage – nicht gelöstes Filterproblem an den Fugen
Kiessand polymerer Filterstoff WT 5
on, wie die Schotterrigolen früher bei der Bahn sehr beliebt, ist nur kurzzeitig wirksam. Schon beim Einbau des Schotters erhält das Geotextil Risse, die sich durch die Spitzen des Schotters mehr und mehr öffnen. Der anstehende Boden dringt durch diese Öffnungen mit Wasser versetzt ein. Die Rigole ist binnen kurzer Zeit wirkungslos. Man sollte solche Ausbildungen grundsätzlich verbieten. Bei der Konstruktion eines Entwässerungssystems sollte jeder Planer beachten: – die angewandten Filterregeln gelten nicht für alle Bodenarten (nicht für Tone und ähnliche Stoffe, Recyclingmaterialien, Brechprodukte), – das Bevorzugen von Plastmaterialien (Rohre, Schächte) und die Anwendung von Geotextilfiltern erweist sich in der Langzeit bei hohen Beanspruchungen nicht immer dauerhaft funktionstüchtig (Platzen der Schächte bei Frosteinwirkung, Zusetzen der Filter), – bei Aufgaben als Sauger entwickelt ein Plastrohr keinen Unterdruck (Sogwirkung) und arbeitet nur nach dem Schwerkraftprinzip, d.h. die definitive Entwässerung der Böden
Sickermaterial (Schotter)
Abb. 3.62 Schotterrigole mit Grabenfilter
endet bei sandigen, schwach schluffigen Böden, – die Eintrittsöffnungen bei Plastdrainagen werden häufig nicht sauber ausgearbeitet, so dass Verengungen der angegebenen Schlitzweiten festzustellen sind. Dabei sind erhebliche elektrostatische Aufladungen häufig die Ursache dafür, dass ein Wassertropfen erst bei einem gewissen Überdruck in das Rohr eintritt, – auch langzeiterprobte Materialien können bei falscher Verwendung sehr schnell versagen, z.B. die beliebten Schotterrigolen oder Tonpfeifen ohne Filterschutz an den Stoßstellen.
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Sonderlösungen der Entwässerung bei stark kalkhaltigen bzw. zur Verockerung neigenden Böden Kalkablagerungen in Entwässerungsleitungen Im Norden Berlins, am Außenring bei Birkenwerder, wurde in den sechziger Jahren ein Einschnitt mit anstehendem Tonmergel verbreitert. Starker Wasserandrang machte den Einbau eines leistungsfähigen Sauger/Sammler-Systems nach Abb. 3.59 notwendig. Schon ein Jahr danach stellte sich das teilweise Versagen des Entwässerungssystems ein. Die Untersuchung ergab, dass die Sauger durch weiße Kalkfahnen völlig und die Sammler erheblich versetzt waren. Zuerst wurde eine Freispülung ein Mal pro Jahr vorgenommen, aber die Ursache nicht beseitigt. Untersuchungen der zufließenden und abfließenden Wässer ergaben, dass die zufließenden Wässer aus Sandschichten des Tonmergels stark kalkhaltig waren und Temperaturen um 6° bis 8 °C bei Eintritt in das Entwässerungssystem hatten. Durch die Luftzufuhr über die Schächte trat eine Erwärmung des Wassers auf seinem Weg ins Drainagesystem über 15 °C im Sommer ein. Die Folge ist das Ausfällen der Kalkanteile und Absetzen an den Wandungen des Entwässerungssystems. Abhilfe kann nur teilweise durch luftdichten Abschluss der Schächte erreicht werden. Eine bessere Lösung zeigt das anschließende Beispiel zur Verockerung. Ein ähnlicher Fall der Ausfällung von „Kalkflusen“ war in Bahnanlagen nahe dem Flughafen Schönefeld bei Berlin 1990 festzustellen. Ursache war hier eine Branntkalkbehandlung des Erdplanums, die eigentlich für den weichen Geschiebemergel zur Tragfähigkeitserhöhung vorgesehen war. Einige sandige Partien wurden in gleicher Weise behandelt. Diese waren aber die Ursache für die Auswaschung der im Sand nicht gebundenen Kalkanteile. Diese wanderten mit dem Sickerwasser in das Entwässerungssystem und versetzten die Sauger. Das Spülen im Herbst jedes Jahres zeigte, dass nach drei bis vier Jahren die Auswaschung des Kalküberschusses aus den Sanden abgeschlossen war.
Verockerung in einem Einschnitt bei Hamburg Ein ca. 15 m tiefer Einschnitt, der in den sechziger Jahren hergestellt wurde, war mit einer leistungsfähigen Tiefenentwässerung ausgestattet. Die Absenkung des Grundwasserspiegels auf 1,50 m unter SO konnte so stabil aufrecht erhalten werden. Schon wenige Jahre später zeigte sich, dass eine rotbraune Verockerung an den Bahngräben und um die Drainagerohre eingetreten war. Der Wasserspiegel stieg bis zum Erdplanum in einigen Bereichen an, die Gleislage war unruhig. Die zu diesem Problem in den siebziger Jahren gehörten Wissenschaftler wiesen nach, dass die Ursache der Verockerung der hohe lösliche Eisengehalt des den Einschnitt zuströmenden Wassers ist. Der Eisengehalt reagiere mit dem Sauerstoff der Luft und verursache die Ausfällung. Filter und Grabenflanken (SE) wurden in den Poren verklebt und damit quasi wasserundurchlässig. Man kam überein, eine Enteisenungsanlage vor Ort aufzubauen und das Wasser chemisch von Eisenanteilen zu befreien. Die technische Umsetzung sah folgendes vor: Über eine Brunnengalerie am Fuß der Einschnittsböschung wurde aus der Hälfte der Brunnen Wasser abgezogen und nach der Enteisenung in die anderen Brunnen zurückgegeben. Nach einigen Tagen wurden die Brunnen getauscht. Etwa ab 1990 zeigte sich bei regelmäßigem Betrieb der Reinigungsanlage: – die Wasseraufnahme in den Brunnen war erheblich zurückgegangen (die Filter waren verockert), – die Rückführung der Wässer war aus gleichem Grund behindert, – die Gleislage war äußerst instabil. Das drückende Wasser stand bereits im Erdplanum bzw. in der PSS. Erdplanum und Teile der PSS waren durch Verockerung völlig verkrustet, – das Entwässerungssystem war ohne Funktion, Wasser trat aus der Böschung des Einschnitts aus.
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
143
3.3.3 Aushub tiefer Baugruben mit Unterwasserbaggerung/Saugwirkung
Abb. 3.63 Auslauf der noch klaren (eisenhaltigen) Wässer der unteren Ebene des Entwässerungssystems. Eintritt der Verockerung durch Luftsauerstoffkontakt erst im offenen Wasser
Die nach zahlreichen Diskussionen gewählte Lösung sah folgendes vor: – Abbau der Enteisenungsanlage, – Stilllegung der Brunnen, – Herstellung eines zweigeteilten Entwässerungssystems. Die untere Drainage führt das eisenhaltige Wasser bei verhinderter Luftzufuhr über die Längsentwässerung zu einem Auffangbecken in der Nähe des Auslaufes der Tiefenentwässerung am Einschnittsende. Das Oberflächenwasser fließt in eigenem Rohrsystem dem Auffangbecken zu. Ein auszutauschender Flächenfilter am Zugang zum Auffangbecken sollte die Verockerungsprodukte abfangen. Die Baumaßnahme wurde bis zum Jahr 2000 realisiert und ist bis heute voll funktionsfähig. Die Gleislage ist sehr gut. Die Kosten der Beseitigung der Auswirkungen der Verockerung (Erhaltung) sind auf weniger als 1/10 (nur noch Filteraustausch notwendig) gegenüber der alten Lösung gesunken.
Die Herstellung tiefgegründeter Bauwerke (Hochhäuser, Tiefgaragen, Verkehrsbauwerke) wurde in der Vergangenheit häufig in trockener Baugrube mit Hilfe von Grundwasserabsenkungen realisiert. Die dabei entstehenden Nebenwirkungen können in naheliegenden oder auch entfernteren Bauwerken erhebliche Schäden anrichten. Entscheidend sind die Baugrundverhältnisse, die Grundwasserstände und die Tiefe der Baugrube. Ein spektakuläres Beispiel war der Abriss des alten Friedrichstadtpalastes nördlich der Spree, nahe dem „Berliner Ensemble“, in den 70er Jahren als Folge der Baumaßnahme am Charite-Hochhaus. Die notwendige Verstärkung einiger Brücken und Stadtbahnbögen im Bereich der Stadtbahn waren ebenso die Folge des langzeitigen Absenkens des Grundwassrspiegels im Zentrum Berlins. Die Auswirkungen gerade im Berliner Urstromtal mit den sehr unterschiedlich reagierenden Sanden und Kiesen, organischen bzw. organisch durchsetzten Sanden sowie großen Dichteunterschieden sind je nach Gründungsart der Altbauten folgende: – Setzungen und Risse in Gebäuden, verursacht durch sinkenden Auftrieb, dem eine Lasterhöhung entspricht, – Beschädigung von Dichtungen durch unterschiedliche Setzungen, – freiliegende Köpfe von Holzpfahlgründungen werden der Fäulnis ausgesetzt. Die Folge sind Setzungen und Risse in der Bebauung. Die massiven Schäden führten zu einer Verschärfung der Anwendungsbedingungen für Grundwasserabsenkungen und einer Wiederbelebung der „Nass-Bagger-Verfahren“ mit strengen Auflagen zum Wassermanagement. Aber auch bei solchen Anwendungen zeigen praktische Beispiele, dass die Qualität des herzustellenden Aushubplanums sehr unterschiedlich sein kann. Die Ursachen solcher Mängel,
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
die meist mit Störungen im Bereich der Baugrubensohle verbunden sind und damit unerwartete Setzungen der Gründung verursachen, lassen sich wie folgt beschreiben: – In der Baugrube wurde in der Aushubphase nicht immer ein höherer Wasserstand als das aktuelle Grundwasser am Bauwerk garantiert. Die Folge ist, dass der Druckausgleich sich über die Sohle entwickelt. – Der Aushub erfolgt nicht lagenweise, sondern in unterschiedlichen Abbauhöhen. Die Entlastungsvorgänge verursachen Hebungen in unterschiedlichen Größen und führen zu Störungen der Baugrundstruktur. – Beim Absaugverfahren mit Schwimmbagger wird nicht auf eine dauerhafte Arretierung des Saugkopfes in konstanter Höhe zur Absaugfläche geachtet. Die Regulierung der Stärke der Ansaugwirkung wird nicht auf den jeweiligen Aushubboden angepasst. – Vorkehrungen zur Verhinderung der Auflockerungserscheinungen bei Erreichen der vorgesehenen Aushubebene werden nicht getroffen.
Zum besseren Verständnis werden die Vorgänge bei Aushubarbeiten in einer gefluteten Baugrube näher beschrieben (s. Abb. 3.64 und 3.65). Im Regelfall besteht das Baggergut einer im Berliner Urstromtal liegenden Baugrube aus Sanden, die aber bei großen Baugruben und beträchtlicher Aushubtiefe in vielfältigen Erscheinungsformen vorgefunden werden. Nur bei Bohrungen mit durchgehendem Bohrkern (Schlauchkernverfahren) und damit weitgehend ungestörter Probenahme kann man die Unterschiede optisch oder mit einer Schlämmanalyse herausarbeiten. Die Geologie spricht von Schluffsanden, Schluffen, Mehlund Dünensanden, Fein-, Mittel-, Grobsanden. Während Schluffe in relativ dichter Lagerung angetroffen werden, sind Mehl- und Dünensande durch sehr geringe Lagerungsdichten charakterisiert. Die Mehl- und Dünensande haben eine geringe Korngröße und Gleichkörnigkeit (U < 2). Dadurch sind sie besonders empfindlich gegen Wasserströmungen und schwämmen auf. Die Einzelkörner lösen die Kontaktspannung und gehen in den Schwebezustand über. Sie bilden eine starke Wassertrü-
Abb. 3.64 Auflockerung bei längerer Standzeit in der Baugrubensohle, z.B. bei Verzögerung des Betonierens der Unterwasserbetonsohle (UWBS)
3.3 Gründung von Erdbauwerken auf tragfähigem Baugrund
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Abb. 3.65 Vorschlag für schonenden Abtrag und Schutz der Baugrubensohle durch ein filterstabiles Kiespolster
bung und setzen sich erst nach völliger Wasserberuhigung als schwebender Schlamm ab. Das von unten über die Baugrubensohle eindrückende Wasser wird in Bereichen mit größerer Durchlässigkeit, z.B. Kiessanden (SE) mit kf d 10-3 m/s, in größerer Menge aber geringerem Druck einsickern. Bei Sanden mit großen Schluffkornanteilen (SU) mit kf d 10-5 m/ s wird der Strömungsdruck sich verstärken. Durch solche Vorgänge entstehen Verwirbelungen und Ausspülungen, die zur Auflockerung der Bodenstruktur bis in große Tiefen führen können. Die Auflockerungen bedeuten Tragfähigkeitsverlust, d.h. ein Absinken der Steifeziffer und damit höhere Setzungen nach Belastung, die sehr ungleichmäßig sein können. Die Aufgabe des Ingenieurs ist es, solche Vorgänge rechtzeitig zu erkennen und unverzüglich Gegenmaßnahmen einzuleiten. Dies
beginnt bei den Festlegungen zur konstruktiven Ausbildung der Sohle mit der Formulierung wichtiger Grundsätze zur Technologie. Ein Beispiel einer solchen Lösung zeigen die Abb. 3.64 und 3.65. – Der Unterwasser-Bodenabtrag wird in gleichmäßigen Schichten von max. 1–1,5 m Dicke über die gesamte Baugrube vorgenommen. Es erfolgt eine ständige Kontrolle der Saugwirkung, die Arretierung des Saugkopfes auf eine festgelegte Höhe und regelmäßige Kontrolle des Materialauswurfs im Spülfeld. – Die letzte Schicht über der geplanten Baugrubensohle von ca. 1 m wird unter besonderer Aufsicht vorsichtig abgetragen. Parallel dazu wird die beräumte Fläche mit einem filterstabilen Kiessand U > 6 und guter Durchlässigkeit kf t 10-4 m/s abge-
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
deckt. Der anfangs noch trockene Kiessand wird mit einem senkrecht geführten Rohr eingebracht. Die Kiesverteilung erfolgt ähnlich der Betoneinbringung. – Bei Arbeitsunterbrechung müssen teilberäumte Flächen zwischenzeitlich mit Kiessand abgedeckt werden. Der entstehende Verlust an Kiessand steht in keinem Verhältnis zu dem sonst entstehenden Schaden. Diese Art der Herstellung hat neben einer hohen Qualität der Baugrubensohle den Vorteil, dass der nachfolgende Betoniervorgang durch das Kiespolster eine wesentlich gleichmäßigere Dicke der Unterwasserbetonsohle (UWBS) ermöglicht und über die Fläche gleichgroße Setzungen zu erwarten sind. Das aus dem Untergrund zuströmende Wasser kann durch die Filterstabilität der KiessandAbdeckschicht ungehindert in die Baugrube eintreten, ohne dabei Feinteile mitzuführen. Die in Abb. 3.65 dargestellte höhere Lage der Kiesfilterschicht soll deutlich machen, dass diese in das Tragschichtsystem einbezogen werden kann (Berechnung und Wirkung eines Kiespolsters).
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund 3.4.1 Allgemeine Grundlagen bei der Bewertung der Bahndämme auf wenig tragfähigem Baugrund Bei den meist mehr als 150 Jahre bestehenden Erdbauwerken der vorwiegend zweigleisig ausgebildeten Bahnkörper in Deutschland sind die Aufschüttungen über den ausgedehnten Moorfeldern in Überschüttungs-/Verdrängungsverfahren ohne jegliche Verdichtung vorgenommen worden. Ihr jetziger Zustand ist als „schwimmender Damm“ zu bewerten, weil eine Berührung der Schüttmassen mit dem tragfähigen Untergrund kaum erreicht wurde,
d.h. kein Reibungsschluss besteht. Dabei ist im Regelfall eine relativ gute Konsolidierung der organischen Schichten unter der Dammkrone vorhanden. Die Bereiche der Randzonen vom Dammfuß bis zur Böschungsaufstandsfläche sind wegen ihrer geringeren Konsolidierung (fehlende Auflast) und der horizontalen Verdrückung ursächlich für die lang anhaltenden Setzungen und horizontalen Verschiebungen der Bahnkörper verantwortlich (s. Abb. 3.77). Die in den meisten Fällen vorgesehenen Geschwindigkeitserhöhungen bis derzeit 250 km/h erfordern die Aufweitung der Radien und Anhebung der Gradiente der Strecke. Dies bedingt, dass einseitige oder zweiseitige Bermenschüttungen unterschiedlicher Breite an bestehende „schwimmende Erdbauwerke“ notwendig sind. Dazu kommt die Erhöhung der Belastungsparameter (Achslast). Bei solchen Baumaßnahmen sind i.d.R. zusätzlich gefordert: – Aufrechterhaltung des zweigleisigen Bahnbetriebes, – zeitweilige Einschränkungen der Zuggeschwindigkeit (La) sind möglich, müssen aber langfristig geplant werden, – einseitige Gleissperrungen sind zu Zeiten eines beruhigten Verkehrs bei entsprechender Planung möglich, – die durch die Bauarbeiten verursachten Veränderungen am Oberbau müssen planbar sein und dürfen sich in keinem Falle in einer Havarie, d.h. einer Vollsperrung auswirken. Bei den zu planenden Projekten in Deutschland muss mit Moorschichten in einzelnen Rinnen bis ca. 25 m gerechnet werden. Dabei ist die Mächtigkeit der Torfschicht max. 4– 5 m (s. Abschn. 3.4.2), aber der Rest wird aus Faulschlamm, Wiesenkalk und anderen Muddearten gebildet. Diese Böden waren in letzter Zeit häufig Ursache für Grundbrüche bzw. fließähnlicher Erscheinungen, d.h. der Zerstörung der natürlichen Schichtenstruktur und seiner Konsistenz mit der Folge von Streckensperrungen. Die Ursache ist in der Erzeugung kritischer Porenwasserdrücke durch
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
– die dynamische Anregung des Zugbetriebes, – den dynamischen Einfluss aufgrund des Einsatzes von Baumaschinen mit Vibrationstechnik, – die Anwendung ungeeigneter Baumethoden und Technologien, – Einflüsse außerhalb des Baufeldes zu sehen. Die Schwachpunkte sind das Nichterkennen kritischer Bauzustände, Übergänge verschiedener Baumethoden, falsche Materialauswahl, konstruktive Fehler und Mängel in der Bauausführung. Die Abwendung solcher Gefahren kann nur durch ein funktionstüchtiges Kontroll- und Überwachungssystem in den einzelnen Bauphasen gewährleistet werden. Dies ist zum Bestandteil der Planung zu machen und wird für solche Schwierigkeitsgrade der Baugrundverhältnisse Grundvoraussetzung für die Genehmigung der Verfahrensweise. Eine funktionale Ausschreibung verbietet sich i.d.R. in Anbetracht der notwendigen gründlichen Vorbereitung solcher Maßnahmen. Es sei denn, der Auftraggeber hat das Baugrundrisiko ausreichend abgeklärt. Die Auswertung solcher Gründungsschäden ist die wichtigste Voraussetzung für die Verbesserung der Vorbereitung derartiger Vorhaben, denn diese schwimmenden Dämme nehmen in der Schadensstatistik einen großen Raum ein. Dazu zählen Dämme, die sowohl auf organischen als auch auf weichen schluffig-tonigen Böden ohne „Reibungsschluss“ gegründet sind. Ähnliche Schadensbilder sind bei gesättigten, lockergelagerten, gleichkörnigen, schwachschluffigen Sanden festzustellen. Diesen schwimmenden Gründungskonstruktionen der Erdbauwerke sind folgende Erscheinungsformen gemeinsam: – sie reagieren bei Belastungsveränderungen, insbesondere jedoch bei dynamischen Anregungen, – Grundwasser- bzw. Schichtenwasserschwankungen verändern das stoffliche Verhalten, – die in der Bodenmechanik allgemein angewandte Theorie des „elastisch-isotropen
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Halbraums“ ist nur noch bedingt zutreffend. Weil solche Böden zeitweilig anders als sog. mineralische Böden reagieren, sind die Verformungswerte meistens wesentlich größer: – gemessene Setzungen übertreffen häufig um mehr als 100% die nach der Theorie von Bussinesq/Steinbrenner/Fröhlich berechneten Werte, – die tatsächlichen Bruchfiguren bei einer Grund- oder Böschungsberechnung sind meist nicht identisch mit den nach Fellenius/Sior berechneten Formen der kritischen Gleitlinie.
3.4.2 Die Entstehung der Moore und die bautechnische Nutzung ihrer Eigenschaften In zahlreichen Publikationen werden Moore oder Moos (wie die Bayern sagen) mit geheimnisvollen Ereignissen in Zusammenhang gebracht. So berichtet die Presse am 25.11.2004 „Versunkenes Pferd aus Moor gerettet“ von Rettungsaktionen zur Befreiung einer Stute oder am 21.06.2005 „Das Mädchen aus dem Moor“ von einer Moorleiche in Niedersachsen als archäologische Sensation (Alter: 650 v. Chr.). Verfolgt man alte Berichte, so waren beim Bahnbau in den Gründerjahren nach 1835 ganze Fuhrwerke in Moorflächen versunken. Aber auch in den Kriegsjahren sind entgleiste Loks in tiefen Moorsenken verschwunden. Bei Bauarbeiten in solchen Moorgebieten ist deshalb eine Technologie des Überbauens zu entwickeln, die die natürlichen Eigenschaften solcher Moore nutzt, um Erdbauwerke mit hohen Qualitätsansprüchen überhaupt errichten zu können. Die Geologie der eiszeitlich geprägten Moorniederungen in Deutschland ist durch eine weitgehend ebene Oberfläche gekennzeichnet. Demgegenüber ist der tragfähige Horizont des Untergrundes mit einer stark welligen Struktur ausgebildet. Diese weisen Hauptrinnen in den
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3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Moorfeldern und flachere Nebenrinnen mit steil aufragenden Sätteln aus. In den Eiszeiten schoben Gletscher tiefe Rinnen in den Untergrund, die an den Verkehrswegen in Deutschland bis 30 m mit steil aufsteigenden Flanken bis 45° ausgebildet sind. Daraus sind wichtige Konsequenzen abzuleiten: – das Erkundungsraster muss in solchen Bereichen < 15 m Abstand haben, wenn das Zentrum einer Rinne zielsicher erkannt werden soll – es muss schweres Bohrgerät an den Bohrpunkten aufgestellt werden können, d.h. man benötigt eine Arbeitsschicht, die die Standsicherheit des Bohrgeräts gewährleistet, – da Moorflächen häufig im Herbst und im Frühjahr unter Wasser stehen, nutzt man nach Möglichkeit stärkeren Frost und stellt die Bohrtechnik auf entsprechende Paletten oder schüttet eine Arbeitsschicht auf die gefrorene Oberfläche, die man im Sommer für die Bohrarbeiten nutzt.
Die Festigkeit der Oberfläche eines Moorfeldes ist von seiner Entstehung und seinem Alter abhängig (s. Abb. 3.66). Der untere Teil ab ca. 4–6 m von der Oberfläche der Rinne besteht aus Sinkstoffen, die keinerlei Zusammenhalt haben. Diese Stoffe werden den sog. Mudden zugeordnet und haben zum Teil recht unterschiedliche Zusammensetzungen (Wiesenkalk, Klei, Seeton). Sie sind äußerst schwingempfindlich und nehmen bei solchen Einflüssen schnell eine flüssige Konsistenz an. Das hat zur Folge, dass diese Stoffe durch ihre Neigung zum Fließen häufig der Auslöser für Grundbrüche sind. Die Konsequenz ist, die Vibration für Rammvorgänge auszuschließen bzw. den Vibrationseinfluss von Baugeräten möglichst klein zu halten. Eine Kontrolle solcher Vorgänge ist notwendig (Porenwasserdruckmessungen). Die Torfschichten der Niedermoore wachsen vom Rande mit der Auffüllung zur Mitte einer Rinne. Die Dicke der Torfschicht hängt von den Lichtverhältnissen ab, die ein Keimling der verschiedenen Schilfgewächse benö-
Schilfgewächse Seggen Bruchgehölze (Erlen, Weiden …)
Torf, wenig zersetzt 4–5 m
hoher organischer Anteil (Glühverlust) hohe Wassergehalte (50 bis 5000 %)
Torf, stark zersetzt Faulschlamm
geringe organische Anteile hoher Schluffkornanteil relativ hoher Kalkanteil (Plankton, Schalentiere, Pflanzenreste, Sinkstoffe, aus Schluff und Ton)
Mudde Klei Seeton
< 60°
45° mineralischer Boden (tragfähiger Boden)
Abb. 3.66 Querschnitt durch ein Nieder- oder Flachmoor
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
149
zuströmendes Wasser
Niederschlag Entspannungsdom
Mudde kf = 10–7 – 10–10 m/s v (F/M) Sande kf = 10–4 – 10–5 m/s (SE/SU)
Mudde
Moordicke
Torf Torf –5 –7 (HN/HZ) kfv = 10 – 10 m/s
Wasserdruck
Überdruck
Versickerung
Sande
Abb. 3.67 Schematische Darstellung der Wirkung eines Entspannungsdomes im Moorfeld
tigt. Dies sind etwa 4 m Wassertiefe. Die sich nach dem Absterben umlegenden Halme des Schilfes bilden eine Art Bewehrung der Torfschicht. Die Überquerung einer Moorfläche nach Abtrag der Torfschichten ist nicht möglich. Hingegen kann die Torfschicht durch gleichmäßige Auflast als tragende Matte als Fahrfläche genutzt werden. Dennoch muss man mit Unstetigkeitsstellen in solchen Moorflächen rechnen. Eine solche sind sog. Entspannungsdome. Sie lassen sich nach Abb. 3.67 charakterisieren. Die Besonderheit der Hochmoore ist, dass die Versorgung mit Wasser nicht regelmäßig stattfindet und deshalb andere Pflanzen als beim Niedermoor an der Moorbildung beteiligt sind, z.B. Flechten und Moose. Die Festigkeitseigenschaften können gegenüber denen der Flachmoore unterschiedlich sein. Die anzuwendenden Regeln sind dennoch denen der Flachmoore gleichzusetzen. – Moore sind Wasserspender in Trockenzeiten, weil die Moorflächen, bedingt durch die geringe vertikale Durchlässigkeit, kaum eine Versickerung zulassen. Dementsprechend sind solche Niedermoore in Nasszeiten häufig überschwemmt und erfüllen eine wichtige Aufgabe in der Ökologie.
– Entspannungsdome markieren sich in der Moorfläche als wenig bewachsene Fläche oder Wasserlache, deren Begehung durch Mensch und Tier mit einem plötzlichen Einsinken oder Versinken enden kann. – Sie haben sich gebildet als Folge eines permanenten Wasserüberdrucks unter der Moorschicht (s. Abb. 3.67) an Schwachstellen im Bereich von Tiefstellen. Durch das permanente Durchströmen von unten nach oben sind Festbestandteile ausgespült und am Ende eine Füllung des Domes nur noch mit Schwebstoffen übrig geblieben. – Das als Schlamm zu charakterisierende Füllmaterial weist keinerlei Festigkeitsmerkmale im Sinne bodenphysikalischer Bewertungen auf. Der Rand ist im Oberteil relativ fest. – Der Druckausgleich wird, wenn nicht natürlich durch einen Dom, häufig durch Bohrarbeiten künstlich ausgelöst. Der Wasseraustritt erfolgt artesisch mit einer Wassersäule von mehreren Metern und kann Stunden oder Tage andauern. Sanddrainagen regulieren den Wasseraustritt und machen diesen ungefährlich für Erdbauwerke.
150
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.68 Austritt gespannten Wassers ca. 3 m über Geländehöhe bei einem gerade hergestellten Sanddrain
3.4.3 Besonderheiten der Erkundung und Baugrundbeurteilung Einerseits sind Moorflächen schlecht oder nicht befahrbar, manchmal auch nicht begehbar. Bei Beachtung der notwendigen Aufwendungen ist eine langfristig angelegte Vorbereitung die günstigste Lösung, wenn die Forderung nach einer hohen Abbildgenauigkeit des Baugrundes erfüllt werden soll. Letztere wird in hohem Maße beeinflusst durch die vorgesehene konstruktive Lösung: – Pfahlgründungen erfordern eine Genauigkeit der organischen Mächtigkeit von r1 m, da es nur sehr aufwändige Korrekturen gibt, – erdbautechnische Lösungen ermöglichen jederzeit Anpassungen ohne die Gesamtlösung in Frage zu stellen (r3 m der Moormächtigkeit). Deshalb sind erdbautechnische Lösungen häufig die kostengünstigere Variante mit dem geringsten Risiko bei tiefen Moorrinnen. Das setzt aber einen sehr disziplinierten Erdbau in den einzelnen Phasen voraus. Dazu muss auf eine verlässliche Baugrunduntersuchung und umfassende Bewertung der Baugrundschichtungen aufgebaut werden können. Große Erfahrung ist für Planung und Bauausführung glei-
chermaßen eine Grundvoraussetzung. Nachfolgend werden die Mindestanforderungen an die Erkundung und Baugrundbewertung aus praktischer Erfahrung für Arbeiten in Niedermooren genannt: – Erkundungsraster 25 u 25 m, bei Unklarheiten muss eine weitere Verengung erfolgen, – geologische Karten sind Grundlagen der zu erwartenden Schwierigkeiten, aber für eine punktuelle Bewertung nicht ausreichend, – Nutzung sehr trockener Sommer oder kalter Winter, um die örtlichen Bedingungen der Standsicherheit der Bohrgeräte unter Umständen mit Wegbefestigung bzw. Matratzen zu sichern, – Bohrverfahren mit durchgängigen Bohrkernen haben Vorzug vor Einzelprobenahme, – zuverlässige Bodenspezifikation (Ansprache) nach Bodenart (DIN 18 196), Torfe HN, HZ, Mudden/Faulschlamm, – unverzichtbare Bodenkennwerte mit statistischer Absicherung sind Wassergehalt, organische Substanz/Glühverlust, Steifezahl, Reibungswinkel, Korndichte, – Einschätzung der Zeit/Setzung charakteristischer Schichten, Aussagen zu Porenwasserdruckentwicklung unter verschiedenen Belastunsvorgaben,
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
– Entwicklung der Scherfestigkeit nach Vorgabe zulässiger Porenwasserdrücke, – Bewertung der möglichen Veränderungen natürlicher Eigenschaften unter Einfluss von dynamischer Beanspruchung und anderen technologischen Belastungen, – Durchführung von In-situ-Versuchen zur Feststellung der Homogenität der organischen Bildungen als sinnvolle Ergänzung
151
für die klassischen Laboruntersuchungen (Drehsondierungen, Flügelsondierungen). Zwei Beispiele für Erkundungsergebnisse an bestehenden Dämmen, die saniert und ertüchtigt werden sollten, zeigen Tabelle 3.12 (Strecke Berlin–Cottbus (Dahmetal)) und Abb. 3.69 (Strecke München–Salzburg (Zorneding)).
Tabelle 3.12 Wachsende Moormächtigkeit und Neigung des tragfähigen Untergrundes Moorstelle Dahmetal bahnlinks
bahnrechts
km
Anschnitthöhe Dammschulter Neigung Schichtdicke tragfähiger Dammfuß Baugrund
Anschnitthöhe Dammschulter Schichtdicke Dammfuß
53,525
41,90 3,90
41,30 3,40
41,70 1,40
41,60 3,80
53,550
41,30 3,90
38,55 2,20
39,00 2,60
41,20 3,80
53,550
41,30 3,70
38,55 2,20
39,00 2,60
41,20 4,90
53,575
41,10 3,70
39,90 1,90
39,70 2,90
41,00 4,90
53,600
40,80 4,00
39,45 1,80
39,40 1,90
40,00 3,50
53,625
40,90 4,10
39,70 2,00
39,80 1,80
41,00 3,50
53,625
40,90 4,00
39,70 2,00
39,80 1,80
41,00 2,30
53,650
41,00 4,30
39,65 2,30
40,00 2,00
41,00 2,30
53,675
41,00 4,60
38,75 2,30
39,90 2,70
40,90 5,60
53,700
40,60 4,60
37,20 2,50
37,90 4,00
40,80 6,20
53,725
40,60 8,00
38,60 5,10 (o.E.)
37,90 4,30 (o.E.)
41,00 6,20
53,750
41,10 10,00
39,80 6,20 (o.E.)
39,00 5,40 (o.E.)
40,80 5,00
53,775
41,00 10,50
37,30 4,70 (o.E.)
40,50 6,00 (o.E.)
41,00 6,00
53,800
40,60 10,50
36,50 1,20 (o.E.)
37,10 3,00 (o.E.)
41,00 6,00
152 3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Abb. 3.69 Auszug eines Baugrundprofils zu einer Sanddraingründung
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
In Tabelle 3.12 fallen die häufigen Änderungen des Gefälles des tragfähigen Baugrundes und die Dicke der Moorschichten auf. Abbildung 3.69 macht neben der natürlichen Schichtung auch die Brucherscheinungen in der Bauphase der Gründerzeit durch Verdrängungsschüttungen deutlich. Wesentliche Bestandteile der Baugrunduntersuchung neben der klassischen Erkundung sind: – Umweltschäden (Probenahme und Entsorgungsvorschlag), – Munitionsfreigabe, – archäologische Forderungen, – Erfassung der Wasserstände im Baubereich.
3.4.4 Überschütten von Moorflächen mit einer Arbeits- und Filterschicht Neben der technischen Aufbereitung der Baugrundverhältnisse bleiben immer Schwachpunkte im Baugrund verborgen, die natürliche Ursachen haben oder Folge vorangegangener Bautätigkeit (Grundbrüche) sind. Deshalb muss für alle Phasen die Baubegleitung in Form visueller Kontrolle, möglichst mit Messungen in situ (Setzung, Porenwasserdruck) durch erfahrene geotechnische Fachkräfte verbunden werden. Dies gibt die Möglichkeit, Schwachpunkte in den vorgesehenen Schüttflächen rechtzeitig zu erkennen und durch technologische Maßnahmen oder Anpassung der technischen Lösung die Gegensteuerung einzuleiten. Am Beispiel der in vielen Anwendungen erprobten Technologie des Überschüttens der Moorfläche mit Kiessand soll dies dargestellt werden. Dicke der Arbeits- und Filterschicht (A + F) Sie wird im Regelfall mit 2 m festgelegt. Dies wird von drei Faktoren bestimmt: – statische und dynamische Einwirkungen der zum Einsatz kommenden Mechanismen, – Nutzungsdauer der A + F-Schicht und dabei entstehender Setzungen,
153
– Querschnittsfilter für die horizontal abströmenden Wässer. Schüttschema für die Arbeits- und Filterschicht Die Art der Beschaffenheit der oberen, meist mit Gräsern und Buschwerk bewachsenen Schicht entwickelt bei Belastung meist eine sehr starke Initialsetzung (Ausblasen von Luft/ Gasen und Wasseraustrieb). Deshalb sollte der Vortrieb der Sandschicht nur mit leichten Planierraupen nach Abb. 3.70 erfolgen. Die erste Schüttlage sollte 0,5 m betragen, die Planierraupe darf nicht über die Schüttkante hinausfahren. Diese Lage darf nicht von Transportfahrzeugen befahren werden. Die zweite Lage sollte ebenfalls 0,5 m nicht überschreiten und immer ca. 15 m Rückstand zur Spitze haben. Aufschüttungen durch gummibereifte Transportfahrzeuge (Niederdruckreifen) dürfen nicht höher als 0,5 m sein. Der Vortrieb parallel zur Längsachse muss an der Außenkante beginnen und hier stets um einige Meter zur Mitte der Aufschüttung vorauseilen. Dadurch wird verhindert, dass sich ein Grundbruch von der Mitte nach außen entwickeln kann. Ist jedoch ein örtlich begrenzter Grundbruch (z.B. an Wasserstellen) entstanden, ist er von außen nach innen einzuschließen und erst nach Ablauf einer Beruhigungsphase langsam zu verfüllen. Nach Herstellung von 1 m Aufschüttung muss eine Ruhezeit eingehalten werden, um den Abbau des Porenwasserdruckes zu ermöglichen. Danach kann die Schüttung lt. Abb. 3.72 bis zur vollen Höhe der A + F-Schicht fortgesetzt werden. Während der vorgenannten Arbeiten ist eine geschulte geotechnische Fachkraft für die visuelle Kontrolle ständig vor Ort einzusetzen. Besondere Aufmerksamkeit gilt – der Entwicklung der Vor-Kopf-Schüttung und der Randzonen, – den Rissbildungen bzw. Abrissen in den geschütteten Flächen,
154
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
a
b
Abb. 3.70 a Vortrieb der 1. und 2. Schüttlage über eine Moorfläche, b Vortrieb der 1. und 2. Schüttlage (Draufsicht)
Abb. 3.71 Umschließen eines örtlich begrenzten Grundbruchs
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
155
Abb. 3.72 Schüttschema für die Herstellung der Filter- und Arbeitsschicht
– der Entwicklung von nicht auszuschließenden begrenzten Grundbrüchen. Mit Hilfe von Fluchtstangen, Hilfspflöcken und Setzen von Setzungspegeln kann die Entwicklung, insbesondere zur Setzung gut erfasst und bewertet werden.
Abb. 3.73 Abriss einer Teilfläche der Arbeits- und Filterschicht-Maßnahme. Ruhezeit und danach Überschüttung gegen die Gleitlinie
Anforderungen an den Einbau des Erdstoffes unterhalb des Wasserspiegels Die Einhaltung der Materialforderungen nach Tabelle 3.13 und Abb. 3.74 sichert die Funktion der Bauteile bezüglich ihrer Filterstabilität und als tragende Schicht für die Baumaschinen. Durch die Veränderung der Strömungsverhältnisse des Grundwassers in Folge der Konsolidation können z.B. Ausspülungen der Feinteile zu ständigen Setzungen führen. Die gegenseitige Durchsetzung des organischen und des Schüttmaterials wird bei Einhaltung der Materialkennwerte auf ein Minimum begrenzt und verursacht in der Nutzungsphase keine lang anhaltenden Setzungen, wie häufig bei schwimmenden Dämmen. Als Baustoffe sollten nur natürliche Böden, solche mit Rundkorn, zum Einbau kommen, weil nur so die Filterstabilität gesichert werden kann. Die Kornverteilungslinie muss stetig sein, darf also keine Fehlkörnungen aufweisen.
156
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Tabelle 3.13 Materialanforderungen Kennwert
Anforderung
Boden/ Erdstoff
Mittel- bis Grobsand (SI, GI, SW)
Kornverteilung
Korngröße d [mm]
Anteil an der Gesamtmasse
0,2 … 0,6
30 … 60 %
< 0,063
≤ 10 %1x)
Ungleichförmigkeitszahl U U = d60/d10 Durchlässigkeitsbeiwert bei DPr = 95 %
U≥3
10–5 ≤ kv ≤ 10–3 m/s
1x) Nach Erdstoffbezeichnung SI, GI, SW sind nur 5 % zulässig, im Einzelfall 10 %
Verdichtung der Arbeits- und Filterschicht Um den ohnehin kritischen Porenwasserdruck in der Schüttphase nicht weiter zu erhöhen und ggf. einen Bruch zu provozieren, wird auf eine Verdichtung der A + F-Schicht verzichtet. Dies ist deshalb akzeptabel, weil die Setzungen der A + F-Schicht im Verhältnis zu denen der organischen Schichten einen sehr geringen Anteil ausmachen. Belastung der A + F-Schicht Die A + F-Schicht kann für die verschiedensten Arbeitsprozesse genutzt werden: – Arbeitsebene für Baugrundbohrungen, Rammarbeiten; allerdings sind Vibrationsrammen auszuschließen. Keine Konzentration von mehreren Rammen (a t 50 m), – Überfahren von Dumpern mit Niederdruckbereifung ist möglich, jedoch nicht im Randstreifen von 3 m zur nicht überschütteten Moorfläche. Fahrwege müssen gewartet werden (keine tiefen Spurrinnen), – keine punktförmigen Belastungen, z.B. Bodenablagerungen > 1 m Höhe,
Abb. 3.74 Anforderungen für Schüttstoffe unter Wasser als Körnungslinien bzw. Kornband
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
– keine beladenen Fahrzeuge mit laufendem Motor abstellen, – bei Arbeiten an einem in Betrieb befindlichen Bahnkörper sind die Besonderheiten zur Gewährleistung der Sicherheit des Bahnbetriebes (Rammarbeiten im Pilgerschrittverfahren, Entwässerung des Bauabschnittes, Kontrolle von Bruchzonen) festzulegen. Beweissicherung Die Überschüttung von Moorflächen oder anderen Weichschichten verursacht im Randbereich Mitnahmesetzungen aus der sog. Setzungsmulde und möglicherweise Aufwölbungen in den angrenzenden Flächen. Rammarbeiten oder andere Belastungen der Moorschicht können Brucherscheinungen auslösen, die auf angrenzende Verkehrsflächen, z.B. Straßen und Wege oder flachgegründete Bauwerke, Auswirkungen haben. Abzweigende Moorrinnen sind Überträger von Vibrationswirkungen aber auch von Sprengerschütterungen. Häufig sind diese Rinnen überschüttet und bebaut. Lageveränderungen von Druckrohren, Gasleitungen haben in Einzelfällen zu erheblichem Streit und zur Beeinträchtigung der Bauarbeiten bis hin zu erheblichen Mehrkosten geführt. Deshalb liegt es im Interesse des AG, durch ein Beweissicherungsverfahren mittels geodätischer Aufnahme kritische Punkte an Bauwerken und Bauteilen sowie Schwachzonen laut geologischer Karte vor Baubeginn aufzunehmen und je nach Erfordernis in der Bauphase zu kontrollieren.
3.4.5 Analyse der Schäden schwimmend gegründeter Bahndämme Nach RiL 836.04 Punkt 5 – Gebrauchstauglichkeit – sind Grenzmaße, die sich aus der Lage des Oberbaus ableiten, für die Notwendigkeit von Sanierungs- oder Ertüchtigungsmaßnahmen nicht angegeben. Der planende Ingenieur und der Baugrundgutachter suchen vergeblich nach klaren Maßbeziehungen wie
157
Achslast, Geschwindigkeit, geplanter Unterhaltung, Erhöhung der Anforderungen. So muss man konstatieren, dass es keine Einheitlichkeit bei der Bewertung eines Zustandes von Dämmen in Moorgebieten, der Ursache und deren Sanierung bzw. Ertüchtigung gibt. Dementsprechend ist die Zahl fehlerhafter Anwendungen bautechnischer Lösungen nicht selten. Dem Verfasser ist es gerade bei diesem Kapitel unverständlich, warum die Verfahrensweise der Deutschen Reichsbahn, die noch in der ABest zur DS 836 für den Bereich der ehemaligen DR bis 2000 Gültigkeit hatte, nicht in die RIL 836 aufgenommen wurde. Besseres ist für den Praktiker nicht erkennbar. Der Verfasser hat an dieser Entwicklung mitgewirkt und möchte die genannte Vorgehensweise seinen Lesern vorstellen. Derzeit muss sich jeder nach dem Wesen der Richtlinie selbst ergänzende Entscheidungskriterien für diese spezielle Thematik schaffen. Die folgenden Ausführungen sollen dazu Hilfestellung geben. 3.4.5.1 Ursachen der Schäden an bestehenden Erdbauwerken Bei der Bewertung von bestehenden Erdbauwerken der Deutschen Bahn, die i.d.R. in der Gründerzeit der Strecken um 1850 in Moorgebieten entstanden sind, ist festzustellen: – Die Qualität des Erdkörpers ist nicht nach den Regeln der Technik heutiger Prägung entstanden. – Weder das Schüttmaterial noch die Geometrie des Gründungskörpers genügen heutigen Anforderungen. – Der Zustand der Gründung hat sich mit der Größe der Beanspruchung (Achslast, Geschwindigkeit) und der Geometrie (Gleisabstand von 2,70 m o 4,30 m) allmählich bei viel Unterhaltung durch die Bahn angepasst oder auch durch Schäden zur Sanierung geführt. Ein Merkmal für die seit dem Bau eingetretenen Setzungen ist die Lage von alten Bettungskiesschichten im Erdbauwerk, in die zur Gründer-
158
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
zeit der Oberbau, wie heute mit Schotter, eingebettet war. Bei Erkundungsarbeiten findet man den charakteristischen Fall: – die organischen Schichten sind stabil geblieben und haben nur Setzungen und horizontale Verschiebungen erlitten, die aber nie zur Ruhe gekommen sind, – die Schüttung hatte den Charakter einer Verdrängungsschüttung, die Schichten sind von Sandeinlagerungen durchbrochen und bilden so einen äußerst inhomogenen Baugrund, – die Randzonen und die Schichten unter den Böschungsflächen sind nur teilweise konsolidiert, siehe Abb. 3.75, – durch die dynamischen Beanspruchungen wird der Kapillarsaum wegen der Bodenarten SE/SU unter den Gleisen angehoben und mindert die Tragfähigkeit des Tragschichtsystems, – durch den sich ausbildenden Porenwasserüberdruck im Unterbau als Folge der Zugbefahrung wird eine nach außen schiebende Kraft wirksam (Nachweis durch Porenwasserdruckmessungen), die einen Wasserüberdruck darstellt, der zum Austrieb von Wasser mit Feinteilen führt. Da die horizontale Filterstabilität Sand (SU/ SE) zum organischen Material nicht gegeben ist, werden permanent Feinteile aus dem Dammkörper ausgespült. Diese Feststellung wird dadurch untersetzt, dass bei Probenahmen im angrenzenden unvermischten Torf (sonst Vgl t 80%) der organische Anteil bis zu 30% vom natürlichen Material abweicht und in gleicher Schichthöhe Vgl < 50% beträgt, – bedingt durch die Ausformung eines geneigten tragfähigen Horizonts in der Eiszeit haben Verkehrsdämme im Querschnitt häufig unterschiedliche Setzungen und – wie Abb. 3.76 zeigt – eine permanente Verschiebung der Bahnachse, die sich durch Richtungsänderung und stärkere Setzung des Außenstranges äußert.
Im Beispiel der Abb. 3.76 ist zusätzlich ein alter Bruch aktiv, der zur Befürchtung eines Abrisses führen muss. Hier genügt ggf. der Einsatz von Vibrationstechnik bei Erhaltungmaßnahmen, um den Bruch auszulösen. Welche Schlussfolgerungen sind zu ziehen? – An kritisch zu bewertenden Bauabschnitten, die man gut an häufigen Unterhaltungsmaßnahmen oder La-Stellen erkennt, müssen das Verhalten des Oberbaus (Festpunkte am Gleis) und des Erdbauwerkes (Setzungs-/Verschiebungspegel) durch geodätische Messungen über mindestens zwei Jahre überprüft werden (überwachter Zustand). – Im Ergebnis der genannten Beispiele muss eine Planung einsetzen, die die Ursachen beseitigt. 3.4.5.2 Bildung von Bewertungskriterien Das Schwergewicht der geotechnischen Bewertung „schwimmender Dämme“ bei der Vorbereitung von Baumaßnahmen muss auf die Beantwortung folgender Fragen gerichtet werden: – Verformungen (Setzung und horizontale Verschiebung), – Standsicherheit, Istzustand in allen Bauphasen, – Schwingstabilität im Anfangs- und Endzustand. Schwimmend gegründete Erdbauwerke nehmen in der Schadensstatistik einen Spitzenplatz ein, sofern sie über keine Fußsicherung (Reibungsschluss) verfügen (s. Abb. 3.77 bei Beachtung der unterschiedlichen Konsolidierungsgrade). Neuerdings sind dies nicht nur solche in Moorgebieten, sondern auch auf weichen schluffig-tonigen Böden. Ähnliche Schadensbilder sind bei gesättigten, lockergelagerten, gleichkörnigen, schwachschluffigen Sanden festzustellen, die man auch als Setzungsfließen bezeichnet. Diese schwimmenden Grün-
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
159
Aufwölbung
Charakteristische Verformung derSchienen
Wassersättigung
Kapillarsaum
Dammschüttung (SE/SU)
u
ba
b ka
uc
Dr
organischer Baugrund (Torf, Wiesenkalk) tragfähiger Baugrund
Eindringen des Wasserbodengemisches
Zone mit Porenwasserüberdruck und Verflüssigungserscheinungen
Hauptrichtung des Porenwasserdruckabbaus
Abb. 3.75 Anhebung des Kapillarsaumes bei flachen Bahndämmen durch den Verkehr und die Ausbildung der Porenwasserüberdrücke, verbunden mit horizontalem Materialtransport
160
3 Eisenbahndämme und Einschnitte 82 75 P35
P43 P45
45 P37 Aufschüttung 17
40 18 P10 18 11 P12
8 17 8 12
km 53,775 Co – Bln.
P23 P25
Bln. – Co Pegel
Aufwölbung
3m HN
10 m
OKG
3m HZ
ien
lin Bruch
SE/SU
F/HZ 1 : 4,5
F
SE
tragfähiger Baugrund SE
Drehpunkt
Abb. 3.76 Baugrundquerschnitt Dahmetal und die Verformungen des schwimmend gegründeten Erdbauwerkes
Bahnachse ursprüngliche Planungsbreite < 4 m Böschungsaufsteilung 1:1,5 Bettungskies/Schotter
Setzung nach Inbetriebnahme
Schüttmaterial
Setzung
GOK
SE/SU/SO
Torf/Mudde
nicht konsolidiert
wenig konsolidiert
konsolidiert aus Belastungseinfluss
wenig konsolidiert
nicht konsolidiert
Abb. 3.77 Zustand schwimmend gegründeter Bahndämme nach langjähriger Nutzung mit den unterschiedlichen Konsolidierungsgraden
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
dungskonstruktionen der Erdbauwerke haben folgende Erscheinungsformen gemeinsam: – sie reagieren bei Belastungsveränderungen, insbesondere jedoch bei dynamischen Anregungen (Verkehr, Bauarbeiten), – Grundwasser- bzw. Schichtenwasserschwankungen verändern das stoffliche Verhalten, – die in der Bodenmechanik allgemein angewandte Theorie des „elastisch-isotropen Halbraums“ ist nur noch bedingt zutreffend. Weil solche Böden zeitweilig anders als sog. mineralische Böden reagieren, sind die Verformungswerte meistens wesentlich größer. Gemessene Setzungen übertreffen in einigen Fällen um mehr als 100% die nach der Theorie von Bussinesq/Steinbrenner/Fröhlich berechnenten Werte. Die tatsächlichen Bruchfiguren bei einer Grund- oder Böschungsberechnung sind meist nicht identisch mit denen nach Fellenius, Sior oder anderen berechneten Formen der kritischen Gleitlinie.
GOK
Verformungen Entscheidend für die Notwendigkeit von Sanierungsmaßnahmen ist der Zustand und die Häufung notwendiger Unterhaltungsarbeiten am Gleis [3.10, 3.11]. Stark beeinflusst wird der Zustand durch den Winkel der Querung des Untergrundreliefs eines Moorfeldes (s. Abb. 3.78). Dazu gab es folgende Überlegungen: Nicht die Größe einer Gesamtsetzung, sondern die relative Setzung zwischen zwei benachbarten Punkten ist maßgeblich. Die gemessene Setzung am Erdbauwerk muss mit Maßen der horizontalen Verschiebung bei Gefahr gekoppelt werden (s. Abb. 3.76). Das Beispiel in Abb. 3.79 zeigt den Grundgedanken der Bewertung des Erdbauwerkes als Hilfsmittel für die Planung der Entwicklung der Gleislage. Es ist unbestrittene Erfahrung, dass das Erdbauwerk früher Setzungen anzeigt als bis sich diese nach Entspannung der Schichten des Tragsystems (PSS und Schotter) am Gleis zeigen. Nach vielen Diskussionen mit Oberbauern hat der Verfasser Anforderungen für zulässige relative Setzungen auf 10 m Länge in [3.11] (Abb. 3.79) definiert und weiterentwickelt, die
Mudde
tragfähiger Baugrund
gespanntes Wasser
Abb. 3.78 Schematische Darstellung des Untergrundreliefs in einem Moorfeld
Nebenrinne
Sattel
Hauptrinne
Oberflächenwasserspiegel
Torf geschlossener Wasserspiegel
161
162
3 Eisenbahndämme und Einschnitte P1
P2
P3
P4
P5
P6
P7
P8
P9
P10
P11
Schüttung
Übergang vom tragfähigen zum weichen Untergrund
organisches Lockergestein
Relief des tragfähigen Baugrundes
∆S1/2 ∆S2/3 ∆S3/4 ∆S4/5
s
∆S8/7
∆S9/8
∆S10/9
∆S11/10
∆S7/6 ∆S6/5
10 m
10 m
10 m
10 m
10 m
10 m
10 m
10 m
10 m
10 m
Abb. 3.79 Gesamtsetzungen und Setzungsdifferenzen des Dammes zwischen den geplanten Terminen der Erhaltungsmaßnahmen des Gleisoberbaus
Tabelle 3.14 Zulässige relative Setzungen an in Betrieb befindlichen Eisenbahndämmen, bezogen auf 10 m Dammlänge zulässige relative Setzungen ∆s mm/Jahr
Art der Strecke Bauzustand1) Hauptbahn3)
V 120 km/h 70–40
Endzustand2)
Bemerkungen
< 40
Abest 1.3.93 (TGL 11482/08) (Punkt 4.6)
Nebenbahn3) V ≤ 180 km/h
150–70
< 70
Abest 1.3.93 (TGL 11482/08) (Punkt 4.6)
Schnellfahrstrecken V = > 160 km/h
–
< 20
DS 836
< 0,44)
Anford. Katalog FF 5/94
Feste Fahrbahn
Erläuterungen nach TGL 11482/08, Pkt. 4.6 1) Bauzustand: Erdbauwerk erleidet Setzungen aus Baumaßnahmen am Eisenbahndamm oder in dessen Nähe 2) Endzustand: Nach Beendigung der Bauarbeiten ausklingende Setzungen 3) Die Festlegungen der zulässigen Fahrgeschwindigkeit erfolgt nicht anhand der an den Setzungsspegeln gemessenen Setzungsunterschiede, sondern aufgrund der tatsächlich auftretenden Veränderungen am Gleis. 4) ∆s = 20 mm bei 50jähriger Liegedauer
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
sich in der Praxis als gutes und zuverlässiges Hilfsmittel für die Vorbereitung von Entscheidungen zur Sanierung bewährt haben. Tabelle 3.14 zeigt den Bewertungsvorschlag (oberer Teil), wie er von der Deutschen Reichsbahn in das Vorschriftenwerk [3.11] aufgenommen wurde. In der ab 1993 geltenden ABest zur DS 836 waren diese Werte für den Bereich der DR weiter gültig mit den Ergänzungen, die in der DS 836 für Schnellfahrstrecken und Feste Fahrbahn gültig waren. Die Weiterentwicklung mit den Erfahrungen mehrerer Bauvorhaben zeigt Tabelle 3.15. Nach diesen empirisch entwickelten Daten kann sich nach Berechnungen der AG entscheiden, ob – die Betriebsführung aufrecht erhalten oder eine Vollsperrung angestrebt wird oder – bei Vorgabe der Bauzeit eine Optimierung von Mindestforderungen der Eisenbahnbetriebsführung mit den Aufwendungen der Gleisunterhaltung für die angestrebte Geschwindigkeit im Bereich einer La-Stelle in Einklang gebracht werden kann. Das vorgestellte System der Setzungsbewertung wurde weiterentwickelt, um aus der Setzungsprognose unmittelbar auf die mögliche Geschwindigkeit des Zugbetriebes zu schließen (Tabelle 3.15). Neben den plastischen Verformungen (Setzungen) spielt die elastische Verformung des Verkehrsweges auf organischem Baugrund eine wichtige Rolle. Sie wird ausgedrückt durch die elastische Einsenkung der Konstruktion beim Befahren und das Zurückfedern in die Ausgangslage. Straßen und Eisenbahn drücken dies indirekt über andere Parameter, wie Tragfähigkeit und Schwingstabilität, aus. Für einen modernen Verkehrsweg wird man die Festlegung einer elastischen Einsenkung (in mm) treffen müssen. Sie würde die Elastizität oder Starrheit eines Systems ausdrücken. Sowohl die Konstrukteure des Fahrweges als auch die Entwickler der Fahrzeuge könnten dadurch einen wichtigen Beitrag zum berechenbaren Fahrkomfort bieten. Auch solche Größen wie der Verschleiß an den Elementen des Fahrweges
163
und der Fahrzeuge könnten wesentlich besser auf die Bedingungen eines hohen Fahrkomforts abgestellt werden. Das größte Problem ist derzeit vor allen Dingen die unterschiedliche Elastizität des Fahrweges in Längs- und Querrichtung (s. auch Abschn. 3.3.2.6). Standsicherheit Den ungünstigsten Fall einer Standsicherheitsbewertung finden wir bei einem weichen Untergrund. Der bautechnische Zusammenhang einer Standsicherheitsbetrachtung wird hergestellt über die von Coulomb und Terzaghi formulierte Grundgleichung der Kräfte entlang einer Gleitlinie mit W = c° + V° tan Mc . Darin ergibt sich die wirksame Spannung zu V° = V – u Der Porenwasserdruck u kann in der Praxis in folgenden Relationen bestimmt werden: absoluter Porenwasserdruck u natürlicher Porenwasserdruck uo wirksamer Porenwasserdruck u° relativer Porenwasserdruck u*. Für die hier anstehenden Fragen der Standsicherheitsbewertung gegen Geländebruch ist der wirksame Porenwasserdruck u° (Unterschied vor Lastauftragung zu betrachtetem Belastungsfall) und für eine Schnellbewertung der relative Porenwasserdruck u* zu beachten. Dabei taucht immer wieder die Frage auf, welche Sicherheitsanforderungen bei Bauzuständen und als Endstandsicherheit zu gewährleisten sind (s. DIN 1054 Pkt. 12.3). Der Porenwasserdruck zeigt uns als komplexe Größe an, welche Einwirkungen von außen auf die weichen Schichten der Gründung des Erdbauwerkes wirksam geworden sind, d.h. statische und dynamische Anregungen/Belastungen. Da der Sicherheitsfaktor erheblich die Wirtschaftlichkeit einer Lösung oder überhaupt die Durchführbarkeit einer Maßnahme beeinflusst, wurde mit Erfolg die in Tabelle 3.16 ange-
164
Tabelle 3.15 Zulässige relative Setzungen am Erdbauwerk und Unterhaltung am Gleis/Jahr (∆s auf 10 m Länge) Bauzustand
Endzustand
∆s zul. mm/Jahr
notwendige Unterhaltungen am Gleis5)
∆s zul. mm/Jahr
notwendige Unterhaltungen am Gleis5)
Hauptbahn3) V 120 km/h
70 bis 40
2 ×/Jahr
< 40
1×
Nebenbahn3) V < 80 km/h
150 bis 70
2 ×/Jahr
< 70
1×
Bemerkungen Abest 1.3.93 (TGL 11482/08) (Pkt. 4.6) Abest 1.3.93 (TGL 11482/08) (Pkt. 4.6) DS 836
Schnellfahrstrecken – 2 ×/Jahr < 20 1× V = 160 km/h – Anforderungen Katalog FF 5/94 Feste Fahrbahn – – < 0,44) Für diesen besonderen Fall der Strecke BAR, km 38,885–39,250/GVZ Wustermark wird folgender Entscheidungsvorschlag für die Bewertung analog Tabelle unterbreitet: Bauzustand Endzustand Strecke BAR Bemerkungen ∆s zul. mm/Jahr notwendige Unter∆s zul. mm/Jahr notwendige Unterkm 38,885–39,295 haltungen am Gleis5) haltungen am Gleis5) Vzul. 140 km/h Vzul. 130 km/h Vzul. 120 km/h Vzul. 100 km/h Vzul. 90 km/h Vzul. 70 km/h Vzul. 50 km/h Vzul. 30 km/h
≤ 50 ≤ 60 ≤ 70 ≤ 100 ≤ 110 ≤ 140 ≤ 180
2× 2× 2× 2× 2× 2× 2×
≤ 30 ≤ 35 ≤ 40 ≤ 50 ≤ 60
1× 1× 1× 1× 1×
Vorschlag6) Vorschlag6) Vorschlag6) Vorschlag6) Vorschlag6)
≤ 250
1) Bauzustand: Erdbauwerk erleidet Setzungen aus Baumaßnahmen am Eisenbahndamm oder in dessen Nähe 2) Endstand: Nach Beendigung der Bauarbeiten ausklingende Setzungen 3) Die Festlegung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit erfolgt nicht anhand der an den Setzungspegeln gemessenen Setzungsunterschieden, sondern aufgrund der tatsächlich auftretenden Veränderungen am Gleis.
4) ∆s = 20 mm bei 50-jähriger Liegedauer 5) Richt- und Stopfarbeiten am Gleisoberbau 6) Übersteigen die Setzungen das geplante Maß, so sind festzulegen: – erhöhte Erhaltungsaufwendungen oder – Herabsetzung der Geschwindigkeit oder – Maßnahmen zur Verringerung der Schüttgeschwindigkeit der Anschüttung
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Art der Strecke
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
165
Tabelle 3.16 Übersicht der technischen Anforderungen für den rechnerischen Nachweis der Standsicherheit schwimmend gegründeter Bahndämme Betrachtungszustand
Merkmal
Technische Forderung
Istzustand
Erdbauwerk ist nach technischen Nach DIN 4084/DIN 1054* Regeln gegründet η ≥ 1,4
Strecke ohne Einschränkungen in Bauwerk ist schwimmend Betrieb gegründet (Bauwerk auf organischen bzw. Weichschichten) Bauzustand mit Einschränkungen für den Zugbetrieb (überwacht)
Bauwerk ist schwimmend gegründet (organische oder Weichschichten) Das bestehende Bauwerk wird durch Schütt-, Ramm-, Rüttelarbeiten oder erhöhte Geschwindigkeit beansprucht. Die Erhöhung des Porenwasserdrucks führt zur Minderung der Standsicherheit Wegen vorhandener Schadensmerkmale (Risse, Setzungen) ist die Geschwindigkeit des Zugverkehrs bereits gemindert
η ≥ 1,1 ≥ 1,4 Anwendung „überwachter Zustand“ nach ABest zur DS 836 v. 03/93 zu S. 27, Abs. 12 η ≥ 1,1 mit direkter Kontrolle des Porenwasserdrucks im kritischen Punkt Grundlage ABest 03/93 zu DS 836
Zeitweilige Überschüttung, seitliche Verbreiterung für eine mit maximalen Einschränkungen schnelle Konsolidierung, für den Zugbetrieb (überwacht) Anwendung notwendiger Rammund Rüttelarbeiten, Flutung oder Absenkung des Grundwasserspiegels, Sprengarbeiten im gleichen Moorfeld, Aufbringung von großen Lasten bei Montagevorgängen u. ä.
η ≥ 1,1 mit Kontrolle des Porenwasserdrucks zur Steuerung der Bauprozesse im Rahmen eines Überwachungssystems (Setzung, Oberbauprüfung, visuelle Kontrolle) siehe ABEst 03/93
Endzustand
Inbetriebnahme ist erfolgt, die Überwachung des Porenwasserdrucks wird fortgesetzt, Zuggeschwindigkeit wird in Etappen auf Sollgeschwindigkeit gebracht.
η ≥ 1,3 mit Kontrolle des Porenwasserdrucks siehe ABEst 03/93
Bauwerk hat volle Betriebsbelastung, keine kritischen Einflüsse aus Bauarbeiten zu erwarten.
η ≥ 1,4 nach DIN 4084/DIN 1054*
Kritischer Bauzustand
(überwacht)
Endzustand
* Die Verfahrensweise der Nachweisführung ist im Vorfeld durch AG und EBA festzulegen, siehe Punkt 12.3 der DIN 1054 mit Stand 01/2003 (Gk 3)
gebene Sicherheitsdefinition in den einzelnen nicht bzw. überwachten Phasen bei Vorhaben der Bahn angewandt. Fehlende rechnerische Sicherheit wird durch permanente Überwa-
chung ergänzt und gleichzeitig werden die Einflussgrößen, wie Dynamik aus Zugverkehr und statische Belastungen, schonend in die weichen Baugrundschichten eingebracht.
166
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Setzungsfließen und Ausbildung kritischer Porenwasserdrücke Schadensfälle beim Abrutschen von Tagebauböschungen in der Lausitz mit riesigen Massenbewegungen haben zu umfangreichen Untersuchungen ihrer Ursachen geführt. Das Ergebnis war, dass die Böschungssysteme sehr wohl den üblichen statischen Berechnungsmethoden genügten, aber dennoch abgerutscht sind. Die Art der Rutschungen wurde von Professor Förster, Freiberg, als Setzungsfließen bezeichnet und nachfolgend definiert: „Setzungsfließen ist die plötzliche Rutschung einer Böschung in Folge Verflüssigung geschütteter, wassergesättigter, sandiger Böden (SE/SU) geringer Lagerungsdichte. Eine Verflüssigung kann als Folge von dynamischen Einwirkungen (Erschütterung, Stoss, plötzlicher Anstieg des Porenwasserdrucks) entstehen“ (s. Abb. 3.80). Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind in einer „Richtlinie für die Verlegung von Verkehrswegen auf Kippen des Braunkohletagebaus“ vom Dezember 1988 festgeschrieben. Setzungsfließgefahr besteht bei folgenden Randbedingungen: – Kornverteilung des Schüttmaterials SE/SU Feinkorn d < 0,063 mm bis 30% Kieskorn d > 2 mm unter 40% – Lagerungsdichte ID < 0,6 – Wasserstandsverhältnis Die Wasserstandshöhe hw beschreibt das Wasserstandsverhältnis. Dabei ist hw zu
hk t 0,2 ausreichend, wenn kein Wasser vor der Kippenböschung steht. Die Trassen der Bahn führen über zahlreiche Niederungen, wo formal eine Setzungsfließgefahr besteht. Deshalb wurden Schadensfälle in neuerer Zeit, die auf solche Situation hindeuten, auch nach den Kriterien des Setzungsfließens bewertet. Es gibt dazu noch keine eindeutigen Hinweise, wohl aber den Verdacht eines Zusammenhanges. Bei einer speziellen Überwachung an einem Eisenbahndamm über einer Kippe, Vorhaben Lohsa bei Hoyerswerda (Sachsen), konnten dazu neuere Erkenntnisse gewonnen werden. Schwingstabilität Für die Gründung der Erdbauwerke auf den genannten Weichschichten sind je nach Geschwindigkeit und Achslast der Züge die Dicken der über diesen Schichten vorhandenen, aus mineralischen Böden bestehenden Abdeckschicht von größter Bedeutung. Der Zug mit möglichen gleichartigen Beanspruchungen (Personenzüge, Güterzüge mit gleichen Wagen und Lasten mit Öl, Erz, Getreide) erzeugen im Baugrund Schwingungen, die sich in elastischen-wellenartigen Verformungen am Gleis während des Befahrens in Längs- und Querrichtung bemerkbar machen. Diese können sich so aufschaukeln, dass der letzte Teil des Zuges im kritischen Falle entgleisen kann. Abb. 3.80 Ausbildung einer Verflüssigungszone durch dynamische Anregung, z.B. Zugverkehr
Bauwerk
Auflast kleiner als Porenwasserdruck σP ≤ σVG
Bauwerkslast größer als Porenwasserdruck σP ≥ σVG
verflüssigter Boden
Auflast kleiner als Porenwasserdruck σP ≤ σVG
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
167
Tabelle 3.17 Beurteilung der Auswirkungen von Weichschichten im Untergrund Fall 1
Fall 2
Fall 3
Fall 4
kritisch*
unkritisch
kritisch
kritisch*
Überdeckung >2,0 m
Überdeckung >2,0 m
Überdeckung <2,0 m
Überdeckung <2,0 m
Torf > 0,5 m
Torf < 0,5 m
Torf > 0,5 m
Torf < 0,5 m
Planum
Beurteilung der Auswirkungen von Weichschichten (z. B.Torf im Untergrund * ggf. Entscheidung im Einzelfall nötig! In kritischen Bereichen Amplitude und Frequenz der Resonanzschwingungen messen! Bei Überdeckung ≥ 4,0 m sind keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten.
Die Bahn hat in ihren Informationen dazu kritische bzw. unkritische Fälle der Schwingstabilität definiert, s. Tabelle 3.17. Nach der Publikation [3.12] der Deutschen Bundesbahn-BZA werden folgende Erscheinungen bei Erreichen der kritischen „Schwingungen“ beschrieben: – Schotter entmischt sich, – elastische Verformungen im rhythmischen Takt entstehen, – Schotter vor Schwellenkopf verflacht sich, der Kopf ist zum Teil freigelegt. Als Ursache wird die Erreichung der Eigenfrequenz des organischen Bodens angegeben. Der Einfluss des Porenwasserüberdrucks wurde nicht gemessen. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die Kriterien nach Tabelle 3.17 nicht ausreichen. Sie müssen mit Überlegungen zur Erhöhung der Trägheit des Erdbauwerkes (Bermenschüttung) ergänzt werden. Es sind auch Erklärungen darüber zu finden, inwieweit die Eigenfrequenzen der organisch-weichen Schichten, die in der Literatur mit 8 bis 20 Hz angegeben werden, durch technische Vorgänge am Erdbauwerk oder in der Nähe (Rammarbeiten, Sprengungen, Verdichtung) trotz Vermeidung der genannten Frequenzen dennoch zur Anregung des Untergrundes führen. Ergebnisse aus Porenwasserdruckmessungen belegen, dass nicht die Frequenz einer Maschine, sondern die Größe und Art der Energieeintragung für solche Schäden an Erdbauwerken
verantwortlich sind. Deshalb soll durch Messungen in verschiedenen Stadien der Bauausführung ein Vergleich der o.g. Parameter erfolgen und mit den Ergebnissen aus Porenwasserdruckmessungen kombiniert werden. In den letzten Jahren gibt es Versuche, die „dynamische Stabilität“ eines auf weichem Baugrund gegründeten Dammes zu bewerten. Dazu werden die Parameter Schwinggeschwindigkeit, Schwingbeschleunigung, Frequenz und Verformungsgrößen bei Versuchsabschnitten gemessen. Andere Verfasser haben theoretische Überlegungen mit zum Teil nicht akzeptablen Erkenntnissen geführt. Die in der RiL 836 unter 836.0402 vorgesehene Aufnahme eines Berechnungsverfahrens ist wegen fehlender Erfahrung ausgesetzt worden. Eine Anwendung solcher Bedingungen im speziellen Fall wird dennoch befürwortet. Filterstabilität Lange Jahre hatten die Fachleute der Bahn keine Erklärung dafür, warum eigentlich nach Abschluss der Konsolidierungssetzungen an Erdbauwerken aus den Lasterhöhungen bei den genannten Weichschichten die Setzungen nie aufhörten (Sekundärsetzungen). Praktische Beispiele belegen, dass die permanente Anregung durch die Dynamik des Verkehrs auch eine horizontale Komponente im weichen Medium Weichschicht ausbildet und ein Feinkorntransport mit dem seitlich abfließenden Wasser verursacht wird. Deshalb ist es
168
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
von großer Bedeutung, wie die Schüttmaterialien für solche schwimmenden Gründungen ausgewählt werden und wie im Wirkungsbereich der horizontalen Spannungen das große Porenvolumen der organischen Schichten durch Konsolidierung filterstabil ausgebildet werden kann (s. Abb. 3.75 und 3.77), zum Thema Materialanforderungen bei Unterwassereinbau s. Tabelle 3.13 und Abb. 3.74. Die vorgeschlagene Materialqualität wurde bei Bauvorhaben der letzten 40 Jahre mit vollem Erfolg als besonders geeignet herausgearbeitet.
3.4.6 Wahl der Sanierungs- und Ertüchtigungsmethode bei Arbeiten an in Betrieb befindlichen Bahndämmen auf weichem Untergrund Die RiL 836 unterscheidet Reparaturen zur Aufrechterhaltung des bisherigen Belastungszustandes und die Maßnahmen zur Ertüchtigung bei Veränderung des bisherigen Belastungszustandes (Geschwindigkeit, Achslast, dynamische Einflüsse). Im Lauf der technischen Entwicklung des Bahnverkehrs haben sich schleichend höhere Beanspruchungen durch neue Triebfahrzeuge (Dampflok, Diesellok, E-Lok) eingestellt, die Zuglasten wurden erhöht und dementsprechend die Bremskräfte. Gerade die weichen Böden des Untergrundes haben durch ein erhöhtes Schadensaufkommen in Form von Setzungen und Verschiebungen am Bahnkörper reagiert. Die „statischen“ Veränderungen werden erfasst und bewertet, aber der Kennwert mit der höchsten Aussagekraft bei weichem Untergrund – die elastische Verformung – wird nicht gemessen. Der erfahrene Oberbaufachmann nimmt diese „federnde“ Verformung wahr, aber er hat in der RiL keinen Vergleichsmaßstab um eine eventuelle Gefahr zu bewerten. Jeder Fachmann erkennt in einer Moorstelle, dass dem Zug eine Verformungswelle vorausläuft, deren Energie erst an Stellen mit festem Untergrund, z.B. einem Überweg zu Lasten der Gleislage, vernichtet wird. Die Messungen des Poren-
wasserdrucks an in Betrieb befindlichen Bahndämmen im Moorgebiet zeigen an, dass eine solche Schubwelle im Untergrund mit dem Zug das Moorfeld durchläuft. Diese durch den Porenwasserdruck in einem „nicht elastisch isotropen Halbraum“ angezeigten horizontalen Belastungswirkungen werden bei statischen Überlegungen (z.B. zum Verfahren Rüttelstopfsäulen) bisher noch nicht berücksichtigt. Meines Erachtens ist dies die Ursache der aufgetretenen Schäden bei dieser in letzter Zeit stark propagierten Art der Untergrundsanierung in Moorgebieten. Die Bewältigung einer Reparatur oder Ertüchtigung ist in den Aufwendungen bezüglich der Maßnahmen der Gründung kaum zu unterscheiden. Die Kriterien zu einer solchen Prognose sind bisher meist die Berufserfahrung mit empirisch entwickelten Hilfsgrößen zu den Auswirkungen auf den Oberbau. Wenn die langwierig erprobten Hilfsmittel keine Anwendung finden in den Richtlinien der Bahn und auch keine Verbesserung der Systematik angestrebt wird, muss man Fehlschläge bei der Anwendung der Sanierungsmaßnahmen in Kauf nehmen. Vieles kann man durch ein wirksames Überwachungssystem erkennen, ergänzen, verändern, aber das Gesamtkonzept muss erfüllbar sein. 3.4.6.1 Konstruktive Hinweise zur Gestaltung der Erdbauwerke auf setzungsempfindlichem Baugrund Entscheidend für den Erfolg einer solchen Baumaßnahme ist, ob das Baugrundprofil in Längs- und Querrichtung ausreichend erkundet und die anstehenden organisch-weichen Bodenschichten in ihrem Verhalten ausreichend beschrieben sind (Beispiel siehe Tabelle 3.12 und Abb. 3.76). Der Baugrundgutachter muss alle Fragen umfassend beantworten, die die Gebrauchsfähigkeit des Erdbauwerkes beeinflussen können. Der zu erarbeitende Katalog von Antworten wird durch Tabelle 3.2 in den Schwerpunkten zur geotechnischen Beurteilung der
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Erdbauwerke deutlich. Die Planung muss die im Baugrundgutachten erarbeiteten Randbedingungen mit der Gesamtlösung und den technologischen Abhängigkeiten verbinden. Neben den Konstruktionselementen eines normalen Erdbauwerkes sind bei schwimmenden Dammgründungen zusätzlich zu beachten: – Materialauswahl für Dammpartien, die durch Setzung im Endzustand unterhalb des Wasserspiegels bzw. des Kapillarsaumes liegen (s. Tabelle 3.13, Abb. 3.74), – technologische Festlegungen, die eine Überforderung des labilen Baugrundes bei der Herstellung von Sanddrains, textilummantelten Sandsäulen, Rüttelstopfsäulen o.ä. verhindern; Grundbrüche müssen ausgeschlossen werden, – mögliche Verdrehung des Dammes oder Gefahr des Abgleitens bei geneigtem tragfähigem Baugrundhorizont (Beispiel s. Abb. 3.76), – Breitenzuschlag im Planum, der bei Überschreitung von berechneten Setzungen dennoch eine ausreichende Erdkörperbreite garantiert, – Setzungsunterschiede in Längsrichtung in einer langgezogenen Mulde auszugleichen (s. Abb. 3.79), – den Schüttprozess nach max. zulässigen Grenzwerten des Porenwasserdrucks zu steuern und gleichzeitig durch eine zeitweilige Überschüttung die Vorwegnahme von Setzungsgrößen zu erzwingen und nachteilige Auswirkungen für den Verkehr in der Nutzungsphase vermeiden (s. Beispiel Abb. 3.103), – Überwachungssystem vorsehen, was eine Steuerung der technologischen Abläufe sichert, die Qualität gewährleistet und die Sicherheit der angrenzenden Verkehrsträger nur im zulässigen Rahmen beeinflusst (Schüttschema, Setzungs- und Porenwasserdruckmessungen). Die Erdbauverfahren bei organischem Baugrund lassen sich unterteilen in die Austauschverfahren:
169
– Vollaushub der weichen organischen Schichten je nach Moormächtigkeit und Wasserandrang, – Teilaushub in Form von Reibungsfüßen oder Drainagestreifen (max. Moortiefe ca. 7 m) als Nassbaggerung oder mit Vorschubkasten, – Verdrängungsschüttung (nur Neubau), – Schüttsprengverfahren (nur Neubau) bzw. die Verfahren mit Belassen der weichen Schichten (schwimmender Damm): – Auflastschüttung, – Sanddraingründung mit Auflastschüttung. Als Sonderlösung werden angewandt: – Moorbrücken, – Pfahlkonstruktionen mit Geokunststoffbewehrung, – Fräs-Misch-Injektionsverfahren (FMI-Verfahren). Für Neubauten sind alle Verfahren denkbar, wenn dafür die Bedingungen vor Ort gegeben sind. Bei der Reparatur bzw. Ertüchtigung bestehender Erdbauwerke, die keine Sperrung der Gleise zulassen, haben sich folgende Verfahren wegen ihrer Anpassungsfähigkeit aus den Vorgaben bzw. Grenzen der Unterhaltung der befahrenen Gleise besonders herausgebildet: – Teilaushub von Reibungsfüßen als Nassbaggerung oder mit Vorschubkasten (Mächtigkeiten bis max. 6 m), – Sanddrainverfahren mit Auslastschüttungen bei Moortiefen > 6 m. Andere Verfahren haben bisher bei Anwendung nicht vertretbare Mehrkosten und Betriebsstörungen hervorgerufen. Der Verfasser kann aufgrund seiner Erfahrungen den Verfahren FMI, pfahlartige Konstruktionen mit geotextilbewehrter Abdeckung, wie sie in der RiL 836.0502 und auch in Abb. 3.1 und 3.2 dargestellt sind, bei Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebes keine Anwendungsempfehlung für Strecken der Deutschen Bahn in Moorbereichen aussprechen. Die
170
Tabelle 3.18 Beispiel für die Überschüttung einer Moorfläche mit der Anwendung von vertikalen Sanddrainagen (Schüttschema) Schütt- und Liegezeiten
Nr.
Dicke (m)
Schütt- 1 höhe (m)
2
2 4
F1
0,5
0,5
F2
0,5
1,0
F3
0,5
1,5
F4
0,5
2,0
S1
0,2
2,5
S2
0,5
3,0
S3
0,5
3,5
S4
0,5
4,0
S5
1,0
5,0
S6
1,0
6,0
S7
1,0
7,0
S8
1,0
8,0
S9
1,0
9,0
S10
1,0
10,0
S11
1,0
11,0
S12
1,0
12,0
3
6 8
8
Herstellung der Sanddrains
Schüttlage
10.1.98 10.2.98 10.3.98 10.4.98 10.5.98 10.6.98 10.7.98 10.8.98 10.9.98 10.10.98 Datum
4
10 12
5
14 16
6
18 20
7
22 24
8
26 28
9
30 32
10
34 36
11
38 40
42 44
12
46 48
Monate Wochen
Die tatsächlichen Schütt- und Liegezeiten sind an die Entwicklung des Porenwasserdrucks (Standsicherheit) aufgrund sehr inhomogener Baugrundverhältnisse anzupassen. Die Freigabe hat für jede Schicht zu erfolgen (BÜ). Eine Verkürzung ist möglich bei Disziplin aller Beteiligten. Bei Grundbrucherscheinungen ist die Schüttung zu unterbrechen. Die Schüttungen dürfen in keinem Fall überschritten werden. Erprobtes Schüttschema bei anderen Projekten
Schüttung nach Steuerung mit Porenwasserdruckmessung
(Einpassung per 10.12.97)
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
10.12.97
Liegezeit
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Begründung ist bei der Beschreibung der Verfahren zu finden. 3.4.6.2 Vollaushub der Weichschichten Nach vorliegender praktischer Erfahrung ist der Vollaushub organischer oder anderer Weichschichten bis 15 m Mächtigkeit bei Neubauten unter Nutzung von Wasserhaltungen möglich. Bei Arbeiten im Reparatur- bzw. Programm von Ertüchtigungsmaßnahmen ist wegen der Empfindlichkeit der schwimmenden Dämme durch ungleichmäßige Setzungen bei Wasserspiegelabsenkungen und die Auswirkung auf die Lagestabilität des Oberbaus ein Vollaushub im Bereich der Verkehrsfläche nicht zu empfehlen. Für Neubaumaßnahmen im Bereich von Moorflächen sind folgende Anwendungen als BaggerSchütt-Verfahren möglich (s. auch Abb. 3.81): – Befahrbarkeit der Moorflächen ist durch die Aufbringung einer Arbeits- und Filterschicht zu ermöglichen (s. Abb. 3.70a und b); Baggertiefen bis 5 m, – Baggerstandort auf der Aushubfläche mit Wasserhaltung in der Aushubzone (Söffelpumpe) erlaubt; Baggertiefen bis 7 m, – Grundwasserabsenkung/Wasserhaltung je nach Baggerstandort bis 10 m, – Schwimmbaggereinsatz bis 15 m. Als Ergänzungsmaßnahme für das Entfernen zufließender organischer Stoffe ist eine Verdrängungsschüttung von einem mittigen Kerndamm notwendig, – Verdrängungsschüttungen bei Randlage an Seeufern mit Mächtigkeiten t 10 m [3.11] wurden mit Erfolg angewandt (Tiefwarensee und Schweriner See), – Schüttsprengverfahren [3.11]; Anwendung im Autobahnbau/Eisenbahnbau in den 30er Jahren. Ein Erfolg ist wegen der großen organischen Einschlüsse im Gründungskörper nur bedingt eingetreten (Nachsetzungen, Brucherscheinungen an Schwachpunkten, z.B. westlicher Berliner Außenring). Bei den genannten Verfahren des Bodenaustausches sind die Qualitätsanforderungen in
171
der Planungsdokumentation festzuschreiben. Die Ausbildung des Dammfußes zeigt Abb. 3.85. Bedingt durch die Grauverfärbung in der Grenzzone der Sande und der Mudde ist ein Mehraushub von 0,5 m angeraten. Wenn grauer Talsand im Aushub erkennbar ist, ist die organische Schicht beseitigt. Der Massenmehraushub in der Baugrubensohle ist im Vertrag zu vereinbaren. Er beträgt je nach Wasserandrang 10% bis 30%. Der Reibungsschluss im Bereich der Dammfüße und die Menge der Einschlüsse im Schüttkörper sind zu vereinbaren; einen Vorschlag zeigt Abb. 3.86. Der Nachweis des Reibungsschlusses und der Dicke der Einschlüsse sollte mit Hilfe von Rammkernsondierungen bis 1 m in den tragfähigen Baugrund geführt werden. Die Qualität des Verfüllmaterials sollte den Anforderungen nach Abb. 3.74 in jedem Falle genügen. 3.4.6.3 Reibungsfüße Die Deutsche Reichsbahn hat in Moorgebieten, soweit der Verfasser Einblick in diese Baumaßnahmen hatte, schätzungsweise von 1960 bis 1990 mindestens 150 km Bahnstrecke mit Reibungsfüßen stabilisiert. Die Anwendungsgrenzen lagen bei etwa 5 m Moormächtigkeit. Nach RiL 836.0502 ist die Herstellung von Reibungsfüßen nicht besonders erwähnt, wäre aber dem Bodenaustauschverfahren zuzuordnen. Dieses Verfahren gilt als Stand der Technik. Eine Regelausbildung verschiedener Anwendungen im Norden Deutschlands zeigt Abb. 3.87. Wesentlich ist, dass der Reibungsfuß als Stütze des Böschungsfußes wirkt und die Druckausbreitungslinie bei Arbeiten am nicht gesperrten Gleis nicht unterschneidet. Reibungsfüße werden i.d.R. dann angewandt, wenn – die rechnerische Standsicherheit des Erdbauwerkes nicht gewährleistet ist, – Setzungsfließen befürchtet werden muss,
172
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.81 Baggerschüttverfahren – Schwimmbaggereinsatz (Bodenaustauschverfahren)
a
Voll- bzw. Teilaushub ohne Wasserhaltung
Bagger mit Greifer/Schaufel auf Arbeitsschicht
b Bagger mit Greifer/Schaufel auf Verfüllung
c Schwimmbagger mit Eimerkette, evtl. Greifer/Schaufel
Voll- bzw. Teilaushub mit Wasserhaltung
d offene Wasserhaltung Bagger mit Greifer/Schaufel auf Teilverfüllung
e Vollaushub bei Grundwasserabsenkung, Bagger mit Hochlöffel auf tragfähigem Baugrund
unmaßstäblich
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
173
Annahme der Abstützung 45°
Aufhebung der Gleissperrung setzt volle Verfüllung voraus
Abb. 3.82 Systemskizze für Aushubarbeiten am zeitweilig gesperrten Gleis
Abb. 3.83 Baggerarbeiten am Dammfuß der zweigleisigen Strecke BAR 11/92 mit Sperrung des zugewandten Gleises
Abb. 3.84 Nicht ausgesprengte Moorrinnen (1964) führen zu unterschiedlichen Setzungen am Gleis und zu Geschwindigkeitsbegrenzungen
– die Setzungen eine weitgehende Konsolidierung der organischen Schichten im Dammzentrum, nicht aber auf dem Randweg und der Böschung anzeigen, dennoch aber schleichende Setzungen in Folge fehlender horizontaler Filterstabilität, insbesondere zu feuchten Jahreszeiten entstehen (s. Abb. 3.75 und 3.77),
– Geschwindigkeitserhöhungen geplant sind, die zu einer Verstärkung andauernder Setzungen führen würden, – die Schwingstabilität nicht gegeben ist, – die elastischen Verformungen für den Oberbau zu hoch sind, – die Moormächtigkeit d5 m beträgt.
174
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
OFG
technisch-technologisch bedinger Mehraushub
1:
Torfmudde β tragfähiger Baugrund
1:
n
m
Dammschüttung
Erdstoffaustausch
ψ theoretischer Böschungsfuß Erfahrungswerte
0,5 m
β ~ 45° ψ 1 : 1,5 –1 : 2 je nach Verfüllmaterial
Abb. 3.85 Ausbildung des Dammfußes beim Bagger-Schüttverfahren
h2
t
h1
H
⭌2m
Abb. 3.86 Zulässige Einschlüsse organischer Böden nach [3.10]
Reibungsschluss
tragfähiger Baugrund
t = Mächtigkeit der organischen Schicht H = Höhe der Verfüllung + Dammhöhe h = Summe aller Einschlüsse organischer Lockergesteine h = h1 + h2 … hn ⬉ hzul in einer Schnittebene ⬉ 0,1 H
Im Grunde genommen handelt es sich bei der Anlage von Reibungsfüßen um einen Teilaushub im Bereich der schwimmenden Gründung des Erdbauwerkes. In der Regel wird der Reibungsfuß bei organischen, tonigen Böden beidseitig angelegt, weil damit folgende Effekte sichergestellt werden: – gleichmäßiges Ausklingen der Restsetzungen, insbesondere der Schichtteile im Bereich des weniger konsolidierten Böschungsfußes und damit Vermeidung der für einen Verkehrsweg kritischen Verdrillungen der Gleise,
– Abbau des sich unter dem Verkehr ausbildenden Porenwasserdrucks einschließlich der Absenkung des erhöhten Kapillarsaumes, – Harmonisierung verschiedener Wasserstände entlang der Trasse, – der Fahrbetrieb kann je nach Wahl der Technologie mit verminderter Geschwindigkeit oder nur kurzzeitiger Sperrung (tiefere Rinnen > 5 m) gewährleistet werden, – im Endzustand wird die Standsicherheit garantiert. Mit einem wirksamen Überwachungssystem können die kritischen Bauzustände in der Bauphase beherrscht werden.
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Alte Böschung 45° Dicke der organischen Schichten
zu planende Aushubtiefe
Zusätzliche Auflast (Sandschüttung)
Gleissperrung oder La-Stelle < 30 km/h
Neue Böschung Schüttmaterial (SE/SU) Druckausbreitungslinie nach RiL 836 0300
Stützlinie der b Böschung
b
175
a kritische Gleitlinie 60°
60° 0,5 m
Torf Mudde
45° tragfähige Baugrund
Abb. 3.87 Herstellung eines Reibungsfußes bei Schotteroberbau. a Austritt der kritischen Gleitlinie bei Fehlen der zusätzlichen Auflast nach Vibrationswirkungen, b Rechnerischer Verlauf der Gleitlinie
Die Ausbildung des Reibungsfußes ist abhängig vom Verfahren des Bodenaustausches, wie – Vorschubkasten, – Spundwandkasten, – Nassbaggerung. Die konstruktive Ausbildung des Böschungsfußes muss folgende Gesichtspunkte gewährleisten (s. Abb. 3.87): – Aus der Standsicherheitsberechnung ergibt sich die Breite des Reibungsfußes und die notwendige Materialqualität (s. Abb. 3.74 und Tabelle 3.13). – Die größte Wirksamkeit des Reibungsfußes wird erreicht, je mehr er unter die bestehende Böschung geschoben werden kann. Wenn der Fahrbetrieb auf dem Erdbauwerk gewährleistet werden muss, so darf die Druckausbreitungslinie nach Abb. 3.87 während des Aushubs nicht unterschritten werden. Andererseits muss die sog. Stützlinie der Altböschung im Austauschbereich liegen (1 : 1,5 bis 1 : 2). – Die rechnerisch nach den Bedingungen des elastisch-isotropen Halbraumes ermittelte Gleitlinie (Abb. 3.87) ist nicht immer iden-
tisch mit der im Schadensfall. Die wirkliche Gleitlinie wird beim visko-plastischen Zustand der organischen Schichten den kürzesten Weg durch den Reibungsfuß suchen. Deshalb wird die bessere Einbindung des Reibungsfußes in das Erdbauwerk durch eine zusätzliche Auflastschüttung erreicht. Diese erhöht nicht nur die Standsicherheit, sondern auch die Schwingstabilität durch die gewachsene Steifigkeit (Trägheit des Erdbauwerkes). – Die durch eine umfassende Erkundung ermittelte Aushubkubatur muss um einen Mehrbetrag von 0,50 m an der Sohle des Reibungsfußes vergrößert werden. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der visuellen Überwachung des Mooraushubs. Erst wenn der unmittelbar unter den Torfen oder der Mudde anstehende „graue Talsand“ vom Bagger gefördert wird, gilt der Aushub an dieser Stelle als erreicht. – Der Aushub der organischen Böden kann bei den genannten Anwendungen (überwiegend Torfe) mit einem Winkel von 60° für die Baugrube in den Anschlussbereichen kurzzeitig abgeböscht werden.
176
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Bauausführung bei einer Nassbaggerung (preiswerteste Methode). Die rechnerische Sicherheit sinkt beim Unterschneiden der Böschung unter einen Wert von K < 1. Theoretisch ist dieser Fall nicht zulässig. Hier muss die Erfahrung die Wege aufzeigen. Dies beginnt mit einer gut geplanten Technologie. Hier ist die Trägheit von Boden und Wasser durch Schnelligkeit und Zuverlässigkeit der Abläufe beim Aushub und Verfüllvorgang zu nutzen. Danach haben sich folgende Prinzipien entwickelt (s. Abb. 3.88): – Der Aushub erfolgt stets gegen die Gleitlinie, also von außen nach innen in schmaler Baugrube (s. Abb. 3.89). – Es wird in einem ersten Schritt nur der Teil der Baugrube ausgehoben, der oberhalb des Wasserspiegels liegt. – Bei Auftrieb oder gespanntem Wasser unter der Sohle wird im zweiten Schnitt nur knapp über der Aushubsohle (–0,5 m) abgetragen. – Erst dann wird die Sohle beräumt und unverzüglich die Wiederverfüllung mit vorgehaltenem Material nach Abb. 3.74 vorgenommen. Das aufströmende Wasser kann sich entspannen, ohne dass sich ein hydraulischer Bruch ergibt, d.h. die Auflockerung der Sohle erfolgt nicht. – Bei Arbeitsunterbrechung ist die Baugrube (Schlitz) zu schließen.
– Setzungsmessungen an Setzungspegeln deuten durch Zunahme der Setzungsgeschwindigkeit an, wo sich ein solcher Schwachpunkt entwickelt oder wie er sich entspannt. – Sandbänder zeigen Brüche oder starke Setzungen einschließlich der Bewegungsrichtungen durch Einzelrisse, Staffelrisse oder Abrisse an. – Senkrecht und in Längsrichtung ausgerichtete Fluchtstangen deuten horizontale Verschiebungen an.
Diese Maßnahmen erfordern ein diszipliniertes Handeln aller Beteiligten. Da aber ein kleiner Bruch wegen vorher nicht erkennbarer Inhomogenität von vornherein nicht ausgeschlossen werden kann, müssen Möglichkeiten für das rechtzeitige Erkennen einer solchen Situation geschaffen werden. Ein Überwachungssystem nach Schema (s. Abb. 3.89), welches von einem erfahrenen Geotechniker im Auftrag des Auftraggebers und ebensolchen erfahrenen Aufsichtskräften des Auftragnehmers örtlich praktiziert wird, hat sich an mindestens 15 Anwendungen bei der Bahn bewährt:
Beispiel mit Ergebnissen Bei einem praktischen Beispiel, Strecke Berlin–Cottbus, wurden die Auswirkungen des Einsatzes eines Vorschubkastens in den Jahren 2003/2004 im Ergebnis der Setzungsmessungen auf dem Randweg bei Moortiefen von d5,50 m Setzungen von max. 20 mm im Zeitraum von fünf Monaten gemessen (s. Abb. 3.90). Seit dieser Zeit sind die Setzungen am Gleis abgeklungen. Zuwächse liegen im Bereich der Messgenauigkeit, d.h., die Anordnung von Reibungsfüßen hat die schleichenden Setzungen vor der Sanierung (ca. 20 mm/Jahr) beseitigt. Die Standsicherheit ist gewährleistet.
Aus den genannten Vorwarnungen kann man notfalls durch sofortiges Verfüllen mit bereit liegenden Ersatzmassen die Gefahr eines größeren Abbruchs verhindern. Die in einem sog. Überwachungsprojekt zusammengestellten Maßnahmen und Handlungen enthalten auch Festlegungen zu: – Verhalten bei einer Havarie, Sperrmaßnahmen und die zur Verfügung stehenden Informationssysteme, – Einleitung von Sanierungsmaßnahmen am Erdbauwerk bzw. am Oberbau der Fahrbahn, wenn diese betroffen sind. Natürlich sind diese Festlegungen mit allen Beteiligten im Voraus abzustimmen und müssen die Genehmigung der für die Sicherheit verantwortlichen Stellen vor Beginn der Bauarbeiten beinhalten.
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund 177
Abb. 3.88 Vorschlag für Ablauf der Baggerarbeiten am Dammfuß (Prinzipskizze)
178
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Abb. 3.89 Anordnung der Kontrollsysteme beim Bodenaustausch im Nassbaggerverfahren
Randweg bahnrechts
53.3+19,9 / P 67.05 / RW-re
0 mm -2 mm
53.3+44,9 / P 76.06 / RW-re
-4 mm -6 mm
53.3+69,9 / P 85.06 / RW-re
-8 mm
53.3+95,3 / P 94.06 / RW-re
-10 mm -12 mm
53.4+20,8 / P 103.06 / RW-re
-14 mm -16 mm
53.4+45,6 / P 112.06 / RW-re
-18 mm
Herstellung Reibungsfuß
-20 mm
53.4+70,9 / P 121.06 / RW-re 22.06.2004
15.06.2004
08.06.2004
01.06.2004
25.05.2004
18.05.2004
11.05.2004
04.05.2004
27.04.2004
20.04.2004
13.04.2004
06.04.2004
30.03.2004
23.03.2004
16.03.2004
09.03.2004
02.03.2004
24.02.2004
17.02.2004
10.02.2004
03.02.2004
27.01.2004
20.01.2004
13.01.2004
06.01.2004
30.12.2003
23.12.2003
16.12.2003
09.12.2003
02.12.2003
25.11.2003
18.11.2003
11.11.2003
04.11.2003
-22 mm
Randweg bahnlinks
53.3+20,5 / P 68.01 RW-li
0 mm -2 mm
53.3+45,1 / P 76.01 RW-li
-4 mm -6 mm
53.3+69,7 / P 85.01 RW-li
-8 mm -10 mm
53.3+95,5 / P 94.01 RW-li
-12 mm
53.4+20,7 / P 103.01 RW-li
-14 mm -16 mm
53.4+46,0 / P 112.01 RW-li
-18 mm
Herstellung Reibungsfuß
-20 mm
Abb. 3.90 Zeit-Setzungslinien am Reibungsfuß
22.06.2004
15.06.2004
08.06.2004
01.06.2004
25.05.2004
18.05.2004
11.05.2004
04.05.2004
27.04.2004
20.04.2004
13.04.2004
06.04.2004
30.03.2004
23.03.2004
16.03.2004
09.03.2004
02.03.2004
24.02.2004
17.02.2004
10.02.2004
03.02.2004
27.01.2004
20.01.2004
13.01.2004
06.01.2004
30.12.2003
23.12.2003
16.12.2003
09.12.2003
02.12.2003
25.11.2003
18.11.2003
11.11.2003
04.11.2003
-22 mm
53.4+71,0 / P 121.01 RW-li
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
179
Abb. 3.91 Mooraustausch im Bahnkörper mit Vorschubkasten
a
b
In den Jahren 1995/1996 erfolgte der Einsatz des Vorschubkastens (VMG) an der Strecke Berlin–Hamburg zwischen den Stationen Nauen und Berger Damm (km 36 bis 43) an beiden Gleisen (s. Abb. 3.91). Die Moormächtigkeit wechselte zwischen 3 bis 6 m. Mit Hilfe der Schwerter konnte der Vollaushub auch an den Moorstrecken mit 5 bis 6 m, die als kurze Rinnen zu überwinden waren, erfolgen. Der Einsatz des Vorschubkastens verlief ohne Komplikation. Die Qualität ist durch eine einwandfreie Gleislage über mehr als 10 Jahre auch nach Steigerung der Zuggeschwindigkeit auf 230 km/h überzeugend. Interessant ist dabei ein Vergleich mit der Lösung Rüttelstopf-
säulen mit Geotextilabdeckung, die im Nachbarabschnitt im großen Umfang bei gleichen geologischen Bedingungen angewandt wurde [3.17]. Schon drei Jahre nach den Sanierungsmaßnahmen gab es Probleme in der Gleislage und zunehmend elastisch plastische Verformungen. Der Ausbau einer Vielzahl der Säulen erfolgte bereits in den Jahren 2002 bis 2004 (s. auch Abschn. 3.4.6.8) An der Strecke Berlin–Hamburg im Bereich Schwanheide, km 233, war die Herstellung eines Reibungsfußes an beiden Gleisseiten vorgesehen. Die Moormächtigkeit betrug 3 bis 6 m. Zum Schutz der Dammgründung sollte eine Spundwand in der Bauphase in Teilab-
180
3 Eisenbahndämme und Einschnitte gesperrtes Gleis
befahrenes Gleis
Bruchzone
Reibungsfuß GOK
Spundwand einvibriert und gezogen
Bruchkante 7/94 Gleitlinie nach Ziehen der Spundwand
6,0 m
Torf t=5–6 m org. Schicht Mudde (Wiesenkalk)
tragfähiger Baugrund technologisch bedingter Mehraushub vertikale und horizontale Verformungen am Randweg bis 0,5 m
Abb. 3.92 Schaden bei Reibungsfußherstellung durch Dammfußsicherung mit Spundwand und Einsatz einer Vibrationsramme
schnitten eingebaut werden. Zum Einsatz kam eine Vibrationsramme. Nach Austausch des Bodens wurde die Spundwand wieder mit Vibration gezogen, s. Abb. 3.92. Während dieser Arbeit zeigten sich bereits Risse in Böschung und Randweg des Bahndammes. Nach dem Ziehen der Spundwand entwickelte sich ein Bruch mit mehreren Phasen bis zum Abriss des Bahnkörpers in Gleismitte. Das gesperrte Gleis hing in der Luft. Das Gleis wurde erst ein Jahr später wieder befahren, die La im befahrenen Gleis dauerte mehr als ein Jahr. Ursache des enormen Schadens war die Verflüssigung der organischen Stoffe (Mudde/zersetzte Torfe) in Folge der durch Vibration erzeugten kritischen Porenwasserüberdrücke. Zur Sanierung wurde der Querschnitt nach Abb. 3.93 ausgebildet. Die Befahrung erfolgt jetzt mit 240 km/h. Der Damm zeigt ein stabiles und weitgehend schwingungsfreies Verhalten.
Die Querschnittsausbildung nach Abb. 3.94 ist bei weiteren Moorstellen mit Erfolg angewandt worden. Wesentlich dabei ist die Durchsetzung eines Überwachungsprogramms durch versierte Fachkräfte nach dem in Abb. 3.89 dargestellten Kontrollsystem. 3.4.6.4 Kasten- oder Rohraustauschverfahren Hierbei handelt es sich um den punktuellen Austausch einer Weichschicht durch Stahlrohre (Ø 1,20 m bis 1,50 m) oder Stahlkästen. Die Rohre werden durch starke Vibratoren bis zum tragfähigen Baugrund eingetrieben. Die meist organischen Schichten werden durch entsprechende Schalengreifer ausgeräumt und danach mit durchlässigen verdichtbaren Böden verfüllt. Durch Reihung dieses Vorgangs kann über eine große Fläche der Bodenaustausch vollzogen werden, s. Abb. 3.95.
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund gesperrtes Gleis befahrenes Gleis 2,0 m
181
Abb. 3.93 Profilausbildung nach Abschluss der Sanierungsarbeiten
lei
tlin
ie
Anschüttung
k ri
t. G
1,0–2,0 4,0 m t = 5–6 m
organische Schicht
tragfähiger Baugrund
H
h 3
1m
2
1
t (Moor + Aufschüttung
0,5 m
Mehraushub
5 m (6 m) Zustand nach dem jeweiligen Ende der Aushubarbeiten (flacher Moorabschnitt) Verfüllfolge ➀ bei den Baggerarbeiten ➁ nach Baggerdurchlauf ➂ für Endzustand h = ½ Dammhöhe H
Abb. 3.94 Bemessungsvorschlag für die Ausbildung von Reibungsfüßen durch Nassbaggerung in Moorbereichen bei t d 2,50 m Moormächtigkeit La VB = 30 km/h bei t 2,50–5,0 m Moormächtigkeit – Gleissperrung
182
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.95 Bodenaustausch mit Stahlrohren
Problematisch ist der Moment, wenn mit dem Entfernen der Grenzschicht zum tragfähigen, meist durchlässigen Baugrund das gespannte Wasser in das Rohr unter Mitnahme von Boden schlagartig eindringt und dabei einen hydraulischen Bruch auslösen kann. Deshalb muss die Verfüllung des Rohres schnellstens mit durchlässigem Kiessand erfolgen, damit sich das Wasser entspannen kann und der Bodenverlust im Untergrund verhindert wird. Letzterer ist anderenfalls die Ursache von Setzungen bzw. Ausspülungen am Erdbauwerk. Diese Austauschverfahren sind bezüglich der Bautechnologie gut in den Einzelelementen entwickelt, d.h. technisch perfekt. Probleme machen jedoch die starken Vibratoren, mit denen die Rohre/Kästen eingetrieben und wieder gezogen werden müssen, durch ihre Nebenwirkungen. Die zersetzten Torfe und die Mudden in der Nachbarschaft reagieren durch Porenwasserdruckanstiege und neigen zur Verflüssigung. Es gibt bedauerlicherweise Beispiele für Vollsperrungen des Bahnbetriebes bei Anwendung dieses Verfahrens, nach dem ein Gleis in Folge bruchartiger Absackungen des Unterbaus nicht mehr befahrbar war. Das Komplizierte daran ist, dass eine solche Gefahrenstelle nicht durch Nachschottern allein zu beheben ist, sondern auch Gegenschüttungen am Dammfuß im Moorgebiet erforderlich macht,
die aber viel Zeit bis zur Wirksamkeit kosten. Von einer Anwendung für den Bodenaustausch an einem im Betrieb befindlichen Bahnkörper bzw. im Bereich des beräumten Bahnkörpers wird abgeraten. Für die Anwendung ist laut RiL 836.0502 eine Zulassung beim EBA zu beantragen. 3.4.6.5 Anschütten von Bermen und Auflastschüttung Schwimmend gegründete Bahndämme zeigen i.d.R. Setzungen und horizontale Verformungen (s. Abb. 3.76). Zur Sanierung bzw. Behebung kleinerer Bruchstellen wurden in den letzten 100 Jahren häufig Gegengewichtsbermen hergestellt. Dabei gab es z.T. wegen fehlerhafter Schüttvorgänge eine Häufung der bisherigen Nachteile (Setzungsvergrößerung und Brucherscheinungen, s. auch Abschn. 3.4.4). Dennoch findet man im Streckennetz zahlreiche Anwendungen. Heute wird dieses Verfahren aus Gründen der Beschleunigung der Setzungen und der Standsicherheit nur noch in Kombination mit Sanddrains oder ähnlichen Entwässerungselementen angewandt. Das Kernproblem ist, dass der Austrieb des Wassers anfangs nur über die Arbeits-/Filterschicht erfolgen kann. Der von der Schüttung verursachte Porenwasserdruck baut sich bedingt durch die sehr geringe vertikale
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Durchlässigkeit der organischen Schichten nur sehr langsam ab. Dies bedeutet für die Bauausführung: – relativ langsame Schüttung mit geringer Dicke der Schüttlage < 0,40 m über der Arbeits- und Filterschicht, um Grundbrüche zu verhindern, – Ruhezeit von ca. vier Wochen bis zum Aufbau der nächsten Schüttlage, – lang anhaltende Setzungen in der Nutzungsphase, – die Liegezeit gegenüber Sanddrains verdoppelt sich (1½ Jahre), – Mehrmassen für die zeitweilige Überschüttung sind notwendig, um gleiche Effekte wie bei den Sanddrains zu erreichen. Am folgenden Beispiel soll die große Gefahr eines Grundbruchs mit Auswirkungen aufgezeigt werden. Grundbruch eines schwimmendes Dammes für den Gleisanschluss Neubrandenburg Dezember 1978 – Moorstelle Datzeniederung Situation Es sollte ein Gleisanschluss durch das Moorgebiet hergestellt werden, der für den Zugbetrieb mit einer Geschwindigkeit VB < 30 km/h ausgelegt ist. In einem Bereich > 5 m mit organischer Schichtung sollte durch Schütten in Lagen von 0,5 m nach einem vorgegebenen Schüttschema ein Erdbauwerk als schwimmender Damm auf ca. 300 m Länge entstehen. Die maximale Mächtigkeit der organischen Schichtungen betrug 20,6 m (3 m Torfe, Kalkmudden bis 18 m). Der Baugrundgutachter hatte – als Vorzugsvariante – eine Sanddraingründung oder bei Inkaufnahme langanhaltender Setzungen eine Überschüttung der Moorstelle in beiden Fällen mit zeitweiligem Mehrmassenauftrag zur Beschleunigung der Setzungen vorgeschlagen. Andere Varianten, wie das Einsprengen des Dammes, wurden von den Behörden untersagt. Um im Endzustand eine Aufschüttung 2 m über Gelände zu sichern, damit die
183
Standsicherheit gewährleistet wird, waren am Tiefstpunkt der Strecke folgende Aufschüttungen vorgesehen: 2 m Dammhöhe – Breite 10 m, 4 m Setzungsausgleich, 2 m Ersatzlast für Fahrverkehr, 2 m zeitweilige Überschüttung zur Setzungsbeschleunigung, 10 m Gesamtschüttung, 4 m waren nach Beendigung der Maßnahmen abzutragen. Die Breite der seitlichen Berme wurde mit max. 20 m zur Sicherung der Standsicherheit K t 1,1 im Bauzustand festgelegt. Der Schüttprozess war so konzipiert, dass die entstehenden Porenwasserüberdrücke max. 60% der Belastung ausmachen. Die Entwicklung der Setzungen und Verschiebungen wurden durch ein Netz von Setzungspegeln und Holzpflöcken als Zwischenpunkte ständig kontrolliert. Der Baubetrieb hielt sich an die vertraglichen Vereinbarungen, d.h. auch an die Vorgaben zum Schüttprozess. Ein Ende der Aufschüttung war für Dezember 1978 vorgesehen. Ein Rückstand im Schüttprozess im Bereich der tiefsten Moorstelle war schon im November erkennbar. Ohne sich über die Konsequenzen klar zu sein und ohne vorherige Verständigung mit dem Auftraggeber, wurden in vier Wochen ca. 2,50 m Schüttung aufgebracht, wobei die Aufschüttung im Dezember in wenigen Tagen 2 m betrug. Die Folge war ein Grundbruch auf einer Länge von ca. 100 m mit folgenden Wirkungen (s. Abb. 3.96): – Einsinken der Dammkubatur um ca. 5 m in den Untergrund, wobei die homogene Struktur des Erdbauwerkes durch zahlreiche Risse völlig zerstört wurde, – die Böschungsflächen sind tief aufgerissen, – im Bereich der Bermen kam es zu Hebungen bis 0,8 m und im nicht überschüttetem Vorfeld zu Hebungen des Moores bis zu 1,5 m, – die Kontinuität des Setzungsverlaufes war völlig zerstört und die Schüttung war nicht mehr durch Baufahrzeuge befahrbar,
184
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.96 Grundbruch einer Moorüberschüttung bei ca. 7 m erreichter Dammhöhe
– die Inbetriebnahme des Gleisanschlusses war völlig in Frage gestellt. Sanierung Der Auftraggeber konnte aufgrund dieser Situation dennoch nicht auf den Gleisanschluss verzichten (Priorität des Bahntransports bei Massengütern). Eine Expertenkommission legte dem Auftraggeber folgendes Konzept vor: – Baupause im Bruchbereich von mindestens sechs Monaten, um den Abbau des Porenwasserdrucks zu ermöglichen, – Aufnahme der Geometrie nach dem Bruch durch eine neuerliche Erkundung, – Festlegung der Schüttungen in einem Ergänzungsgutachten. Im Ergebnis der Untersuchungen wurden die Bauarbeiten nach neunmonatiger Unterbrechung mit folgenden Arbeitsschritten wieder aufgenommen: – die Fläche wird im gesamten Bruchbereich planiert, – Aufbau eines Erdkörpers in Schüttlagen von 0,5 m über die Dammbreite in Höhe von 3 m. Beidseitig 10 m wird eine Aufschüttung von 1 m geplant. Die Schüttgeschwindigkeit wird in Abhängigkeit von den gemessenen Setzungsgeschwindigkeiten VS d 200 mm/Monat gesteuert. In letzter Kon-
sequenz wird eine Schüttlage von 50 cm in einem Zeitraum von vier Wochen aufgetragen (Schüttzeit 6 Monate), – Die Setzungsprognose lässt ein Abschieben von 1 m nach einer weiteren Liegezeit von sechs Monaten zu, – Das Gleis wird in einer Kiesbettung verlegt. Der Austausch gegen Schotter erfolgt erst nach 2-jähriger Nutzung. Die Mehraufwendungen, die durch die Nachsetzungen entstehen, werden vom Auftraggeber getragen (ständige Stopf- und Richtarbeiten). Der Gleisanschluss konnte mit einer 2-jährigen Verzögerung in Betrieb genommen werden. Schadensursache Hauptursache ist ein Verkennen der Zusammenhänge zwischen der errechneten Standsicherheit und der tatsächlichen Entwicklung des Porenwasserdrucks, durch den der Reibungsanteil herabgesetzt wurde. Die Notwendigkeit der strikten Einhaltung eines Schüttschemas bis zum Ende der Bauarbeiten wurde nicht mit dem nötigen Nachdruck bei AG und AN umgesetzt. Die Kontrolle ist im entscheidenden Moment nicht durchgeführt worden. Der AG traf zwei Entscheidungen, die das Risiko erhöhten. Er entschied sich für eine Gründung ohne Sanddrains und verzichte-
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
te auf eine Porenwasserdruckkontrolle in situ. Die scheinbar eingesparten Mittel machen nur ¼ der notwendigen Mehraufwendungen nach dem Bruch aus – die entstandenen Mehrkosten, bedingt durch die verspätete Inbetriebnahme, wurden dabei nicht berücksichtigt. Der Baubetrieb und das planende Ingenieurbüro verfügten über nicht ausreichende Erfahrungen zur Bewältigung der Arbeiten unter solch komplizierten Bedingungen. 3.4.6.6 Sanddrains mit Auflastschüttung Wächst die Moormächtigkeit bei der Sanierung schwimmender Bahndämme über 5 m hinaus, wird die Auswahl eines geeigneten
185
Verfahrens sehr begrenzt. Diese werden weiter eingeschränkt, wenn der Bahnbetrieb in der Bauzeit weiter geführt werden soll. Als erdbautechnische Lösung hat sich nach Erfahrungen des Verfassers nur das Sanddrainverfahren mit entsprechenden Aufschüttungen seitlich des Bahnkörpers zur Beschleunigung der Setzungen als die anpassungsfähigste und gleichzeitig verträglichste Lösung bei Aufrechterhaltung des Eisenbahnbetriebes entwickelt. Eine Übersicht der bekannten und realisierten Objekte zeigt Tabelle 3.19. Anwendungsbeispiele zeigen Abb. 3.97 und 3.98. Die Empfehlung zur Anwendung der genannten Verfahrensweise wird gegeben, weil
Tabelle 3.19 Übersicht realisierter Sanddraingründungen, Teil 1 Bauvorhaben
Realisierung organische Mächtigkeit [m]
maximale Aufschüttung [m]
maximale Setzungen [m]
zulässige Zuggeschwindigkeit vor Bauar- nach Baubeiten maßnahme [km/h] [km/h]
Str. Berlin-Rostock 1963–1966 Laage Nord und Süd km 90.670–91.870
11,5 4–22,5 Torf ≤ 5 Mudde ≤ 17,5 Querneigung tragfähiger Baugrund
4,25
–
120
Str. Berlin-Rostock 1968–1971 UW Neustrelitz Neubau Flächenstabilisierung
4–13 Torf ≤ 4,5 Mudde ≤ 7,5
9,0
4,7
–
–
Str. Berlin-Stralsund 1971–1974 Peenebrücke km 174.4–174.8
4–7 Torf ≤ 3 Mudde ≤ 4
6,0
3,3
120
120
Str. Berlin-Dresden Moorstelle Neuhof km 40.9–42.0 Dammsanierung beidseitig
3–7 Torf ≤ 3,5 Mudde ≤ 6,5 Querneigung tragfähiger Baugrund
5,5
Berme 3,3 30–60 Randweg 0,7
140
21,5 Torf ≤ 6 Mudde ≤ 15
2,50
1,0–1,3
–
1972–1976
Großversuch Crivitz 1971–1975 OU Crivitz Herstellung Sanddrains > 20 m
–
186
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Tabelle 3.19 Übersicht realisierter Sanddraingründungen, Teil 2 Bauvorhaben
Realisierung organische Mächtigkeit [m]
maximaximale male Auf- Setzungen schüttung [m] [m]
zulässige Zuggeschwindigkeit vor Bauar- nach Baubeiten maßnahme [km/h] [km/h]
Str. Berlin-Dresden 1989–1992 Moorstelle Pramsdorf km 27.0–27.5 Dammsanierung beidseitig Ertüchtigung 140 km/h
Berme 7,0–13,2 (Bahnkörper) 5,6 5,0–18,5 (Berme) Querneigung tragfähiger Baugrund
Bahnkörper 30–70 ≤ 0,6 Berme ≤ 4,28
140
Warnowbrücke Ost 1988–1992 VBF Rostock Moorstelle Warnow Dammverbreiterung und -erhöhung
6–16,5 Torf ≤ 6 Mudde ≤ 8
13,5
Bahnkörper – ≤ 1,3 Berme ≤ 4,5
–
Str. München-Salz- 1997–1999 burg Moorstelle Zorneding-Grafing km 35.4–35.9 Dammverbreiterung f. S-Bahngleise Dammfußsanierung
5–16,2 Torf ≤ 9,5 Saton ≤ 8
10,5
Bahnkörper ≤ 0,3 Berme (neue Gleise) ≤ 4,45
vorh. Strecke La = 120 → 70
140
Str. Berlin-Cottbus ab 10/2002 Moorstelle Dahmetal km 53.3–53.8 Dammsanierung und Ertüchtigung 160 km/h
8–10,5 Torf ≤ 4,5 Mudde ≤ 6,5 Querneigung tragfähiger Baugrund
≤ 3,9
La = 30 → 70
160
– die Durchführung des Bahnbetriebes gesichert werden kann, – die Inhomogenität der Baugrundschichten bezüglich der Materialunterschiede und zum Teil abrupt wechselnde Moormächtigkeiten so am besten stabilisiert werden können, – die Anpassung bzw. Anschüttung an bestehende Verkehrsbauwerke in der Bauphase bei deren gleichzeitiger Stabilisierung eines Gründungsschadens realisiert wird und Korrekturen möglich sind, – eine systematische Erhöhung der Standsicherheit im Laufe der Baumaßnahme und
8,50
120
eine Steuerung des Setzungsverlaufs erfolgen kann. Die Anfangsstandsicherheit liegt bei K = 1. Sie darf durch das Bauverfahren nicht weiter herabgesetzt werden, – eine Herstellung kostengünstig und als erdbautechnische Lösung realisiert wird. Sanddrains sind senkrecht eingebrachte Sandsäulen aus durchlässigen Kiessanden, die eine radiale Aufnahme des Wassers aus den zu konsolidierenden weichen Bodenschichten ermöglichen und in entsprechende Filterschichten abführen. Die Drains müssen in den tragfähigen Baugrund und in die Filterschicht
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
zeitweilige Überschüttung
ü
Setzungsausgleich
S
187
Fernbahn La 30–70 km/h
d
Bahndamm bestehende Strecke München – Rosenheim
H b h
Stützlinie der Böschung
Sanddrain ∅ 0,40 m
org./w. Schicht
Tragfähiger Baugrund
ü= b= h= d= S = H=
zeitweilige Überschüttung (Aufschüttung Setzungsvorwegnahme und Ausgleich für Oberbau) Bermenbreite Bermenhöhe Verbreiterung des Bahnkörpers um 1 m als Ausgleich für langzeitige Sekundärsetzungen Setzung (geplant) bleibende Aufschütthöhe Erdbauwerk
Abb. 3.97 Anschüttung eines zweigleisigen Bahnkörpers (S-Bahn) an eine bestehende Fernbahnstrecke im Bereich einer bis 14 m tiefen Moorrinne (Bauzeit VB = 30…70 km/h)
zeitweise temporäre Bermenverbreiterung Überschüttung zur Absicherung des kritischen Bauzustandes Bermen-/Auflastschüttung Bahndamm bestehende Strecke Berlin – Cottbus org./w. Schicht
OKG
Sanddrains ∅ 0,40 m
0,50 m
0,50 m
Abb. 3.98 Sanierung eines Grundbruches und Ertüchtigung der Eisenbahnstrecke für VB = 160 km/h (maximale Moormächtigkeit 10,5 m, Bauzeit VB = 30…50 km/h)
188
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Auflast Dammschüttung
Filter- und Arbeitsschicht
≥ 0,2 m
Sickerlinie d
d
d
d
≤ 0,5 m
wenig tragfähige organische Schicht
a ~2,15 m
a ~2,15 m
a ~2,15 m organische Schicht Torf, Mudde
Einbindelänge ≥ 0,5 m
tragfähiger Baugrund (Sande)
Abb. 3.99 Funktionsprinzip des Sanddrains
dauerhaft einbinden. Das Verfüllmaterial darf nicht ausgespült und das Eindringen von Feinteilen in den Querschnitten muss verhindert werden, d.h., das Verfüllmaterial muss filterstabil sein. Die Funktion der Sanddrains lässt sich wie folgt beschreiben (s. Abb. 3.99): – schnelle Abführung des aus organischen Schichten unter Spannung (Porenwasserdruck) austretenden Wassers in die Drains, Filterschicht bzw. in den durchlässigen Baugrund, – durch die Sanddrains wird eine Verkürzung des Sickerweges hergestellt und eine Entspannung des unter Druck stehenden Wassers aus dem Untergrund ermöglicht, – Erhöhung der Scherfestigkeit durch Unterstützung der Konsolidation der organischen und weichen Schichten, Unterbrechung der Gleitlinie und Minderung der Porenwasserdrücke,
– Verbesserung des Schwingverhaltens durch Erhöhung der Trägheit des Systems Damm/ Untergrund. Die organischen Schichten verfügen, z.B. bei Torfen, bedingt durch die Art der Entstehung, horizontal über eine größere Durchlässigkeit als vertikal. Die Sanddrains sorgen deshalb für eine Entspannung der horizontal orientierten Wasseranreicherungen. Dies trifft auch mit entsprechender Zeitverzögerung für die aus Sedimenten entstandenen Mudden und Faulschlammarten zu, die im unteren Teil der organischen Schichten anzutreffen sind. Sanddrains sind keine tragenden Säulen, sie müssen sich den Setzungen flexibel anpassen, ohne den Querschnitt zu verengen. Die Abstände der Sanddrainagen werden gewöhnlich nach Vorschlag Barron [3.14] ermittelt. Danach ist der Durchmesser für die Funktion weniger wich-
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
tig als der Abstand der Drains bei Beachtung der Drainageeigenschaften des Gesamtsystems (ein- oder zweiseitige Entwässerung, Vorflut). Der Durchmesser muss so gewählt werden, dass die entwässernde Funktion (Wasser aufnehmen und mit Druck an die Oberfläche leiten) über den Bedarfszeitraum gewährleistet wird. Der Drain muss eine entsprechende Filterstabilität aufweisen (Materialfrage). Andererseits muss ein Sanddrain erhebliche Verformungen (Setzungen bis max. 5,0 m) mitmachen, ohne den Querschnitt einzuengen oder eine Querverschiebung zuzulassen. Letztere kann nur auftreten, wenn ein Grundbruch erzeugt wird. Ein solcher ist auch aus Gründen der Sicherung des Verkehrs auf dem bestehenden Bahnkörper bei Anschüttungen zu verhindern. Auch am Drainstandort darf keine Verflüssigung der organischen Materialien – z.B. durch Einsatz von Vibratoren beim Rammvorgang – eintreten, weil sonst die Stützkräfte aus den organischen Schichten nicht gewährleistet sind und die Sanddrainposition als durchgängige Säule nicht garantiert ist. Aus diesen Erwägungen und der Herstellbarkeit solcher Drains bis 20 m Länge hat sich deshalb in Deutschland – ein Drainabstand von 2 m bis 3 m (2,50 m) und – ein Draindurchmesser von 300 m bis 500 mm (400 mm) als geeignet für die hier anstehenden Bildungen (Torfe, Mudden, Faulschlamm) erwiesen. Nicht bewährt (BV Rostock–Warnowbrücke) haben sich Geo-Drains. Diese haben die Setzungen nicht eliminieren können und sind bei etwa 1,0 m bis 1,5 m Setzungsgröße abgeknickt und damit unwirksam geworden. Bei der Notwendigkeit eines zügigen Bauablaufs der Schüttarbeiten oder erwarteten Bauzuständen/Zerrungen aus ungleichmäßigen Setzungen oder Standsicherheitsproblemen kann ggf. der Drainabstand im Bereich des alten Dammfußes auf die Hälfte verringert werden. Bei breiten Bermen kann der Drainabstand im Außenbereich um 50% zum gewähl-
189
ten Drainabstand vergrößert werden. Die Zahl der Drainreihen wird durch folgende Gesichtspunkte bestimmt: – wo organische Schichten unter den bestehenden Bahnkörper reichen, sollen durch das Anordnen von Drains schwimmend ausgebildete und nur teilkonsolidierte Bereiche zur Konsolidation durch die seitlichen Anschüttungen angeregt werden. Auf diese Weise kann in der Endphase (vor Inbetriebnahme) eine Homogenisierung der Setzungen in Längs- und Querrichtung des alten und neuen Bahnkörpers erreicht werden, – Standsicherheitsuntersuchungen legen die Bermenbreiten fest. Es ist ebenfalls die notwendige Teilkonsolidierung des Teils der Berme zu sichern, in der die sog. Stützlinie (Verlängerung der Böschungslinie bis zum tragfähigen Baugrund) ausläuft. Sanddrains können durch mechanisches Rammen bzw. Bohren oder Einspülen eines Hüllrohres, sofern die weichen Schichten das zulassen, hergestellt werden. Nicht zugelassen werden aus entsprechenden Erfahrungen Vibrationsverfahren wegen der starken Anregungen des Porenwasserdrucks und der damit entstehenden Grundbruchgefahr als Folge der Verflüssigung organischer Schichten. Das Hüllrohr wird senkrecht durch die Filter- und Arbeitsschicht und die organische oder weiche Schicht bis ca. 0,50 m in den tragfähigen Baugrund eingetrieben, s. Abb. 3.99. Die Größe der zulässigen Eintragung der Rammenergie (Fallbär, Fallhöhe, Konzentration der Geräte in der Fläche) und die Abhängigkeit der kritischen Porenwasserdrücke vom Zugbetrieb oder anderen äußeren Einflussfaktoren sollte durch eine Messstation an der ungünstigsten Stelle der Baugrundverhältnisse regelmäßig überwacht werden. Die Verfüllung des Hüllrohres muss mit dem Ziehvorgang so abgestimmt werden, dass – beim Öffnen des Rohrverschlusses (Klappe, Vorsatzplatte) an der Spitze das Material
190
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
ungehindert und ohne Abreißen der Sandsäule mit dem Ziehvorgang auslaufen kann, – Druckhilfen bei starkem Auftrieb zugelassen sind. Die Größe der eingebrachten Druckluft ist vom AG zu genehmigen, – bei Wasseraustritt (gespanntes Wasser), s. Abb. 3.68, das betreffende Rohr stehen bleibt, bis sich der Hauptdruck entspannt hat, – die Verfüllung im Endzustand ca. 1 m über die Filter- und Arbeitsschicht reicht (Klangprobe). Nach Beendigung des Herstellungsvorgangs bildet sich so ein Sandhaufen, der bei einem Nachsacken der Sandsäule die fehlende Kubatur ausgleicht. In Abb. 3.100 ist der Ausschnitt eines Rasterplanes der häufigsten Anwendung mit einem Drainabstand von 2,50 m und damit einem
Dammfuß best. Damm in Höhe Arbeits- u. Filterschicht
gepl. Drainlänge1) Dammfuß best. Damm in Höhe Arbeits- u. Filterschicht
Abb. 3.100 Rasterplan der Sanddrainanordnung
Sickerweg von 1,25 m dargestellt. Wichtig ist, dass auch in weniger belasteten oder nur mit der Arbeits- und Filterschicht bedeckten Moorflächen Sanddrains wegen der Harmonisierung der Setzungsmulde angeordnet werden. Sie sind eine wesentliche Sicherheit dafür, dass die horizontal sich ausbildenden Porenwasserdrücke auch in den Randzonen abgebaut werden können. Anderenfalls kommt es zu Aufwölbungen der Moorflächen außerhalb der Schüttungen und im kritischen Falle zum Bruch. Eine Abstandsvergrößerung in den Randzonen ist nur dann zu empfehlen, wenn die Baugrundverhältnisse – vom Damm weg betrachtet – sich spürbar verbessern. Dazu gehören – Abnahme von Moormächtigkeit, – geringere Dicke der Muddeschichten, – ausreichende Bermenbreite.
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
191
80 60 40 20
12 10 8 6 4
58,39 53,7
44
zulässiger Grenzwert
43,2 48,3
47,9
33,6
44,0
23,0 19,3
25,9 20,8 19,4
23,6 22,5 13,8 7,4
Aufschüttung 10,5 m S-Bahn Zorneding – Grafing Aufschüttung nach Schüttschema im Messprofil km 35,800
2 F 1/2 F 3
Unbekannte Einflüsse ggf. starke Regenfälle
59,8
Auflast Schüttung (m)
100
Relativer Porenwasserdruck
Relativer PWD-Anstieg bei Sanddrainherstellung bis 200 %
F4
S1
S2
10/97 11/97 12/97 01/98
S3 S4
02/98
S5
S6
S7
03/98 04/98
1997
S8
S 12 S 11 S 9 S 10
S 17 S 16 S 15 Liegezeit S 14 S 13
05/98 06/98 07/98
01.09.98 –28.02.99
08/98
09/98 10/98
1998
Abb. 3.101 Ergebnis der Entwicklung des relativen Porenwasserdruckes im Verhältnis zur Auflast der jeweiligen Schüttlage
Der Ablauf des Schüttprozesses ist entsprechend einem vorausberechneten Schüttschema nach Tabelle 3.18 zu planen und möglichst durch Porenwasserdruckmessungen zu steuern. Die Vorausberechnung der Verformungen, die Festlegung einer zulässigen Setzung der bestehenden Gleise je nach der zu gewährleistenden Geschwindigkeit nach Tabelle 3.20 und die Einhaltung eines höchst zulässigen Porenwasserdrucks sind die Schwerpunkte, die in der Planung und in der Bauphase optimiert werden müssen. Die dazu gehörende Porenwasserdruckbewertung im Schüttprozess wird in Abb. 3.101 dargestellt. Der Verfasser hat an den verschiedensten Vorhaben der Bahn Messprogramme für Porenwasserdruckmessungen bei weichen organischen Baugrundschichten entwickelt und in der Realisierungsphase betreut. Danach ergibt sich folgender Stand (Abb. 3.102):
– Der Anstieg des Porenwasserdrucks in organischen Schichten verursacht zunehmend Konsistenzänderungen, d.h., der Boden entwickelt sich unter Einfluss äußerer Belastungen vom weichplastischen zum flüssigkeitsähnlichen Verhalten. – Torfe reagieren, bedingt durch die Wassersättigung, auf vorgenannte Beanspruchung sehr spontan, bauen aber schnell die maximalen Porenwasserüberdrücke, bedingt durch die relativ große horizontale Durchlässigkeit ab. Sanddrains verstärken diesen Effekt erheblich. – Mudden, Seetone u.ä. reagieren, bedingt durch ihre Lage unter den Torfen und die geringere Durchlässigkeit sehr träge, bauen aber mit jeweiliger Verzögerung den Porenwasserdruck entsprechend der Belastung auf . Durch Drainagen (z.B. Sanddrains) kann der Porenwasserdruck sich langsam entspannen.
192
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
(bar)
Liegzeit
Schüttung
Teilabtrag
Belastung eines schwimmend gegründeten Dammes
(bar) Restporenwasserdruck
u max
Porenwasserdruckverlauf in Torfschichten aus Lasteintragung Schüttprozess
(bar)
Restporenwasserdruck
u max
Porenwasserdruckverlauf in Mudde-Seeton-Schichten aus Lasteintragung Schüttprozess
(bar) Porenwasserdruckanstieg aus Fahrbetrieb bei gleichbleibender Geschwindigkeit der Züge Mudde
Torfe
Mudde
(bar)
Torfe Auflast und Erschütterung aus Schüttung
Schüttprozess und Rammarbeiten Vibration
Schüttung, Liegezeit Bodenabtrag, Aufbau Oberbau
Nutzungszeit
Charakteristische Porenwasserdruckentwicklung bei einer Sanddraingründung
Abb. 3.102 Schematische Darstellung der Porenwasserdruckentwicklung in organischen Böden durch Auflastschüttung, Zugbetrieb und Bautechnologie bei einer Sanddraingründung
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
– Als Folge der statischen und dynamischen Belastungen bzw. des Verdrängungsvorgangs bei Herstellung der Sanddrains entwickelt sich die fast flüssige Konsistenz der organischen Böden. In der Regel bildet sich die Gleitfläche an der ungünstigsten Stelle der Schichtung aus. Dies ist meist das unterste Drittel der organischen Schicht, d.h. in der Mudde. – Die klassische Grundlage der statischen Böschungs- und Grundbruchberechnungen basiert auf der Annahme eines elastisch-isotropen Halbraumes (homogen, Belastung erzeugt analoge Verformungen), dafür ist die Aktivierung von Reibung und Kohäsion im beanspruchten Boden eine wichtige Voraussetzung. Mit der Konsistenzveränderung reagieren die organischen Böden eher wie ein zähes flüssiges Material. Die in dieser Phase entstehenden Bruchfiguren folgen nur noch teilweise denen eines klassischen Gleitkreises. Bei der Vorbereitung oder Durchführung einer Sanierung schwimmender Dammgründungen ist die zielsichere Vorhersage der Verformungen, d.h. – der Setzungen, – der horizontalen Veränderungen, – der elastischen Verformungen von entscheidender Bedeutung für den befahrenen Verkehrsweg. Die Ausbildung von Steilrampen, negative Überhöhungen und Verdrillungen des Erdbauwerkes sind für Fahrwege der Eisenbahn, insbesondere bei Hochgeschwindigkeiten, sehr problematisch. Am Beispiel einer bei der Deutschen Bahn häufig angewandten Verfahrensweise soll dieses Problem dargestellt werden. Tabelle 3.20 nennt dazu entsprechend dem Charakter der Bahn und der gewählten Fahrbahnkonstruktion die entsprechenden zulässigen Setzungen auf 10 m Fahrbahnlänge (oberer Teil der Tabelle). Dabei ist verständlich, dass bei Schottergleisen die zulässigen Setzungen im Stadium der permanenten Überwachung größer sind, weil Fehler in der Fahrbahn
193
früher erkannt und korrigiert werden können. Wesentlich ist, dass diese Parameter für das Erdbauwerk und nicht für das Gleis gelten. Das Erdbauwerk reagiert punktuell früher als das relativ starre Gleis. Auf diese Art und Weise entsteht ein Frühwarnsystem für zu erwartende Veränderungen am Gleis. Prognostische Aussagen zum Setzungsverhalten lassen sich iterativ mit Hilfe der Setzungsgeschwindigkeit erarbeiten. Dieses System der Setzungsbewertung wurde weiter entwickelt (unterer Teil der Tabelle 3.20), um aus der Setzungsprognose unmittelbar auf mögliche zu planende Zuggeschwindigkeiten schließen zu können. Daraus lässt sich andererseits erkennen, welche Setzungsgrößen zugelassen werden können, wenn eine bestimmte Zuggeschwindigkeit garantiert werden muss. In Tabelle 3.20 ist eine Entwicklung aus der langjährigen Zusammenarbeit von Geotechnikern, Oberbauern und Vermessungsingenieuren [3.10, 3.11] dargestellt. Ziel war es, die Bewertungsmaßstäbe des Oberbaus mit denen eines überwachten Erdbauwerkes für die Abschätzung der Gesamtvorgänge zu nutzen. Nach fast 20-jähriger Anwendung hat sich die empirisch entwickelte Tabelle 3.20 als wichtiges Hilfsmittel für die langfristige Planung, der Steuerung der Arbeitsvorgänge und Berechnung von Bauzeiten erwiesen. Aus Abb. 3.103 ist ersichtlich, wie durch das Auftragen einer zeitweiligen Überschüttung der restliche Setzungsverlauf beschleunigt werden kann. Im Beispiel ist die Zielstellung einer relativen Setzung im ersten Jahr nach der Inbetriebnahme von VS d 40 mm/Jahr vorgegeben, d.h., dem entspräche eine Streckengeschwindigkeit von VB d120 km/h. Im zweiten Jahr nach der Inbetriebnahme ist mit einem Rückgang der Setzungsgeschwindigkeit auf VS d 20 mm/Jahr und damit mit einer Streckengeschwindigkeit von VB d 160 km/h zu planen. Allerdings wird die Harmonisierung des Untergrundes von der Notwendigkeit – des Abtrages der zeitweiligen Überschüttung und – der Sanierung des Tragschichtsystems
194
Tabelle 3.20 Zulässige relative Setzungen am Erdbauwerk und Unterhaltung am Gleis/Jahr (∆s auf 10 m Länge) Bauzustand
Endzustand
∆s zul. mm/Jahr
notwendige Unterhaltungen am Gleis5)
∆s zul. mm/Jahr
notwendige Unterhaltungen am Gleis5)
Hauptbahn3) V 120 km/h
70 bis 40
2 ×/Jahr
< 40
1×
Nebenbahn3) V < 80 km/h
150 bis 70
2 ×/Jahr
< 70
1×
Bemerkungen Abest 1.3.93 (TGL 11482/08) (Pkt. 4.6) Abest 1.3.93 (TGL 11482/08) (Pkt. 4.6) DS 836
Schnellfahrstrecken – 2 ×/Jahr < 20 1× V = 160 km/h – Anforderungen Katalog FF 5/94 Feste Fahrbahn – – < 0,44) Für diesen besonderen Fall der Strecke BAR, km 38,885–39,250/GVZ Wustermark wird folgender Entscheidungsvorschlag für die Bewertung analog Tabelle unterbreitet: Bauzustand Endzustand Strecke BAR Bemerkungen ∆s zul. mm/Jahr notwendige Unter∆s zul. mm/Jahr notwendige Unterkm 38,885–39,295 haltungen am Gleis5) haltungen am Gleis5) Vzul. 140 km/h Vzul. 130 km/h Vzul. 120 km/h Vzul. 100 km/h Vzul. 90 km/h Vzul. 70 km/h Vzul. 50 km/h Vzul. 30 km/h
≤ 50 ≤ 60 ≤ 70 ≤ 100 ≤ 110 ≤ 140 ≤ 180
2× 2× 2× 2× 2× 2× 2×
≤ 30 ≤ 35 ≤ 40 ≤ 50 ≤ 60
1× 1× 1× 1× 1×
Vorschlag6) Vorschlag6) Vorschlag6) Vorschlag6) Vorschlag6)
≤ 250
1) Bauzustand: Erdbauwerk erleidet Setzungen aus Baumaßnahmen am Eisenbahn- 4) damm oder in dessen Nähe 5) 2) Endstand: Nach Beendigung der Bauarbeiten ausklingende Setzungen 6) 3) Die Festlegung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit erfolgt nicht anhand der an den Setzungspegeln gemessenen Setzungsunterschieden, sondern aufgrund der tatsächlich auftretenden Veränderungen am Gleis.
∆s = 20 mm bei 50-jähriger Liegedauer Richt- und Stopfarbeiten am Gleisoberbau Übersteigen die Setzungen das geplante Maß, so sind festzulegen: – erhöhte Erhaltungsaufwendungen oder – Herabsetzung der Geschwindigkeit oder – Maßnahmen zur Verringerung der Schüttgeschwindigkeit der Anschüttung
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Art der Strecke
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund 1 I
II
2 III
IV
Schüttung
1,0
I
II
3 III
IV
Liegezeit
I
II
195
4 III
IV
I
II
Jahr III
IV
Abtrag
A Vs = 46 cm/Jahr
2,0 3,0
Vs = 30 cm/Jahr
B Vs = 20 cm/Jahr errechnete Setzung
Vs = 15 cm/Jahr C Vs = 4 cm/Jahr
8
Auflast [m]
zeitw. Überschüttung zeitw. Ersatzlast Oberbau
PSS/Oberbau
6 Schütten 4 Dammhöhe und Setzung 2 1. Jahr
2. Jahr
A: Auflast ohne Sanddrains B: Auflast mit Sanddrains C: Auflast mit Sanddrains und zeitweiliger Überschüttung Bauzeit 3. Jahr
Belastung – Zeitdiagramm
Abb. 3.103 Beispiele für ein Belastungs-Zeit-Setzungsdiagramm bei gewählten Verfahrensweisen und die damit erzielbare Setzungsgeschwindigkeit
Abb. 3.104 Endprofilierung der Auflasstschüttung (Moorstelle Dahmetal Februar 2005)
zeitweilig beeinflusst. Der Abtrag der seitlichen Auflasten ist eine Entlastung des Gesamtsystems und kann je nach gewählter Liegezeit auch mit leichten Hebungen am Bahnkörper verbunden sein. Die Überwachung der Setzungs-, Hebungsverläufe und Steuerung des Abtrages in einzelnen Schichten ist deshalb notwendig. Es entspricht einer Umkehr des Schüttschemas nach Tabelle 3.18 mit allerdings größeren Abtragshöhen von ca. 1,0 bis 1,5 m. Nachdem bisher die Gesamtstabilität der tieferen Untergrundschichten mit Hilfe der seitlichen Auflasten durch Konsolidation der organischen Schichten (s. auch Abb. 3.77) erreicht ist, muss nun der obere Teil des Dammes (Tragschichtsystem), funktionstüchtig hergerichtet werden. Dabei sollen die Abträge der weniger geeigneten mit Schottersäcken durchsetzten Teile des Erdbauwerkes wegen des Einflusses auf die Betriebssicherheit im befahrenen Gleis möglichst minimiert werden. Der
196
3 Eisenbahndämme und Einschnitte Abb. 3.105 Auflastschüttung entsprechend der Moormächtigkeit – Gleisverformungen entsprechen der Lage der Moorrinne
Aufbau einer Trag- und Ausgleichsschicht ist mit Rücksicht auf das vorhandene wenig geeignete Material im Erdbauwerk Grundvoraussetzung für die Gesamtfunktion entsprechend den technischen Anforderungen. Die einzubauenden Trag- und Schutzschichten haben folgende Funktionen zu erfüllen: – lastverteilend zu wirken und punktuelle Setzungsunterschiede aus dem sehr inhomogenen Erdplanum auszugleichen, – Minderung der bisher sehr unterschiedlichen elastischen Verformungen, – Erhöhung der Tragfähigkeit, – Sicherung der Filterstabilität. Die genannten Maßnahmen sind ohne Sperrung des betreffenden Gleises und Abbau von Oberbau, Schotter und einer Dicke der Mischzone, die dem Tragschichtsystem entspricht, nicht möglich. Die Behandlung der Schottersäcke und Herstellung des Erdplanums (s. Abschn. 3.3.2.4 und 3.3.2.5) sind die wichtigste Voraussetzung. Deshalb ist vom Einsatz eines gleisgebundenen Einbaus der Tragschichten ohne die Arbeiten am Erdplanum einschließlich der Verdichtung im Moorbereich dringend abzuraten. Während des Abtrags (Oberbau, Schotter, Mischzone) kommt es zwangsläufig durch die Entlastung des Baugrundes zu leichten
Hebungen, wie in der Phase des Bodenabtrags. Mit einer La von 30 bzw. 50 km/h kann die Befahrbarkeit des nicht gesperrten Gleises während der Arbeiten am Tragschichtsystem und Wiederaufbau des Oberbaus in jedem Falle mit Hilfe einer entsprechenden Überwachung gewährleistet werden. Zur Sicherung der Schotterfläche für das befahrene Gleis wird in vielen Fällen ein Mittenverbau (Träger mit Ausbohlung/Berliner Verbau) vorgesehen. Die mit dem Ziehen der Träger verbundenen Auflockerungen führen bei sehr langen Trägern zu ungewollten Schäden, d.h. Hohlräumen bzw. hochgerissenen Tragschichten in der Dammmitte und unter Umständen zu Schäden in der Gleislage, Abb. 3.106. Eine andere Vorgehensweise zeigt Abb. 3.107. Unter Ausnutzung praktischer Erfahrungen wird zur Anwendung einer Schotterabfangung ohne „statische Wirkung“ geraten. Das hat zur Folge, dass die Abtragstiefe nur in Sperrpausen (Nachtarbeit) in einem Streifen von t 1 m erfolgen kann. Der Gewinn an Qualität und die Kosteneinsparung sind erheblich. Die Kernfrage der Gesamtqualität der technischen Lösung Sanddrainanwendung wird beantwortet mit dem Ergebnis der Setzungen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme im Gleisbereich. Im folgenden Beispiel wird die Situation der geologisch sehr schwierigen Baugrundverhältnisse (Profil Abb. 3.69) der Bau-
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
197
Abb. 3.106 Mittelverbau mit Doppel-T-Trägern und Ausbohlung (Berliner Verbau). Einbau und Ziehvorgang ohne Vibration
Abb. 3.107 Schotterabfangung mit Betonstählen und Bohlenausfachung – Abtrag des 1-m-Streifens nur in Sperrpausen oder längeren Zugpausen
maßnahme Zorneding–Grafing mit max. 15 m organischer Schichtdicke an der Bauwerksaußenseite am Dammfuß dargestellt. Die Hauptaufgabe bestand darin, die Anschüttung für einen zweigleisigen S-Bahnkörper in einem Moorfeld mit Hilfe einer Sanddraingründung herzustellen. Die Gewährlei-
stung der Sicherheit des Eisenbahnbetriebes der bestehenden Fernbahnstrecke schien anfangs nicht das Problem, weil man von einer stabilen – keiner schwimmenden Dammgründung – ausgegangen war. Ein Baugrundgutachten, welches mit ungeeigneten Erkundungsmethoden und einer viel zu geringen
198
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Aufschlussdichte vorlag, hatte das Moorfeld überhaupt nicht erkannt. Die darauf basierende Planung sah deshalb, wie im Erdbau üblich, nur den Abtrag des Oberbodens vor. Allerdings scheiterte dieser, als die Planierraupen die Arbeiten beginnen wollten. Sie versackten und konnten nur mit schwerem Gerät geborgen werden. Die Baustelle wurde gesperrt. Dies ergab für die Neuplanung einen kaum wieder einzuholenden Zeitverlust von mehr als 12 Monaten. Erkundung, Baugrundgutachten und Planung waren in kürzester Frist zu realisieren. Die Grundsätze der Planung folgten der im Abschn. 3.4 beschriebenen Verfahrensweise. Das Ergebnis ist in den Tabellen 3.21 und 3.22 zu erkennen. – Der Dammfuß des vorhandenen Bahnkörpers der Fernbahnstrecke, identisch mit dem Randweg des S-Bahngleises, hat durch den Schüttprozess erhebliche Setzungen bis 2,20 m (Tabelle 3.21) erlitten und damit bewiesen, dass der bestehende Damm – entgegen anfänglichen Beteuerungen bezüglich der Gründung – als schwimmender Damm ausgebildet ist und damit anfangs keine ausreichende Standsicherheit aufwies. – Die Streckengeschwindigkeit konnte nicht wie geplant VB = 140 km/h betragen. Die eintretenden Setzungen erlaubten zeitweilig nur eine La d 70 km/h. – Aus Tabelle 3.22 ist ersichtlich, dass der bestehende Bahnkörper nach Beendigung der Liegezeit sowohl die Hebungen aus dem Abtrag der zeitweiligen Überschüttung als auch die danach wieder sich aktivierenden Setzungen nach Tabelle 3.20 mit VB = 70 km/ h verträglich aufnehmen konnte. Der Unterhaltungsaufwand war erheblich größer als in der ursprünglichen Planung, aber noch vertretbar. – Die Verkürzung der Liegezeit hatte auf den Fernbahndamm keine negativen Folgen. Ab Mitte 1999 konnte die Streckengeschwindigkeit wieder auf VB = 140 km/h heraufgesetzt werden. Der Dammkörper erfüllte danach alle Forderungen zur Lagestabili-
tät der Gleise und die Standsicherheit mit K t 1,4 – Die anfänglichen Nachteile einer erhöhten Unterhaltungsaufwendung aus der verkürzten Liegezeit auf 6,5 Monate im Bereich der S-Bahngleise wurden für ca. 1 Jahr in Kauf genommen. – Die Schwingstabilität wurde nicht gesondert gemessen. Bei Betrachtung der Porenwasserdrücke nach Ende aller Bauarbeiten wird deutlich, dass ein Anstieg der Porenwasserdrücke aus den Dynamik des Verkehrs, wie vor Beginn der Bauarbeiten (s. Tabelle 3.24) als kritische Größe festgestellt, jetzt keine Rolle mehr spielt. Die Schwingstabilität ist auf diese Weise überzeugend nachgewiesen. Die Herstellung einer Sanddraingründung in Moorgebieten > 5 m Mächtigkeit ist durch viele Anwendungen bei einer umfassenden Planung und Überwachung, vor allem in geotechnischen Zusammenhängen, als eine hochwertige, ausgereifte erdbautechnische Lösung mit guten Gebrauchswerteigenschaften anzusehen. Die Konstruktion hat eine sehr lange Lebensdauer, ist nicht überwachungspflichtig und passt sich hervorragend den Standortbedingungen an [3.18 und 3.19]. Dies lernt man besonders zu schätzen, wenn Dammverbreiterungen oder die Sanierung eines bestehenden, schwimmend gegründeten Erdbauwerkes anstehen. Die häufig nicht erkennbaren alten Grundbrüche und seitlichen Verkippungen und damit inhomogenen Baugrundverhältnisse können in das Gesamtsystem der Gründung durch systematisch erzwungene Konsolidierung einbezogen werden. Porenwasserdruck- und Setzungsmessungen sind dabei unverzichtbare Steuerungselemente. Für die Planung und Ausführung solcher Gründungen sind große Erfahrungen notwendig, um die täglichen Fragen aus In-situ-Messungen mit den Annahmen der Grundbaustatik unter Berücksichtigung statischer und dynamischer Vorgänge zuverlässig bewerten zu können.
Tabelle 3.21 Übersicht zu den Setzungen des bestehenden Erdbauwerks in Höhe alter Dammfuß infolge Anschüttung eines neuen S-Bahn-Erdbauwerks Schüttzeit 07/97–08/98 (Schüttung bahnlinks) Bewertungszeitraum
Liegezeit
07/97–09/97 09/97–30.08.98 07/97–08/98 07/97–08/98 01.09.98–02/99
07/97–02/99
Pegel
Moordicke (m)
InitialSetzung geschätzt ( mm)
Gemessene Lastsetzung (mm)
Gesamtsetzung Schüttzeit (mm)
Setzungsgeschwind. aus Schüttvorgang (mm/Jahr)
Setzung (mm)
Setzungsgeschwindigkeit (mm/Jahr)
Gesamtsetzung aus Belastung (mm)
22,893
35,470
22
2–3
–300
–462
–762
–677
–30 x
65
–-792
22,913
35,490
32
4,0
–200
–334
–534
–475
–25 x
–55
559
22,933
35,510
42
2,0
–100
–112
–212
–191
–13 x
–28
–225
22,953
35,530
52
3,0
–200
–286
–486
–436
–22 x
–48
–508
23,003
35,580
62
4,0
–100
–111
–211
–187
–10 x
–22
–221
23,053
35,630
72
4,0
–150
–146
–296
–267
–12 x
–26
–308
23,093
35,670
82
4,0
–200
–244
–244
–396
–25 xx
–55
–469
23,143
35,720
102
6,0
–250
–300
–550
–489
–35 xx
–76
–585
23,173
35,750
112
6,0
–400
–502
–902
–800
–48 xx
–105
–950
23,193
35,770
122
8,0
–700
–1266
–1966
–1747
–100 xx
–218
–2066
23,213
35,790
132
8,0
–800
–1271
–2071
–1840
–95 xx
–207
–2166
23,223
35,800
142
10,4
–600
–618
–1218
–1084
–60 xx
–131
–1278
23,233
35,800
152
8,0
–500
–609
–1109
–987
–45 xx
–98
–1154
23,253
35,830
162
2,5
–200
–325
–525
–467
–30 xx
–65
–555
+ = Hebung
– = Setzung
Abtrag zeitweiliger Überschüttung: x nach 15.01.99 P22–73
xx nach 24.02.99 PP82–162
199
max. Wert
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
S-Bahnb. km Fernb. km
200
Tabelle 3.22 Übersicht der Setzungen im Randweg bahnrechts vom befahrenen Fernbahngleis nach Beendigung der Aufschüttungen bahnlinks Bewertung
01.12.98–12.01.99
26.01.99–16.02.99
24.02.99–13.04.99
13.04.99–26.05.99
26.,5.99–12.01.2000
Pegel
Setzung (mm)
Setzungsgeschwindigkeit (mm/Jahr)
Setzung (mm)
Setzungsgeschwindigkeit (mm/Jahr)
Setzung (mm)
Setzungsgeschwindigkeit (mm/Jahr)
Setzung (mm)
Setzungsgeschwindigkeit (mm/Jahr)
Setzung (mm)
Setzungsgeschwindigkeit (mm/Jahr)
35,470
21
0
0
+6
+108
–2
–15
0
0
–3
–5
35,490
31
+1
+26
+3
+54
–4
–30
+1
+8
–3
–5
35,510
41
+2
+51
+2
+36
–6
–45
+1
+8
–1
–2
35,530
51
+4
+103
0
0
–9
–60
+1
+8
–1
–2
35,580
61
+6
+154
+1
+18
–20
–150
+1
+8
–1
–2
35,630
71
+2
+51
–1
–18
–2
–15
+1
+8
–5
–8
35,670
81
+1
+26
0
0
–15
–113
+2
+16
–3
–5
35,720
101
–2
–51
+1
+18
–12
–90
0
0
–5
–8
35,750
111
–2
–51
+1
+18
–7
–53
–1
–8
–4
–6
35,770
121
–1
–26
–1
–18
–10
–75
–1
–8
–7
–11
35,790
131
–1
–26
0
0
–9
–68
–1
–8
–8
–13
35,800
141
0
0
0
0
–10
–75
0
0
–6
–9
35,800
151
+4
+103
–1
–18
–6
–65
+1
+8
–6
–9
35,830
161
+2
+51
–4
-74
–4
–150
0
0
–4
–6
max. Wert
+ = Hebung
– = Setzung
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Fernb. km
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
3.4.6.7 Fräs-, Misch- und Injektionsverfahren (FMI) In der RiL 836.0502 ist das FMI-Verfahren für die Ertüchtigung des Unterbaus durch Einsatz von Zementen mit Hilfe von UIG/ZIE möglich, wenn die Bedingungen der befristeten Zulassung des EBA erfüllt sind. Für den Einsatz gilt u.a. eine bedingte Eignung, wenn „Böden mit organischen Anteilen den Anteil an organischen Böden oder Beimengungen von 30% des Gesamtvolumens nicht überschreiten“. Dies bedeutet, dass Torfe mit ca. 30% bis 90% Glühverlust (Anteil an der Gesamtmasse der Probe) nicht geeignet sind. Bei größeren Moordicken, > 5 m, werden diese Torfe von Mudden (Wiesenkalke, Faulschlamm, Seetone) unterlagert. Diese haben i.d.R. 15% bis 30% organische Anteile (Glühverlust). Dazu müsste ebenfalls ein Anwendungsverbot bestehen. Entscheidend für eine Verkittung der mineralischen Masseanteile ist die Größe der aktiven Huminsäuren, die gegenüber Zementen wie Abbindeverzögerer oder Abbindeverhinderer wirken. Wenn einige Praktiker behaupten, dass man den Anteil der organischen Böden auf < 30% durch Zusatzaufmischung von darüberliegenden oder unterlagernden Sanden erreichen könne, dann wird die genannte Bedingung der Zulassung auf den Kopf gestellt, weil < 30% als Grenzgröße nur den natürlichen Erdstoff betrifft, nicht irgendwelche Mischverhältnisse. Der Verfasser vertritt nach Kenntnis einiger Anwendungsbeispiele die Auffassung: – Die Zukunft des Eisenbahnunterbaus bei der zu erwartenden Geschwindigkeitsentwicklung zu 300 km/h ist ein wenig verformbarer Untergrund mit neu zu definierenden elastischen Eigenschaften. Das FMIVerfahren bewirkt einen starren Untergrund und damit das Gegenteil. Schwierig sind und bleiben die Übergänge zu anderen Lösungen. – Die Momentanreaktion bei einer Eignungsprüfung sichert nicht in jedem Falle den Langzeiteffekt. Es gibt noch keine Erfahrungen über eine volle Nutzungszeit.
201
– Nichtgebundene oder „abgesoffene“ Zementanteile werden in die angrenzenden Moorflächen ausgespült und können durch nachhaltige Änderung des pH-Wertes zu einem Moorsterben führen. – Durch die Vermörtelung bis in den tragfähigen Untergrund entsteht eine hydrologische Sperre, die das charakteristische Unterströmen der Moorflächen verhindert und einseitige Wasserdrücke entstehen lässt. Dadurch können Flächen von der natürlichen Vorflut getrennt werden. – Die sprichwörtliche Verfilzung von Torfschichten unter dem Bahnkörper lässt eine Vermischung zu einer Feinstruktur nicht zu, d.h. es bleiben Torfreste, die Ausgangspunkt von Schäden sein können, insbesondere wenn diese in die Frostzone reichen. – Bei einem Versagen von Teilflächen ist der Unterbau Ursache unverträglicher Gleislageveränderungen. Ein Ersatz bzw. ein Abtrag solcher vermörtelten Teilkubaturen ist mit einem mehrfachen Aufwand als bei einem Erdkörper verbunden. Die Wiederverwendbarkeit bzw. Aufbereitung ist wegen der hohen organischen Anteile ausgeschlossen. Dies bedeutet eine vollständige Entsorgung. Der Verfasser empfiehlt, das Verfahren für die Sanierung von Moorflächen (Torf, Mudde), wie es eigentlich die Zulassung des EBA erfordert, vorläufig nicht zuzulassen. Ausgeführte Vorhaben sollten einer regelmäßigen Bewertung durch ein unabhängiges Institut bezüglich des Langzeitverhaltens unterzogen werden. 3.4.6.8 Gründung der Dämme in Moorflächen mit pfahlartigen Konstruktionen Derzeit gibt es wohl kaum eine Gründungsmethode in Moorgebieten zur Anwendung pfahlartiger Tragglieder mit dem unterschiedlichsten Echo unter den beteiligten Ingenieuren des Straßen- und Eisenbahnbaus. Das trifft zu für Planer, Bauausführende, aber besonders auf
202
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
die Kontroll- und Überwachungsingenieure in der Betriebsphase für das Streckennetz. Jede neue Methode braucht Zeit für eine gewisse Reife der Vorbereitung, aber auch kritische und wissenschaftliche Begleitung in der Nutzungsphase. Nur hier entscheidet sich, ob die Forderungen nach einer langjährigen, unterhaltungsarmen Nutzung erfüllt werden oder nicht. An den folgenden Beispielen wird deutlich, dass kritische Stimmen meist nur in regionaler Ebene zu finden sind – die generelle Auseinandersetzung bleibt leider aus. Die Richtlinien werden nicht ausreichend an den Wissensstand der Erkenntnisse einer Baumaßnahme herangeführt. Die Folge ist, dass die Unternehmen dies ggf. als betriebliches Know-how nutzen, aber nicht zum Allgemeingut machen. Baufehler werden also immer wieder an gleicher Stelle gemacht. Zusammenfassend gibt es folgende Kritikpunkte: – nicht kalkulierbare Nebenwirkungen auf das befahrene Gleis durch die Bautechnologie bei den Sanierungs- bzw. Ertüchtigungsarbeiten (starke Senkungen, Verschiebungen und in kritischen Fällen Brucherscheinungen am Erdkörper), – mehr Setzungen als vorhergesagt in der Nutzungsphase bis hin zu Rissbildungen im Bahnkörper und damit verbunden die eingeschränkte Nutzung (Herabsetzung der Geschwindigkeit) bzw. erhöhte Unterhaltungsaufwendungen, – optisch wahrnehmbare elastische Verformungen vor dem Triebfahrzeug (Welle), also in Längsrichtung, obwohl in den Bemessungsansätzen keine horizontalen Kräfte in dieser Richtung wirken sollen, – es fehlen Bewertungskriterien, um die Schwere eines Schadens beurteilen zu können, – die Schwingstabilität wird in einigen Fällen nicht erreicht. Die Ril 836.0502 nennt folgende Herstellungsverfahren der Tragsäulen und verbindet mit der Anwendung eine Zustimmungsverpflich-
tung (UIG = Unternehmensinterne Genehmigung, ZIE = Zustimmung im Einzelfall) für – geogitter-bewehrte Erdkörper auf Pfählen, – geokunststoff-ummantelte Sand- bzw. Kiessäulen, – Kalk- oder Zementsäulen. Dazu sind Weiterentwicklungen wie Duktile Pfähle mit Stahlbetonkopfplatten, Stahlrohre verfüllt, Betonpfähle ohne Bewehrung und Zementpfähle im Injektionsverfahren mit den unterschiedlichsten Namensgebungen im Gespräch. Aber auch „Schottersäulen“ sind, obwohl ihr Versagen häufig festgestellt wurde, immer noch im Angebot der Unternehmen. Vor allem fällt es jungen Ingenieuren schwer, die Solidität eines Angebots, welches sich i.d.R. nur mit der Herstellung auseinandersetzt, zu erkennen. Die Einflüsse der Technologie auf die „daneben“ zu gewährleistende Sicherheit des Eisenbahnbetriebes sind nicht erkennbar. Der Verfasser will versuchen, aus seinen Erfahrungen Hilfen zu Entscheidungsvorgängen zu geben und den Gesamtzusammenhang mit den derzeitigen Widersprüchen aufzuzeigen. 3.4.6.8.1 Lastannahmen und Reaktion des Baugrundes In der Literatur [3.24 und 3.25] wird die Lastannahme entsprechend den Forderungen der Ril 836 und DS 804 als eine vertikal wirkende Flächenlast mit Einrechnung der dynamischen Einflüsse berücksichtigt. Die erwarteten Baugrundreaktionen sind vertikale Verschiebungen, also Setzungen und horizontale Spreizkräfte. Dies sind die Anätze, die bei Annahme eines elastisch isotropen Halbraumes zu erwarten sind. Die verwendeten pfahlartigen Tragglieder sollen entsprechend den Vorgaben des Institutes für Bautechnik nur vertikal wirkende Lasten übernehmen. Die Einleitung der Kräfte wird in Form einer sich ausbildenden Gewölbewirkung bei Vorgabe einer Mindestüberdeckung durch Tragschichten nach Abb. 3.108 angenommen. Den Aufbau der Gewölbewirkung sollen zwei Lagen Geogitter übernehmen, die sich
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Abb. 3.108 Zweilagig mit Geogitter bewehrte Dammschüttung über vermörtelten Stopfsäulen nach [3.24]
Dammschüttung
Gewölbewirkung Geogitter
203
hc
Weichschicht
wie eine Membran über die Aufstützpunkte (Pfahlköpfe) spannen. Das von den Aufsichtsbehörden weitgehend anerkannte Rechenmodell wird in [3.24] zum Zeitpunkt 1997 noch abhängig gemacht von „der Auswertung weiterer Messungen, um genauere Aussagen zur Übereinstimmung mit den gewählten Berechnungsansätzen, insbesondere aus dem Eisenbahnverkehr zu gewinnen“. In [3.25] wird 2001 über Modellversuche „das tatsächliche Trag- und Systemverhalten des komplexen Systems unter Variation der maßgeblichen Einflussparameter untersucht“. Neben neuen Erkenntnissen wird weiterhin noch ein erheblicher Forschungsbedarf angemeldet. In [3.25] wird über einige Anwendungsbeispiele berichtet, aber vorrangig aus der Sicht des Planers und des Bauausführenden. Der Verfasser war bei einigen Anwendungen in der Bauphase, aber auch beratend in der Nutzungsphase für das Management Netz der Bahn tätig. Einige Auslegungen in den Darstellungen [3.25, 2.26] stimmen mit den praktischen Wahrnehmungen nicht überein. Während der Kontrollingenieur beim klassischen Oberbau auf eine Fülle von optischen und gewonnenen Daten das Bild der Tauglichkeit oder eines Fehlers mit entsprechender Erfahrung sehr eindeutig zuordnen kann, ist dies bei der durch Pfähle verstärkten Gründung unklar. Es fehlen zusätzliche Bewertungskri-
terien, die dem Gründungskörper zuzuordnen sind. Ein Beispiel der Strecke Berlin–Hamburg am km 55,000 soll dies verdeutlichen. Im Jahre 1995/96 wurde auf längeren Abschnitten ein vierreihiges Raster von Rüttelstopfsäulen (Ø 0,60m) mit 2-lagiger Geotextil-/Geogitterüberspannung analog Abb. 3.108 bei Moormächtigkeiten von 2–6 m hergestellt. Mehrere Rückfragen des Streckenmanagements nach Inbetriebnahme ließen die Notwendigkeit von Streckenbegängen und den Wunsch nach fachlicher Diskussion erkennen. Die Fragen im Vorfeld waren folgende: – Die Aufmessung der Gleise „in Ruhe“ und mit den Gleismesswagen ließen keine kritischen Grenzwerte erkennen, aber optisch einen schadhaften Ober-/Unterbau bewerten. – Die elastischen Einsenkungen des Gleises am Triebfahrzeug bei Befahrung sind zunehmend größer geworden als vor der Sanierung 1996. – Die Setzungen in den betroffenen Senken wurden im Zeitraum eines Jahres mit bis zu 55 mm festgestellt. – Warum gibt es am alten Überweg an der Auffahrseite eine Zone mit verstärktem Verschleiß an den Oberbaukleinteilen? – Die These, dass horizontale Schubkräfte bei dieser Gründungsvariante nicht auftreten, ist in Frage zu stellen (s. Abb. 3.109a–c)
204
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
a Draufsicht über Zonen verstärkter Verschleisserscheinungen am Oberbau
Zonen starker Gleisdeformation infolge Energievernichtung
b Baugrundquerschnitt am Baugrundsattel und Rüttelstopfsäulen mit Geogitterbewehrung in den angrenzenden Moorsenken Tragschicht Überdeckung
SOk
doppellagiges Geogitter
Torf
Mudde
Druc
kwel
le
Zone der Energievernichtung durch Bruch der den Zug begleiteten Druckwelle
Tragfähiger Baugrund
c Elastische Verformungen des Oberbaus und die Porenwasserdruckvorlaufwelle im organischen Untergrund Triebfahrzeug
Elastische Einsenkung des Oberbaus
Hervorhebung vor Kopf des Triebfahrzeuges
(bar) ΔU
Druckwelle wird bei Auffahrt auf tragfähigem Baugrund vernichtet
Vorlaufdruckwelle aus organischen Schichten (Porenwasserdruckanstieg)
Abb. 3.109a–c Wirkungen bei Auslauf einer Porenwasserdruckwelle aus einer Moorinne im Bereich tragfähigen Baugrunds
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Gespräche mit den Praktikern zeigten, dass sie ungenügend auf die Besonderheiten des neuen Systems vorbereitet waren. Die Fragestellungen waren voll berechtigt. Ein gesundes Gründungssystem darf die genannten Erscheinungen nicht zeigen. Der Verfasser konnte dazu feststellen (s. Abb. 3.109a–c) – Folgt man dem Kriterium nach Tabelle 3.15 für schwimmende Dämme im Endzustand bei Δs von 55 mm/Jahr wäre nur VG 90 km/ h zu empfehlen. – Die Art und Weise der Entstehung der elastischen Verformung insbesondere beim ICE und der Verschleiß bzw. die Geräusche beim Befahren der Auffahrtseite am Überweg (wirkt wie ein Rammbock) waren nur verständlich bei einer intensiven Energievernichtung. – Wenn plastische und elastische Verformungen dieser Größenordnung auftreten, dann ist auch mit einer „Porenwasserdruckwelle“, d.h. mit horizontalen Schubwirkungen, zu rechnen. Die Statik des Verfahrens steht in Frage. Die Information an die Leitung der Bahn führte unverzüglich zu einer Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit (2001). In den folgenden Sommermonaten wurde etwa an genanntem Standort ein Grossschurf angelegt und die Situation analysiert. Danach gab es erhebliche Mängel wie – ungleiche Höhe der Pfahlköpfe, – eine größere Anzahl der Betonrüttelpfähle hatte Schafftrisse, – die Geotextil-/Geogitterbewehrung hat offenbar die Gewölbewirkung nicht abgesichert (fehlende Einspannung, zu große Dehnungen), – die organischen Böden wurden entgegen den Annahmen durch Verkehr belastet, – die Schwingstabilität des Systems ist nicht gegeben. In [3.26] werden die Details der Reparatur, aber auch die Maßnahmen der Ertüchtigung von
205
2002 ausführlich dargestellt. Durch massive Kürzung der Säulen wurden automatisch der kritische Punkt der Überdeckungshöhe sowie durch Teilaushub von organischen Schichten die offenbaren Ursachen der oben dargestellten Situation beseitigt. Die Strecke ist in diesem Abschnitt mit 230 km/h seit Beendigung der Baumaßnahmen befahrbar. Eine Kernfrage des statischen Systems ist offenbar die Überdeckung Pfahlkopf bis zur OK der Tragschicht (kühne Planer rechnen dazu den Oberbau bis OK Schiene). In [3.12] wird 1991 aus praktischer Erfahrung – geprägt durch den ursprünglich dominanten Dampflokbetrieb auf dem Gebiet der Deutschen Bundesbahn – berichtet. Dazu gab es bei der Deutschen Reichsbahn [3.9–3.11]) ähnliche Erkenntnisse zur Schadensursache, aber wenig Übereinstimmung zu den vorgeschlagenen Maßnahmen (Schottersäulen, Kästeneinsatz). Völlig einig waren sich die Fachkollegen in einer Feststellung zur Anlage 5 in der Veröffentlichung der DB 28a [3.12], s. Tabelle 3.17: „Bei Überdeckung (OK Moorfläche bis OK Tragschicht) von ≥ 4,0 m sind keine schädlichen Auswirkungen zu erwarten“. Mit dieser allgemeinen Faustformel war der Oberbauer sicher, dass alle Schubkräfte aus Anfahr- und Bremskräften in diesem Schubquerschnitt von mind. 11 m2 bei eingleisigem Bahnkörper durch Reibung im mineralischen Boden abgebaut sind. Im zuvor beschriebenen Beispiel war dieser „Schubquerschnitt“ bei Überdeckung 2 m auf 40% reduziert. Ob die Daumenregel 4 m Mindestüberdeckung bei den gewachsenen Geschwindigkeiten von seinerzeit 120 km/h auf angestrebte 300 km/h noch ausreicht, wäre zu prüfen. In jedem Falle hält es der Verfasser für leichtfertig, eine horizontale Beanspruchung der Überdeckung < 4 m in Moorstellen zu negieren. Die Deutsche Bahn sollte interessiert daran sein, diesen Lastfall eindeutig zu definieren. Auch sollte der Aspekt, dass solche pfahlartigen Säulen nur vertikale Kräfte unabhängig von der Lage des Pfahlkopfes aufnehmen, kritisch bewertet werden.
206
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
3.4.6.8.2 Einflussfaktoren aus der Technologie bei der Herstellung von pfahlartigen Säulen Die Fertigung der pfahlartigen Säulen wird nicht im schonenden Bohrverfahren, sondern von allen Anbietern aus Gründen höherer Leistung im Verdrängungsverfahren hergestellt. Die Verdrängung und der mehrfach wiederholte Rüttelvorgang führen bei mineralischen Böden zu Kornumlagerungen, solange das in den Poren vorhandene Wasser abfließen kann. Deshalb hat diese Methode bei einem Untergrund aus Sanden und schwach bindigen Böden kf ≤ 10–5 ms eine im Voraus zu erwartende hohe Qualität ohne Nebenwirkungen auf das Umfeld. Bei gleicher Technologie zur Herstellung solcher Pfahlelemente in einem Moorgebiet sind deshalb nicht die gleichen Ergebnisse zu erwarten. Bei der Eintreibung des Rohres mit entsprechenden Rüttlern wird in der organischen Schicht, bedingt durch den anderen Charakter der Torfe und Mudden gegenüber Sanden, keine Kornumlagerung erreicht, sondern der zu schaffende Raum für den Pfahlstandort durch Verdrängung erzeugt. Allein der Vergleich des zu verdrängenden Querschnitts lässt unterschiedliche Auswirkungen bei verschiedenen Querschnitten erwarten, s. Tabelle 3.23. In den Zulassungsbedingungen des Institutes für Bautechnik wird vorsorglich in den Anwendungshinweisen bei fast allen „pfahlar-
tigen Traggliedern“ eine Anwendung auf bestimmte weiche Böden eingeschränkt. „Die Anwendung ist auf einen Baugrund zu beschränken, dessen undrainierte Scherfestigkeit CU > 15 kN/m2 beträgt. Zwischenschichten mit CU-Wert von 8–15 kN/m2 sind zulässig, soweit sie eine Einzelschichtdicke von 1,0 m nicht überschreiten.“ Vergleicht man die vorgegebenen Randbedingungen CU > 15 kN/m2 mit dem Ist-Zustand, so haben die organischen Böden durch die Verdrängung und den eine Art Verflüssigung auslösenden Vibrationsvorgang nicht mehr annähernd einen solchen vorgegebenen CU-Wert! Diese Auswirkungen sind entsprechend Tabelle 3.23 nur gering zu halten durch Anwendung minimaler Querschnitte oder wenn der Empfehlung gefolgt wird, „Bohrpfähle“ herzustellen. Die Anwendung von minimaler Rüttelenergie und ein im Probefeld getestetes Pilgerschrittverfahren sind die einzige Möglichkeit, einen Bruch zu verhindern. Auf die Messung des Porenwasserdruckes sollte als verbindliche Kontrolle und Möglichkeit der Steuerung der Arbeitsvorgänge insbesondere bei Maßnahmen an befahrenen Bahnstrecken bei kritischen Profilen nicht verzichtet werden. Trotz gewonnener Erfahrungen bei den Arbeiten sind Schadensfälle mit schwierigen Baugrundverhältnissen nicht ausgeblieben.
Tabelle 3.23 Vergleich der Bodenverdrängung je Standort bei Herstellung pfahlartiger Tragglieder Pfahldurchmesser [mm]
Verdrängter Querschnitt bei Pfahlherstellung [m2]
Vergleich der Verdrängung zu Ø 400 mm %
vorrangige Anwendung –
400 500 600 700
0,126 0,196 0,283 0,385
100 156 224 305
800
0,502
400
Sanddrains Rüttelstopfsäulen Rüttelstopfsäulen geotextilummantelte Sandsäulen geotextilummantelte Sandsäulen
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
Fall: Moorstellensanierung 1999 im Kirchseeoner Moor km 33,90–33,95 mit geotextilummantelten Sandsäulen Ø 800 mm In diesem Falle ging es um eine Anschüttung für eine zweigleisige S-Bahnstrecke an die Fernbahn München–Rosenheim. Die Strecke lag am Rande einer Senke, deren Baugrund aus Torfen und dem sog. Seeton (spezielle Muddenart) bestand. Bedingt durch ein „unbrauchbares Baugrundgutachten sog. Billiganbieter“ war ein Planungsrückstand von fast 2 Jahren entstanden. Die Anbieter der geo-
207
textilummantelten Sandsäulen hatten eine im Sinne des AG geringe Bauzeit angeboten und den Zuschlag erhalten. Nach zügigem Beginn der Bauarbeiten mit Herstellung von jeweils 5 Säulen im Querschnitt zeigten sich am 18.01.1999 erste Anzeichen von Verformungen. Unmittelbar am Dammfuß der Neuanschüttung stehen 50-jährige Fichten, die sich zu neigen begannen, Risse im Vorland und Hebungen wurden erkennbar. Trotz Arbeitsunterbrechung im sich abzeichnenden Bruchbereich war ein tief greifender
Abb. 3.110 Presseinformation in Münchner Merkur vom 21.11.1999 – 2 Tage nach dem Grundbruch
208
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
Grundbruch nicht mehr zu stoppen. Die örtliche Presse reagierte umgehend (Abb. 3.110). Die einsetzenden Untersuchungen ergaben, dass der „Seeton“ im fließähnlichen Zustand einen seitlichen Ausbruch unter der Anschüttung zum Teil vorbei an bestehenden geotextilummantelten Kiessäulen bzw. im unberührten Baufeld flächenhaft verursacht hatte. Dazu entstanden Senken, aber auch Hebungen wie in Abb. 3.110 beschrieben. Die Entwicklung des Schadens ist in einer Skizze in Abb. 3.111 dargestellt. Der Seeton flüssiger Konsistenz schiebt sich auf einer Breite von ca. 50 m unter die etwa 2 m dicke und stark durchwurzelte Torfschicht, die relativ geringe Wassergehalte aufwies.
Die in Messprofilen aufgenommenen Verformungen waren 2 Tage nach dem Bruch nur noch als Setzungen und horizontale Verschiebung an der Geländeoberfläche erkennbar. Veränderungen an den Fernbahngleisen führten zur Herabsetzung der Geschwindigkeit in der Gefahrenstelle auf VB ≤ 30 km/h und einer permanenten Überwachung. Das Ausmaß der Schäden im Arbeitsplanum und am Böschungsfuß zeigen die Abb. 3.112 und 3.113. Zwei zusätzliche Stahlrohrreihen sollten das seitliche Ausweichen des Seetons behindern und als Fließsicherung dienen (s. Abb. 3.114). Zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme im Mai 1999 waren noch erhebliche Verformungen an
München Rosenheim Fernbahn VB = 120 km/h
S-Bahn VB = 30 km/h
Geogitter Biotop Gärten
Torf Seeton
Tragfähiger Baugrund textilummantelte Sandsäulen ø 800 mm Hebung 166
225
870 1340 Setzungsgeschwindigkeit VS mm/Jahr
1706
Abb. 3.111 Schematische Darstellung des Grundbruches. Ablaufende Bruchvorgänge Januar–März 1999
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
209
Abb. 3.112 Bahnkörperverbreiterung im Moor Zorneding/ Kirchseon. Grundbruch Januar 1999 – Aufbrüche am neuen Dammfuß bis 2 m, Baumbewuchs angehoben und stürzt nach und nach um
Bahnstrecke München – Rosenheim
den Gleisen der Fernbahn, aber auch an der neuen S-Bahnstrecke zu verzeichnen. Mehraufwendungen der Unterhaltung in Form von Stopf- und Richtarbeiten waren unvermeidlich. Der Versuch, die Bruchstelle kurzzeitig mit Geogittern zu stabilisieren, erwies sich solange der Bruch wirksam war, als Fehlschlag. Es ging hier nicht, wie sonst üblich, um eine Verbesserung der Lastverteilung, sondern um einen Grundbruch wegen Materialversagens der Seetonschicht. Als Ursache muss man die Erzeugung eines kritischen Porenwasserdruckes ansehen, der in drei Etappen entstanden ist:
Abb. 3.113 Bahnkörperverbreiterung im Moor Zorneding/ Kirchseon. Grundbruch Januar 1999 – Abrisse und starke Senken im Planum und in der Böschung klaffende Risse im neu geschütteten Bahnkörper, Herabsetzung der Geschwindigkeit auf der Fernbahnstrecke auf VB d 30 km/h wegen Gleisverformungen
1. Die permanenten Setzungen an der Fernbahnstrecke erzeugen (wie an anderer Stelle gemessen) relativ hohe Porenwasserdrücke, die man bei ungünstigen Zügen bis zu 4 m WS bei Geschwindigkeiten um 120 km/h annehmen musste. Dieser Porenwasserüberdruck war vor Baubeginn bereits vorhanden. 2. Schütten einer ca. 2,50 m Auflast ohne ausreichende Liegezeit und ohne Schüttschema zur Herstellung der Arbeitsebene (s. Abschn. 3.4.6.5). 3. Kurzzeitig danach beginnen die Rammarbeiten mit starker Vibrationstechnik jeweils
210
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
München Rosenheim Fernbahn VB = 120 km/h
S-Bahn VB = 30 km/h
Geogitter Biotop Gärten
Stahlrohre
Torf Seeton
Tragfähiger Baugrund textilummantelte Sandsäulen, zum Teil verdrückt
30
78
73
Zusatzmaßnahmen Stahlrohre in Bruchbereich
60
123
VS mm/Jahr
678
Abb. 3.114 Schematische Darstellung der Situation nach der Grundbruchsanierung im Mai 1999 mit Zusatzstahlrohren
im Profil ohne messtechnische Kontrolle im Verdrängungsverfahren. Es gilt als mehrfach nachgewiesen, dass sich die genannten Einflussfaktoren im ungünstigen Falle superponieren. Zusätzlich können sich dazu Einflüsse aus Sprengarbeiten außerhalb der Baustelle aber durch Verbindungen zum Moorfeld (Moorrinne) überlagern. Je nach Beschaffenheit der organischen Schichtungen sollte ein kritischer Porenwasserüberdruck (wirksamer Porenwasserüberdruck) nach Erfahrungen des Verfassers entsprechend Tabelle 3.25 in keinem Falle überschritten werden. Obwohl die Erfassung von Daten der Erzeugung von Porenwasserdrücken aus den verschiedensten Einflussfaktoren noch nicht das nötige Interesse der Forschung gefunden hat, gibt es dennoch einzelne Vergleiche aus praktischen Messaufgaben (s. dazu Tabelle 3.24).
Bei der Abwägung, welches Verfahren als Lösung vorgeschlagen wird, sollte man sich die Größe der Bodenverdrängung bei entsprechendem Rohrdurchschnitt nach Tabelle 3.23 vor Augen führen. Da i.Allg. das Raster der Pfahlstandorte mit 2,50 m gewählt wurde, ist es verständlich, dass eine Volumenminimierung auf weniger als 50% ohne einen zerstörerischen Anteil (Gefügestruktur) bei den besonders gefährdeten Mudden wohl kaum möglich ist. Selbst wenn es zu keinem Bruch kommt, bleibt immer ein hoher Porenwasserdruck zurück, der zu Langzeitsetzungen führen wird. Deshalb gibt es bei Querschnitten > 500 mm die Empfehlung, das Bohrverfahren anzuwenden. An den genannten Beispielen müsste deutlich geworden sein, dass bei Dammgründungen im Moorgebiet – für die Planung nicht nur die Konstruktion, sondern auch die technologischen Randbe-
3.4 Gründung von Erdbauwerken auf wenig tragfähigem Baugrund
211
Tabelle 3.24 Gemessene Porenwasserüberdrücke in m Wassersäule (mWs) bei organischen Schichten > 3 m während der Herstellung pfahlartiger Gründungskörper Ø 600 mm und Sanddrains Ø 400 mm im Verdrängungsverfahren Spezifikation der Rammarbeiten
max. Porenwasserdrücke ΔU[bar] [mWs] Torf
Mudde organ. (Seeton) Sand
2,4 mWs 0,24 bar
4,1 mWs – 0,41 bar
BV Berlin–Hamburg–(Friesack) 1995/96 Technik für Herstellung von Rüttelstopfsäulen Ø 600 mm bei VB 45 km/h im befahrenen Gleis. Schlussfolgerung nach Gleisdeformation Energiereduzierung – Minimierung Vibration und Pilgerschrittverfahren 1 – 3 – 5 – 7 sowie Arbeit in Zugpausen BV München–Salzburg (Zorneding–Grafing) 1997–2000
aus Verkehr VB 45 km/h P-Züge ICE 2,2 mWs 0,22 bar G-Züge 1,6 mWs 0,16 bar VB 120 km/h G-Züge 4,0 mWs 0,4 bar P-Züge 2 mWs 0,2 bar
a) Herstellung von Sanddrains Ø 400 mm mit Super Delmag-Rammen (Mäkler 22 m, 8 t Bär) in Probephase (kritische Bruchgefahr) durch Großrammen
3,5 mWs 0,35 bar
4,4 mWs – 0,44 bar
b) Reduzierung Energieeintrag – Fallbär o 4 t – Fallhöhe 2/3 h Arbeit im Pilgerschrittverfahren 1 – 4 – 7 – 10 nur in Zugpausen
1,5 mWs 0,15 bar
3,5 mWs – 0,35 bar
BV Berlin–Cottbus (Dahmetal) 2003–2006 Herstellung Sanddrainagen Ø 400 mm im Pull-down-Verfahren (Eindrücken mit minimaler Vibration) Pilgerschrittverfahren 1 – 3 – 5 – 7
1,5 mWs 0,15 bar
1,8 mWs 2,95 mWs VB 30 km/h 0,18 bar 0,295 bar (Setzungsfließgefahr)
wie vor VB 70 -90 km/h Zugverk. 4,0 mWs 0,4 bar
Durch Probefelder konnte die Technologie der Herstellung bei genannten Bauvorhaben auf örtliche Bedingungen abgestimmt und ein Grundbruch mit Streckensperrung vermieden werden.
Tabelle 3.25 Kritische Porenwasserüberdrücke 'U bei akuter Grundbruchgefahr (Erfahrungswerte) Betrachtung
Max. Werte
Flächenhafte Porenwasserdrücke – mehrere Werte in einer kritischen Gleitlinie Einzelwert entlang der kritischen Gleislinie Arbeiten in alten Grundbruchbereichen
≤ 6 m WS ≤ 0,6 bar ≤ 7 m WS ≤ 0,7 bar ≤ 4 m WS ≤ 0,4 bar
dingungen und Materialveränderungen mit großer Sorgfalt erarbeitet werden müssen, – die Begleitung der Baumaßnahme (Überwachung) durch messtechnische Kontrollwerte wie Porenwasserdruck, Setzung, Standsicherheit und Schwingstabilität im Verkehrsbau eine Grundvoraussetzung für erzielbare Qualität und technische Sicherheit sind. 3.4.6.9 Moorbrücken Moorbrücken sind eine spezielle Kombination von Brückenelementen und einem Erdbauwerk nach dem Beispiel in Abb. 3.115.
212
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
zeitweilige Überschüttung
GOK Kiessand
Arbeitsschicht
Torf Organische Schicht
Mudde
Sande a Tragfähiger Baugrund a = Eine Bindelänge ca. 1∕3 Moor-Mächtigkeit
Abb. 3.115 Querschnitt einer Moorbrücke
Der Unterbau bildet eine auf Stahlbetonpfählen gegründete bewehrte Stahlbetonplatte, worauf das Erdbauwerk aufgesetzt wird. Die Dammhöhe sollte 3 m nicht überschreiten. Während die Konstruktion nach bewährten Regelungen des Brückenbaus ohne Probleme entwickelt wird, muss mit einigen technischtechnologischen Schwierigkeiten in der Bauphase gerechnet werden. Diese sind: – Die Erkundung des Baugrundes muss in einem sehr engen Raster < 10 u 10 m realisiert werden. Besonders wichtig ist die Aussagegenauigkeit zur Rammbarkeit. Da die Stahlbetonpfähle in Vorfertigung hergestellt sind, werden meist nur Überstände von 0,50 m akzeptiert. Bei stärkeren Abweichungen ist mit Ergänzungspfählen zu rechnen. – Vor Arbeitsbeginn ist eine Arbeitsschicht mit einer Mindestdicke ≥ 2 m in 3–4 Lagen analog den Schüttempfehlungen nach Abschn. 3.4.4 mit entsprechender Zusatz-
breite (Berme) herzustellen. Eine ca. 4wöchige Liegezeit sorgt für das Ausklingen der meist sehr starken Initialsetzungen. Bei der Festlegung der Arbeitsbreite (s. Abb. 3.115) sollte beachtet werden, dass die Einschüttung des Betontroges Setzungen verursacht. Eine zusätzliche Auflast kann diese vorab (analog Abschn. 3.4.6.5) ausgleichen. Gleichzeitig werden so Hebungen aus Rammarbeiten und den Seitenflächen verhindert. – Bei den Rammarbeiten sollte auf Vibrationssysteme wegen der Verflüssigungsgefahr der organischen Schichten, insbesondere von Mudden, verzichtet werden. Um den Einfluss der Verdrängung (s. Abschn. 3.4.6.8) möglichst gering zu halten, sollten die Arbeiten unter entsprechender Überwachung im Pilgerschritt-Verfahren erfolgen. – Nach der Herstellung der Pfähle wird die Bewehrung der Pfahlköpfe aufgespreizt und in die Bewehrung der Stahlbetonplatte ein-
Literatur
gebogen. Die Oberfläche der Aufschüttung dient gleichzeitig als untere Schalfläche. – Der Betoniervorgang sollte möglichst in 2 Schichten erfolgen, wobei die untere als Unterbeton mit der Zulässigkeit von Rissbildungen ausgebildet werden sollte. – Die Übergänge zu den anschließenden Streckenabschnitten sollten mit Schleppplatten ausgestattet werden. So können Setzungsund Elastizitätsunterschiede mit erhöhten Verschleißerscheinungen am Oberbau weitgehend vermieden werden. Der Bau von Moorbrücken wird sich wegen des immensen Aufwands an Handarbeiten, aber auch wegen der Kosten immer auf Sonderfälle beschränken. Nachteil ist auch, dass das Bauwerk von unten keine Inspektion zulässt.
3.12
3.13
3.14
3.15
3.16
Literatur 3.17 3.1
Richtlinie 836 Deutsche Bahn AG Ausgabe 1999: Erdbauwerke planen, bauen und instand setzen 3.2 Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau (ZTVE – StB) 3.3 DIN 1054: Baugrund, Sicherheitsnachweise im Erd- und Grundbau 3.4 DIN 18196: Erd- und Grundbau – Bodenklassifikationen für bautechnische Zwecke 3.5 DIN 4020: Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke 3.6 DIN 4021: Aufschluss durch Schürfe und Bohrungen sowie Entnahme von Bodenproben 3.7 DIN 4094: Baugrund, Erkundungen durch Sondierungen 3.8 DIN Taschenbuch Nr. 113: Erkundungen und Untersuchung des Baugrundes. Berlin: BeuthVerlag 3.9 TGL 24756: Eisenbahnunterbau. – bis 1990 gültige Vorschrift der DR 3.10 TGL 11482/08: Erdarbeiten im Straßen- und Eisenbahnbau. – bis 1990 gültige Vorschrift der DR 3.11 Rahn H, Grüger N (1985): Beitrag zum Bau, zur Sicherung und Sanierung von Bahndäm-
3.18
3.19
3.20
3.21
3.22 3.23
213
men auf organischem Baugrund. Diss. HfV/ TU Dresden Schwingungsverhalten von Bahnkörpern auf organischem Boden (Torf). Bautechnik 28a v. 02/1991 Deutsche Bundesbahn BZA BN 918062 „Korngemische für Trag- und Schutzschichten zur Herstellung von Eisenbahnfahrwegen“. Technische Lieferbedingungen (TL) Ausgabe 03/2000, gültig ab 01.04.2000 Zeller I, Zeindler H (1956): Vertikale Sanddrains – eine Methode zur Konsolidierung von wenig durchlässigen, setzungsempfindlichen Böden. Straße und Verkehr, Heft 6 und 7 Floss R (1971): Dämme auf weichem Untergrund. Möglichkeiten der Untergrundverbesserung. Straße und Tiefbau, Heft 2 Darr E, Fiebig W (1999): Feste Fahrbahn, Konstruktion, Bauarten – Systemvergleich Feste Fahrbahn – Schotteroberbau. Schriftenreihe für Verkehr und Bahntechnik (VDEI), Bd. 1. Hamburg: Tetzlaff Verlag Tost S, Kempfert H G, Brünger F (2004): Ertüchtigung einer Bahnstrecke unter einem optimierten, geogitterbewehrten Tragschichtsystem über teilvermörtelten Stopfsäulen (TVSS). Planung, Bauausführung, Beobachtung. Baugrundtagung Leipzig, S 253–260 Rahn H (2003): Bau von Verkehrsdämmen auf organischen Baugrund großer Mächtigkeit. Beitrag auf der Fachtagung „Geotechnik im Verkehrwegebau“ am 31.01.2003, Dresden Rahn H (Seminarmaterial 1996–2003): Systematische Vermeidung von Schadensfällen an Erdbauwerken. Beispiele aus dem Verkehrsbau. Haus der Technik Essen/Berlin Rahn H (2001): Die Rolle der Tragschichten im Eisenbahnbau. In: Eisenbahningenieur 3/2001 Rahn H (1998): Dammschäden. In: Striegler W (Hrsg.): Dammbau. Berlin: Verlag für Bauwesen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) Rahn H (Recherchen): Erfahrungen bei der Anwendung der Kalkstabilisierung/Künstliche Austrocknung mit Branntkalk bei der Deutschen Reichsbahn (Zuarbeit im Rahmen des Forschungsberichts des (BMV BW) zu „Einflüsse des Gebrauchsverhaltens kalkbehan-
214
3 Eisenbahndämme und Einschnitte
delter frostempfindlicher Böden im Planumsbereich von Verkehrsflächen 2003/2004“) – unveröffentlicht 3.24 Kempfert H G, Stadel M (1995): Zum Tragverhalten geokunststoffbewehrter Erdbauwerke über pfahlähnlichen Traggliedern. In: Geotechnik Sonderheft, S 146–152 3.25 Zaeske D (2001): Zur Wirkungsweise von unbewehrten und bewehrten mineralischen
Tragschichten über pfahlartigen Gründungselementen. Schriftenreihe Universität Kassel, H10 3.26 Reimann B (1997): Gründung von Verkehrsdämmen in Moorgebieten – Ausführung, Bemessung. Messtechnische Überwachung und Auswertung von Messungen bei dynamischer Belastung. Diplomarbeit TU Berlin
4
Ingenieurbauwerke Manfred Curbach, Dirk Jesse
4.1 Eisenbahnbrücken 4.1.1 Zur Geschichte Brücken verbinden. Große und kleine Brücken prägen unser Landschaftsbild und das Gesicht vieler Städte. Sie sind aus der Verkehrsplanung der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Bereits in der Antike errichteten die Römer zahlreiche Aquädukte, um trockene Regionen des Landes und große Städte mit Wasser zu versorgen. Davon ausgehend entwickelte sich der Brückenbau über die Jahrhunderte weiter. Brücken entstanden vorrangig entlang bedeutender Handelsrouten, wobei der Naturstein bis in das 19. Jahrhundert das beherrschende Baumaterial blieb. Der nächste große Schritt kam mit der Eröffnung der ersten Fern-Eisenbahnstrecke von Leipzig nach Dresden am 8. April 1839 und der rasanten Entwicklung des Eisenbahnverkehrs
in der Folgezeit. Erstmals verlangte ein Transportmittel zwingend eine steigungsarme Trassierung. Die Überwindung großer und tiefer Täler sowie die begrenzten Anpassungsmöglichkeiten der Trassierung an das vorhandene Gelände erforderten eine große Zahl an neu zu errichtenden Kunstbauten. Eine der bekanntesten und schönsten Bahnbrücken aus dieser Zeit ist die Göltzschtalbrücke (s. Abb. 4.1), die unter Mitwirkung von Johann Andreas Schubert entstand. Die Brücke wurde zwischen 1846 und 1851 im Zuge der Eisenbahn-Neubaustecke Leipzig–Nürnberg errichtet. Ihre Gesamtlänge beträgt 578 m bei einer maximalen Höhe von 78 m. Um Kosten zu sparen, wurden Ziegel für den Bau der Brücke eingesetzt, die aus dem nahe gelegenen Ton- und Lehmlagerstätten günstig zu beziehen waren. Insgesamt wurden über 25 Millionen Ziegel verbaut und machen sie damit zur längsten Ziegelbrücke der Welt. Die Hauptöffnung der aus insgesamt 81 Steinbögen bestehenden Brücke wird durch zwei übereinander Abb. 4.1 Eisenbahnbrücke über das Göltzschtal in Sachsen [4.8]
216
4
Ingenieurbauwerke Abb. 4.2 Eisenbahnbrücke über das Enztal bei Bietigheim, Württemberg [4.8]
liegende, jeweils 31 m überspannende Bögen gebildet. An die beiden Bögen schließen sich beidseitig massiv ausgebildete Doppelpfeiler zur Aufnahme des Bogenschubs an. Interessant ist auch die Entstehungsgeschichte des Brückenentwurfes. Die SächsischBayrische Eisenbahn schrieb seinerzeit einen Wettbewerb um die beste Brückenkonstruktion aus. Die Siegerprämie des Wettbewerbes wurde unter den vier besten Entwürfen aufgeteilt, von denen letztendlich jedoch keiner zur Ausführung kam. Das Problem: Bei keinem der prämierten Entwürfe konnte die Standsicherheit des Bauwerkes durch eine Berechnung nachgewiesen werden. Der damalige Leiter der Prüfungskommission, Professor Johann Andreas Schubert, der den Wettbewerb mit beaufsichtigte, war mit den Ergebnissen unzufrieden und reichte schließlich einen eigenen Entwurf ein, in welchem er verschiedene Details aus den einzelnen Entwürfen aufgriff und die bisher fehlende statische Berechnung für seinen Vorschlag lieferte. Der markante Hauptbogen war in Schuberts Entwurf noch nicht enthalten. Während der Bauausführung stellte sich heraus, dass der Baugrund im Bereich der Göltzsch für die Pfeilergründung gänzlich ungeeignet war. Auf Vorschlag des Bauleiters Robert Wilke entstand so der vergrößerte Hauptbogen unter Verzicht auf die Flussgründung und damit die Ansicht, wel-
che die Göltschtalbrücke in unverwechselbarer Weise prägt. Fast zur gleichen Zeit entstand zwischen 1851 und 1854 der Enztalviadukt in Bietigheim (s. Abb. 4.2). Der besondere Reiz dieses Steinviaduktes liegt im Zusammenspiel der Wölbung der Hauptbögen mit den darunter liegenden flachen Versteifungsbögen, die eine extrem schlanke Ausbildung der Pfeiler ermöglichte. Die schnelle Entwicklung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert zum wichtigsten Transportmittel im Personen- und Güterverkehr brachte auch eine immer schnellere Entwicklung im Ingenieurbau mit sich. Mit dem Einzug des Stahls und des Betons in den Brückenbau veränderte sich der Brückenbau enorm. Der technische Fortschritt brachte größere Stützweiten, neue Konstruktionsarten und zahlreiche Bauverfahren mit sich. Auf den nachfolgenden Seiten werden die aktuellen Entwurfskriterien sowie mögliche Tragsysteme und Bauverfahren vorgestellt und durch einige ausgeführte Beispiele verdeutlicht.
4.1.2 Allgemeines Im Eisenbahnwesen werden unter dem Begriff „Eisenbahnüberführungen“ Eisenbahnbrücken und Durchlässe zusammengefasst. Per Definition gelten Bauwerke ab einer Stützweite von mehr als 2 m als Brücken, darunter han-
4.1 Eisenbahnbrücken
delt es sich um Durchlässe. Im Folgenden wird vereinfachend generell von Brücken gesprochen. Im Vergleich zu Straßenbrücken sind die Beanspruchungen für Eisenbahnbrücken erheblich größer und konzentrierter. Eisenbahnbrücken müssen zudem deutlich größere Längskräfte übertragen. Die unterschiedlichen Anforderungen an das Bauwerk machen deutlich, dass bei der Planung von Eisenbahnbrücken andere Konzepte und Konstruktionsprinzipien angewandt werden müssen als im Straßenbrückenbau.
4.1.3 Regelwerk für die Planung von Eisenbahnbrücken Die Bemessungsvorschriften und Regelungen für die konstruktive Durchbildung von Eisenbahnbrücken sind in verschiedenen Normen und Regelwerken erfasst. Für die Planung von Eisenbahnbrücken sind dabei die Ril 804 (Richtlinie) der Deutschen Bahn AG sowie die derzeit gültigen DIN-Fachberichte 100 bis 104 (2. Aufl. 2003) maßgebend. Sowohl die Ril 804 als auch die DIN-Fachberichte gelten für den Neubau von Eisenbahnbrücken und bei wesentlichen Änderungen im Rahmen von Ertüchtigungs- und Instandhaltungsmaßnahmen. Daneben sind weitere Regelungen gültig, die als „Eisenbahnspezifische Liste Technischer Baubestimmungen“ durch das EBA (Eisenbahn-Bundesamt) eingeführt sind, auf die in diesem Buch aber nicht weiter eingegangen wird. In den DIN-Fachberichten sind die Einwirkungen auf Eisenbahnbrücken sowie die bauartabhängigen Bemessungsvorschriften geregelt. Sie sind wie folgt gegliedert: – DIN-FB 100 – Beton – DIN-FB 101 – Einwirkungen auf Brücken – DIN-FB 102 – Betonbrücken – DIN-FB 103 – Stahlbrücken – DIN-FB 104 – Verbundbrücken.
217
Die Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerkes muss im Allgemeinen Tragsicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise, Nachweise für außergewöhnliche Einwirkungen sowie dynamische Untersuchungen umfassen. Diese Nachweise sowie die zahlreichen konstruktiven Regelungen für die Planung von Eisenbahnbrücken dienen der Erstellung von Bauwerken mit einer hohen Dauerhaftigkeit. Die anzusetzenden Einwirkungen auf das Tragwerk sind für Eisenbahnbrücken im DIN-Fachbericht 101, Kapitel IV, Abschnitt 6 geregelt. Die Ril 804 beinhaltet die technisch-konstruktiven Regelungen für die Planung von Eisenbahnbrücken. Sie ist in folgende Module gegliedert: – Modul 804.0101: Technische Bearbeitung – Modul 804.1101: Entwurfsgrundlagen – Modul 804.2101: Einwirkungen – Modul 804.3xxx: Nachweise unabhängig von der Bauart – Modul 804.4xxx: Zusätzliche Nachweise für einzelne Bauarten – Modul 804.5xxx: Ausrüstungs- und Zubehörteile – Modul 804.6xxx: Bautenschutz – Modul 804.8xxx: Inspektion von Ingenieurbauwerken – Modul 804.9xxx: Planungshilfen/Richtzeichnungen. Es würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, wenn die Planung und Konstruktion von Eisenbahnbrücken ausführlich behandelt würde. Nachfolgend werden jedoch einige wichtige Details, die speziell den Eisenbahnbrückenbau betreffen, angesprochen. 4.1.3.1 Entwurfsgrundlagen Die Anforderungen an Eisenbahnbrücken in Bezug auf die Gebrauchstauglichkeit sind deutlich komplexer als jene an Straßenbrücken. Dies liegt an den wesentlich höheren Verkehrslasten und an den Rahmenbedingungen der Bahntechnik. Die wesentlichen bahnspezi-
218
4
Ingenieurbauwerke
fischen Entwurfskriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen [4.11]: – Begrenzung der Durchbiegung des Überbaus auf L/600 für eingleisige Brücken und L/800 für zweigleisige Brücken (DINFB 101, G.3.1.3.2). Für L ist dabei die Stützweite in m einzusetzen. – Die maximale Gleisverwindung über eine Länge von 3,0 m darf bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h einen Höchstwert von 3,0 mm nicht überschreiten (DIN-FB 101, G.3.1.2.2). – Der Endtangentenwinkel des Überbaus ist für eingleisige Brücken auf einen Wert von 6,5 ∙ 10-3 rad und für einen zweigleisigen Überbau auf 3,5 ∙ 10-3 rad begrenzt. – Das Resonanzrisiko aus der ersten Biegeeigenfrequenz muss vermieden werden. Dies gilt ohne genauere Untersuchungen als erfüllt, wenn die erste Biegeeigenfrequenz im zulässigen Bereich nach DIN-FB 101, Abb. 6.9 liegt. Bei Brücken kann die Eigenfrequenz eines Bauteils näherungsweise aus der der Biegelinie unter ständigen Einwirkungen ermittelt werden. Die erste Eigenfrequenz kann
für einen auf Biegung beanspruchten Einfeldträger nach DIN-FB 101, Gl. 6.1 ermittelt werden: mit n0 in Hz mit: G0
Durchbiegung unter ständigen Einwirkungen in Feldmitte in mm.
Anmerkung: Bei Betonbrücken ist die Durchbiegung unter Verwendung des Kurzzeitmoduls Ecm gemäß DIN-FB 102, Kapitel II, Tabelle 3.2 zu ermitteln.
Daneben hat die verwendete Bautechnologie einen entscheidenden Einfluss auf den Entwurf des Bauwerks. Im Abschn. 4.1.4.5 wird auf typische Bauverfahren näher eingegangen. Damit sind für Eisenbahnbrücken Randbedingungen definiert, die gegenüber Straßenbrücken zu deutlich steiferen und teilweise – aber nicht notwendigerweise – zu massiveren Konstruktionen führen. Dies ist auch die Erklärung, warum die im Straßenbrückenbau üblichen Schlankheiten im Eisenbahnbrückenbau nicht erreichbar sind.
Abb. 4.3 Grenzen der Eigenfrequenzen n0 in Abhängigkeit der Stützweite L DIN-FB 101 [4.13], Tabelle 6.9
4.1 Eisenbahnbrücken
4.1.3.2 Überbauabschluss Eine Besonderheit von Eisenbahnbrücken ist die Forderung der Ril 804.1101, Abschnitt 2 (7), nach der die Überbauenden von Eisenbahnbrücken rechtwinklig zur Gleisachse auszubilden sind. Dieser Umstand ist insbesondere bei der Planung der Unterbauten von schiefwinkligen Überführungen zu beachten. Ist dies nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand realisierbar, darf die Schiefe, d.h. der zwischen Auflager- und Brückenachse eingeschlossene Winkels zwischen 60° und 120° betragen. Eine größere Schiefe ist – außer bei Rahmenbauwerken – nur mit Genehmigung (s. Modul 804.0101 A01) zulässig. Bei Rahmenbauwerken darf auf den rechtwinkligen Abschluss verzichtet werden. Der Hinterfüllungsbereich schiefer Bauwerke ist mit zementverfestigten Keilen auszubilden, deren obere Böschungskanten rechtwinklig zur Gleisachse verlaufen. Bei allen „schiefen“ Tragwerken ist die Einhaltung der zulässigen Verwindung nach DINFB 101, Anhang G, Abschnitt G.3.1.2.2. nachzuweisen. 4.1.3.3 Querschnittsgestaltung und Lichtraum Für Fahrzeuge und Oberleitungen sind in Abb. 4.4 und 4.5 die entsprechenden Lichtraumprofile der Ril 804 für normale Streckengleise und S-Bahngleise angegeben. Es handelt sich dabei streng genommen um einen Regellichtraum, der allerdings für S-Bahnen verkleinert werden darf. Dabei dürfen Teile baulicher Anlagen, die für den Bahnbetrieb erforderlich sind (Bahnsteige, Rampen, Signalanlagen), in den Bereich A hineinragen. Andere Bauteile, z.B. Obergurte von Trog- und Hilfsbrücken, Schotterhalterungen, dürfen hingegen nur unter besonderen Randbedingungen (unverhältnismäßig hohe Kosten für andere Lösungen) und nur bis 0,38 m über SO in den Bereich A hineinragen. Durch diese Regelung ist es bei gerader Trassierung auf dem Bauwerk möglich, Maste von Signalanlagen in einem lichten Abstand von
219
minimal 2,20 m von der Gleisachse aufzustellen. Der reguläre Aufstellbereich für sonstige Maste beginnt hingegen außerhalb des ABereiches mit einem minimalen Abstand zur Gleisachse von 2,50 m (s. Abb. 4.6). Liegt das Bauwerk jedoch in einem Bogen mit Gleisüberhöhung, so ist auch das Lichtraumprofil geneigt anzusetzen. Der einzuhaltende Lichtraum vergrößert sich daher auf der Kurveninnenseite. Maßgebend für die Festlegung des Mastaufstellbereiches wird dabei der untere Ansatzpunkt der Verjüngung des A-Bereiches des Lichtraumprofils. Auf Eisenbahnbrücken, auch bei Baubehelfen, sind generell beidseitig der Gleise Randwege anzuordnen. Sie dienen als Gehweg für befugtes Bahnpersonal, Sicherheitsraum bei Arbeiten am Gleis, Flucht- bzw. Rettungsweg bei Notfällen und auch als Fahrweg für Brückenbesichtigungsfahrzeuge oder als Kabeltrasse bei integriertem Kabeltrog. Randwege sind daher außerhalb des von der Zuggeschwindigkeit abhängigen Gefahrenbereichs anzuordnen und müssen jederzeit sicher erreichbar sein. Die Regelanforderungen für die Planung von Randwegen sind in den Punkten 23 bis 27 des Moduls 804.1101 beschrieben. Auf Eisenbahnbrücken sind Geh- und Radwege mit öffentlichem Verkehr im Allgemeinen getrennt von den betriebsnotwendigen Randwegen anzuordnen. Die RAS-Q enthält hierfür die entsprechenden Anforderungen für die Anordnung von Geh- und Radwegen auf Bauwerken. Für die Fahrbahn auf Brücken sind für Schotteraufbau die in Tabelle 4.1 aufgeführten Fahrbahnhöhen, d.h. Höhe zwischen SO und OK Fahrbahnplatte, einzuhalten. Bei fester Fahrbahn liegt die Höhe zwischen SO und OK Abdichtung je nach Bauart zwischen 0,5 m und 0,8 m. Die Regelbreite zwischen Gleisachse und seitlicher Begrenzung der Fahrbahn beträgt 2,20 m. Bei mehrgleisigen Brücken ist zusätzlich der von der Entwurfsgeschwindigkeit abhängige Abstand zwischen den Gleisachsen aGleis zu berücksichtigen (s. Abb. 4.6). Die sich daraus ergebenden
220
4
Ingenieurbauwerke Abb. 4.4 M 804.1101, Bild 15-1 Regellichträume, die für Fahrzeuge und Oberleitung freizuhalten sind, gültig für normale Strecken mit Radien r t 250 m
Grundabmessungen für Bauwerksquerschnitte findet man in Kap. 2, Tabelle 2.14. Bei Brücken über Bundesfernstraßen ist gemäß ARS 12/91 eine lichte Höhe von H t 4,50 m einzuhalten. Diese Regelung wird bei Brückenneubauten erfahrungsgemäß bis hinunter zu kommunalen Straßen angewandt. Bei Neubauten von Brücken über Bundesfernstraßen und bei Umund/oder Ausbaumaßnahmen von Bundesfernstraßen ist mit Rücksicht auf spätere Verän-
derungen der Deckenhöhen der unterführten Straße (z.B. Deckenerneuerung im Hocheinbau) eine lichte Höhe von H t 4,70 m freizuhalten. Weiterführende Angaben zum freizuhaltenden lichten Raum sind in Kap. 2, Tabelle 2.11 und Tabelle 2.12 zu finden. Für Brücken über Bahnanlagen sind die Angaben zum freizuhaltenden Lichtraumprofil dem Modul 800.0130 zu entnehmen. Diese hängen bei geplanter oder vorhandener
4.1 Eisenbahnbrücken
221
Abb. 4.5 M 804.1101, Bild 15-2 Regellichträume, die für die Fahrzeuge und Oberleitung freizuhalten sind, gültig für S-Bahn-Strecken mit Radien r t 250 m
Tabelle 4.1 M 804.1101 Tabelle 16: Fahrbahnhöhen bei Schotteraufbau Entwurfsgeschwindigkeit ve in km/h
Fahrbahnhöhe
ve ≤ 160
0,70 m 0,60 m
160 < ve ≤ 200 ve > 200
0,75 m 0,80 m
für Hauptgleise für Nebengleise (in Bahnhöfen und in Gleisanschlüssen)
222
4
Ingenieurbauwerke Abb. 4.6 M 804.1101 Bild 16 – Beispiel für Fahrbahnquerschnitt von Eisenbahnbrücken in Strecken mit v > 160 km/h
Streckenelektrifizierung von der Entwurfsgeschwindigkeit ve ab. 4.1.3.4 Einwirkungen Eisenbahnbrücken sind für die Beanspruchungen entsprechend DIN-FB 101 und 1055-9 (außergewöhnliche Einwirkungen) zu bemessen. Für die vertikalen Lasten infolge des Eisenbahnverkehrs werden im DINFB 101 die Lastmodelle LM 71 und SW/0, SW2 definiert. Das Lastmodell LM 71 stellt vereinfacht die umhüllende Schnittkraftfunktion für alle möglichen Triebwagen dar. Alle weiteren Waggons des Lastzuges werden als verteilte Linien-
lasten mit unbegrenzter Länge erfasst. Die im Lastbild enthaltenen Einzellasten von 250 kN gelten für Regelfahrzeuge mit einer Radsatzlast von 22,5 t. Das Lastmodell LM 71 wurde als Lastbild UIC 71 in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in die damals gültige DS 804 eingeführt.
Tabelle 4.2 Charakteristische Werte der Vertikallasten der Lastmodelle SW/0 und SW/2 Lastmodell
qvk [kN/m]
a [m]
c [m]
SW/0 SW/2
133 150
15,0 25,0
5,3 7,0
4.1 Eisenbahnbrücken
223
Abb. 4.7 Lastmodell 71 und charakteristische Werte für Vertikallasten auf ein Gleis
Abb. 4.8 Lastmodell SW 0/2
Das Lastmodell SW/0 stellt den statischen Anteil der Verkehrslast des Regelverkehrs auf Durchlaufträgerbrücken dar. Über das Lastmodell SW/2 wird hingegen der statische Anteil des Schwerlastverkehrs erfasst. Weitere zu berücksichtigende Einwirkungen können sich aus Ausrüstungsteilen, Instandhaltungsmaßnahmen und Anpralllasten (s. Abschn. 4.1.3.5) ergeben. Diese Einwirkungen sind im Modul 804.2101 geregelt. 4.1.3.5 Schutzmaßnahmen Bei Eisenbahnbrücken über Straßen gelten für Stützen und Pfeiler, die durch Anprall von Straßenfahrzeugen gefährdet sind, bezüglich der anzusetzenden Einwirkungen, der Schutzmaßnahmen und der konstruktiven Gestaltung die Regelungen des DIN-FB 101, Kapitel IV-6.7. Bei Brücken mit einer lichten Höhe über Straßen von H < 5,00 m sind am ungünstigsten Punkt des Tragwerks über der überführten Fahrbahn gemäß Modul 804.2101 folgende Anpralllasten anzusetzen: – 500 kN horizontal und parallel zur unten liegenden Fahrbahn, – 250 kN senkrecht nach oben zur unten liegenden Fahrbahn.
Die beiden Ersatzlasten sind nicht gleichzeitig anzusetzen. Weiterhin sind an Brücken über elektrifizierten Strecken generell Schutzmaßnahmen gegen Hochspannung zu treffen. Massive Bauwerke und Bauwerke neben oder über elektrifizierten Strecken sind zu erden und ein Potentialausgleich vorzusehen. Hier ist beim Entwurf die Abstimmung zwischen dem Brückenplaner und dem Planer der Oberleitungen über die Anschlussmöglichkeiten der Bauwerkserdung erforderlich. Die entsprechenden Festlegungen für die Ausführung sind im Modul 997.02xx festgelegt. Ein weiterer Punkt sind die Regelungen für den Anprall von Schienenfahrzeugen. Die DIN-Fachberichte und die Ril 804 enthalten hierfür keine Bestimmungen. Für den Anprall von Eisenbahnlasten gilt die ELTB [4.22], welche in ihrer derzeitigen Fassung auf die DS 804, Anlage 31 verweist. 4.1.3.6 Längskraftübertragung Ein wichtiges Thema bei der Planung und Bemessung von Eisenbahnbrücken stellt die Abtragung der Längskräfte aus Schienenverkehr und Temperaturbeanspruchungen auf Schienen und Überbau dar. Längskräfte entstehen aus:
224
– – – –
4
Ingenieurbauwerke
Anfahr- und Bremseinwirkungen, Temperaturbeanspruchungen, Durchbiegung infolge von Vertikallasten, anderen Einwirkungen (z.B. Schwinden, Kriechen).
Mit der Einführung der durchgeschweißten Schiene entfällt die früher übliche Trennung zwischen Oberbau und den Unterbauten. Die auftretenden Beanspruchungen müssen von den Schienen aufgenommen und über das Bauwerk sicher abgeleitet werden. Dabei werden bereits wesentliche Teile der Beanspruchung von den Schienen selbst aufgenommen. 4.1.3.7 Schienenspannungen, Schienenauszüge Schienen sind i.d.R. lückenlos über Bauwerke hinwegzuführen. Die Schienen müssen jedoch die Verformungen des Tragwerks ohne Auswirkungen auf die Gleislage aufnehmen können. Werden diese Verformungen und damit die Schienenspannungen zu groß, sind Schienenauszüge erforderlich. Es handelt sich dabei um sog. „gerade Weichen“ ohne Ablenkung von der Gleisachse, jedoch mit Zunge und Backenschiene. Diese kann sich infolge Temperaturverformungen entlang der Gleisachse bewegen. Grundsätzliche Regelungen für den Einbau von Schienenauszügen und die Befestigungsart der Schienen sind im Modul 820.2230 angegeben. Ohne genaueren Nachweis brauchen keine Schienenauszüge vorgesehen werden, wenn folgende Punkte erfüllt sind: – Ohne Nachweis bei Beton- und Verbundbrücken bis zu einer Ausgleichslänge von mehr als 90 m. Bei genauer Nachweisführung können Ausgleichslängen bis zu 120 m erreicht werden. – Bei Stahlbrücken sind Schienenauszüge bis zu einer Ausgleichslänge von 60 m nicht erforderlich. Die genauen Voraussetzungen hierfür sind im DIN-FB 101, Anhang K.2 aufgeführt. Die Nach-
weise für das Zusammenwirken von Oberbau und Brücke sowie die zulässigen zusätzlichen Schienenspannungen sind im DIN-FB 101, Anhang K geregelt. 4.1.3.8 Unterbausteifigkeiten Die Unterbausteifigkeit k (Federkonstante) ist definiert als das Maß für die horizontale Verschieblichkeit des Pfeilerkopfes in Brückenlängsrichtung auf Lagerhöhe. Liegen Festpunkte der Eisenbahnbrücke auf Pfeilern, so ist für diesen Pfeiler ein Mindestwert der Unterbausteifigkeit nachzuweisen, damit die Längsverschiebungen des Überbaus infolge längsgerichteter Horizontallasten gering bleiben. Eine zu große Kopfauslenkung des Pfeilers führt dazu, dass sich der Pfeiler der Lastabtragung entzieht. Die Mindestwerte für Unterbausteifigkeiten min k lassen sich für einteilige Brücken nach DS 804, Abs. 73A, B, Tabelle 12 und für mehrteilige Brücken nach DS 804, Abs. 63 und 74, Tabelle 13 ermitteln. Bei zweigleisigen Brücken brauchen nur 80% der Summe aus Anfahr- und Bremslast nach Tabelle 4.4 angesetzt zu werden.
4.1.4 Neubau von Bahnbrücken 4.1.4.1 Brückensysteme Bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Brückenplanung ist eine Entscheidung hinsichtlich des geplanten Brückensystems zu fällen. Unterschieden wird hierbei zwischen einteiligen und mehrteiligen Überbausystemen. Einteilige Überbausysteme sind Durchlaufträgersysteme, mehrteilige Systeme bestehen hingegen aus einer Kette von Einzelüberbauten. Die Wahl des Systems hängt dabei einerseits von den örtlichen und geometrischen Randbedingungen ab, gleichzeitig sind aber immer auch Faktoren wie der Instandhaltungsaufwand zu berücksichtigen.
4.1 Eisenbahnbrücken
225
Tabelle 4.3 Reduktionsfaktoren [ und erforderliche horizontale Mindeststeifigkeiten k der Unterbauten für ein- und mehrgleisige Tragwerke in Abhängigkeit von den Tragwerkslängen tot l [4.20, S. 77, Tabelle 12] Reduktionsfaktor [
Mindeststeifigkeit k in kN/cm
Schienenanordnung
Schienenanordnung
durchgehend
einseitig unterbrochen
beidseitig unterbrochen
tot l in m
1
2
3
4
durchgehend --festes Lager
einseitig unterbrochen --Überbau
in Tragwerksmitte
am Tragwerksende oder bei max l = 90 m
eingleisig
zweigleisig
5
6
7
8
km
ke
-
-
< 30
0,50
0,50
30
0,50
0,50
200
200
60
0,50
0,60
500
500
90
0,60
0,70
800
1800
120
0,70
0,70
2000
4000
3000
3800
150
0,75
0,75
4500
6000
4000
4800
180
0,80
0,80
8000
8000
5000
5900
210
–
0,85
–
–
6000
6900
240
–
0,90
–
–
7000
8000
270
–
0,90
–
–
8000
9000
300
–
0,90
–
–
9000
10000
1,0
Bei beidseitig unterbrochenem Gleis soll die Mindeststeifigkeit betragen bei Lastbild UIC 71 k = 600 kN/cm
bei Lastbild SSW mit l < 90 m für l t 90 m gelten die Werte des Lastbildes UIC 71
Zwischenwerte dürfen linear interpoliert werden. Dies gilt auch für die Mindeststeifigkeiten, wenn das feste Lager zwischen den in den Spalten 5 und 6 angegebenen Extremwerten liegt. Zur Bestimmung der vorhandenen Steifigkeit k vgl. [4.20] Abs. 73B. Für stählerne und massive Eisenbahnbrücken ohne Schienenauszüge sind die maximal zulässigen Ausgleichslängen zwischen Festpunkt und Brückenende in DS 804 01 34 angegeben.
226
4
Ingenieurbauwerke
Tabelle 4.4 [-Werte für eingleisige Tragwerke [4.20, S. 81, Tabelle 13] tot l in m
[-Werte für Anfahrlast
Bremslast
d 60
0,4
0,4
> 60
0,4
d 120 Voraussetzungen:
– – – n≤6
So sind beispielsweise Schienenauszüge beim Neubau von Eisenbahnbrücken wenn möglich ganz zu vermeiden bzw. deren Anzahl zu minimieren. Maßgebend für die Anordnung von Schienenauszügen ist die Ausgleichslänge LT. Die Ausgleichslänge ist bei einteiligen
jedoch ki t 300 kN/cm
Brückenüberbauten (s. Abb. 4.9) definiert als die Abschnittslänge zwischen dem Festpunkt (oder rechnerischen Bewegungsnullpunkt) bis zu einem beweglichen Brückenende. Bei mehrteiligen Brückenüberbauten (s. Abb. 4.10), bei denen die längsbeweglichen
Abb. 4.9 Definition der Ausgleichslänge bei einteiligen Brücken
Abb. 4.10 Definition der Ausgleichslänge bei mehrteiligen Brücken
4.1 Eisenbahnbrücken
Enden von Einzelüberbauten auf einem gemeinsamen Trennpfeiler unmittelbar gegenüberliegen, ist die Ausgleichslänge LT als der Abstand zwischen den Festpunkten der beiden Einzelüberbauten definiert.
227
Hohlkastenquerschnitt – Stützweiten: 25 m l < 60 m – Schlankheit: 16 < l/d < 20
4.1.4.2 Betonbrücken Die Querschnittswahl richtet sich bei Betonbrücken maßgeblich nach der zu überbrückenden Stützweite. Nachfolgend sind verschiedene Querschnittsformen, die dazugehörigen Stützweitenbereiche und die erreichbaren Schlankheiten für Spannbetonbrücken aufgeführt: Die Angaben zu Stützweitenbereichen und erreichbaren Schlankheiten wurden [4.9] entnommen. Vollplatte und breite Balken – Stützweiten: l < 25 m – Schlankheit: l/d < 20
Plattenbalkenquerschnitt – Stützweiten: l < 25 m – Schlankheit: l/d < 20
Die erreichbaren Schlankheiten liegen generell, bedingt durch die höheren Lasten des Eisenbahnverkehrs und die oft maßgebenden Forderungen hinsichtlich der Verformungsbegrenzungen, etwas unterhalb der bekannten Richtwerte von Straßenbrücken. Spannbetonüberbauten können mit ausschließlich im Verbund liegenden Spanngliedern oder externen bzw. verbundlosen Spanngliedern ausgeführt werden. Die Anwendung der Mischbauweise nach DIN-FB 102, Abschnitt III-2 bedarf hingegen der Genehmigung der zuständigen DB-Stellen. Die für die Bemessung anzusetzende Anforderungsklasse des Tragwerks wird in diesem Fall unter Berücksichtigung der jeweiligen Randbedingungen festgelegt.
228
4
Ingenieurbauwerke
4.1.4.3 Stahlbrücken Die Angaben zu Stützweitenbereichen und erreichbaren Schlankheiten wurden [4.9] entnommen. Vollwandträger – Stützweiten: 10 < l < 30 m – Schlankheit: 15 < l/d < 20
Stahlhohlkasten – Stützweiten: 15 < l < 45 m – Schlankheit: 20 < l/d < 24
Trägerrost – Stützweiten: – Schlankheit:
10 < l < 20 m 20 < l/d < 30
Wie für Talbrücken aus Spannbeton wurde seitens der Deutschen Bahn auch für Stahlund Stahlverbundbrücken eine entsprechende Rahmenplanung erarbeitet. Diese widmet sich in erster Linie den Überbauten, da die Unterbauten in der Regel aus Beton hergestellt werden und somit durch die Rahmenplanung für Betonbrücken erfasst sind. In der heutigen Zeit wird statt der reinen Stahlkonstruktion verstärkt die Kombination der beiden Baustoffe Stahl und Beton als Verbundbrücke gewählt, um die Vorteile der jeweiligen Baustoffe optimal auszunutzen.
4.1 Eisenbahnbrücken
4.1.4.4 Verbundbrücken Stahlbrücken sind im Netzbereich der Deutschen Bahn AG stark verbreitet, jedoch ist ihr Einsatz bei Brückenneubauten in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen [4.9]. Zu den Verbundbrücken gehören die weit verbreiteten Walzträger in Beton „WIB“. Aufgrund der einfachen Konstruktion und Ausführung haben sie sich besonders im unteren Spannweitenbereich zwischen 15 und 25 m durchgesetzt. Bei der WIB-Bauweise übernehmen die dicht aneinander liegenden Doppel-T-Walzprofile die Aufgabe der Zugkraftaufnahme im Endzustand. Im Bauzustand dienen sie gleichzeitig als Schalung. Der Zwischenraum zwischen den Profilflanschen wird zur Überbaubetonage abgedichtet. Die WIB-Bauweise ermöglicht so für Eisenbahnbrücken relativ große Schlankheiten von l/d ≈ 25 beim Einsatz von C 25/30 und St 235 bzw. l/d ≈ 30 bei C 35/45 und St 355. Der Einsatz von Walzträgern in Beton ist durch die geringe Bauhöhe, die schnelle Montage der Träger und den weitgehend möglichen Verzicht auf ein Traggerüst besonders bei der Sanierung von Eisenbahnbrücken über bestehendem Verkehrsraum effektiv. Die Walzträger werden mittels Kran eingehoben und übernehmen fortan die Funktion des Tragge-
229
rüstes. Dadurch wird auch in der Bauphase der beanspruchte Lichtraum unterhalb der Trasse gering gehalten. Beim Neubau einer Eisenbahnbrücke über eine bestehende Straße besteht oft die Notwendigkeit für eine minimale Bauhöhe, um Gradientenanpassungen in den bestehenden Trassen (Straße und Eisenbahn) zu vermeiden. Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kam die VFT-Bauweise (Verbundfertigteilbauweise) für Eisenbahnbrücken erstmals auf den Markt und bot bei Brücken kleiner und mittlerer Stützweiten eine echte Alternative zum Spannbeton. Gegenüber der klassischen Verbundbauweise, bei der die Ortbetonplatte auf einer Schalung oder auf Filigranplatten als verlorene Schalung aufgebracht wird, bietet die Verbundfertigteilbauweise [4.11] zahlreiche Vorteile: – keine Schalung für Ortbetonplatte erforderlich, – Feldquerträger und Aussteifungsverbände entfallen, – Werkstattfertigung der Stahlträger wird vereinfacht, – Betonierlasten wirken bereits auf den Verbundträger, – hoher Sicherheitsstandard im Bauzustand, – reduzierter Baustahlbedarf.
Abb. 4.11 Walzträger in Beton (WIB)
230
4
Ingenieurbauwerke
Abb. 4.12 Ansicht Lechbrücke Schongau, VFT-Bauweise
Abb. 4.13 Querschnitt Lechbrücke Schongau, VFT-Bauweise
Während sich die neue Bauweise im Straßenbrückenbau schnell durchsetzen konnte und seit 1999 bereits ca. 200 Brücken errichtet wurden, ist die Verbreitung im Eisenbahnbrückenbau bisher deutlich geringer. Die erste Eisenbahnbrücke in Verbundfertigteilbauweise wurde im Zuge einer eingleisigen Nebenstrecke nach einem Entwurf des Büros Schmitt, Stumpf, Frühauf und Partner, München, von der Fa. Max Bögl über den Lech in Schongau errichtet. Dabei handelt es sich um eine im Grundriss gekrümmte Dreifeldbrücke mit einer Gesamtstützweite von 83 m [4.11]. Der Entwurf konnte sich als Nebenangebot aufgrund der geringeren Bauzeit und des hohen Vorfertigungsgrades gegen den Amtsentwurf durchsetzen. Eine weitere Brücke entstand im Zuge der Wiederinbetriebnahme des
Anhalter Bahnhofs in Berlin. Als Ersatzneubau für eine Fachwerkbrücke mit untenliegendem Tragwerk entstand ein hybrider Rahmen in VFT-Bauweise auf einer Bohrpfahlgründung. Der Überbau besteht aus einem 4-stegigen offenen Verbundquerschnitt mit einer Breite von 10,75 m und einer zu den Rahmenecken hin von 1,95 m bis 2,95 m ansteigenden Konstruktionshöhe [4.11]. Die Stützweite des Rahmens beträgt 42,6 m bei einem Kreuzungswinkel von 79 gon. Hervorzuheben ist bei diesem Bauwerk der erstmalige Einsatz von VFT-Trägern bei einem Rahmentragwerk der Deutschen Bahn AG sowie die überaus hohe Schlankheit von 22 des fertigen Bauwerks.
4.1 Eisenbahnbrücken
4.1.4.5 Bauverfahren für den Brückenneubau Der Wahl des Bauverfahrens kommt im Eisenbahnbrückenbau im Zuge bestehender Strecken eine spezielle Bedeutung zu. Bereits kurzzeitige Gleissperrungen führen zu erheblichen Kosten auf Seiten der Bahn. Längere Sperrungen mit Auswirkungen auf den regulären Fahrverkehr sollten unbedingt vermieden werden. Umleitungen des Verkehrs über Ausweichstraßen oder Behelfsbrücken seitlich des Baufeldes, wie im Straßenbrückenbau üblich, sind im Eisenbahnbrückenbau nur sehr begrenzt anwendbar. Rampen sind in der Regel nicht möglich und Verschwenkungen der Gleisachse wirken sich durch die großen Kurvenradien auf einen relativ großen Streckenbereich aus. Nach Möglichkeit werden Überbauten bzw. das gesamte Bauwerk (Rahmenbauwerke) daher seitlich der Trasse errichtet. Der Gleiskörper wird dabei bauzeitlich über Hilfsbrücken gestützt. Je nach Wahl des Tragsystems werden die Unterbauten bereits in endgültiger Lage errichtet und nur der Überbau seitlich eingeschoben (z.B. Einfeldträger) oder das gesamte Tragwerk (Rahmenbauwerke) neben der Trasse errichtet und nachträglich eingeschoben. Zu beachten ist hierbei, dass die Unterkante der Hilfsbrücke unter den zu erwartenden Beanspruchungen in ausreichendem Maß über der Oberkante des Überbaus liegt, damit der seitliche Einschub des Tragwerks möglich ist. Damit ist dieses Verfahren auf den kleinen und mittleren Stützweitenbereich begrenzt. Die Deutsche Bahn stellt hierfür eine umfangreiche Auswahl an Hilfsbrückensystemen zur Verfügung. Es ist daher bereits in der Planungsphase erforderlich, den Bauablauf an die konkret verfügbaren Systeme anzupassen. Nach dem Einschub sind für die Fertigstellung des Schotterbetts in der Regel nur kurzzeitige Gleissperrungen erforderlich (z.B. Nutzung von Nachtsperrpausen).
231
4.1.5 Instandhaltung und Instandsetzung Einen sehr umfangreichen Themenbereich stellt die Sanierung sowie die Instandhaltung und Instandsetzung von Brücken dar. Wie jedes Bauwerk unterliegen auch Eisenbahnbrücken einem nutzungsbedingten Verschleiß. Das Ziel von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen ist, die Tragsicherheit bestehender Bauwerke so lange wie möglich ohne Einschränkungen zu erhalten und somit eine Herabsetzung der zulässigen Betriebslast bzw. -geschwindigkeit auf dem Bauwerk zu vermeiden. In vielen Fällen ist es dazu erforderlich, die Standsicherheit bestehender Tragwerke nachzuweisen. Die Ril 805 der Deutschen Bahn AG enthält die Regeln und Rechenansätze für eine möglichst wirklichkeitsnahe Beurteilung von Brückenbauwerken. 4.1.5.1 Stahlbrücken Um die Gebrauchstauglichkeit von Stahlbrücken dauerhaft zu gewährleisten, muss dem Korrosionsschutz besondere Beachtung geschenkt werden. Eventuelle Schadstellen sind umgehend zu beseitigen und alle 25 Jahre sollte der Korrosionsschutz vollständig erneuert werden [4.9]. Die Anforderungen an den Korrosionsschutz sind im Modul 804.6201 geregelt. Im Rahmen der Nachrechung von Stahlbrücken ist gemäß Ril 805, Anhang 5 für nicht geschweißte stählerne Brücken die Bestimmung einer Restnutzungsdauer möglich. Hierbei spielt die Ermüdungsproblematik eine entscheidende Rolle. Der Anteil der Volllastfahrten ist im Eisenbahnverkehr deutlich höher als die SLW-Überfahrten im Straßenbrückenbau. 4.1.5.2 Gewölbebrücken Im Streckennetz der Deutschen Bundesbahn befindet sich eine große Anzahl an Naturstein-Bogenbrücken. Die größer werdenden
232
4
Ingenieurbauwerke
Beanspruchungen infolge des Ausbaus des Streckennetzes für höhere Geschwindigkeiten bedingen vielfach die Nachrechnung bzw. die Instandsetzung dieser Brücken. Die Schwierigkeit bei der Nachrechung liegt in der Regel in der wirklichkeitsnahen Einschätzung der Tragfähigkeit von NatursteinBogenbrücken. Oft wird diese unterschätzt. Für Natursteinmauerwerk bestand zudem bis zur Einführung der neuen DIN 1053-100 das Problem, dass die Einstufung des Mauerwerkes anhand der Steinform und Mörtelgruppe nur äußerst geringe zulässige Spannungen für das Mauerwerk ergab. Dies war darin begründet, dass gemäß der alten DIN 1053 die Tragfähigkeit von Natursteinmauerwerk in erster Linie von der Mörtelfestigkeit abhing. Gewölbebrücken werden für die statische Berechnung im Allgemeinen als statisch bestimmte Dreigelenkbögen idealisiert. Bei diesem Ansatz bleiben allerdings verschiedene, die Tragfähigkeit steigernde Faktoren unberücksichtigt. Sowohl Stirnmauern als auch kalkverfestigte Bogenauffüllungen führen zu einer elastischen Bettung des Bogens. Eine allgemein gültige Aussage über das Vorgehen bei der Nachrechnung von Bogenbrücken kann nicht getätigt werden. In den meisten Fällen ist hierbei die enge Zusammenarbeit zwischen Planungs- und Prüfingenieur gefragt. Die Probleme bei der Instandsetzung älterer Gewölbebrücken aus Naturstein lassen sich grob in drei Gruppen zusammenfassen: 1. Verwitterung des Fugenmaterials, 2. Konzentrierte Lasteintragung, 3. Defekte Entwässerung. Der erste Punkt lässt sich durch ein Neuverfugen des Mauerwerks lösen. Die Punkte 2 und 3 hingegen erfordern i.d.R. bauliche Maßnahmen. Hierfür hat sich eine sog. Fahrbahnwanne [4.21] als effektive Instandsetzungsmaßnahme erwiesen. Fahrbahnwannen sind im derzeit gültigen Vorschriftenwerk der DB AG nicht geregelt. Die Erläuterungen stützen sich daher auf die
„Richtlinie für Fahrbahnwannen auf Gewölbebrücken“ der Deutschen Reichsbahn aus dem Jahre 1979. Der Einbau dient zur Herstellung des erforderlichen Geländer- und Gleisabstandes sowie zur Rekonstruktion von Entwässerung und Abdichtung und bewirkt eine bessere Lastverteilung der Verkehrslast. Weiterhin kann eine Entlastung des Scheitelbereiches durch Mitwirkung des Wannenquerschnitts je nach Querschnittsausbildung und Fugenanordnung erreicht werden. Die Fahrbahnwanne besteht aus einer 20 bis 30 cm starken Betonplatte und einem entkoppelt angeordneten Gehsteg, wie in Abb. 4.14 im Detail zu erkennen. Der Einbau einer Fahrbahnwanne setzt einen baulich guten Zustand der Unterbauten (Widerlager, Pfeiler) als auch des Gewölbemauerwerks und der nach dem Einbau verbleibenden Aufbauten (z.B. Stirnmauern) voraus. Ein wichtiges Detail bei Fahrbahnwannen sind die Längsfugen, welche mindestens im Scheitelpunkt des Bogens sowie in den Drittelspunkten liegen. Diese Trennfugen verhindern die Kraftübertragung in Längsrichtung vollständig. Bei der Einschätzung der Tragfähigkeit des so instand gesetzten Bauwerkes sollten die Möglichkeiten moderner Berechnungsverfahren genutzt werden (Erfassung der Widerlagerelastizität, der Hinterfüllung, belastungsabhängiger Rissbildung sowie Mitwirkung der Fahrbahnwanne). Grundlage für eine möglichst wirklichkeitsnahe Bewertung sind zutreffende Annahmen für die Materialkennwerte der Widerlager, Gewölbe, Hinterfüllung, Fahrbahnwanne sowie des Baugrundes und der Dammschüttung. Vor Beginn der Instandsetzungsarbeiten sollten daher durch Probeentnahmen oder Kernbohrungen diese Kennwerte bestimmt werden. Erfahrungsgemäß darf nach [4.21] angenommen werden, dass Gewölbe mit 10 m lichte Öffnung um 20% und solche über 20 m um 10% höher belastbar sind als vor der Rekon-
4.1 Eisenbahnbrücken
233
Abb. 4.14 Fahrbahnwanne – Ausbildung im Querschnitt
Abb. 4.15 Fahrbahnwanne – Längsfugen
struktion. Zwischenwerte dürfen hierbei interpoliert werden. Voraussetzung für diese einfache Abschätzung ist eine Fugenanordnung gemäß Abb. 4.15. Unabhängig von diesen
Erfahrungswerten ist ein rechnerischer Nachweis für die Traglasterhöhung zwingend erforderlich.
234
4
Ingenieurbauwerke
4.1.6 Beispiele Die DB-Neubaustrecken Hannover–Würzburg und Mannheim–Stuttgart erforderten aufgrund der Ausbaugeschwindigkeit von 250 km/h großzügige Trassierungselemente. Die maximale Längsneigung war auf 12,5‰ und der minimale Krümmungsradius auf 5100 m begrenzt. Diese Anforderungen führten zu einem hohen Anteil an Kunstbauwerken entlang der geplanten Strecken. Aus wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten heraus ergab sich die Notwendigkeit für die Erstellung eines übergeordneten Rahmenplanungswerkes, in dessen Ergebnis Einfeldträger-Überbauten in Spannbetonbauweise die vorrangige Konzeption bilden. Das Konzept der in Einfeldträgerketten aufgelösten Spannbetonüberbauten bietet eine Reihe von Vorteilen: – Es sind keine Spanngliedkopplungen erforderlich. – Die einsinnige Krümmung der Spannglieder führt zu einer hohen Verlegegenauigkeit und weniger Problemen beim Verpressen der Hüllrohre. – Senkrechte Arbeitsfugen werden vermieden und eine einfache Bewehrungsführung im Überbau wird ermöglicht. – Setzungen der Pfeiler können ohne zusätzliche Beanspruchungen des Überbaus aufgenommen werden. Neben den genannten Vorteilen, die vorrangig die Ausführungsqualität betreffen und sich damit positiv auf die Dauerhaftigkeit der Bauwerke auswirken, war die Auswechselbarkeit ein wichtiges Einscheidungskriterium für die Einfeldträger. An dieser Stelle sollen jedoch auch die daraus resultierenden Nachteile angesprochen werden: – Der Einfeldträger bietet die geringstmögliche Schlankheit und führt vor allem bei Mehrfeldbauwerken in Form von Einfeldträgerketten zu einer geringeren gestalte-
rischen Qualität der Bauwerke (insbesondere bei flachen Tälern). – Fugen und Lager sind wartungsintensiv und erzeugen einen erheblichen Unterhaltungsaufwand. Bei Ausführung als mehrteiliges Tragwerk müssen die horizontalen Lasten auf möglichst direktem Wege in den Baugrund eingeleitet werden. Die Möglichkeit der Beteiligung der Schienen an der Längskraftkraftabtragung ist begrenzt, da für die entstehenden zusätzlichen Schienenspannungen enge Grenzen gesetzt sind. Dies erfordert jedoch bestimmte Systemund Baugrundverhältnisse, die nicht an jedem Standort gleichermaßen anzutreffen sind. Bei hohen und langen Talbrücken ergeben sich einerseits sehr hohe Längskräfte, andererseits neigen hohe Pfeiler dazu, sich infolge großer Pfeilerkopfauslenkungen der Lastabtragung zu entziehen. 4.1.6.1 Rombachtalbrücke Bei der Rombachtalbrücke ließ sich das in der Rahmenplanung angestrebte mehrteilige Tragwerk mit durchgehend geschweißter Schiene aufgrund eben angesprochener Problematik der hohen Pfeiler nicht realisieren. Aus diesem Grund war es notwendig, den Brückenbereich vom Dammbereich mittels Schienenauszügen zu trennen und sämtliche Einfeldüberbauten in Längsrichtung miteinander zu koppeln. Die horizontalen Längslasten wurden über einen in Brückenmitte angeordneten Festpunktblock in den Baugrund abgegeben. Die Kopplung der Überbaufelder miteinander erfolgt mit Hilfe von jeweils zwölf 2 MNSpanngliedern und einem Paar großflächiger Elastomerlager, die in Höhe des Schwerpunktes im Bereich der Stege angeordnet wurden. Für die erforderliche Vorspannung kommen Spannglieder ohne Verbund zum Einsatz, so dass die Möglichkeit für Kontrolle und Auswechselbarkeit gegeben ist. Bezüglich Stützensenkungen und linearen Temperaturbeanspruchungen behält das Tragwerk dank der
4.1 Eisenbahnbrücken
235
Abb. 4.16 System der Rombachtalbrücke [4.10]
Abb. 4.17 Längskraftkopplung des Überbauquerschnitts [4.10]
Art der Kopplung seine gutmütigen statischen und konstruktiven Eigenschaften der statisch bestimmten Einfeldträgerkette. Eine Neuentwicklung stellt die für den Bau der Rombachtalbrücke verwendete Gleit-Vorschubrüstung dar. Lange und insbesondere hohe Brücken aus Einfeldträgern werden in der Regel mit Vorschubrüstung betoniert. Herkömmliche Konstruktionen für Vorschubrüstungen sind dahingehend konzipiert, dass im Verschiebezustand die Bodenschalung abgeklappt bzw. getrennt und seitlich nach außen geschoben werden muss, um an Pfeilern und
Lagern vorbeizufahren. Die Vorschubrüstung beinhaltet daher meist eine aufwendige Mechanik und der Verschubvorgang erfordert viel Montageaufwand. Bei der Rombachtalbrücke wurde erstmals eine sog. Gleit-Vorschubrüstung aus Spannbeton eingesetzt. Das Tragwerk der Rüstung besteht aus Spannbetonträgern mit teilweiser Vorspannung und wird nach der Fertigstellung der Brücke wieder abgebrochen. Die Rüstung besteht aus einem 80 m langen Spannbetonteil und einem 27 m langen stählernen Vorbauschnabel.
236
4
Ingenieurbauwerke
Abb. 4.18 Gleit-Vorschubrüstung [4.10]
Den Rüstungsquerschnitt bildet ein Trog bestehend aus zwei Z-Profilen, die unten mit Querträgern ausgesteift sind. Am hinteren Ende des Spannbetonteils sowie auf dem Vorbauschnabel ist je ein Turmdrehkran montiert. Als charakteristisches Novum vermeidet diese Rüstung das Abklappen oder seitliche Verschieben der Bodenschalung. Zum Verschub wird der vorgespannte Überbau hydraulisch um 15 cm angehoben. Über dem vorderen Pfeiler werden zwischen Rüstung und Überbau Taktschiebelager eingebaut. Anschließend kann die Rüstung zwischen den oberen und unteren Taktschiebe-Gleitlagern unter dem Überbau mit Hilfe einer hydraulischen Verschubanlage vorgeschoben werden. Das hintere Ende der Rüstung wird während des Verschubvorgangs von einer stählernen Quertraverse gehalten, die auf dem fertigen Überbau entlang gleitet. Nachdem die Rüstung die neue Betonierstellung erreicht hat, wird der eben hergestellte Überbau in seine endgültige Lage auf den Pfeilern abgesenkt. 4.1.6.2 Marienbrücke 1852 wurde die Marienbrücke als zweite Elbebrücke Dresdens vollendet. Durch ihren Bau wurde eine Verbindung der bisherigen Leip-
ziger und der Schlesischen Eisenbahnlinie auf der Altstädter Seite Dresdens möglich. Die Brücke wurde zunächst gemeinsam für Straßen- und Eisenbahnverkehr genutzt. Wegen des ständig wachsenden Verkehrsaufkommens wurde jedoch bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine umfassende Erweiterung und technische Umgestaltung des Eisenbahnknotens Dresden notwendig. Teil dieses Großprojektes war die Errichtung einer neuen, viergleisigen Eisenbahnüberführung über die Elbe – die Eisenbahn-Marienbrücke Dresden. Die Planung der Brücke entstand unter maßgeblicher Beteiligung des damaligen Regierungsbaurates Claus Köpcke. Die Strombrücke aus genieteten Fachwerkträgern spannte über 4 Felder mit Stützweiten von 39,86 m + 65,70 m + 65,80 m + 66,62 m sowie einem gesonderten Endfeld von 24,00 m Stützweite [4.1]. Um die Bauhöhen zu minimieren, entwickelte Köpcke innerhalb dieses Endfeldes eine Einrichtung (einen ballastierten Dreigelenkbogen) zur planmäßigen Vorspannung der Untergurte der Fachwerkbogenträger, für damalige Verhältnisse eine Meisterleistung. Im Jahre 2000, nach immerhin 100 Jahren intensiver Nutzung ohne nachhaltige Instandhaltungsmaßnahmen, war der Zustand der Brücke und der zugehörigen Bahnanlagen
4.2 Eisenbahntunnel
237
Abb. 4.19 Neubau Eisenbahn-Marienbrücke im Freivorbau
jedoch bedenklich geworden. Ende 2000 wurde daher die Baumaßnahme „Marienbrücke – Dresden Mitte“ ausgeschrieben. Sie sah neben der Sanierung von drei Bahnbogenabschnitten und des grundhaften Ausbaus des Bahnhofs Mitte die Sanierung der Vorlandbrücke sowie den Ersatzneubau der Strombrücke der Eisenbahn-Marienbrücke vor. Die Planung sah einen zweigeteilten Überbau (2- bzw. 3-gleisig) im Strombereich als Stahlhohlkasten mit orthotroper Fahrbahnplatte vor [4.1]. Im Rahmen der Ausschreibung setzte sich jedoch ein Sondervorschlag für die Errichtung der Strombrücke als Spannbeton-Hohlkasten im Freivorbau durch. Für die Gründung konnten die bestehenden Sandsteinwiderlager ohne größere Umbauten weiterverwendet werden. Die minimale Beeinträchtigung der Elbeschifffahrt bei der verwendeten Bautechnologie und die Unabhängigkeit von wassergebundenen Bauverfahren (Schwimmkraneinsatz) führten zu einem erheblichen Kostenvorteil in der Herstellung. Ein kritischer Zustand ergab sich während der Bauausführung. Die beim Augusthochwasser 2002 erreichten Pegelstände der Elbe lagen weit über den Annahmen für die Bauzustände. Die Bauausführung befand sich mitten im Freivorbau vom Flusspfeiler aus. Die Flachgründung der Hilfspfeiler war vorsorglich mit wasserdichten Spundwandkästen ausgeführt wor-
den und damit vor Auskolkungen geschützt, auch eine Flutung der Baugruben war berücksichtigt worden. Die Haltekonstruktionen für den unfertigen Überbau waren jedoch statisch nur für starke einseitige Windbelastungen ausgelegt. Das ansteigende Hochwasser führte daher zu einer unplanmäßigen und gefährlichen Horizontalbelastung der Unterbauten und der Hilfskonstruktionen. Glücklicherweise traten jedoch infolge des Hochwassers keine größeren Schäden ein und so konnte der Bauprozess nach Abklingen des Hochwassers und Wiederherstellung der Baustelleneinrichtung zügig wieder aufgenommen werden. Die Verkehrsfreigabe des ersten Überbaus erfolgte planmäßig im Januar 2003. Das Bauvorhaben wurde 2004 endgültig abgeschlossen [4.1].
4.2 Eisenbahntunnel 4.2.1 Allgemeines Zur Sicherung der Marktfähigkeit des Schienenverkehrs setzt die Deutsche Bahn AG bei Aus- und Neubau verstärkt auf Hochgeschwindigkeitsstrecken, die vom ICE mit Geschwindigkeiten von bis zu 160 bis 200 km/h bzw. 200 bis 300 km/h befahren werden können. Der-
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4
Ingenieurbauwerke
art große Geschwindigkeiten setzen eine möglichst steigungsarme und planfreie Trassierung voraus. Daher ist eine möglichst siedlungsferne Streckenführung zu bevorzugen, um einerseits die Lärmbelästigung gering zu halten und andererseits die Anzahl an Zwangspunkten, wie z.B. plangleiche Kreuzungen von Verkehrswegen, zu vermindern. Sowohl aus topografischen als auch trassierungstechnischen Randbedingungen können Tunnel erforderlich werden. Darüber hinaus kommt dem Lärm- und Umweltschutz eine stetig wachsende Bedeutung zu. Tunnel können sowohl bei wohnungsnaher Trassenführung als auch in sensiblen Bereichen von Naturschutzgebieten erforderlich werden. Durch Tunnel können zudem die Eingriffe in die Natur minimiert werden, da große linienförmige Einschnitte (Trennwirkung) in die Landschaft vermieden werden. Tunnel werden hinsichtlich der Bauweise ihrer Erstellung in Tunnel in geschlossener und in offener Bauweise unterteilt. Im Netzbereich der Deutschen Bahn AG überwiegt dabei der Anteil der Tunnel in geschlossener Bauweise mit ca. 80%. Per Definition handelt es sich bei der Herstellung untertage, also der geschlossenen Bauweise, bereits ab dem ersten Meter um einen Tunnel, während Tunnel in offener Bauweise erst ab einer Länge von über 250 m als solche bezeichnet werden. Die geschlossene Bauweise unterteilt sich weiter in den bergmännischen Vortrieb und den Schildvortrieb.
4.2.2 Zur Geschichte Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts kannte man im Tunnelbau einzig und allein den Handausbruch. Spitzhacken, Spaten und Schaufeln waren die Werkzeuge der Zeit. Dann hielt das Schwarzpulver Einzug im Tunnelbau und sorgte für einen gewaltigen Umbruch in der Herstellungstechnologie, denn auf einmal reichte es, Sprenglöcher in ausreichender Anzahl und Tiefe in das Gestein zu treiben.
Den Rest übernahm die eingebrachte Sprengladung. Mit der beginnenden Industrialisierung Deutschlands und den technischen Entwicklungen dieser Zeitperiode wurde der Baufortschritt im Tunnelbau durch den Einsatz von Schlagbohrmaschinen und besseren Sprengstoffen weiter beschleunigt. Mit dem Siegeszug der Eisenbahn erlebte der Tunnelbau als Verkehrswegebau weiteren Auftrieb. Insbesondere in der Schweiz, aber auch in den anderen Alpenländern, entstanden Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche bekannte Tunnelbauwerke, wie der Gotthard-Bahntunnel, der Simplonoder der Lötschbergtunnel, die bereits zu ihrer Zeit weltweites Interesse hervorriefen. Gerade in den Alpenländern hat der Tunnelbau eine lange Tradition und erlebt in der heutigen Zeit einen erneuten Schub. Und wieder kommen die Nachrichten über beeindruckende Tunnelbau-Großprojekte in Verbindung mit dem europaweiten Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze aus der Schweiz. Der neue Gotthard-Basistunnel mit einer Gesamtlänge von 57 km sowie der neue Eisenbahntunnel am Lötschberg mit einer Länge von 34 km stellen neue Dimensionen im Tunnelbau dar. Beide Großprojekte befinden sich derzeit im Bau.
4.2.3 Regelwerk der DB AG für die Planung von Eisenbahntunneln Grundlage für die Planung und den Bau von Eisenbahntunneln ist die Ril 853 „Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten“ der Deutschen Bahn AG. Sie ist wie folgt untergliedert: – Modul 853.0101: Allgemeine Bestimmungen – Modul 853.1001: Entwurfsgrundlagen: Allgemeine Regelungen – Modul 853.2001: Standsicherheitsuntersuchungen – Modul 853.4001: Allgemeine Grundsätze für Vortrieb, Sicherung und Ausbau – Modul 853.4004: Ausbau mit Ortbeton
4.2 Eisenbahntunnel
239
– Modul 853.4101: Abdichtung und Entwässerung – Modul 853.4201: Tunnel in offener Bauweise – Gewölbte Tunnel aus Stahlbeton – Modul 853.4202: Tunnel in offener Bauweise – Rechteckrahmen – Modul 853.5001: Ergänzende Bestimmungen für Bauprodukte und Tunneleinbauten.
gleisige Ausführung möglich. Jedoch sind in diesem Fall die erhöhten Anforderungen entsprechend der nachfolgenden Richtlinien zu berücksichtigen: – EBA-Richtlinie „Anforderungen des Brandund Katastrophenschutzes an den Bau und Betrieb von Eisenbahntunneln“, – Betriebsprogramm der Deutschen Bahn AG sowie Ril 413 und KoRil 423.
Die Ril 853 wurde zum 1. 8. 2003 in Kraft gesetzt. Sie regelt die technischen Anforderungen für die Planung und den Neubau sowie die Instandhaltung bestehender Eisenbahntunnel in Untertagebauweise auf Strecken, die mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 km/ h befahren werden. Gleichermaßen beinhaltet sie in der Modulgruppe 853.42xx die Anforderungen an Tunnelbauwerke in offener Bauweise. Generell gelten für alle Betonbauteile zusätzlich die DIN Fachberichte. Ergänzt wird diese Vorschrift durch den Leitfaden zur Richtlinie 853 „Kommentare und Planungshilfen zur 853.0101“ sowie durch die EBA-Richtlinie „Anforderungen des Brandund Katastrophenschutzes an den Bau und Betrieb von Eisenbahntunneln“. Derzeit befindet sich eine Neufassung der Ril 853 in Vorbereitung. Mit dieser Überarbeitung erfolgt die Anpassung der Bemessungsrichtlinien an die aktuelle Normung (DINFachberichte, DIN 1054 neu). In den nachfolgenden Abschnitten wird daher auf die relevanten Änderungen bereits eingegangen. Für Bauwerke mit einer kürzeren geschlossenen Länge ist dennoch hinsichtlich Standsicherheit und Konstruktion die Modulgruppe 853.42xx sinngemäß anzuwenden.
Ein wichtiger Punkt bei der Linienfindung ist der minimale Portalabstand zweier aufeinander folgender Tunnel (unabhängig von der Bauweise). Dieser Abstand soll 250 m nicht unterschreiten. Daher kann es sinnvoll sein, die Linienführung der Trasse, statt entlang eines Berghangs, weiter in den Berg zu verlegen. Bei Strecken mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von ve t 200 km/h sollten die Portalabschlüsse höchstens 45° zur Horizontalen geneigt sein. Weiterhin ist bei einer Geländeneigung steiler als 1 : 1,5 ein mindestens 3,0 m langer Auffangraum zwischen Portalstirnwand und Böschungsbeginn vorzusehen. Die erforderliche Mindesthöhe der Portalwand richtet sich dabei nach der Länge des Auffangraumes (siehe Ril 853.1001, Abschnitt 4).
4.2.3.1 Entwurfsgrundlagen Tunnel sind entsprechend Modul 853.1001, Abschnitt 1 grundsätzlich eingleisig zu planen. Diese Forderung ist in erster Linie dem Brandund Katastrophenschutz und der Minimierung jeglichen Gefahrenpotenzials untertage geschuldet. In Ausnahmefällen ist eine zwei-
4.2.3.2 Querschnittsgestaltung Für die Festlegung des erforderlichen Mindestquerschnitts des Tunnels enthalten die Module 853.1002 (Eisenbahntunnel, ausgenommen SBahn-Tunnel) und 853.1003 (S-Bahn-Tunnel) eine Zusammenstellung aller einzuhaltenden Vorgaben und Randbedingungen. Alternativ bieten die Richtzeichnungen des Moduls 853.9001 verschiedene Regelquerschnitte an in Abhängigkeit von: – Verkehrsart: Hochgeschwindigkeits-, Schnell-, Personen-/Güter-, S-Bahn-Verkehr, – Querschnitt: Kreis-, Korbbogen-, Rechteckquerschnitt, – eingleisig/zweigleisiger Querschnitt.
240
4
Ingenieurbauwerke
4.2.3.3 Bemessungskonzept Das Bemessungskonzept der zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Kapitels gültigen Ril 853 basiert noch auf der alten Normenfamilie für die Bemessung von Betonbauteilen (DIN 1045, DIN 4227). In der zweiten Hälfte des Jahres 2006 wird seitens der DB AG eine Neufassung der Ril 853 erwartet, mit der das semiprobabilistische Sicherheitskonzept, das mit den DINFachberichten (Ausgabe 3/2001) und der neuen DIN 1054 (Ausgabe 1/2005) im Verlauf der letzten vier Jahre für den Beton- und Grundbau schrittweise eingeführt wurde, auch für den Bau von Eisenbahntunneln Anwendung finden wird. Die nachfolgenden Angaben dieses Abschnitts sind einem Vortrag [4.23] zum neuen Bemessungskonzept auf der 6. Fachtagung der EBA-Sachverständigen vom 3. und 4. Februar 2004 in Fulda entnommen. Während das neue Bemessungskonzept mit den DIN-Fachberichten und der Ril 804 bereits im Jahre 2001 im Eisenbahnbrückenbau Einzug gehalten hat, folgt nach Einführung der neuen DIN 1054 zum 1. Januar 2005 nun die Anpassung des Regelwerkes zur Planung von Eisenbahntunneln an das neue Sicherheitskonzept. Für die Planung und Berechnung von Tunnelbauwerken sind die folgenden Bestimmungen relevant. Normen DIN 1055-100 (Ausgabe 03/2001) Einwirkungen auf Tragwerke – Grundlagen für die Tragwerksplanung, Sicherheitskonzept und Bemessungsregeln DIN 1045 (Ausgabe 07/2001) Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton DIN EN 206-1 (Ausgabe 07/2001) Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität DIN 1054 (Ausgabe 01/2005) Baugrund – Sicherheitsnachweise im Erdund Grundbau
DIN Fachberichte DIN-Fb 100 (Ausgabe 2001) Beton – Zusammenstellung von DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 DIN-Fb 101 (Ausgabe 03/2003) Einwirkungen auf Brücken DIN-Fb 102 (Ausgabe 03/2003) Betonbrücken. Im Rahmen der Standsicherheitsuntersuchungen von Tunnelbauwerken sind folgende Grenzzustände zu betrachten und im Zuge der Nachweisführung mit hinreichender Sicherheit auszuschließen: – Grenzzustände der Tragfähigkeit (GZ 1) – GZ 1A: Grenzzustand des Verlustes der Lagesicherheit – GZ 1B: Grenzzustand des Versagens von Bauwerken und Bauteilen – GZ 1C: Grenzzustand des Verlustes der Gesamtstandsicherheit – Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit (GZ 2). Das semiprobabilistische Sicherheitskonzept basiert auf charakteristischen Werten für Einwirkungen und Bauteilwiderständen. Für die Nachweisführung werden aus diesen charakteristischen Werten durch die Beaufschlagung mit Teilsicherheitsfaktoren die jeweiligen Bemessungswerte gebildet. Das Nachweisschema für die Bemessung von Bauwerken (GZ 1B) ist nachfolgend abgebildet. Charakteristische Einwirkungen Fk,i p Charakteristische Beanspruchungen Ek,i p Bemessungswerte der Beanspruchungen Ed,i = Ek,i • JF p Bemessungswerte der Bauteilwiderstände Rd,i nach Bauartnormen p Nachweis: 6 Ed,i d 6 Rd,i
4.2 Eisenbahntunnel
241
Tabelle 4.5 Einwirkungskombinationen und Sicherheitsklassen nach DIN 1054 Einwirkungskombinationen
Sicherheitsklassen bei Widerständen
EK 1 EK 2 EK 3
SK 1 SK 2 SK 3
Regelkombination Seltene Kombination Außergewöhnliche Kombination
Tabelle 4.6 Teilsicherheitsbeiwerte für Einwirkungen und Beanspruchungen JF Einwirkung Ständige Einwirkungen allgemein Ständige Einwirkungen aus Erdruhedruck Ungünstige veränderliche Einwirkungen
Lastfall LF 1 LF 2
LF 3
1,35
1,20
1,00
1,20
1,10
1,00
1,50
1,30
1,00
Die Teilsicherheitsbeiwerte JF auf der Beanspruchungsseite richten sich nach der Art der Beanspruchung (ständig, vorübergehend, außergewöhnlich). Demgegenüber sind Teilsicherheitsbeiwerte JR für die Bauteilwiderstände Rd,i materialabhängig und werden in den jeweiligen Bauartnormen für die einzelnen Bemessungssituationen definiert. Für den Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZ 1) werden in der DIN 1054 (Ausgabe 01/2005), Abs. 6.3.3 insgesamt drei Lastfälle definiert. Diese repräsentieren die aus der
Auf Funktionszeit ausgelegte Zustände Bauzustände (Herstellung oder Reparatur) Einmalig oder voraussichtlich nie auftretende Zustände
DIN 1055 – 100 (Ausgabe 03/2001) bekannten Bemessungssituationen Ständig, Vorübergehend und Außergewöhnlich. Die Lastfälle ergeben sich aus den Einwirkungskombinationen (Eigenlasten, Verkehrslasten usw.) in Verbindung mit den Sicherheitsklassen auf der Widerstandsseite. Ständige Einwirkungen: – Eigengewichte des Tunnelausbaus bzw. der Tunnelkonstruktion und aller übrigen eingebrachten Bauteile, – Eigengewichte aus der Fahrbahn, – Einzellasten aus Oberleitungsanlagen, – Einwirkungen aus dem Gebirge, – Wasserdruck, – Einwirkungen aus Vorspannmaßnahmen, – Einwirkungen aus Schwinden und Kriechen nach DIN-Fb 102, – dauernd wirkende Lasten auf der Geländeoberfläche und Einflüsse aus benachbarten Hohlräumen, – die im Regelvortrieb auf den Ausbau wirkenden Pressenkräfte von Tunnelvortriebsmaschinen (TVM).
Tabelle 4.7 Teilsicherheitsbeiwerte für Widerstände JR Lastfälle nach DIN 1054
Bemessungssituationen nach DIN-FB 101
Teilsicherheitsbeiwerte für Widerstände nach DIN-FB 102
LF 1: EK 1 -SK 1
Ständig
Beton
JC= 1,5
LF 2: EK 1 – SK 2 (oder EK 1 – SK 2)
Vorübergehend
Betonstahl
JC= 1,15
LF 3: EK 3 – SK 2 (oder EK 2 – SK 3)
Außergewöhnlich
Beton Betonstahl
JC= 1,3 JC= 1,0
242
4
Ingenieurbauwerke
Als regelmäßig auftretende Verkehrslasten gelten: – charakteristische Einwirkungen nach DINFb 101 für Eisenbahnverkehr im Tunnel und Verkehrswege über dem Tunnel, – durch Zugfahrten verursachte aerodynamische Einwirkungen nach Anhang 853.2001A01, – Temperaturänderungen (besondere Festlegungen für die Sicherheitsnachweise), – Verkehrslast für Zwischendecken, Treppen, Bahnsteigplatten und Fluchtwege mindestens 5 kN/m2. Für Decken unter Betriebsräumen Ansatz der tatsächlichen Lasten. Selten auftretende Verkehrslasten sind – Einflüsse aus zivilen oder militärischen Fahrzeugen an der Geländeoberfläche außerhalb von Verkehrswegen. Vorübergehende Einwirkungen während der Bauzeit: – zeitweilig wirkende Lasten aus Vortriebsmaschinen (z.B. maximal für den Vortrieb installierte Pressendrücke auf den Ausbau), Baugeräten, Rüstungen, Baustoffen, Bauwerksteilen, – Einpressdruck bei Einpressungen, – Einwirkungen aus Druckluft, soweit diese ungünstig wirken, – vorübergehend wirkende Einwirkungen an der Geländeoberfläche und aus benachbarten Hohlräumen, soweit nicht als ständige Einwirkungen eingestuft. Außergewöhnliche Einwirkungen sind: – Anpralllasten, – Bruch der Oberleitung und anderer mitgeführter Leitungen, – Erdbebeneinwirkungen auf Einbauten, – Einwirkungen aus zukünftigen möglichen Subrosionserscheinungen, – Temperatureinwirkungen im Brandfall nach Modul 853.1001. Für die Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit gilt übergreifend die DIN 1054. Für
die Bemessung des endgültigen Tunnelausbaus sind die Lastfälle LF 1, LF 2 und LF 3 zu untersuchen. Für den zwischenzeitlichen Ausbau (Bauphasen) gilt die Betrachtung der LF 1 und LF 2 als ausreichend. Handelt es sich um Bauzustände geringer Zeitdauer (einige Stunden bis wenige Tage), so muss nur LF 2 untersucht werden. Für die Nachweise im GZ 1b gelten für die Bemessung von Betonbauteilen zusätzlich die DIN-Fb 101 und 102. 4.2.3.4 Schutzmaßnahmen Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen sind nicht nur im Tunnelbau ein integraler Bestandteil der Bauplanung. Im Tunnelbau kommt diesem Aspekt eine besondere Bedeutung zu. Zahlreiche Unfälle in Straßen- und Eisenbahntunneln während der vergangenen Jahrzehnte haben das Bewusstsein für die Notwendigkeit sowohl aktiver als auch passiver Schutzmaßnahmen geschärft. In [4.6] werden Mindestanforderungen an die Sicherheit und den Katastrophenschutz für Tunnelbauwerke erläutert. Bei Eisenbahntunneln muss mindestens zu einem Tunnelportal eine Zuwegung für Fahrzeuge bis 12 t Gesamtgewicht vorgesehen werden. Bei Tunnellängen von über 3 km sind an beiden Tunnelportalen entsprechende Zuwegungen für Rettungsfahrzeuge und Feuerwehren anzulegen. Ein Wendeplatz ist vorzusehen. Weiterhin müssen bei Tunneln von Neubaustrecken unter 3 km Länge in der Nähe eines Portals, bei längeren Tunneln an beiden Portalen je ein Notlandeplatz für Rettungshubschrauber vorhanden sein. Wie auch auf Brückenbauwerken müssen in Tunneln neben den Gleisen Flucht- und Rettungswege mit einer lichten Höhe von 2,20 m und einer Breite von 0,80 m außerhalb des geschwindigkeitsabhängigen Gefahrenbereiches angeordnet werden. Die Anforderungen des Katastrophenschutzes (Katastrophenschutzpläne, Tunnel-Rettungskonzeption usw.) werden unter Verwendung entsprechender Richtlinien des
4.2 Eisenbahntunnel
Eisenbahn-Bundesamtes im Rahmen der Planfeststellung präzisiert.
4.2.4 Tunnelbauverfahren 4.2.4.1 Allgemeines Das Bauverfahren für die Herstellung eines Tunnels (bergmännische Bauweise, Schildvortrieb, offene Bauweise) richtet sich in erster Linie nach den geologischen und topologischen Verhältnissen der Trasse. Die verschiedenen Vortriebstechnologien bedingen unterschiedliche Tragsysteme der eingebrachten Tunnelröhren. Dabei lassen sich zwei grundlegende Philosophien bei der Entwicklung des Tragsystems ableiten. Wird beim Tunnelvortrieb das umgebende Erdreich/Gestein in größerem Maße aufgelockert, so verliert es seine Tragfähigkeit. Der Tunnelquerschnitt muss daher entsprechend dimensioniert und massiv ausgebildet werden, um die tragende Funktion zu übernehmen. Demgegenüber stehen Vortriebsverfahren, die eine weitgehende Erhaltung der Gebirgstragfähigkeit ermöglichen (Neue Österreichische Tunnelbauweise). In diesen Fällen übernimmt die Tunnelschale in erster Linie
Abb. 4.20 Tunnelquerschnitte und Ausbausicherungen
243
die Schutzfunktion gegen ein Auflockern des umgebenden Gebirgskörpers, jedoch selbst keine tragende Funktion. Dadurch werden erheblich dünnere Querschnitte möglich. Gleichermaßen muss der Tunnelquerschnitt in diesem Fall auch die Verformungen des umgebenden Gebirges schadlos ertragen können, was bei dünnwandigen und damit weniger steifen Querschnitten erheblich leichter zu realisieren ist. 4.2.4.2 Neue Österreichische Tunnelbauweise Die bergmännische Bauweise bezeichnet vorrangig den Sprengvortrieb zur Herstellung von Tunneln im Gebirge. Beginnend mit einem Patent von Prof. Dr. L. Rabcewicz aus dem Jahre 1948 hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die „Neue Österreichische Tunnelbauweise“ zum Auffahren bergmännisch erstellter Tunnel entwickelt. Es handelt sich hierbei um eine geschlossene Bauweise. Dabei wird der Tunnelquerschnitt in mehreren Abschnitten aus dem Fels gesprengt. Direkt im Anschluss an die Sprengung und den Abtransport des Abraumes erfolgt eine erste Sicherung der freigelegten Flächen mit Felsankern, Spritzbeton oder vorgefertigten Ausbaubögen. Erst nach Ausbruch und Sicherung aller
244
4
Ingenieurbauwerke
Abb. 4.21 Bauablauf bei der neuen österreichischen Tunnelbauweise
Stufen des Tunnelquerschnitts erfolgt nach dem Abklingen der Gebirgsverformungen der Einbau der Innenschale des Tunnels. Das Gebirge wird hierbei als tragendes Bauteil betrachtet. Durch die umgehende Sicherung der beim Vortrieb freigelegten Flächen wird eine mögliche Gebirgsauflockerung reduziert und ein schneller Kraftschluss mit dem Gebirge erreicht. Die eingebaute Spritzbetonschale (äußere Schale) ist ausreichend nachgiebig, so dass die Verformungen des Gebirges schadlos von ihr aufgenommen werden können. Dadurch verringern sich die Beanspruchungen aus Gebirgsdruck auf den Ausbauquerschnitt. Vor dem Einbringen der Innenschale (Ausbauquerschnitt des Tunnels) wird zunächst ein Abdichtungssystem aus Geotextilien und verschweißten Kunststoffbahnen auf die Außenschale sowie ein Drainagesystem für Sickerwasser eingebaut. Danach erfolgt der Einbau der Innenschale (Ausbauquerschnitt) aus Stahlbeton. Die Entscheidung über den Einsatz von Spritzbeton oder dem Einbau vorgefertigter Ausbaubögen hängt von den hydrogeologischen Verhältnissen ab. Spritzbeton
kommt vorrangig in standfestem Gebirge ohne Druckwasser zum Einsatz und zeichnet sich durch seine hohe Anpassungsfähigkeit gegenüber Gebirgsverformungen aus. 4.2.4.3 Schildvortrieb Der Schildvortrieb ermöglicht die Tunnelerstellung untertage von langen Tunneln und bei geringen Überdeckungshöhen. Beim Schildvortrieb handelt es sich ebenfalls um eine geschlossene Bauweise, bei der der Vortrieb durch das Vorpressen einer Tunnelvortriebsmaschine erfolgt. Ein großer Vorteil des Schildvortriebs ist die Einsatzmöglichkeit auch in wenig tragfähigen Bodenarten und geringer Überdeckung, ohne Störungen der Oberfläche oder Setzungen größeren Ausmaßes zu verursachen. Die zu erwartenden Senkungen können mit dieser Bauweise auf 10 bis 20 mm [4.6] begrenzt werden. Die Tunnelvortriebsmaschine beinhaltet die eigentliche Abbruchtechnologie (den „Bohrer“) zum Lösen des Bodens/Gesteins als auch die erforderlichen Stützmaßnahmen an der Ortsbrust (Erddruckschild, Druckluftschild,
4.2 Eisenbahntunnel
245
Abb. 4.22 Tunnelvortriebsmaschine mit hydraulisch geführter Ortsbrust [4.6]
Hydroschild). In Deutschland hat sich der Schildvortrieb mit hydraulisch gestützter Ortsbrust durchgesetzt. Bei diesem Verfahren wird zur Stützung der Ortsbrust in den vorderen Bereich der Tunnelbohrmaschine eine Stützsuspension gepresst, in der sich das Schneidrad dreht und den Boden löst. Über Pumpenanlagen wird das Abbruchgemisch zu einer Separieranlage gefördert und dort in flüssige und feste Bestandteile zerlegt. Die Suspension wird anschließend wieder in die Abbaukammer zurückgepresst. Im Schutz eines kreisförmigen zylindrischen Stahlmantels, dem Schild, erfolgt der endgültige Tunnelausbau mit Stahlbetontübbingen. Der verbleibende Ringspalt zwischen dem Ausbruchquerschnitt und der Tunnelauskleidung wird mit Mörtel verpresst. Die Tunnelbohrmaschine stützt sich dabei über Hydraulikpressen gegen den bereits fertig gestellten Tunnelquerschnitt ab. 4.2.4.4 Offene Bauweise Die offene Bauweise, also die Herstellung des Tunnels in einer offenen Baugrube, bietet sich bei oberflächennaher, unbebauter Trassenführung und günstigen geologischen Verhältnissen an. Die offene Bauweise ist in technischer
Hinsicht weniger anspruchsvoll und kostengünstiger. Die Wirtschaftlichkeit hängt dabei stark von der Menge der erforderlichen Erdbewegungen für den Aushub und der geologischen Beschaffenheit des Baugrundes ab. Für eine grobe Einschätzung der Wirtschaftlichkeit der offenen Tunnelbauweise kann man bis zu einer Grenztiefe der Baugrube von ca. 15 m von einer wirtschaftlichen Herstellung ausgehen. Bei tieferen Einschnitten in den Baugrund steigen die Kosten für die erforderlichen Erdbewegungen so stark an, dass die geschlos-
Abb. 4.23 Hamburger Bauweise
246
4
Ingenieurbauwerke Abb. 4.24 Berliner Bauweise
Abb. 4.25 Verbau in Tunnelwand integriert
Abb. 4.26 Verbau bildet Tunnelwand
4.2 Eisenbahntunnel
sene Bauweise hier wirtschaftliche Vorteile bietet. Steht seitlich der Tunnelachse ausreichend Platz zur Verfügung, ist die Herstellung der Baugrube ohne Verbau möglich. Im Regelfall werden jedoch gesicherte Baugrubenwände ausgeführt. Die Querschnittsform des Tunnels ist bei der offenen Bauweise meistens kastenförmig angelegt. Es kommen sowohl Vollrahmenquerschnitte (z.B. als Fertigteile) als auch Boden/ Wände/Deckel-Konstruktionen in verschiedenen Herstellungsvarianten zum Einsatz. Die Baugrube wird entlang der Tunnelachse abschnittsweise ausgehoben, das Tunnelsegment aus Fertigteilen zusammengesetzt bzw. in Ortbetonbauweise errichtet und der Tunnel nach Fertigstellung mit Erdreich überdeckt.
4.2.5 Beispiele In den vergangenen zwei Jahrzehnten entstand in Europa ein länderübergreifendes Netz von Hochgeschwindigkeitslinien. Bei der aktuellen Entwicklung wird dabei für das Jahr 2020 mit bis zu 20.000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken innerhalb Europas gerechnet. Mit vielen Großprojekten wird so die Markt- und Konkurrenzfähigkeit der Eisenbahn für die Zukunft gesichert. Eines der interessantesten derzeit laufenden Projekte ist die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) in der Schweiz. Im Rahmen dieses Großprojektes wird der Anschluss der Schweiz an das stetig wachsende Netz der europäischen Hochgeschwindigkeitsverbindungen realisiert. Eines der imposantesten Teile dieses Projektes ist der neue Gotthard-Basistunnel, der mit 57 km längste Eisenbahntunnel der Welt. Während die heutige Bahn für die Strecke Zürich–Gotthard–Mailand ca. 3 Stunden 40 Minuten benötigt, soll der Trassenneubau eine Verkürzung auf 2 Stunden 40 Minuten mit sich bringen. Die Inbetriebnahme ist für das Jahr 2012 geplant.
247
4.2.5.1 Der neue Gotthard-Basistunnel Den Gotthard-Basistunnel bildet ein System aus zwei ca. 40 m auseinander liegenden Einzelspurröhren mit zwei Multifunktionsstellen, Spurwechseln und ca. 180 Querschlägen. Die Querschläge sind in einem Abstand von 325 m angelegt. So konnte auf eine zusätzliche Rettungsröhre verzichtet werden, denn durch die zahlreichen Querschläge kann jede Röhre der jeweils anderen als Rettungsröhre dienen. Die beiden Multifunktionsstellen „Sedrun“ und „Faido“ vereinen jeweils einen Zugangsstollen, Lüftungsinstallationen, Technikräume mit Sicherungs- und Schaltanlagen, jeweils eine Nothaltestelle für jede Fahrtrichtung sowie je zwei doppelte Spurwechsel zwischen den Röhren. Die Nothaltestellen sind für einen Nothalt des Zuges konzipiert und dienen als Fluchtund Rettungsweg. Im Ereignisfall müssen weder Gleise überquert, noch Treppen oder Lifte benutzt werden. Die Nothaltestellen sowie die Seiten- und Verbindungsstollen werden durch einen geringen Überdruck rauchfrei gehalten und permanent mit Frischluft versorgt, während der Rauch aus der Ereignisröhre abgesaugt wird. Vor dem Bau der Tunnelröhren wurde sowohl die Erkundung der anstehenden geologischen Verhältnisse entlang der geplanten Tunnelachse vorgenommen als auch die Planung und Optimierung des Baufortschritts durchgeführt. Aufgrund der Länge des Tunnels und der unterschiedlichen geologischen Verhältnisse erfolgt der Tunnelvortrieb gleichzeitig auf insgesamt fünf Teilstücken mit unterschiedlicher Länge und unter Einsatz unterschiedlicher Vortriebstechnologien (Tunnelbohrmaschine/Sprengvortrieb). Die Großbaustelle Sedrun bildet dabei den wohl spektakulärsten Teilabschnitt. Sie beinhaltet einen ca. 1000 m langen waagerechten Zugangsstollen und zwei 800 m tiefe Vertikalschächte. Vom Schachtfuß aus erfolgen der Tunnelausbruch in Nordund Südrichtung sowie der Bau der Multifunktionsstelle mit Nothaltepunkt.
248
4
Ingenieurbauwerke
Abb. 4.27 Schematische Darstellung des Zwei-Röhren-Systems (Quelle: AlpTransit Gotthard AG)
Abb. 4.28 Detailschema des Multifunktionsbereiches Faido (Quelle: AlpTransit Gotthard AG)
Während in großen Teilen der Tunnelstrecke festes Gestein ohne Wasserdruck und -zirkulation ansteht, musste im Tavetscher Zwischenmassiv den stark druckhaften Verhältnissen durch eine entsprechende Ausbildung der Tunnelschale Rechnung getragen werden. In Gebieten mit standfestem Fels wurde
die Tunnelschale mit üblichen Dicken von 40 bis 60 cm Spritzbeton hergestellt. Im Bereich des oben genannten Tavetscher Zwischenmassivs waren die Gebirgsverformungen jedoch so stark, dass erst nach Abklingen der ersten Gebirgsverformungen und dem Einbau einer bis zu 2,0 m dicken Spritzbetonschale eine dem
4.2 Eisenbahntunnel
Gebirge dauerhaft widerstehende Röhre entstand. Im Zusammenhang mit dem derzeitigen Bau des neuen Gotthard-Basistunnels steht das Projekt Porta Alpina Sedrun. In drei Teilstudien – Marktanalyse/Bedürfniserklärung, bauliche Machbarkeit, betriebliche Machbarkeit – wurde die Möglichkeit untersucht, die Nothaltestelle des Multifunktionspunktes Sedrun in eine reguläre Tunnelstation, also einen Bahnhof untertage, umzuwandeln und somit Sedrun für den Alpentourismus besser zu erschließen. Die Ergebnisse der Studien wurden im September 2003 veröffentlicht. Die bauliche und betriebliche Machbarkeit wurden darin nachgewiesen. Die baulichen Maßnahmen für die Umnutzung der Nothaltestelle bewegen sich im vertretbaren Rahmen. Eine Erweiterung des Tunnelquerschnitts wurde in diesem Zusammenhang verworfen. Die kostengünstigste Lösung weist den Einbezug der bestehenden Nothaltestellen und die Anlage von vier zusätzlichen Warteräumen aus. Die bestehende Liftanlage kann ebenfalls mit einigen planerischen Anpassungen übernommen werden. Aus betrieblicher Sicht wäre ein Halt im Stundentakt problemlos möglich, auch die Abschätzung der Investitionskosten fällt mit 38 Millionen Franken relativ gering aus. Derzeit erfolgt im Auftrag des Schweizer Bundesrats eine langfristige Kosten-Nutzen-Analyse, eine Beurteilung der Nachhaltigkeit für die Tunnelstation Porta Alpina sowie die Erarbeitung einer Finanzierungsvorlage für den Bau. Im günstigsten Falle könnte damit bereits Ende dieses Jahres mit der Ausführung begonnen werden. 4.2.5.2 DB Neubaustrecke Mannheim – Stuttgart, Tunnel Forst Ein weiteres interessantes Tunnelbau-Projekt wurde im Zuge der DB Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart realisiert. Die Deutsche Bundesbahn kreuzt die nördlich der Gemeinde Forst geplante Trasse der Bundesautobahn A5 Mannheim–Karlsruhe in östlicher Richtung,
249
quert dabei die Kreisstraße K3524 und führt dann nach Kraichgau. Die nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten kostengünstigste Variante der Streckenführung in diesem Bereich wäre die Dammlage. Damit könnten sowohl die Bundesautobahn A5 als auch die Kreisstraße K3524 überführt werden. Diese Lösung war jedoch für die Gemeinde Forst nicht zumutbar, denn sie hätte mehrere erhebliche Nachteile mit sich gebracht. Die Gemeinde wäre durch den entstehenden Damm zum einen von ihrem unmittelbaren Naherholungsgebiet abgeschnitten gewesen und zum anderen hätte der Damm die Ausdehnungsmöglichkeiten der Gemeinde stark eingeschränkt. Aus den genannten Gründen wurde das angesprochene Teilstück der DB Neubaustrecke in Tunnellage geplant. In einer 993 m langen Trogstrecke fällt die Gradiente von Westen mit einer Neigung von ca. 10‰ bis zum Tunnelmund vor der Bundesautobahn A5 ab. Dort unterquert die Bahntrasse die Autobahn und steigt östlich davon auf der 1726 m langen Tunnelstrecke bereits wieder mit 2,5‰ bis hinter der Unterquerung der Kreisstraße an, um dann in einer zweiten Trogstrecke mit einer maximalen Steigung von 12,4‰ wieder die Erdgleiche im Osten zu erreichen. Die Ergebnisse der durchgeführten Baugrunderkundungen wiesen im Bereich des Baufeldes locker bis dicht gelagerte Sandund Kiesschichten und damit für die geplante offene Tunnelbauweise günstige Voraussetzungen aus. Es folgte eine umfangreiche Variantendiskussion für den Baugrubenverbau und die Herstellung des Tunnelquerschnitts, in dessen Rahmen die in Abb. 4.29 dargestellte Lösung als Vorzugsvariante hervorging. Dabei wird die Baugrube aus rückverankerten Stahlwänden und einer verankerten Baugrubensohle hergestellt. Das Bauwerk aus wasserundurchlässigem Beton erhält seine Auftriebssicherheit durch das Eigengewicht des Betonrahmens sowie durch die vertikale Auflast des Bodens und Wassers auf die seitlich auskragende Bodenplatte. Durch die Aktivierung
250
4
Ingenieurbauwerke Abb. 4.29 Baugrube mit rückverankerten Spundwänden und Tunnelquerschnitt [4.2]
des Erddrucks auf die Sporne kann der Betonquerschnitt optimal den örtlich unterschiedlichen Beanspruchungen angepasst werden. Das Tunnelbauwerk ist nicht mit dem Baugrubenverbau verbunden, es entstehen dadurch keine zusätzlichen Zwangsbeanspruchungen im Rahmentragwerk. Der Tunnelquerschnitt wird in einer Segmentgröße von 8,80 m Länge monolithisch hergestellt. Die Spundbohlen des Baugrubenverbaus können nach dem Wiederauffüllen der Baugrube gezogen und an anderer Stelle wieder verwendet werden. Diese Lösung wurde für die Ausführungsplanung des Amtsentwurfes vorgesehen. Um die technische Durchführbarkeit des Entwurfes für die spätere Ausführung sicherzustellen, wurde vor der Ausschreibung eine Probebaugrube mit den Abmaßen von 10 m × 20 m in unmittelbarer Nähe des späteren Tunnelstandortes angelegt. In ihr wurden die verwendeten Bauteile (Spundbohlen, Querschotte, Anker, Unterwasserbetonsohle) auf ihre Einsatztauglichkeit getestet. Der Tunnel selbst wurde mit zwei Schalgeräten im System von Vorläufer- und Nachläuferblöcken erstellt. Die Fugen zwischen zwei aufeinander folgenden Tunnelsegmenten werden mit einem innen liegenden KunstkautschukFugenband ausgeführt. In dieses Fugenband ist zum Zwecke des leichteren Einbaus und der Lagesicherheit ein zusätzlicher Blechstreifen einvulkanisiert. Im Bereich des Tunnels
kommen Pressfugen und im Bereich der Tröge Raumfugen zur Anwendung. Die Ausführungslösung hielt sich in großen Teilen an den Amtsentwurf. Geändert wurde die Ausbildung der Baugrubensohle. Anstatt der bewehrten und verankerten Bodenplatte wurde eine 1,0 m dicke unbewehrte Unterwasserbetonplatte hergestellt und mit Rüttelinjektionspfählen verankert, die während des Betonierens der Sohle eingebracht werden können. Bei der Tunnelherstellung wurde eine Taktgeschwindigkeit von 2 Blöcken je Woche erreicht.
Literatur 4.1 Bösche T, Weigelt M, Brunner A, Uhlstein W: Freivorbau – ein modernes Bauverfahren im historischen Bestand. Der Neubau der Eisenbahn-Marienbrücke in Dresden. In: Betonund Stahlbetonbau, Band 98 (2003), Heft 12, S. 788–793 4.2 DB Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart: Ingenieurbauwerke – Tunneltechnik – offene Bauweise. Heft 1, Nr. 4, 10/85 4.3 DB Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart: Ingenieurbauwerke – Tunneltechnik – offene Bauweise. Nr. 2, 7/86 4.4 DB Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart: Ingenieurbauwerke – Talbrücken. 3/87 4.5 DB Neubaustrecke Mannheim–Stuttgart: Ingenieurbauwerke – Tunneltechnik – Bergmännische Bauweise. Nr. 3, 12/86
Literatur 4.6 Fiedler, J: Bahnwesen – Planung, Bau und Betrieb von Eisenbahnen, S-, U-, Stadt und Straßenbahnen, 5. Aufl. Werner-Verlag 2005 4.7 Historische Alpendurchstiche in der Schweiz – Gotthard, Simplon, Lötschberg. Gesellschaft für Ingenieurbaukunst, 1996 4.8 Leonhardt F, Bonatz P: Brücken. Karl Robert Lange Wiesche Verlag, Königstein im Taunus 1953 4.9 Muncke M, Freystein H, Schollmeier P: Handbuch Entwerfen von Bahnanlagen. Eurailpress Tetzlaff-Hestra 2005 4.10 Mörscher J: Technische Neuerungen im Eisenbahnbrückenbau am Beispiel der Rombachtalbrücke. In: Wissenschaft und Praxis – Veröffentlichungen der Fachhochschule Biberach/ Riss, Band 43, 1987, S. 48–68 4.11 Schmidt V: Eisenbahnbrücken kleiner und mittlerer Stützweite in Stahlverbund. In: Tagungsband zum 14. Dresdner Brückenbausymposium. Dresden, 9.3.2004, S. 115–122 4.12 DIN-Fachbericht 100: Beton. Berlin: BeuthVerlag 2001 4.13 DIN-Fachbericht 101: Einwirkungen auf Brücken. Berlin: Beuth-Verlag, 2. Aufl. März 2003 4.14 DIN-Fachbericht 102: Betonbrücken. Berlin: Beuth-Verlag, 2. Aufl. März 2003
251
4.15 DIN-Fachbericht 103: Stahlbrücken. Berlin: Beuth-Verlag, 2. Aufl. März 2003 4.16 DIN-Fachbericht 104: Verbundbrücken. Berlin: Beuth-Verlag, 2. Aufl. März 2003 4.17 Ril 804: Eisenbahnbrücken (und sonstige Ingenieurbauwerke) planen, bauen und instand halten. Hrsg.: Deutsche Bahn AG 4.18 Ril 853: Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten. Hrsg.: Deutsche Bahn AG 4.19 Ril 85391: Leitfaden zur Richtlinie 853 – Kommentare und Planungshilfen zur Ril 853. Hrsg.: Deutsche Bahn AG 4.20 DS 804: Vorschrift für Eisenbahnbrücken und sonstige Ingenieurbauwerke (VEI). Hrsg.: Deutsche Bahn AG, 9/2000 4.21 Richtlinie für Fahrbahnwannen auf Gewölbebrücken. Hrsg.: Deutsche Reichsbahn, 1979 4.22 ELTB: Eisenbahnspezifische Liste Technischer Baubestimmungen. Hrsg.: Deutsche Bahn AG 4.23 Schuck W: Richtlinie 854 – Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten – Aktueller Entwurf mit Bemessung der Tunnel nach dem Teilsicherheitskonzept. Vortrag im Rahmen der 6. Fachtagung der EBA-Sachverständigen. Fulda, 03.-04.02.2004
5
Beanspruchung von Gleisen und Weichen Johannes Franz
Für den Nachweis der Beanspruchung von Gleisen und mit Einschränkungen auch von Weichen haben sich Rechenverfahren durchgesetzt, die in der Theorie einfach und überschaubar sind [5.1–5.6]. Maßgebend für ihre Anwendung sind von den Bahnen umfangreich durchgeführte experimentelle Untersuchungen, durch die ihre Grundlagen sorgfältig abgesichert und ihre Ergebnisse vielfältig überprüft sind. In Deutschland haben sie Eingang in das Bahn-Regelwerk gefunden, das einerseits die Gleichungen für die Nachweisführung und andererseits die erforderlichen technischen Prüfbedingungen enthält.
5.1 Verkehrslasten auf Gleisen 5.1.1 Vertikallasten – charakteristische Werte (statische Anteile) Bei der Vorgabe von statischen Vertikallasten auf Gleisen ist grundsätzlich vom Lastmodell 71 nach DIN-Fachbericht 101 auszugehen (Abb. 5.1).
Das Lastmodell 71 gilt für Einwirkungen auf Brücken. Bei Gleisen sind davon nur die Radsatzlasten 2 Q0 maßgebend, nicht die Linienlasten q0. Da beim Schotteroberbau der Nachweis der Schienenspannungen der wichtigste Tragfähigkeitsnachweis ist und dafür eine einzelne Radsatzlast ohne Berücksichtigung benachbarter Radsatzlasten die ungünstigsten Ergebnisse liefert, werden für den Schotteroberbau nur Einzelradsatzlasten vorgegeben. Bei der Festen Fahrbahn hat die Beurteilung der Beanspruchung für die Tragschichten eine gleichwertige Bedeutung. Dafür ist aus den vier Radsatzlasten 2 Q0 des Lastmodells 71 nach dem Prinzip der Einflusslinien die ungünstigste Konstellation der Stützpunktkräfte zu ermitteln. Die charakteristischen Werte des Lastmodells 71 sind für Strecken mit einem gegenüber dem normalen Verkehr leichteren oder schwereren Verkehr abzumindern bzw. zu erhöhen. Für Radsatzlasten bis 300 kN und Geschwindigkeiten bis 300 km/h kann in Hochgeschwindigkeits- (HGV), Personen- (PV), Güter- (GV) und Schwerverkehr (SV) unterschieden werden (Tabelle 5.1).
Radsatzlasten 2 Q0 Linienlast q0
250 kN
250 kN
250 kN
250 kN
80 kN/m
unbegrenzt
Linienlast q0 80 kN/m
0,8 m
1,6 m
1,6 m
1,6 m
0,8 m
Abb. 5.1 Lastmodell 71 und charakteristische Werte der statischen Vertikallasten
unbegrenzt
254
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Tabelle 5.1 Radsatzlast in Abhängigkeit von der Verkehrsart Verkehrsart
HGV/PV
PV/GV
SVI
SVII
Radsatzlast 2Q0 [kN]
200
225
250
300
5.1.2 Vertikallasten – dynamische Einwirkungen
Schwellenhohllage
Die im Gleis durch die statischen Vertikallasten entstehenden Spannungen, elastischen Verformungen und Stützpunktkräfte werden durch Verkehrseinwirkungen vergrößert. Bei der Bemessung des Gleises wird die unter den Zügen mit anwachsender Geschwindigkeit zunehmende Dynamik durch einen Dynamikfaktor erfasst. Bei der Festlegung des Dynamikfaktors ist von der Gleislage auszugehen. Dabei ist die Gleislage bei der Festen Fahrbahn gegenüber einem Schotteroberbau mit
normaler Instandhaltung genauer. Grundsätzlich wird es ausreichend sein, den Dynamikfaktor – bei der Festen Fahrbahn mit 1,5 und – beim Schotteroberbau mit 2,0 vorzugeben. Für Geschwindigkeiten ≤ 60 km/ h kann er bis auf 1,2 abgemindert werden. Die bei der Bemessung nachgewiesenen Spannungen, elastischen Verformungen und Stützpunktkräfte sind mit dem zutreffenden Dynamikfaktor zu multiplizieren. Unvermeidbar sind auch bei sorgfältig instand gehaltenen Gleisen Anregungen aus der Hohllage der Schwellen (Abb. 5.2) und aus Unrundheiten der Räder (Abb. 5.3). Die Hohllage der Schwellen wird durch den Dynamikfaktor berücksichtigt. Die Unrundheiten der Räder sind durch den Dynamikfaktor nicht immer abgedeckt. Beim Rad mit einer Unrundheit und Begrenzung der Unrundheit auf f = 0,4 mm entspricht die dynamische Erhöhung bei v = 250 km/h einem Dynamikfaktor von 1,5 [5.7]. Aus Fahrgeschwindigkeit
wandernd; etwa ≤ 0,2 mm bei gut (fest) liegenden Schwellen
Abb. 5.2 Hohllage der Schwellen
Schwerpunktweg des unrunden Rades bei einer Radumdrehung
f
r
2· π · r
Abb. 5.3 Unrundheit f und Schwerpunktweg des unrunden Rades
5.1 Verkehrslasten auf Gleisen
und zurückgelegtem Weg bei einer Radumdrehung kann die zugeordnete Raddrehfrequenz als Erregerfrequenz für das Schwingungssystem Radsatz/Gleis berechnet werden (siehe Abschnitt Schwingungssystem Radsatz/Gleis):
v = Fahrgeschwindigkeit [km/h] r = Radhalbmesser [m], z.B. 0,46 m.
5.1.3 Vertikallasten – Radlastverlagerung Infolge Ladungsverschiebungen, unausgeglichenen Fliehbeschleunigungen und Hangabtrieb bei Bogenfahrt kommt es zu Belastungen des einen und gleich großen Entlastungen des anderen Rades eines Radsatzes. Die Belastungen werden durch einen Erhöhungsfaktor von 1,2 berücksichtigt, mit dem die nachgewiesenen Spannungen, elastischen Verformungen und Stützpunktkräfte zu multiplizieren sind.
5.1.4 Vertikallasten auf Betonschwellen und weitere Lastannahmen für ihre Bemessung Die Beanspruchung der Schwellen ist von den Stützpunktkräften abhängig. Für den Schotteroberbau können mit Hilfe des UIC-Merkblattes 713 R, 1. Ausgabe vom November 2004, die mit Erhöhungsfaktoren versehenen Stützpunktkräfte als Vertikallasten (Bemessungslasten) auf Betonschwellen in Abhängigkeit von der Verkehrsart und den Dämpfungsei-
genschaften des Schienenstützpunktes angegeben werden (Tabelle 5.2). Die beispielhaft nach dem UIC-Merkblatt 713 R verwendeten Faktoren Jp berücksichtigen die Dämpfungseigenschaften des Schienenstützpunktes nach DIN EN 13146−3: – starre Zwischenlagen bzw. starre Zwischenplatten: Jp = 1 entsprechend schwacher Dämpfung; – elastische Zwischenlagen bzw. elastische Zwischenplatten: Jp = 0,89 entsprechend mittlerer Dämpfung; die Anwendung Jp = 0,78 entsprechend hoher Dämpfung muss besonders nachgewiesen sein. Aus den Bemessungslasten werden durch Multiplikation mit dem Hebelarm O die Bemessungsmomente Mdr für den Querschnitt unter Schienenfußmitte erhalten:
Der von der Schwellenlänge und dem Schienenprofil abhängige Hebelarm O berechnet sich für eine Spurweite von 1435 mm nach
mit Lp und e nach Abb. 5.4. Das negative Bemessungsmoment Mdc für den Querschnitt in Schwellenmitte kann nach der Gleichung
Tabelle 5.2 Bemessungslasten Sdyn für Betonschwellen des Schotteroberbaues Verkehrsart
HGV / PV2) Op = 0,89
PV / GV3) Op = 1,0
SVI Op = 0,89
SVII Op = 0,89
Radsatzlast 2Q0 [kN] Bemessungslast Sdyn [kN]1)
200
225
250
300
180
182
195
234
1)
255
Bei Fester Fahrbahn kann Sdyn um 25% verringert werden; 2) v ≥ 200 km/h; 3) v < 200 km/h
256
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen Abb. 5.4 Bemessungslast Sdyn und geometrische Größen zur Berechnung des Hebelarmes O
e ≈
d 2
Sdyn
Schwerachse Schwelle
d
45° Symmetrieachse des Schienenauflagers
Lp
berechnet werden. Dabei sind Ic und Ir die Trägheitsmomente der Querschnitte in Schwellenmitte bzw. in der Mitte des Schienenauflagers. Die Bemessungsmomente Mdr und Mdc sind Grundlage für die Gebrauchstauglichkeitsnachweise nach DIN 1045-1 bzw. DIN-Fachbericht 102. Die entsprechenden Prüfmomente für die Zulassungsprüfungen an Betonschwellen nach DIN EN 13230-2 enthält [5.13].
5.1.5 Horizontallasten – charakteristische Werte Die Horizontallasten auf das Gleis entstehen beim Fahrzeuglauf in Bogen und beim Wellenlauf der Fahrzeuge im Gleis. Der Übergang vom Bogenlauf zum Wellenlauf liegt etwa bei r = 800 m bis r = 1000 m. In beiden Fällen werden die Horizontallasten rechtwinklig zur Gleisachse angenommen und mit Y bezeichnet, die als Einzellasten wirken. Ihre Größe ist experimentell abgesichert, z.B. durch regelmäßige fahrtechnische Prüfungen [5.14]. Allgemein gilt: Y = 0,5 · Q0 ; Y = 0,6 Q0 für 190 m ≤ r < 300 m; Dynamikfaktoren wie bei den Vertikallasten.
5.1.6 Lastangriff der Kräfte Q und Y am Schienenkopf Die Kräfte Q0 und Y sind die vertikale bzw. horizontale Komponente der Kraft R zwischen Rad und Schiene. Beim Radprofil S 1002 kommt es mit der Schiene zur Einpunktberührung ohne Anlauf des Spurkranzes an der Schiene (ideale Verhältnisse beim Wellenlauf) bzw. zur Einpunktberührung mit Anlauf des Spurkranzes an der Schiene (Abb. 5.5). In beiden Fällen findet die Einpunktberührung innerhalb einer Berührungsbreite von etwa 12 mm statt. Für Berechnungen und experimentelle Untersuchungen mit nachgestellten Kräften wird idealisierend die Wirkungslinie von R durch den Mittelpunkt M der Eckenausrundung des Schienenkopfes mit r = 13 mm angenommen (DIN EN 13481-2).
5.1.7 Längsgerichtete Einwirkungen Die längsgerichteten Einwirkungen sind in Abschn. 5.4 sowie 5.5 beschrieben.
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger e ≤ 12 mm
Idealer Wellenlauf: Einpunktberührung ohne Anlauf; e und Y vernachlässigbar
Q
Y = 0,2 · Q0
257
Abb. 5.5 Einpunktberührung zwischen Rad und Schiene ohne und mit Anlauf des Spurkranzes an der Schiene. Die Bezeichnung UIC 60 steht für die Schienenprofile 60 E 1 und 60 E 2
Berührungsbreite (Fahrspiegel) ca. 12 mm
Q
Allgemein: Einpunktberührung mit Anlauf
e
hr
R M
UIC 60
Y
S 54
S 49
e [mm]
23
20,5
20,5
hr [mm]
15,0
14,5
14,5
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger 5.2.1 Bettungszahl C beim Schotteroberbau Die Bettungszahl bzw. der Bettungsmodul C stellt beim Schotteroberbau die Beziehung zwischen der Flächenpressung des Schotters unter der Schwelle und der Einsenkung dar. Die Ermittlung dieser Größe erfolgt in gleicher Weise wie die der Verformungsmodulen Ev1 und Ev2 im Erd- und Straßenbau. Während bei der Ermittlung der Module Ev1 und Ev2 eine kreisrunde Lastplatte (statischer Plattendruckversuch) zur Anwendung kommt, tritt bei der Bettungszahl C die streifenförmige, in die Bettung eingefahrene Schwelle an
ihre Stelle. In beiden Fällen wird die Last über eine hydraulische Presse eingeleitet, die sich gegen ein Belastungsfahrzeug abstützt. Bei der Ermittlung der Bettungszahl C wird sie auf die Schwellenköpfe, unter den Längsträgern des Belastungsfahrzeugs, abgesetzt. Die Einsenkung wird gegenüber Pfählen gemessen, die vor den Schwellenköpfen genügend tief gegründet sind. Die umfangreichsten Messungen zur Bettungszahl C veranlasste 1930 der Technische Ausschuss im Verein Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen. In Abb. 5.6 sind die Ermittlung der Bettungszahl C sowie die dabei vorgenommenen Idealisierungen dargestellt. Tabelle 5.3 enthält Beispiele für ihre Größe. Die Bettungszahl C wird mit einem Belastungsvorgang (Erstbelastung) ermittelt.
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen Hohllage (Nullsetzung)
258
80 · 103
S y S AI2
p ≤ 0,30 N/mm2 ≈ 1900 mm
S
S = y
ch tis
S[N]
p=
t.
ns
co
ore
the
ch
hli
äc ats
S
t
y [mm] Hohllage
p
500 mm
Für den theoretischen Kurvenverlauf gilt: A 2
auflagerfrei
p=C·y
A 2
Auflagerfläche A = 570 · 103 mm2 für Betonschwelle B 70
C=
p 2·S = [N/mm3] A·y y
Abb. 5.6 Ermittlung der Bettungszahl C und dabei vorgenommene Idealisierungen
Tabelle 5.3 Beispiele für die Größe der Bettungszahl C Bettung
Beschaffenheit von Untergrund/Unterbau, Brücken, Tunnel
C [N/mm3]
Schotter
sehr schlecht organische Böden (z.B. Moor), gleichkörniger Sand, weicher Ton schlecht bindige Böden (z.B. Ton, Schluff ) gut lehmiger und sandiger Kies, Kiessand, Kies, Tragsysteme mit Schutzschicht sehr steif, starr intensiv verdichtete Erdkörper von Neubaustrecken, Fels, Betonplatten
0,02
Schotter Schotter Schotter
Mit dem statischen Plattendruckversuch werden Schichten in einer Tiefe des 1,5 bis 2fachen Durchmessers der Lastplatte erreicht. Einer Streifenfläche von 0,57 m2 entspricht einer Kreisfläche mit einem Durchmesser von
0,05 0,10 bis 0,15 0,35
0,85 m, d.h. für die Streifenfläche der Schwelle kann eine Tiefenwirkung von etwa 1,25 m bis 1,70 m angenommen werden.
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger
5.2.2 Bettungszahl C und Längsträgerbreite b bei der Festen Fahrbahn
259
Beispiel: Stützpunkt W 300 mit A = 46,4 · 103 mm2; a = 650 mm, cstat = 22,5 kN/mm.
Damit Bei der Festen Fahrbahn ist die Schiene auf elastischen Platten (Zwischenplatten) aus Gummi bzw. Elastomeren gelagert, die im Abstand der Schienenstützpunkte zwischen Schiene und Tragplatte ausgeordnet sind. In Abb. 5.7 sind die Anordnung der Platten und die Ermittlung der statischen Stützpunktsteifigkeit dargestellt. Idealisierend wird die Stützpunktsteifigkeit cstat durch die Sekante zwischen 20 kN und 70 kN beschrieben. Dabei gilt: Für die Stützpunktsteifigkeit cstat:
Für die Bettungszahl C:
Für die Längsträgerbreite b:
a = Stützpunktabstand [mm].
und
Mit Hilfe der Längsträgerbreite b werden die im Abstand a vorhandenen Auflagerungen mit den Stützpunktflächen A in eine flächengleiche kontinuierliche Auflagerung umgewandelt. Maßgebend für die Bettungszahl C bei der Festen Fahrbahn ist die Zwischenplattensteifigkeit cstat. Das Prüfverfahren für ihre Ermittlung ist ausführlich in [5.15] beschrieben. An die Versteifung der elastischen Zwischenplatten sind hohe Anforderungen zu stellen. Um unter Verkehrslast nach längerer Liegezeit im Gleis einen Versteifungsfaktor von etwa 2 einzuhalten, dürfen sie sich unter niederfrequenter dynamischer Belastung nur um den Faktor 1,5 und durch eine Dauerschwellbeanspruchung über 3 · 106 Lastspiele statisch nur um den Faktor 1,15 versteifen [5.15].
lich
3. Belastungszyklus mit 2 kN/s
äch
S
tats
S [kN]
100
70
theoretisch S = const. y
y 20
∆y
elastische Zwischenplatte mit Stützpunktfläche A keine Hohllage
Abb. 5.7 Ermittlung der statischen Stützpunktsteifigkeit aus S/y = const.
y [mm]
260
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
5.2.3 Stützpunktsteifigkeit c beim Schotteroberbau Die Bettungszahl C des Schotteroberbaus kann in eine Stützpunktsteifigkeit c umgerechnet werden:
A/2 = halbe Schwellenauflagerfläche [mm2]. Durch elastische Zwischenlagen mit der statischen Steifigkeit cstat, die direkt unter dem Schienenfuß angeordnet werden, kann eine vorhandene Stützpunktsteifigkeit c des Schotteroberbaues verringert werden:
Beispiel: A/2 = 285·103 mm2 (Betonschwelle B 70); C = 0,35 N/mm3; cstat = 30 kN/mm bis 60 kN/mm;
cges und Cges nach Tabelle 5.4.
Die gleiche Wirkung kann durch Betonschwellen mit elastischer Sohle unter der Schwelle erreicht werden. Die statische Steifigkeit der Sohle wird dabei durch die Bettungszahl Cstat, ermittelt über einer Normschotterplatte, charakterisiert [5.16]. Für z.B. C = 0,35 N/mm3 und Cstat = 0,15 N/mm3 wird
Tabelle 5.4 Verringerung der Bettungszahl C = 0,35 N/ mm3 durch elastische Zwischenlagen mit 30 kN/mm d cstat d 60 kN/mm cstat [kN/mm]
30
40
50
60
cges [kN/mm] Cges [N/mm3]
23,1 0,08
28,6 0,10
33,3 0,12
37,5 0,13
Betonschwellen mit elastischer Sohle, deren Sohlensteifigkeit durch eine statische Bettungszahl von 0,15 N/mm3 gekennzeichnet ist, erzielen etwa die gleiche statische Wirkung wie elastische Zwischenlagen mit cstat = 40 kN/ mm, bzw. cstat = 50 kN/mm.
5.2.4 Elastisch gelagerter Längsträger unter vertikaler Belastung 5.2.4.1 Biegelinie und Momentenlinie Der elastisch gelagerte Längsträger entspricht nach dem Rechenmodell von Zimmermann einem unendlich langen, gewichtslosen Träger mit der Biegesteifigkeit E·I der Schiene und der Breite b, durchgängig auf einer elastischen Bettung mit der Bettungszahl C gelagert und fest mit ihr verbunden (Abb. 5.8 oben). Die Breite b des Längsträgers folgt aus einer Umwandlung des Querschwellenoberbaues in einen Längsschwellenoberbau (Abb. 5.8 Mitte). Kritik: Das Berechnungsmodell trifft nur bedingt zu, da die Schwellen mit Hohllagen im Schotterbett liegen sowie Schotter und Untergrund eine progressive Arbeitslinie aufweisen und keine Zugkräfte (abhebende Kräfte) übertragen können. Die Berechnung liefert daher nur Mittelwerte. Größtwerte in der Praxis werden durch experimentell ermittelte Zuschläge erfasst (Dynamikfaktoren im Abschnitt Verkehrlasten auf Gleisen).
Mit Hilfe des qualitativen Querkraftverlaufes am unendlich langen, elastisch gelagerten Längsträger (Abb. 5.8 unten) werden Querkraft- und Momentengleichung nach der technischen Biegelehre erhalten:
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger Q0
statische Radlast Schiene
E · l = const. b
b · C = const.
b
elastische Bettung unter der Längsträgerbreite b
261
a = Schwellenabstand [mm] b = Breite des gedachten Längsträgers [mm]
Q
Qualitativer Querkraftverlauf am unendlich langen, elastisch gelagerten Längsträger
Gleisachse a = 600 mm
A 2 b=
A/2 a
dQ = b · p · dx dQ = b · C · y · dx
3 b = 570 · 10 / 2 = 475 mm 600
dx
–∞
+∞
x
Q0
Abb. 5.8 Grundlagen für das Rechenmodell des elastisch gelagerten Längsträgers
(5.2) (5.1)
Aus Gl. (5.1) und (5.2)
mit
262
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
mit
mit
Lösung dieser DGL: oder Bestimmung von K:
Gleichung Momentenlinie: mit
(wobei
mit
) Die Gleichungen der Biege- und Momentenlinie werden als Einflusslinien (Ordinate 1 am Lastort) mit der Abszisse [ = x/L in Bogenmaß dargestellt (Abb. 5.9). L entspricht dabei dem Grundwert des Längsschwellenoberbaues:
mit:
Gleichung Biegelinie: mit
Anmerkung: Ermittlung des Integrals
Die Einflusszahlen K (Einsenkung) und P (Biegemoment) sind in Abhängigkeit von der Abszisse [ = x/L tabelliert (Tabelle 5.5). 5.2.4.2 Schnitt- und Verformungsgrößen am Lastort unter statischer Last Direkt unter einer Einzellast sind K = 1 und P = 1. Dafür lassen sich folgende Gleichungen herleiten (ohne Berücksichtigung von Dynamikfaktor und Faktor für die Radlastverlagerung): Biegemoment M
Schienenspannung Schienenfußunterseite VF
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger 5 π 4
π
3 2 π π 4 4
π 4
0
π 4
2 π 4 ξ=
3 π 4
π
5 π 4
6 π 4
7 π 2π 4
263
9 10 π π 4 4
x L WP
0,208
µ = – ( sinξ – cosξ ) eξ 1,0
WP
η = sinξ + cosξ eξ 1,0 WP WP = Wendepunkt
Abb. 5.9 Einflusslinien für Biegemoment M (oben) und Einsenkung y (unten)
Einsenkung y Mehrere Lasten siehe Abb. 5.11. Schotterpressung p
5.2.5 Dynamische Wirkungen am elastisch gelagerten Längsträger unter vertikaler Belastung
Stützpunktkraft S
Stützpunktkraft S aus der Einflusslinie für die Einsenkung y siehe Abb. 5.10. Negative Stützpunktkraft Sneg (Abhebekraft) Die größte negative Stützpunktkraft entsprechend der Biegelinie der Schiene tritt bei [ = S auf (siehe Abhebewelle). Dafür gilt:
5.2.5.1 Schwingungssystem Radsatz/Gleis Das Schwingungssystem Radsatz/Gleis wird als System mit einem Freiheitsgrad, dem Rad als starren Körper und dem Gleis als Biegebalken auf elastischer Stützung (Biegungsschwinger) wiedergegeben (Abb. 5.12). Die Masse des Rades mq folgt aus der unabgefederten Fahrzeugmasse. Für ein Hochgeschwindigkeitsfahrzeug beträgt sie als Summe aus Rad, anteiligen Bremsscheiben und
264
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Tabelle 5.5 Einflusszahlen nach Zimmermann für Einsenkung und Biegemoment Einsenkung – +1
+ y=
ξ
η
0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7 2,8 2,9 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 3,5
1,0000 0,9907 0,9651 0,9267 0,8784 0,8231 0,7628 0,6997 0,6354 0,5712 0,5083 0,4476 0,3899 0,3355 0,2849 0,2384 0,1959 0,1576 0,1234 0,0932 0,0667 0,0439 0,0244 0,0080 –0,0056 –0,0166 –0,0254 –0,0320 –0,0369 –0,0403 –0,04226 –0,04314 –0,04307 –0,04224 –0,04079 –0,03887
– η 3
x L
ξ=
5,5 L=
Q ·η 2·b·C·L Diff. 0,0093 256 384 483 553 603 631 643 642 629 607 577 544 506 465 425 383 342 302 265 228 195 164 136 110 88 66 49 34 20
µ 1,0000 0,8100 0,6398 0,4888 0,3564 0,2415 0,1431 0,0599 –0,0093 –0,0657 –0,1108 –0,1457 –0,1716 –0,1897 –0,2011 –0,2068 –0,2077 –0,2047 –0,1985 –0,1899 –0,1794 –0,1675 –0,1548 –0,1416 –0,1282 –0,1149 –0,1019 –0,0895 –0,0777 –0,0666 –0,0563 –0,04688 –0,03831 –0,03060 –0,02374 –0,01769
4
x L
x L
4E·J b·C
Diff. 0,1900 1702 1510 1324 1149 984 832 692 564 451 349 259 181 114 57 9 30 62 86 105 119 127 132 134 133 130 124 118 111 103
Biegemoment – +1
+ M=
– µ Q·L ·µ 4
ξ 3,6 3,7 3,8 3,9 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 4,6 4,7 4,8 4,9 5,0 5,1 5,2 5,3 5,4 5,5 5,6 5,7 5,8 5,9 6,0 6,1 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6 6,7 6,8 6,9 7,0
3 3,9
η –0,03659 –0,03407 –0,03138 –0,02862 –0,02583 –0,02309 –0,02042 –0,01787 –0,01546 –0,01320 –0,01112 –0,00921 –0,00748 –0,00593 –0,00455 –0,00334 –0,00229 –0,00139 –0,00063 0,00001 0,00053 0,00095 0,00127 0,00152 0,00169 0,00180 0,00185 0,00187 0,00184 0,00179 0,00172 0,00162 0,00152 0,00141 0,00129
µ –0,01241 –0,00787 –0,00401 –0,00077 0,00189 0,00403 0,00572 0,00699 0,00791 0,00852 0,00886 0,00898 0,00892 0,00870 0,00837 0,00795 0,00746 0,00692 0,00636 0,00578 0,00520 0,00464 0,00409 0,00356 0,00307 0,00261 0,00219 0,00181 0,00146 0,00115 0,00087 0,00063 0,00042 0,00024 0,00009
Hinweis: Für das Ausschwingen der Einflusslinien ab ξ = 3,0 sind keine Differenzen zwischen den Einflusszahlen angegeben.
anteiligen Drehgestellkomponenten etwa 1,5 t. Das sind etwa 15% der Gesamtmasse von 10 t aus unabgefederter und abgefederter Fahrzeugmasse, die das Rad auf die Schiene überträgt.
Die Durchbiegung O der Schiene als elastisch gelagerter Längsträger am Ort der statischen Radlast q beträgt:
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger
Abb. 5.10 Ermittlung der Stützpunktkraft S mit Hilfe der Einflusslinie für die Einsenkung y (Beispiel)
Q0
η4
a
η4 η3
S
η3
x = ξ⋅ L
η2
η2 3 ⋅π⋅L 4
η1 = 1 Σ V = 0: Q0 = η1 · S + 2 · η2 · S + 2 · η3 · S + 2 · η4 · S
Q1
; S=
Q0 1 + 2 · (η2 + η3 + η4)
[kN]
Mehrachsiges Fahrzeug: Überlagerung der Wirkungen nach dem Prinzip der Einflusslinien.
Q2 II
I
Einsenkungen an der Stelle I:
ηI
1
ηI · ηII
ηII
265
y=
Q1
· 1+
2·b·C·L
Q2 2·b·C·L
· ηII
Einsenkungen an der Stelle II: 1 y=
Q2 2·b·C·L
· 1+
Q1 2·b·C·L
· ηI
Abb. 5.11 Einsenkung bei mehreren Lasten
R=
2·L ·k·y a
Abb. 5.12 Ersatzmodell für das Schwingungssystem Radsatz/Gleis mq mq ≈ 1,5 t q = 1,5 t · g y k=
A ·C 2
q ≈ 15 kN ≈ 0,15 · Q0 [kN]
Stützpunkt-(Feder)-kraft: S = k · y [kN]
266
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Für y = O ist die Reaktionskraft R (Abb. 5.12) bedingungsgemäß R = q, d.h. der Faktor 2 · L/ a bei R erhöht die Stützpunktkraft (Federkraft) S = k · y auf die Kraft R zwischen Rad und Schiene. Wird das dynamische Grundgesetz mit der Reaktionskraft R als Differentialgleichung geschrieben, so werden nacheinander erhalten:
wobei y die Durchbiegung (Einsenkung) unter der statischen Radlast von Q0 = 100 kN ist. Die Gleichung für die Eigenfrequenz des Schwingungssystems Radsatz/Gleis und mithin die Einsenkung y erlangen Bedeutung, wenn sich die Erregerfrequenz einer erzwungenen Schwingung der mit dieser Gleichung berechneten Eigenfrequenz des Systems nähert bzw. sie übertrifft (Resonanzgefährdung). Bei sehr hohen Fahrgeschwindigkeiten können das Frequenzen sein, die mit der Umdrehungszeit des Rades in Verbindung stehen, z.B. Rad mit einer Unrundheit (s. Abschn. 5.1).
Bei Einführung der Durchbiegung O in die Gleichung entsteht die Gleichung der freien Schwingung
5.2.5.2 Sekundärdurchbiegung der Schiene Das Rechenmodell des elastisch gelagerten Längsträgers geht von einer kontinuierlichen Auflagerung der Schiene aus. Entsprechend dem Schwellenabstand liegt jedoch eine punktweise Auflagerung vor. Die zusätzliche statische Durchbiegung der Schiene bei Stellung des Rades in Schwellenfeldmitte, die Sekundärdurchbiegung der Schiene, ist in Abb. 5.13 dargestellt. Zur Berechnung der Sekundärdurchbiegung wird als Modell ein Durchlaufträger mit 3 gleichen Feldern angenommen (Abb. 5.14). Die Sekundärdurchbiegung G unter einer Radlast im mittleren Feld kann dann mit der Arbeitsgleichung der Baustatik berechnet werden:
In die Gleichung der freien Schwingung kann eine Zentrifugalkraft aus Radunrundheiten (s. Abschn. 5.1) eingeführt werden. Sind für eine zu betrachtende Fahrgeschwindigkeit – p die Größe der Zentrifugalkraft und – ω die Winkelgeschwindigkeit der Raddrehung, so geht die Gleichung der freien Schwingung in die für eine erzwungene Schwingung über:
Zugeschnitten auf die Anfangsverschiebung O und die vertikale Anfangsgeschwindigkeit v0 entsteht aus der Gleichung für die freie Schwingung folgender Ausdruck:
Die Eigenfrequenz fe des Schwingers Radsatz/Gleis (freie Schwingung) ist
und mit O = 0,15 · y
Bei Berücksichtigung der parabelförmigen Ausrundung der Momentenlinie durch die flächenförmige Auflagerung der Schiene auf den Schwellen wird erhalten:
Die Sekundärdurchbiegung der Schiene UIC 60 beträgt bei einer statischen Radlast von Q0 = 100 kN und einem Schwellenabstand von 60 cm etwa 0,03 mm (Abb. 5.15). Das sind etwa
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger
267
Q0 Laststellung Schwellenfeldmitte
Einsenkung der Schiene unter Annahme einer kontinuierlichen elastischen Auflagerung
y
Sekundärdurchbiegung der Schiene, verursacht durch die Einzelstützauflagerung
δ
Abb. 5.13 Einsenkung und Sekundärdurchbiegung der Schiene
2,5% der Einsenkung y0 bei einer Bettungszahl von C = 0,10 N/mm3. Die Sekundärdurchbiegung der Schiene führt zu einer periodischen Anregung des Radsatzes. Die danach benannte Schwellenfachfrequenz berechnet sich zu:
v = Fahrgeschwindigkeit [km/h] a = Schwellenabstand [m] Für 250 km/h (70 m/s) liegt sie bei etwa 100 Hz und kann Teilmassen von Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen zu Schwingungen im tiefen Hörbereich (Brummen) anregen. Durch Einbau zusätzlicher elastischer Elemente in die Fahrbahn kann das Schallpegelmaximum unterhalb des Hörbereiches verlagert werden. Die Schwellenfachfrequenz als Erregung wird dabei nicht verändert.
5.2.5.3 Abhebewelle der Schiene Der theoretischen Untersuchung mit dem Rechenmodell des elastisch gelagerten Längsträgers liegt auch im Bereich der Abhebewelle zwischen 3/4S ≤ [ ≤ 7/4S mit dem Maximum bei S (Abb. 5.16) eine wirksame elastische Auflagerung zugrunde. Zur näheren Untersuchung dieses Bereiches wird aus der Biegelinie die Schwinggeschwindigkeit vy hergeleitet: Gleichung Biegelinie:
Transformation der Wegachse [ in die Zeitachse t:
vx = Fahrgeschwindigkeit [m/s]
268
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen Q0
M 0,575 · a · Q0
∆M = 0,072 · b1 · Q0
b1 0,075 · Q0
0,575 · Q0
a a = Schwellenabstand b1 = Stützpunktbreite (bei B 70 W 160 mm)
0,175 · a · Q0
M
Q0
0,5 · Q0
0,5 · Q0
0,25 · a · Q0
Abb. 5.14 Modell für die Berechnung der Sekundärdurchbiegung der Schiene
Schwinggeschwindigkeit vy
Wird idealisiert die in eine Weg-ZeitAbhängigkeit transformierte Biegelinie als der Weg-Zeit-Verlauf einer Sinusschwingung betrachtet, so liegt das Maximum der Schwinggeschwindigkeit beim Nulldurchgang des Schwingweges, d.h. bei [ = 3/4S:
Mit der Schwinggeschwindigkeit maxQy setzt die Schwelle im Falle einer kraftschlüssigen Schienenbefestigung nach dem Abheben auf den Schotter auf. Im Falle einer nicht kraftschlüssigen Befestigung (z.B. starre Schienennägel) setzt mit dieser Geschwindigkeit die Schiene nach dem Abheben auf die Schwelle auf. Die maximale Schwinggeschwindigkeit mit der ein Gleisrost aus Schienen UIC 60 und Betonschwellen B 70 W nach dem Abheben den Schotter beansprucht, ist mit diesen Rechenannahmen sehr stark von der Fahrgeschwindigkeit abhängig (Tabelle 5.6). Die theoretisch ermittelten Schwinggeschwindigkeiten der Tabelle 5.6 entsprechen
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger
269
80
75
Schwellenabstand a [cm]
70 b1 = 25 cm b1 = 20 cm b1 = 15 cm
65
60
55
50
45 0
0,01
0,02
0,03
0,04
0,05
0,06
0,07
0,08
0,09
0,1
Sekundärdurchbiegung δ [mm]
Abb. 5.15 Sekundärdurchbiegung G der Schiene UIC 60 für eine statische Radlast Q0 = 100 kN bei verschiedenen Schwellenabständen a und Stützpunktbreiten b1 Abb. 5.16 Biegelinie der Schiene nach dem Rechenmodell des elastisch gelagerten Längsträgers mit den Geschwindigkeitsvektoren vx (Fahrgeschwindigkeit) und vy (Schwinggeschwindigkeit)
Q0
0,043 · yo
3π 4
0
y0
π
7 4 ·π
ξ=
x L
vx 4
vy
L=
4 ·E·I b·C
y
Tabelle 5.6 Theoretische Schwinggeschwindigkeiten direkt unter der Schwelle B 70 W-60
Qo = 100 kN; L = 860 mm; y0 = 1,2 mm
vx [km/h] max vy [mm/s]
100 5,2
200 10,4
300 15,6
den bei günstigen Untergrundverhältnissen gemessenen Werten. Bei Störstellen wie Übergang Damm/Brücke, Weichen, Schienenauszügen u.ä. kann von einer Erhöhung der theoretischen Werte um den Faktor 2 ausgegangen werden. Bei einem Achsabstand von [ = 2S bzw. x = 2S · L (etwa 5,5 m) überlagern sich die
270
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Q0
2 ·π
Abb. 5.17 Biegelinie der Schiene nach dem Rechenmodell des elastisch gelagerten Längsträgers bei Überlagerung der Abhebungen
Q0
0.51 · π 0,086 · yo
y0
ξ=
0 4
L=
x L
4 ·E·I b·C
y
Abhebungen aus Vor- und Nachlaufwelle (Abb. 5.17). Bei Einsenkungsmessungen unter fahrenden Zügen sind diese Abhebungen deutlich ausgeprägt und, weil Schotter und Untergrund keine Zugkräfte übertragen können, größer als die theoretisch ermittelten. Bei der Berechnung der Lagestabilität des lückenlosen Gleises sind sie als dynamische Einwirkungen zu berücksichtigen. Derzeitig ist das nur mit Abminderungsfaktoren und Sicherheitszuschlägen möglich, die durch die Erfahrung bestätigt sind. Die Sicherheitszuschläge sind dabei mit steigender Fahrgeschwindigkeit größer zu wählen (s. Abschn. 5.7).
5.2.6 Elastisch gelagerter Längsträger unter vertikaler exzentrischer und horizontaler Belastung 5.2.6.1 Rechenmodell Unter exzentrisch vertikaler und horizontaler Belastung wird der elastisch gelagerte Längsträger neben der vertikalen Biegung noch durch horizontale Biegung (Durchbiegung z) und Torsion (Verdrehwinkel M) beansprucht. Zur Berechnung der horizontalen Biegung wird die Schubzahl cH und zur Berechnung der Torsion werden die Torsionszahlen cT und der Schubmittelpunkt der Schiene als Drehpunkt eingeführt. Die Torsionszahl cT und die Schubzahl cH sind Federzahlen für die Torsions- bzw. die
horizontal quer gerichtete Schubsteifigkeit eines Schienenstützpunktes. Um einer kontinuierlichen Bettung zu entsprechen, werden sie durch Division mit dem Schwellen- bzw. Stützpunktabstand a auf die Gleislänge bezogen. Es gelten folgende Beziehungen:
M = Reaktionsmoment an einem Stützpunkt auf das Moment MT infolge exzentrischer vertikaler und horizontaler Belastung m = auf die Länge bezogenes Reaktionsmoment M cT = Torsionszahl (Proportionalitätsfaktor) k1 = auf die Länge bezogene Torsionszahl φ = Verdrehwinkel der Schiene
H = horizontale Reaktionskraft an einem Stützpunkt aus der horizontalen Belastung q = auf die Länge bezogene Reaktionskraft H cH = Schubzahl (Proportionalitätsfaktor) k2 = auf die Länge bezogene Schubzahl z1 = horizontale Verschiebung des Schienenfußes quer zur Gleisachse Torsionszahl cT und Schubzahl cH werden aus am Gleisrost gemessenen Einflusslinien für
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger Tabelle 5.7 Torsionszahlen für elastische und starre Zwischenlagen bzw. Zwischenplatten beim Oberbau mit Spannklemmen Oberbau mit Spannklemmen cT [kNm/rad] k1 [kN/rad]2)
Zwischenlage bzw. Zwischenplatte elastisch starr1) 120 200
271
ein Moment der freien Torsion M1 und ein Moment der Wölbkrafttorsion M2 übertragen:
Aus der Gleichgewichtsbedingung
450 750
1) c stat ≥ 130 kN/mm 2) a = 0,60 m Stützpunktabstand
den Verdrehwinkel M und für die horizontale Schienenfußverschiebung z1 ermittelt. Für die Schubzahl cH erfolgt das aus Messungen der horizontalen Verschiebung Schiene/Schwelle und aus denen der horizontalen Verschiebung des Gleisrostes im Schotter, jeweils quer zur Gleisachse. Die daraus erhaltenen Werte sind in den Tabellen 5.7 und 5.8 zusammengestellt. Sie gehen auf Messungen zurück, die das European Rail Research Institute (ERRI) 1990 veranlasst hat. Die Torsionszahlen charakterisieren eine Schienenbefestigung: Sie sind hauptsächlich von der Steifigkeit der Spannmittel und von der Steifigkeit der Zwischenlagen bzw. Zwischenplatten abhängig Mit Hilfe der Torsion- und Schubzahlen wird das Rechenmodell für den elastisch gelagerten Längsträger unter vertikaler exzentrischer und horizontaler Belastung aufgebaut. Weitere Grundlagen dafür sind in Abb. 5.18 dargestellt. Bedingt durch den aufgelösten Querschnitt der Schiene wird das Torsionsmoment M am Schienenelement der Länge dx durch
entsteht mit den Proportionalitäten zwischen m und M sowie zwischen q und z1
und damit nach Differenzieren der Gleichung für das Torsionsmoment M: (1)
IT = Torsionsträgheitsmoment der Schiene I1 = waagerechtes Trägheitsmoment des Schienenkopfes h1 = Abstand des Schubmittelpunktes vom Schwerpunkt des Schienenkopfes (Abb. 5.19) h = Abstand zwischen den Schwerpunkten von Schienenkopf und Schienenfuß (Abb. 5.19) Für die horizontale Biegung der Schiene gilt
Tabelle 5.8 Schubzahlen für die Verschiebung des Gleisrostes im Schotter und für die Verschiebung Schiene gegen Schwelle, jeweils quer zur Gleisachse Gleisrost mit vertikaler und horizontaler Belastung
Gleisrost im Schotter
Schiene gegen Schwelle
cH [kN/mm] k2 [kN/mm2]1)
30 0,05
90 0,15
1)
a = 600 mm Stützpunktabstand
272
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Belastung Q
Q
e
Schubmittelpunkt Y hd
=
+
MT = Y · hd – Q · e
Y
vertikale exzentrische und horizontale Belastung
Verdrehung (wird um Schubmittelpunkt angenommen)
vertikale und horizontale Biegung
Idealisierung: Elastisch gebettete, unendlich lange Schiene – Gleichgewicht der Torsionsmomente M am Schienenelement der Länge dx dM = q · ha–m dx M
m · dx
q · dx · ha
M + dM
ha
M
qx
m
q
q = Linienkraft m = Linienmoment
Zusammenhang zwischen Verschiebung und Verdrehung der Schiene ϕ
y
hd · ϕ
z
hd
z1 = z – h a · ϕ Schienenkopfauslenkung: ha
zK = z + hd · ϕ z1
Horizontale Schienenfußverschiebung: zF = z 1
Abb. 5.18 Grundlagen für das Rechenmodell des elastisch gelagerten Längsträgers unter vertikaler exzentrischer und horizontaler Belastung
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger
273
Abb. 5.19 Abstände h1 und h sowie Schienenhöhe hH
h
h1
Schubmittelpunkt
hH
Schwerpunkt Schienenkopf
Schwerpunkt Schienenfuß
Tabelle 5.9 Werkstoff- und Querschnittskennwerte von Schienenprofilen G IT Schiene E [N/ mm2] [N/mm2] [mm4] S 49 2,1 · 105 8 · 104 S 54 2,1 · 105 8 · 104 UIC 60 2,1 · 105 8 · 104
Iy [mm4]
I1 [mm4]
I2 [mm4]
hH ha hd h h1 [mm] [mm] [mm] [mm] [mm]
162 · 104 320 · 104 109 · 104 208 · 104 149 196 · 104 359 · 104 120 · 104 232 · 104 154 172 · 104 513 · 104 122 · 104 386 · 104 172
und unter Beachtung der Proportionalität zwischen q und z1 (2) Iy = waagerechtes Trägheitsmoment der Schiene Zur Vervollständigung der Querschnittswerte wird noch eingeführt: hH = Schienenhöhe Die für Zahlenberechnungen benötigten Werkstoff- und Querschnittskennwerte der Schienenprofile sind in Tabelle 5.9 zusammengestellt (Torsions- und Schubzahlen siehe Tabellen 5.7 und 5.8). 5.2.6.2 Verdrehungen und Verschiebungen Aus den Differentialgleichungen 4. Ordnung (1) und (2) als Gleichungssystem mit 2 Unbekannten werden die Verformungseinflusslinien für die Verdrehung M und die Verschiebung z erhalten. Für x = 0 liefern sie den Verdrehwinkel M und die horizontale Verschiebung z des Schubmittelpunktes am Lastort. Mit deren Hilfe können die Schienenkopfauslenkung zK
50 52 45
84 88 115
115 117 138
75 76 105
sowie die horizontale Schienenfußverschiebung zF berechnet werden. Bei Verwendung der Schubzahlen, die für die Verschiebung Schiene gegen Schwelle gelten (Tabelle 5.8), werden aus der Rechnung die Verformungen yK und yF gegenüber der Schwelle erhalten. Zur Ermittlung der Einsenkungen bzw. Abhebungen der Schienenfußränder gegen die Schwelle und damit der Schwingwege der Spannmittel sind noch die Stützpunktkraft S am Lastort, die niederfrequente dynamische Steifigkeit der Zwischenlagen bzw. Zwischenplatten sowie die Federzahl und Vorspannkraft der Spannmittel in das System einzuführen. 5.2.6.3 Normalspannungen aus Wölbkrafttorsion Aus der dritten Ableitung des Verdrehwinkels M werden die Gleichungen für die Querkraft bei der horizontalen Schienenkopf- und Schienenfußbiegung aus Wölbkrafttorsion erhalten: (Schienenkopf) (Schienenfuß)
274
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Nach einmaliger Integration entstehen daraus die Gleichungen für das Schienenkopfund Schienenfußbiegemoment: (Schienenkopf) (Schienenfuß) Mit deren Hilfe können die Normalspannungen aus Wölbkrafttorsion an den Schienenkopfrändern (Trägheitsmoment I1; halbe Schienenkopfbreite) und an den Schienenfußrändern (Trägheitsmoment I2; halbe Schienenfußbreite) berechnet werden. 5.2.6.4 Normalspannungen aus horizontaler Biegung Aus der zweiten Ableitung der horizontalen Durchbiegung z des Schubmittelpunktes wird die Gleichung für das Moment bei der horizontalen Biegung erhalten:
Schienenkopfrändern (Trägheitsmoment Iy; halbe Schienenkopfbreite) und an den Schienenfußrändern (Trägheitsmoment Iy; halbe Schienenfußbreite). 5.2.6.5 Näherungsweise Berechnung der Biegespannungen an den Rändern von Schienenkopf und Schienenfuß aus vertikaler und horizontaler Belastung Biegezusatzspannung am unteren Rand des Schienenkopfes Bei einer zentrischen vertikalen Belastung der Schiene wird der Steg im Lasteinleitungsbereich zusätzlich auf Druck beansprucht. Die damit verbundene Stauchung des Steges führt zu einer zusätzlichen Biegeverformung des Schienenkopfes. Nach der Scheibentheorie erhält man angenähert für den Spannungsverlauf Vz bei x = 0 (Abb. 5.20):
Mit deren Hilfe errechnen sich die Normalspannungen aus horizontaler Biegung an den
Q0
Q0
b
∆σ1K ≡ Zusatzspannung Druck
x ⎫ mittlere ⎬ ⎭ Kopfhöhe
a1 d
⎫ ⎬ ⎭
a2
σ2-Verlauf
a2–a1
Zug ∆σ1K
mittlere Steghöhe
Zug
z Q0
Schienenkopf
E · lK
Schienensteg
d·C
Abb. 5.20 Idealisierte Grundlagen für die Berechnung der Zusatzspannungen 'V1K
5.2 Die Schiene als elastisch gelagerter Längsträger
Aus dem Spannungsverlauf Vz wird die Einsenkung des Schienensteges berechnet:
275
Eingesetzt erhält man:
Aufgelöst erhält man: Dabei entspricht 5 · L angenähert der Länge der Störung. Damit lässt sich die Bettungszahl des Steges ermitteln:
wobei Vz der Spannung in der Tiefe a1 entspricht. Eingesetzt erhält man:
Näherungsweise Berechnung der Biegespannungen an der Schienenkopf- und Schienenfußunterseite sowie am Rand von Schienenkopf und Schienenfuß mit Hilfe der O-Beiwerte (Abb. 5.21 und Tabelle 5.10)
Mit C kann angenähert an Hand der Theorie von Zimmermann (elastisch gelagerter Längsträger) die Zusatzspannung 'V1 berechnet werden. Es ist hierzu eine Berechnung der Größe L erforderlich:
Damit:
Kräfte in kN; Momente in kNmm; Spannungen in N/mm2
Daraus: Die O-Beiwerte sind für einige Schienenprofile in Tabelle 5.10 zusammengestellt. Ihre Ermittlung für die Zusatzspannungen 'V erfolgte aus Näherungsberechnungen.
Tabelle 5.10 O-Beiwerte zur näherungsweisen Berechnung der Biegespannungen Schiene
S 49 S 54 UIC 60
Schienenkopfunterseite und Schienenkopfrand
O0k
O1k
O2k
O3k
Schienenfußunterseite und Schienenfußrand O0F O2F O3F
0,0020 0,0017 0,0018
0,54 0,49 0,50
0,016 0,014 0,017
1,60 1,40 1,10
0,0040 0,0036 0,0027
0,0152 0,0131 0,0126
2,98 2,61 2,29
276
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen e Q0
MT = Y · hd – Q0 · e
Q0
hd
Y
Belastung
MT
Y M
M=
Q0 · L 4
∆σ2K
M
σ0K
∆σ3K
Schubmittelpunkt
∆σ1K – σ0K
ζK
∆σ1K
ζF
Spannungsverlauf
∆σ3F
∆σ2F
σ0F
137 N/mm2
21 N/mm2
137 N/mm2
58 N/mm2
58 N/mm2
Abb. 5.21 Verlauf und Bezeichnung der Biegespannungen
137 – 21 = 58 N/mm2 2
Abb. 5.22 Superposition der Schienenspannungen aus vertikaler Biegung, Wölbkrafttorsion und horizontaler Biegung am Schienenfuß Beispiel: Schienenfußunterseite und Schienenfußränder UIC 60 für – M = 21,5 · 103 kNmm (Q0 = 100 kN; L = 860 mm); – Y = 60 kN; e = 23 mm (Abb. 5.5); hd = 115 mm (Tabelle 5.9); – MT = 60 · 115 − 100·23 = 4,6·103 kNmm V0F = 0,0027 · 21,5 · 103 = +58 N/mm2
'V2F = 0,0126 · 4,6 · 103 = r58 N/mm2 'V3F = 2,29 · 60 = 137 N/mm2
Die Superposition der Einzelspannungen ist in Abb. 5.22 dargestellt.
5.3 Rad-Schiene-Kontaktspannungen Ergebnis: Die Zusatzspannungen 'V beeinflussen die Spannung in Mitte Schienenfußunterseite nicht. Sie finden deshalb beim Dauerfestigkeitsnachweis der Schiene keine Berücksichtigung. Sehr große Kräfte Y können zur Plastizierung der Randfasern des Schienenfußes führen und einen Nachweis der Zusatzspannungen 'V rechtfertigen.
277
– gleichmäßige Verteilung der Normalspannungen (Pressungen) über den rechteckigen Berührungsflächen (Abb. 5.24). Mit den getroffenen Annahmen werden nacheinander berechnet: – Die Länge 2a nach der Gleichung von Hertz für Walzenberührung:
5.3 Rad-Schiene-Kontaktspannungen 5.3.1 Örtliche Pressungen aus dem Rollkontakt zwischen Rad und Schiene Die Beurteilung der örtlichen Pressungen aus dem Rollkontakt zwischen Rad und Schiene erfordert die Abschätzung der Größe der Druckfläche und die Kenntnis der Verteilung der Normalspannungen über dieser Druckfläche. Für den Aufbau eines einfachen Berechnungsverfahrens werden dazu folgende Annahmen getroffen: – Rechteckige Berührungsflächen mit der Breite 2b (Fahrspiegelbreite), auf der Fahrfläche und auch an der Fahrkante (Abb. 5.23);
Kontaktfläche Rad/Schiene bei Einpunktberührung ohne Anlauf
Q0 = 100 · 103 N r = 460 mm (Halbmesser eines neuen Rades) 2a = 13,0 mm 2b = 12 mm E = 2,1 · 105 N/mm2 – Die gleichmäßige Pressung p:
2b = 12 mm
2a 12 m
Q0 [N] r [mm]
Abb. 5.23 Rechteckige Berührungsflächen auf der Fahrfläche und an der Fahrkante bei Annahme einer Walzenberührung zwischen Rad und Schiene
2a
2b =
Q0 [kN] r [mm]
m
Kontaktfläche Rad/Schiene bei Einpunktberührung mit Anlauf
278
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
2b
Ellipse
p = const. (gleichmäßig)
2b = 12 mm
p elliptisch
Rechteck
2a
2a Vorhandene Kontaktfläche und Spannungsverteilung
Angenommene Kontaktfläche und Spannungsverteilung
Abb. 5.24 Kontaktflächen und Spannungsverteilungen
5.3.2 Schubbeanspruchung im Inneren des Schienenkopfes Unter den Kontaktflächen Rad/Schiene besteht im Inneren des Schienenkopfes ein 3achsiger Spannungszustand. Eine weitere Vereinfachung wird mit der Behandlung eines 2achsigen Spannungszustandes vorgenommen. Nach der Halbraumtheorie von Boussinesq erhält man unter einer senkrechten Belastung p die Spannungen Vx und Vy, aus denen bei einem unter 45° wirkenden Spannungszustand die Schubspannungen Wmax errechnet werden (Abb. 5.25). Im Einzelnen werden erhalten (Ortsbestimmung von Vx und Vy siehe Abb. 5.26):
Für Wmax = 1/2 · (Vy – Vx) entsteht mit Hilfe der Additionstheoreme für die Winkelfunktionen:
Die Spannungsverläufe für Vx, Vy und Wmax sind für die Lastachse (Punkt 0) und am Rand der Pressung p in Abb. 5.27 dargestellt. Für die Spannungsverteilung in der Lastachse werden die Verhältnisse noch einmal gesondert angegeben (Abb. 5.28). In visualisierter Form ist die Spannungsverteilung an der Berührungsfläche im Bereich der Fahrkante sowohl im Inneren des Schienenkopfes als auch im Inneren des Radrei-
Abb. 5.25 Normal- und Schubspannungen am Würfel unter 45°
5.3 Rad-Schiene-Kontaktspannungen 2a
ermittelt bzw. Abb. 5.27 entnommen werden. Der Einfluss der Druckspannung VD aus der Biegung der Schiene auf die Schubspannungen im Schienenkopf wird am Mohrschen Spannungskreis ermittelt (Abb. 5.30).
p
x α1
α2
279
Beispiel: Q0 = 100 kN; r = 460 mm; VD = 56 N/mm2 (Biegedruckspannung bei der Tiefe a). σx
Für diese Werte werden nacheinander berechnet: – Pressung p unter Berücksichtigung eines Zuschlages von 20% zu Q0 für die Radlastverlagerung bei Bogenfahrt [5.18]:
σy
y
Abb. 5.26 Ortsbestimmung von Vx und Vy im isotropen Halbraum
– Größtwert von Wmax ohne Biegedruckspannung VD:
fens bzw. Radkranzes in Abb. 5.29 wiedergegeben [5.17]. Der Größtwert von Wmax kann in der Lastachse (Punkt 0) bei der Tiefe a für D1 = 45° und D2 = 180 – 45 = 135° aus der Gleichung
– Anteil von VD = 56 N/mm2 an p: – Größtwert von Wmax mit Biegedruckspannung VD am Mohrschen Spannungskreis (Abb. 5.29):
zu
2a a
0
p=
Q0 2a · 2b
unter Punkt 0 (Lastachse) unter Punkt a
x
a y
Spannung σx 1,0 p 0,8 0,6 0,4 0,2
Spannung σy 1,0 p 0,8 0,6 0,4 0,2 0
0 0
0
0
a
a
a
2a
2a
2a
3a
3a
3a
4a σx-Verlauf
Schubspannung τmax 0,4 p 0,3 0,2 0,1 0
5a 6a
4a σy-Verlauf
5a
4a τmax-Verlauf
6a
Abb. 5.27 Spannungsverteilung im isotropen Halbraum (rechteckige Berührungsfläche, gleichmäßige Pressung)
5a 6a
280
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen a
1,0 p
Normalspannungen und Schubspannungen 0,8 p 0,6 p 0,4 p 0,2 p
a
2a
p
0
x
0 σx
Größtwert τmax
a
σx
α2 = π – α1
σy
σy τmax
2a σx
3a 1 1 (σ – σ ) = (0,8 p – 0,2 p) = 0,3 p 2 y x 2
45° α1
σy 4a
5a
6a
Abb. 5.28 Normal- und Schubspannungen in der Lastachse (Punkt 0) des isotropen Halbraumes (rechteckige Berührungsfläche, gleichmäßige Pressung)
Abb. 5.29 Visualisierung der Spannungsverteilung in Rad und Schiene
5.3 Rad-Schiene-Kontaktspannungen
σD
σy = 0,8 p
σx = 0,2 p
Schubspannungen τ 45°
Ric
ht
0,2
Abb. 5.30 Mohrscher Spannungskreis für die Normal- und Schubspannungen in der Lastachse (Punkt 0)
un
gv
on
τm
ax
p
τmax
0,4 τmax τmax 0,6
0,8 σ 1,0
281
Größtwert
Größtwert Größtwert
σD = Druckspannung im Schienenkopf aus Biegung der Schiene
Die Biegedruckspannung von VD = 56 N/mm2 verringert den Größtwert von Wmax um 13%.
Die Größe von W12 wird unter Beachtung der maximalen Biegedruckspannung ermittelt, die sich für 1,2 · Q0 (Q0 = 100 kN) mit Störspannung aus elastischer Stegzusammendrückung zu VD = 141 N/mm2 einstellt. Damit werden:
5.3.3 Zulässige Schubspannungen Für die Herleitung der zulässigen Schubspannungen nach einer Festigkeitshypothese wird von einem 3achsigen Spannungszustand mit den Druckspannungen Vx, Vy und Vz im Schienenkopf ausgegangen. Dabei wird für Vz ein gleicher Verlauf wie für Vx unterstellt: Vz = Vx. Unter dieser Voraussetzung wird mit der Festigkeitshypothese der konstanten Gestaltänderungsarbeit eine Vergleichsspannung Vv berechnet:
Für den Schubspannungsnachweis sind die größten Schubspannungen maßgebend. Das sind die Schubspannungen in Schienenquerrichtung (kein Biegedruck):
Ein Vergleich mit Vv = 0,52 · p liefert:
und Die größte Vergleichsspannung ist in der Lastachse (untere Punkt 0) bei der Tiefe a zu erwarten. Dabei ist zu beachten: – W12 wirkt in Schienenlängsrichtung und ist durch die Biegedruckspannung VD kleiner als W23 in Schienenquerrichtung; – W31 = 0 wegen Vz = Vx.
Weiterhin gilt für die Dauerfestigkeit: σB = Zugfestigkeit [N/mm2] Nach [5.18] ist für die Zugfestigkeit VB die Nennfestigkeit des Schienenstahles z.B. 700 N/
282
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Tabelle 5.11 Zulässige Schubspannungen von 3 Schienenstählen (Schienengüten) Nennfestigkeit Schienenstahl VB [N/mm2]
700
900
12001)
statische Festigkeit Wzul [N/mm2] Dauerfestigkeit Wzul [N/mm2]
368 184
473 237
631 316
1)
meist durch Kopfhärtung (HSH) in der Güte 350 HT, d.h. einer Härte von 350 HBW
mm2 oder 900 N/mm2 und ein Sicherheitsbeiwert v = 1,1 anzuwenden. Mit dem Sicherheitsbeiwert werden Materialfehler und die Streuung der Stahlqualität erfasst. Damit gilt für die statische Festigkeit
z.B. und für die Dauerfestigkeit 50% der so errechneten statischen Festigkeit (Tabelle 5.11). Wird die zulässige Schubspannung bei der Tiefe a | 6 mm unter dem Schienenkopf ständig überschritten, dann kommt es zu Schienenfehlern: An der Fahrkante z.B. zu Head Cheks und auf der Fahrfläche z.B. zu Squats. Durch Bearbeiten der Schienen (Schleifen, Hobeln, Fräsen) ist dann Material abzutragen und das Maximum der Schubbeanspruchung in ungeschädigte, tiefere Zonen des Schienenkopfes zu verlagern.
5.3.4 Weiterführende Untersuchungen Genauere Modelle [5.8 und 5.10] zur Untersuchung der Rollkontakt-Ermüdungsschäden berücksichtigen die plastischen Verformungen der Schienenoberfläche sowie die Tangentialkräfte an den Kontaktflächen zwischen Rad und Schiene aus dem Gleiten der Räder und dem Schlupf. Die plastischen Verformungen der Schienenoberfläche, erhöht durch das Wirken von Tangentialkräften, führen zunächst zu einem elastischen Materialverhalten mit höherem Festigkeitsniveau (Kaltverfestigung), bis durch die Radüberfahrten Mikrorisse an der verfe-
stigten Oberfläche entstehen. Der Rissfortschritt kann dann durch Ansätze der Bruchmechanik beschrieben werden, wobei neben den Werkstoffkennwerten auch der Einfluss aus den Medien an der Schienenoberfläche (Wasser, Fett) zu berücksichtigen ist. Weil eine quantitativ vollständige Lösung dieses Problems bisher noch nicht vorliegt, kann die Beurteilung der Beanspruchung mit zulässigen Schubspannungen [5.18] noch nicht durch eine mit zulässigen Risstiefen ersetzt werden. Durch die Wirkung der Tangentialkräfte und des Schlupfes wandert der Ort des Schubspannungsmaximums aus etwa 6 mm Tiefe in oberflächennähere Bereiche und vergrößert, ohne die Oberfläche zu erreichen, die dort vorhandenen Schubspannungen aus den Tangentialkräften. Die genauere Untersuchung dieses Vorganges erlaubt es, Ermüdungsschäden typischen Belastungsfällen zuzuordnen.
5.4 Schienenspannungen und Längenänderungen der Schienen aus Temperatureinwirkungen 5.4.1 Längsverschiebe- und Durchschubwiderstand Im lückenlosen Gleis muss mit einem ungleichmäßigen Verlauf der Horizontalkräfte in Schienenlängsrichtung gerechnet werden. Zu berücksichtigen sind dabei als die wesentlichen Lastfälle, die den gleichmäßigen Längskraftverlauf stören: Temperatureinwirkungen, Brems- und Anfahrkräfte, bei Brücken auch die Durchbiegung.
5.4 Schienenspannungen und Längenänderungen der Schienen aus Temperatureinwirkungen
283
lx Aufbau von zus F über p
zus F = Fp
p·x
in N/mm Gleis
F
in N/Schwelle
x
p
Abb. 5.31 Auf- und Abbau einer Längskraftspitze zusF über den Längsverschiebewiderstand p
Ein ungleichmäßiger Längskraftverlauf in den Schienen verursacht Längsverschiebungen zwischen Schwelle und Schotter bzw. zwischen Schiene und Schwelle. Den Längsverschiebungen entgegen wirken der Längsverschiebewiderstand der Schwellen im Schotter und der Durchschubwiderstand der Schiene in der Schienenbefestigung. Beim Schnotteroberbau ist im Falle des unbelasteten Gleises der Längsverschiebewiderstand kleiner als der Durchschubwiderstand und für die Längsverschiebungen maßgebend. Über den Längsverschiebewiderstand (Schotteroberbau) bzw. den Durchschubwiderstand (Feste Fahrbahn, gefrorene Bettung) werden im lückenlosen Gleis Längskraftunterschiede auf- bzw. abgebaut. In Abb. 5.31 sind für den Längsverschiebewiderstand p die Verhältnisse vom Grundsatz her dargestellt. Die Größe der gleichmäßigen (ungestörten) Schienenlängskraft F wird mit der Annahme berechnet, nach der im lückenlosen Gleis die temperaturbedingten Längenänderungen der Schienen vollständig verhindert sind und in Spannungen bzw. Kräfte umgesetzt werden:
Verhinderte Längenänderung 'l bei Änderung der Schienentemperatur: (1) Stauchung/Dehnung 'l aus Axialspannungen: (2) Axialspannung V bei Änderung der Schienentemperatur aus Gl. (1) und (2):
D = Temperaturdehnzahl von Stahl = 1,15 · 10-5 K-1 E = Elastizitätsmodul des Schienenstahls = 2,1 · 105 N/mm2 't = Änderung der Schienentemperatur [K] Gleichmäßige (ungestörte) Schienenlängskraft F:
A = Querschnittsfläche der Schiene
284
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
S 49:
6,30 · 103 mm2;
S 54:
6,95 · 103 mm2;
gestellt. Für Berechnungen hat es sich durchgesetzt, den Gleisrost in der Gleisachse zu teilen und den Längsverschiebewiderstand auf eine halbe Schwelle (Durchschubwiderstand auf eine Schienenbefestigung) bzw. auf eine Schiene zu beziehen. Längs- und Durchschubwiderstand sind von der Längsverschiebung abhängig. Bis zu Verschiebungen von etwa ≤ 2 mm nehmen sie zu, bei größeren Verschiebungen sind sie annähernd konstant. Der genaue Verlauf kann experimentell ermittelt werden. Für den Durchschubwiderstand ist dafür die DIN EN 131461 maßgebend. Der Längsverschiebewiderstand kann auch mit Hilfe der horizontalen Bettungssteifigkeit berechnet werden [5.11]. Bei Brücken sind für das unbelastete Gleis die Verschiebewiderstandsgesetze nach DIN-Fachbericht 101 maßgebend (Abb. 5.32). Diese bilinearen Verläufe können für die meisten Berechnungen durch die konstanten Widerstände, wie sie für größere Verschiebungen charakteristisch sind, angenähert werden (Tabelle 5.12).
UIC 60: 7,69 · 103 mm2 Nach Zusammenfassen der Konstanten entstehen daraus für die Größe der Axialspannung V und für die Größe der gleichmäßigen (ungestörten) Schienenlängskraft F die Gleichungen:
(S 49) (S 54) (UIC 60) Für die Höhe der Längskraftspitze zusF gilt (Abb. 5.31):
p = Längsverschiebewiderstand [N/mm] lx = Verschiebungslänge, zugeordnet zusF [mm] In Abb. 5.31 ist der Längsverschiebewiderstand als eine auf den Gleisrost bezogene Größe dar-
Durchschubwiderstand r 9 kN/Schienenbefestigung
p [N/mm Schiene]
r [N/mm Schiene]
15 Längsverschiebewiderstand p bei stabilisierter Bettung
6 kN/halbe Schwelle
10
konstant linear
0,5
1
2
3
4
5 6 u [mm] Relativverschiebung der Schiene
Abb. 5.32 Verschiebewiderstandsgesetze bei Brücken für eine Schiene in Längsrichtung (Schiene UIC 60, Betonschwellen B 70 W), Gleis unbelastet
5.4 Schienenspannungen und Längenänderungen der Schienen aus Temperatureinwirkungen
285
Tabelle 5.12 Konstante Längsverschiebe- und Durchschubwiderstände für das unbelastete Gleis, bezogen auf eine Schiene Situation
p [N/mm]
r [N/mm]
Quelle
allgemein bei Brücken Hochgeschwindigkeitsverkehr
7 10 10
11,5 15 15
DIN EN 13481-2 für r DIN-Fachbericht 101 DIN EN 13481-2 für r
5.4.2 Verschiebung der reibungsgelagerten Schiene durch Temperaturänderungen im lückenlosen Gleis
bzw.
Mit Hilfe der Abb. 5.33 werden nacheinander hergeleitet:
Der konstante Längsverschiebewiderstand hat einen linearen Aufbau der Normalkraft Fp und eine Längenänderung nach einer quadratischen (parabelförmigen) Abhängigkeit zur Folge. Für diese Abhängigkeit kann allgemein geschrieben werden (Abb. 5.33):
Daraus:
und
5.4.3 Temperatursprung Axialkraft infolge verhinderter Dehnung (Stauchung):
Längenänderung bei freier Dehnung:
Verhinderte Längenänderung (Stauchung) durch die Axialkraft F:
Resultierende Längenänderung (Verschiebung):
Die Schienentemperatur kann sich abschnittsweise ändern, z.B. am Übergang vom Tunnelvoreinschnitt in den Tunnel oder am Beginn und Ende einer Wirbelstrombremsstrecke. Die dabei zu erwartenden Längsverschiebungen des Gleisrostes werden zunächst für die Annahme einer punktuellen Änderung der Schienentemperatur (Temperatursprung) untersucht. Aus den Angaben zur Belastung und zum Längsverschiebewiderstand wird zuerst der Normalkraftverlauf ermittelt (Abb. 5.34). Daraus werden die Störlängen lx und die Längenänderung am Ort x = 0 berechnet:
286
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen Temperaturanstieg + ∆t
p
p = const.
·x
F
Fp
Fp, F
Fp – p
∆lx
lx/2 lx
∆l =
∆lx
∆l
x
p · x2 2·E·A
Abb. 5.33 Zusammenhang zwischen Längskraftänderung und Verschiebung im lückenlosen Gleis bei p = const.
Im Ergebnis ist am Ort des Temperatursprunges mit einer Längsverschiebung des Gleisrostes von 6,1 mm hin zum kühleren Gleisabschnitt zu rechnen. Aus dem Längsverschiebungsverlauf ist der quadratische Auf- und Abbau dieser Längsverschiebung zu erkennen.
ben zur Belastung (Temperaturänderung von 't = 40 K über 60 m Eintragungslänge) und zum Längsverschiebewiderstand zunächst der Normalkraftverlauf ermittelt (Abb. 5.35). Die den Störlängen l’x zugeordnete Normalkraft beträgt:
5.4.4 Stetige Temperaturänderung
und damit
Die Veränderung der Schienentemperatur über eine größere Länge durch einen stetigen Anstieg bzw. Rückgang entspricht besser der Wirklichkeit. Auch dafür wird aus den Anga-
Die Längenänderung am Ort x = 0 muss in zwei Schritten berechnet werden:
5.4 Schienenspannungen und Längenänderungen der Schienen aus Temperatureinwirkungen
UIC 60 E = 2,1 · 105 N/mm2 A = 7,69 · 103 mm2
∆t = 40 K
Belastung
287
∆lx = 0 Längsverschiebewiderstand
p = 7 N/mm Schiene = const.
7 N/mm = 7 kN/m
18,6 · 20 18,6 · 20
Normalkraftverlauf
F = 18,6 · ∆t [kN]
lx
lx
6,1 Längsverschiebungsverlauf
p (53 · 103 – x)2 2·E·A
∆l [mm]
∆l =
53
[m] x
x [m]
53
Abb. 5.34 Herleitung der Längsverschiebungen des Gleisrostes für einen Temperatursprung von 40 K bei einem konstanten Längsverschiebewiderstand von 7 N/mm Schiene
Für 30 m ≤ x ≤ 53 m:
Gleichung für den Längenänderungsverlauf:
Gleichung für den Längenänderungsverlauf:
Bei stetiger Temperaturänderung wird die Längsverschiebung des Gleisrostes hin zum kühleren Gleisabschnitt gegenüber einer punktuellen Temperaturänderung deutlich verringert, im vorliegenden Fall von 6,1 mm (Abb. 5.34) auf 3,1 mm (Abb. 5.35).
Für 0 ≤ x ≤ 30 m:
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen ∆t = 40 K
288
Belastung
∆lx = 30 Längsverschiebewiderstand
UIC 60 E = 2,1 · 105 N/mm2 A = 7,69 · 103 mm2
60 m ∆lx = 0
∆lx = 30 7 N/mm = 7 kN/m
p = 7 N/mm Schiene = const.
18,6 · 20 – 7 · 30 18,6 · 20 7 · 30
Normalkraftverlauf
lx'
30 m
30 m
F · 18,6 · ∆t [kN]
l x'
3,1 für 0 ≤ x ≤ 30 m
Längsverschiebungsverlauf 1,15 ∆l [mm]
für 30 m ≤ x ≤ 53 m
53
[m] x 30
x[m] 30
53
Abb. 5.35 Herleitung der Längsverschiebungen des Gleisrostes für eine stetige Temperaturänderung von 40 K bei einem konstanten Längsverschiebwiderstand von 7 N/mm Schiene
5.4.5 Einkoppeln von Längskräften bzw. Schienenspannungen in die Schienen des lückenlosen Gleises bei einteiligen Tragwerken und bei Trägerketten Das lückenlose Gleis wird in der Regel auch über Brücken geführt. Dabei verschiebt sich der Brückenüberbau infolge gleichmäßiger Temperaturänderung unter dem lückenlosen Gleis. Das geschieht nicht zwängungsfrei. Über den Längsverschiebewiderstand (bei Fester Fahrbahn Durchschubwiderstand) werden Normakräfte in die Schienen eingekoppelt, die den gleichmäßigen Längskraftverlauf im lückenlosen Gleis stören. Zu den zusätzlichen Schienenlängsspannungen aus gleichmäßiger Temperaturänderung kommen noch die aus den Brems- und Anfahr-
kräften sowie die aus der Brückendurchbiegung. Um nicht für jeden Einzelfall die Schienenlängsspannungen aus der Brückendurchbiegung (Endtangentenverdrehung) ermitteln zu müssen, wird ihr Anteil pauschal mit 20 N/ mm2 (Zug) berücksichtigt [5.18]. Mit dieser Voraussetzung dürfen nach DIN-Fachbericht 101 die zulässigen zusätzlichen Schienenlängsspannungen aus Temperaturänderungen sowie Bremsen und Anfahren in den Schienen auf der Brücke und im Bereich der Widerlager 92 N/ mm2 (Zug) nicht überschreiten. Einteilige Tragwerke können Einfeld- und Durchlaufträger sein. Um die zusätzlichen zulässigen Schienenlängsspannungen einzuhalten, sind nach DIN-Fachbericht 101 nur für folgende Dehnlängen keine Schienenauszüge erforderlich:
5.4 Schienenspannungen und Längenänderungen der Schienen aus Temperatureinwirkungen
– < 60 m bei Stahlüberbauten; – < 90 m bei massiven und Verbundüberbauten.
Daraus die größte zusätzliche Schienenlängsspannung aus Temperaturänderungen der Tragwerke
Bei Durchlaufträgern sind die Dehnlängen in der Regel größer und damit die zusätzlichen zulässigen Schienenlängspannungen überschritten. 5.4.5.1 Einkoppeln von Längskräften bzw. Schienenspannungen in die Schienen des lückenlosen Gleises bei einteiligen Tragwerken und an den Brückenenden von mehrteiligen Tragwerken Mit dem Ansatz eines konstanten Längsverschiebewiderstandes können für einteilige Tragwerke und für die Brückenenden (Endfelder) mehrteiliger Tragwerke die größten Störkräfte zusF berechnet werden. Mit Bezug auf Abb. 5.36 gilt:
= Druckkraft am verschieblichen Lager = Zugkraft am festen Lager
Temperaturanstieg + ∆t
Für den Normalkraftverlauf entsprechend Abb. 5.36 sind die zwei Parabeläste für die Längsverschiebung des Gleisrostes (Abb. 5.35) gleich lang. Dafür gilt (Abb. 5.36):
Für die Relativbewegungen zwischen Gleisrost und Brückenüberbau sind die Differenzen aus Gleisrost- und Überbauverschiebungen zu berechnen. Bei den Brückenenden (Endfeldern) mehrteiliger Tragwerke gelten die angegebenen
∆lx = 0
p = 10 N/mm Schiene = 10 kN/m Schiene = const.
Belastung und Längsverschiebewiderstand 30 m
UIC 60 E = 2,1 · 105 N/mm2 A = 7,69 · 103 mm2
30 m
l = 60 m
zus F = p ·
Normalkraftverlauf
l 2
5,6 ∆l [mm]
Längsverschiebungsverlauf
∆lx = 0 =
2,8
60
289
[m] x
x [m]
30
30
p l2 · E·A 4
60
Abb. 5.36 Normalkraft und Längsverschiebungen des Gleisrostes infolge der Verschiebung des Brückenüberbaus von l = 60 m Dehnlänge bei Temperaturanstieg
290
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Gleichungen nur für den Bereich am verschieblichen Lager und nur für Tragwerkslängen zwischen 44 m und 60 m. Am festen Lager sind die Normalkraftspitzen zusF kleiner. 5.4.5.2 Einkoppeln von Längskräften bzw. Schienenspannungen in die Schienen des lückenlosen Gleises im mittleren Brückenbereich von mehrteiligen Tragwerken Gegenüber dem einteiligen Tragwerk (Abb. 5.36) halbiert sich die der Normalkraftspitze zusF zugeordnete Länge von 30 m auf 15 m (Abb. 5.37). Das führt gegenüber dem Einfeldträger zu einer Verringerung der Normalkraftspitze zusF um den Faktor 1/2 und der Längsverschiebugen um den Faktor (1/2)2 = 1/4. Entsprechend Abb. 5.37 gilt:
Die größten Längsverschiebungen des Gleisrostes treten nicht in der Mitte der Überbauten sondern l/4 = 15 m vor den verschieblichen Lagern auf. 5.4.5.3 Besonderheiten bei der Festen Fahrbahn Wird das lückenlose Gleis im Zusammenhang mit der Festen Fahrbahn über Brücken geführt,
= Druckkraft an den Tragwerksenden = Zugkraft in den Tragwerksmitten
Temperaturanstieg + ∆t
p = 10 N/mm Schiene = 10 kN/m Schiene = const.
∆lx = 0
Belastung und Längsverschiebewiderstand
UIC 60 E = 2,1 · 105 N/mm2 A = 7,69 · 103 mm2
30 m 15 m
30 m
l = 60 m
l = 60 m
15 m
15 m
zus F Normalkraftverlauf l 4
Längsverschiebungsverlauf
∆lx = 0 =
p l2 · E · A 16
∆l [mm]
zus F = p ·
1,4 0,7 x [m]
[m] x 30
15
15
30
Abb. 5.37 Normalkraft und Längsverschiebungen des Gleisrostes infolge der Überbauverschiebungen im mittleren Bereich einer Trägerkette bei Temperaturanstieg und Dehnlängen der Überbauten von l = 60 m
5.5 Dauerfestigkeitsnachweis für die Biegezugspannung in Schienenfußmitte
291
Tabelle 5.13 Größte temperaturbedingte gleichmäßige Schienenlängskräfte und Schienenspannungen im lückenlosen Gleis bei +65 °C bzw. –25 °C Schienentemperatur 't = 45 K für Druck; 't = 51 K für Zug max Druckkraft/Schiene [kN] max Druckspannung/Schiene [N/mm2] max Zugkraft/Schiene [kN] max Zugspannung/Schiene [N/mm2]
so muss eine dem Schotteroberbau zwischen Schwelle und Schotter entsprechende Längsverschiebung zwischen den Schienen und den Schienenstützpunkten erreicht werden. Die an den Überbauenden entstehenden abhebenden Stützpunktkräfte erfordern konstruktiv besonders ausgebildete Schienenbefestigungen. Nach DIN-Fachbericht 101 ist – für die Berechnungen der Durchschubwiderstand (Abb. 5.32) anzusetzen und – ein Nachweis zu führen, wonach die Schienenbefestigungen durch die abhebenden Stützpunktkräfte nicht überbeansprucht werden. Um den Durchschubwiderstand in der Größe dem kleineren Längsverschiebewiderstand anzupassen, ist er durch Spannklemmen mit verringerter Niederhaltekraft von 9 kN/Schienenbefestigung auf 6 kN/Schienenbefestigung (Abb. 5.32) zu reduzieren.
5.4.6 Größe der gleichmäßigen Schienenlängskräfte und Schienenspannungen im lückenlosen Gleis bei extremen Schienentemperaturen Entscheidend für die Größe der gleichmäßigen Schienenlängskräfte und Schienenspannungen im lückenlosen Gleis bei extremen Schienentemperaturen ist die Verspanntemperatur. Das ist die Schienentemperatur, bei der die Schienen schlussgeschweißt und die gelösten Schienenbefestigungen verspannt werden. Bei ihr wird die Schiene als spannungsfrei angenommen.
S 49 684 109 775 123
S 54 756 109 857 123
UIC 60 837 109 949 123
Für klimatisch bedingte höchste und tiefste Schienentemperaturen von +65 °C und – 25 °C haben sich eine unter Verspanntemperatur von +20 °C und eine obere von +26 °C bewährt. Mit diesen Temperaturangaben und den Gleichungen aus Abschn. 5.4.1 können die größten temperaturbedingten gleichmäßigen Schienenlängskräfte und Schienenspannungen im Druck- und Zugbereich berechnet werden (Tabelle 5.13).
5.5 Dauerfestigkeitsnachweis für die Biegezugspannung in Schienenfußmitte Die Biegezugspannung in Schienenfußmitte VF ist nur von den Vertikallasten abhängig. Vertikal exzentrische und horizontale Lasten beeinflussen die Biegezugspannung in Schienenfußmitte nicht (Abschn. 5.2.6.5). Nach [5.18] ist sie deshalb Grundlage für den Spannungsnachweis. Der Biegezugspannung VF ist die zulässige Dauerbiegezugfestigkeit in Schienenfußmitte zul VdF gegenüberzustellen. Der Spannungsausschlag 2 · VA ist über die Grenzlinien für die Ober- und Unterspannung im Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith von folgenden Spannungsanteilen abhängig (Abb. 5.38): – Eigenspannungen VE (Zug) in den Schienen; – Spannung VT aus Temperaturänderung der Schiene auf -20 °C; – Spannung VBT aus gleichmäßigen Temperaturänderungen der Brückenüberbauten; – Spannung VBV aus Bremsen und Anfahren auf der Brücke.
292
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
σ0, σU [N/mm2] 1000
900
σB (Nennfestigkeit)
800
700
600
500
σstr = 525 zul σ = 470
400 zul σdF = 199
300
σBV = 52
2 σA = 225
σB = 92
σBT = 40
200 σU = 50
100
freier Normalspannungsanteil = 112
σT = 100
σE = 80 0 100 zul σ 2 σA
– –
zul σdF σU σT σE σB σBT σBV
– – – – – – –
200
300
400
500
600
700
800
900 1000 σm [N/mm2]
zul. Schienenspannung (90 % der Streckegrenze) Gestaltfestigkeit aus Dauerschwingversuchen an korrodierten Schienen UIC 60 (Rauhtiefe max. R = 70 µm – 180 µm – Belastung: 60 Mio Lt.) zul. Dauerbiegezugfestigkeit in Schienenfußmitte Unterspannung der Dauerschwingversuche Spannung aus Temperaturänderung der Schiene auf –20 °C Eigenspannungen freier Normalspannungsanteil der Schiene für die Brücke (σB = σBT + σBV) Spannung aus Temperaturänderung einer Brücke (Mittel der Maximalwerte) Spannung infolge Bremsen und Anfahren auf der Brücke
Abb. 5.38 Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith für Schienen UIC 60 mit 900 N/mm2 Nennfestigkeit [5.18]
Nach [5.18] steht für Brücken ein freier Normalspannungsanteil von 112 N/mm2 zur Verfügung, der nach Berücksichtigung der Spannungen VE und VT bis zum Knick in der Grenzlinie der Unterspannung verbleibt (Abb. 5.38). Nachzuweisen sind davon die Spannungen
VBT (Abschn. 5.4.5) und VBV, die in der Summe nicht größer als 92 N/mm2 sein dürfen. Die Schienenspannung aus der Brückendurchbiegung wird dabei pauschal mit 20 N/mm2 berücksichtigt.
5.6 Vertikalspannungen in Schotter, Schutzschicht und Untergrund Tabelle 5.14 Sicherheitsbeiwerte Q für verschiedene Fahrgeschwindigkeiten v bzw. Gleise v [km/h] bzw. Gleise
ν
> 160 120 < v ≤ 160 60 < v ≤ 120 übrige Hauptgleise Nebengleise
1,4 1,3 1,2 1,1 1,0
Ausgehend von zul VdF = 199 N/mm2 (Abb. 5.38) beträgt nach [5.18] die zulässige Dauerbiegezugfestigkeit in Schienenfußmitte für die häufigsten Nennfestigkeiten VB: – zulVdF = 200 N/mm2 für VB = 900 N/mm2 (UIC 60 korrodiert); – zulVdF = 190 N/mm2 für VB = 900 N/mm2 (S 49/S 54 korrodiert); – zulVdF = 180 N/mm2 für VB = 700 N/mm2 (Schienen korrodiert). Der von der Verkehrsbelastung abhängige Korrosions- und Verschleißzustand der Schienen wird nach [5.18] durch geschwindigkeitsabhängige Sicherheitsbeiwerte v berücksichtigt (Tabelle 5.14). Beispiel (vgl. Abschn. 5.2.6.5): Q0 = 100 kN; C = 0,1 N/mm3; UIC 60; V0F = 58 N/ mm2; v > 160 km/h; VdF = 200 N/mm2; v = 1,4.
Die Schienenfußspannung V0F aus der statischen Radlast Q0 ist mit folgenden Faktoren zu erhöhen: – Dynamikfaktor 2,0 für den Schotteroberbau (Abschn. 5.1.2); – Faktor 1,2 aus Radlastverlagerung (Abschn. 5.1.3); – Sicherheitsbeiwert v = 1,4 (Tabelle 5.14). Damit wird:
folgt interpretiert [5.18]: Während der gesamten Liegedauer der Schienen ist kein Schienenbruch zu erwarten.
5.6 Vertikalspannungen in Schotter, Schutzschicht und Untergrund 5.6.1 Spannungsverlauf im Mehrschichtsystem Schotter/Schutzschicht/Untergrund Die Schotterpressung p, errechnet nach Abschn. 5.2.4.2, wird in Schotter, Schutzschicht und Untergrund abgebaut. Der Spannungsabbau wird zunächst ohne Berücksichtigung der Schichtgrenzen zwischen Schotter, Schutzschicht und Untergrund, d.h. unter der Voraussetzung eines gleichen E-Moduls in allen Schichten, bei Annahme einer Streifenlast (Schwelle) mit der Halbraumtheorie (Abschn. 5.3.2) berechnet. Für die Lastachse (D1 = D; D2 = S – D) vereinfacht sich die Gleichung für die Vertikalspannung aus Abschn. 5.3.2 mit den Bezeichnungen nach Abb. 5.39 zu:
mit
Das Diagramm in Abb. 5.39 enthält, normiert mit der Schwellenbreite b und der Schotterpressung p, den mit beiden Gleichungen berechneten Vz-Verlauf ohne Berücksichtigung der Schichtgrenzen zwischen Schotter, Schutzschicht und Untergrund. Der Einfluss der Schichtgrenzen wird mit der Äquivalenztheorie nach Odemark durch den Ansatz Durchbiegung proportional
Hinsichtlich der Gefahr für das Entstehen eines Schienenbruches wird das Ergebnis wie
293
294
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen S
S b
p=
b p= h1
2·S A
0
0
0,2
σz/p 0,4
2·S A 0,6
0,8
1,0
h1
E1 h1*
0,5 · b h2
Tiefe z
E2
b σz-Verlauf
h2*
E3
∞
σz1
h2
1,5 · b = = = =
Schwellenbreite Schotterpressung (Streifenlast) Stützpunktkraft Auflagerfläche der Schwelle bei 50 cm auflagerfreiem Mittelteil
α
α
2·b z
b p S A
b
σz2
σz 2,5 · b σz
Abb. 5.39 Spannungsverlauf Vz in der Längsachse im Halbraum unter Streifenlast und seine Beeinflussung durch Schichtgrenzen
erfasst. Werden alle Schichtdicken h auf den Bettungsmodul E3 des Untergrundes bezogen, so kann mit diesem Ansatz geschrieben werden:
(0,9 = Korrekturfaktor)
Nach diesen Gleichungen kann eine obere Schicht mit den geringeren Dicken h1 bzw. h2 und den größeren E-Moduln E1 bzw. E2 die Vertikalspannungen Vz um den gleichen Betrag verringern wie eine Schicht mit den größeren Dicken (Ersatzdicken) h1* bzw. h2* und dem niedrigeren E-Modul E3. In Abb. 5.39 ist dieser Sachverhalt dargestellt: Die Druck-
spannungen Vz an den Schichtgrenzen sind den Dicken h1* für Vz1 und h2* für Vz2 zugeordnet und ersichtlich kleiner als die Druckspannungen Vz, die den Schichtdicken h1 bzw. h2 entsprechen. Zur besseren Erkennbarkeit sind dabei die Dicken h und h* gegenüber den Tiefen z des Diagramms in einem anderen Maßstab gezeichnet. Mit den Ersatzdicken h1* und h2* lässt sich eine fiktive Bettungszahl k für Mehrschichtsysteme, bezogen auf die Oberkante der Schicht mit dem E-Modul E3, bestimmen. Mit wird (∆s = fiktive Längenänderung) Die Bettungszahl stellt allgemein die Beziehung zwischen Vertikalspannung und Einsen-
5.6 Vertikalspannungen in Schotter, Schutzschicht und Untergrund
kung dar. Mit H · E3 als Vertikalspannung und 's als Einsenkung gilt:
Mit der fiktiven Bettungszahl k kann eine Feste Fahrbahn als Mehrschichtsystem über Spannungsnachweise bemessen werden [5.9].
5.6.2 Äquivalente Ersatzdicken für Mehrschichtsysteme Schotter/ Schutzschicht/Untergrund mit unterschiedlichen E-Modulen des Untergrundes Die Gleichungen für die Ersatzdicken h1* und h2* im Abschn. 5.6.1 werden zur Bemessung der Dicke von Schutzschichten benutzt. Um mit ihnen rechnen zu können, sind für die EModule die Verformungsmodule Ev2 der Tragschichten zu verwenden. In Abb. 5.40 ist ein Tragsystem mit Schutzschicht dargestellt, das den Regelanforderungen für Geschwindigkeiten 160 km/h < v ≤ 230 km/h genügt. Der geforderte Verformungsmodul für den Untergrund (Oberkante Erdplanum) von Ev2 = 45 MN/m2 ist bei bestehenden Gleisnetzen oft nicht vorhanden. Damit entsteht die Aufgabe, die Schutzschicht-
h1 = 0,3 m = 30 cm
Schotter Ev2 = 200 MN/m2
h2 = 0,3 m = 30 cm
Schutzschicht Ev2 = 80 MN/m2
∞
Untergrund Ev2 = 45 MN/m2
295
dicke für die kleineren Verformungsmodule des Untergrundes, z.B. für Ev2 = 25 MN/m2, zu bemessen. Dafür werden zunächst die Ersatzdicken h* = h1* + h2* für das bedingungsgemäße Tragsystem und danach für das mit Ev2 = 25 MN/m2 für den Untergrund berechnet. Dafür gilt: Bedingungsgemäßes Tragsystem (Abb. 5.40):
Tragsystem mit Ev2 = 25 MN/m2 für den Untergrund:
Gleichwertigkeit:
Demnach ist die kleinere Dicke h* = 77 cm, bezogen auf Ev2 = 45 MN/m2 für den Untergrund, der größeren Dicke h* = 94 cm, bezo-
Abb. 5.40 Tragsystem mit Schutzschicht für 160 km/h < v d 230 km/h
296
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
gen auf Ev2 = 25 MN/m2 für den Untergrund, gleichwertig. In beiden Fällen entsteht auf dem Erdplanum die gleiche Vertikalspannung Vz. Dafür ist beim Tragsystem mit Ev2 = 25 MN/ m2 für den Untergrund die Dicke der Schutzschicht um zu wählen 20 cm, auf zu vergrößern.
5.7 Gleislagestabilität 5.7.1 Stabiler und gestörter Gleichgewichtszustand Beim stabilen Gleichgewichtszustand sind die im Gleis vorhandenen Widerstände größer als die im Sinne des Knickens und Verschiebens am Gleis wirkenden Kräfte. Ein gestörter Gleichgewichtszustand äußert sich in: – Gleisverdrückungen durch Schienenaxialkräfte aus Temperatureinwirkungen; – Gleisverwerfungen durch temperaturbedingte Schienenaxialkräfte und dynamische Einwirkungen ; – Gleisverschiebungen durch zu große Seitenkräfte aus dem Fahrzeuglauf [5.19]. Begünstigend wirken in allen drei Fällen Richtungsfehler des Gleisrostes und der nicht stabilisierte Zustand der Bettung wie er nach einer Gleisdurcharbeitung oder nach Einzelfehlerbeseitigungen mit Stopfmaschinen vorhanden ist. Den Störungen entgegen wirken bei – Gleisverdrückungen und Gleisverwerfungen – die Rahmensteifigkeit des Gleisrostes und – der Querverschiebewiderstand sowie – bei Gleisverschiebungen – der Gleisverschiebewiderstand.
Die Rahmensteifigkeit des Gleisrostes kann durch den Biegewiderstand der Schienen und den Verdrehwiderstand oder durch das Ersatzträgheitsmoment des Gleisrostes ausgedrückt werden. Beim Y-Stahlschwellengleis kann die Rahmensteifigkeit nur über das Ersatzträgheitsmoment beurteilt werden. Alle Widerstandsgrößen sind von Verformungen (Verschiebungen, Verdrehungen, Durchbiegungen) abhängig. Um die Berechnung der Lagestabilität des lückenlosen Gleises zu vereinfachen, werden sie durch konstante Verläufe angenähert und als konstante Größen angegeben.
5.7.2 Biegewiderstand der Schienen, Verdrehwiderstand und Ersatzträgheitsmoment [5.20] und [5.21] Der Biegewiderstand der Schienen wird durch die Summe der horizontalen Biegesteifigkeiten aus beiden Schienen des Gleisrostes bestimmt: 2 · E · Iy. Verdrehwiderstand und Ersatzträgheitsmoment werden experimentell ermittelt: Der Verdrehwiderstand v nach DIN EN 13146-2 für einen Verdrehwinkel Schiene/Schwelle von J = 1° an einer Einzelschwelle und das Ersatzträgheitsmoment IE meist für eine Belastung von F = 20 kN an einem Gleisrost der Länge l über 11 Schwellen unter Beachtung einer konstanten Neigung F/f (Abb. 5.41). Angaben zur Größe von Verdrehwiderstand und Ersatzträgheitsmoment bei verspannter Schienenbefestigung enthält Tabelle 5.15. Der Verdrehwiderstand ist für einen Verdrehwinkel von 1° bei allen Oberbauarten mit Spannklemmen gleich groß. Erst bei Verdrehwinkeln > 1° stellt sich ein unterschiedliches Verhalten ein: Flacher Anstieg beim Oberbau W mit Kunststoffwinkelführungsplatten, steiler Anstieg beim Oberbau KS. Bei unverspannter Schienenbefestigung ist der Verdrehwiderstand Null und das Ersatzträgheitsmoment entspricht 2 · Iy.
5.7 Gleislagestabilität v v = Verdrehwiderstand (Verdrehmoment) [kNm]
F
F l3 IE = · [cm4] 48 · E f l = Stützweite [cm]
γ = Verdrehwinkel [°]
297
f
γ
E = E-Modul Schienenstahl [kN/cm2] l über 11 Schwellen
v [kNm]
20
nst.
F [kN]
v = const.
1
γ [°]
F = co f
f [cm]
Abb. 5.41 Verdrehwiderstand v und Ersatzträgheitsmoment IE
Tabelle 5.15 Verdrehwiderstand v und Ersatzträgheitsmoment IE für verschiedene Oberbauformen Oberbau mit Spannklemmen
v [kNm]
IE [cm4]
B 70 W-54 B 70 W-60 KS 54 KS 60 Y-Sw-S15-S54
0,6 0,6 0,6 0,6 0,6
1400 2000 2500 3400 7200
5.7.3 Querverschiebewiderstand und Gleisverschiebewiderstand [5.20] Auch Querverschiebe- und Gleisverschiebewiderstand werden experimentell ermittelt (Abb. 5.42 bzw. Abb. 5.45), der Querverschiebewiderstand am unbelasteten Gleis und der Gleisverschiebewiderstand als Grenzwert nach Prud’homme unter einem rollenden Fahrzeug. Der Querverschiebewiderstand kann erhöht werden durch:
– Anbringen von Sicherungskappen (Abb. 5.44); – Verbreiterung des Schotters vor Kopf der Schwellen von 40 cm auf 50 cm: Erhöhung im Mittel um 5%. Unter dem fahrenden Zug wird er im Bereich der Abhebewelle und durch Vibration abgemindert. Querverschiebe- und Gleisverschiebewiderstand sind in ihrer Größe vom Stabilisierungsgrad der Bettung abhängig (Tabelle 5.16, Abb. 5.43 und Abb. 5.45). Durch fahrtechnische Prüfungen [5.14] werden bei Schnellfahrgleisen die durch die Dynamik erhöhten Führungskräfte Y und Radlasten Q eines Radsatzes gemessen und damit die Übereinstimmung der Gleisverschiebekraft 6Y [kN] mit dem Gleisverschiebewiderstand N (10 + 2Q/3) [kN] überwacht.
298
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen w
w = Querverschiebewiderstand [N/cm] S = Schwellenverschiebekraft [kN] y = Schwellenverschiebung [mm]
y
w S
w [N/cm]
Y-Stahl S [kN]
w = const. Beton
w = const.
Holz
w = const.
2
8
y [mm]
Abb. 5.42 Schwellenverschiebekraft S und Querverschiebewiderstand w Tabelle 5.16 Querverschiebewiderstand w in N/cm Gleislänge und in kN/Schwelle für verschiedene Schwellenarten Schwellenart
Holz Beton l < 2,60 m Beton l ≥ 2,60 m Y-Stahl
Verschiebung
nicht stabilisiert
voll stabilisiert
[mm]
[N/cm]
[kN/Schw]
[N/cm]
[kN/Schw]
2 2 2 8
50 75 100 126
3,0 4,5 6,0 13,3
100 130 170 227
6,0 7,8 10,2 18,8
5.7 Gleislagestabilität [kN/Schw.]
[N/cm]
299
[%] voll stabilisiert
10,20
170
100
9,70
162
95
9,18
153
90
8,67
144
85
8,06
135
79
7,55
126
74
7,04
117
69
6,50
108
64
6,00
100
59
nicht stabilisiert
wird durch DGS-Einsatz erreicht
0 100 000
200 000
500 000
1 Mio Belastung [Lt]
Abb. 5.43 Zunahme des Querverschiebewiderstandes durch die Verkehrsbelastung für Betonschwellen B 70 (Ordinate in % gilt für alle Schwellenarten)
Anbringen von Sicherungskappen: an jeder 3. Schwelle: Erhöhung um rd. 20 % an jeder 2. Schwelle: Erhöhung um rd. 40 %
Holzschwelle
180
an jeder Schwelle: Erhöhung um rd. 90 % 450
Verbindung mit der Schwelle beispielhaft dargestellt
Betonschwelle
180
Sicherungskappen
450
Abb. 5.44 Erhöhung des Querverschiebewiderstandes durch Sicherungskappen
300
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
Radsatz mit den Radlasten Q1 und Q2 (abhängig von Zuladung)
Kraftmesszelle Zugkraft Z Seilrolle
4,50 Im Versuch: 2Q ) [kN] 3 Q=
Kraftmesszelle
Versuchswagen
4,50
Zugkraft Z
Q 1 + Q2 2
Mit Bezug auf die Führungskräfte Y1 und Y2 am anlaufenden Radsatz muss sein: 2Q ) [kN] 3 (Grenzwert nach Prud’homme)
Versuchsgleis Gleis 1
Gleis 2
Abb. 5.45 Ermittlung des Gleisverschiebewiderstandes gegen die seitliche Beanspruchung aus den Kräften zwischen Rad und Schiene (Versuche der SNCF) und Bedingungen zur Vermeidung einer Querverschiebung des Gleises
5.7.4 Berechnung der Lagestabilität des lückenlosen Gleises nach der Energiemethode 5.7.4.1 Wahl der Biegelinie und Inanspruchnahme des Querverschiebewiderstandes im Bogen Gleichungen zur Biegelinie (Abb. 5.46):
Der Querverschiebewiderstand w wird durch die Normalkomponente FN der Gleis-
druckkraft F zu w0 = F/r in Anspruch genommen (Abb. 5.47). 5.7.4.2 Wahl der Biegelinie in der Geraden Gleichungen zur Biegelinie (Abb. 5.48):
5.7 Gleislagestabilität
Abb. 5.46 Wahrscheinliche Form der Biegelinie bei der horizontalen Ausknickung des Bogengleises
f
y y1 x
l
r
Biegelinie 1
r
Bogen
Abb. 5.47 Inanspruchnahme des Querverschiebewiderstandes w in Höhe w0 durch die Normalkomponente der Gleisdruckkraft F
l
w w0
y1
FN
p=
FN
2 FN l
F
x
F
301
ϕ 2
r
ϕ ·F 2 l=r·ϕ 2 FN F = =p l r p = w0 FN =
ϕ
y
f f
x l 3
l 6
l
Biegelinie 2
l 6 Gerade
l 3
Abb. 5.48 Wahrscheinliche Form der Biegelinie bei der horizontalen Ausknickung des geraden Gleises
302
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
5.7.4.3 Grundsätzliches zur Energiemethode Mit Hilfe der Biegelinien 1 und 2 werden beim Ausknickvorgang Arbeitswerte (Energien) verglichen: – Arbeiten der Widerstände; – Arbeiten, die durch die Verringerung der in den Schienen vorhandenen Druckkraft frei werden. Ausknicken tritt ein, wenn das Freiwerden an Energie durch die Verringerung der in den Schienen vorhandenen Druckkraft gegenüber dem Energieaufwand aus den Widerständen überwiegt. 5.7.4.4 Näherungsweise Berechnung der Stabverlängerung O beim Ausbiegen auf die Ordinaten y der Biegelinien mit den größten Exzentrizitäten f Mit dem Differential der Bogenlänge ds wird die Stabverlängerung dO angegeben und über eine Näherung die Verlängerung O durch Integration bestimmt.
5.7.4.5 Arbeitsanteile und Ersatzkräfte Wird die Stablage im Sinne der Biegelinien gestört, so muss Arbeit geleistet werden. Die Stabverlängerungarbeit, die beim Zusammendrücken des ungestörten Stabes gespeichert wurde, wird dabei vernachlässigt. Das vereinfacht den Rechenaufwand, und die Ergebnisse werden sicherer. Biegearbeit:
Querverschiebearbeit:
(Bogen)
(Gerade) Arbeit der Gleisdruckkraft beim Ausbiegen (frei werdende Energie durch Verringerung der Gleisdruckkraft infolge Stabverlängerung): (Bogen)
(Gerade) Näherung durch Potenzreihe gibt:
(Bogen) (Gerade)
Die Differentialquotienten dA/df der einzelnen Arbeitsanteile werden als Ersatzkräfte S gedacht, die an der Stelle von f senkrecht zur Tangente an die Biegelinie wirken. Der Energievergleich vereinfacht sich dadurch zu einem Kräftevergleich (Abb. 5.49). Die zwischen 0 und l integrierten Gleichungen für die Arbeitsanteile und die Gleichungen für die Ersatzkräfte sind in Tabelle 5.17 zusammengestellt.
5.7 Gleislagestabilität Sb + Sw
Bedingung für den Übergang zum labilen Gleichgewichtszustand:
303
Abb. 5.49 Kräftevergleich für den Übergang zum labilen Gleichgewichtszustand
SF = Sb + Sw bzw. SF – Sb = Sw SF
Tabelle 5.17 Gleichungen für die Arbeitsanteile und Ersatzkräfte Biegelinie 1
Biegelinie 2
Ab
Aw 0,545 · w · l
AF
K1 = Eulersche Knickkraft zur Biegelinie 1 K2 = Eulersche Knickkraft zur Biegelinie 2
5.7.4.6 Maßgebende Knicklänge l und kleinste (kritische) Störgröße f* Die Bedingungsgleichung für den Übergang zum labilen Gleichgewichtszustand (Abb. 5.49) wird mit Hilfe der Gleichungen in Tabelle 5.17 nach f aufgelöst: (Bogen)
(Gerade)
–
mit Hilfe der Quotientenregel der Differentialrechnung und – l eingesetzt in die Gleichungen für f ergibt f*. Die so erhaltenen Gleichungen für die maßgebende Knicklänge l und die kleinste Störgroße f* sind in Tabelle 5.18 zusammengestellt. Tabelle 5.18 Gleichungen für die maßgebende Knicklänge l und die kleinste (kritische) Störgröße f* Biegelinie 1
Die Veränderung der Knicklänge im Verlauf der Ausknickung wird vernachlässigt (l = const.). Derjenige l-Wert, der die kleinste Störgröße f* liefert, ist die maßgebende Knicklänge l. Sie folgt aus
l f*
Biegelinie 2
304
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
5.7.4.7 Anwendung des Berechnungsverfahrens [5.20] Zur Anwendung des Berechnungsverfahrens werden die kritische Gleisdruckkraft F0 und die kritische Temperaturerhöhung 'tkrit eingeführt (Abb. 5.50). Der kritischen Temperaturerhöhung 'tkrit nach
entspricht dabei ein angenommener Gleislagefehler (Störgröße) f, der kleiner als der kritische Gleislagefehler (Störgröße) f* für den labilen Gleichgewichtszustand ist. Die Lagesicherheit des Gleises wird mit dem Ersatzträgheitsmoment IE und einem abgeminderten Querverschiebewiderstand nachgewiesen. Für den abgeminderten Querverschiebewiderstand gilt: dyn w = 0,9 · w
für das stabilisierte Gleis
maßgebend w = 0,9 · 0,55 · w für das nicht stabilisierte Gleis. 0,9 = Abminderung infolge Abhebewelle bzw. Vibration 0,55 = Abminderung infolge Durcharbeitung (Stopfen und Richten) Außerdem gilt die Bedingung:
'ttat = Temperaturanstieg zwischen Verspanntemperatur und höchster witterungsbedingter Schienentemperatur + 5 K (5 K = Fehler der Verspanntemperatur ) 'tsich = erforderlicher Sicherheitsabstand nach Tabelle 5.19
Tabelle 5.19 Sicherheitsabstand 'tsich in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit v v [km/h]
≤ 80 100
120
140
160
> 160
Δtsich [K]
10
25
30
40
50
20
Der Sicherheitsabstand ist ggf. weiter zu vergrößern: – Bei Anwenden der Wirbelstrombremse durch die Schienenerwärmung um 20 K; – bei Brücken durch das Einkoppeln von Längskräften in die Schienen aus temperaturbedingten Längenänderungen des Überbaues (16 K) und aus Bremsen und Anfahren (22K) um 16 + 22 = 38 K (Einfluss der Brückendurchbiegung vernachlässigt); – vor Weichenanfängen durch das teilweise Eintragen der Schienenaxialkräfte aus dem Zweiggleis über das Durchbiegen der Schwellen im Herzstück- und Zwischenschienenbereich um 10 K (Weichen in freier Lage).
5.7.5 Bogenatmung Ein lückenlos verschweißtes Bogengleis mit kleinen Halbmessern verschiebt sich bei Temperaturanstieg im Schotter um 'r nach bogenaußen. Dabei kommt es zu einer Verringerung (Entspannung) der Schienenaxialkraft um 'F und einer Verlängerung der Schienen um 'l, der Bogenatmung (Abb. 5.51) und [5.12]. Axialkraft bei Beginn der Bogenatmung (Verschiebung Null):
Axialkraft infolge Bogenatmung:
Gleichgewicht zwischen der Normalkomponente FN der Axialkraft und dem Querverschiebewiderstand w0 (s. Abb. 5.47)
gibt
und daraus 'F und 'r (Abb. 5.52).
5.7 Gleislagestabilität
Abb. 5.50 Berechnung der Größen l und f* für den instabilen Gleichgewichtszustand und Berechnung der kritischen Temperaturerhöhung 'tkrit
Gerades Gleis f* = kritischer Gleislagefehler Verwerfungswelle
l 3
I=3·π·
l 3 l
2 · E · IE [cm]; F0
f* = 8,7 · w ·
l 3
E · IE [cm] F02
kritische Temperaturerhöhung: ∆tkrit =
8,7 · IE · w [K] α2 · A2 · E · f
Gekrümmtes Gleis (r ≤ 1500 m) f* = kritischer Gleislagefehler Verwerfungswelle I r I=2·π·
2 · E · IE [cm]; F0
r ⎛ F ⎞ 16 · E · IE f* = ⎝w – 0 ⎠ · [cm] r F02
kritische Temperaturerhöhung: ∆tkrit = –
⎛ 8 · IE ⎞ 2 16 · IE · w 8 · IE + ⎝ + [K] α·A·r·f α · A · r · f⎠ α2 · A2 · E · f
wobei E = Elastizitätsmodul des Schienenstahls = 2,1 · 107 N/cm2 α = Temperaturdehnzahl von Stahl = 1,15 · 10–5 = 0,0000115 K–1 A = Fläche der beiden Schienen in cm2 IE = Ersatzträgheitsmoment des Gleisrostes in cm4 r = Gleishalbmesser in cm w = Querverschiebewiderstand in N/cm f = angenommener Gleisfehler in cm (1,5 bis 2,0 cm) F0 = kritische Gleisdruckkraft in N
∆I ·E·A I ∆I ∆r = I r
∆F =
I + ∆I
I=r·ϕ I + ∆I = (r + ∆r) · ϕ
I ∆F =
∆r ·E·A r
I + ∆I (r + ∆r) · ϕ = I r·ϕ I + ∆I r + ∆r = I r
ϕ r
r
∆ r+
305
1+
∆I ∆r =1+ I r
Abb. 5.51 Zusammenhang zwischen 'r/r und 'l/l zur Berechnung der Entspannung der Schienenaxialkraft um 'F
306
5 Beanspruchung von Gleisen und Weichen
vor Durcharbeitung
F w0 = [N/cm] r
100
80 ∆F · r = ∆F r ∆F r
60
∆F = Verringerung der Schienenaxialkraft infolge Durcharbeitung
nach Durcharbeitung
F 1 r = r (α · E ·A·
40
∆r = Bogenatmung infolge Durcharbeitung
∆t – ∆r r · E · A)
20 ∆r 0 0
2
4
6
8
10
12
y = ∆r [mm]
Abb. 5.52 Grafische Ermittlung der Bogenatmung infolge Durcharbeitung (Beispiel Holzschwellengleis mit sehr kleinem Bogenhalbmesser)
Die Verringerung der Axialkraft durch die Bogenatmung bleibt im Interesse sicherer Nachweise bei der Berechnung der kritischen Temperaturerhöhung 'tkrit von Bogengleisen (s. Abschn. 5.7.4.7) unberücksichtigt. Da die Querverschiebung entlang der Gleisachse nicht gleichmäßig ist (ungleichmäßiger Querverschiebewiderstand), entstehen aus der Bogenatmung Gleislagefehler, die für den Zugverkehr nicht mehr zumutbar sein können.
Literatur Fachbücher und Beiträge in Fachzeitschriften und Tagungsberichten 5.1 Meier H: Ein vereinfachtes Verfahren zur theoretischen Untersuchung der Gleisverwerfung. Organ f. d. Fortschritte des Eisenbahnwesens 92 (1937) 20, S. 369–381 und Tafel 28
5.2 Hanker R: Eisenbahnoberbau. Springer-Verlag Wien 1952 5.3 Schramm G: Oberbautechnik und Oberbauwirtschaft. 3. Aufl., Otto Elsner Verlagsgesellschaft Darmstadt 1973 5.4 Eisenmann J: Die Schiene als Träger und Fahrbahn – theoretische Grundlagen und praktische Beispiele. in: Fastenrath, F.: Die Eisenbahnschiene. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn Berlin, München, Düsseldorf 1977 5.5 Führer G: Oberbauberechnung. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin 1978 5.6 Berg G; Henker H: Weichen. 2. Aufl. transpress VEB Verlag für Verkehrswesen Berlin 1986 5.7 Zacher M: Unrunde Räder und Oberbausteifigkeit. Eisenbahntechnische Rundschau 45 (1996) 10, S. 605–610 5.8 Pointner P; Frank N: Rad/Schiene Kontakt. Der Eisenbahningenieur 50 (1999) 3, S. 22–26 5.9 Eisenmann J; Leykauf G: Feste Fahrbahn für Schienenbahnen. Betonkalender 2000, Teil II,
Literatur S. 291–326, Verlag Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin 2000 5.10 Daves W; Fischer J; Fischer F D: Analyse von schädigungsrelevanten Verformungsprozessen im Mikrobereich bei mehrfacher Überrollung. in: Tagungsbericht Internationales Symposium Schienenfehler, S. 15-1–15-9, Brandenburg, 16. und 17. November 2000 5.11 Ruge P; Trinks C; Muncke M; Schmälzlin G: Längskraftbeanspruchung von durchgehend geschweißten Schienen auf Brücken für Lastkombinationen. Bautechnik 81 (2004) 7, S. 537–548 5.12 Franz J: Bogenatmung und Gleislagestabilität des Y-Stahlschwellengleises in kleinen Halbmessern. Der Eisenbahningenieur 55 (2004) 12, S. 36–43
Regelwerke und Dokumentationen 5.13 Deutsche Bahn AG: Bahn-Norm BN 918 143 „Gleis- und Weichenschwellen aus Beton für Schotteroberbau (Scho) und Feste Fahrbahn (FF)“, Dezember 2005
307
5.14 Deutsche Bahn AG: Richtlinie 821.2002 „Fahrtechnische Inspektion“, gültig ab: 01.10.2005 5.15 Deutsche Bahn AG: Bahn-Norm BN 918 235 „Elastische Zwischenlagen und Zwischenplatten“, Januar 2004 5.16 Deutsche Bahn AG: Bahn-Norm BN 918 1451 „Spannbetonschwellen mit elastischer Sohle“, Januar 2004 5.17 Deutsche Bahn AG: Anlage 01 zur TM RO 16/2005 „Entscheidungshilfen zur Beurteilung von oberflächennahen Schienenfehlern“ 5.18 Deutsche Bahn AG: Richtlinie „Oberbauberechnung“, Ausgabe 1992. Inkraftsetzung am 27.04.1993 5.19 Deutsche Bahn AG: „Information über Gleisverdrückung, Gleisverwerfung, Gleisverschiebung“ vom 02.08.1994 5.20 Deutsche Bahn AG: Richtlinie „Gleislagestabilität“ vom Februar 1990 5.21 Bestimmung des Ersatzträgheitsmomentes am Y-Stahlschwellengleis … Prüfamt für Bau von Landverkehrswegen TU München, Bericht 1944 vom 26.04.2002
6
Schienen und Schienenschweißen Heinrich Köstermann und Klaus Meißner
6.1 Schienenwerkstoff und Schienenprofile 6.1.1 Stahl als Baustoff, Schienenstahl als individueller Werkstoff Stahl wird allgemein als gut formbarer, vielseitig anwendbarer Bau- und Werkstoff empfunden. Die Vorstellung von einer besonderen Eigenart und Individualität wird damit nicht verknüpft. Bei Schienenstahl handelt es sich jedoch um ein technisch hochentwickeltes Produkt mit der Notwendigkeit einer individuellen Behandlung. (s. Tabelle 6.1 und Abb. 6.1)
6.1.2 Die Aufgaben der Schiene Die Schiene ist Fahrbahn und Führungselement zugleich. Sie hat die Aufgabe – die Radlasten zu übertragen – die Räder sicher zu führen und – den Fahrzeugen eine möglichst glatte Fahrbahn zu bieten.
Die Schiene wird auf Biegung sowie durch Quer-, Längs- und Seitenkräfte beansprucht. Sie unterliegt zudem durch schmirgelnde und gleitende Beanspruchung einem Verschleiß. Die Gebrauchseigenschaften des Werkstoffs sind deshalb dahingehend einzustellen. Wegen der Biege- und Schubbeanspruchung ist eine hohe Festigkeit erwünscht. Damit wird auch der Verschleiß vermindert (s. Abschn. 6.4). Im unmittelbaren Einwirkungsbereich des Rades muss die Schiene u.a. Widerstand gegen – Verschleiß, – Verquetschung, – Schwingbeanspruchung im Berührungspunkt Rad/Schiene und – Betriebsversagen leisten. Es wird erwartet, dass die Schiene – eine hohe Ermüdungs-/Dauerfestigkeit, – eine ausreichende Streckgrenze/Zugfestigkeit und Härte, – hohe Sprödbruchsicherheit, – einen guten Reinheitsgrad sowie – Schweißeignung besitzt.
Tabelle 6.1 Physikalische Eigenschaften der gebräuchlichsten Schienenwerkstoffe Stahlsorte
Güte (alt)
Elastizitätsmodul (N mm-2)
R 200 R 260 R 320 Cr
700 900 A 1100
210 000
Mittlerer linearer Ausdehnungskoeffizient α (K-1)
Zugfestigkeit
Bruchdehnung
(N mm-2)
(%)
11,5–12,5 11,0–12,5 13,0–13,5
680–830 880–1030 >1080
≥14 ≥10 ≥ 9
310
6 Schienen und Schienenschweißen Schienenstähle
1200
R350 HT/LHT R1200
1100
R320Cr R1100 Cr
R m (N/mm)
1000
900
R260/Mn R0900
800
R220 700
R200 R0700
600
(R0550) 500 8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
A min (%)
Abb. 6.1 Zusammenhang zwischen Festigkeit und Zähigkeit der Normschienenstähle
Hinsichtlich der Fertigungsanforderungen soll die Schiene – gute Oberflächenbeschaffenheit, – ausreichende Ebenheit und Profiltreue und – einen niedrigen Eigenspannungszustand haben. Reines Eisen würde keine ausreichende Festigkeit aufweisen. Durch Legieren mit den nachfolgend genannten Elementen entsteht Stahl und erreicht die gewünschten Eigenschaften. Dabei kommt dem Kohlenstoff (C) als dem billigsten und wirksamsten Element die größte Bedeutung zu. Bei allgemeinen Baustählen ist dieser insbesondere wegen der negativen Auswirkungen auf die Schweißeignung nur bis zu etwa 0,24% enthalten. Die Standardschiene der DB AG mit einer Mindestzugfestigkeit von 880 Nmm-2 muss einen C-Anteil von mindestens 0,55% besitzen (s. Tabelle 6.2). Die Zugfestigkeit lässt sich allerdings jenseits eines Anteils von 0,8% C nicht weiter steigern. Es ergäbe sich ein Gefüge mit Kohlenstoffausscheidungen, das zu spröden Brüchen neigt. Mit der Steigerung des Kohlenstoffan-
teils werden leider so wichtige Eigenschaften wie Kerbschlagzähigkeit, Bruchdehnung und Brucheinschnürung und eben auch insbesondere die Schweißeignung vermindert.
6.1.3 Eigenschaften des Schienenstahls Eisen ist mit 97% bis 98% das Grundelement des Schienenstahls. Das Gebrauchsverhalten und die Empfindlichkeit, also alle Merkmale des Werkstoffverhaltens, werden durch die restlichen 2 bis 3% der chemischen Bestandteile bewirkt, s. Tabellen 6.2 und 6.3. Zu nennen sind hier insbesondere Kohlenstoff „C“, Mangan „Mn“, Silizium „Si“, bei gezielter Veredelung zusätzlich durch Chrom „Cr“ und durch sehr geringe Beigaben im Wesentlichen von Molybdän “Mo“, Vanadin „V“ und Titan „Ti“. Zur Verbesserung des Verschleißverhaltens im Bereich der Fahrflächen- und Fahrkantenbereiche des Schienenkopfes bieten verschiedene Schienenhersteller kopfgehärtete Schienen (head hardening – HH Schiene) an. Durch Erwärmen auf 850–950 °C oder Nutzung der vorhandenen Wärme aus der Walzhitze und
Tabelle 6.2 Chemische Zusammensetzung und mechanische Eigenschaften von Schienenwerkstoffen (aus DIN EN 13674-1: 2003) Zugfestigkeit
10-4 % (ppm) max. O H
Rm MPa min.
Bruchdeh- Härte auf nung der Fahrfläche (Mittellinie) A % HBW min.
680
14
200 bis 240
770
12
220 bis 260
880
10
260 bis 300
880
10
260 bis 300
1 080
9
320 bis 360
1 175
9
350 bis 390
1 175
9
350 bis 390
Massenanteile in % Stahlsorte/Probe
R200
Schmelze Stück
R220
Schmelze Stück
R260
Schmelze Stück
R260Mn
Schmelze Stück
R320Cr
Schmelze Stück
R350HT
Schmelze Stück
R350LHT
Schmelze Stück
C
Si
Mn
0,40 bis 0,60 0,38 bis 0,62 0,50 bis 0,60 0,50 bis 0,60 0,62 bis 0,80 0,60 bis 0,82 0,55 bis 0,75 0,53 bis 0,77 0,60 bis 0,80 0,58 bis 0,82 0,72 bis 0,80 0,70 bis 0,82 0,72 bis 0,80 0,70 bis 0,82
0, 15 bis 0,58 0, 13 bis 0,60 0,20 bis 0,60 0,20 bis 0,60 0, 15 bis 0,58 0,13 bis 0,60 0, 15 bis 0,60 0, 13 bis 0,62 0,50 bis 1,10 0,48 bis 1,12 0, 15 bis 0,58 0,13 bis 0,60 0,15 bis 0,58 0,13 bis 0,60
0,70 bis 1,20 0,65 bis 1,25 1,00 bis 1,25 1,00 bis 1,25 0,70 bis 1,20 0,65 bis 1,25 1,30 bis 1,70 1,25 bis 1,75 0,80 bis 1,20 0,75 bis 1,25 0,70 bis 1,20 0,65 bis 1,25 0,70 bis 1,20 0,65 bis 1,25
P max. 0,035 0,040 0,025 0,025 0,025 0,030 0,025 0,030 0,020 0,025 0,020 0,025 0,020 0,025
S
Cr ≤ 0,15
Al max. 0,004
V max. 0,030
N max. 0,009
0,008 bis 0,035 0,008 bis 0,040 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,030 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,030 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,030 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,030 0,008 bis 0,025 0,008 bis 0,030
20
3,0
≤ 0,15
0,004
0,030
0,010
20
3,0
≤ 0,15
0,004
0,030
0,008
20
3,0
≤ 0,15
0,004
0,030
0,008
20
3,0
≤ 0,15
0,004
0,030
0,009
20
2,5
≤ 0,15
0,004
0,030
0,010
20
2,5
≤ 0,15
0,004
0,030
0,009
20
2,5
≤ 0,15
0,004
0,030
0,010
20
2,5
0,80 bis 1,20 0,75 bis 1,25 ≤ 0,15
0,004
0,18
0,009
20
2,5
0,004
0,20
0,010
20
2,5
0,004
0,030
0,009
20
2,5
≤ 0,15
0,004
0,030
0,010
20
2,5
≤ 0,30
0,004
0,030
0, 09
20
2,5
≤ 0,30
0,004
0,030
0,010
20
2,5
6.1 Schienenwerkstoff und Schienenprofile
Massenanteile in
311
312
6 Schienen und Schienenschweißen
Tabelle 6.3 Maximale Massenanteile an Begleitelementen in % (aus DIN EN 13 674-1: 2003) Stahlsorte
Mo
Ni
Cu
Sn
Sb
Ti
Nb
Cu + 10 Sn Sonstige
R200, R220, R260, 260 Mn R320Cr R350HT
0,02
0,10
0,15
0,030 0,020 0,025 0,01
0,35
0,02 0,02
0,10 0,10
0,15 0,15
0,030 0,020 0,025 0,01 0,030 0,020 0,025 0,04
0,35 0,35
R350LHT
0,02
0,10
0,15
0,030 0,020 0,025 0,04
0,35
Cr+Mo+Ni+Cu+V: 0,35 Ni+Cu: 0,16 Cr+Mo+Ni+Cu+V: 0,25 Mo+Ni+Cu+V: 0,20
Tabelle 6.4 Wasserstoffanteil in der Schmelze (aus DIN EN 13 674-1: 2003) Schmelzengruppe
Wasserstoffanteil in der Schmelze in 10-4 % (ppm) Stahlsorten R200 und R220 Sonstige Stahlsorten
1 2
≤ 3,0 > 3,0
≤ 2,5 > 2,5
Tabelle 6.5 Stahlsorten für Schienen (aus DIN EN 13 674-1: 2003) Stahlsorten (Schienengüten) Stahlsorte
Güte alt
Härtebereich HBW
R 200
700
200 bis 240
R220
800
220 bis 260
R260
900A
260 bis 300
R 260 Mn
900B
260 bis 300
R 320 Cr
1100
320 bis 360
R 350 HT
900A
350 bis 390
R 350 HT
900A
350 bis 390
R 350 LHT ./.
350 bis 390
HT = Kopfgehärtet LHT = Niedrig legiert Kopfgehärtet
Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl legierter Stahl (% Cr)
Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl wärmebehandelt Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl wärmebehandelt Kohlenstoff-Mangan (C-Mn) Stahl wärmebehandelt
Art der Walzzeichen
Zugfestigkeit Rm MPa min.
ohne Walzzeichen
680
________
770
____ ________ ________ ________ ________ ________ ________ ____ ________ _______
880 880 1080
1175
____ 1175 _______ HSH (HH) ____ 1175 ________ _______ ____
6.1 Schienenwerkstoff und Schienenprofile
313
geschweißt werden. Einen Überblick über die Stahlsorten für Schienen zeigt Tabelle 6.5.
anschließender gezielt beschleunigter Abkühlung auf 650–500 °C werden Schienen der Stahlsorte R 260 (Güte 900) mit einer Grundhärte von 280 HV an der Oberfläche auf eine Härte von 380 HV gesteigert. Kopfgehärtete Schienen weisen gegenüber Schienen der Regelgüte eine mehrfach verlängerte Lebensdauer auf. Der Übergangsbereich Kopf zum Steg sowie die Steg- und Fußbereiche bleiben im Ausgangsgefüge perlitisch mit vom C-Gehalt abhängigem Korngrenzenferrit und besitzen die dadurch bedingte Grundzähigkeit. Die Anteile der unerwünschten Begleitelemente Phosphor „P“ und Schwefel „S“ sind auf je 0,05% begrenzt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem ebenfalls unerwünschten Wasserstoff „H“ (s. Tabelle 6.4), dessen Löslichkeit und Diffusionsfähigkeit bei Verminderung der Temperatur abnimmt. Durch hohen „Wasserstoffdruck“ kann es dann zur Bildung von wasserstoffinduzierten Rissen kommen, die zu Schienenbrüchen führen. Der Schienenstahl muss deshalb wasserstoffarm erschmolzen oder entgast und wasserstoffkontrolliert
6.1.4 Das Gefüge des Schienenstahls Das metallische Gefüge eines Schienenstahls ist wesentliches Merkmal für sein Gebrauchsverhalten. Wird die Schiene einer Temperaturbehandlung ausgesetzt, so müssen die Zusammenhänge zwischen Temperatur, Abkühlgeschwindigkeit und Gefüge beachtet werden. Erläuterungen zum Thema Gefüge werden in dieser Abhandlung nicht gegeben. Das sind spezielle Themen der Stahlmetallurgie, die in der entsprechenden Fachliteratur behandelt werden. Die Komplexität dieser Materie kann u.a. durch die im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD) (Abb. 6.2) und in Zeit-TemperaturUmwandlungsdiagrammen (Schweiß-ZTU Diagramme) dargestellten Zusammenhänge erklärt werden.
Kohlenstoffgehalt in Atomprozent
1600 1536°C 1500
δ + γ-Mischkristalle
5,0
7,5
10,0
A
Fe3 C (Zementit) Schmelze
+
D
Schmelze -Mischkristalle
1200 -Mischkristalle (Austenit)
E´
1153°C
E
1147°C
1100
Schmelze + Primärzementit
C´
F´ F
C
1000 911°C 900
G
800
769°C
P´ P Ferrit + Perlit
700
γ-Mischkristalle u. Sekundärzementit O
γ-Mischkristalle u. Sekundärzementit + Ledeburit I
S´
738°C S
Perlit
Temperatur in °C
25,0
22,5 D´
N
1300
α-Mischkristalle (Ferrit)
20,0
17,5
15,0
I
H
1400 1392°C
γ-Mischkristalle und Ferrit
12,5
Schmelze + δ-Mischkristalle B 1493°C
600 500
K´
723°C Sekundärzementit + Perlit
Primärzementit + Ledeburit II
Sekundärzementit + Perlit + Ledeburit II
3
2
1
Q
Primärzementit + Ledeburit I
Ledeburit
δ-Mischkristalle
2,5
0
4
6
5
L
Kohlenstoffgehalt in Gewichtsprozent
0
10
20
30
40
50
60
Zementitgehalt in Prozent
Abb. 6.2 Das Zustandsschaubild Fe-C (metastabil)
70
80
90
100
7
314
6 Schienen und Schienenschweißen
6.1.5 Schienenherstellung Die Herstellung des Schienenstahls erfolgt in Europa ausschließlich nach dem Sauerstoffaufblasverfahren. Das angelieferte Roheisen wird gezielt auf die einzustellenden niedrigen Schwefelgehalte reduziert. Bei dem rechnergesteuerten Blasprozess wird reiner Sauerstoff von oben auf das Bad geblasen, während gleichzeitig inerte Rührgase von unten durch den Konverterboden zugeführt werden. Beim Abstich des Rohstahls erfolgt die Zugabe der Legierungselemente, wie z.B. Mangan und Chrom. Die anschließende pfannen- oder sekundärmetallurgische Behandlung der Schmelze wird mit Hilfe einer Umlaufentgasungsanlage durchgeführt. Die wesentlichen Aufgaben sind:
– Erreichen niedriger Wasserstoffgehalte, – Erzielung eines guten oxidischen Reinheitsgrades, – Einstellung einer gleichmäßigen chemischen Zusammensetzung.
6.1.6 Schienenformen (Schienenprofile) Das Schienenprofil wird unterteilt in Schienenkopf, Schienensteg und Schienenfuß. Die Schienenkopfunterseite und die Schienenfußoberseite sind schräg und bilden so die Laschenanlagefläche (Laschenkammer). Ein Schienenprofil (s. auch Abb. 6.3 und Tabelle 6.6) soll folgenden Anforderungen genügen: – Die Lauffläche soll genügend breit und so geformt sein, dass die Berührungsverhältnisse zwischen Rad und Schiene möglichst Abb. 6.3 Vignolschiene 54 E 2 (Quelle: TSTG Schienen Technik GmbH)
6.1 Schienenwerkstoff und Schienenprofile
315
Tabelle 6.6 Schienenprofile und ihre technischen Werte (Auswahl), (aus DIN EN 13 674-1: 2003)
Höhe Fußbreite Kopfbreite Kopfhöhe Querschnitt Gewicht Trägheitsmoment Trägheitsmoment Widerstandsmoment in Bezug auf Schienenoberfläche Widerstandsmoment in Bezug auf Fußunterseite Widerstandsmoment
–
–
–
–
–
S 49
S 54
UIC 60
UIC 54 E
h b bK hK As G IX IY WXO
mm mm mm mm mm2 Kg m-1 cm4 cm4 cm3
149 125 67 39,8 6297 49,43 1819 320 240
154 125 67 43,3 6947 54,54 2073 359 262
172 150 72 37,5 7686 60,34 3055 512,9 335,5
161 125 67 51,4 6856 53,82 2307 341 276
WXU
cm3
246
276
377
297
WY
cm3
51
57
68,4
55
günstig und die Flächenpressung möglichst klein werden. Der Kopf soll so hoch sein, dass ein ausreichender senkrechter Abnutzungsspielraum vorhanden ist im Hinblick auf eine lange Liegedauer der Schienen. Steg und Fuß müssen genügend dick sein im Hinblick auf ausreichende Tragfähigkeit und Biegesteifheit sowie auf Schwächung durch Korrosion. Der Fuß soll im Hinblick auf gute Standfestigkeit möglichst breit sein, damit die auf die Schwelle oder Unterlagsplatte ausgeübte Flächenpressung nicht zu groß wird. Das Widerstandsmoment der Schiene gegen Biegebeanspruchung soll groß sein, das heißt die Schienenhöhe muss möglichst groß sein, desgleichen der Kopf- und Fußquerschnitt im Vergleich zum Stegquerschnitt. Das Widerstandsmoment der Schiene gegen horizontale Kräfte quer zur Fahrtrichtung soll möglichst groß sein zur Erzielung ausreichender Seitensteifigkeit, das heißt der Schienenkopf und -fuß sollten eine optimierte Breite haben.
– Die Schiene soll möglichst standfest gegen Kippen sein, das heißt die Höhe darf gegenüber der Fußbreite nicht zu groß sein. – Aus statischen Gründen soll der Schwerpunkt der Querschnittsfläche etwa in halber Schienenhöhe liegen. – Die obere und die untere Begrenzung der Laschenkammer müssen in Übereinstimmung mit der Form der Stoßlaschen in bestimmter Weise gestaltet sein. – Aus walztechnischen Gründen und im Hinblick auf einen günstigen Spannungsverlauf im Schienenquerschnitt sollen alle Übergänge – besonders die Hohlkehlen der Laschenkammer – mit möglichst großen Halbmessern ausgerundet sein. Maßstab für Zweckmäßigkeit bzw. Wirtschaftlichkeit eines Profils sind die Standfestigkeitsund Nutzungszahl, Tabelle 6.7.
6.1.7 Walzlängen, Walz- und Prägezeichen Die Walzlängen der Schienen ergeben sich aus den technischen Möglichkeiten der Walzwerke. In Deutschland entwickelten sich die
316
6 Schienen und Schienenschweißen
Tabelle 6.7 Definition und Beispiele für Standfestigkeits- und Nutzungszahlen Definition Standfestigkeitszahl Nutzungszahl
Fußbreite Schienenhöhe Widerstandsmoment Metergewicht der Schiene
Schienenprofil S 49 S 54
UIC 60
0,84
0,812
0,872
4,79
4,80
5,56
Abb. 6.4 Walzzeichen (Quelle: TSTG Schienen Technik GmbH)
Walzlängen von 6,00 m (1880) über 12,00 m (1910), 18,00 m (1940), 30,00 m (1960), 60,00 m (1980) bis 120,00 m (ab 1999). Die Kennzeichnung der Schienen erfolgt am Steg durch Walzeichen (Werkzeichen, Jahreszahl, Schienenform, Zusatzzeichen für Stahlsorte, s. auch Abb. 6.4 und Tabelle 6.6), und Prägezeichen (Schmelzen- und Blocknummer, s. Abb. 6.5). Walzzeichen sind erhaben und erscheinen im Abstand max. 4 m, Prägezeichen sind vertieft und erscheinen im Abstand von max. 5 m auf der dem Walzzeichen gegenüberliegenden Stegseite.
6.1.8 Verwendung und Verschleißbeanspruchung von Schienen Rollt ein Rad über eine Schiene so entstehen verschiedene Spannungen, die je nach den Zuständen theoretisch abgeschätzt werden können. Es wirken jedoch nicht nur Normalkräfte, Querkräfte und Biegemomente, sondern im Bereich der Kontaktfläche auch Längskräfte, die durch Beschleunigen oder Bremsen weiter verstärkt werden. Diese Beanspruchungs- bzw. Spannungsarten kann man in drei Bereiche unterteilen: – Normalspannungen mit plastischer Verformung der Schienenoberfläche, – zusätzliche Längsspannungen an der Oberfläche,
6.2 Schienenschweißen
317
Abb. 6.5 Prägezeichen
– Zugeigenspannungen etwa 6–20 mm unter der Schienenoberfläche. Alle diese Beanspruchungen bewirken einen Verschleiß und rufen Schäden (Risse) an der Oberfläche und/oder im Inneren der Schiene hervor. Beanspruchungen der Schiene treten auch bei Verladung, Transport und Verlegung ein.
6.2 Schienenschweißen 6.2.1 Allgemeines Die Ausführung von Schweißarbeiten an Schienen fällt unter die Arbeiten „Schweißen am Oberbau“. Darunter sind Schweißarbeiten zu verstehen, die nach den besonderen, den Anforderungen des Eisenbahnoberbaus gerecht werdenden, Regeln und Richtlinien durch zugelassene Oberbauschweißbetriebe ausgeführt werden. Diese Regeln und Richtlinien tragen den verschiedenen Qualitäten der Schienenstähle Rechnung und machen ein fachgerechtes Arbeiten erst möglich.
In der Oberbauschweißtechnik unterscheidet man drei Einsatzgebiete: – Schienenverbindungsschweißung, – Schienenauftragschweißung und – Schweißen an sonstigen Oberbauteilen, z.B. Stahlschwellen, Rippenplatten, Laschen u.ä. Der Prozess der Schienenverbindungsschweißung kann in einem Schienenschweißwerk, auf einem speziellen Schweißplatz oder im Gleis ausgeführt werden. Die Auftragschweißung von Schienen und Weichengroßteilen geschieht im Gleis, ggf. auch auf einem Schweißplatz. Die Anwendung des Schienenverbindungsschweißens erstreckt sich auf folgende Anwendungsfelder: – Herstellung lückenloser Gleise und Weichen, – Vergrößerung der Länge von Einzelschienen, – Herstellung von Langschienen aus altbrauchbaren Schienen und Unterlängen, – Verbinden von Schienen unterschiedlicher Profile und Abnutzung, – Beseitigung von Schienenbrüchen, – Einschweißen von Isolierstößen und Ersatzschienen.
318
6 Schienen und Schienenschweißen
Die Bedeutung der Schienenschweißung für die Eisenbahnbahnen gegenüber der Schienenverbindung mit Schrauben und Laschen erklärt sich aus: – Reduzierung dynamischer Kräfte für Fahrbahn und Fahrzeug, – Verminderung des Verschleißes an Schienen und Rädern und damit Senkung der Kosten, – Verbesserung des Reisekomforts, – Vergrößerung der Fahrsicherheit und Erhöhung der Geschwindigkeit, – Reduzierung der Schallemission, – Verlängerung der Nutzungsdauer von Weichengroßteilen. Die Anwendung der Schienenauftragsschweißung erstreckt sich auf folgende Anwendungsfelder: – Regenerieren von Weichengroßteilen (z.B. Herzstücke) im Gleis, – Ausbessern von Schleuderstellen, Abblätterungen, Ausfahrungen und Fehlern. Die größten wirtschaftlichen Vorteile entstehen durch die Herstellung des lückenlos verschweißen Gleises und die Auftragschweißung von Weichenteilen. Die Schienenschweißung im Oberbau der Bahnen wird hauptsächlich mit folgenden Schweißverfahren ausgeführt: Verbindungsschweißverfahren – Abbrennstumpfschweißen (RA) – Gaspressschweißen (GP) Diese beiden Verfahren arbeiten ohne Schweißzusätze, d.h. im Schweißprozess wird Schienenmaterial verbraucht, eine Schiene verkürzt sich. – Aluminothermisches Gießschmelzschweißen (AS) – Lichtbogenschweißen (mit Stabelektrode E und Schutzgasschweißen MAG, auch mit selbstschützender Fülldrahtelektrode MF) Diese Verfahren arbeiten mit Schweißzusätzen, es wird eine Schweißlücke gefüllt.
Auftragschweißverfahren – Lichtbogenschweißen (mit Stabelektrode E und Schutzgasschweißen MAG, auch mit selbstschützender Fülldrahtelektrode MF). In Tabelle 6.8 sind die bei der DB AG zugelassenen Schweißverfahren (Ril 824.5510) aufgeführt. Alle auf der Baustelle hergestellten Schweißverbindungen sind mit einer Kennzeichnungsplakette zu versehen. Die Plakette muss z.Zt. enthalten: Firma und Ausführungsjahr, u.U. wird künftig noch die Zulassungsnummer des Schweißers gefordert. Im Weiteren wird nur über Schienenverbindungsschweißen ausgeführt.
6.2.2 Abbrennstumpfschweißen Abbrennstumpfschweißen zählt zu den Anwendungen der elektrischen Widerstandspressschweißung. Das Grundprinzip beruht auf der Anwendung des Joule’schen Gesetzes. Fließt durch einen elektrischen Leiter Strom, dann wird auf Grund des elektrischen Widerstands eine Arbeit geleistet, die in Wärmemenge umgesetzt wird. Q = I2 · R · t Q = Wärmemenge, [J] 1J = 1 Ws = 1VAs I = Elektrische Stromstärke [A] R = Elektrischer Widerstand [:] 1 : = 1V/1A t = Zeit [s] Die beiden Schienenenden werden in einer Schweißmaschine eingespannt. Der Schweißstrom wird in die zu verschweißenden Schienenenden geführt. Die Stromstärke wird möglichst hoch gewählt während die Spannung so bemessen wird, dass sie für die Überwindung der Widerstände ausreicht. Die für das Abbrennstumpfschweißen von Schienen eingesetzten Maschinen sind i.d.R. für Stromstärken von 40 000 bis 100 000 A und für Spannungen von 6 bis 15 V ausgelegt.
6.2 Schienenschweißen
319
Tabelle 6.8 Bei der DB AG zugelassene Schweißverfahren (in Anlehnung an Ril 824.5510) 1
2
3
4
5
6
Bahnanlagen
Durchgehende Hauptgleise
Leitgeschwindigkeit >km h-1@
< 300 ≥ 230
< 230 ≥ 160
< 160 ≥ 120
RA-mobil
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
AS-SKV
zul.
zul.
zul.
zul.
AS-SmW-F/SoWoS
xxxx
xxxx
xxxx
AS-SKV-L
1
1
AS-LSV
1
E-Hand (einschl. Schutzgasschweißen MF) Übergangsschweißung
7
9
10
Sonstige Hauptgleise
Nebengleise
< 80
–
–
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
xxxx
zul.
zul.
zul.
zul.
zul.
1
1
1
1
1
1
1
2
2
2
2
2
2
2
2
xxxx
3
3
3
3
3
3
zul.
zul.
xxxx
4
4
4
4
4
4
4
5
< 120 ≥ 80
8
Schweißverfahren
Erläuterung: zul. = zulässig; Ziffer = Einschränkung; xxxx = nicht zulässig 1) Einzelschweißungen zur Beseitigung von Schienenbrüchen und -schäden sowie zum Auswechseln von Weichengroßteilen 2) Verschweißen von aufgelösten Isolierstößen sowie Laschenstößen 3) In Gleisen und Weichen, wenn AS-Verfahren aus konstruktiven Gründen nicht möglich ist und bei Bauzuständen 4) Übergangsschweißungen (zwischen zwei Schienen verschiedener Form) werden im Schweißwerk im RA-Verfahren gefertigt. In Weichen darf aus konstruktiven Gründen die Übergangsschweißung im AS-Verfahren hergestellt werden. 5) Sind im AS-Verfahren als Baustellenschweißung auszuführen
Nach dem Joule’schen Gesetz wird dort die meiste Wärme erzeugt wo der Widerstand am größten ist. Da sich die aneinanderstoßenden Stirnflächen der Schienen nur mehr oder weniger punktförmig berühren, bewirkt der hohe Übergangswiderstand die erwünschte schnelle und hohe Erwärmung der Schienenenden. Der allgemeine Verfahrensablauf ist in Abb. 6.6 dargestellt. Die Schweißmaschinen sind eine Kombination von Elektro- und Werkzeugmaschine. Zum Einsatz kommen für das Schienenschweißen stationäre und mobile Abbrennstumpfschweißmaschinen. Sie werden unterschieden nach Gleich- und Wechselstrommaschinen und ergeben jeweils charakteristische
Unterschiede in der Wärmeeinflusszone (WEZ). Die WEZ der Gleichstrom-Maschinen hat im Kopf-, Steg- und Fußbereich nahezu die gleiche Breite, während bei WechselstromMaschinen die WEZ im Kopf- und Fußbereich etwas breiter ausgeprägt ist. Die Gebrauchseigenschaften der Schweißung sind bei beiden Maschinentypen gleich. Bei den stationären Maschinen unterscheidet man ferner nach Schweißmaschinen in offener Bauweise (C-Bauweise) und geschlossener Bauweise (Tunnel-Bauweise). Die mobilen Schweißmaschinen sind immer Maschinen geschlossener Bauweise. Die stationären und mobilen Abbrennstumpfschweißmaschinen bestehen aus ver-
320
6 Schienen und Schienenschweißen
Abb. 6.6 Allgemeiner Verfahrensablauf des Abbrennstumpfschweißens (aus: Fügetechnik- Schweißtechnik, DVS-Verlag)
schiedenen Baugruppen, die je nach ihrem spezifischen Einsatz baukastenmäßig angeordnet sind. Alle Spann- und Stauchelemente werden hydraulisch betrieben. 6.2.2.1 Abbrennstumpfschweißen von Schienen Der Vorgang des Abbrennstumpfschweißens (auch von Schienen) läuft grundsätzlich in folgenden Phasen ab, s. Abb. 6.6: – Planbrennen – Vorwärmen – Abbrennen – Fügen durch Stauchen – Nachwärmen durch Stoßglühen – Nachstauchen. Beim Schienenschweißen werden die ersten vier Phasen grundsätzlich realisiert. Planbrennen (nicht bei Neuschienen) Bei der Verarbeitung altbrauchbarer Schienen, insbesondere wenn die Stoßflächen brenngeschnitten sind, müssen diese vor dem eigentlichen Schweißvorgang geebnet werden. Das geschieht bei hoher Stromstärke durch Planbrennen.
Vorwärmen In der Phase der Vorwärmung werden die Schienenenden 20 bis 40 mal miteinander in Berührung gebracht. An den Berührungspunkten entsteht jedes Mal ein KurzschlussStrom, der durch Stromstärken bis zu 100 kA eine augenblickliche hohe punktförmige Erwärmung des Schienenwerkstoffes bis zur Schmelztemperatur bewirkt. Bei Schweißmaschinen mit Reversierbetrieb werden die Fügeteile mittels Kontaktkraft zusammengefahren und der Schweißstrom eingeschaltet. Über den Kontaktwiderstand der Fügestelle und den Stoff widerstand der freien Werkstückenden erwärmen sich die Teile. Die Strompausenzeit während des Reversierens wird zum Wärmeausgleich in axialer Richtung genutzt. Ist der für den Fügevorgang benötigte Temperaturgradient erreicht, wird die nächste Phase (Abbrennen) eingeleitet. Bei Maschinen mit kontinuierlichem Abbrand werden andere Effekte genutzt. Beide Bauteile nähern sich stetig. Ein Regelmechanismus hält den fließenden sekundären Schweißstrom über die Vorschubgeschwindigkeit konstant. Der Aufbau des Wärmegradien-
6.2 Schienenschweißen
ten erfolgt durch Wärmeleitung von der Fügestelle aus. Bei den meisten der für das Schienenschweißen verwendeten Maschinen dauert das Vorwärmen 70 bis 120 Sekunden. Beim Schweißen von verschleißfesten Schienen ist die Vorwärmzeit etwa 10 s länger als bei Regelgüten. Abbrennen Beim stetigen Abbrennen wird die erforderliche Gleichmäßigkeit, Eindringtiefe und Höhe der Erwärmung erreicht, ehe der eigentliche Fügeprozess beginnt. Beim Einsetzen der Progression zum Ende des Abbrennvorgangs wird die Vorschubgeschwindigkeit und in Abhängigkeit davon der Abbrennstrom erhöht. Ziel ist, schädliche Oxidansammlungen in der Schweißnaht zu vermeiden. Der Abbrennweg beträgt ca. 10 bis 20 mm. Moderne Maschinen arbeiten ausschließlich mit Progression. Der Stauchschlitten macht hierbei 20 bis 40 Pendelbewegungen pro Minute beim Reversieren. Es werden Schlittengeschwindigkeiten von 2 bis 3 mm s-1 erreicht. Beim Abbrennen berühren sich die einzelnen Punkte der Schweißflächen nicht mehr so satt wie beim Vorwärmen. Einen entscheidenden Einfluss auf die Güte einer Abbrennstumpfschweißung hat der Zustand der Schienenstirnflächen unmittelbar vor dem Stauchen. Beim Herausschleudern des flüssigen Werkstoffs bilden sich Unebenheiten (Krater) auf diesen Flächen. Große Krater führen zu mangelhaften Verbindungen mit Linsen, Mattstellen und Oxydeinschlüssen. Die Ausbildung der Unebenheiten hängt wesentlich von der Höhe der Spannungsamplitude während des Abbrennens ab. Ist die Spannung hoch, entstehen große Funken und tiefe Krater, gewünscht werden jedoch feine, gleichmäßige Funken und nicht so tiefe Krater da sich eben in tiefen Kratern Einschlüsse bilden können. Die Qualität der Schweißung wird somit direkt von der elektrischen Charakteristik der Schweißmaschine beeinflusst.
321
Das Abbrennen nimmt etwa 6 bis 10 s in Anspruch. Der Schlitten bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 0,6 bis 2 mm s-1. Fügen durch Stauchen Das Fügen erfolgt mittels Stauchen. Wesentliche Parameter sind – Stauchgeschwindigkeit und – Stauchkraft. Nach dem gleichmäßigen Erwärmen der Schienenenden durch Vorwärmen und Abbrennen wird das auf den Stauchschlitten gespannte Schienenende schlagartig mit dem Stauchdruck beaufschlagt. Durch die Stauchkraft (Stauchspannung bis 70 N mm-2) werden die verbrannten und überhitzten Werkstoffteilchen aus der Fügestelle herausgepresst und die Schienen zusammengefügt. Die Stauchgeschwindigkeit ist ein Vielfaches der Abbrenngeschwindigkeit und soll möglichst mehr als 30 mm s-1 betragen. Dadurch soll der Zugang von Sauerstoff zur Fügestelle verhindert werden, da im Moment des Stauchens der Schweißstrom abgeschaltet ist und damit der schützende Gasmantel zusammenfällt. Nachwärmen Schienen der Sondergüte werden im Schweißbereich mit konstantem Strom oder Stromimpulsen nachgewärmt um die Abkühlungsgeschwindigkeit zu reduzieren und dadurch spröde Gefügeanteile weitgehend zu verhindern oder auch Vergütungseffekte zu erzielen. Nachstauchen Bei neueren Schweißmaschinen kann auch ein zweiter Stauchschlag erfolgen. Ziel des zweiten Stauchvorgangs ist eine Gefügeverbesserung ähnlich der Kaltverfestigung. Eine maßgebliche Größe für die Beurteilung einer RA-Schweißung ist die „Zuordnung von Mindestdurchbiegung zu Mindestbruchkraft“, s. Tabelle 6.9, sowie die verfahrensbezogene Biegeschwellfestigkeit, s. Tabelle 6.10.
322
6 Schienen und Schienenschweißen
Tabelle 6.9 Zuordnung von Mindestdurchbiegung zu Mindestbruchkraft (nach BN 918 255) Schienenprofil
Mindestdurchbiegung (mm) für Schienenfestigkeit 700 N/mm2 bis 900 N/mm2 1100 N/mm2 und höher
Mindestbruchkraft (kN)
UIC 60, S 54 S 54 S 49, S 41 Länderformen
20 25 30 20
1350 950 800 700
16 18 14 bes. Festlegung
Tabelle 6.10 Verfahrensbezogene Biegeschwellfestigkeitsgrenzwerte (nach BN 918 255) Schweißverfahren
VO (Oberspannung) [N/mm2]
VU (Unterspannung) [N/mm2]
Abbrennstumpfschweißen Aluminothermisches Schweißen Lichtbogenschweißen
280 220 200
6 6 6
6.2.3 Gaspressschweißen Ein weiteres Verfahren, welches ohne Schweißzusatz und Schweißlücke arbeitet, ist das Gaspressschweißen. Es hat vornehmlich in Japan eine breite Anwendung gefunden. Beim Prozess der Gaspressschweißung werden die zu verschweißenden Schienenenden vor dem Schweißbeginn zusammengepresst. Dieser Pressdruck wird bis zum Ende des Schweißprozesses konstant gehalten. Zur Erwärmung wird eine Sauerstoff-Acetylen-Flamme benutzt, wobei die maximale Schweißtemperatur zwischen 1200 und 1300 °C liegt. Anders als bei herkömmlichen Schweißverfahren werden also die zu verschweißenden Teile verbunden ohne sie zu verschmelzen. Es findet an den Verbindungsflächen durch das Erhitzen über die Rekristallisationstemperatur und eine plastische Verformung durch den Pressdruck eine Umordnung der Atome statt. Da beim Gaspressschweißen keine Verflüssigung des Schweißgutes eintritt, ist es erforderlich mit größter Sorgfalt zu arbeiten, um Einschlüsse (Verschmutzung, Rost, Oxyde) zu vermeiden. Im Wesentlichen sind folgende
Punkte zu beachten, um die Vorteile des Verfahrens zu nutzen: – Beseitigung von Verschmutzung, Rost u. dgl., – Plan-Schleifen der Verbindungsflächen mit hoher Parallelität, – gleichmäßiges Erhitzen des gesamten Querschnitts mit einer gut gesteuerten Gasflamme um Überhitzung und Verbrennungen zu vermeiden, – hydraulisches Nachrichten des Schweißstoßes. Gaspressschweißen ist im stationären und im mobilen Bereich anwendbar. In beiden Anwendungsfällen ist das Gerät ähnlich. Es besteht aus: – Gasflaschen mit Druckminderer und einer Gassteuereinheit, – hydraulischer Druckeinheit mit Gasbrenner (Schweißkopf), – hydraulischer Steuereinrichtung, – hydraulischer Abschervorrichtung, – hydraulischer Richtvorrichtung zum Nachrichten, – Stromerzeuger zum Antrieb der Hydraulikeinrichtungen.
6.2 Schienenschweißen
Für die Ausführung einer Gaspressschweißung werden zwei Schweißer und eine Hilfskraft (für den Gleiskraftwagen) benötigt. Besondere Sorgfalt ist beim Abschervorgang und beim Nachrichten der Schweißung geboten. Hier besteht aufgrund der Wärmebedingungen Gefahr von Rissen im Fußbereich.
6.2.4 Aluminothermisches Gießschmelzschweißen von Schienen Das Aluminothermische Schienenschweißen (Aluminothermische Gießschmelzschweißung, AS-Schweißung, s. Abb. 6.7) ist im Oberbau der Bahnen schon seit 1928 in Anwendung und wird ständig fortentwickelt. Charakteristisch für das AS-Schweißen sind – die Schweißlücke, – die Schweißform, – die Schweißportion, – der Schweißtiegel, – der Tiegelverschluss, – die Geräteausrüstung. Die Standardlücke beträgt je nach Verfahrensvariante 24 mm bis 26 mm. Für besondere Fäl-
323
le (Reparaturen) ist eine Lücke von 50 mm oder 75 mm möglich. Die Schweißform ist eine nach Gießereistandard vorgefertigte Sandform. Sie wird vom Verfahrensanbieter für alle gängigen Schienenprofile angeboten. Die Schweißportion ist herstellertypisch konfektioniert und wird für alle gängigen Schienenprofile und Schienenstahlsorten angeboten. (s. Tabelle 6.11) Für kopfvergütete Schienen werden nachvergütungsfähige Schweißportionen angeboten. Die Schweißportionen müssen zugelassen sein. Die Schweißtiegel werden vom Verfahrensanbieter als Mehrfachtiegel oder Einmaltiegel angeboten. Die Mehrfachtiegel lassen bis zu 20 Schweißungen zu. Der Tiegelverschluss wird als ATS (Automatischer Tiegel Stöpsel) in den Mehrfachtiegel eingesetzt. Im Einwegtiegel ist der Tiegelverschluss integriert. Von den Verfahrensanbietern werden folgende Varianten angeboten (Auswahl): SKV Schweißen mit kurzer Vorwärmung SoWoS Schweißen ohne Wulst und ohne Stegeinlauf SmW-F Schweißen mit Wulst – flach SkV-L Schweißen mit kurzer Vorwärmung (große Lücke) LSV Laschenloch-Schweißverfahren
Abb. 6.7 Schnellschweißverfahren mit Kurzvorwärmung SkV-F (Quelle: Fa. Elektro-Thermit, Halle)
324
6 Schienen und Schienenschweißen
Tabelle 6.11 Beispiel für Schweißportionen Beispiel für eine Schweißportion
Kennzeichnung auf der Verpackung
Portionsbezeichnung
Schiene: Güte: Verfahren:
60 90 SkV
60/Z 90 SkV
SRE SRZ
UIC 60 900 A SKV
Schienenrillenschweißen mit Einsatz Schienenrillenschweißen-Zwischenguss.
Anders als beim Abbrennstumpfschweißen wird hier eine Schweißlücke mit einem Schweißzusatz, der Schweißportion, die in einem Tiegel gezündet und geschmolzen wird, gefüllt. Das geschieht in einer Schweißform nach festgeschriebenen Arbeitsregeln. Da trotz der fortgeschrittenen Verfahrensentwicklung der handwerkliche Einfluss des Schweißers noch relativ groß ist, gilt der Minimierung dieses Einflusses die ganze Aufmerksamkeit der Verfahrensanbieter. AS-Schweißungen dürfen nur in gesperrten Gleisen ausgeführt werden. Bei Schienentemperaturen unter –3 °C sind besondere Anweisungen zu beachten. Kopfgehärtete Schienen und Schienen der Stahlsorte 320 Cr benötigen nach dem Schweißprozess Entlastungswärme um Schrumpfspannungen entgegenzuwirken (Warmrissgefahr). Kopfgehärtete Schienen sind mit Schweißportionen zu verschweißen die nachvergütet werden können. Hierzu ist besonderes Gerät erforderlich. Die zu verschweißenden Schienen werden in der Schweißform mit einem Propan-Sauerstoff-Gemisch vorgewärmt. Die Druckeinstellung der Gase ist wichtig (Propan: 1,5 bar, Sauerstoff: 5,0 bar). Die Vorwärmzeit von 60 bis 90 Sekunden (bei feuchtem und kaltem Wetter bis 120 s) je nach Schienenprofil ist zu kontrollieren. In Gleisen mit Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) wird eine Ultraschallprüfung der ausgeführten Schweißungen nach Prüfrichtlinie gefordert.
Entwicklungsfortschritte in Form eines Einwegtiegels mit integrierter Schweißportion und automatischem Tiegelverschluss, der sich nach Abschluss der Reaktion der Schweißportion selbsttätig öffnet sowie eine deutlich verbesserte Schweißform zeigen, dass die ASSchweißung allen Anforderungen genügt. Eine neue Schweißportion, die den Anspruch einer Zweikomponentenschweißung erfüllen wird, nämlich im Schienenkopf ein Gefüge, das dem der kopfgehärteten Schiene und im Schienenfuß ein Gefüge mit bainitischen Eigenschaften (also guter Zähigkeit) erfüllt, ist ein weiteres Ziel der Verfahrensanbieter. Unverzichtbare Voraussetzung für gute Qualität der AS-Schweißung sind gründlich ausgebildete, geprüfte und zertifizierte Schweißer.
6.2.5 Lichtbogenschweißen von Schienen Als Lichtbogenschweißverfahren werden im Gleis die Lichtbogenhandschweißung mit Stabelektrode (E) und Schutzgasschweißen mit selbstschützender Fülldrahtelektrode (MF) und im Werk neben diesen auch noch die gängigen Schutzgasschweißverfahren (MAG) angewendet. Im Gleis wird die Lichtbogenhand-Schweißung vornehmlich für die Schienenauftragschweißung aber auch für die Schienenverbindungsschweißung in weniger belasteten Gleisen eingesetzt. Für die Anwendung der Lichtbogenschweißung sind eine Reihe Kriterien unverzichtbare Voraussetzung. Diese sind: – Die Schweißzusätze (Elektroden, Fülldrähte) müssen zugelassen sein (Zertifikat). Sie müssen trocken gelagert und vor der Verar-
6.3 Schienenschleifen
325
Tabelle 6.12 Vorwärmtemperatur beim Lichtbogenhand-Schweißen von Schienen Stahlsorte
Güte
Vorwärmtemperatur (°C)
Bemerkung
R 220 R 260 R 320 Cr
800 900 1100
300 400 500
Vorwärmen je 100 mm rechts und links, sowie je 500 mm handwarm
beitung im Trockenofen vorgetrocknet werden. Der Schienenwerkstoff muss in Abhängigkeit von der Stahlsorte vor Beginn des Schweißprozesses vorgewärmt werden (s. Tabelle 6.12). Während des Schweißprozesses ist die Wärmeführung mit geeigneten Mitteln zu kontrollieren. Das gilt insbesondere für die Fülldrahtverbindungsschweißung. Die vorgeschriebene Schweißlücke von 18 mm für die Verbindungsschweißung muss eingehalten werden. Die Verwendung geeigneter Kupferbacken für die Schweißbadsicherung im Fuß- und Stegbereich bei der Schienenverbindungsschweißung. Auftragschweißungen an Zungen und beweglichen Herzstückspitzen sind verboten.
jedoch sehr stark von der Handfertigkeit des Schweißers abhängig ist, verzichtet die DB AG aus Sicherheitsgründen auf die Anwendung in höher beanspruchten Gleisen. Bei der Regenerierung (Auftragschweißung) abgefahrener Weichengroßteile (insbesondere Herzstücke) hat die Lichtbogenschweißung große Vorteile. Insbesondere die Auftragschweißung stellt eine Verknüpfung von oberbautechnischen und schweißtechnischen Maßnahmen dar. Die Schweißer müssen deshalb sowohl schweißtechnisch als auch oberbautechnisch gründlich ausgebildet sein.
Die Anwendung der Lichtbogenschweißung mit selbstschützender Fülldrahtelektrode (MF) hat aufgrund der höheren Abschmelzleistung gegenüber der Stabelektrode an Bedeutung gewonnen. Bei der Verbindungsschweißung verlangt die Anwendung jedoch aufgrund der engen Schweißlücke (Engspaltschweißung) eine noch höhere Handfertigkeit des Schweißers. Als Schienenverbindungsschweißung hatte die Lichtbogenhand-Schweißung mit der Stabelektrode in der Vergangenheit eher eine geringe Bedeutung. Mit der Entwicklung und Zulassung einer selbstschützenden Fülldrahtelektrode für die Schienenwerkstoffe hat sich das verändert, da dieses Verfahren kostenmäßig gegenüber dem RA-Verfahren und dem AS-Verfahren durchaus Vorteile hat. Da es
Für das Beseitigen von durchgehenden Unebenheiten auf der Fahrfläche der Schienen und an den Seitenflanken des Schienenkopfes stehen prinzipiell drei Grundverfahren zur Verfügung: – Schleifen, – Fräsen, – Hobeln.
–
–
–
–
–
6.3 Schienenschleifen 6.3.1 Allgemeines
Alle drei Verfahren sind Techniken der Schieneninstandsetzung von denen hier nur das Schleifen behandelt wird und zwar Schleifen von – neuen Schienen und – punktförmiges Schleifen als Fertigbearbeitung der Schweißstellen.
326
6 Schienen und Schienenschweißen
6.3.2 Neuschienenschleifen Neuschienenschleifen wird mit gleisgebundenen selbstfahrenden Schleifmaschinen verschiedener Wirkungsweise ausgeführt. Als Schleifkörper kommen bei den selbstfahrenden Schleifmaschinen – rotierende Schleifscheiben als Topfscheiben, – rotierende Schleifscheiben als zylindrische Scheiben oder – starre oder oszillierende Rutschersteine zum Einsatz. Neue Schienen haben im Bereich der zulässigen Walztoleranzen Fehler die in Größenordnungen von 0,01 mm liegen. Sie rufen ebenso wie vorhandener Walzsinter, der nicht gleichmäßig auf der Fahrfläche verteilt ist, Mikrounebenheiten hervor. Zur Gewährleistung eines ständigen elektrischen Kontaktes zwischen Rad und Schiene sofort nach der Verlegung ist Neuschienenschleifen eine bewährte Methode. Ohne Schleifen ist dieser Kontakt erst nach einer bestimmten Belastungshäufigkeit sicher gegeben. Neuschienenschleifen verzögert außerdem die Bildung von Riffeln und Wellen. Die Bearbeitung der Neuschienen kann die Zeit bis zur ersten Riffelbearbeitung verdoppeln. (s. auch Abschn. 6.4). Der Materialabtrag beim Einsatz rotierender Schleifkörper beträgt pro Überfahrt zwischen 0,02 und 0,15 mm je nach Anzahl der eingesetzten Schleifeinheiten und der Maschinenparameter. Der Materialabtrag beim Einsatz von starrem Rutscherstein beträgt 0,01 bis 0,05 mm und bei oszillierenden Rutschersteinen 0,03 mm bis 0,07 mm. Die DB AG hat in ihrer Richtlinie für die Bearbeitung von Neuschienen (Ril 824.4010) folgende Gründe für die Bearbeitung von Neuschienen genannt: – Beseitigung der randentkohlten Schicht (Walzhaut), – Beseitigung von Beschädigungen aus Baustellenbetrieb,
– Herstellen des durchgehenden Schienenkopfsollquerprofils, – Verlängerung der Bearbeitungsintervalle (verzögerte Fehlerbildung), – Beseitigung von Ausrichtfehlern an Baustellenverbindungsschweißungen.
6.3.3 Schleifen von Schweißungen Schleifen als Bearbeitung der Verbindungsschweißung wird auf der Baustelle mit handgeführten Schienenkopfschleifmaschinen betrieben, im Schweißwerk zunehmend auch mit Schleifautomaten. Die bearbeitete Länge der Schleifstelle bei der Schweißung beträgt sowohl auf der Baustelle als auch im Werk 0,60 bis 1,00 m. Bei den handgeführten Schienenkopfschleifmaschinen kommen ausschließlich Topfscheiben, bei den Schleifautomaten Topfscheiben oder auch Schleifbänder zum Einsatz.
6.4 Fehler und Schäden an Schienen und Schienenschweißungen 6.4.1 Allgemeines Schienenfehler ist der Oberbegriff für alle Abweichungen der Maße und Eigenschaften die bei der Herstellung von Schienen und Schienenschweißungen (Herstellungsfehler), bei Transport, Lagerung und Verlegen der Schienen (Transportschäden, Verlegeschäden) und beim Gebrauch (Verschleißschäden) entstehen. Fehler werden unterschieden in äußere (visuell erkennbare) und innere (zerstörungsfrei erkennbare) Fehler. Nicht alle Fehler können visuell oder zerstörungsfrei erkannt werden. Nicht erkannte Fehler können zum Versagen (Bruch) führen und müssen im Nachgang schadensanalytisch untersucht werden. Zu diesem Thema kann auf diverse, immer wie-
6.4 Fehler und Schäden an Schienen und Schienenschweißungen
der aktualisierte Veröffentlichungen zurückgegriffen werden.
6.4.2 Schienenfehler, Übersicht Fehler bei der Schienenstahlerzeugung – Metallurgische Fehler – Chemische Zusammensetzung Fehler bei der Schienenherstellung – Walzfehler, warm – Walzfehler, kalt Fehler beim Schienentransport und bei der Schienenverlegung – Verquetschungen – Schlagstellen (Dellen, Kerben) – Verbiegungen (x-/y-Achse) Fehler bei der Schienenverarbeitung und aus dem Betrieb – Schweißfehler – Bearbeitungsfehler (Bohren, Fräsen, Schleifen) – Oberflächenfehler Die Lage eines Fehlers wird i. Allg. wie folgt beschrieben: Fehler können am Schienenende, in der Schienenmitte oder im Einflussbereich einer Verbindungsschweißung (200 mm, Schweißung mittig) liegen. Weiterhin wird unterschieden ob sich der Fehler im Schienenkopf, im Schienensteg oder im Schienenfuß befindet. Eine weitere Beschreibung ist die Lage im Gleis, also – linke oder rechte Schiene, – Bogeninnen- oder Bogenaußenschiene oder an der – Schienenkopf-Fahrkantenseite oder Schienenkopf-Außenseite. Fehler sind punktförmig, flächig oder ganzheitlich (als Verschleiß) verteilt.
327
Brüche sind Fehler in der extremsten Form, bei denen die Schiene ihren Aufgaben als Träger, Fahrbahn und Spurführungselement nicht mehr gerecht werden kann.
6.4.3 Beschreibung der Schienenfehler Die Schienenhersteller haben jeweils ein internes Qualitätssicherungsmanagementsystem bei dem die Schienen von der Walze bis zur Zurichtung kontrolliert werden. Die Schiene durchläuft in folgender Reihenfolge die jeweiligen Prüfstellen: – Geradheitsmessung, – Oberflächenprüfung, – Höhenmessung, – Innenfehlerprüfung. Die bei diesen Prüfungen festzustellenden Fehler und ihre Ursachen und Indikatoren sind nachfolgend beschrieben. Warmfehler entstehen entweder direkt an der Walze, auf dem Weg bis zum Warmbett oder auf dem Warmbett. Warm eingebrachte Fehler erkennt man daran, dass sie im Grund korrodiert sind und in vielen Fällen eine Walzhaut besitzen. Warmfehler sind weitaus weniger gefährlich als Kaltfehler, da bei ihrer Entstehung keine Kaltverfestigung stattfindet. Durch Warmfehler wird das Material zwar äußerlich beschädigt, sie sind aber in den meisten Fällen nicht bruchauslösend. In den Walzwerken sind 90% der herstellungsbedingten Fehler Warmfehler. Kaltfehler entstehen in den Aggregaten der Zurichtung, also ab der Rollenrichtmaschine an erkalteten Schienen. Kaltfehler erkennt man daran, dass ihr Grund metallisch glänzend ist. Bei ihrer Entstehung findet eine Kaltverfestigung des Gefüges statt, d.h. die Härte steigt in diesem Bereich stark an und das Material wird an dieser Stelle spröde. Durch diese kalt einge-
328
6 Schienen und Schienenschweißen
brachten Fehler können Brüche ausgelöst werden. Wenn Kaltfehler geschliffen werden, wird grundsätzlich nach dem Schleifen eine Härteprüfung durchgeführt um sicherzustellen, dass das Material an keiner Stelle aufgehärtet ist. Fehler durch Beschädigung im Betrieb werden unterteilt in – äußere, also sichtbare, und – innere Fehler. Äußere Fehler entstehen insbesondere durch unsachgemäße Handlungen beim Transport, bei der Entladung, bei der Lagerung auf der Baustelle, vor dem bzw. bei dem Einbau selbst sowie durch Verschleiß, Rollkontakt und Radschlupf während des Betriebes. Die Folge äußerer Fehler ist die Zerstörung der glatten stoßfreien Fahrbahn und häufig der Bruch der Schiene durch die punktuelle Kaltverfestigung an der Schädigungsstelle. Schwingungen, die Lärmemission und/oder Gleisschäden hervorrufen sind die Folge dieser Fehler der Fahrfläche. Innere Fehler entstehen u.a. durch Überbelastung und/oder Ermüdung. Innere Fehler führen zur Zerstörung der Gefügestruktur, zum Bruch und damit zur Gefährdung des Eisenbahnbetriebes, weil Spurführung und Trägerfunktion nicht mehr gewährleistet sind. Folgende betriebsbedingte Fehlerarten treten mehr oder weniger häufig auf: Riffeln sind regelmäßige, periodische Unebenheiten auf der Schienenoberfläche. Sie sind durch eine Aufeinanderfolge glänzender Wellenberge und dunkler Wellentäler gekennzeichnet. Der Abstand der Wellenberge beträgt etwa 3 cm bis 8 cm. Die Tiefe der Wellentäler beträgt 0,02 bis 0,4 mm (andere Angaben: 1 bis 8 cm Abstand, 0,01 bis 0,4 mm Tiefe). Die hellen Wellenberge, die sich allmählich herausbilden, haben eine größere Härte als der Grundwerkstoff. Gemessen wurden Werte Grundwerkstoff/Riffelberg von 260 HV/ 480 HV.
Diese Schichten, die auch teilweise den dreifachen Härtewert des Grundwerkstoffs erreichen können, sind von senkrechten Rissen und Ausbrüchen durchsetzt. Es wirken sehr große Kräfte. Die gegenüber dem Grundmaterial umgewandelten Schichten werden als „weiße Schichten“ bezeichnet. Riffeln treten überwiegend in geraden Gleisabschnitten aber auch in Gleisbögen mit größeren Bogenhalbmessern auf. Kurze Wellen (Schlupfwellen) sind wellenförmige periodische Unebenheiten der Fahrfläche mit einer Wellenlänge von 30 bis 300 mm. Die Tiefe beträgt etwa 0,1 bis 1,0 mm. Sie treten überwiegend in Gleisbogenhalbmessern < 800 m und am inneren Strang auf. Im Gegensatz zu Riffeln treten keine umgewandelten „weißen Schichten“ auf. Metallographische Untersuchungen zeigen starke plastische Deformationen und flache Oberflächenrisse. Es handelt sich also um einen Verschleißvorgang (Relativbewegung inneres/ äußeres Rad). Schleuderstellen Das Schleudern einer Triebachse verursacht die Bildung eines selbstgehärteten Flecks mit ovalem Umriss (s. UIC Schienenfehlerkatalog, Fehlernummer 2251). In Anfahr- und Bremsabschnitten, oder an Stellen, an denen Triebfahrzeuge häufig schleudern, kann die Fahrfläche ein charakteristisches Aussehen annehmen (Netzrisse, Fehlernummer 2252). Eindrückungen auf dem horizontalen Teil der Fahrfläche können sich periodisch entsprechend dem Umfang des verursachenden Rades wiederholen und eine runde Form haben (Kugeleindruck), oder völlig regellos geformt sein entsprechend dem in das Rad eingedrückten Fremdkörper. Head checks treten als feine, schräg verlaufende Risse im Fahrkantenbereich von Bogenaußenschienen
6.4 Fehler und Schäden an Schienen und Schienenschweißungen
329
Abb. 6.8 Head Checks an Schiene der Güte 900 A (Quelle: DBAG Systemtechnik, TZF 61)
Abb. 6.9 Squat (Quelle: DBAG Systemtechnik, TZF 61)
auf (Abb. 6.8). Der Rissabstand beträgt 1 mm bis mehrere mm, die Risstiefe beträgt wenige Zehntel Millimeter, manchmal jedoch auch bis in eine Tiefe von 2 mm. Squats treten auf der Fahrfläche und an der Fahrkante von Schienen im geraden Gleis und in Bögen mit Radien > 1000 m auf. Sie zeigen sich zunächst als schwarze Punkte, die sich vergrößern und von deren Grund relativ flach verlaufende Risse ausgehen. In fortgeschrittenem Zustand entsteht auf der Lauffläche ein sichtbar halbkreisförmiger Riss, verbunden mit einer
dunklen (schwarzen) Fläche und einer geringen Einsenkung des Fahrspiegels (Abb. 6.9). Belgrospis treten periodisch an der Außenschiene von Richtungsgleisen sowie vereinzelt alternierend im geraden Gleis als Rissnester bzw. Rissflecke in unterschiedlich stark ausgeprägter Form auf (Abb. 6.10). Offensichtlich besteht ein geometrischer Zusammenhang zu vorhandenen Riffeln. Die Rissnester befinden sich in der gleichen Ebene wie die Riffelberge.
330
6 Schienen und Schienenschweißen Abb. 6.10 Belgrospi (Quelle: DBAG Systemtechnik, TZF 61)
Shelling tritt an Außenschienen von Bögen mit Radien zwischen 200 m und 800 m auf. Es zeigt sich zunächst ein schwarzer Fleck als Folge einer Fahrspiegelabsenkung zur Fahrkante hin, gefolgt von einem späteren Fahrkantenausbruch. Shelling entsteht in einer Tiefe von 3 mm bis 10 mm (Schubspannungsmaximum) in Form feiner horizontaler Schwingungsrisse. Diese haben meist einen zeilenförmigen Ausgang infolge nichtmetallischer Einschlüsse aus Al2O3. Im Anfangsstadium ist an der Schiene noch keine Schädigung festzustellen. Erst, wenn ein solcher zeilenförmiger Riss weiter wächst, entstehen als erstes die schwarzen Flecken.
6.5 Prüfen, Messen und Bewerten von Schienen und Schienenschweißungen 6.5.1 Allgemeines Zum fachgerechten Prüfen, Messen und Bewerten von Schienen und Schienenschweißungen werden unterschiedliche Werkzeuge benötigt. Grundsätzlich unterscheidet man: – Prüfgeräte, u.a. – diverse Lehren und – Ultraschallprüfgeräte inkl. Prüfköpfen,
– Messgeräte, u.a. – Schienenkopfmesser, – Messpunkttaster, – Lineale 3,0 m, 2,0 m und 1,0 m (nach DIN 874), – Messfühlerlehren, – Messkeile, – Elektronische Lineale.
6.5.2 Schienen Bei der Herstellung von Schienen im Stahl- und Walzwerk werden im laufenden Prozess ständig Prüfungen und Kontrollmessungen vorgenommen. Tabelle 6.13 zeigt die Fertigungstoleranzen nach EN 13674-1:2003. Weitere zu bewertende Merkmale sind: Wölbung des Schienenfußes Nur Hohlwölbung in Querrichtung mit Stichmaß 0,5 mm ist zugelassen. Profiltreue Schienenkopf Mit Schablone nachprüfen, Abweichungen dürfen + 0,6 mm und – 0,3 mm nicht überschreiten. Geradheit der Schienenenden Messung mit 1,5 m langem Lineal. In senkrechter Richtung nur Anhebung zugelassen,
6.5 Prüfen, Messen und Bewerten von Schienen und Schienenschweißungen
331
Tabelle 6.13 Profilgrenzmaße (nach EN 13674-1: 2003) Bezugspunkte
Profilklasse (Maße in mm) X
Schienenhöhea
*H < 165 mm > 165 mm
Fahrkantenprofil Geradheit, Klasse A
± 0,5 ± 0,6
Y + 0,5 – 1,0 + 0,6 – 1,1
*C
Geradheit, Klasse B
+ 0,6 – 0,3 ± 0,6
+ 0,6 – 0,3 ± 0,6
Breite des Schienenkopfes
*WH
± 0,5
+ 0,6 – 0,5
Schienenasymmetrie
*As
± 1,2
± 1,2
Laschenkammerneigungb (14 mm parallel zur Neigung der theoretischen Laschenoberfläche zu bestimmen)
*IF ± 0,35
± 0,35
± 0,5 ± 0,6
± 0,5 ± 0,6
Höhe der Laschen-Anlagefläche
*HF < 165 mm ≥ 165 mm
Stegdicke
*WT
+ 1,0 – 0,5
+ 1,0 – 0,5
Schienenfußbreite
*WF
± 1,0
+ 1,5 – 1,0
Schienenfußdicke
*TF
+ 0,75 – 0,5
+ 0,75 – 0,5
max. 0,3
max. 0,3
Konkavität am Schienenfuß a
Das Grenzmaß für die Änderung der Gesamthöhe über eine Schiene beträgt 1 mm für Schienen < 165 mm Höhe und 1,2 mm für Schienen ≥ 165 mm Höhe. b Die Grenzabmaße für die Laschenanlagekante am Schienenkopf und am Schienenfuß betragen jeweils 0,35 mm; das zulässige Gesamtgrenzabmaß beträgt aber ebenfalls 0,35 mm.
Pfeilhöhe 0,70 mm. Ausnahme: Bezogen auf eine Länge von 0,5 mm darf 0,2 mm Absenkung vorhanden sein. In waagrechter Richtung zulässige Pfeilhöhe 0,70 mm. Geradheit der Schienen zwischen den Enden Kontrolle erfolgt visuell. Abweichungen 0,4 mm bei Messbasis 3 m bei Wellen von 1,0 bis 3,0 m.
Für Schienen mit besonderen Anforderungen werden zwischen Hersteller und Käufer zusätzliche Vereinbarungen getroffen.
6.5.3 Schweißungen Ein weiteres spezielles Problem des Oberbauschweißens ist die Geometrie der Schienenverbindungsschweißung bzw. der Schienen-
332
6 Schienen und Schienenschweißen
auftragschweißung. Die Funktion der Schienen bzw. des Weichengroßteils, Fahrfläche und Spurführungselement mit anspruchsvoller Ebenheit zu sein, verlangt eine sehr genaue Arbeitsausführung. Die Schiene ist ein Walzprodukt, die international abgestimmten Fertigungstoleranzen liegen im Bereich „mm pro m“. Für die Schweißung gelten schärfere Bedingungen. Das stellt an die handwerklichen Fähigkeiten der Schweißer, die die Schweißung nachträglich mit Schienenkopfschleifmaschinen fertig bearbeiten, hohe Anforderungen. Im Allgemeinen gelten die Abnahmetoleranzen gemäß Tabellen 6.14 und 6.15, Spurverengungen und Spurerweiterungen sind hiernach bedingt möglich.
Hier besteht ein andauerndes Zuordnungsproblem zwischen herstellungsbedingter Geradheit der Schienenenden und Fertigungsfehlern des Schweißers. Bei Fahrgeschwindigkeiten v > 200 km h-1 entstehen u.U. echte Probleme. Diese Schweißungen werden ausnahmslos abgenommen. Im Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) wird jede Schweißung dokumentiert, in anderen Gleisen nur solche mit Mängeln. Das Ergebnis der Qualitätsabnahmen eines Jahres hat Einfluss auf die Einstufung eines Betriebes/einer Firma hinsichtlich der Erteilung der Eignungsbescheinigung und damit der Vergabe weiterer Aufträge.
Tabelle 6.14 Geometrische Abnahmekriterien für Baustellenverbindungsschweißungen an Schienen (nach DB AG TM RO18/2004) Geometrische Abnahmekriterien für Verbindungsschweißungen an Schienen 1
2
Bahnanlagen Geschwindigkeit (km/h)
3
4
Durchgehende Hauptgleise ≤ 300 > 230
≤ 230
Übrige Gleise < 80
Zulässige Fertigungstoleranz „ a“ (mm) Fahrfläche, Spitze
0,2
0,3
0,3
Fahrfläche, Senke
0,11)
0,21,2,3)
0,23)
Fahrkante, Knick nach außen
0,1
0,3
0,3
Fahrkante, Knick nach innen
0,1
Fußkanten horizontal 1)
0,2
2 mm4)
Ausschleifen der Senke mit einer Rampe 1:1000 (bei v > 160 km/h), nur mit Genehmigung des Auftraggebers.
2) Ausschleifen der Senke mit einer Rampe 1:500 (bei v ≤ 160 km/h), nur mit Genehmigung des Auftraggebers. 3) Flammrichten und profilgerecht schleifen (nur im Einzelfall und mit Überwachung durch den Auftraggeber). 4) Beim Verschweißen von 60 E2 mit 60 E2-40 ist ein konstruktiv bedingter Versatz von ca. 4 mm zulässig.
6.6 Herstellen lückenloser Gleise und Weichen
333
Tabelle 6.15 Geometrische Abnahmekriterien für Werkverbindungsschweißungen (nach BN 918 255; Mai 2000) 2
3
4
Bahnanlagen
Durchgehende Hauptgleise
Leitgeschwindigkeit (km h –1)
< 300 ≥ 230
<230 ≥160
5
< 160 ≥ 120
< 120 ≥ 80
6
< 80
7
8
Sonstige Hauptgleise
Nebengleise
–
–
Zulässige Fertigungstoleranz Fahrfläche Spitze
+ 0,1 bis + 0,3
+ 0,3
+ 0,3
Fahrfläche Senke
Nicht zulässig
– 0,1
– 0,2
Fahrkante Knick nach außen
– 0,1
– 0,3
– 0,3
Fahrkante Knick nach innen
Nicht zulässig (Spurverengung)
Fußkanten horizontal
± 1,5
Ebenheit
0,2 auf 200 mm Länge
– 0,2
± 2,0
6.5.4 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung (ZfP) von Schienen Um Fehler an Schienen zu erkennen und zu bewerten stehen Methoden der ZfP entsprechend Tabelle 6.16 zur Verfügung. Bei der Anwendung der Ultraschallschienenprüfung werden verschiedene Prüfköpfe verwendet. In der Regel sind das Senkrecht-Prüfköpfe (0°) und Winkelprüfköpfe (35°, 37°, 45° und 70°) je nach Aufgabe. Abbildung 6.11 zeigt eine Prüfkopf-Kombination (System Sperry) mit dem erreichbaren Querschnittsfeld. Die Entscheidung, welche der aufgefundenen Fehler wie zu behandeln sind, obliegt dem Infrastrukturbetreiber. Die Festlegungen der DB AG beruhen auf langjährigen Erfahrungswerten, s. Tabelle 6.17.
± 2,0
6.6 Lückenlose Gleise und Weichen 6.6.1 Allgemeines Ein „lückenloses Gleis“ ist ein Gleis, dessen Schienen nicht durch Laschen verbunden, sondern durchgehend verschweißt sind. Das lückenlose Gleis ist charakterisiert durch bewegliche (atmende) Schienenenden (je 60 m) und einen bewegungslosen Mittelteil (l = f). Gleise mit Schienen l > 60 m sind wie lückenlose Gleise zu behandeln. Im bewegungslosen Mittelteil werden verhinderte Längsbewegungen aus Temperatureinflüssen in Längsspannungen (Längskräfte) umgesetzt. Sie müssen zu den Längskräften addiert werden, die aus der Benutzung des Gleises durch die Schienenfahrzeuge entste-
334
6 Schienen und Schienenschweißen
Tabelle 6.16 Methoden der zerstörungsfreien Prüfung Prüfmethode
Prüfdurchführung
Visuelle Prüfung Ultraschallprüfung
Gleisbegehung
Wirbelstromprüfung
Spannungsmessung in Schienen
Prüfgerät
Lehren Schienenkopfmesser Gleisbegehung mit SchienenUS-Gerät mit Hand-Prüfkopf prüfgerät (SPG) oder Fahrt (HPK) mit Schienenprüffahrzeug (SPF) Schienenprüfgerät (SPG) oder Schienenprüfzug (SPZ) Schienenprüffahrzeug (SPF = Zweiwegefahrzeug) Schienenprüfzug (SPZ) Gleisbegehung mit Prüfgerät Wirbelstrom-Gerät (WSG) Fahrt mit SPF oder SPZ handgeführt oder in SPG oder SPZ integriertes WS-Gerät Gleisbegehung mit Prüfgerät Prüfgeräte auf elektromagnetischer Basis Prüfgeräte auf US-Basis (in Entwicklung)
Erkennbare Fehler Äußere Fehler Innere Fehler
Oberflächennahe Fehler (bereits sichtbar bzw. im Entstehen) SchienenlängsSpannung infolge Temperaturänderung
Abb. 6.11 Prüfkopfanordnung „System Sperry“ im Schienenprüffahrzeug
hen. Das gilt im übertragenen Sinn auch für Weichen. Die Längskräfte des Gleises werden aufgenommen durch die Rahmensteifigkeit sowie den Quer- und Längsverschiebewiderstand (Summe des „Längsverschiebewiderstandes“ –
Schwelle = Schotter und des „Durchrutschwiderstandes“ – Schiene = Unterlagsplatte). Um diese Kräfte in einer technisch beherrschbaren Größe zu halten, sind die Schienen innerhalb einer spannungsneutralen Schienentemperatur zu verschweißen und durch Anzie-
6.6 Herstellen lückenloser Gleise und Weichen
335
Tabelle 6.17 Bewertung der mit Ultraschallprüfung gefundenen Fehler (nach DB AG Ril 821.2007) Lage in der Schiene und Fehlergröße/Fehlerausdehnung Fehlergruppe
Fehlerbeschreibung
Kopf
Steg
Fuß
1
Querfehler Längsfehler, senkrechte oder waagerechte Waagerechter Längsfehler in Verbindung mit Headcheck, Squat, Shelling Querfehler in Verbindung mit Headcheck, Squat, Shelling
! 50% SKH L ! 30 mm oder H ! 50% SKH L > 25 mm
L ! 10 mm L ! 50 mm
L ! 10 mm L ! 50 mm
nicht zulässig
1
– Längsfehler, die bis zu einer Stoßlücke oder Schweißung definierte Fehler (nur mit zugelassenen Verfahreichen – Fehler im unbefestigten Teil der Zungen von Weichen ren detektierbare Fehler) oder Schienenauszügen – fehlerhafte Laschenkammern – Fehler an beweglichen Herzstücken – Fehler der Fehlergruppe 2, wenn ihr Abstand kleiner ist als der Schwellenabstand – Bohrungsanrisse in der Laschenkammer – unvollständig verschweißte Laschenlöcher
2
Querfehler Längsfehler, senkrechte oder waagerechte
5 mm < L d 10 mm 20% < SKH d 50% 10 mm L d 30 mm 20 mm L d 50 mm oder 20% < SKH d 50% L > 10 mm
5 mm < L d 10 mm 20 mm L d 50 mm
Waagerechter Längsfehler in Verbindung mit Headcheck, Squat, Shelling Querfehler in Verbindung mit siehe FG 1 Headcheck, Squat, Shelling 2
definierte Fehler
Fehler der Fehlergruppe 3, wenn ihr Abstand kleiner als der Schwellenabstand ist
3
Unregelmäßigkeiten, die wegen ihrer geringen Größe noch nicht der Fehlergruppe 2 zugeordnet werden können
S
Fehler in aluminothermischen Verbindungsschweißungen, wenn diese vom SPZ festgestellt wurden
hen der Befestigungsmittel zu verspannen. Die mittlere Temperatur beträgt + 20 °C (Mittelwert aus + 65 °C und – 25 °C). Die Solltemperatur ist mit + 23 °C festgelegt, der Verspanntemperaturbereich ist festgelegt von + 20 °C bis + 26 °C (DB AG).
6.6.2 Durchführung des Spannungsausgleichs im Gleis Der Spannungsausgleich der Schienen und das anschließende Verschweißen zum lückenlosen Gleis und das Verspannen (Befestigen) der Schienen darf nur erfolgen wenn – das Gleis die konstruktiven Voraussetzungen erfüllt, ausreichend verfüllt ist (Bet-
336
6 Schienen und Schienenschweißen
tungsquerschnitt) sowie in Höhe, Abstand und Richtung den Projektforderungen entspricht, sowie – die festgelegte Verspanntemperatur als natürliche Wärme gegeben ist oder, im Bereich unterhalb der Verspanntemperatur, Maßnahmen wie der nachfolgend beschrieben Arbeitsfolge aus der DB AG Ril 824.5010 getroffen werden. Liegt die Schienentemperatur über der Verspanntemperatur, dürfen der Spannungsausgleich und die Herstellung des lückenlosen Gleises nicht erfolgen. Die Arbeitsfolge beim Spannungsausgleich, Verschweißen und Verspannen ist seitens der DB AG (Ril 824.5010) wie folgt vorgeschrieben: – Lösen der Schienenbefestigungsmittel, – Entspannen der Schienen, – Messen der Ausgangstemperatur. Liegt diese unterhalb des Verspanntemperaturbereichs sind die Schienen zu längen1, – Festlegen der Verspanntemperatur, – Ermitteln der Längenänderung, – Anzeichnen der ermittelten Längenänderung an den Kontrollpunkten, – Längen der Schienen bei gleichzeitiger Kontrolle der Längenänderung an den Kontrollpunkten, – Verspannen der Schienen, – Ausführung der Schlussschweißung. Beim Längen der Schienen ist folgendes zu beachten: Liegen die Schienen auf weichen Zwischenlagen oder ist die Schienenlänge l > 180 m (bei Einsatz einer mobilen RASchweißmaschine l > 120 m ), sind die Schienen auf Rollen zu setzen (etwa jede 15. Schwelle). Bögen mit Halbmesser r < 1000 m sollen vorzugsweise im oberen Verspanntemperaturbereich verspannt werden um Radialkräf1 Das Längen der Schienen ist durch gleichmäßiges Anwärmen mit Wärmegeräten oder durch Einsatz hydraulischer Schienenziehgeräte durchzuführen.
ten bei niedrigen Schienentemperaturen entgegen zu wirken. Bei der Herstellung des lückenlosen Gleises mit der mobilen Abbrennstumpfschweißmaschine ist zu beachten, dass die Entscheidung für den Einsatz vor Beginn der Bauarbeiten zu treffen ist, da die Schienen beim Verschweißen (s. Abschn. 6.2.2) verkürzt werden und sich somit ihre Lage auf den Schwellen ständig verändert. Alle Fixpunkte (z.B. Gleisschaltmittel u.ä.) können also erst nach der Verschweißung angebracht werden. Es gilt die oben beschriebene Arbeitsfolge. Die ggf. erforderliche Längung der Schienen erfolgt mit Wärmegeräten oder hydraulischen Schienenziehgeräten. Die Technologie der Längung, des Verspannens und der Verschweißung wird vom jeweiligen Schweißbetrieb, der die mobile RA – Schweißmaschine einsetzt, vor Beginn der Arbeiten festgelegt. Alle Dehnungen der Schienen sind durch Kontrollmarken zu überwachen.
6.6.3 Durchführung des Spannungsausgleichs in Weichen In der Ril 824.5010 „Lückenlose Gleise und Weichen herstellen“ hat die DB AG im Abschnitt 6 und 7 die Voraussetzungen und Bedingungen für den Spannungsausgleich in Weichen festgelegt. Danach dürfen Weichen nur lückenlos verschweißt und verspannt werden, wenn sie ausreichend verfüllt sind und in Höhe, Abstand und Richtung den Projektbedingungen entsprechen. Die Einhaltung dieser Bedingungen ist vor Beginn der Arbeiten schriftlich zu bestätigen. Für den Einbau der Weichen sind Einbautemperaturen zu beachten. Weichen der Grundform – r < 1200 m dürfen bei beliebiger Schienentemperatur, – r = 1200 m sollen im Schienentemperaturbereich von + 5 °C bis + 35 °C und – r > 1200 m müssen im Schienentemperaturbereich von + 10 °C bis + 30 °C in ihre endgültige Lage eingebaut werden.
6.6 Herstellen lückenloser Gleise und Weichen
Beim Verschweißen von Weichen wird nach Zwischen- und Schlussschweißungen unterschieden. Weichen können, mit Ausnahme der Zungen, sowohl auf dem Montageplatz als auch an der Einbaustelle verschweißt werden. Zwischenschweißungen werden nach der 1. Stabilisierung bei Schienentemperaturen zwischen + 3 °C und + 25 °C ausgeführt. Der Span-
337
nungsausgleich, die Schlussschweißungen und das Anschweißen der Zungen werden nach der 2. Stabilisierung im oberen Verspanntemperaturbereich ausgeführt. Welche Bereiche der Weiche in den Spannungsausgleich einzubeziehen sind, regelt die Ril 824.5010 der DB AG.
7
Bahnübergänge Erwin Böck
7.1 Die Sicherung von Bahnübergängen (BÜ) 7.1.1 Die Sicherheit an BÜ Die Sicherheit an Bahnübergängen (BÜ), d.h. höhengleichen Kreuzungen von Eisenbahnen mit Straßen, wird erreicht durch – die besondere Kennzeichnung des BÜ durch Verkehrszeichen für den Straßenverkehr, – das Ankündigen von Eisenbahnfahrzeugen an die Straßenbenutzer („Sichern“ des BÜ) und durch – das richtige Verhalten der Verkehrsteilnehmer auf Schiene und Straße. Der Vorrang des Schienenverkehrs vor dem Straßenverkehr wird durch das Andreaskreuz (Zeichen 201 nach der Straßenverkehrsordnung (StVO)) gekennzeichnet. Dieser Vorrang ist vor allem durch den langen Bremsweg von Schienenfahrzeugen bedingt, der ein „Fahren auf Sicht“, wie es im Straßenverkehr grundsätzlich der Fall ist, unmöglich macht. Es muss betont werden, dass dieser Vorrang des Schienenverkehrs nicht etwa bedeutet, dass alle Straßenfahrzeuge vor dem BÜ anzuhalten hätten. Eine derartige Regelung, die durch ein Stoppschild (Zeichen 206 nach StVO) zu erreichen wäre, wurde aus vielen Gründen, wie etwa der Gefahr einer häufigen Missachtung wegen der auf Nebenbahnen verhältnismäßig wenigen stattfindenden Zugfahrten, der mit dem Anhalten und Anfahren verbundenen Gefahr, dass Kfz im Lichtraum der Bahn stehen bleiben und vor allem, weil die Räumzeiten für den BÜ
verlängert werden müssten, bei der Deutschen Bahn bisher nicht eingeführt. Im Nachbarland Österreich dagegen wurde die Kombination Andreaskreuz/Stoppschild in den letzten Jahren sehr weitgehend eingeführt. Im Gebiet der Schweizer Bahnen werden Stoppschilder nur an besonders ausgewählten BÜ, an denen man sich hierdurch eine verbesserte Wahrnehmung der Züge verspricht, aufgestellt. Ein weites Feld für eine Vereinheitlichung von Straßenverkehrszeichen auf europäischer Ebene böte z.B. eine einheitliche Gestaltung der Andreaskreuze und vor allem der Lichtzeichen an BÜ. Im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn suchte man durch Ampeln mit Gelb/Rotem Ruhelicht eine Angleichung an die im Straßenverkehr übliche Signalisierung zu erreichen und duldet Blinklichter nur noch im Auslaufbetrieb, ebenso wie in Österreich. Durch die deutsche Vereinigung kam aus dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Reichsbahn noch eine weitere Sonderregelung, das Blinklicht im Andreaskreuz, hinzu, für das eine Ausnahmeerlaubnis bis 2010 erteilt wurde. In der Schweiz hält man weiterhin an einem Erscheinungsbild mit 2 alternierend leuchtenden Blinklichtern, die in vielen anderen Ländern der Welt Standard sind, fest.
7.1.2 Der Begriff des Sicherns von BÜ Das Ankündigen eines Eisenbahnfahrzeugs ist im Sinne der deutschen Eisenbahn-Bau- und -Betriebsordnung (EBO) [7.1] als „Sichern“ eines BÜ zu verstehen. Das Sichern eines BÜ beinhaltet nicht nur das Vorhalten bestimmter Mittel zur BÜ-Sicherung, sondern auch deren
340
7 Bahnübergänge
richtiges Funktionieren und Handhaben. Hierzu hat der Infrastrukturbetreiber der Bahn die erforderlichen Regelungen und Anweisungen selbst zu bestimmen und zu gestalten. In den österreichischen und schweizerischen Eisenbahnverordnungen [7.2, 7.3] sind vergleichbare Regelungen getroffen.
7.1.3 Möglichkeiten zur Sicherung von BÜ Das Überfahren eines BÜ vor und während Zugfahrten kann durch technische Sicherungsmittel wie – physische Barrieren (Schranken und Halbschranken) und zum besseren Abstimmen des Schrankenschließens – durch eine Kombination mit weiteren Mitteln, wie Lichtzeichen oder Vorläutwerken verhindert werden. Als Mittel zur Ankündigung von Zugfahrten kann die Wahrnehmbarkeit durch – optische Mittel, wie die „Übersicht“ (Ü) und Lichtzeichen (Lz), – akustische Mittel („Pfeifen“ (P)) oder – eine Kombination von zwei dieser Mittel (Ü + P) sichergestellt werden. Derartige BÜ werden als solche „ohne technische Sicherung“ bezeichnet. Als zusätzliche Einrichtungen, die jedoch für sich alleine keine Sicherung darstellen, können Abschlüsse (z.B. Sperrbalken und Tore an Privatwegübergängen) und Umlaufsperren (früher: Drehkreuze) an Fußwegübergängen angebracht werden. Eine Sicherung durch Posten kann sowohl als permanente Regelung, vor allem auf Neben- und Anschlussgleisen, als auch bei Störungen oder Arbeiten an einer technischen Sicherung oder beim Ausfall einer nicht technischen Sicherung, z.B. bei Einschränkung von Sichtflächen, durchgeführt werden. Bahnübergangsposten, die mit roter Signalflagge und bei Nacht mit roter Lampe ausgerüstet sein müssen, bringen Straßenfahrzeuge aus beiden Richtungen zum Anhalten bis das sich nähernde
Eisenbahnfahrzeug die Mitte der kreuzenden Straße erreicht hat.
7.1.4 Gesetzliche Grundlagen zur Sicherung von BÜ Auf welche Art diese Ankündigung durchzuführen ist und wie damit der Vorrang des Schienenverkehrs durch rechtzeitiges Anhalten vor herannahenden Zügen praktisch berücksichtigt wird, ist in der EBO in der Form von „Mindestanforderungen“ an die Sicherung der BÜ festgelegt. Als Kriterien für die Anwendung einer bestimmten Sicherungsart dienen – die Verkehrsbedeutung und rechtliche Einordnung von Schiene und Straße, – die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten auf Schiene und Straße, – die Verkehrsfrequenz auf der Straße („schwacher“/„mäßiger“/„starker“ Verkehr), – die Übersicht (geschwindigkeitsabhängig) vorhanden/nicht vorhanden. Hierzu werden unterschieden a) bahnseitig – Hauptbahnen (mit v E ≤ 160 km/h) und Nebenbahnen mit v E > 80 km/h, – Nebenbahnen mit v E ≤ 80 km/h, 1-gleisig/mehrgleisig, b) straßenseitig – öffentliche Straßen und Wege, – Feld- und Waldwege, – Privatwege (ohne/mit öffentlichem Verkehr), – Fuß- und Radwege. Die Mindestanforderungen an die Sicherung sind in Abb. 7.1 dargestellt.
7.1.5 Interne Regelungen der DB AG Die Vorgaben der deutschen EBO [7.1] zur Sicherung von BÜ werden in den internen
7.1 Die Sicherung von Bahnübergängen (BÜ)
341
bei vE 160 km / h BÜ nicht zulässig v
16
tS
km
= am BÜ örtlich zulässige Geschwindigkeit auf der Schiene tS = technische Sicherung des BÜ erforderlich Ü = Sicherung nur durch die Übersicht der Straßenfahrzeuge auf die Bahnstrecke Ü+P = Sicherung durch die Übersicht und zusätzlich durch Pfeifen der Schienenfahrzeuge P+Lf = Sicherung durch Pfeifsignale und ständige Langsamfahrt auf der Schiene
/h
mäßiger Verkehr
Ha up ba tba hn hn en en un v E d 80 Ne km be / h n-
vE 0
Ne b v enb E 80 ahn km en /h
E
tS
r he ac hr w e h sc Verk
Ü s Ve tarke rke r hr
tS
m Ve äßi rk ge eh r r
r che wa ehr h c s erk V
/h m
20 km / h
20 k
Lf
60
+L f
+
P + Lf
60 km / h
km
P
P
nd e -u g ld we Fe ald W
Feld- und Waldwege
P + Lf
Ü
öff e Str ntlic aß he en
Ü+P
öffentlic Straßenhe
-
e hm sna g Au igun t i m hm nur gene
/h
Abb. 7.1 Mindestanforderungen an die Sicherung von BÜ nach EBO
Richtlinien der DB Netz AG (Ril 815 „Bahnübergänge planen und instand halten“ [7.4] und 819.12.. „Signalanlagen planen; Technische Bahnübergangs-Sicherungsanlagen“ [7.5]) in
der Form von praktisch handhabbaren Regelungen als „Ausführungsbestimmungen“, in denen die allgemein anerkannten Regeln der Technik umgesetzt werden, unter Berücksich-
342
7 Bahnübergänge
tigung der zur Verfügung stehenden Signaltechnik festgeschrieben. Darüber hinaus wird auch die Überwachung der Sicherungstechnik an BÜ mit Anbindung an die vorhandene Eisenbahn-Signaltechnik (Signalabhängigkeit, Fernüberwachung, Überwachungssignale) festgelegt. Die Überwachung ist in der EBO nicht erwähnt, sie ist jedoch für den Bahnbetreiber ein wesentliches Mittel um die Sicherheit am BÜ zu erhöhen. Aus wirtschaftlichen Gründen sollte in der Praxis bei den Bahnen nicht über die Mindestanforderungen nach EBO hinaus gegangen werden. Es wird lediglich abgewogen, welche Einschränkungen auf Schiene und Straße, hauptsächlich durch Beschränkung der jeweiligen zulässigen Höchstgeschwindigkeit, örtlich hinnehmbar sind. So kann beispielsweise eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Schiene in der Nähe von planmäßigen Halten der Bahn wegen des ohnehin notwendigen Brems- oder Beschleunigungsvorgangs keine Einschränkung bedeuten, ebenso wenig wie eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Straße, die wegen enger Kurvenradien, geringer Fahrbahnbreite etc. ohnehin erforderlich wäre, keine weitere Einschränkung bedeutet. Die Mittel zur Sicherung von BÜ werden im Sprachgebrauch der Sicherungstechnik als technische Sicherung (tS) und ohne technische Sicherung (otS) unterschieden (demnach gibt es keine „ungesicherten“ BÜ). In den Richtlinien werden sowohl Anweisungen zur Bestimmung der Standorte von Straßenverkehrssignalen, wie Andreaskreuzen, gegeben, als auch von bahnseitigen Anlagen, wie Schranken und Halbschranken oder Überwachungssignalen. In die Berechnungsgrundlagen für BÜ mit technischer Sicherung fließen die systemtechnischen Bedingungen der Bahn, wie Lichträume und Bremswege, ein, aber auch die Betriebsbedingungen, wie Fernüberwachung und Signalsicht sowie Bedienungshandlungen, wie das Einsehen des Gefahrenraums beim Schrankenschließen.
7.2 Ausführung technischer Sicherungen 7.2.1 Anlagen zur technischen Sicherung 7.2.1.1 Schranken und Halbschranken aufstellen Halbschranken auf der Seite der Zufahrt zum BÜ, kombiniert mit je 2 Lichtzeichen (Lz) Gelb/ Rot sind das aus systemtechnischer (physische Barriere, unbehindertes Räumen des Gleisbereichs), betrieblicher und wirtschaftlicher Sicht (kein Personalaufwand für Bedienung, geringe Wartungskosten) zu bevorzugende Mittel zur technischen Sicherung von BÜ an öffentlichen Straßen. Fuß- und/oder Radwege neben Straßen können dabei mit eigenen, beidseitigen Schranken gesichert werden. Vollschranken sind bevorzugt 2-schlägig, also mit getrennten Zufahrt- und Ausfahrtschranken auszuführen, Schranken mit je einem Schrankenbaum sind möglich. Fuß- und/oder Radwege können in die Vollschrankenanlage mit einbezogen werden oder mit eigenen Schranken ausgestattet werden. Bei der Aufstellung der Schranken und - antriebe muss von der Gleisachse mindestens ein lichter Raum von 3,0 m („Abstand fester Gegenstände“) und für den Straßenverkehr die nach den „Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Querschnitte (RAS-Q)“ freizuhaltenden Lichträume freigehalten werden. In Abb. 7.2 sind auch die Maße für die Anordnung von Schranken und deren Antriebe dargestellt. Vollschranken sollen parallel zur Gleisachse, Halbschranken sollen dagegen, soweit möglich, senkrecht zur Straßenachse aufgestellt werden. Bei Halbschranken ist darauf zu achten, dass für das Räumen der Kfz der Abstand zwischen der Schrankenspitze in geschlossenem Zustand und dem gegenüberliegenden Fahrbahnrand mindestens 3,0 m beträgt.
7.2 Ausführung technischer Sicherungen
343
Straßenmitte
SoKfz = 0,25
SsKfz > 0,75 1) 3)
SoF = 0,25
SsKfz > 1,00 2) 3) 4,25 2,25
4)
~ 1,00
F
Kfz Trenninsel
Fußweg
Fahrbahn 0,25 Bordrinne nach RAS – Q :
> 0,27 > 1,15 1) 3)
Maße in m
> 1,40 2) 3)
Begrenzung des lichten Raums
Ss
seitlicher Sicherheitsraum
Begrenzung des Verkehrsraums
So
oberer Sicherheitsraum
Kfz
für Kraftfahrzeuge
F
für Fußgänger
R
für Radfahrer
1)
Maß gilt für Geschwindigkeit der Kfz vSt ≤ 50 km / h
2)
Maß gilt für 50 < vSt ≤ 70 km / h
3)
Unterschreitung um 0,25 m zulässig neben Hochborden oder befestigten Seitenstreifen; Vergrößerung um 0,35 m erforderlich bei Fahrbahnschranken mit Gitterbehang (bei Hochborden oder befestigten Seitenstreifen ist ggf. von dem unterschrittenen Abstandsmaß auszugehen)
4)
Verkürzung des Schrankenbaums zulässig
Abb. 7.2 Schrankenantriebe aufstellen
7.2.1.2 Schranken bedienen Die Bedienung der Vollschranken kann durch Schrankenwärter an jeder Schrankenanlage, bei günstiger gegenseitiger Lage können auch mehrere Schrankenanlagen von einem Wärter bedient werden oder die Schrankenbedienung einem Stellwerk zugeordnet werden. Wenn keine unmittelbare Sicht auf den Raum zwischen den Schrankenbäumen möglich ist, muss im Bereich der Deutschen Bahn der Gefahrenraum (mittelbar) mit Fernseh-
anlagen eingesehen werden können. Automatische Gefahrenraumfreimeldungen (GFR), bei denen der Raum zwischen den Schranken mit Radarstrahlen abgetastet wird, können die Sicht ersetzen. Bei Anrufschranken an Privatwegen und bei Schranken an Fuß- und Radwegen ist eine Sicht nicht erforderlich, bei Anrufschranken ist dann aber eine Sprechverbindung zum Schrankenbediener erforderlich. Da das Schließen der Vollschranken auf den Verkehrsfluss abzustimmen ist, können hierzu,
344
7 Bahnübergänge
neben der Sicht des Schrankenwärters auf die zum BÜ führenden Straßen, auch Lichtzeichen oder Vorläutwerke eingesetzt werden. Eine Signalabhängigkeit von wärterbedienten Schranken, bei der die auf den BÜ zuführenden Signale erst auf „Fahrt“ gehen können, wenn die Schranken geschlossen sind, ist ein weiteres Mittel zur Erhöhung der Sicherheit. 7.2.1.3 Halbschranken einsetzen Bei der Anordnung von Halbschranken ist vor allem darauf zu achten, dass ein ungehindertes Ausfahren aus dem Gefahrenraum des Kreuzungsbereichs möglich ist. In Fällen, in denen durch dem BÜ benachbarte, ampelgesteuerte Straßenkreuzungen oder -einmündungen die Gefahr besteht, dass dort wartende Fahrzeuge auf den BÜ zurückstauen, soll mit dem Straßenbaulastträger der Bau einer BÜSTRA-Anlage (s. Abschn. 7.5.1.3) vereinbart werden. Bei diesen Anlagen wird die Steuerung der technischen Sicherung (Halbschranken) und die Lichtzeichenanlage am BÜ in die Steuerung der gesamten Ampelanlage so einbezogen, dass ausreichend Räumzeiten für die Verkehrsströme über den BÜ verfügbar sind. In Fällen, in denen die Gefahr eines Rückstaus von wartenden Fahrzeugen auf den BÜ wegen nahe dem BÜ liegender Straßeneinmündungen besteht, soll zunächst versucht werden, durch verkehrsregelnde Maßnahmen (z.B. Linksabbiegeverbot, „abknickende Vorfahrt“, s. Abschn. 7.5.1.3) diese Gefahr zu beseitigen. Falls dies nicht möglich ist und keine Ampelsteuerung für die Gesamtanlage zur Verfügung steht, soll der Verkehr mit „vorgeschalteten Lichtzeichen (vLz)“ so geregelt werden, dass auf dem BÜ zum Halten gekommene und wartepflichtige Fahrzeuge den BÜ-Bereich räumen können, bevor die Lichtzeichen zur BÜSicherung eingeschaltet werden (s. Abschn. 7.5.1.3). Diese Möglichkeit besteht jedoch nur, wenn im Bereich der Räumstrecke keine Fußgängerüberwege liegen.
7.2.2 Steuerung der Anlagen zur technischen Sicherung Da die Sicherungstechnik direkt mit der jeweils im Bereich der Bahnverwaltung angewandten Signaltechnik verknüpft ist, werden im Folgenden nur Techniken behandelt, die hauptsächlich im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn angewandt werden, für den Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn bestehen befristete Übergangsregelungen mit dem Ziel der Vereinheitlichung. Die Wahl der Sicherungstechnik wird nach Zwangspunkten, die durch die örtlichen Verhältnisse (z.B. Lage auf der freien Strecke/im Bahnhofsbereich, Signale in der Einschaltstrecke vorhanden) und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen. Hierbei wird darauf geachtet, dass – kurze Sperrzeiten für den Straßenverkehr ermöglicht werden, – der geringste Aufwand für die Art der Überwachung entsteht und – der Aufwand für die laufende Instandhaltung der Anlagen gering gehalten wird. Technische Sicherungsanlagen für BÜ werden unterschieden in – zuggesteuerte Anlagen – mit Fernüberwachung (Fü), – mit Überwachung durch Triebfahrzeugführer (Tf) mittels Überwachungssignalen (ÜS) oder Überwachungssignalen mit optimierter Einschaltung (ÜSoe), – mit Einschalttaste durch den Triebfahrzeugführer, die in bestimmten Fällen auch mit Infrarotpistole bedient werden kann, – signalgesteuerte Anlagen – überwacht durch Hauptsignale (Hp), – wärterbediente Anlagen – überwacht durch Bediener (Bed).
7.2 Ausführung technischer Sicherungen
345
7.2.3 Überwachung der technischen Sicherungsanlagen
zuggesteuerten BÜ-Sicherung angezeigt. Diese Überwachungsart ist bei BÜSTRA-Anlagen (s. Abschn. 7.5.1.3) nicht zulässig.
7.2.3.1 Überwachungsart Hp Die Überwachungsart Hp wird ermöglicht, wenn in der Anrückstrecke zu einem BÜ Hauptsignale so stehen, dass sie zur Deckung des BÜ herangezogen werden können. Das Einschalten kann zugbewirkt durch das Befahren geeigneter Gleis- oder Weichenabschnitte oder durch Gleisschaltmittel oder mit dem Einstellen der Zugstraße durch den Fahrdienstleiter geschehen. Das Signal geht erst auf Fahrtstellung, wenn alle Lichtzeichen am BÜ auf Rot geschaltet und alle Halbschranken geschlossen sind. Bei Vollschranken muss bei der Deutschen Bahn der Gefahrenraum frei gemeldet sein, entweder durch einen BÜ-Beobachter oder mittels einer automatischen Gefahrenraumfreimeldeanlage (GFR), bei welcher der Raum zwischen den Schranken mit einem Radarstrahl abgetastet wird. Das Ausschalten der BÜ-Sicherung geschieht über einen Kontakt nach dem BÜ wenn der BÜ „frei“ gefahren ist. Soweit die Signalbedienung nicht selbsttätig erfolgt, soll der Signalbediener eine Anrückmeldung für sich dem BÜ nähernde Züge erhalten. Hierzu können örtlich vorhandene Stellwerksinformationen, wie Gleisfreimeldeabschnitte, Einschaltmelder oder Meldeeinrichtungen von hierfür günstig gelegenen ÜSoder Fü-Anlagen verwendet werden. Vor BÜ mit starkem Straßenverkehr können zur Verkürzung der Sperrzeiten für Züge mit geringeren Geschwindigkeiten Anrückmeldungen mittels Annäherungszeitangleichern oder durch die Zuglenkung erfolgen.
7.2.3.3 Überwachungsart ÜS Bei Überwachungsart ÜS wird dem Lokführer die Schaltstellung der BÜ-Sicherung durch ein eigenes Signal (Bü 0, gelbe Scheibe, die zum Halt vor dem BÜ auffordert und Bü 1, weißes Blinklicht, das die Sicherung des BÜ bestätigt) angezeigt. Durch die Verbindung mit einem 1000-HzMagnet wird bei nicht gesichertem BÜ eine Zwangsbremsung eingeleitet. Die Lage des Einschaltkontakts für die BÜSicherung wird durch eine Rautentafel (Signal Bü 2) an der Strecke markiert.
7.2.3.2 Überwachungsart Fü Bei Überwachungsart Fü wird dem Fahrdienstleiter oder Blockwärter mit einer Fernüberwachungseinrichtung der Ordnungszustand der
7.2.3.4 Überwachungsart Bed Die Überwachungsart Bed, d.h. die Bedienung von Lichtzeichen und Schranken durch Schrankenwärter, bei welcher der Betriebszustand der Sicherungsanlage an den Bedienungseinrichtungen angezeigt wird, wird wegen des hohen Personalaufwands zunehmend von anderen Überwachungsarten verdrängt. Bestehende Anlagen werden meist an Orten mit starkem Verkehr und einer unübersichtlicher Verkehrsstruktur dann beibehalten, wenn eine Automatisierung einen hohen technischen und finanziellen Aufwand erfordern würde. 7.2.3.5 Wahl der Überwachungsart Die Wahl der Überwachungsart für eine technische BÜ-Sicherungsanlage, auch die Kombination von verschiedener Überwachungsarten, geschieht – unter Berücksichtigung der im Streckenabschnitt bereits vorhandenen Überwachungsarten und der dort vorhandenen oder geplanten Signaltechnik und – nach technischen, verkehrlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, z.B. dem
346
7 Bahnübergänge
Vorhandensein von deckenden Hauptsignalen, der Höhe der zugelassenen Streckengeschwindigkeit, der Lage des BÜ auf der freien Strecke oder im Bahnhof. Soweit BÜ-Anlagen in eine Streckensignalisierung mit einbezogen werden können, ist die signalgesteuerte Überwachungsart Hp vorgegeben, die BÜ-Sicherung wird über die jeweils vor dem BÜ liegenden Hauptsignale eingeschaltet, Fehler- und Störungsmeldungen werden dem Fahrdienstleiter angezeigt. Dieser reagiert hierauf mit Ersatzmaßnahmen, die in betrieblichen Vorschriften festgelegt sind. Auch wärterbediente Schrankenanlagen können signalabhängig geschaltet werden, sie werden zugbewirkt entsperrt. Die Überwachung der BÜ-Sicherung durch Überwachungssignale (ÜS), bei welcher der Lokführer mit der Beobachtung der Signalstellung die Überwachung des BÜ übernimmt, wird eingesetzt, wenn keine sonstigen Signale zur Überwachung von BÜ zur Verfügung stehen.
Eine Kombination verschiedener Überwachungsarten, die sich auf BÜ in unterschiedlichen Streckenabschnitten oder verschiedene Fahrtrichtungen bezieht, ist ebenfalls möglich. Hierbei ist die Kombination Hp/Fü zu bevorzugen, da die Kombination Fü/ÜS einen Mehraufwand für das aufzustellende Überwachungssignal erfordert.
7.2.4 Berechnungen zu Anlagen der technischen Sicherung Für die Berechnung der Schaltzeiten und damit der Abstände von Signaleinrichtungen werden für die Signaltechnik im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn in Abhängigkeit von der Art und Bedienungsweise der jeweiligen Sperranlage (Schranken, Halbschranken, mit/ohne Lichtzeichen, wärterbedient, signalgesteuert etc.) und deren Überwachungsart (Hp, ÜS etc.) die bestimmenden Werte für die jeweiligen Einschalt-, Annäherungs-, Schließ- , Sperr-, Rest- und Räumzeiten sowie Sicher-
Straßenmitte
Einschaltpunkt der BÜ-Sicherung (Signal Bü 2)
Überwachungssignal (ÜS)
s br ( t Tf + t G + t v, n + t k1 ) .
v E [ km / h] 3,6
se s br = Bremsweg der Strecke
tG
s e = Einschaltstrecke der BÜ-Sicherungsanlage
v E = am BÜ örtlich zulässige Geschwindigkeit auf der Schiene
t Tf = Sichtzeit des Lokführers auf das ÜS
t
v, n
= Gelbzeit des Lichtzeichens am BÜ
= Vor- und Nachlaufzeit bei mehrgleisigen BÜ
t k1 = Teilzeitkonstanten bei BÜSTRAAnlagen und vorgeschalteten Lichtzeichen
Abb. 7.3 Einschaltstrecke bei BÜ, die durch Überwachungssignale gesichert sind
7.3 Ausführung nicht technischer Sicherungen
heitszuschläge (Vorlauf- und Nachlaufzeiten) ermittelt. Für Lichtzeichenanlagen sind Gelbzeiten und je nach den zu berücksichtigenden Verkehrsströmen bei BÜSTRA-Anlagen (s. Abschn. 7.5.1.3) und bei vorgeschalteten Lichtzeichen (s. Abschn. 7.5.1.3) Teilzeitkonstanten und Abschaltzeiten zu ermitteln und in die Berechnung einzubeziehen. Die Berechnungsverfahren sind in Ril 815.0033 dargestellt, Rechenprogramme sind dort beigefügt. Ein Beispiel für die bei der Berechnung der Einschaltstrecke von ÜS-Anlagen zu berücksichtigenden Teilzeiten zeigt Abb. 7.3.
7.3 Ausführung nicht technischer Sicherungen 7.3.1 Sicherung durch die Übersicht Sicherung durch die Übersicht (Ü) bedeutet das Freihalten der Sichtflächen von beiden Seiten der Straße nach beiden Seiten des Schienenwegs. Die Sichtflächen sind für die geringste (min vSt)undhöchsteGeschwindigkeit(max vSt) der Straßenfahrzeuge, die sich dem BÜ nähern und die jeweils örtlich zulässige Geschwindigkeit der Schienenfahrzeuge (vE), die für beide Richtungen unterschiedlich sein können, zu bestimmen. Bei den Geschwindigkeiten auf der Straße sind die (wegen der Straßenbeschaffenheit) tatsächlich möglichen oder durch Verkehrszeichen beschränkten Geschwindigkeiten zu Grunde zu legen; bei außerörtlicher Lage ist es, obwohl BÜ nach der StVO ohnehin nur mit „mäßiger“ Geschwindigkeit befahren werden dürfen, oft sinnvoll, diese mit Verkehrszeichen auf 50 km/h zu beschränken. Die Berechnungsansätze für die erforderliche Sicht auf die Eisenbahnstrecke enthalten in Abhängigkeit von den zulässigen Geschwindigkeiten und Bremswegen auf Schiene und
347
Straße auch den Einfluss der Straßenneigung. Hiernach werden die Anhaltewege der Straßenfahrzeuge und die Annäherungsstrecken der Schienenfahrzeuge und damit die Maße der Sichtflächen bestimmt. Die Zusammenhänge sind aus Abb. 7.4 ersichtlich. Für die Berechnungen ist in Ril 815.0031 ein Rechenprogramm beigegeben. In der Praxis stößt die Freihaltung der Sichtflächen öfter auf Probleme, da die Sicht im Lauf der Zeit vielfach durch unkontrollierten Aufwuchs oder ungenehmigte Bauten beeinträchtigt wird. Hierbei sind kleinere Objekte, welche die Sicht auf herannahende Eisenbahnfahrzeuge nur kurzzeitig und unwesentlich unterbrechen und Aufwuchs, der die Sicht nur unterhalb einer Höhe von 1,5 m über dem Gleis einschränkt, nicht von Bedeutung. Obwohl Grundstücke, über die sich Sichtflächen erstrecken, meist nicht im Eigentum der Bahn stehen, sind diese doch durch die Eintragung dinglicher Rechte im Grundbuch abgesichert. Eine effektive Kontrolle der Sichtflächen wird durch einen Inspektionszyklus, der drei Mal jährlich eine Inspektion vorschreibt, die ggf. auch auf die Vegetationsperioden abzustimmen ist, gewährleistet.
7.3.2 Sicherung durch Pfeifen In Fällen, in denen nach der deutschen EBO eine Sicherung durch Übersicht mit Pfeifen („Ü + P“) vorgeschrieben ist oder in denen die Sicherung durch Pfeifen in Verbindung mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 oder 20 km/h („P + Lf “) zulässig ist, sind an den Punkten am Gleis, an denen die Annäherungsstrecken, jeweils für die maximale und minimale Geschwindigkeit, beginnen, Pfeiftafeln (Signale Bü 4) aufzustellen. An diesen Punkten hat der Triebfahrzeugführer je 3 Sekunden lang Pfeifsignale zu geben. Diese Regelung führt besonders bei geringen Unterschieden zwischen der geringsten und höchsten Geschwindigkeit der Straßen-
348
7 Bahnübergänge
sa10
Kreuzungspunkt sa50
B10
B50
Gleismitte
frei
zuh
alte
Sic
l A10
nde
htfl
äch e
A10
l A50
Sichtpunkte
Sehpunkte A 50
Straßenmitte
s a10 = Annäherungsstrecke der Eisenbahnfahrzeuge zum BÜ bei einer geringsten Geschwindigkeit der Kfz von 10 km / h s a50 = Annäherungsstrecke bei einer höchsten Geschwindigkeit der Kfz von 50 km / h l a10 = Anhalteweg der Kfz bei einer geringsten Geschwindigkeit von 10 km / h l a50 = Anhalteweg bei einer höchsten Geschwindigkeit von 50 km / h
Abb. 7.4 Ermittlung der Sichtflächen an BÜ ohne technische Sicherung
fahrzeuge und bei kurz aufeinander folgenden BÜ, bei denen sich die Annäherungsstrecken überschneiden, zu Schwierigkeiten. Deshalb werden in Ril 815.0031 anhand von Fallbeispielen Anweisungen für das Aufstellen der Pfeiftafeln und der ggf. für die Reduzierung der Geschwindigkeit auf der Schiene erforderlichen Langsamfahrsignale gegeben. Die Sicherung mit Pfeifsignalen kommt hauptsächlich im ländlichen Raum, meist auf landwirtschaftlichen Straßen und Wegen mit entsprechend niedrigem Verkehrsaufkommen, zur Anwendung. In der Nähe von Siedlungen wurde sie wegen der damit verbundenen Lärmbelästigung in verschiedenen Fällen, unter Inkaufnahme der Mehrkosten, durch technische Sicherungen abgelöst. Im ländlichen Raum sind die Pfeifsignale meist weit über die geforderte Entfernung von
400 m hinaus zu hören. Soweit die Hörbarkeit wegen örtlicher Hindernisse nicht gegeben ist, muss die zulässige Geschwindigkeit auf der Schiene durch Langsamfahrsignale eingeschränkt werden. Eine Einschränkung der Hörbarkeit durch Maschinenlärm, z.B. bei Erntemaschinen, bei denen die Fahrzeugführer auch Gehörschutz tragen können, hat bisher kaum zu Unfällen geführt, weil den Fahrern sowohl der BÜ durch Verkehrszeichen angekündigt wird und diesen auch bekannt ist, dass ein Gehörschutz an BÜ abzunehmen ist.
7.4 Bautechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs
7.4 Bautechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs 7.4.1 Entwässerung Ein BÜ bedingt durch den kreuzenden Verkehrsweg eine Unterbrechung der i.d.R. parallel zur Gleisachse verlaufenden Entwässerung (Bahngraben oder Rohrtrasse mit Wasserableitung und Sickerung). Auch das von der kreuzenden Straße ablaufende Oberflächenwasser muss gefasst und abgeleitet werden, damit der Bahnkörper nicht durchfeuchtet wird. Um das Oberflächenwasser vor dem BÜ abzuleiten, ist bei Tieflage des Gleises gegenüber der Straße der Einbau von gleisparallelen Entwässerungsrinnen, die mit entsprechend
standfesten Rosten, vorzugsweise aus Gusseisen, abgedeckt sind, erforderlich. Bei extremer Belastung durch den Straßenverkehr empfehlen sich Stahlbeton-Schlitzrinnen, die auch eine einfache Reinigung ermöglichen. Bei der Durchführung der gleisparallelen Entwässerungseinrichtungen (Bahngräben, verrohrte Seitenentwässerungen) unter dem Straßenbereich ist auf eine der Tiefe unter der Straßenoberfläche entsprechende Dimensionierung der Wandstärke und ausreichende Bewehrung zu achten. Bei fehlenden Ableitungsmöglichkeiten für das Oberflächenwasser aus dem Kreuzungsbereich müssen leistungsfähige Sickerschächte oder sonstige Sickerungen vorgesehen werden. Ein Beispiel für die Gestaltung von Entwässerungsanlagen an BÜ zeigt Abb. 7.5.
Schnitt A - A
Tiefenentwässerung Sickerschacht
Draufsicht
Sickerschacht
Sinkkasten
A
Abb. 7.5 Entwässerungsanlagen an BÜ
349
A
350
7 Bahnübergänge
7.4.2 Bauliche Gestaltung des Kreuzungsstücks Die Befestigung eines BÜ als „Störstelle“ in einem kontinuierlich ausgebildeten Gleiskörper muss so gestaltet werden, dass – die durch den Kfz-Verkehr eingebrachte dynamische Beanspruchung vom Gleiskörper dauerhaft aufgenommen werden kann und diese Kräfte die Gleislage möglichst wenig beeinflussen, – der Übergang zwischen Straßenoberbau und BÜ-Befestigung dauerhaft lagebeständig bleibt und keine „Sprungschanzen“ für den Straßenverkehr entstehen, – die Übergänge vom laufenden Gleisoberbau auf die BÜ-Befestigung durch möglichst geringe Unterschiede der jeweiligen Steifigkeit nicht zu Gleislagefehlern führen, – der durch den Aus- und Wiedereinbau der BÜ-Befestigung bedingte Aufwand bei einer Gleisdurcharbeitung oder -erneuerung möglichst gering gehalten wird. Der Entwicklung in der Gleisinstandhaltung zu voll maschinellen Verfahren sowie den erhöhten Ansprüchen an die Befahrbarkeit durch den Straßenverkehr wurde mit der Einführung neuer Systeme zur BÜ-Befestigung Rechnung getragen. Früher wurde lediglich darauf Wert gelegt, den Raum zwischen den Schienen auszufachen und die Spurrille für den Durchgang der Eisenbahnräder frei zu halten. Dies konnte mit einfachen Mitteln, wie dem Verlegen von Bohlen auf den Schwellen oder dem Einbringen von bituminösem Mischgut und dem anschließenden Befahren mit Eisenbahnfahrzeugen, bei dem die Spurrille eingewalzt wurde, geschehen. Ein weiteres Verfahren, das darin bestand, mit bearbeiteten Beischienen die Spurrillen freizuhalten und gleichzeitig eine Kammer zum Ausfüllen mit bituminösem Mischgut zu schaffen (System „Lindau“), kann wegen der damit verbunden Versteifung des Gleisrosts und des Aufwands für eine vom Regeloberbau abweichende bauliche Ausführung nicht mehr zufrieden stellen.
Die modernen Systeme bestehen aus Platten, die in den Gleiszwischenraum eingelegt werden („Innenplatten“) und Außenplatten, die den Raum zwischen Schienen-Außenkante und Straßenanschluss überbrücken. Hierzu stehen hauptsächlich Kleinplatten aus Recycling-Gummi (System STRAIL), Kleinplatten aus bewehrtem Polyesterbeton (System BODAN) und Großplatten aus Stahlbeton (System Moselland) zur Verfügung. Die Systeme unterscheiden sich auch durch die Auflagerung der Innenplatten auf dem Gleisrost (vollflächige Auflagerung auf den Schwellen oder „Brückenkonstruktion“ mit zweiseitiger Auflagerung über Gummi-Formstücke in den Laschenkammern der Schienen). Der Übergang zwischen dem Gleisrost und dem Straßenober- und –unterbau ist wegen der sehr unterschiedlichen Auflagerungsbedingungen für die Außenplatten immer problematisch. Erst in den letzten Jahren hat sich eine straßenseitige Auflagerung mit Formsteinen auf betonierten Streifenfundamenten als dauerhafteste Lösung durchgesetzt. Die unzureichende Rauigkeit der Plattenoberflächen, die während der Entwicklung der verschiedenen Systeme oft zu mangelnder Rutschfestigkeit führte, konnte durch Veredelung der Oberflächen mit scharfkantigem Granulat, sowohl bei Gummi- als auch bei Betonplatten, behoben werden. Ein Beispiel für die konstruktiven Merkmale von Kleinflächen-Platten ist in Abb. 7.6 dargestellt. Gleistragplatten, wie sie häufig in Behandlungsanlagen für Schienenfahrzeuge eingesetzt werden, eignen sich als BÜ-Befestigung nur in Fällen, in denen sehr schwerer Straßenverkehr über eine Bahn mit nur geringer Geschwindigkeit geführt wird. Das hohe Tragvermögen der Gleistragplatten und ihre gute Lagestabilität stehen den systemimmanenten Nachteilen gegenüber, die durch die Schaffung eines Fixpunkts im Gleis, verbunden mit harten und deswegen setzungsanfälligen Übergängen, bedingt sind.
7.5 Verkehrstechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs
Abb. 7.6 Beispiel für eine BÜ-Befestigung mit Kleinflächenplatten
Außenplatte Innenplatte Fa hr
ba
hn
an
351
sc
hlu ss
Auflagerstein
Kupplungsauflaufblech
Beton Streifenfundament
Alle Systeme von BÜ-Belägen bedürfen in Deutschland einer Zulassung durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA), für die der Nachweis der Eignung unter den besonderen Bedingungen des Kreuzungsverkehrs Schiene/Straße erbracht werden muss; lediglich in untergeordneten BÜ dürfen die alten Bauarten bedingt weiter verwendet werden. Für die Wahl des jeweiligen Systems der BÜ-Befestigung stehen Orientierungshilfen in der Ril 815 zur Verfügung. Danach ist die Auswahl nach den örtlichen Bedingungen des Schienen- und Straßenverkehrs und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen; hier bleibt also ein gewisser Spielraum, der durch die für Planung und Bau verantwortlichen Stellen sehr unterschiedlich genutzt wird.
7.5 Verkehrstechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs 7.5.1 Bereinigung und Umgestaltung des Kreuzungsbereichs 7.5.1.1 Vorerhebungen zu Verkehrsstärken und Verkehrsflüssen Da BÜ-Planungen in der gegenwärtigen Situation hauptsächlich durch geänderte Verkehrs-
stärken und Verkehrsflüsse veranlasst werden, ist es zur Vorbereitung unerlässlich, – Verkehrszählungen mit getrennter Erfassung des Kfz-, Lkw- und sonstigen Schwerverkehrsanteils sowie des Fußgänger- und Radfahreranteils durchzuführen, – dabei die Verkehrsströme aus und nach dem BÜ benachbarten Seitenstraßen zu erfassen und – die absehbare Verkehrsentwicklung zu berücksichtigen, die sich aus raumordnerischen und städtebaulichen Planungen ergeben wird oder die durch Neuansiedlung von verkehrsintensiven Anlagen, wie Einkaufszentren oder Gewerbegebieten, bedingt ist. 7.5.1.2 Verschwenken und Verlegen von zuführenden Straßen Straßeneinmündungen in eine den BÜ querende Straße in unmittelbarer Nähe des Übergangs, die oft durch Aufwertung von bahnparallelen Seitenwegen entstanden, bilden ein großes Hindernis für eine geordnete Planung der BÜ-Sicherung, da das Räumen des BÜ durch Kfz, die als Linksabbieger wegen Gegenverkehrs wartepflichtig sind, blockiert wird. Als Abhilfemaßnahme bietet sich das Abschwenken oder Verlegen der einmündenden Straßen in den Bereich außerhalb der Räumstrecke ein. Von dieser Möglichkeit sollte
352
7 Bahnübergänge
immer Gebrauch gemacht werden, soweit dies nicht durch eine dort bestehende, hochwertige Bebauung verhindert wird. In derartigen Fällen sind dann verkehrstechnische Maßnahmen zur Regelung des vom BÜ abfließenden Verkehrs erforderlich, die oft wegen der Gefahr der Missachtung von Verkehrszeichen zu einer erhöhten Gefährdung oder im Fall von Ampelsteuerungen zu erhöhten Investitions- und Instandhaltungskosten führen. 7.5.1.3 Verkehrstechnische Maßnahmen im Räumstreckenbereich In Fällen, in denen die verfügbare Räumstrecke hinter dem BÜ so kurz ist, dass nach links abbiegende Fahrzeuge mit der nach StVO höchstzulässigen Länge von 20 m zuzüglich einer Toleranz von 5 m hinter dem BÜ nicht so aufgestellt werden können, dass sie den Gefahrenraum der Bahn freihalten, kann die zulässige Länge der Fahrzeuge auf das verfügbare Maß begrenzt werden. Dies geschieht durch das Aufstellen der Zusatzzeichen Z 214-20 (Pkw frei) oder einer Längenbegrenzung auf die für das Aufstellen tatsächlich verfügbare Länge mit Zusatzzeichen Z 266 zu den Gebotszeichen für die vorgeschriebene Fahrtrichtung Z 209-30 (geradeaus), Z 214-20 (geradeaus und rechts) oder dem Zeichen Z 1000-11 (Pfeil nach links). Die Lösung sollte jedoch nur angewandt werden, wenn ein Bedürfnis für das Abbiegen längerer Fahrzeuge nur selten auftritt, wie z.B. bei Zufahrten zu einzelnen Privathäusern, und somit erwartet werden kann, dass längere Fahrzeuge einen Umweg fahren (vgl. Beispiel in Abb. 7.7). Soweit ein größeres Verkehrsbedürfnis für Lkw und Lastzüge besteht, z.B. bei Zufahrten zu Müllplätzen oder Fabriken, ist diese Lösung wegen der Gefahr der Missachtung des Gebots und dem damit verbundenen Risiko, dass Fahrzeuge im Gefahrenraum der Bahn zum Stehen kommen, zu vermeiden. Die einfachste Möglichkeit, das Räumen eines BÜ, das wegen Gegenverkehrs für warte-
pflichtige Linksabbieger kurz nach einem BÜ behindert wird, zu ermöglichen, ist es, dieser Fahrbeziehung durch Anordnung einer abknickenden Vorfahrt den Vorrang zu geben. Diese Möglichkeit kann jedoch nur genutzt werden, wenn es sich bei der Fahrbeziehung um den stärkeren Verkehrsstrom handelt, ansonsten würde der sonstige Verkehr zu stark behindert. Wenn die Möglichkeit besteht, das Linksabbiegen nach dem BÜ zu verbieten, kann durch Anordnen eines Geradeausfahrgebots (Z 20930 nach StVO) und eine durchgehende Fahrstreifenbegrenzung als Mittellinie (Z 295) das ungehinderte Räumen des BÜ sichergestellt werden (vgl. Abb. 7.8). Diese Regelung wird allerdings nur bei einer sehr geringen Zahl von potenziellen Linksabbiegern durchsetzbar sein. Die technisch aufwändigste, aber immer einsetzbare Methode, um die Räumstrecken freizuhalten, sind Lichtzeichenanlagen mit vorgeschalteten Lichtzeichen (vLz). Bei dieser Sicherung wird der auf den BÜ strömende Verkehr durch vor dem Schließen der Halbschranken eingeschaltete Lichtzeichen zurückgehalten, um dem vom BÜ abfließenden Verkehr das Räumen zu ermöglichen. Diese Lichtzeichen werden nur im Zusammenhang mit dem Schließen der BÜ-Sicherung eingeschaltet. Allerdings ist die im Prinzip einfache Möglichkeit der Verkehrsregelung wegen des notwendigen Einbeziehens aller Verkehrsströme mit erheblichem Aufwand bei der Konzeption, aber auch bei der Instandhaltung verbunden. In Fällen, in denen Kreuzungen von Straßen so nahe an BÜ liegen, dass ein von der Kreuzung ausgehender Rückstau auf den BÜ nicht ausgeschlossen werden kann, bietet sich eine Ampelsteuerung der Kreuzung an, welche die BÜ-Sicherung (Schranken oder Halbschranken mit Lichtzeichen) integriert. Bei einer derartigen „BÜSTRA“-Anlage, die nach den „Richtlinien über Abhängigkeit zwischen der technischen Sicherung von BÜ und der Verkehrsregelung an benachbarten Straßenkreu-
7.5 Verkehrstechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs
353
Abb. 7.7 Beispiel zur Längenbeschränkung für Fahrzeuge, die nach BÜ links abbiegen
zungen“ mit einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Straßenbaulastträger und dem Infrastrukturbetreiber der Bahn zu gestalten ist, wird der Straßenverkehr zu BÜ durch die Steuerung der Lichtzeichen so frühzeitig unterbrochen, dass der BÜ-Bereich rechtzeitig geräumt werden kann. Die Elemente der BÜ - Sicherung sind zu schützenden Hauptsignalen oder Überwachungssignalen abhängig zu schalten. Aus der Vielzahl der Abhängigkeiten ergibt sich ein erheblicher Aufwand
nicht nur für die Planung, sondern auch für die laufende Wartung und Entstörung derartiger Anlagen.
7.5.2 Anpassen des Straßenverlaufs 7.5.2.1 Maßnahmen bei unzureichender Straßenbreite An BÜ muss entweder eine für den Begegnungsverkehr ausreichende Breite vorhanden
354
7 Bahnübergänge Abb. 7.8 Anordnung eines Linksabbiegeverbots Z 295 unterbrochene Fahrbahnbegrenzung
Z 295 Fahrbahnbegrenzung
Z 296 unterbrochene Fahrstreifenbegrenzung
Z 294 Haltlinie
Z 209 - 30
Z 201 Lz
Zusatzschild: „(nur) für Fahrzeuge und Züge über 10 m Länge einschließlich Ladung“
Lz
Z 201
Z 295 Fahrbahnbegrenzung
Lz Z 201
Lz Z 201 Z 294 Haltlinie Z 295 Fahrstreifenbegrenzung
sein oder das Begegnen muss im Bereich der Räumstrecke ausgeschlossen werden. Dabei wird von den räumenden Fahrzeugen eine Straßenbreite von 2,75 m in Anspruch genommen, eine Begegnung ist ab Fahrbahnbreiten von 5,5 m möglich. Bei Halbschranken muss eine Durchfahrtsbreite für die räumenden Fahrzeuge von 3,0 m freigehalten werden. Die bei unzureichender Straßenbreite zu treffenden Maßnahmen hängen u.a. von der verkehrsrechtlichen Einstufung der Straße ab:
– bei Feld und Waldwegen mit einer Mindestbreite von 3,0 m, die durch die Zeichen 260 in Verbindung mit den Zusatzzeichen Z 1026-38 und/oder 1028-33 ausdrücklich nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegeben sind, reicht es bei BÜ ohne technische Sicherung aus, wenn der Bereich der Räumstrecke von beiden Seiten überschaubar ist, – bei BÜ mit technischer Sicherung an öffentlichen Straßen soll die Fahrbahnbreite mindestens 5,5 m betragen, wenn die Räum-
7.5 Verkehrstechnische Gestaltung des BÜ-Bereichs
355
vorgeschaltete Lichtzeichen Schleppkurve beim Räumen des BÜ behinderter Verkehr
1)
1)
1) können in bestimmten Fällen gemeinsam mit den vLz angeschaltet werden
Abb. 7.9 Beispiel für das Anordnen von vorgeschalteten Lichtzeichen
strecken nicht einsehbar sind oder ein Begegnungsverkehr nach dem Ergebnis einer Verkehrszählung nicht weitgehend ausgeschlossen werden kann, – bei öffentlichen Straßen mit einer durchlaufenden oder am BÜ ohne technische Sicherung verringerten Breite zwischen 3,0 und 5,5 m kann eine Gegenverkehrsregelung mit den Zeichen Z 208/308 getroffen werden, wenn die Räumstrecken von beiden Seiten überschaubar sind, – wenn sich die Fahrbahnbreite in Richtung zum BÜ verringert, sind Zeichen Z 120 (Fahrbahnverengung) und im Übergangsbereich zur Verengung Baken Z 605 (Leitbake/Warnbake) aufzustellen.
In anderen Fällen kann, soweit dort anwendbar, Abhilfe geschaffen werden durch – Einrichtung von Einbahnstraßen (Z 220), – Verbot von längeren Fahrzeugen (Z 266) und/oder breiteren Fahrzeugen (Z 264), – Verkehrsregelung mit Lichtzeichen, vor allem auf Hauptverkehrsstraßen. 7.5.2.2 Ausrundungen von Kurven und Straßenanschlüssen Bei Straßen über BÜ, die in engen Kurven liegen und an Seitenstraßen vor und hinter BÜ stellt man oft fest, dass breite und lange Fahrzeuge im Begegnungsfall oder beim Ab- und Einbiegen die Fahrbahnränder überfahren oder bis zum Stand abbremsen, um anderen Fahrzeugen gefahrfrei begegnen zu können.
356
7 Bahnübergänge
Die Ursache ist zum einen die Zunahme von Lastzügen, welche die Höchstmaße nach der StVO voll ausnutzen, von Gelenkbussen, aber auch von überbreiten Erntemaschinen und vor allem die Tatsache, dass dem dynamischen Raumanspruch von Fahrzeugen bei der Kurvenfahrt zu wenig Bedeutung zugemessen wurde. Oft wurde man erst durch seitlich angefahrene Verkehrszeichen, beschädigte Lichtzeichengeber oder durch Unfälle, die durch im BÜ-Bereich wegen Gegenverkehrs anhaltender, großer Fahrzeuge verursacht waren, auf die unzureichende Straßenbreite im Kurvenbereich aufmerksam. Dieser Raumanspruch, der vor allem durch den Überstand von Fahrzeugteilen vor und hinter den Achsen, der durch das Fahrverhalten der Lenker („weiter Ausholen“) ausgedrückt wird, kann durch „Schleppkurven“ zeichnerisch wiedergegeben werden. Die Schleppkurven stehen für bestimmte Kategorien und Maße von Fahrzeugen (Pkw, Lkw, Lastzüge, Busse, Gelenkbusse, Müllfahrzeuge) und verschiedene Fahrweisen (zügige Fahrweise/Anfahren aus dem Stand) zur Verfügung, die am häufigsten gebrauchten Schleppkurven sind auch in Ril 815 abgedruckt. Bei der praktischen Anwendung prüft man die Einhaltung der Schleppkurven, in dem man eine transparente Folie mit der im gewählten Fall einzuhaltenden Schleppkurve über einen Lageplan mit dem Verlauf der Straße im gleichen Maßstab (1 : 250) zieht und dabei feststellt, ob sich die Ränder der Schleppkurve innerhalb der äußeren Fahrbahnränder und in Straßenmitte innerhalb der Mittellinie bewegen. Falls diese überschritten werden, kann man einzelne Punkte markieren und erhält durch die Verbindung dieser Punkte den erforderlichen Verlauf der Fahrbahnränder.
7.5.3 Beschilderung und Markierung der Zufahrten zu BÜ Obwohl der Bahnbetreiber lediglich für die Aufstellung der Andreaskreuze selbst zustän-
dig ist, kommt der Beschilderung und Markierung des Bereichs vor und am BÜ, die vom Planer dem Straßenbaulastträger vorzugeben ist, aus sicherheitstechnischen Gründen große Bedeutung zu. Einige Elemente, wie die Lage der Haltlinie vor dem BÜ und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Straße, gehen auch in die Berechnung von Einschaltzeiten für die BÜ-Sicherung ein. Die wesentlichen Elemente der Beschilderung und Markierung, hier als Beispiel für einen BÜ mit Halbschranken und Lichtzeichen in einer Lage außerorts und mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/ h, sind aus Abb. 7.10 ersichtlich. Auf die Beschilderung mit Baken zur Ankündigung des BÜ kann im durchgehend bebauten Ortsbereich verzichtet werden, da dort die Geschwindigkeit ohnehin auf 50 km/h beschränkt ist und diese Schilder wegen vielfältiger Ablenkung durch andere Schilder, Zeichen, Plakate etc. kaum wahrgenommen werden und der BÜ sich schon wegen der Unterbrechung der Bebauung durch die Bahnlinie gut abhebt. Die Mittelmarkierung der Fahrstreifenbegrenzung, die nach der Verwaltungsvorschrift zur StVO mindestens 25 m ab der Haltlinie vor dem BÜ durchzuziehen ist, ist ein wesentliches Mittel zur Durchsetzung des Überholverbots, das bei Missachtung zu großen Gefährdungen im BÜ-Bereich führt. Die durchgezogenen Markierung bedeutet nicht nur ein Überholverbot auf der zum BÜ führenden Seite, sondern auf der vom BÜ wegführenden Straßenseite auch ein Halteverbot, wenn, wie in den meisten Fällen, neben haltenden Kfz keine für ein Vorbeifahren ausreichende Breite mehr besteht. Die vielfach noch anzutreffenden Überholverbotszeichen auf den Baken sind damit überflüssig geworden. Die Fahrstreifenbegrenzungen sind über den BÜ-Belag durchzuziehen, obwohl sie in der Praxis durch die schlechte Haftung der Markierungsstoffe oft nicht sehr dauerhaft sind. Dabei muss der BÜ-Belag neben den seitlichen Markierungen noch mindestens 30 cm breit sein.
Literatur
357
Z 295 Fahrstreifenbegrenzung (max l = 30 m)
Vorankündigungs-Markierungspfeile können von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet und vom Straßenbaulastträger angebracht werden.
Zeichen 162-20 einstreifige Bake (links)
Zeichen 159-20 zweistreifige Bake (links)
m 90 4m
e
lini
arn ls W
2m Zeichen 153 dreistreifige Bake (links) - vor beschranktem BÜ -
Z 162-10 (rechts)
a inie
Le
Z 159-10 (rechts)
m
Zeichen 294 Haltlinie
itl
40
Z3
5 2, m 0 8
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Z 153 (rechts)
ie
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1m
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5
Z
Fa
hn
g be
re
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un
29
Abb. 7.10 Beschilderung und Markierungen an BÜ
Der Abstand der Haltlinie zu Andreaskreuz und Lichtzeichen wurde in Deutschland auf 2,5 m festgelegt, weil von dort bei guter Sicht auf die Lichtzeichen die Zeitwerte für die Steuerung der Anlage optimiert wurden. An Fußwegübergängen sind bei Änderungen und Neubau von BÜ für die Unterstützung der Wahrnehmung des BÜ durch Blinde und Sehbehinderte in 1 m Abstand vor Schranken Bodenindikatoren als taktile Markierungen aufzubringen.
Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378; S. 2422) 7.4 DB Netz AG: Richtlinie 815. Bahnübergangsanlagen planen und instand halten 7.5 DB Netz AG: Richtlinie 819.12. Signalanlagen planen; Technische Bahnübergangs-Sicherungsanlagen
Österreich 7.2 Eisenbahnverordnung (EisbVO 2003) vom 11. April 2003 (BGBl II, Nr. 209)
Schweiz
Literatur Gesetze und Regelwerke Deutschland 7.1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967, zuletzt geändert durch das
7.3 Verordnung über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen (Eisenbahnverordnung [EBV]) vom 23. November 1983
8
Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Klaus Rießberger
8.1 Einleitung Der Rad-Schiene-Kontakt bestimmt die Leistungsfähigkeit des Systems Eisenbahn. Bekanntermaßen ist er – aufgrund der Dynamik und der hohen Kontaktspannungen – der kritische Punkt bei Hochgeschwindigkeitsund Schwerlastverkehr, er ist aber auch maßgeblich für Lärmemissionen und Verschleiß verantwortlich. Letzteres äußert sich hauptsächlich als Rauigkeit von Schiene und Rad und verändert zudem die jeweiligen Profile in Längs- und Querrichtung, was wiederum veränderte Kontaktsituationen hervorruft. Hinzu kommt, dass Eisenbahnfahrzeuge speziell in engeren Bögen dazu tendieren, eher zu rutschen als zu rollen. Außerdem hat es eine große Tradition, ausgerechnet am Kontaktpunkt Rad-Schiene die Trennung von Bauingenieurwesen und Maschinenbau vorzunehmen. Im Folgenden wird noch deutlich dargelegt werden, dass Kräfte und Bewegungen und mit ihnen der Verschleiß immer aus dem Zusammenwirken zweier Komponenten herrühren, der Schiene und dem Rad, oder genauer, dem Laufwerk und dem Gleis.
Abstand der Kontaktpunkte von 2 s. Bedingt durch die seitliche Verschiebung y laufen der linke und der rechte Kontaktpunkt auf unterschiedlichen Radradien, die Rollradiendifferenz wird als 'r bezeichnet. Hierbei bedeuten: r nomineller Halbmesser eines Rades [m] s halber Abstand der Radaufstandspunkte [m] ρ Halbmesser der Bahnkurve [m] y Verschiebung der Radsatzmitte von der Gleismitte [m]. Aus Abb. 8.1 kann der folgende Zusammenhang entnommen werden: (8.1) mit 'r = f(y).
8.2 Der Radsatz im Gleis 8.2.1 Einführung Wir betrachten einen Radsatz als starre Verbindung von zwei Rädern und einer Welle. Wie in Abb. 8.1 dargestellt, läuft der Radsatz auf einem Gleis, bestehend aus zwei Schienen mit einem
Abb. 8.1 Allgemeine Zusammenhänge
360
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
Mit U wird in dieser Formel der Radius bezeichnet, mit welchem zu diesem Zeitpunkt die rollende Bewegung in der horizontalen Ebene stattfindet. Er lässt sich unter Zuhilfenahme von Gl. (8.2) bestimmen: (8.2) Grundsätzlich lautet die Gleichung für die Bahnkrümmung (8.3)
Somit wäre die Differentialgleichung der seitlichen Bewegung für die (langsame) Fortbewegung eines Radsatzes am Gleis gefunden. Da es sich hierbei um eine nichtlineare Gleichung handelt, kann keine geschlossene Lösung angegeben werden. Diesem Problem wird (hier) mit zwei Vereinfachungen begegnet: 1. Die Bahn der Radsatzmitte weicht nur leicht von der Gleisachse ab damit wird
Diese Differentialgleichung kann unschwer gelöst werden mit (8.6) Ihre Lösung wurde erstmals im Jahr 1883 von Klingel präsentiert. Aus ihrer mathematischen Formulierung leitet sich die Bezeichnung „Sinuslauf “ für die periodische seitliche Bewegung eines Radsatzes während seines Laufes ab. Damit zeigt sich, dass – nur die Annahme eines geraden konischen Profils zu einer linearen Differentialgleichung führt, – die Lösung nach Klingel nur für niedrige Geschwindigkeiten gültig ist, da keine Massenwirkungen enthalten sind, – jedes Hohlprofil zu nichtlinearen Bewegungen führt, – die Bewegungen eines ungefesselten, freilaufenden Radsatzes durch reines Rollen (ohne Schlupf) hervorgerufen werden, – jede Verbindung der betrachteten Achse mit einem Wagenkasten oder mit einer anderen Achse in einem Drehgestell die Bewegung behindert und zum Auftreten von Schlupferscheinungen führt.
und folglich (8.4)
2. Räder mit geraden konischen Profilen Mit l als Neigung des geraden konischen Profils wird
8.2.2 Das Reibungsgesetz Im Jahre 1776 veröffentlichte Coulomb das Reibungsgesetz.
Dann gilt
und die Gl. (8.4) wird zu (8.5)
T wirkt der Bewegung entgegengesetzt mit N Normalkraft [N] T Reibungskraft (Tangentialkraft) [N] μ Reibungskoeffizient [1].
8.2 Der Radsatz im Gleis
Schlupf Zur Übertragung von Tangentialkräften mittels Reibung ist nach den Erkenntnissen der vergangenen Jahrzehnte das Auftreten eines Schlupfes grundsätzlich notwendig. Diese Schlüpfe können auftreten in – Längsrichtung (Vx), – Querrichtung (Vy) und – vertikaler (Vz) Richtung, wobei die Betrachtung von einer Tangentialebene im Kontaktpunkt ausgeht. Die drei Arten von Schlupf sind definiert wie folgt: Längsschlupf (8.7) mit r Radradius [m] Z Winkelgeschwindigkeit des Rades [rad/ sec] v Geschwindigkeit des Radschwerpunkts [m/sec].
361
Zu beachten ist ferner, dass ein hoher Querschlupf die Fähigkeit zur Übertragung von Längskräften negativ beeinflusst und umgekehrt. Da Rad und Schiene nicht mehr als starr angesehen werden können, kann sich auch eine Aufteilung der Berührungsfläche in ein (oder mehrere) Haft- und Gleitgebiete mit unterschiedlichen Relativbewegungen zwischen den berührenden Elementen einstellen: – H Haftgebiet – G Gleitgebiet. Die verschiedenen Aufteilungen der Berührungsfläche resultieren aus unterschiedlichen Kombinationen der Schlüpfe. Kalker-Gleichungen Kalker hat in einer umfangreichen Arbeit das Berührungsproblem eingehend behandelt und allgemeine Lösungen angegeben. Kleiner Schlupf erlaubt Linearisierungen. Unter diesen Bedingungen nehmen die Gleichungen folgende Formen an:
Querschlupf (8.8)
(8.10)
mit D = Schräglaufwinkel [1]. Bohrschlupf (8.9) mit :3 Rotationsgeschwindigkeit, bezogen auf die geneigte Kontaktfläche [rad/sec] :'3 Rotationsgeschwindigkeit der Radbewegung um die Radsatzwelle [rad/sec]. Der Bohrschlupf ist i. Allg. klein und wird üblicherweise vernachlässigt. Die Abhängigkeit der Kraftübertragung vom Längs- und Querschlupf kann qualitativ aus Abb. 8.2 entnommen werden. In Abb. 8.3 werden die Größenordnungen von Längs- und Querschlupf bei durchschnittlichem Schienenzustand dargestellt.
Kij sind die „Kalker-Faktoren“, die vom Kontaktmuster und seiner Form abhängen. Die „Kalker-Faktoren“ haben die Dimension [Kij] = [Kraft/Schlupf]. Die Kalker-Gleichungen stellen heute die Basis aller Berechnungen zur Beschreibung des Verhaltens von (Hochgeschwindigkeits-)Eisenbahnfahrzeugen dar. Zur Bestimmung der Kalker-Faktoren wurden schnelle Computerprogramme entwickelt („Fast Kalker“). Zusammenfassung 1. Jede Kraftübertragung im Rad-SchieneKontakt bewirkt Schlupf. 2. Erzwungener Schlupf bewirkt Kräfte. 3. Schlupf in einer Richtung reduziert die Fähigkeit zur Kraftübertragung in einer anderen Richtung.
362
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Abb. 8.2 Abhängigkeit der Kraftübertragung vom Längs- und Querschlupf
Abb. 8.3 Kraftschlussfunktionen nach Frederich
8.2 Der Radsatz im Gleis
363
Abb. 8.4 Aufteilung der Berührfläche in Haft- und Gleitgebiete
Abb. 8.5 Kraftschluss-Funktionen
8.2.3 Äquivalente Konizität Radsätze, charakterisiert durch – Radrückenentfernung – Radprofil entwickeln auf dem Gleis, charakterisiert durch – Spurweite – Schieneneinbauneigung – Schienenquerprofil beim Abrollen und seitlichem Radsatzversatz unterschiedliche Rollradien (die Rollradiendifferenz 'r bezogen auf die doppelte Seitverschiebung des Radsatzes im Gleis y wird als „Profilfunktion O“ bezeichnet). Gleichzeitig resultiert aus der Bewegung der Kontaktkraft eine Kraft mit der Tendenz den Radsatz durch die „Profilfunktion (tan -1 – tan -2)“ in die Mittellage des Gleises zurückzuführen, wobei G1 und G2 die Neigungswinkel im Berührungspunkt Rad/Schiene sind.
Zusätzlich existiert eine Rotation um die Längsachse x, wobei diese weniger bedeutend ist („Profilfunktion Mx‘‘). Für jede Kombination von Radsatz und Schiene kann die ('r über y)-Funktion aus Messungen oder Berechnungen bestimmt werden. Sie ist grundsätzlich eine nichtlineare Funktion, die an manchen Stellen einen Sprung als Folge des Wechsels der Berührpunkte aufweist. Wenn die Funktion eine lineare Abhängigkeit von ∆r über y zeigt, kann dieses Verhalten durch die Konizität eines geraden Kegels („äquivalente Konizität Oe“) beschrieben werden. Ein gerader doppelt-konischer Radsatz weist immer eine lineare ('r über y) Funktion auf, unabhängig von Spurweite, Schieneneinbauneigung und Schienenquerprofil. Bei Hohlprofilen kommen weitere, später diskutierte Einflüsse zum Tragen, die eine geringfügig andere Bestimmung der äquivalenten Konizität erfordern.
364
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Abb. 8.6 Äquivalente Konizität Oe
äquivalente Konizität λe
Spurweite SchienenEinbauneigung Oberbauform
Abb. 8.7 Äquivalente Konizität entlang einer Versuchsstrecke
8.2 Der Radsatz im Gleis
365
Abb. 8.8 Abschätzung der äquivalenten Konizität
Die äquivalente Konizität λe ist der fahrzeugseitige Hauptparameter für die Fahrzeug-Gleis-Dynamik, der sowohl vom Radsatz als auch vom Gleis gleichzeitig beeinflusst wird. Dies zeigt Abb. 8.7 mit Paarungen des Radprofils UIC S1002 und verschiedenen Oberbauformen. Eine Abschätzung der äquivalenten Konizität kann mit guter Näherung nach Abb. 8.8 vorgenommen werden. Dabei gilt: RR = Krümmungsradius Rad [mm] RS = Krümmungsradius Schiene [mm] gR = Entfernung Krümmungsmittelpunkte Rad [mm] gS = Entfernung Krümmungsmittelpunkte Schiene [mm].
8.2.4 Rückstellsteifigkeit
Man erkennt, dass die äquivalente Konizität Oe mit enger werdender Spurweite stark ansteigt. Schließlich ist Oe auch von der betrachteten Bewegungsamplitude abhängig (s. z.B. Abb. 8.26 unten).
Bei geraden konischen Profilen (RR = f) wird die Rückstellsteifigkeit zu Null.
Bei Hohlprofilen ändern sich die Berührebenen bei horizontalem Versatz des Radsatzes entsprechend der Funktion (tan -1 – tan -2) über y. Die Rückstellkraft dividiert durch den Seitversatz y wird als Rückstellsteifigkeit bezeichnet, womit diese ausschließlich von der vertikalen Last abhängt. Analoge Abschätzungen zu Abb. 8.6 sind in Abb. 8.9 dargestellt. (8.11) mit W Achskraft [kN].
366
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Abb. 8.9 Abschätzung der Rückstellsteifigkeit
8.2.5 Einfluss der Spurweite auf Oe, kg Die Abhängigkeit – der äquivalenten Konizität Oe und – der Rückstellsteifigkeit kg von Spurweite, Schieneneinbauneigung und -profil sowie der Berührgeometrie ist offensichtlich. Grundsätzlich führen enge Spurweiten zu großen Berührwinkeln -. Dies bedeutet – hohe äquivalente Konizität, – hohe Rückstellsteifigkeit, kombiniert mit reduzierter Möglichkeit zur Horizontalbewegung. Gleichzeitig verursacht Vz (Bohrschlupf) Schienenverschleiß in Form von Head-Checks. Aus diesen Gründen wird eine gegenüber der Standardspurweite geringfügig erweiterte Spur empfohlen. Diese sollte für Hochgeschwindigkeitsstrecken 1437 bis 1440 mm betragen.
chen Bereich des Radprofils. Dadurch wird die Fahrkante entlastet und die Radsatzdynamik weniger angeregt. Die Zurücknahme der Fahrkante von etwa 0,5 bis 0,8 mm zur Schaffung eines größeren Ausrundungsradius durch Schienenschleifen vor Ort dient ebenso der Verschiebung des Radaufstandpunktes in einen Bereich flacher Berührkonturen und damit einer Verringerung der sehr hohen Berührungsspannungen (z.B. „ballige Schiene“).
8.2.7 Bewegungsgleichungen von Radsätzen Basierend auf den Kalker-Gleichungen werden alle Komponenten, die zu den Schlupfkräften beitragen, identifiziert und erfasst. Die hochkomplexen Gleichungen können durch eine Reihe von Annahmen vereinfacht werden. sin -i = -i
Berührwinkel
8.2.6 Möglichkeiten der Einflussnahme
Vz = 0
kein Bohrschlupf
Mx = 0
kein „Rollen“ um die Längsachse
Neben der Spurweite bieten auch – Schienenneigung und – die Form des Schienen-Querprofiles im Berührbereich die Möglichkeit, das Zusammenwirken von Radsatz und Gleis günstig zu beeinflussen. Eine größere Schieneneinbauneigung (z.B. 1 : 20 statt 1 : 40) verschiebt den Berührungspunkt nach gleisaußen und damit in den fla-
Kijlinks = Kijrechts
gleiche Kalker-Koeffizienten
Mz klein
Verdrehwinkel um die Hochachse klein
etc.
Die folgenden Gleichungen beschreiben die Bewegungen als Funktion von y horizontaler Versatz des Radsatzes und Mz Verdrehwinkel um die Hochachse.
8.2 Der Radsatz im Gleis
367
Unter Annahme eines idealen Gleises nehmen sie folgende Form an:
(8.12)
mit D Differential mW Radsatzmasse[kg] Iwz Trägheitsmoment um die Vertikalachse [kgm2] Iwy Trägheitsmoment um die Horizontalachse [kgm2] Kij Kalker Koeffizienten [N] v Fahrgeschwindigkeit [m/sec] r0 nomineller Radsatzradius [m] s halbe Spurweite [m] ' (tan G1 – tan G2)/2 k Federkonstanten [N/m] oder [Nm/rad] c Dämpfungskonstanten Gleichung (8.12) kann für einen freien Radsatz unter folgenden Annahmen weiter vereinfacht werden: – sehr kleine Beschleunigungen D2 = 0 – ky = kx = 0; cy = cx = 0 – keine Rückstellsteifigkeit Kg = 0 (rein konische Profile), dann auch ' = 0
Aus diesen Lösungen ergibt sich die charakteristische Gleichung zu ,
(8.14)
die damit genau der Klingel-Lösung entspricht (Gl. (8.6)). Die Phasenverschiebung zwischen y und Mz des frei rollenden Radsatzes ergibt sich zu . Die Untersuchungen zeigen weiterhin, dass bei frei rollendem Radsatz keine Schlupfkräfte auftreten. Auf Basis dieser Gleichung kann die Reaktion eines freien Radsatzes auf eine Horizontalkraft bei langsamer Bewegung untersucht werden: D = 0; D2 = 0
–2K22Mz = Fy
(8.15)
Lösung: y = 0 und Mz = –Fy/2K22 (8.13) Lösung: y(t) = YeDt; ϕz(t) = )eDt
Eine Horizontalkraft auf einen frei rollenden Radsatz bewirkt eine Verdrehung des Radsatzes um die Hochachse. Die entstehenden Querschlupfkräfte kompensieren die aufgebrachte Seitenkraft. Ein seitlicher Versatz entsteht nicht.
368
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
Analog bringt ein freies Giermoment den Radsatz ohne Rotation um die z-Achse in eine nicht zentrierte Position, wobei das Moment dem aus den horizontalen Schlupfkräften entstehenden Moment zufolge der unterschiedlichen Laufradien entspricht. Fahrzeugkonstrukteure verwenden diese Gleichungen ohne die oben beschriebenen Vereinfachungen, was zusätzliche Abhängigkeiten aufzeigt und mehr Raum für Interpretation der Ergebnisse nach sich zieht.
8.3 Das Drehgestell am Gleis 8.3.1 „Steife“ Drehgestelle Traditionelle Konstruktionen von Drehgestellen können durch in der Horizontalebene steif im Drehgestellrahmen fixierte Achsen modelliert werden. Derartige Drehgestelle können entsprechend ihren Freiheitsgraden mit nur zwei Gleichungen beschrieben werden Gleiche Vereinfachungen wie für den freien Radsatz führen zu Resultaten entsprechend Gl. (8.14), aber die Eigenwerte ergeben sich zu: .
Abb. 8.10 Steifes Drehgestell – Schema
(8.16)
8.3 Das Drehgestell am Gleis
Diese können transformiert werden: (8.17) mit l als dem halben Achsstand [m]. Die „Frequenz“ der sinusförmigen Horizontalbewegung eines steifen Drehgestells ist kleiner und die Wellenlänge der Bewegung größer. Wird der Ausdruck (1 + (l/s)2) als „Verlängerungsfaktor E“ bezeichnet, verhält sich ein steifes Drehgestell wie ein freier Radsatz mit – entweder einer reduzierten Konizität – oder vergrößerter Spurweite s · E – oder vergrößertem Radradius r0 · E, verglichen mit dem freien Radsatz mit O, s und r0.
8.3.2 „Weiche“ Drehgestelle Durch eine längs- und querweiche Ausführung der Verbindung von Achslagern und Drehgestellrahmen kann – unter bestimmten Umständen – eine Annäherung an die Radi-
369
alstellung der Achsen erreicht werden. Dieses Verhalten kann durch die Einführung von – Biegesteifigkeit cB [N/m] und – Schubsteifigkeit cS [Nm/rad] beschrieben werden. Es kann gezeigt werden, dass (8.18) und (8.19) ist. Bei herkömmlichen Drehgestellen nehmen cM und cq den Wert 0 an, womit folgt: (8.20)
Dies zeigt einen nicht lösbaren Zusammenhang zwischen cS und cB. Hohe cB-Werte sind für hohe Stabilitäten erforderlich, niedrige cBWerte unterstützen die Kurvenlauffähigkeit. Diesen Anforderungen kann nur durch Kompromisse entsprochen werden.
8.3.3 „Selbstlenkende“ und „zwangsgesteuerte“ Drehgestelle
Abb. 8.11 Allgemeines Schema der Verbindung zweier Radsätze, mit 2b Achslagerentfernung [m] cx, cy Federkonstante der Achslagerung im Drehgestellrahmen [N/m] cq Steifigkeit der Verbindungen [N/m] cM Steifigkeit der Rotationsverbindungen [Nm/rad]
Die Konstruktion eines „weichen“ Drehgestells öffnet eine Reihe von Möglichkeiten, um den widersprechenden Anforderungen für einen guten Kurvenlauf und hohe Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten zu entsprechen. Weiches cx allein unterstützt nur Kurvenfahren bei langsamen Geschwindigkeiten (wenn ein ausreichender Horizontalversatz des Radsatzes eine freie Einstellung erlaubt), reduziert jedoch die Laufstabilität. Einige Konstruktionen lösen diese Problematik durch Wechsel von „weichem“ zu „steifem“ Drehgestell in Abhängigkeit von Geschwindigkeit oder Einlenkwinkel. Andere Lösungen reduzieren cx und cy bei gleichzeitigem Aufbau von cq und cφ. Ein
370
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
8.3.4. Gleichungssysteme für Fahrzeuge
Abb. 8.12 Prinzip der Selbststeuerung nach Scheffel
Beispiel dafür ist das selbstlenkende Scheffel-Drehgestell („Kreuzankerdrehgestell“). In Abb. 8.12 ist das Prinzip dieses Drehgestells dargestellt. Durch Auflösen der longitudinalen Behinderungen (die durch die Verbindung mit dem Drehgestellrahmen entstehen) zeigt die Konstruktion eine hohe Schubsteifigkeit cS zwischen den Achsen und sehr geringe Biegesteifigkeiten cB. Drehgestelle, bei denen die Achsen durch die sich im Bogenlauf aufbauenden Kräfte einlenken, werden als „selbstlenkende Drehgestelle“ bezeichnet. Darüber hinaus sind seit Jahrzehnten „zwangsgelenkte Drehgestelle“ bekannt, bei denen die Radialeinstellung der Achsen durch Übertragung der Bewegung zwischen Drehgestellrahmen und Fahrzeugaufbau in eine Einstellbewegung zwischen den Achsen umgesetzt wird (z.B. Liechty-Drehgestell). Schließlich sind auch Lösungen vorstellbar, bei denen die Einstellung der Achsen unter Berücksichtigung der Gleisgeometrie und der aktuellen Position des Fahrzeugs elektronisch, sozusagen „von außen“, gesteuert wird („mechatronische Drehgestelle“). Alle Erfahrungen zeigen eine markante Reduktion des Verschleißes, besonders jener des Spurkranzes, was eine Reduktion der Spurkranzdicke erlaubt. Diese Reduktion wiederum erlaubt besseres freies Einstellen des Radsatzes, womit die Kurvenlauffähigkeit weiter verbessert wird. Das Zulassen größerer Bewegungen führt zu geringeren Kräfteniveaus, welche insgesamt den Vorteil der „weichen“ Drehgestelle darstellen.
Mechanisch gesehen besteht ein Fahrzeug aus einer Vielzahl von steifen Körpern, die mit Federn und Dämpfern linear oder nicht linear miteinander verbunden sind. Abhängig von der Anzahl an Freiheitsgraden werden Differentialgleichungen zweiter Ordnung entwickelt, die die Bewegungen der einzelnen Teile beschreiben. Traditionellerweise werden die Gleichungen in vertikaler und horizontaler Ebene getrennt betrachtet. Während die Anregung in vertikaler Richtung ausschließlich vom Verlauf der Gleishöhenlage herrührt, führt in horizontaler Richtung das freie seitliche Spiel zwischen Radsatz und Schiene zu einem weit komplizierteren System. Ein Beispiel für ein Modell mit 14 Freiheitsgraden ist in der Matrix in Abb. 8.14 gegeben. In der Untermatrix für die seitliche Verschiebung yi und die Rotation Mzi des Radsatzes können die schon bekannten Koeffizienten abgelesen werden. Ähnliche Gruppen von Koeffizienten bilden die Matrix als gesamtes. Es ist möglich, in dieser Matrix auch nichtlineare Zusammenhänge darzustellen. Solche Nichtlinearitäten beinhalten beispielsweise Wankbewegungen des Wagenkastens oder markantes nichtlineares Verhalten der Federn und Dämpfer. Es ist offensichtlich, dass horizontale Bewegungen Einfluss auf das vertikale Verhalten des Fahrzeugs haben, z.B. Änderungen der Radlastverteilung, und umgekehrt. Trotzdem behandelt die Forschung beide Bereiche weitgehend unabhängig. Die rechte Seite des Differentialgleichungssystems beschreibt die Unregelmäßigkeiten der Gleisgeometrie und muss in eine zeitabhängige Anregung, die den Einfluss der Fahrgeschwindigkeit widerspiegelt, transformiert werden. Für lineare Gleichungssysteme kann ein Standardlösungsansatz gewählt werden, der darauf abzielt, Eigenwerte des homogenen Systems charakteristischer Gleichungen zu fin-
8.3 Das Drehgestell am Gleis
371
Abb. 8.13 Modellierung eines 2achsigen Schienenfahrzeugs
den. Diese nehmen die Form konjugiert komplexer Zahlen mit einem Real- und einem Imaginärteil an. Es existieren genauso viele Eigenwerte wie Freiheitsgrade, die symmetrische Punkte in der komplexen Ebene bilden. Der Realteil stellt die Dämpfung dar, er muss für das Abklingen der Störung einen negativen Wert aufweisen. Der Imaginärteil gibt die Kreisfrequenz der Bewegung an. Mit sich ändernder Geschwindigkeit bewegen sich diese Punkte entlang der Lösungskurven. Die nicht triviale Zuordnung von Geschwindigkeit und Lösungspunkt auf der Raumkurve kann nur anhand von Plausibilitätsüberlegungen erfolgen.
Bei nichtlinearen Gleichungssystemen kann die Lösung nur durch Zeitschrittintegration erfolgen, die zwar keine direkten Abhängigkeiten beschreibt, jedoch für spezielle Randbedingungen spezifische Lösungen erlaubt.
372 8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
Abb. 8.14 Bewegungsgleichungen für ein 2-achsiges Schienenfahrzeug (hier: s = Differentialoperator)
8.4 Stabilität
8.4 Stabilität 8.4.1 Kritische Geschwindigkeit Im Falle linearer Gleichungen und damit existierender Eigenwerte beschreiben die komplexen Zahlen das oszillierende Verhalten der verschiedenen Systemteile. Grundsätzlich beschreibt der Realteil das Dämpfungsverhalten über die Bewegungsspitzen, während der Imaginärteil die entsprechende Frequenz angibt. Abbildung 8.15 beschreibt links eine „stabile“ Bewegung, die nach diskreter Anregung abklingt, was einen negativen Realwert ergibt. Die rechte Seite von Abb. 8.15 hingegen zeigt eine Bewegung infolge eines positiven Realwerts. Die oszillierenden Bewegungen bauen sich auf, bis sie schließlich durch den Spurkranz in ein nichtlineares Verhalten kippen.
Es ist nachvollziehbar, dass ein Realteil 0 genau jene Situation beschreibt, in der der Übergang vom „stabilen“ negativen in den „instabilen“ positiven Zustand stattfindet. Da die Lösungen der Eigenwerte von der Fahrgeschwindigkeit abhängen, muss eine bestimmte Geschwindigkeit existieren, bei der dieser Übergang stattfindet. Diese Geschwindigkeit wird als „kritische Geschwindigkeit“ bezeichnet. Üblicherweise erreichen die Bewegungen der Radsätze den kritischen Zustand zuerst, es sind jedoch auch Fälle bekannt, in welchen Drehgestellrahmen oder anderer Teile des Laufwerkes zuerst instabil wurden. Abbildung 8.16 zeigt im oberen Teil die Lösungen für ein Fahrzeug mit eindeutiger kritischer Geschwindigkeit, während der untere Teil die Ergebnisse der Berechung des ICE 1 der DB AG beschreibt und dabei die Laufstabilität unter allen Betriebsbedingungen nachweist.
y (t ) = Y .eαt
Abb. 8.15 Realteil der charakteristischen Gleichung negativ (links) bzw. positiv (rechts)
ϕ z (t ) = φ.eαt eα t = e mit
(Re + i . Im) t
=e
Re t
. e i . Im t
Im = ω = 2 Π f
⎡ rad ⎤
ω.....Kreisfrequenz ⎢ ⎥ ⎣ sec ⎦ ⎡ Zyklen ⎤ f.....Frequenz ⎢ ⎥ ⎣ sec ⎦
y
y
t
373
t
374
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Abb. 8.16 Lösungen der Bewegungsgleichungen in der komplexen Zahlenebene
Sollen spezielle Einflüsse der Gleislage untersucht werden, dann ist nur eine Zeitschrittintegration der (nicht-)linearen Gleichungen möglich. Unter diesen Randbedingungen können nur spezifische Reaktionen spezifischer Randbedingungen bzw. unterschiedliches Verhalten bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten beschrieben werden. Ein typisches Resultat dieser nichtlinearen Modellierung ist ein Grenzzyklus, wobei benachbarte Bewegungen in ein stabiles Bewegungsmuster übergehen. In manchen Fällen kann auch ein zweiter Grenzzyklus existieren und bei hohen Geschwindigkeiten dominant werden. Typischerweise wird der Grenzzyklus bei einer gewissen Geschwindigkeit erreicht, kann jedoch nur bei einer deutlich geringeren
Geschwindigkeit wieder verlassen werden (Abb. 8.17). Unter nichtlinearen Verhältnissen kann die kritische Geschwindigkeit nur durch wiederholte Berechnungen bestimmt werden, wobei nach einer Ausgangsabweichung die Entwicklung der nachfolgenden Bewegung beobachtet wird. Das seitliche Verschieben des Radsatzes gegen das Gleis wird durch den Spurkranz begrenzt. Instabilitäten des Radsatzes bedeuten daher nicht unbedingt Entgleisungsgefahr, verursachen jedoch hohe periodische Horizontalkräfte, die den Seitverschiebewiderstand des Gleises überwinden und damit zu einer raschen Verschlechterung der horizontalen Gleislage beitragen können.
8.4 Stabilität
375
Zur Veranschaulichung dienen zwei Beispiele: 1. Die Horizontalkräfte einer schnelllaufenden elektrischen Lokomotive (Typ 120 der DB AG) zeigen eindeutige Zeichen von Instabilitäten bei einer Geschwindigkeit von 265 km/h (Abb. 8.18). Die Spitzenwerte überschreiten aber die aus der Prud’hommschen Formel ableitbaren Grenzwerte der Horizontalkräfte ∑Ylim nicht. [kN]
(8.21)
mit 2Q0 statische Achslast [kN]. Abb. 8.17 Stabilitätskarte
Abb. 8.18 Messschrieb Radkräfte bei sehr hohen Geschwindigkeiten
376
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
Oszillierende Bewegungen bedingen Kräfte, die nur durch Reduktion der bewegten Massen, z.B. der Radsatzmasse, verringert werden können. Für Hochgeschwindigkeitsfahrzeuge ist daher eine Reduktion der ungefederten Radsatzmassen einschließlich der Bremsscheiben und des Getriebes sehr empfehlenswert. 2. Nichtlineare Berechnungen der Bewegungen der vorlaufenden Achse eines Drehgestells auf einem perfekten Gleis zeigen die Wechselwirkungen von horizontalem Versatz y und der Rotation Mz. Mit wachsender Geschwindigkeit nehmen die Bewegungen zu, bis der Spurkranz eingreift und die Bewegung nichtlinear wird. Dabei ergibt sich eine Kombination von maximalem horizontalem Versatz und maximaler Rotation, bekannt als Zick-Zack-Lauf (Abb. 8.19). Unter realen Gleisbedingungen bleibt dieses Verhalten bestehen und dominiert sogar über die Einflüsse der Gleisirregularitäten (Abb. 8.20). Bei niedrigen Geschwindigkeiten werden die Horizontal- und Rotationsbewegungen der
Abb. 8.19 Radsatzbewegung auf idealem Gleis
Achsen von Gleisirregularitäten stark beeinflusst. Mit steigender Geschwindigkeit wird jedoch die Eigenbewegung gegenüber den Gleiseinflüssen dominierend.
8.4.2 Einflüsse auf die Laufstabilität Das Gleichungssystem enthält einige Parameter in komplexer Art und Weise, die das Laufverhalten stark beeinflussen. Folgende Abhängigkeiten sind bekannt: – Je geringer die äquivalente Konizität, umso höher die kritische Geschwindigkeit. Daher hat die SNCF ein Radprofil mit einer Neigung 1 : 40 und eine Einbauneigung der Schienen von 1 : 20 gewählt, womit sich eine äquivalente Konizität von O = 0,025 ergibt. – Eine „große“ Spurweite von 1440–1445 mm erlaubt eine freie selbstzentrierende Oszillation des Radsatzes. Beispiele dafür finden sich in Frankreich und in Südafrika.
8.4 Stabilität
377
Abb. 8.20 Radsatzbewegung auf reellem Gleis
– Bei engen Spurweiten (z.B. 1435 mm) gewinnt die Rückstellsteifigkeit aus der Rad-Schiene-Geometrie an Einfluss. – Ein großer Radstand 2a+ im Drehgestell ist für hohe kritische Geschwindigkeit günstig (TGV … 2a+ = 3,00 m). – Die günstige Wahl von Steifigkeit und Dämpfung der Federn und anderer Verbindungselemente ist bedeutsam. – Nichtlineares Dämpfen der Drehgestellrotation wird oft zum Anheben der kritischen Geschwindigkeit verwendet. (z.B. durch die Verwendung von speziellen Schlingerdämpfern). – Verschleiß an Rad und Schiene ändert die äquivalente Konizität Oe und die Rückstellsteifigkeit kg. Aktuelle Entwicklungen versuchen die Laufstabilität auch bei sich ändernden Profilen sicherzustellen und somit Reprofilierungszyklen von Radsätzen zu verlängern.
– Der Gleisbau kann auf vielfältige Weise die Laufstabilität von Fahrzeugen unterstützen: – durch die Wahl einer größeren Spurweite, – durch eine größere Schieneneinbauneigung, – durch Schleifen des Schienenprofils, um den Fahrspiegel schmal zu halten (12–14 mm). – Bei Schwerlastbahnen stellen die hohen Achslasten zusätzliche Anforderungen dar: – die Fahrspiegelbreite muss die Übertragung hoher Vertikalkräfte erlauben und vorzugsweise – im Zentrum der Schiene über dem Schienensteg liegen, um Biegespannungen im Schienenkopf zu verhindern (z.B. durch „ballig geschliffene Schiene“).
378
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
8.5 Bogenlauf Neben der Selbstzentrierung ist das kräftefreie Einlenken in Gleisbögen der große Vorteil des doppelt-konischen Radsatzes. Wird dieser horizontal versetzt, ergeben sich Differenzen in den Rollradien, die den Radsatz ohne Spurkranzkontakt einlenken. Der erforderliche seitliche Versatz y0 hängt von folgenden Parametern ab: – der Konizität der Räder O – der Spurweite 2s und – dem Rollradius r0.
Spurkranzkontakt begrenzt den seitlichen Versatz des Radsatzes, womit sich die erforderliche Differenz der Rollradien nicht aufbauen kann und der Spurkranz eine Rotation gegen die äußere Schiene beginnt, die aus den Differenzen der Schienenlänge und der Radumfangslänge resultiert. Diese Bewegung wird durch Federn, und zwar sowohl jener des Fahrgestells als auch jener im Drehgestell, behindert, wodurch Schlupfkräfte und – damit unauflösbar verbunden – Verschleiß resultieren. Erfahrungen bestätigen die Abhängigkeit des Verschleißes von diesem Mechanismus, wobei das Anwachsen des VerAbb. 8.21 Seitenversatz in Kurvenfahrten
Abb. 8.22 Einstellung freier Radsätze; links bei ausreichendem seitlichem Spiel, rechts bei Anschlag der Spurkränze
8.6 Maßnahmen zur Unterstützung guter Rad-Schiene-Interaktion
379
Abb. 8.23 „Asymmetrisches Schienenschleifen“
schleißes des Schienenprofils die Kurvenlauffähigkeit von Radsätzen weiter reduziert. Die Kurvenlauffähigkeit kann durch folgende Maßnahmen verbessert werden: – Ermöglichen des Aufbaus einer großen Rollradiendifferenz beispielsweise durch „asymmetrisches Schienenschleifen“. In diesem Fall werden die Schienen so geschliffen, dass ein Kontakt des Radsatzes auf der Innenseite beider Schienen erfolgt. Einige Eisenbahnen haben diese Art des Schienenschleifens als Standard eingeführt. – Hohe äquivalente Konizität Oe unterstützt den Kurvenlauf. Das kann durch eine enge Spurweite gesichert werden. Dabei ist zu beachten, dass diese Anforderung jener für hohe Geschwindigkeiten widerspricht. Gleichzeitig widerspricht diese Anforderung der Praxis der Spurerweiterung in engen Kurven, die noch aus Zeiten der Dampflokomotiven herrührt und ein Resultat der Steifigkeiten der damaligen Fahrzeugkonstruktionen war. Konstruktionsprinzipien von Drehgestellen wurden bereits in Abschn. 8.2 und 8.3 diskutiert. Grundsätzlich sind steife Drehgestelle ungünstig für den Kurvenlauf. Im Zusammenhang mit Infrastrukturen, die aus geraden Abschnitten und weiten Kurven bestehen (Hochgeschwindigkeitsstrecken), wird der Radsatzverschleiß limitiert, auf Strecken mit engen Kurven wird Abnutzung von Rad und Schiene in Kauf genommen. Zu beachten ist hierbei, dass der „Verlängerungsfaktor“ den
positiven Einfluss hoher Konizitäten auf die Kurvenfahrt reduziert.
8.6 Maßnahmen zur Unterstützung guter Rad-Schiene-Interaktion Vom Konstrukteur wird ein Drehgestell mit der richtigen Auswahl der Dimensionen und Federungsparameter gefordert. Auch das Radprofil sollte als Entwurfsparameter gesehen werden; das UIC-Merkblatt 510-2 erlaubt die mäßige Anpassung der Lauffläche an die Anforderungen. Der Gleisbauingenieur hat eine größere Anzahl an Möglichkeiten, eine günstige Interaktion zu gewährleisten – alle in Zusammenhang mit der richtigen Abstimmung des Schienenquerprofils. Einige Gleismesswagen europäischer Bahnen erlauben die Messung des Schienenquerprofils und damit die Verfolgung des Verschleißes der Schienen. Weitere Entwicklungen sollten in Zukunft die permanente Messung der äquivalenten Konizität Oe und der Rückstellsteifigkeit kg mit Bezug auf einen ReferenzRadsatz ermöglichen, beides wichtige Parameter für eine gute Interaktion zwischen Radsatz und Gleis. Bis dahin bleibt die Beobachtung des Fahrspiegels auf der Schiene die einzige Möglichkeit, eine erforderliche Profilkorrektur, zumeist durch Schienenschleifen, festzustellen. Schienenschleifen wird mittels rotierender Schleifscheiben, die das gewünschte Schienen-
380
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
querprofil herstellen, ausgeführt. Gewöhnlich ist der Materialabtrag ist mit rund 0,05–0,08 mm je Übergang limitiert, eigens entwickelte Maschinen für größere Reprofilierungsarbeiten können jedoch bis zu 2 mm pro Übergang abtragen. Schleifarbeiten für Hochgeschwindigkeitsstrecken erfordern spezielle Spezifikationen. Auch Vorschläge für neuartige Schienenprofile sollen hier erwähnt werden. Diese erlauben durch geringe Adaptionen die optimale Berührgeometrie für den jeweiligen Streckenabschnitt – Gerade oder Kurve – sicherzustellen. Diese Vorschläge sind ein interessanter Ansatz, die Berührgeometrie zwischen Rad und Schiene zu optimieren.
8.7 Beispiele und Erfahrungen Um die bisherigen Überlegungen zu illustrieren, werden einige Ergebnisse aus [8.15] im Folgenden diskutiert. Abbildung 8.24 zeigt die Entwicklung einer von Radverschleiß und theoretischer Schienengeometrie abhängigen 'r-
Funktion. Unterschiede sind klar erkennbar. Der Vergleich der Schienen UIC 60 und UIC 54 zeigt bei erstgenannter einen über die seitliche Verschiebung moderaten Anstieg von 'r mit einem abrupten Wechsel zu höheren Werten als Folge des Spurkranzkontakts. Drehgestelle mit lenkenden Achsen führen zu deutlich reduziertem Verschleiß, wie in Abb. 8.25 gezeigt. Die Funktionen „'r über y“ und „'tanG über y“ beeinflussen die Laufstabilität gleichzeitig. Abbildung 8.26 zeigt die seitlichen Beschleunigungen am Drehgestellrahmen. Die Instabilität des Drehgestells führt zu deutlichen Amplituden, die sich jedoch nach rund 8 Sekunden durch Änderung der Berührgeometrie selbst auslöschen. Der Grund dafür wird aus den in Abb. 8.26 gezeigten Darstellungen der beiden maßgeblichen Funktionen klar, wobei die 'tanG-Funktion vergrößert dargestellt ist, um die Unterschiede besser erkennen zu können. Auf der linken Seite (km 65,770) behindert die Kombination aus enger Spurweite und der gegebenen Kombination des Rad- und des Schienenprofils die seitliche Verschiebung des Radsatzes, was zu einer steilen Funktion führt,
Abb. 8.24 Entwicklung der 'r Funktion am Beispiel des Reisezugwagens mit starr geführten Radsätzen
8.7 Beispiele und Erfahrungen
381
Abb. 8.25 Rad-Verschleißmessungen mit Reisezugwagen, Gotthard-Südseite
Abb. 8.26 Instabilität des nachlaufenden Drehgestells eines Reisezugwagens auf der SBB-Strecke Lausanne–Biel bei V = 116 km/h
382
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
Abb. 8.27 Hochgeschwindigkeitsfahrten auf der Strecke Martigny–Ardon
die wiederum die schnelle Querbewegung des Radsatzes im Spurkanal erklärt. Die rechte Seite zeigt bei immer noch enger Spurweite von 1430 mm eine Standardsituation mit moderateren Funktionen für 'r und 'tanG als Resultat der Profilkombination. Die Abb. 8.27 und 8.28 zeigen sehr unterschiedliche Beobachtungen. Während im Abschnitt 1 ein ruhiger Fahrzeuglauf aufgenommen wurde, zeigt Abschnitt 2 große Ausschläge der seitlichen Beschleunigung der Drehgestelle unter der Lokomotive und den drei mit unterschiedlichen Drehgestellen und Radprofilen ausgerüsteten Personenwagen. Untersuchungen haben ergeben, dass Radprofile unregelmäßig verschleißen, wobei eine enge Spurweite diesen Effekt wiederum in hohem Maß beeinflusst. Auch die 'r- und 'tanG-Funktionen bestätigen dies, vor allem bei näherer Betrachtung der
Abbildung der 'tanG-Funktion. Die gezeigten Unterschiede sind eindeutig die Ursache für die Beobachtungen aus Abb. 8.27. Abbildung 8.29 ist ein gutes Beispiel für den Einfluss des Rad-Schiene-Kontakts. Es werden die Ausdrehwinkel zweier frei lenkender Achsen in einem zweiachsigen Güterwagendrehgestells zusammen mit den entsprechenden Kräften in der Durchfahrt eines 300-m-Bogens gezeigt. Klar erkenntlich zeigt sich eine plötzliche Änderung der Kräfte und der Radsatzposition, gefolgt von der Rückkehr zum kräftefreien Lauf. Die Erklärung liegt in der 'r-Funktion, die in der abgebildeten Situation moderat mit der seitlichen Verschiebung des Radsatzes steigt, was auf eine ausreichende Radiendifferenz für eine perfekte Kurvenfahrt schließen lässt. An Orten mit hohen Kräfteniveaus und Fehlausrichtung der Achse führt die seitliche
8.8 Zusammenfassung
383
Abb. 8.28 Ergebnisse der Schienenkopfabzeichnung und Berührungsgeometrie Rad/Schiene auf der SBB-Strecke Martigny–Ardon
Verschiebung zu einem Spurkranzkontakt ohne die notwendige Rollradiendifferenz. Dieser Vorgang bringt den Radsatz schrittweise in eine falsche Position und der daraus resultierende Ausdrehwinkel führt über den seitlichen Schlupf zu den beobachteten Kräften, die notwendigerweise gleich groß, jedoch gegengerichtet sind. Die Interaktion von Rad- und Schienenprofil wird auch in den Referenzgraphiken am unteren Bildrand erklärt. Die günstige Situation (links) zeigt die schrittweise Änderung des Kontaktpunktes, während in der eher ungünstigen Situation (rechts) der Kontaktpunkt abrupt bei etwa 9 mm seitlicher Radsatzverschiebung springt.
8.8 Zusammenfassung Die Interaktion von Radsatz und Gleis ist selbstverständlich zunächst von den „klassischen“ Gleisfehlern, wie Längshöhenfehler, Seitenfehler und Verwindung, dominiert. Bei der Fahrt durch enge Bögen können bereits geringe Parameterveränderungen völlig konträre Reaktionen auslösen. Bei höheren Geschwindigkeiten gewinnt die Kontaktgeometrie zwischen Gleis, charakterisiert durch Spurweite und Schienenprofil mit Schieneneinbauneigung, und Radsatz, ausgedrückt durch Radprofil und entsprechende Entfernungen, an Bedeutung und schließlich Dominanz. Sehr kleine Abweichungen können zu unverhältnismäßig großen Reaktionen führen. In allen diesen Fällen kann die Ursache in der Rad-Schiene-Kontaktgeometrie gefunden werden.
384
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Abb. 8.29 Bogenfahrt 2-achsiger Güterwagen
Untersuchungen diese Geometrie betreffend, sollten in Zukunft, anstatt wie bisher manuell und lokal, mit Messwagen über die gesamte Gleislänge möglich sein. Die äquivalenten Konizitäten und die Rückstellsteifigkeiten, genauer die 'r- und 'tanG-Funktionen, sollten kontinuierlich aufgenommen werden können. Abschließend wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass dieser Beitrag die Wichtigkeit eines guten Zusammenwirkens von Radsatz und Gleis für alle Sparten des Eisenbahnwesens deutlich gemacht hat. Im Gegensatz zu der manchmal geäußerten Ansicht, dass sich
der Radaufstandspunkt jeweils am „äußersten Rand“ der Wissensgebiete Gleisbau und Fahrzeugbau befindet, kommt ihm für ein problemloses, kostengünstiges und störungsfreies Funktionieren der Eisenbahn die entscheidende Bedeutung zu.
Anhang
Anhang Die Abschätzung der Spurführungskräfte (Heumann-Methode) Die spurführenden Kräfte bei der Bogenfahrt von Eisenbahn-Fahrzeugen lassen sich nach einer von Prof. Dr.-Ing. Hermann Heumann (ehemals RWTH Aachen) angegebenen Methode in vereinfachter und anschaulicher Art angeben. Dabei werden vielfach grobe Annäherungen an die tatsächlichen und wesentlich komplizierteren Verhältnisse vorgenommen. Der große Wert der Heumann-Methode im Zeitalter der komplexen Programmpakete besteht in der Möglichkeit, deren Ergebnisse rasch auf Plausibilität prüfen zu können.
A 8.1 Die Stellung des Radsatzes im Gleis (Vogel-Plan) A 8.1.1 Die „Schrumpfung“ des Radsatzes Ein Radsatz steht im Gleis, dessen Schienen ausreichend voneinander entfernt sind. Notwendigerweise besteht ein freies Spiel auf jeder Seite des Spurkranzes, dessen Größe etwa einige Millimeter beträgt. Wenn die beiden Rad-Schiene-Kombinationen jeder Seite virtuell solange zusammen geschoben werden, bis die möglichen RadSchiene-Kontaktpunkte der Räder zusammenfallen (Abb. A 8.1), dann – wurde der Radsatz auf einen einzigen Punkt reduziert und – es bestehen freie Spiele zu den Schienen auf beiden Seiten. Die Summe der beiden freien Spiele bildet den „Spurkanal“ mit der Breite σ [mm]. Der Radsatz kann sich in diesem Kanal frei bewegen. Eine Radberührung auf der linken Seite des Spurkanals bedeutet „Anlauf des Radsatzes an der linken Schiene“ usw.
385
A 8.1.2 Darstellung des Kreisbogens durch eine Parabel Der Radius jedes Bogens einer Eisenbahntrassierung ist um vieles größer als das seitliche Spiel des Radsatzes in der Spur. Dies erlaubt für das betrachtete Problem den Ersatz des Kreisbogens durch eine Parabel. 1. Formel der Parabel
mit x Längskoordinate [m] y Querkoordinate [mm] R Radius [m] 2. Die Dimensionen in Längsrichtung des Gleises werden im Maßstab 1 : 100 aufgetragen. 3. Die Dimensionen in Querrichtung werden im Maßstab 1 : 1 aufgetragen. Auf diese Weise wird die Kante der Außenschiene dargestellt. Die Kante der Innenschiene wird durch Parallel-Verschiebung dieser Kontur um das „Spurspiel σ“ nach „innen“ erhalten.
Abb. A 8.1 Schrumpfung des Radsatzes, Spurkanal
386
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
A 8.1.3 Situierung eines Laufwerkes im Spurkanal
Abb. A 8.2 Umwandlung eines Kreisbogens in eine Parabel
Das Laufwerk wird auf seine Achsanordnung reduziert, dabei berührt erfahrungsgemäß die in Fahrtrichtung vordere, führende Achse die äußere Schiene. Die weiteren Achsen können wie folgt verschiedene Positionen einnehmen: – Wenn die Achsen in einem Rahmen (z.B. Drehgestell) fest geführt sind, dann müssen alle Punkte (welche ja die einzelnen Achsen repräsentieren) auf einer Linie liegen. – Wenn Achsen seitlich verschiebbar ausgeführt sind, dann kann dies im Vogelplan durch eine (scheinbare) Verbreiterung des Spurkanals berücksichtigt werden.
Berechnungsschema Beispiel: Berechnung von y [mm] R = 350 mm σ = 18 mm x
x2
y
y
[m]
[m2]
[m]
[mm]
[mm]
1
2
3
4
5
1 2 3 4 5 6 7 etc.
0 1 4 9 16 25 36 49
0 0,0014 0,0057 0,0128 0,0228 0,0356 0,0514 0,0700
0 1,4 5,7 12,8 22,8 35,6 51,4 70,0
18,0 19,4 23,7 30,8 40,8 53,6 69,4 88,0
y + σ (18 mm)
Abb. A 8.3 Vogel-Plan der Gleiskurve (R = 350 m, V = 18 mm)
Alle Achsen müssen innerhalb des Spurkanals zu liegen kommen. Ist dies nicht der Fall, was bei mehr-als-2-achsigen Laufwerken oder bei Anschlag an Begrenzungen der DrehgestellVerdrehung unter dem Wagenkasten der Fall sein kann, dann wird dadurch eine Unverträglichkeit angezeigt. Bei kleinen Überschreitungen kann ein Durchfahren des Gleisbogens durch Aufspreizen der Spur noch möglich sein, bei größeren Werten ist eine Entgleisung unvermeidlich. Die hintere Achse wird nun (gedanklich) seitlich um den durch die Berührung der vorderen Achse gegebenen Drehpunkt geschwenkt. Drei Situationen sind möglich: 1. Die hintere Achse berührt die innere Schiene mit einem Berührungswinkel, der bei Weiterlaufen ein Ablösen der hinteren Achse von der inneren Schiene in Richtung zum Spurkanal angibt. Diese Situation wird in Wirklichkeit nicht eintreten, sondern die hintere Achse wird in einer Position zwischen den Schienen verbleiben. Dieser Zustand wird „Freilauf “ genannt. 2. Die hintere Achse berührt die innere Schiene mit einem Berührungswinkel, der ein Weiterlaufen der Achse in die BogenInnenseite nahe legt. Diese Situation wird „Spießgang“ genannt. Bei mehrachsigen
Anhang
Laufwerken kann es vorkommen, dass eine mittlere Achse zuerst die innere Schiene berührt und damit die Führung (zusammen mit der vorderen Achse) übernimmt. Dies zeigt ungünstige Führungsverhältnisse mit hohen Spurkranzkräften an. 3. Bei sehr hohen, seitlich auf das Fahrzeug wirkenden Kräften (Fliehkräfte bei Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit, Windkräfte etc.) kann die hintere Achse auch an die Außenschiene gepresst werden. Dies wird als „Außenanlauf “ oder „Tangentialstellung“ bezeichnet. Die Grenze zwischen „Freilauf “ und „Spießgang“ wird durch jene Fahrzeugstellung definiert, bei welcher die hintere Achse das Gleis tangential berührt. Für ein zweiachsiges Laufwerk mit dem Achsabstand 2a [m] und dem Bogenradius R [m] gilt hierfür:
wenn σ > σlimit dann „Freilauf “, wenn σ < σlimit dann „Spießgang“. Der Vogel-Plan ist eine rein geometrische Untersuchung. Er erlaubt die Beurteilung der geometrischen Bedingungen der Bogenfahrt, doch ist zunächst noch nichts über die beteiligten Kräfte ausgesagt.
A 8.2 Berechnung der Bogenlauf-Kräfte Die nachfolgenden Überlegungen setzen eine Reihe von Vereinfachungen voraus: – Die Achsen sind spielfrei im Laufwerksrahmen gelagert. – Alle Räder weisen gleiche Aufstandskräfte auf. – Alle Räder haben den gleichen Durchmesser. – Alle Räder haben zylindrisches Radprofil. – Die Reibungskräfte F sind konstant und unabhängig vom Schlupf, damit gilt
387
F = μ Q, wobei diese Reibungskräfte der Relativbewegung entgegengesetzt wirken (s. dazu auch die Anmerkung am Ende des Anhanges).
A 8.2.1 Zerlegung der Bogenfahrt in zwei gleichzeitige Teilbewegungen Die Bogenfahrt wird (gedanklich) in zwei Bewegungen zerlegt: 1. Drehung um jenen Punkt auf der Mittelachse des Laufwerkes, von welchem eine Senkrechte zur Laufwerksachse den Mittelpunkt des Gleisbogens schneidet. Dieser Punkt wird „Reibungsmittelpunkt M“ genannt. Jede Drehung um M aktiviert Reibungskräfte in den Radaufstandspunkten. Daher genügt es, zur Bestimmung der bei der Bogenfahrt auftretenden Kräfte nur die Drehung um den Reibungsmittelpunkt zu betrachten. 2. Geradlinige Verschiebung in Richtung der Laufwerksachse bis zur Berührung der vorderen Achse mit der Außenschiene – dies erfolgt durch geradliniges Rollen ohne die Wirkung von Rad/Schiene-Zwangskräften. (Die zur Rückführung auf den Bogenmittelpunkt nötige Seitenverschiebung ist „klein von 2ter Ordnung“ und wird vernachlässigt.)
A 8.2.2 Das Moment der Reibungskräfte Im nächsten Schritt wird die „Linie des Momentes M der Reibungskräfte“ ermittelt. Dazu wird ein Grundriss des Laufwerkes maßstabsgerecht gezeichnet. Durch Annahme des „Reibungsmittelpunktes M“ auf verschiedenen Positionen entlang der Laufwerksachse kann das „Reibungsmoment M“ durch das Aufsummieren aller Produkte „Reibungskraft mal Reibungsarm“ ermittelt werden. M = ¦ μ Q qi
388
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene Abb. A 8.4 Freilauf eines 2-achsigen Fahrzeugs bei der Bogenfahrt
mit Q Radkraft [kN] μ Reibungskoeffizient [1] qi Entfernung der Radaufstandspunkte i zum Reibungsmittelpunkt [m]
ξi
Winkel zwischen Laufwerksachse und dem Richtstrahl qi [1] x Entfernung des Reibungsmittelpunktes M von der ersten Achse [m] gelten die nachfolgenden Gleichungen:
Da die Laufwerke symmetrisch um die Längsachse ausgeführt sind, genügt es, diesen Vorgang für eine einzige Seite auszuführen. Das „Reibungsmoment M“ wird dann zu M = 2 ¦ μ Q qi oder ¦ qi = M/ 2 μ Q mit den gleichen Bedeutungen wie vor, jedoch nur für eine Seite ausgeführt. Mit den folgenden Bezeichnungen 2ai Entfernung der Achse i zur vordersten Achse [m] 2s Spurweite [m] qi Abstand des Aufstandspunktes des Rades i vom Reibungsmittelpunkt M [m]
Die genaue Position x des Reibungsmittelpunktes hängt von der Stellung des Laufwerkes in der Spur, wie sie im Vogel-Plan ermittelt wurde, ab.
A 8.2.3 Ermittlung der Bogenlaufkräfte bei Spießgang Die Lage des Reibungsmittelpunktes M ist – bekannt, wenn durch den Vogel-Plan „Spießgang“ festgestellt wurde. Dann hal-
Anhang
389
Abb. A 8.5 Lage des Reibungsmittelpunktes bei „Spießgang“
biert der Reibungsmittelpunkt den Abstand der Laufwerksachse zwischen den Schnittpunkten mit derselben (inneren oder äußeren) Schiene. Das Ergebnis ist „x“, der gesuchte Abstand zwischen der ersten Achse und dem Reibungsmittelpunkt M. Die M/2PQ-Linie wird an dieser Position geschnitten (Punkt M’’) und eine Tangente im Schnittpunkt angelegt: – Diese schneidet die Vertikale über Achse 1 im Punkt E. Man verbindet diesen Punkt mit dem Fußpunkt 3 (in Abb. A 8.6 ist ein 3achsiges Laufwerk gewählt). – Der von den beiden Strahlen eingeschlossene Winkel bei E gibt die am führenden Spurkranz wirkende Kraft P1 an. – Ebenso erhält man die am inneren Spurkranz der Achse 3 wirkende Kraft P3 durch den Winkel bei 3. – Die Winkel stellen die Kräfte dar, weil das Moment M/2PQ (Ordinate) durch eine Distanz x dividiert wird. Die vertikale Ordi-
Abb. A 8.6 Ermittlung der Bogenlaufkräfte bei „Spießgang“
nate (Summe von qi )ist gleich dem zur Überwindung der Reibungskräfte PQ notwendigen Moment, während x die horizontale Entfernung darstellt. Division der vertikalen Entfernung (Moment) durch die horizontale Entfernung und Multiplikation mit 2 · μ · Q ergibt die gesuchten Richtkräfte P1 und P3.
390
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
A 8.2.4 Ermittlung der Bogenlaufkräfte bei Freilauf
Division des Momentes BM durch den Abstand x und Multiplikation mit 2)PQ.
Wenn die Lage des Reibungsmittelpunktes unbekannt ist, dann liegt „Freilauf “ vor. Für diesen Fall gab Heumann das „Minimum-Verfahren“ an. Es sagt: „Bei Freilauf liegt der Reibungsmittelpunkt so, dass die Richtkraft P1 am führenden Rad ein Minimum wird.“
A 8.2.5 Ermittlung der wirkenden Summenkräfte
In diesem Falle wird der Reibungsmittelpunkt M wie folgt gefunden: – Vom Fußpunkt der Achse 1 wird eine Tangente an die M/2)PQ-Linie gezogen. – Der Berührungspunkt B gibt die Lage des Reibungsmittelpunktes an. Die auf den Spurkranz des führenden Rades wirkende Richtkraft ergibt sich wieder aus der
Damit hat man über die Situation Klarheit erhalten und kann die Einflüsse von – Achsanordnung, – Bogenradius, – freiem Seitenspiel (Spurweite minus Radsatzabmessungen) und – Reibungsverhältnissen verfolgen. Abschließend sollen noch die wirkenden Kräfte klargestellt werden. Grundsätzlich müssen die Spurkranzkräfte P den Reibungskräften μ Q das Gleichgewicht halten. An den Rädern ohne Spurkranzanlauf kann die Reibungskraft μ · Q aufgeteilt werden in – Längsschlupfkräfte +–μ · Q·sinξ, was zu einem nach außen nicht wirksamen Torsionsmoment in der Achse führt („Blindmoment“), – Querschlupfkräfte +–μ · Q · cosξ. An den Rädern mit Spurkranzanlauf wirken die Richtkraft P und die Reibungskraft μ Q cosξ gegeneinander, d.h. in entgegengesetzter Richtung. Werden Bogenlaufkräfte mit Messradsätzen gemessen, so können diese beiden Kräfte nicht unterschieden werden, da nur deren Summe Y registriert werden kann. Es gilt: Führungskraft = Richtkraft – Eigenreibung Y
=
P
– μ · Q · cosξ
Anmerkung Wird das Rad unmittelbar vor einer Entgleisung angehoben, so wird Y = P!
Abb. A 8.7 Ermittlung der Bogenlaufkräfte bei Freilauf
Anhang
A 8.3 Beispiel einer Kräfteermittlung nach Heumann Es sollen die Bogenlaufkräfte eines angenommenen Fahrzeuges ermittelt werden, welches vorlaufend ein 3-achsiges Drehgestell mit grö-
391
ßeren Achsabständen, nachlaufend ein 2-achsiges Drehgestell mit geringem Achsstand aufweist. Die Abmessungen sind in Abb. A 8.8 ersichtlich. Dieses Fahrzeug habe Radlasten von 70 kN und soll einen Gleisbogen mit = 250 m und einem Spurspiel von 10 mm durchfahren. Der Reibungskoeffizient betrage 0,3. Abb. A 8.8 Bogenlaufuntersuchung nach Heumann
392
8 Das Zusammenwirken von Rad und Schiene
Welche (mittleren) Bogenlaufkräfte treten auf? Laufwerk 1 Achsen 1, 2, 3 – „Spießgang“ aus Vogel-Plan, daher halbiert der Reibungsmittelpunkt den Sehnenabschnitt, der durch die LaufwerksLängsachse gebildet wird. Tangente an Momenten-Linie, Schlusslinie von E nach Fußpunkt P3. Die Richtkräfte P entsprechen den eingeschlossenen Winkeln (wie in Abb. A 8.8 eingezeichnet). Es ergeben sich folgende Führungskräfte: Y11 = P1 – μ · Q · cosξ1 = 67,0 – 20,4 = +46,6 kN Y12 = –μ · Q · cosξ1 = –20,5 kN Y21 = –μ · Q · cosξ2 = –13,6 kN Y22 = –μ · Q · cosξ2 = –13,6 kN Y31 = μ · Q · cosξ3 = + 19,5 kN Y32 = –P3 + μ Q cosξ3 = –37,8 + 19,5 = –18,4 kN Positive Führungskräfte drücken das Rad nach bogeninnen, negative nach bogenaußen. Man beachte die entgegengesetzten Vorzeichen bei den Rädern der ersten und dritten Achse, die sich im Gleis als Spreizkräfte bemerkbar machen. Der Vogel-Plan zeigt auch, dass der mittleren Achse des dreiachsigen Drehgestells eine freie Seitenverschieblichkeit von (zumindest) 8 mm gegeben werden muss, um ein zwängungsfreies Durchfahren des Bogens sicherzustellen. Als weitere Untersuchung wird eine seitlich auf den Drehpunkt D1 wirkende Kraft W1 angenommen. Diese verändert die Führungskräfte wie folgt: – P1 wird vergrößert, P3 wird verringert. – Die Stellung des Laufwerks in der Spur verändert sich bei der angenommenen Kraft W1 nicht. Laufwerk 2 Achsen 4, 5 – „Freilauf “ aus Vogel-Plan, Reibungsmittelpunkt ergibt sich durch Anlegen
einer Tangente an die Momentenkurve entsprechend dem Minimumverfahren. Es ergeben sich folgende Führungskräfte: Y41 = P4 – μ Q cosξ4 = 75,6 – 20,2 kN = 55,4 kN Y42 = –μ Q cosξ4 = –20,4 kN Y51 = –μ Q cosξ5 = –17,5 kN Y52 = –μ Q cosξ5 = –17,5 kN Wie oben wird zusätzlich die Wirkung einer seitlich auf den Drehpunkt D2 nach bogenaußen wirkenden Kraft untersucht. Diese verändert die Fahrzeugstellung (M2’ wird zu M2’’) und vergrößert die Richtkraft P4. Der Vogel-Plan zeigt, dass die Verdrehung des nachlaufenden Laufwerkes gegen die Fahrzeugachse deutlich größer ist als jene des vorderen Laufwerkes. Für die Ermittlung der tatsächlichen Verdrehungswerte sind die unterschiedlichen Maßstäbe für Längs- und Querrichtung zu beachten. Dies gilt im Übrigen für alle Abmessungen, die aus dem Vogel-Plan entnommen werden.
A 8.4 Zusammenfassung Die Heumann-Methode zur Ermittlung der Bogenlaufkräfte wird im Vorstehenden nur mit ihren wesentlichen Aussagen dargestellt. Sie wurde in den Jahren 1920 bis 1940 mit vielen Details entwickelt und diente als Handwerkszeug für die Entwicklung der damals modernsten Dampf- und Elektrolokomotiven. Sie wurde auf die Behandlung von – Seitenkräften durch Wind oder unausgeglichene Beschleunigung – Reibmomenten in der Verbindung von Drehgestellen und Wagenkasten – Zug- und Bremskräften – unterschiedlichen Kopplungs- und Rückstellmechanismen ausgedehnt. Mit dem Erscheinen der modernen Rechenprogramme, wie Medyna, Simpack, Nucars, schien sich der Wert der Heumann-Metho-
Literatur
de zu verringern. Doch gerade diese einfache Vorgangsweise ist ein hervorragendes Mittel, Rechenergebnisse zu interpretieren und zu verstehen. Dafür sollten stets die Voraussetzungen der Heumann-Methode im Auge behalten werden, insbesondere jene der konstanten, schlupf-unabhängigen Reibung. Die Kalker-Gleichungen und die experimentellen Untersuchungen von Johnson und Frederich zeigen die Abhängigkeit der Reibungskräfte von den auftretenden Längs-, Quer- und Bohrschlupfen. Dennoch ist die HeumannMethode für die Überprüfung von Plausibilitäten sehr gut geeignet. Für einen Bogen mit R = 150 m kann ein μ = 0,35 angesetzt werden. Da die Kraftschluss-Koeffizienten bei größeren Radien ihre Sättigung i.d.R. nicht erreichen, ist eine Abminderung des (fiktiven) Reibungsbeiwertes bei größeren Radien angebracht. Dafür wurde folgende Formel vorgeschlagen:
R [m]
μ [1]
150
0,367
400
0,263
1000
0,225
Anmerkung In den vorstehenden Ausführungen werden alle Kräfte als „auf das Laufwerk wirkend“ angesetzt, entsprechend der „Kraftwirkung gegen die Bewegungsrichtung der Radaufstandspunkte“, die als Teil des Laufwerkes verstanden werden. Von der Gleisseite betrachtet, sind sowohl die Bewegungen als auch die Kräfte in der Orientierung umgekehrt. Dies erklärt z.B., warum Metallverschiebungen an der Schienenoberseite in Richtung zur Bogenmitte hin beobachtet werden. Während an der Außenschiene das nach innen verdrückte Material durch die Spurkränze abgetragen wird, tritt dieser Effekt an der bogeninneren Seite der Innenschiene gelegentlich sehr deutlich in Erscheinung.
393
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9
Energieversorgung der elektrischen Bahnen Bernd-Wolfgang Zweig
Die Energieversorgung der elektrischen Bahnen, nachfolgend kurz Bahnenergieversorgung (BEV) genannt, hat die grundlegende Aufgabe, einen zuverlässigen, ungestörten und sicheren Eisenbahnbetrieb auf den elektrifizierten Strecken zu ermöglichen. Dies erfordert, dass alle elektrotechnischen Betriebsmittel und Anlagen so ausgelegt und angeordnet werden, dass die vorgesehenen Aufgaben der Elektrotraktion voll und zuverlässig erfüllt werden und die Investitions-, Betriebs- und Instandhaltungskosten minimal sind. Die Bahnenergieversorgung wird unterteilt in: Bahnenergieerzeugung – Kraftwerke (Wärme-, Wasser-, Kernkraftwerke) – Umformerwerke/Umrichterwerke Bahnenergieübertragung – Bahnstromleitungen (nur bei zentraler BEV 16,7 Hz) Bahnenergieverteilung – Bahnumspannwerke (AC-Bahnen) Gleichrichterunterwerke (DC-Bahnen) – Schaltposten/Kuppelstellen Bahnenergiezuführung – Fahrleitung (Oberleitung oder Stromschiene) Bahnenergieabnahme – Stromabnehmer des elektrischen Triebfahrzeuges Bahnenergierückführung – Gleis; Erdreich; Rückleiterseile.
9.1 Bahnstromsysteme [9.1] Aufgrund der unterschiedlichen historischen und wirtschaftlichen Entwicklung in den einzelnen Ländern sowie der verschiedenen Anforderungen der jeweiligen elektrischen Bahnsysteme an die Energieversorgung hat sich eine Reihe von unterschiedlichen Bahnstromsystemen herausgebildet. Ursprünglich wurde der Gleichstrom-Reihenschlussmotor wegen seiner für den Traktionsprozess äußerst günstigen, hyperbolischen Zugkraft-Geschwindigkeits-Charakteristik als Antriebsmaschine angewendet. Aus diesem Grund ist weltweit ein großer Teil aller elektrischen Bahnen mit Gleichstrom betrieben. Gleichstrom hat aber den wesentlichen Nachteil, dass er nicht transformierbar ist. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es Bemühungen, die Vorteile des Reihenschlussmotors, als Antriebsmaschine, mit den großen Vorteilen der Transformierbarkeit des Wechselstroms bei der Elektroenergieübertragung zu verbinden. Dabei traten Probleme auf, die zu der damaligen Zeit technisch noch nicht lösbar waren, wie: – der sehr große Kommutatorverschleiß des 50-Hz-Einphasenreihenschlussmotors durch eine frequenzproportionale transformatorische Spannung in der eingängigen Schleifenwicklung und dem daraus resultierenden starken „Bürstenfeuer“, – die unzulässig große induktive Beeinflussung zur elektrischen Bahn parallel verlaufender Leitungen und – die unvertretbar großen Werte der Spannungsunsymmetrie im speisenden 50-Hz-
396
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.1 Prinzipieller Aufbau der 16,7-Hz-Bahnenergieversorgung
Drehstromnetz durch die einphasige Entnahme der Bahnleistung. Die mannigfaltigen Bemühungen führten deshalb zu einem Einphasenwechselstromsystem mit einer Frequenz von 50 Hz/3 = 16 2/3 Hz, bei dem die Elektroenergie in einem eigenen Bahnnetz erzeugt und verteilt wird. Drei deutsche Bahnverwaltungen führten dieses Bahnstromnetz zur Jahreswende 1912/1913 ein. Später übernahmen auch die Bahnverwaltungen von Österreich (BBÖ/ÖBB), Schweiz (SBB), Norwegen (NSB) und Schweden (SJ) dieses System der Bahnenergieversorgung. Durch Änderungen im Normenwerk wird die 16 2/3-Hz-Bahnenergieversorgung heute auch als 16,7 Hz bezeichnet, deren prinzipieller Aufbau aus Abb. 9.1 hervorgeht. Grundsätzlich unterscheidet man bei der 16,7-Hz-Bahnenergieversorgung zwischen zentraler und dezentraler Bahnenergieversorgung. Bei der zentralen Bahnenergieversorgung wird die Bahnenergie in großen Einheiten an zentraler Stelle erzeugt und über ein bahneigenes Hochspannungsnetz (DB AG/ÖBB: 110 kV; SBB: 132 kV) verteilt.
Bei der dezentralen Bahnenergieversorgung wird die Bahnenergie durch kleine Umformer- / Umrichtereinheiten im Unterwerk erzeugt und direkt in die Fahrleitung eingespeist. Zentrale BEV – DB AG (ehem. DB, ehem. DR (südlicher Bereich)); ÖBB; SBB Dezentrale BEV – DB AG (ehem. DR (nördlicher Bereich)); NSB; SJ Durch Frankreich (SNCF) wurde 1955 auf einer Tagung in Lille über erste gute Erfahrungen mit dem 50-Hz-Einphasenwechselstromsystem für die elektrische Zugförderung berichtet. Dank der riesigen Fortschritte auf dem Gebiet der Leistungselektronik ist dieses Bahnenergieversorgungssystem heute das technisch und wirtschaftlich günstigste System. Abbildung 9.2 zeigt den prinzipiellen Aufbau der 50-Hz-Bahnenergieversorgung. Seit einigen Jahren kommt häufig das sog. 2 u 25-kV-System zur Anwendung. Durch Verwendung von Autotransformatoren (AT) und eines zusätzlichen Negativ-Feeders wird
9.1 Bahnstromsysteme
397
Abb. 9.2 Prinzipieller Aufbau der 50-Hz-Bahnenergieversorgung
Abb. 9.3 Prinzipieller Aufbau der Gleichstrom-Bahnenergieversorgung
die Leistungsfähigkeit der Bahnenergieversorgungsanlage und die Spannungshaltung verbessert. Bei diesem System beträgt die Spannung zwischen Oberleitung und Fahrschiene weiterhin 25 kV, die Spannung zwischen Oberleitung und Negativ-Feeder 50 kV. Das Gleichstromsystem ist im Nahverkehr weltweit dominierend. Im Vollbahnbereich ist es, aufgrund der historischen Entwicklung,
sehr weit verbreitet. Jedoch ist die Leistungsfähigkeit, insbesondere im Hochgeschwindigkeitsverkehr, stark eingeschränkt, weshalb immer mehr klassische „Gleichstromländer“ für ihre Hochgeschwindigkeitsstrecken das Einphasenwechselstromsystem 50 Hz, 25 kV wählen. Als Beispiele sind hier Spanien (RENFE), Italien (FS) und die Niederlande (NS) zu nen-
398
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
nen. Den grundsätzlichen Aufbau der Bahnenergieversorgung für eine Gleichstrombahn im Nahverkehr zeigt Abb. 9.3. Mit der Entwicklung von elektrischen Triebfahrzeugen mit Drehstromantriebstechnik können diese Fahrzeuge für verschiedene Bahnstromsysteme ausgelegt werden. Ein grenzüberschreitender Einsatz von modernen elektrischen Triebfahrzeugen wird heute nicht mehr durch das Bahnstromsystem, sondern durch die unterschiedlichen Zugsicherungssysteme, durch Zulassungsfragen und/oder unterschiedliche Geometrie der Stromabneh-
mer (s. Abschn. 9.3) erschwert. Die verschiedenen Bahnstromsysteme mit ihren Anwendungsbereichen sind in Tabelle 9.1 dargestellt. Tabelle 9.2 gibt einen Überblick über die in Europa genormten Nennspannungen für Bahnanwendungen einschließlich der zugelassenen Toleranzen.
Tabelle 9.1 Übersicht über die Bahnstromsysteme (Auswahl) Nennspannung
Anwendungsbereich (Beispiele)
Gleichstrom
600 V 750 V 1,2 kV 1,5 kV 2,4 kV 3 kV
Straßenbahn, O-Bus S-, U-, Stadt-, Straßenbahnen Industriebahnen, S-Bahn HH Vorort-, Stadt-, Industriebahnen, Vollbahnen (NS, SNCF) Industriebahnen Vollbahnen (CD, FS, PKP, SNCB, RZ, ZSR)
Einphasenwechselstrom 16,7 Hz
11 kV 15 kV
Schmalspurbahnen Schweiz (RhB u.a.) Vollbahnen (DB AG, ÖBB, NSB, SBB, SJ)
Einphasenwechselstrom 50 (60) Hz
10 kV 25 kV 50 kV
Industriebahnen Vollbahnen (BDZ, CD, CFR, MAV, RZ, SNCF, ZSR) Spezialbahnen
BDZ – Bulgarien, CD – Tschechien, CFR – Rumänien, FS – Italien, MAV – Ungarn, NS – Niederlande, NSB – Norwegen, ÖBB – Österreich, PKP – Polen, RZ – Russland, SBB – Schweiz, SJ – Schweden, SNCB – Belgien, SNCF – Frankreich, ZSR – Slowakei
Tabelle 9.2 Spannungen in Bahnnetzen [9.2] Stromversorgungssystem
Gleichstrom (Mittelwerte)
Wechselstrom (Effektivwerte)
Niedrigste nichtpermanente Spannung Umin2 [V]
Niedrigste Dauer- Nennspannung spannung Umin1 [V]
Un [V]
Höchste Dauer- Höchste nichtspannung permanente Spannung Umax1 Umax2 [V] [V]
400 500 1 000 2 000 11 000 17 500
400 500 1 000 2 000 12 000 19 000
(600) 750 1 500 3 000 15 000 25 000
720 900 1 800 3 600 17 250 27 500
800 1 000 1 950 3 900 18 000 29 000
9.2 Fahrleitungen
9.2 Fahrleitungen Die Aufgabe einer Fahrleitungsanlage besteht in der Übertragung der elektrischen Leistung von den Unterwerken zu den elektrischen Triebfahrzeugen. Dabei hat die Leistungsübertragung in der für die Erfüllung der Transportaufgaben erforderlichen Leistungs- und Energiegröße, mit geringsten Energieverlusten und ohne Unterbrechung zu erfolgen. Die Anforderungen an eine Fahrleitungsanlage resultieren im Wesentlichen aus ihrer Doppelfunktion als: – Leitung zur Leistungsübertragung über eine bestimmte Entfernung und als – Gleitkontakt zum Stromabnehmer der Fahrzeuge. An die Konstruktion einer Fahrleitungsanlage werden vor allem folgende Anforderungen gestellt: – Das dynamische Zusammenwirken von Stromabnehmer und Fahrleitung soll in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit eine möglichst unterbrechungslose Leistungsübertragung ermöglichen. Dafür ist eine gleich bleibende Elastizität der Fahrleitung erforderlich. – Die Fahrleitungsanlage soll betriebssicher und leistungsfähig sein sowie Personen und Anlagen im Bahnbereich nicht gefährden. – Es ist eine hohe Lebensdauer der Fahrleitungsanlage anzustreben. Dies setzt: – hohe mechanische und elektrische Festigkeit, – Korrosionsbeständigkeit, – Beständigkeit gegenüber Witterungseinflüssen (Windbelastung, Eislast), – geringe und gleichmäßige Abnutzung der Fahrdrähte voraus. – Die Investitions- und Instandhaltungskosten sollen gering sein. – Bei Nahverkehrsfahrleitungen sind u.U. noch architektonische und städtebauliche Gesichtspunkte zu beachten.
399
Durch die Vielzahl verschiedener elektrischer Bahnsysteme und deren unterschiedliche historische Entwicklung sind verschiedene Fahrleitungssysteme entstanden. Die Einteilung der verschiedenen Fahrleitungssysteme geht aus Abb. 9.4 hervor [9.3].
9.2.1 Oberleitungen Für Vollbahnen werden in Europa bis auf wenige Ausnahmen „Einfache Hochketten-Oberleitungen“ verwendet. Die Hochkette besteht aus Tragseil, Hänger und Fahrdraht und wird auch als Längskettenwerk bezeichnet (Abb. 9.5). 9.2.1.1 Längskettenwerk 9.2.1.1.1 Fahrdrähte Die bei elektrischen Bahnen für Oberleitungsanlagen in Europa verwendeten Fahrdrähte sind in der Norm EN 50149 standardisiert. Die Fahrdrähte unterscheiden sich hinsichtlich Klemmrillen, Querschnittsflächen, Profile und dem verwendeten Material. Bezüglich der Klemmrillen wird zwischen der Ausführung A und der Ausführung B unterschieden (s. Abb. 9.6). Die Querschnittsfläche bezieht sich immer auf den Nennquerschnitt des Fahrdrahtes im Neuzustand und beträgt 80 mm2, 100 mm2, 107 mm2, 120 mm2 oder 150 mm2. Bei den Profilarten unterscheidet man zwischen zwei Hauptprofilarten und zwar dem Rundprofil und dem Flachprofil. Beim Rundprofil tritt im Neuzustand zwischen Stromabnehmer und Fahrdraht eine sehr hohe Flächenpressung auf, da der Stromabnehmer praktisch nur an einem Punkt an dem runden Fahrdraht anliegt. Dadurch ist der Verschleiß in der ersten Betriebszeit relativ hoch, bis sich ein breiter Spiegel gebildet hat, wodurch die Flächenpressung abnimmt. Diesen physikalischen Gegebenheiten wird bei der Verwendung eines Flachprofils von vornherein Rechnung getragen, d.h. schon
400
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.4 Übersicht der Fahrleitungssysteme elektrischer Bahnen Abb. 9.5 Prinzipieller Aufbau eines Längskettenwerkes („Einfache Hochkette“)
Abb. 9.6 Klemmrillen des Fahrdrahtes (Profil A – links, Profil B – rechts)
9.2 Fahrleitungen
bei einem Fahrdraht im Neuzustand hat man eine verhältnismäßig große Kontaktfläche zwischen der Schleifleiste des Stromabnehmers und der Fahrdrahtunterkante. Dadurch wird eine geringere Flächenpressung erzeugt, die den Verschleiß in den Anfangsjahren geringer erscheinen lässt. Hinsichtlich der Materialzusammensetzung unterscheiden wir bei Fahrdrähten zwischen – gewöhnlichem und hochfestem Kupfer (Cu) – Kupfer-Cadmium-Legierung (CuCd0,7, CuCd1,0) – Kupfer-Silber-Legierung (CuAg0,1) – Kupfer-Magnesium-Legierung (CuMg0,2, CuMg0,5) – Kupfer-Zinn-Legierung (CuSn0,2). Die Kennzeichnung des Materials eines Fahrdrahtes erfolgt durch Kennrillen. Das gewöhnliche hochfeste Kupfer hat keine Kennrille. Der Kupfer-Cadmium-Fahrdraht hat eine einfache Kennrille auf der Oberseite des Drahtes. Der Kupfer-Silber legierte Fahrdraht hat zwei identische Kennrillen auf der Oberseite der Wölbung. Der Kupfer-Magnesium-Fahrdraht hat drei Kennrillen auf der Oberseite des Fahrdrahtes und die Kupfer-Zinn-Legierung hat eine Kennrille, die in einem Winkel von 24 Grad versetzt ist. Eine weitere Besonderheit ist, dass der Kupfer-Cadmium-Fahrdraht in den Ländern Dänemark, Deutschland, Österreich und Schweiz aus umwelttechnischen Gründen nicht verwendet werden darf. In Deutschland kommen ausschließlich Rillenfahrdrähte mit der Klemmrille A und einer Querschnitts-
401
fläche von 80 mm2 (nur in bestehenden Anlagen), 100 mm2, 120 mm2 oder 150 mm2 (nur bei Gleichstrombahnen) zur Anwendung. Es werden Fahrdrähte mit Rundprofil aus Kupfer (Cu), aus Kupfer-Silber-Legierung (CuAg0,1) und aus Kupfer-Magnesium-Legierung (CuMg0,5) verwendet. Tabelle 9.3 zeigt eine Gegenüberstellung der bisherigen (DIN VDE 0115) zur neuen Fahrdrahtbezeichnung (EN 50149). In Tabelle 9.4 sind die wichtigsten Eigenschaften der Fahrdrähte enthalten. In Österreich kommt ein Fahrdraht mit abweichender Klemmrille und Profil zum Einsatz (Abb. 9.7). Die zulässige mechanische Zugbelastung eines Rillenfahrdrahtes hängt von den in Gl. (9.1) angegebenen Parametern ab. Die Mindest-Zugfestigkeit des Fahrdrahtes (Vmin) – s. Tabelle 9.4 – muss mit dem Produkt dieser Faktoren multipliziert werden, um die höchstzulässige Betriebszugspannung (Vw) zu erhalten. Die berechnete Nennzugspannung des Fahrdrahtes darf 65% der Mindest-Zugfestigkeit nicht überschreiten.
Vw = Vmin • 0,65 • Ktemp • Kwear • Kload • Keff • Kclamp • Kjoint
(9.1)
Darin bedeuten: Ktemp höchste Temperatur Kwear zulässiger Verschleiß Kload Wind- und Eislasten Keff Genauigkeit und Wirkungsgrad der Nachspanneinrichtung Kclamp Abspannklemme Kjoint geschweißte oder gelötete Verbindung.
Tabelle 9.3 Gegenüberstellung der Fahrdrahtbezeichnung Bezeichnung nach EN 50149
Bezeichnung nach DIN VDE 0115
Bemerkung
AC-80 Cu AC-100 Cu AC-100 CuAg 0,1 AC-120 CuAg 0,1 AC-120 CuMg 0,5
Ri80 Ri100 RiS100 RiS120 RiM120
nur in bestehenden Anlagen
402
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Tabelle 9.4 Eigenschaften von Fahrdrähten – Auswahl [9.4] Werkstoff
Bezeichnung
Nennquerschnitt mm2
MindestZugfestigkeit N/mm2
Elektrischer MindestBruchlast1) Widerstand kN Ω/km bei 20 °C
Gewöhnliches Kupfer
Cu-ETP Cu-FRHC Cu-HCP Cu-OF
Gewöhnliche Kupfer-SilberLegierung
CuAg 0,1
Kupfer-MagnesiumLegierung
CuMg 0,5
80 100 107 120 150 80 100 107 120 150 80 100 107 120 150
355 355 350 330 310 365 360 350 350 350 520 510 500 490 470
27,5 34,5 36,3 38,4 45,1 28,3 34,9 36,3 40,7 50,9 40,4 49,5 46,3 57,0 68,4
1)
0,229 0,183 0,171 0,153 0,122 0,229 0,183 0,171 0,153 0,122 0,385 0,286 0,268 0,239 0,191
Berechnet mit dem Mindestquerschnitt
Unter den Bedingungen der Regeloberleitungen der DB AG vereinfacht sich die Gleichung zu:
Vw = Vmin • 0,65 • Kwear • 0,95.
Abb. 9.7 Fahrdrahtquerschnitt der ÖBB
(9.1a)
9.2.1.1.2 Seile Die im Oberleitungsbau und bei den 110kV-Bahnstromleitungen bei der DB AG zur Anwendung kommenden Seile sind in Tabelle 9.5 dargestellt. 9.2.1.1.3 Regeloberleitungen der DB AG Aufgrund der historischen Entwicklung in Deutschland entstanden während der Zeit der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, der Deutschen Bundesbahn bzw. der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bahn AG eine Reihe unterschiedlicher Oberleitungsbauarten. Tabelle 9.6 und Abb. 9.8 geben einen Überblick über die wichtigsten technischen Parameter der Regeloberleitungen der DB AG. Zu beachten ist hierbei, dass die Oberleitungsbauarten Re 75, Re 160 und Re 160 S-Bahn für den Neubau nicht mehr zugelassen sind, aber im Bestandsnetz noch über viele Jahre eine größere Bedeutung haben werden. Die jeweils in Abb. 9.8 angegebene Längsspannweite ist der Maximalwert für die Gerade. In Kurven verringert sich, in Abhängigkeit
Tabelle 9.5 Seile, Drähte und Kabel für Oberleitungs- und 110-kV-Bahnstromanlagen der DB AG [9.6]
Seil BzII-10x49 Seil 25/7-BzII Seil 35/7-BzII Seil 50/7-BzII Seil 70/19-BzII Seil 95/19-BzII Seil 120/19-BzII Seil 70/19-E-Cu Seil 95/19-E-Cu Seil 120/19-E-Cu
Querschnittswerte NennDauerquerstromschnitt belastbarkeit 2 mm A 10 ./. 25 130 35 160 50 200 70 245 95 305 120 350 70 310 95 380 120 440
Durch- Gewichte messer
Dichte
mm 4,5 6,3 7,5 9,0 10,5 12,5 14,0 10,5 12,5 14,0
kg/dm3
kg/1000 m 89 218 310 446 596 845 1060 596 845 1060
8,9
Drähte Zahl
49 7 7 7 19 19 19 19 19 19 133
Verwendung
Hängerseil Y-Seil, Hänger für oberes Richtseil Y-Seil (Re250) Quertragseil, Tragseil und (Richtseil)1) Quertragseil und Richtseil Quertragseil und Richtseil Quertragseil Schalterquer- und Speiseleitung Schalterquer- und Speiseleitung Schalterquer- u. Speiseleitung 110-kV-Bahnstromleitung Zusätzliche Verbindung von Fahrdraht u. Tragseil, Spannungs-Sicherung, Schienenverbinder Erdungsvorrichtung m. durchsichtig. PVC-Mantel 1 mm
Seil E-Cu-35x133
35
255
9,0
353
Rundseil 50
50
230
12,5
585
6468×0,1 +360×0,1 Erdungsvorrichtung m. durchsichtig. PVC-Mantel 1 mm
Seil E-Cu-70x189
70
370
13,0
685
189
Seil E-Cu-95x259 Seil E-Cu-120x336 Seil 240/61-E-Al Seil 625/91-E-Al
95 120 240 625
460 535 625 1140
14,7 16,4 20,3 32,6
935 1120 670 1732
259 336 61 91
8,9
2,7
Bewegliche Verbindungsleitung wie Schalteranschlussleitung, Strombrücken und dgl.1) Bewegliche Schalteranschluss- und Verbindungsleitung Speiseleitung und Verstärkungsleitung Speiseleitung
9.2 Fahrleitungen
Al- flexible/ hochflexible KupSeile ferseile
Kupferseile
Bronzeseile
Bezeichnung
403
Tabelle 9.5 (Fortsetzung)
mm 11,2 19,0 21,8 24,5 16,0
kg/1000 m 373 744 985 1233 714
kg/dm3
Seil 105/75-Al/St
105 / 75
./.
17,5
899
A 2/4- Aluminium-StahlSeile Seile Bz-Seile Drähte isoliert Cu-Kabel DIN VDE 0271 1)
Drähte Zahl
Verwendung
Seil 6 SE-bk 1570 sZ Seil 6 SE-bk 1570 sZ Draht Rund 4 ECuF31
16 16
./. ./.
6,0 6,0
138 138
7,85 7,85
7 St. 14 Al Erdseil für 110 kV-Bahnstromleitung 110 kV-Bahnstromleitung 7 St. 26 Al 110 kV-Bahnstromleitung 110 kV-Bahnstromleitung 7 St. 12 Al Erdseil für 110 kV-Bahnstromleitung Erdseil für 110 kV-Bahnstromleitung (nur mit Luft19 St. 14 Al warnkugel) 133 Hängerseil für Chlorid belastete Gebiete 133 Hängerseil
12,57
./.
4,0
112
8,9
1
Aufhängung für Streckentrenner
Draht 10 St 34
80
./.
10,0
617 o. Mantel
7,85 o. Mantel
1
Schutzerdung, Prelldrähte u.ä., Erdungsleitungen
55
7,85
1
8,9 o. Mantel
7
Rund X5CrNi 18 10fK700-3 Seil 50/7 BzII
7
./.
3,0
50
./.
~ 14,0
Seil 70/19 BzII
70
./.
~ 15,5
Kabel NYY-0 1 x 50 RM Kabel NYY-0 1 x 70 RM Kabel NYY-0 1 x 95 RM Kabel NYY-0 1 x 120 RM Kabel NYY-0 1 x 150 RM
50
./.
70
./.
95
./.
120
./.
150
./.
15,0 – 18,0 16,0 – 19,0 18,0 – 21,0 20,0 – 23,0 22,0 – 26,0
nicht für Neu- bzw. Umbau
Al/2,7 St/7,8
8,9 o. Mantel
19
Windsicherung für Seitenhalter Sicherungsbügel für Spannschloss-Streckentrenner Unter Bauwerken als Schutz gegen Vogelüberschlag Tragseil für Streckentrenner Isoliermaterial: Lupolen 2012 Wanddicke: ~2,25 mm
≥ 19
Erdung
≥ 19
Erdung
≥ 19
Erdung / Rückstromführung
≥ 37
Erdung / Rückstromführung
≥ 37
Erdung / Rückstromführung
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Dichte
404
Durch- Gewichte messer
Seil 44/32-Al/St Seil 185/30-Al/St Seil 240/40-Al/St Seil 300/50-Al/St Seil 95/55-Al/St
Querschnittswerte NennDauerquerstromschnitt belastbarkeit mm2 A 44 / 32 ./. 185 / 30 535 240 / 40 645 300 / 50 740 95 / 55 ./.
Bezeichnung
Tabelle 9.6 Übersicht der Regelbauarten der DB AG [9.7] Regel-Fahrdrahthöhe mm
Nachspannung
Nachspannlänge (max.) m
18 und 14
5070
5300
5-feldrig
2 × 625
1,8 nicht unter 1,1
18 und 14
5070
5300
5-feldrig
2 × 600
RiS 100 Bz II 50
1,8
18
4950 oder 5000
5500
3-feldig
2 × 750
Re 200
Ri 100 Bz II 50
1,8
14 18 24
4950 oder 5000
5500
3-feldig
2 × 750
160
Re 1604)
Ri 100 Bz II 50
1,8
12
4950 oder 5000
5500
3-feldig
2 × 750
160
Re 1604) S-Bahn
Ri 100 Bz II 50
1,8
12
4950 oder 5000
5500
3-feldig
2 × 650
100
Re 100
Ri 100 Bz II 50
Fr. Strecke 1,4 Bhf. 1,8
./.
4950 oder 5000
5500
2- od. 3-feldrig
2 × 750
75
Re 754)
Ri 80 Bz II 50
1,8
./.
4950 oder 5000
5750
2-feldrig
2 × 750
100
S-Bahn2)
2 × Ri 100 Cu 95
0,255
./.
48003)
48503)
4-feldrig
2 × 500
Regelbauart
Fahrdraht Tragseil mm2
Regelsystemhöhe m
Y-Beiseil
330
Re 330
RiM 120 Bz II 120
1,8 nicht unter 1,1
280
Re 250
RiS 120 Bz II 70
230
Re 200 mod
200
1) siehe Tabelle 9.7 2)
Strecken mit dichter Zugfolge
3)
m
Mindest-FH bzw. Regel-FH nur mit Ausnahmegenehmigung
4)
Für Neubau ungültig
9.2 Fahrleitungen
Mindest-Fahrdrahthöhe1) mm
Zulässige Höchstgeschwindigkeit km/h
405
406
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Re 75 (für Neubau nicht zugelassen)
Re S-Bahn - offene Strecke
Re S-Bahn - Tunnel
Re 100
Abb. 9.8 Regelbauarten der DB AG
9.2 Fahrleitungen
Re 160 (für Neubau nicht zugelassen)
Re 160 S-Bahn (für Neubau nicht zugelassen)
Re 200
Re 200mod
Abb. 9.8 (Fortsetzung)
407
408
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Re 250 - offene Strecke
Re 250 - Tunnel
Re 330 - offene Strecke
Re 330 - Tunnel
Abb. 9.8 (Fortsetzung)
9.2 Fahrleitungen
vom Bogenhalbmesser, die zulässige Längsspannweite. Mit der Veränderung der Längsspannweite variieren die Anordnung der YBeiseile und der Hänger entsprechend. Die Differenz der Längsspannweiten zweier benachbarter Felder (Stufensprung) darf dabei: 15 m Re 100 bis Re 200 (bei L > 45 m); Re 200mod (bei L > 55 m); 10 m Re 100 bis Re 200 (bei L ≤ 45 m); Re 200mod (bei L ≤ 55 m); Re 250; Re 330 nicht überschreiten. Dabei beziehen sich die Angaben für L auf das kleinere Feld. Die Regelfahrdrahthöhe ist in Tabelle 9.6 dargestellt. Die zulässige Mindestfahrdrahthöhe, die an keiner Stelle unterschritten werden darf, ergibt sich nach Tabelle 9.7. Ist ein Abweichen von der Regelfahrdrahthöhe erforderlich, so ist der Übergang von der parallelen Lage in die Neigung und umgekehrt bogenförmig auszubilden. Die folgenden Neigungswerte dürfen bei Absenkungen nicht überschritten werden: 1 : 200 Vmax ≤ 100 km/h 1 : 250 Vmax ≤ 120 km/h 1 : 300 Vmax ≤ 160 km/h 1 : 500 Vmax ≤ 200 km/h 1 : 750 Vmax ≤ 230 km/h. Der Nachweis der Mindestfahrdrahthöhe hat, unter Berücksichtigung der Eislast, bei einer Temperatur von –5 °C, zu erfolgen. Die Eislast auf Längskettenwerken wird, in Anlehnung an die DIN VDE 0210 „Bau von Starkstrom-Freileitungen mit Nennspannungen über 1 kV“, berechnet: FE´ = 5 + 0,1 • d.
(9.2)
Darin bedeuten FE´ Eislast in N/m d Durchmesser in mm Erfahrungen von Betreibern von Oberleitungsanlagen zeigen, dass größere Eislasten, insbesondere an der Unterseite des Fahrdrahtes, abgestreift werden oder durch Stromwärme
409
abschmelzen. Deshalb rechnet die DB AG für Elemente der Längskettenwerke mit: FE´ = 2,5 + 0,05 • d.
(9.2a)
Die maximale Fahrdrahtseitenlage in Ruhelage (b-Maß) beträgt: bei der Re 75 bis Re 200mod ± 400 mm bei der Re 250 und Re 330 ± 300 mm. Bei einem Wind quer zur Gleisachse wird der Fahrdraht weiter abgetrieben. Der Windabtrieb (e-Maß), bezogen auf die Mittelsenkrechte der Schienenkopfberührenden, darf: ± 550 mm – bei der Re 75 bis Re 200mod (in Gleisbögen Verringerung in Abhängigkeit vom Bogenhalbmesser bis auf ± 450 mm) ± 400 mm – bei der Re 250 und Re 330 nicht überschreiten. Die auf Leitungen wirkende Windlast berechnet sich nach folgender Gleichung: Fw = (1/2) • γ • vW2 • cW • AW.
(9.3)
Die Windlast wird i.d.R. auf 1 m bezogen: Fw´= Fw /L.
(9.3a)
Darin bedeuten: Fw Windlast Fw´ Windlastbelag in N/m γ Luftdichte = 1,250 kg/m3 (bei 20 °C und NN) vW Windgeschwindigkeit in m/s aerodynamischer Kraftbeiwert cW 1,0 für BEV-Leitungen 1,1 … 1,2 für FD und TS. AW Querschnittsfläche (in Windrichtung) Die bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten auf das jeweilige Längskettenwerk wirkende Windlast geht aus Tabelle 9.8 hervor. Die Fahrdrahtführung in der Geraden, im Bogen mit großen und kleinen Bogenhalbmessern ist in Abb. 9.9 dargestellt. Das Längskettenwerk unterliegt durch seine Horizontalzugkraft einer Elastischen Dehnung, die sich nach folgender Gleichung berechnen lässt: ΔL = (H • L) / (E • A). (9.4)
410
Tabelle 9.7 Zusammensetzung der Fahrdrahthöhe [9.7]
Höhe des Lichtraumprofils GC minus Hebungsreserve (50 mm)
mm
Höhe des Lichtraumprofils GC einschl. Hebungsreserve (50 mm)
mm
Höhe des Regellichtraums nach EBO einschl. Hebungsreserve (50 mm)
mm
Elektrischer Mindestabstand in Luft nach DIN VDE 0115 T1
mm
Bautoleranz der Oberleitung
mm
Fahrdrahtbewegung nach unten, von der statischen Ruhelage aus
Re 250, Re 330
Mindest-FH Regel-FH
Re 100, Re 160, Re 200, Re 200mod Mindest-FH
2)
2)
4850
4850
Re 100, Re 160, Re 200, Re 200mod Mindest-FH EBO1)
4900
Re 100, Re 160, Re 200, Re 200mod Regel-FH
Re 100, Re 160, Re 200, Re 200mod Regel-FH
4900 4800
2203)
2203)
150
150
30
30
30
mm
50
50
50
Durchhang infolge der halben normalen Zusatzlast nach DIN VDE 0210 bei max. Längsspannweite
mm
100
240
240
Zuschlag4)
mm
130
230
Summe
mm
5500
5500
1) 2) 3) 4)
5070
5300
150
5000
4950
Nach EBO beträgt die Mindest-FH 4950 mm. Sie gilt für den Regellichtraum nach EBO bei einer Nennspannung der Oberleitung von 15 kV und bezieht sich auf die Ist-Lage der SO. Von ihr darf nur mit Ausnahmegenehmigung abgewichen werden (siehe EBO). Der Mindest-FH liegt das Lichtraumprofil GC bzw. das Lichtraumprofil für NBS, minus der darin bereits enthaltenen Hebungsreserve für Oberbauarbeiten von 50 mm, zugrunde. Sie bezieht sich auf die Ist-Lage des Gleises. Bei fester Fahrbahn ist keine Hebungsreserve erforderlich. Bei der Re 250/ Re 330 wurde zur Erhöhung der Sicherheit der Abstand für 25 kV gewählt. Zuschläge zur Erhaltung der Regelfahrdrahthöhe.
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Re 250, Re 330
9.2 Fahrleitungen
411
Tabelle 9.8 Lasten, Temperaturbereich und Dauerstrombelastbarkeit der Regeloberleitung der DB AG [9.6]
Kettenwerksgewicht [N/m] Windlast [N/m] bei 26 m/s 29,8 m/s 32,1 m/s 33 m/s 37 m/s Temperaturbereich [°C] Dauerstrombelastbarkeit [A]
Re 100 (Re 160)* Re 200 Re 200 mod Re 250
Re 330
14 11,5 15,1 17,5 – –
22,5 – – – 21,8 27,4 – 30°C … + 80°C 810
560
14 11,5 15,1 17,5 – –
14 14 11,5 11,5 15,1 15,1 17,5 17,5 – – – – – 30°C … + 70°C 560 560 560
18 – – – 19,8 25,0 670
* für Neubau nicht zugelassen
Abb. 9.9 Fahrdrahtführung in der Geraden, bei großem und kleinem Bogenhalbmesser
412
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Darin bedeuten: ΔL Längenänderung des Leiters H Horizontalzugkraft L Länge des Leiters A Querschnittsfläche E Elastizitätsmodul für Seile Cu, CuAg0,1 120 … 124 kN/mm2 BzII 113 kN/mm2 Al 60 kN/mm2. Diese Längenänderung tritt nur einmal nach der Verlegung und Belastung des Fahrdrahtes bzw. Seiles ein und wird bei der Montage und Regulierung des Kettenwerkes mit berücksichtigt. Dagegen müssen die ständig wirkenden Wärmedehnungen im Temperaturbereich von –30 °C bis +70 °C (Re 330: –30 °C bis +80 °C) durch konstruktive Maßnahmen berücksichtigt werden. Die Wärmedehnung eines Drahtes bzw. Seiles berechnet sich nach: ΔL = L • α • ( υ2 – υ1).
(9.5)
Darin bedeuten: ΔL Längenzunahme L Ursprungslänge α linearer Wärmeausdehnungskoeffizient 17,3 · 10-6 1/K für Cu-Fahrdraht 17,0 · 10-6 1/K für BzII-Seile 23,0 · 10-6 1/K für Al-Seile 11,0 · 10-6 1/K für St-Seile υ1 Umgebungstemperatur (Verlegetemperatur) υ2 betrachtete Temperatur. Um die Längenänderungen durch Temperaturschwankungen ausgleichen zu können, wird das Kettenwerk in sog. Nachspannlängen unterteilt. Der Übergang von einem Kettenwerk zum nächsten erfordert eine Parallelführung der Kettenwerke über mehrere Längsspannweiten (Mastfelder). Sie wird als Parallelfeld bezeichnet und läuft, je nach Oberleitungsbauart, über 2- bis 5-Längsspannweiten. Dient das Parallelfeld auch der elektrischen Trennung zwischen den Längskettenwerken, so wird es als Streckentrennung
bezeichnet. Beide Längskettenwerke sind über einen Mast-Trennschalter verbunden. Parallelfelder ohne elektrische Trennmöglichkeiten werden als Nachspannung bezeichnet. Hier werden die beiden Längskettenwerke durch Stromverbinder fest verbunden. Der horizontale Abstand der parallel geführten Kettenwerke beträgt bei einer Streckentrennung 450 mm, bei einer Nachspannung 200 mm. In der Mitte der Nachspannlänge befindet sich der Festpunkt. An diesem Punkt wird das Längstragseil am Rohrschwenkausleger oder am oberen Richtseil verankert. In den angrenzenden Feldern erfolgt die Verankerung des Fahrdrahtes am Tragseil durch Diagonalverbinder, auch als Z-Seil bezeichnet. Den grundsätzlichen Aufbau eines Festpunktes zeigt Abb. 9.10. Die maximale Nachspannlänge eines Kettenwerkes wird begrenzt: – durch den Temperaturbereich, – den Arbeitsbereich der Nachspanneinrichtung (Radspanner), – die Anzahl der Stützpunkte, – die Bogenhalbmesser und – die wirkenden Rückstellkräfte. Für die Regeloberleitungen der DB AG gelten bei der Geraden und großen Bogenhalbmessern maximale Nachspannlängen von: 1500 m (Re 100 bis Re 200mod) 1200 m (Re 250) 1250 m (Re 330). Abgesehen von der 2-feldrigen Nachspannung für geringe Geschwindigkeiten (Re 100) werden bei der DB AG nur 3-feldrige (Re 100 bis Re 200mod) und 5-feldrige (Re 250, Re 330 sowie andere Bauarten bei kleinen Bogenhalbmessern) Parallelfelder verwendet. Der Aufbau eines 3-feldrigen und 5-feldrigen Parallelfeldes geht aus den Abb. 9.11a und b hervor. Im eigentlichen Übergabefeld werden beide Kettenwerke so nach oben gezogen, dass sich je nach den dynamischen Eigenschaften der Oberleitungsbauart ein Dach von 4 … 8 cm ausbildet. Dadurch wird ein guter dyna-
9.2 Fahrleitungen
Abb. 9.10 Festpunkt in Rohrschwenkauslegerbauart
413
414
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.11a 3-feldriges Parallelfeld als Nachspannung
Abb. 9.11b 5-feldriges Parallelfeld als Nachspannung
mischer Übergang des Stromabnehmers von einem Kettenwerk auf das nächste Kettenwerk ermöglicht. Die Nachspanneinrichtung, bis auf wenige Ausnahmen werden Radspannwerke (Radspanner) verwendet, hat im gesamten Temperaturbereich eine gleichmäßige Horizontalzugkraft im Kettenwerk zu gewährleisten. Die bei der DB AG verwendeten Radspanner haben ein Übersetzungsverhältnis von 1 : 3. Die Abspannung von Tragseil und Fahrdraht erfolgt getrennt, an je einem eigenen Rad-
spanner. Dabei gibt es verschiedene Anordnungen der Radspanner an einem Mast, die wichtigsten Beispiele sind in Abb. 9.12a bis c dargestellt. Im Tunnel werden die Radspanner von Tragseil und Fahrdraht i.d.R. um eine Blockteilung versetzt. Bei Fahrleitungen der ehemaligen DR werden das Tragseil und der Fahrdraht über einen Doppelhebel an einem gemeinsamen Radspanner abgespannt. Durch die Veränderung der Längen am Doppelhebel kann auch eine unter-
9.2 Fahrleitungen
415
Abb. 9.12a Anordnung der Radspanner am Mast (Auswahl)
schiedliche Kraftverteilung zwischen Tragseil und Fahrdraht realisiert werden. Die gemeinsame Abspannung von Tragseil und Fahrdraht hat dynamische Nachteile. Außerdem können Probleme beim Einrasten des Radspanners beim Tragseil- oder Fahrdrahtriss auftreten. Alle Radspanner der DB AG sind mit einer Sperrklinge ausgerüstet, die ein Herunterfallen der Gewichtssäule und ein Verziehen des Kettenwerkes, im Falle des Tragseil- oder Fahrdrahtrisses, verhindern soll. Der Hängerabstand im Längskettenwerk beträgt je nach Oberleitungsbauart und der tatsächlichen Längsspannweite zwischen 8 und 12 m. Die Hänger außerhalb der Y-Bei-
seile (Feldhänger) werden kurzschlussfest ausgeführt. Die Hänger innerhalb der Y-Beiseile (Beiseilhänger) werden nicht kurzschlussfest ausgeführt. Der Abstand von Mitte Tragseil bis Unterkante Fahrdraht an den Hängern soll bei Fahrgeschwindigkeiten: V ≤ 120 km/h 300 mm 120 km/h < V ≤ 230 km/h 500 mm V > 230 km/h 600 mm nicht unterschreiten. Können bei Zwangspunkten diese Abstände nicht eingehalten werden, sind die Hänger bei der Re 100 bis Re 200mod als Gleithänger auszuführen. Die Ausführung der Hänger geht aus Abb. 9.13 hervor.
416
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen Abb. 9.12b Anordnung der Radspanner am Mast (Auswahl)
9.2.1.1.4 Oberleitungen der ÖBB Der Aufbau der Längskettenwerke der ÖBB geht aus Abb. 9.14 und Tabelle 9.9 hervor.
denen örtlichen Verhältnisse kommen verschiedene Quertrageinrichtungen zur Anwendung. Eine Übersicht über die verschiedenen Quertrageinrichtungen zeigt Abb. 9.15.
9.2.1.2 Quertrageinrichtungen Zu den Quertrageinrichtungen gehören alle Bauteile und Baugruppen, die an einem Oberleitungsmast oder zwischen zwei Oberleitungsmasten (quer zur Gleisrichtung) der Aufnahme vertikaler und horizontaler Kräfte dienen. Je nach Anzahl der zu überspannenden Gleise, der historischen Entwicklung der betreffenden Bahnverwaltung und der vorhan-
9.2.1.2.1 Rohrschwenkausleger Der Rohrschwenkausleger dient der Aufnahme von einem Längskettenwerk. Er ist am Mast in Richtung der Gleisachse drehbar befestigt und folgt der temperaturabhängigen Längenänderung des Längskettenwerkes. Rohrschwenkausleger werden i.d.R. auf einund zweigleisigen Strecken eingesetzt. Auf drei- und mehrgleisigen Strecken, sowie inner-
9.2 Fahrleitungen
417
Abb. 9.12c Anordnung der Radspanner am Mast (Auswahl)
halb der Bahnhöfe, erfolgt der Einsatz von Rohrschwenkauslegern, wenn die Anordnung von Einzelmasten möglich ist. Einige Beispiele von Rohrschwenkauslegerbauformen der DB AG zeigt Abb. 9.16. Die Bezeichnung der Oberleitungsbauteile wurde in Abb. 9.16a komplett vorgenommen. Bei den Abb. 9.16b bis d sind nur neue und gesonderte Bauteile gegenüber Abb. 9.16a aufgeführt. Kann der elektrische Abstand zu möglichen Standflächen mit den Rohrschwenkauslegern der Regelausführung 9.16a, c und d mit zwei Isolatoren nicht eingehalten werden, muss der Rohrschwenkausleger mit versetzter Isolation, oft auch als geerdeter Ausleger bezeichnet, verwendet werden (Abb. 9.16b).
Typische Anwendungsgebiete sind z.B. Bahnsteige und begehbare Stützmauern. Die für Rohrschwenkausleger der DB AG verwendeten Aluminiumrohre sind in Tabelle 9.10 dargestellt. 9.2.1.2.2 Zwei-/Mehrgleisiger Ausleger Der Zwei-/Mehrgleisige Ausleger ist eine Stahlkonstruktion über 2 oder mehr Gleise, der einseitig, i.d.R. an einem Winkelmast, befestigt wird. Er wird angewendet, wenn nur auf eine Seite der Gleistrasse Maste gestellt werden können oder wenn man bei mehrgleisigen Abschnitten keine Quertragwerke verwenden möchte, da Quertragwerke keine mechanische Entkoppelung der Längskettenwerke ermöglichen
418
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.13 Hängerbauformen
9.2 Fahrleitungen
419
Abb. 9.14 Oberleitungsbauarten der ÖBB
420
Tabelle 9.9 Übersicht der Oberleitungstypen der ÖBB Regelbauart
km/ h
Fahrdraht Tragseil
Regelsystemhöhe
Y-Beiseil
mm2
m
m
MindestFahrdrahthöhe mm
RegelFahrdrahthöhe mm
Fahrdrahtseitenlage
Nachspannung
mm
Nachspannlänge (max.) m
> 160
Typ 2.1
120 70
1,60 off. Strecke 1,10 Tunnel
16 off. Strecke 14 Tunnel
5200
5300
± 300
3-feldrig
1 × 700
≤ 160
Typ 1.3
100 oder 120 70
1,30
12
5000
5500
± 300 (R>1200 m) ± 350 (R≤1200 m)
3-feldrig
1 × 750 2 × 800 Bahnhof
≤ 120
Typ 1.2
100 oder 120 70
1,30
ohne
5000
5500
± 300 (R>1200 m) ± 350 (R≤1200 m)
2-feldrig (R>500 m) 3-feldig (R≤500 m)
2 × 750 freie Strecke 2 × 800 Bahnhof 1 × 750
≤ 80
Typ 1.1
100 1,30 40 (Nirosta)
ohne
5000
5500
± 400
2-feldig
2 × 750 freie Strecke 2 × 800 Bahnhof 1 × 750
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Zulässige Höchstgeschwindigkeit
9.2 Fahrleitungen
421
Quertrageinrichtungen
Rohrschwenkausleger Regelausführung
mit versetzter Isolation
Zwei- und Mehrgleisausleger
Quertragwerkbauweise
geerdetes oberes Richtseil (Regelausführung)
in Kettenwerksabsenkung
spannungsführendes oberes Richtseil (SPOR)
Querjochbauweise abgesetztes unteres Richtseil
Fachwerk
Profile
Abb. 9.15 Übersicht der Quertrageinrichtungen
Tabelle 9.10 Eigenschaften der Aluminiumrohre für Rohrschwenkausleger der DB AG [9.6] Rohr D×t
zul. Abweichungen ∆ Dm ∆D ∆t [mm] [mm] [%]
A [mm2]
Gewicht [kg/m]
Verwendung
26 × 3,5 42 × 4 55 × 6 70 × 6 80 × 6
± 0,30 ± 0,35 ± 0,40 ± 0,40 ± 0,60
247,40 477,52 923,63 1206,37 1394,87
0,668 1,289 2,494 3,257 3,766
Seitenhalter, Spitzenrohr, Strebe Stützrohr, Spitzenrohr, Gewichtsführung Auslegerrohr, Spitzenrohr, Stützrohr Auslegerrohr Auslegerrohr
± 0,70 ± 0,90 ± 0,60* ± 0,70* ± 1,40
±8 ±8 ±8 ±8 ±8
422
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.16 Rohrschwenkauslegerbauform (Auswahl)
9.2 Fahrleitungen
Abb. 9.16 Fortsetzung
423
424
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen Abb. 9.17 2-Gleis-Ausleger
(s. auch Abschn. 9.2.1.1). Der Zwei- /Mehrgleisige Ausleger wird über 1 oder 2 Auslegeranker am Mastkopf befestigt. Am Mast und an den Auslegern werden normale Rohrschwenkausleger angebaut. Abbildung 9.17 zeigt den grundsätzlichen Aufbau eines zweigleisigen Auslegers. 9.2.1.2.3 Quertragwerk Bei Bahnhöfen und Stecken mit mehr als drei Gleisen wurden bei der DB und DR i.d.R. Quertragwerke für die Aufhängung des Längskettenwerkes verwendet. Quertragwerke haben den Vorteil der Platz sparenden Bauweise und
benötigen keine zusätzlichen Mastgassen zwischen den Gleisen. Sie haben jedoch folgende Nachteile: – bei Störung des Quertragwerkes sind alle Gleise betroffen, – Schwingungen im Längskettenwerk werden über das Quertragwerk ins parallele Längskettenwerk übertragen. Diese Nachteile sind der Grund, dass Quertragwerke nur bis zur Re 200 realisiert wurden und heute bei Neuanlage nicht mehr zur Anwendung kommen. Der prinzipielle Aufbau eines Quertragwerkes geht aus Abb. 9.18 hervor.
9.2 Fahrleitungen
Abb. 9.18 Aufbau von Quertragwerken
425
426
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Bei großen Querspannweiten war die Anwendung eines Mittelmastes üblich. Die Bauarten der Quertragwerke unterscheiden sich in: a) Quertragwerk mit geerdetem oberen Richtseil, b) Quertragwerk mit spannungsführendem oberen Richtseil (SPOR), a) Quertragwerk mit abgesetztem unteren Richtseil. Als Quertragseile kommen 2 oder 4 Bronzeseile zum Einsatz. Sie nehmen die vertikalen Kräfte der Oberleitungsstützpunkte über den Quertragseilhänger auf. Bei der Verwendung von 4 Quertragseilen werden die Tragseilstützpunkte benachbarter Längskettenwerke über die Quertragseilhänger immer wechselseitig an jeweils zwei Quertragseilen aufgehängt. Ein Kreuzen der beiden Seilebenen ist unzulässig. Die Quertragseile sind stets geerdet. Das Durchhangsverhältnis des Quertragseiles (Durchhang des Quertragseiles zur Querspannweite) sollte in den Grenzen von 1 : 7 bis 1 : 10 liegen. Abgesehen von bestehenden älteren Auslegern wird jeweils nur ein Richtseil als oberes bzw. unteres Richtseil verwendet. Bei der Bauweise a) – Regelausführung – ist das obere Richtseil geerdet und das untere Richtseil spannungsführend. Das obere Richtseil nimmt die horizontalen Kräfte der Tragseilstützpunkte und das untere Richtseil die horizontalen Kräfte aus den Fahrdrahtstützpunkten auf. Die Verankerung der Richtseile am Mast erfolgt je nach Querspannweite: – beidseitig fest, – einseitig fest und auf der anderen Seite mit einer Richtseilfeder, – einseitg fest und auf der anderen Seite mit zwei Richtseilfedern. Die Richtseilfedern haben die Aufgabe, temperaturbedingte Längenänderungen der Richtseile auszugleichen und so einer Höhenänderung von Tragseil- bzw. Fahrdrahtstütz-
punkt vorzubeugen. Der Einbau der Richtseilfeder erfolgt bei Querspannweiten: > 30 m grundsätzlich ≤ 30 m bei Richtseilzugkräften über 5 kN. a) Quertragwerk mit geerdetem oberen Richtseil Quertragwerke mit geerdetem oberen Richtseil stellen die Regelausführung dar und werden bei Bogenhalbmesser R > 800 m verwendet. Die Gestaltung der Tragseilstützpunkte ist abhängig von der Entfernung vom Festpunkt des Längskettenwerkes. Im Festpunkt selbst wird das Tragseil über zwei horizontal liegende Isolatoren am oberen Richtseil befestigt. Ansonsten befindet sich jeweils ein Isolator zwischen Tragseil und oberem Richtseil. Als Fahrdrahtstützpunkte werden auf Zug beanspruchte Leichtbauseitenhalter (in älteren Anlagen auch Rohrseitenhalter) für den befahrenen Fahrdraht verwendet. b) Quertragwerk mit spannungsführendem oberen Richtseil (SPOR) Tritt aufgrund großer Kurvenzugkräfte des Längskettenwerkes eine zu große Schrägstellung der Tragseilstützpunkte auf, werden Quertragwerke mit spannungsführendem oberem Richtseil verwendet. Dies trifft grundsätzlich für Quertragwerke von: – Gleisen mit einem Bogenhalbmesser R ≤ 800 m und – Streckentrennungen zu. Die Isolatoren werden zwischen Quertragseil und oberem Richtseil angeordnet. Dadurch erhöht sich der Bedarf an Isolatoren, da die Zwischenisolation zur elektrischen Trennung der Längskettenwerke in einzelnen Schaltgruppen nicht nur im unteren, sondern auch im oberen Richtseil erfolgen muss. Im Festpunkt wird das Längstragseil direkt am oberen Richtseil verankert. Die Bauart der Fahrdrahtstützpunkte unterscheidet sich nicht von der Ausführung a).
9.2 Fahrleitungen
c) Quertragwerk mit abgesetztem unteren Richtseil Treten bei parallelliegenden Gleisen innerhalb eines Quertragwerkes unterschiedliche Gleishöhen auf, so bekommt das untere Richtseil, durch das Einfügen einer oder zweier Hängestützen, eine unterschiedliche Höhe, wodurch die Gleishöhenunterschiede ausgeglichen werden. Dadurch kann der absolute Wert der Fahrdrahthöhe, bezogen auf die jeweilige Schienenoberkante (SO), bei Gleishöhenunterschieden innerhalb eines Quertragwerkes, konstant gehalten werden. Ferner sind abgesetzte Richtseile zur Verbesserung des Arbeitsraumes über Ladestraßen sowie beim Überkreuzen von Gebäuden üblich. Je nach auftretenden Belastungen kommen einfache Hängestützen oder Hängestützen in Dreiecksform zur Anwendung. Die Hängesäule selbst liegt i.d.R. auf Erdpotenzial. 9.2.1.2.4 Joche Die Jochbauweise ist bei der DB AG keine Regelbauart und kommt nur in Ausnahmefällen zum Einsatz, wenn andere Quertrageinrichtungen nicht eingesetzt werden können. Insbesondere die Forderung nach einer mechanischen Entkopplung der Längskettenwerke bei den Oberleitungsbauarten Re 200mod, Re 250 und Re 330 macht den Einsatz von Jochen als Sonderkonstruktionen erforderlich, wenn die Bespannungsaufgaben nicht mit Zwei-/Mehrgleisauslegern gelöst werden können. Dabei wird jedes Joch, entsprechend den statischen Belastungen, individuell gestaltet. Als Beispiel sei hier die Bespannung von Weichen mit großem Abzweigradius in Bahnhöfen von Neubaustrecken (NBS)/Ausbaustrecken (ABS) genannt. Dagegen werden bei fast allen anderen europäischen Eisenbahnverwaltungen Jochkonstruktionen in großem Umfang angewendet. Dabei weichen die konstruktiven Ausführungen weit voneinander ab.
427
9.2.1.2.5 Bogenabzug Der Bogenabzug stellt eine Sonderform der Quertrageinrichtungen dar, da er auf Grund seiner Konstruktion keine vertikalen Kräfte, sondern nur horizontale Kräfte aufnehmen kann. Der Abstand der Quertrageinrichtungen, d.h. die Längsspannweite, wird oft durch den Gleisbogenhalbmesser oder die Gestaltung der Weichenstraße begrenzt. Maßgebend hierfür ist die Einhaltung der zulässigen Werte für die Fahrdrahtseitenlage. Durch Anwendung von Bogenabzügen in Gleisbögen mit kleinerem Halbmesser zwischen zwei Quertrageinrichtungen kann die Längsspannweite vergrößert werden. Unterschiede werden zwischen einem: – gemeinsamen Bogenabzug für Fahrdraht und Tragseil und – getrenntem Bogenabzug für Fahrdraht und Tragseil gemacht. Welcher Bogenabzug zur Anwendung kommt, hängt vom Abstand des Fahrdrahtes und Tragseiles an der Stelle des Bogenabzuges ab. 9.2.1.3 Maste 9.2.1.3.1 Unterscheidungsmerkmale Oberleitungsmaste werden unterschieden hinsichtlich ihrer Funktion, des Materials, aus dem sie hergestellt werden, und der Verbindungsart mit der Gründung. Bei der Funktion unterscheidet man – Tragmaste und – Abspannmaste, wobei auch ein Mast beide Funktionen in sich vereinigen kann (z.B. Radspannermaste mit Rohrschwenkausleger). Hinsichtlich des Materials unterscheidet man – Stahlmaste und – Betonmaste.
428
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Nach ihrer Verbindung mit der Gründung werden Fahrleitungsmaste weiterhin unterschieden in – Aufsetzmaste, – Einsetzmaste und – Überstülpmaste. Aufsetzmaste werden mit den Ankerbolzen des jeweiligen Fundaments verschraubt. Je nach Belastung ist die Anzahl der verwendeten Ankerbolzen unterschiedlich und schwankt zwischen 4 und 16 Ankerbolzen. Einsetzmaste werden direkt in die Gründung eingesetzt. Das kann bei einer Ortbetongründung direkt in den Beton erfolgen (alte Bauform) oder z.B. durch Einsetzung ins Rammrohr. Überstülpmaste werden ausschließlich bei Betonmasten verwendet. Der Mast wird über ein Rohr der Gründung gestülpt. 9.2.1.3.2 Stahlmaste Als Stahlmaste kommen zur Anwendung: a) Rahmenflachmaste b) Winkelmaste, auch als Gittermaste bezeichnet c) Stahlmaste aus Doppel-T-Profil d) Sondermaste (z.B. Rohrmaste). a) Rahmenflachmaste Der Rahmenflachmast, oft auch kurz als Flachmast bezeichnet, besteht im Wesentlichen aus zwei durch Bindebleche miteinander verbundenen U-Stahl-Profilen. Diese bilden ein Rahmentragwerk, das auf Mastfußplatten aufgeschweißt wird. In bestimmten Abständen sind in dem Rahmentragwerk Verstärkungsbleche eingebaut, welche einem Verdrehen des Mastes in der Längsachse entgegenwirken. Mastfuß und Mast werden durch Bleche verbunden. Der Mastfuß ist mit vier Bohrungen für die Aufnahme der Ankerbolzen versehen. Die im Mastkopf vorhandenen Bohrungen dienen zur Befestigung eines Trägers, Querträgers oder Mastaufsatzes.
Das Anbringen einer Zugstange ist ebenfalls möglich. Der Flachmast darf aufgrund seiner Belastbarkeit nur über die schmale Seite belastet werden und wird ausschließlich als reiner Tragmast verwendet. Ausnahmen davon erfordern einen besonderen statischen Nachweis. Je nach statischer Belastung kommen für die Flachmaste U-Profile in den Abmessungen 100 mm, 120 mm, 140 mm oder 160 mm zur Anwendung. Die Länge der Maste schwankt zwischen 6,50 m und 14 m. Jeder Mast hat eine Breitenzunahme von 30 mm/m. Zum Anschluss von Erdungsleitungen ist im unteren Mastabschnitt, an den beiden schmalen Seiten, jeweils eine Bohrung von 17 mm Durchmesser vorgesehen. b) Winkelmaste Winkelmaste, häufig auch als Gittermaste bezeichnet, bestehen aus vier Stahl-Winkelprofilen, sog. Eckstielen, die durch Diagonalverstrebungen untereinander verbunden sind. Je nach Länge und Beanspruchung betragen die Abmessungen 80 u 8 mm bis 150 u 14 mm. Bei Diagonalverstrebungen kommen Winkelstiele in den Abmessungen 45 u 5 mm bis 70 u 7 mm zum Einsatz. Während früher die Diagonalen mit den Eckstielen durch Nieten verbunden wurden, wird heute der Mast als Schweißkonstruktion hergestellt. Die Mastfüße haben eine Abmessung von 600 u 800 mm, 800 u 1000 mm, 1000 u 1250 mm, 1250 u 1600 mm oder 1600 u 2000 mm und bis zu 16 Bohrungen für die Aufnahme der Ankerbolzen. Die im Mastkopf vorhandenen Bohrungen dienen zur Befestigung der Träger, Querträger und Traversen. Außerdem können Mastaufsätze befestigt werden. Der Mastkopf hat an jeder Seite zwei Bohrungen von 45 mm Durchmesser, durch welche die zur Befestigung des Tragseils notwendigen Zugstangen geführt werden. Dabei wird der Mastkopf in Beanspruchungsrichtung durch die Zugstange mittels einer Auflage verstärkt. Die Abmessungen des Mastkopfes betragen 350 u 350 mm oder 400 u 400 mm.
9.2 Fahrleitungen
c) Stahlmaste aus Doppel-T-Profilen Stahlmaste aus Doppel-T-Profilen werden im Ausland recht häufig als Tragmaste verwendet. Eine Verwendung als Abspannmast bedingt häufig eine zusätzliche Verspannung des Mastes mit Rückankern. Bei der DB AG werden Stahlmaste mit Doppel-T-Profil nur in Ausnahmefällen verwendet. Einige Anwendungsfälle stellen Talbrücken von Neubaustrecken dar, sowie Stellen, mit nur geringem Gleismittenabstand. Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung von Stahlmasten aus Doppel-T-Profil innerhalb integrierter Schallschutzwände. Stahlmaste mit Doppel-T-Profil haben den prinzipiellen Nachteil gegenüber den anderen Stahlmasten, dass sie ein hohes Gewicht aufweisen und verhältnismäßig empfindlich gegen Torsionskräfte sind. Sie werden sowohl als Einsatzmaste als auch mit angeschweißter Fußplatte, als Aufsetzmaste, verwendet. 9.2.1.3.3 Betonmaste Betonmaste, auch Schleuderbetonmaste genannt, haben einen kreisförmigen Querschnitt und haben im Inneren einen durchlaufenden Hohlraum. Die Maste sind konisch gestaltet. Die bei der DB AG eingesetzten Betonmaste unterscheiden sich hinsichtlich Betongüte, B 65, beim B-Mast-System und NB-Mast-System und Betongüte B 95 bei dem C-Mastsystem. Während die B-Maste und NB-Maste i.d.R. als Überstülpmaste ausgeführt werden, d.h. über ein Rammrohr des Fundamentes gestülpt werden, werden die C-Maste aufgrund ihrer geringeren Abmessungen und der hohen Betonqualität als Einsetzmaste hergestellt. Sie werden also ins Rohr des Fundaments eingesetzt. Die Befestigung von Bauteilen der Rohrschwenkausleger erfolgt bei der DB AG über entsprechende Buchsen, die mit der Bewährung des Mastes verbunden sind. Im internationalen Maßstab und im Nahverkehr sind auch Spannbänder für die Befestigung der Bauteile üblich.
429
9.2.1.4 Gründungen 9.2.1.4.1 Gründungsarten Die Gründungen der Oberleitungsmaste und der Mastanker haben die Aufgabe, alle Kräfte der Oberleitungsanlage in den Baugrund zu übertragen. Die Auswahl der jeweiligen Gründungsart wird im Wesentlichen durch – die Tragfähigkeit und Festigkeit des Baugrundes, – die Belastung, – die verwendeten Mastarten, – die technologischen Bedingungen, – die Kosten, – die geometrischen Bedingungen in einer bestehenden Anlage bestimmt. Abbildung 9.19 gibt einen Überblick der gebräuchlichsten Gründungsarten. Die gestrichelt dargestellten Gründungsarten werden bei der DB AG nicht (mehr) angewendet. Als ein gewisses „Standardgründungsverfahren“ hat sich heute in Deutschland die Rammgründung etabliert. Sie eignet sich besonders für Maststandorte mit tiefliegenden tragfähigen Schichten oder mit hohem Grundwasserstand, kann aber aus wirtschaftlichen Gründen auch bei anderen Bodenarten angewandt werden. Nicht geeignet ist dieses Verfahren bei Felsuntergrund und überall dort, wo wegen den Erschütterungen und Veränderungen im Boden nicht gerammt werden darf, so z.B. bei Fester Fahrbahn. Bei der Rammpfahlgründung werden i.d.R. Stahlpfähle mit Spundwandprofilen in die Erde gerammt, danach mit einem Betonkopf mit Ankerbolzen versehen. Die Ankerbolzenanzahl richtet sich nach der Belastung. Es können alle Stahlmaste mit einem Fuß verwendet werden. Für die Verwendung von Betonmasten, wird auf dem Rammpfahl vor dem Rammen ein Stahlrohr mit kleinem Durchmesser aufgeschweißt. Über dieses Rohrstück wird der Betonmast (B- oder NB-Mast) gestülpt.
430
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Gründungen
Rammgründungen
Rammpfahlgründungen
Bohrgründungen
Rammrohrgründungen
Felsbohrgründungen
mit Betonkopf
Rohrdurchmesser klein
mit angeschweißtem Rohr
Rohrdurchmesser groß
Großrohrbohrgründungen
Ortbetongründungen
Blockfundamente
Stufenfundamente
Fertigteilfundamente
Rundfundamente
Direktgründungen
Hülsenfundamente
Abb. 9.19 Übersicht über die Gründungsarten
Anstelle des Rammpfahles tritt bei der Rammrohrgründung ein Rohr. Dieses Rohr kann einen kleinen Durchmesser aufweisen, ist dann relativ starkwandig und es können Betonmaste (B-, NB-Maste) übergestülpt werden. Bei Verwendung von Rohren mit großem Durchmesser werden Betonmaste (C-Maste) oder Stahlsondermaste mit Doppel-T-Profil ohne Fuß eingesetzt und nach entsprechender Ausrichtung der Maste mit Vergussmasse verfüllt. Kann aus verschiedenen Gründen nicht gerammt werden, stellen Bohrgründungen eine Alternative dar. Ein Rohr wird nicht in die Erde geschlagen, sondern es besteht die Möglichkeit das Rohr in die Erde hineinzudrehen. Dabei wird gleichzeitig ein Teil des im Rohr anfallenden Erdreiches mit einem Bohrer entfernt. Diese Gründungsart wird als Großrohrbohrgründung bezeichnet. In dieses Rohr können dann Betonmaste oder Stahlsondermaste ohne Fuß eingesetzt werden. In felsigen Böden werden die Bohrungen direkt in den Untergrund eingebracht. Dies bezeichnet man als Felsbohrgründung. Die Ortbetongründung ist historisch gesehen die älteste Gründungsart. Nach Aushe-
ben einer Fundamentgrube wird das Fundament „am Ort“ gegen das Erdreich betoniert. Die Ankerbolzen werden i.d.R. mittels einer Schablone in das Fundament eingehängt. Darauf können dann alle Stahlmaste mit Fuß als Aufsetzmaste verschraubt werden. Ortbetonfundamente haben den Nachteil, dass ihre Errichtung einen verhältnismäßig hohen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert. Ortbetongründungen werden i.d.R. als Blockfundamente ausgeführt. Große äußere Kräfte und/ oder nicht standfeste Böden können die Verwendung eines Stufenfundamentes erforderlich machen. 9.2.1.4.2 Fundament- und Mastabstände Die Abstände b von Gleismitte zur – Vorderkante des Fundaments (Stahlmaste) oder – Vorderkante der Betonmaste sollen die Werte in Tabelle 9.11 nicht unterschreiten. Bei beengten Verhältnissen in Folge von Umbauten bestehender Strecken sind folgende Mindestmaße einzuhalten, die sich aus der Summe:
9.2 Fahrleitungen
431
Tabelle 9.11 Fundament- und Mastabstände [9.7] Ort
Abstand b in m eingl. Streckenabschnitt mit ohne Kabeltrasse
zweigl. Streckenabschnitt mit ohne Kabeltrasse
in der Geraden
3,65
3,50
3,65
3,50
im Bogen auf der Bogeninnenseite
3,65
3,50
3,65
3,50
auf der Bogenaußenseite für u = 0 mm bis 20 mm 25 mm bis 50 mm 55 mm bis 100 mm 105 mm bis 160 mm
3,65 3,65 3,65 3,65
3,50 3,50 3,50 3,50
3,65 3,75 3,85/3,90*) 3,95/4,05*)
3,50 3,60 3,70/3,75*) 3,80/3,90*)
*) gültig für Re 250/ Re 330
Tabelle 9.12 Zuschläge zur halben Breite des Lichtraumprofils für die Ermittlung der Mastabstände bei beengten Verhältnissen (durchgehende Hauptgleise und andere Hauptgleise für Reisezüge) [9.7] u [mm] Zuschlag [mm]
0 0
20 40
30 60
40 80
50 100
60 120
70 140
80 159
u [mm] Zuschlag [mm]
90 178
100 198
110 217
120 236
130 255
140 274
150 292
160 310
Tabelle 9.13 Zuschläge zur halben Breite des Lichtraumprofils für die Ermittlung der Mastabstände bei beengten Verhältnissen (übrige Gleise) [9.7] u [mm] Zuschlag [mm]
0 0
20 52
30 78
40 103
50 129
60 154
70 180
80 205
u [mm] Zuschlag [mm]
90 230
100 255
110 280
120 305
130 330
140 354
150 379
160 404
– halbe Breite des Lichtraumprofils, – Bautoleranz, – Zuschlag für Überhöhung (u) auf der Bogeninnenseite ergeben. Daraus resultiert ein erforderlicher Mindestabstand für: a) durchgehende Hauptgleise und andere Hauptgleise mit Reisezugverkehr von: b = 2500 mm + 50 mm + u (nach Tabelle 9.12)
(9.6a)
b) übrige Gleise von: b = 2200 mm + 50 mm + u (nach Tabelle 9.13).
(9.6b)
9.2.1.5 Erforderliche Lichte Höhe von Bauwerken Bei elektrifizierten Strecken oder zur Elektrifizierung vorgesehener Strecken sollten Überbauten in Abhängigkeit der Oberleitungsbauart und der zulässigen Geschwindigkeiten, die in Tabelle 9.14 aufgeführte Lichte Höhe aufweisen. Die Werte beziehen sich auf eine maxi-
432
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Tabelle 9.14 Minimale Lichte Höhe von Bauwerken [9.7] Vmax
Freie Strecke im Normalbereich der Kettenwerke
Freie Strecke im Bereich von Nachspannungen, Streckentrennungen, Streckentrennern und in Bahnhöfen
≤ 160 km/h ≤ 200 km/h ≤ 230 km/h ≤ 330 km/h – SH = 1,80 m ≤ 330 km/h – SH = 1,10 m
5,70 m 5,90 m 5,90 m 7,40 m 6,70 m
6,20 m 6,20 m 7,90 m 7,90 m 7,20 m
male Bauwerksbreite von 15 m, senkrecht zur Gleisachse, und einer mittigen Anordnung über dem Parallelfeld (Nachspannung, Streckentrennung). Bei überhöhten bzw. geneigten Gleisen sind, abhängig von der Überhöhung u und der Neigung i, folgende Zuschläge zu machen: ∆h = ⅔u + 1,5i.
(9.7)
Darin bedeuten: ∆h Zuschlag der Lichten Höhe in mm u Überhöhung in mm i Neigung in ‰. Abweichungen von den Werten aus Tabelle 9.14 erfordern einen projektbezogenen Nachweis der Einhaltung der (Mindest-) Fahrdrahthöhe und der elektrischen Abstände zwischen spannungsführenden und geerdeten Bauteilen. 9.2.1.6 Gestaltung der Oberleitungsanlage an Bahnübergängen Auf Bahnübergängen (BÜ) mit allgemeinem Fahrzeugverkehr soll von Oberleitungen und von an demselben Gestänge geführten Leitungen zur Straßenoberfläche ein Abstand von wenigstens 5500 mm vorhanden sein. Dabei sind alle thermischen und dynamischen Bewegungen des Fahrdrahtes und der Leitungen sowie die Bautoleranz von 30 mm und die halbe normale Zusatzlast nach DIN VDE 0210 zu berücksichtigen. Der ungünstigste Fall ist maßgebend. Überbauten in der
Bemerkungen
Reduzierung der Längsspannweite erforderlich
Nähe solcher BÜ sollten so hoch sein, dass die geforderte Fahrdrahtlage über dem Bahnübergang eingehalten werden kann, ohne die zulässige Neigung des Fahrdrahtes zu überschreiten. Lässt sich auf BÜ der Mindestabstand von 5500 mm nicht einhalten, so müssen, im Einvernehmen mit der Straßenverkehrsbehörde, beiderseits des Überganges, Höhenbegrenzungen (Profiltore) für die Straßenfahrzeuge angebracht werden. Die Höhenbegrenzungen müssen durch Verkehrsverbotszeichen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) gekennzeichnet werden. Die durchzuführenden Maßnahmen sind in Tabelle 9.15 aufgeführt. 9.2.1.7 Elektrische Gestaltung 9.2.1.7.1 Elektrische Bemessung Die Oberleitungsanlage muss so bemessen sein, dass sie die elektrische Strombelastung (Dauer- und Fehlerstrombelastung) berücksichtigt. Die Anlage muss für Kurzschlussfälle ausgelegt werden. Die größte Erwärmung der Leiter (durch Strombelastung verursacht) darf nicht zu Leitertemperaturen führen, bei denen die mechanischen Eigenschaften negativ beeinflusst werden. Die im Hinblick auf geometrische Anforderungen festgelegte höchste Betriebstemperatur der Oberleitungsanlage darf nicht überschritten werden.
9.2 Fahrleitungen
433
Tabelle 9.15 Gestaltung von Bahnübergängen [9.6] Fahrdrahthöhe FH [m] über Straßenoberkante
Maßnahme Andreaskreuz mit Blitzpfeil
FH ≥ 5,50 m
notwendig
5,20 ≤ FH < 5,50 mit Profileinschränkung
notwendig
4,0 m
5,10 ≤ FH < 5,20 mit Profileinschränkung
notwendig
3,9 m
5,00 ≤ FH < 5,10 mit Profileinschränkung
notwendig
3,8 m
4,95 ≤ FH < 5,00 mit Profileinschränkung
notwendig
4,0 m
Höhenbegrenzungsschild (Zeichen 265 nach StVO)
Die höchste Betriebstemperatur der Oberleitung beträgt 70 °C (Re 100 bis Re 250) bzw. 80 °C (Re 330). Die von der Strombelastung verursachte Erwärmung muss zur Umgebungstemperatur und Sonneneinstrahlung addiert werden, um die mechanischen und maßlichen Vorgaben, die für die maximale Belastung des Leitersystems gemacht wurden, einzuhalten. Dies betrifft auch die elektrischen Abstände in Luft und die Fahrdrahthöhe. Die Luftstrecken zwischen geerdeten Teilen und unter Spannung stehenden unisolierten Teilen der Oberleitung oder Speiseleitung müssen festgelegt werden, um Beschädigungen der Oberleitungsanlage und der geerdeten Infrastruktur zu begrenzen und die Sicherheit nicht zu gefährden. In verschmutzten Bereichen sind vergrößerte Luftstrecken erforderlich. Unterschiedliche Luftstrecken für „statische“ und „dynamische“ Fälle werden mehr durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als aus physikalischen Gründen gerechtfertigt, z.B. ist es unwahrscheinlich, dass eine Stoßüberspannung in genau demselben Augenblick auftritt, wenn ein Stromabnehmer einen engen Teil eines Tunnels passiert. Für diesen „dynamischen“ Fall ist eine kleinere Luftstrecke zu rechtfertigen.
Profiltor H [m]
Leitmal
4,45
notwendig
Die in Tabelle 9.16 angegebenen Luftstrecken können verkleinert oder vergrößert werden, wobei Gesichtspunkte, wie absolute Feuchte, Bereich der Umgebungstemperatur, Luftdruck, relative Luftdichte, Form und Werkstoff sowohl der unter Spannung stehenden als auch der geerdeten Bauwerke, zu berücksichtigen sind (siehe EN 50125). Es sollte jedoch jeder Fall gesondert betrachtet werden. In einer Oberleitungsanlage gibt es Abschnitte, an denen die Spannung Werte erreichen kann, die höher sind als die Nennspannung des Systems. Bei Autotransformatorsystemen mit 2 u 25 kV (siehe 9.1) tritt eine Phasenverschiebung von 180° zwischen allen Teilen, die zur Speiseleitung (Feeder) und allen Teilen, die zur Oberleitung gehören, auf. Bei konventionellen Wechselstromsystemen hat die Phasenverschiebung zwischen Tabelle 9.16 Elektrische Abstände in Luft [9.5] Spannung
empfohlene Abstände in Luft statisch dynamisch mm mm
DC 750 V DC 1,5 kV DC 3,0 kV AC 15 kV AC 25 kV
100 100 150 150 270
50 50 50 100 150
434
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Tabelle 9.17 Schlagweiten für Spannungen mit unterschiedlichen Phasenlagen [9.5] Nennspannung [kV]
Phasenverschiebung
relative Spannung [kV]
empfohlene Schlagweite statisch dynamisch [mm] [mm]
25 25
120° 180°
43,3 50
400 540
120° und 180° bei Schutzstrecken eine ähnliche Wirkung. Tabelle 9.17 gibt Schlagweiten vor, die zwischen unter Spannung stehenden Teilen einer Wechselstrom-Oberleitungsanlage, mit verschiedenen Phasenlagen, erreicht werden sollten. Elektromagnetische Beeinflussungen, die von Oberleitungen elektrischer Bahnen hervorgerufen werden, können eine Anzahl von Ursachen haben, einschließlich: – Überschläge und Kriechströme über Isolatoren, – keine feste Verbindung unter Spannung stehender Teile (Hängerklemmen, Fahrdrahtseitenhalter, usw.), – als Antenne wirkende Leiter, – Lichtbogenbildung zwischen Stromabnehmer und Fahrdraht. Diese Gesichtspunke sollten bei der Auslegung der Oberleitungsanlage und der Konstruktion der Bauteile und Einrichtungen berücksichtigt werden. Prüf- und Messtechniken, Empfehlungen für Grenzwerte und Vorschläge für anzuwendende Verfahren zur Verringerung der elektromagnetischen Beeinflussungen sind enthalten in EN 50121-5. 9.2.1.7.2 Schaltung [9.8] Die Oberleitungen der Strecken sind in Längsrichtung in Schaltabschnitte zu unterteilen. Als Schaltabschnitte innerhalb eines Speisebezirkes gelten die Oberleitungen der Bahnhöfe sowie Schutz- oder Ersatzspeiseabzweige auf freien Strecken und die Oberleitungen der freien Strecke zwischen den Schaltabschnittsgrenzen. Die Grenzen der Schaltabschnitte
230 300
sollen an den betrieblichen Grenzen zwischen den Bahnhöfen und den freien Strecken sowie an sonstigen Betriebsstellen der freien Strecke angeordnet werden. Ein Bahnhofsschaltabschnitt umfasst sämtliche Oberleitungen einschließlich evtl. Verstärkungsleitungen innerhalb der Schaltabschnittsgrenzen. Zum Schaltabschnitt der freien Strecke gehören sämtliche Oberleitungen einschließlich evtl. Verstärkungsleitungen zwischen den Schaltabschnittsgrenzen zu benachbarten Bahnhöfen oder zu sonstigen Betriebsstellen der freien Strecke. Schaltabschnittsgrenzen müssen und Längsunterteilungen der Oberleitung innerhalb von Bahnhöfen sollen unter Signaldeckung liegen. Schaltabschnittsgrenzen müssen, Längsunterteilungen in Bahnhöfen sollen als Streckentrennungen ausgeführt werden. Streckentrennungen dürfen nicht im Bereich von Bahnsteigen und an sonstigen Stellen liegen, an denen Fahrzeuge mit gehobenem Stromabnehmer regelmäßig halten. Signaldeckung liegt vor, wenn beim Hauptsignal kein Triebfahrzeug mit gehobenem Stromabnehmer in einer Streckentrennung zum Halten kommt. Auf Strecken, auf denen Züge regelmäßig nachgeschoben oder Wendezüge, Triebzüge oder Triebwagenzüge eingesetzt werden, dürfen vor Hauptsignalen, auch vor denen der Gegenrichtung, im Abstand nach Abb. 9.20, keine Schaltabschnittsgrenzen liegen. Der Wert a ist abhängig von den vorwiegend zum Einsatz kommenden Zuggarnituren bei S-Bahnen – 200 m – bis 400 m im Regelnetz (maßgebende Länge bei elektrischen Tfz am Zugschluss)
9.2 Fahrleitungen
435
Abb. 9.20 Lage der Schaltabschnittsgrenze vor Hauptsignalen (Blockkennzeichen)
Abb. 9.21 Lage der Schaltabschnittsgrenze Bahnhof – freie Strecke
– 410 m – 500 m
bei CIR-ELKE bei Neubau-Strecken.
Durch die geforderte Anordnung soll verhindert werden, dass sich bei signalmäßigem Halt der genannten Zugarten ein gehobener Stromabnehmer im Bereich der zurückliegenden Streckentrennung befindet. Die Oberleitung der freien Strecke und der durchgehenden Hauptgleise der Bahnhofsschaltabschnitte dürfen nicht elektrisch fest verbunden werden. Schaltabschnittsgrenzen zwischen dem Bahnhof und der freien Strecke müssen nach Abb. 9.21 angeordnet werden. In der Regel werden die Schaltabschnittsgrenzen
zwischen Einfahrsignal und Einfahrweiche/ Rangierhalttafel (Ra 10) angeordnet. Durch die festgelegten Abstände soll sichergestellt werden, dass ein nach Signalhalt anfahrendes Triebfahrzeug mit gehobenem Stromabnehmer beim Befahren der Streckentrennung bereits eine solche Geschwindigkeit erreicht hat, dass eine punktuelle Erwärmung des Fahrdrahtes durch Ausgleichsströme nicht zu einem Fahrdrahtabbrand führt. Der festgelegte Abstand für das Signal Ra 10 (Rangierhalttafel) garantiert, dass beim Rangieren mit elektrischen Triebfahrzeugen die Streckentrennung nicht befahren wird.
436
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Bei Wende- und Kreuzungsbahnhöfen von S-Bahnen sind Abweichungen davon zulässig. Die in Abb. 9.21 dargestellten Abstände zu den Hauptsignalen gelten auch sinngemäß für Abzweigstellen der freien Strecke. Die Oberleitungen der Bahnhofsschaltabschnitte sind in Schaltgruppen zu unterteilen. Unterteilungen können nach Hauptgleisen für Reisezüge und für Güterzüge sowie nach Nebengleisen vorgesehen werden. Zusätzlich können Längsunterteilungen in durchgehenden Hauptgleisen, z.B. zwischen Weichenbereichen und Gleisen oder zwischen Bahnhofsteilen, erforderlich werden. Bei der Schaltgruppeneinteilung ist Übersichtlichkeit anzustreben. Durch zweckmäßige elektrische Unterteilung in Schaltgruppen soll einerseits die Verfügbarkeit der Oberleitungsanlagen gesteigert werden, da bei Störungen und Instandhaltungsarbeiten nur Teilbereiche ausgeschaltet werden müssen, andererseits setzt das Gebot der Wirtschaftlichkeit und auch die Gefährdung von elektrischen Trennstellen durch Überfahren elektrischer Triebfahrzeuge einer zu weit gehenden Unterteilung Grenzen. Durch Übersichtlichkeit bei der Schaltgruppeneinteilung soll die sichere Betriebsführung im Oberleitungsnetz erleichtert werden. An Abzweigstellen und Überleitstellen, in Anschluss-, Ausweichanschlussstellen und Privatgleisanschlüssen sowie in Schutzspeisebezirken können ebenfalls Schaltgruppen gebildet werden. Die Oberleitungen von Privatgleisanschlüssen sollen möglichst dicht bei der Eigentumsgrenze auf DB Netz-Seite an den versorgenden Streckenschaltabschnitt oder an die versorgende Bahnhofsschaltgruppe elektrisch angebunden werden. Der Anschluss muss über einen Schalter mit Kurzschlussstrommeldewandler erfolgen. Schaltabschnitte sowie Schaltgruppen müssen über Schalter miteinander verbunden werden können. Für jeden Schalter im Oberleitungsnetz ist eine Grundstellung festzulegen.
Die Oberleitungen der durchgehenden Hauptgleise eines Speisebezirks sollen quergeschaltet werden. Hierzu sind in den Bahnhöfen sowie an Überleitstellen und Abzweigstellen Querschalter vorzusehen. Bei getrennten Speiseleitungen sind in der Nähe von Speisepunkten zu Streckenschaltabschnitten zusätzlich Querschalter einzubauen. In Ausnahmefällen können weitere Querschalter auf der freien Strecke erforderlich werden. Durch die Anordnung der Querschalter in den genannten Betriebsstellen soll erreicht werden, dass die Kettenwerke beider Streckengleise zum Energietransport, auch bei unterschiedlichen Belastungsverhältnissen, beitragen und die Spannungsunterschiede beim Überfahren von Streckentrennern, zwischen den durchgehenden Hauptgleisen, verringert werden. Durch die Anordnung der Querschalter an den Speisepunkten soll eine bessere Kurzschlussortung und bei längeren Speiseleitungen eine symmetrische Stromverteilung auf die Speiseleitung erreicht werden. Kurze Streckenspeisebezirke sind aus schutztechnischen Gründen mit Querschaltern zu versehen. Querschalter sind für eine Kurzschlussortung mit Kurschlussmeldewandler auszurüsten. Die Ladegleisschaltung darf sich nur über die unbedingt notwendige Länge erstrecken. Die Anordnung des Ladegleisschalters sowie die zulässige Ladegleislänge nach beiden Seiten des Ladegleisschalters sind entsprechend den örtlichen Verhältnissen festzulegen. Die Schaltung von Oberleitungsanlagen über Behandlungsanlagen ist von der planenden Stelle mit dem Betreiber abzustimmen. Nebenverbraucher (z.B. Weichenheizung, Zugvorheizungsanlage) müssen vom Oberleitungsnetz über Schalter abtrennbar sein. Über nachgeordnete Schutz- und Überwachungseinrichtungen muss sichergestellt werden, dass das Ergebnis der Oberleitungsprüfung nicht verfälscht wird und Störungen an Nebenver-
9.2 Fahrleitungen
437
Tabelle 9.18 Bezeichnung der Fahrleitungsschalter der DB AG (Auszug) [9.8] 1, 2, 3, 4
Schalter zur Verbindung der Fahrleitung der durchgehenden Hauptgleise des Bahnhofes mit der Fahrleitung zur freien Strecke
11, 12, 13, 14, 21, 22, 23, 24, usw.
Schalter zur Verbindung der Fahrleitung weiterer in den Bahnhof einmündender Strecken mit der Fahrleitung der Bahnhofsgleise
5, 15, 25, usw.
Schalter zur Verbindung der Schaltgruppen zweier Hauptgleise der gleichen Strecke, Querkuppelschalter
6, 16, 26
Ladegleisschalter, Hallenschalter von Werkstattanlagen
8, 18, 28, usw. oder 7, 17, 27, usw. 9, 19, 29, usw.
Gruppenschalter zum Anschluss der Schaltergruppen an die Umgehungsleitungen bzw. an die Schaltgruppen der durchgehenden Hauptgleise sowie Schalter zur Verbindung der Schaltgruppen untereinander
10, 20, 30, 40, usw.
Schalter zur Verbindung der Schaltgruppen zweier Hauptgleise verschiedener Strecken
105, 115, 125, usw.
Schalter zur Verbindung der Schaltgruppen zweier Nebengleise mit ungerader und gerader Schaltgruppe
107, 117, usw. 108, 118, usw.
Gruppenschalter, wenn o. g. Nummernbereiche nicht ausreichen
201, 202, 203, 204, usw.
Schalter von Betriebsstellen der freien Strecke
301, 302, 303, 304, usw.
Sonderfälle: z.B. Privatanschlussgleise, Zweitanschlüsse von Bahnhöfen und sonstigen Bahnanlagen, weitere Längsunterteilungen, Systemumschaltung
401, 411, 402, 412, 403, 413, 404, 414, 406, 416, 407, 417, 408, 418, 409, 419, usw.
Längsschalter in Bahnhöfen
901, 902, 903, 904
Schutzstreckenschalter
A 1, A 2, usw.
Schalter zum Anschluss der Fahrleitung an die Speiseleitung (nur im Bereich der ehem. DR)
E 1, E 2, usw.
Erdungsschalter für Oberleitungsspannungsprüfeinrichtung (OLSP), Zollschaltungen und sonstige Sonderfälle
F 1, F 2, usw.
Schalter zum Anschluss von Schaltgruppen an Umgehungsleitungen
G 1, G 2, usw.
Schalter zum Anschluss von Oberleitungen der freien Strecke an Umgehungsleitungen
H 1, H 2, usw.
Anschlussschalter von Autotransformatoren an die Oberleitung
N 1, N 2, usw.
Schalter zum Anschluss von Nebenverbrauchern an die Fahrleitung
Q 1, Q 2, usw.
Anschlussleitungen von Verbrauchsanlagen Dritter
R 1, R 2, usw.
Speiseschalter von Ersatzspeiseabzweigen mit aussenliegender Ersatzschiene
S 1, S, 2, usw.
Speiseschalter von Bahnhofsspeiseabzweigen
T 1, T 2, usw.
Schalter zur Unterteilung der Bahnenergieleitung in Abschnitte
U 1, U 2, usw.
Speiseschalter von Streckenspeiseabzweigen
438
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
brauchern möglichst keine Auswirkungen auf das Oberleitungsnetz haben. Um die Fahrleitungsschaltung zu vereinheitlichen und die notwendige Übersicht in der Schaltung der Fahrleitungsanlage auch bei großen Bahnhöfen zu gewährleisten, erfolgt die Ausführung der Schaltung der Fahrleitungsanlage nach einheitlichen Grundsätzen. Für die DB AG sind diese in [9.8] dargestellt. Aus der Bezeichnung der Fahrleitungsschalter (Mast-Trennschalter), die am Schalterantrieb angebracht ist, kann man auf dessen Funktion schließen. Tabelle 9.18 enthält auszugsweise die wichtigsten Schalterbezeichnungen der Fahrleitungsschalter der DB AG.
9.2.2 Stromschienenoberleitung Die Stromschienenoberleitung wird als Deckenstromschiene (DSS) ausgeführt. Sie besteht aus einem Aluminiumprofil aus AlMg0,5Si mit eingesetztem Cu-Fahrdraht. Das Aluminiumprofil wird in Segmenten mit Standardlängen von 10 m oder 12 m geliefert und durch eine spezielle Verbindungsplatte zusammengefügt. Die Verbindungsplatte garantiert einen präzisen Übergang zwischen den Stromschienensegmenten. Der Fahrdraht wird durch eine besondere Vorrichtung in das Aluminiumprofil eingepresst und steht nicht unter Zugspannung. Deshalb gilt der in Abschn. 9.4.2 genannte Oberleitungsrissbereich nicht für DSS. Hier wird i. Allg. der Oberleitungsrissbereich = 0 m anerkannt. Dadurch ergibt sich als wesentlicher Vorteil einer DSS gegenüber einer Oberleitung, dass alle nicht zum Betriebsstromkreis gehörenden, leitfähigen Teile nicht in die Bahnerdung einbezogen werden müssen. In Abhängigkeit von der maximalen Fahrgeschwindigkeit ergeben sich Regelstützpunktabstände von 8, 10 oder 12 m. Dabei können die Stützpunkte in horizontaler oder vertikaler Ausführung angeordnet werden. Die Stromschiene besitzt eine Querschnittsfläche von 2223 mm2 und eine Masse von 6,1 kg/m.
Die Dauerstrombelastbarkeit beträgt 2400 A und die Kurzschlussfestigkeit 45 kA. Anmerkung: Die im Text genannten Daten beziehen sich auf die DSS der Balfour Beatty Rail GmbH.
9.2.3 Stromschienen 9.2.3.1 Einführung Für Nahverkehrsbahnen, die außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes verlaufen, werden zur Energieübertragung zu den elektrischen Triebfahrzeugen Stromschienen, auch als 3. Schiene bezeichnet, verwendet. Die Stromschiene verläuft bis auf wenige Ausnahmen außerhalb des Gleises und oberhalb der Schienenoberkante (SO), parallel zu den Fahrschienen. Die Höhe der Stromschiene bezogen auf die SO und der Abstand von der Gleismitte ist bei den einzelnen Bahnen unterschiedlich. Je nach Schleiffläche des Stromabnehmers unterscheidet man zwischen – oben bestrichene Stromschiene Beispiel: Kleinprofil U-Bahn Berlin – seitlich bestrichene Stromschiene Beispiel: S-Bahn Hamburg – unten bestrichene Stromschiene Beispiel: S-Bahn Berlin Großprofil U-Bahn Berlin U-Bahn Hamburg, Nürnberg, München. Die von unten bestrichene Stromschiene bietet den Vorteil, dass sich auf der Schleiffläche keine Ablagerungen bilden können und sie bietet eine gute Voraussetzung für einen wirksamen Berührungsschutz. Diese Vorteile führten zur weiten Verbreitung dieses Systems. Deshalb beziehen sich alle weiteren Angaben auf eine von unten bestrichene Stromschiene.
9.2 Fahrleitungen
9.2.3.2 Allgemeine Grundlagen Stromschienensysteme werden i.d.R. mit Gleichstrom und einer Nennspannung von 0,75 kV betrieben (Ausnahme: S-Bahn Hamburg mit 1,2 kV). Die maximale Fahrgeschwindigkeit beträgt i.d.R. 100 km/h. Sie werden für einen Temperaturbereich von – –20 °C bis +60 °C (80 K) offene Strecken – –15 °C bis +40 °C (55 K) Tunnel ausgelegt. Diese Angaben berücksichtigen die Leitererwärmung durch Umgebungsbedingungen und Stromwärme. 9.2.3.3 Stromschiene Es werden Stromschienen aus Stahl (St) oder Aluminium mit Stahlschleiffläche (Al-Verbundstromschiene) verwendet. Profilbeispiele gehen aus Abb. 9.22 für die St-Stromschiene oder aus Abb. 9.23 für die Al-Verbundstromschiene hervor.
439
Die mechanischen und elektrischen Eigenschaften sind in Tabelle 9.19 zusammengefasst. Die Stromschienenstücke werden i.d.R. in einer Länge von 18 m geliefert. Unter Berücksichtigung verschiedener Bedingungen, wie Streckenführung, Bogenhalbmesser und thermischer Längendehnung wird die jeweils größtmögliche Stromschienenlänge (möglichst ein Vielfaches von 18 m) angewendet. Für den unter 9.2.2.2 genannten Temperaturbereich ergibt sich eine maximale Stranglänge von – 108 m (offene Strecke) – 162 m (Tunnel). Die Verbindung der einzelnen Stromschienenstücke untereinander erfolgt durch Laschenstöße (Abb. 9.24). Nach Erreichen der maximalen Stranglänge ist die Anordnung einer Dilatation (Dehnungsstoß) erforderlich. Sie hat die Aufgabe, thermische Längendehnung zu kompensieren. Die hierzu erforderlichen Lücken zwischen den Stromschienen sind in der Länge an den Stromabnehmer-Schleifschuh angepasst. Die Abb. 9.22 Stahl-Stromschiene
440
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen Abb. 9.23 Al-Verbundstromschiene
Abb. 9.24 Laschenstoß
Tabelle 9.19 Mechanische und elektrische Eigenschaften von Stromschienen a) Stahlstromschiene Profildaten, Werkstoffeigenschaften Querschnittfläche, gesamt längenbezogene Masse Trägheitsmoment Jx Trägheitsmoment Jy elast. Durchbiegung um X-Achse, Stützweite 6 m, (Durchlaufträger) Widerstandsmoment Wx Widerstandsmoment Wy Längenausdehnungskoeffizient
Elektrische Eigenschaften [mm2] [kg/m] [cm4] [cm4]
5100 ca.40 597 211
[mm] [cm3] [cm3] [10-6/K]
<3 102 53 11,5
Leitfähigkeit bei 15°C Spezif. Widerstand bei 15°C Widerstandskoeffizient Widerstand bei 20°C Dauerstrombelastbarkeit bei Umgebungstemp. 40°C + Leitererwärmung von 20 K Windgeschwindigkeit Erwärmungszeitkonstante
[m/Ω mm2] [Ω mm2/m] [K-1] [mΩ/km] [A] [m/s] [s]
1519 0,3 6120
≥ 8,5 ≤ 0,1176 0,0045 23,07 1719 0,6 4780
1912 1,0 3863
2030 1,3 3428
b) Al-Verbundstromschiene Profildaten, Werkstoffeigenschaften
Elektrische Eigenschaften [mm2] [mm2] [kg/m] [cm4] [cm4]
5452 4912 17,201 804 320
[mm] [HB] [HB]
Längenausdehnungskoeffizient
[10-6/K]
<3 85 130… 170 20,4
Leitfähigkeit bei 20°C Spezif. Widerstand bei 20°C Widerstandskoeffizient Widerstand bei 20°C Dauerstrombelastbarkeit bei Umgebungstemp. 40°C + Leitererwärmung von 20 K Windgeschwindigkeit Erwärmungszeitkonstante
*) Stahlquerschnitt ist auf äquivalenten Aluminiumquerschnitt umgerechnet
[m/Ω mm2] [Ω mm2/m] [K-1] [mΩ/km] [A] [m/s] [s]
2828 0,3 3950
30,3 0,033 0,0038 6,72 3201 0,6 3083
3561 1,0 2491
3781 1,3 2211
9.2 Fahrleitungen
Querschnittfläche, gesamt Querschnittfläche (Al) längenbezogene Masse Trägheitsmoment Jx*) Trägheitsmoment Jy*) elast. Durchbiegung um X-Achse, Stützweite 6 m, (Durchlaufträger) Brinellhärte (Al) Brinellhärte (St)
441
442
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.25 Dilatation
mechanische Kopplung der Stromschienen erfolgt mit präzise eingestellten Führungslaschen. Die elektrische Kopplung übernimmt ein Schiebekontakt oberhalb der Stromschienen. Das Ausführungsbeispiel einer Dilatation für Al-Verbundstromschienen mit zwei hintereinander angeordneten Lücken zeigt Abb. 9.25. An jedem freien Ende einer Stromschiene ist ein Stromschienenauflauf erforderlich. Stromschienenaufläufe sind mit steigender Neigung versehene Stromschienen, die ein sicheres Aufbzw. Ableiten des Stromabnehmers in vertikaler Richtung ermöglichen. Das freie Ende der Neigungsfläche muss immer höher als die Höchstlage des Stromabnehmer-Schleifschuhs sein. In Abhängigkeit der maximalen Fahrgeschwindigkeit werden Stromschienenaufläufe mit unterschiedlicher Neigung versehen: – Vmax ≤ 40 km/h Neigung 1 : 30 – Vmax ≤ 100 km/h Neigung 1 : 50. Ein Ausführungsbeispiel ist Abb. 9.26 zu entnehmen.
9.2.3.4 Stromschienenstützpunkte Stromschienenstützpunkte haben die Aufgabe, horizontale und vertikale Kräfte von der Stromschiene auf die Schwellen bzw. Bauwerke zu übertragen. Sie halten die Stromschienen in einem definierten Abstand zum Gleis. Die Seiten- und Höhenlagen der Stromschiene verschiedener Bahnen sind in Abb. 9.27 zusammengefasst. Stromschienenstützpunkte können aus Metall oder Kunststoff bestehen. Bei Stromschienenstützpunkten aus Metall befindet sich zwischen Träger und Stromschiene die Isolation (Abb. 9.28). Bei Stromschienenstützpunkten aus Kunststoff bestehen diese, bis auf diverse Kleinteile, aus hochwertigem Isolierstoff (Abb. 9.29). Die Befestigung der Stromschienenstützpunkte auf dem Untergrund geschieht durch Fußplatten mit 1 bis 4 Löchern. Anwendungsbeispiele sind in Abb. 9.30 enthalten.
9.2 Fahrleitungen
443
Abb. 9.26 Stromschienenauflauf 1 : 50
Abb. 9.27 Stromschiene – Seitenund Höhenlage
9.2.3.5 Stromschienenabdeckung Von unten bestrichene Stromschienen sind zum Schutz vor direkter Berührung mit einer isolierenden Schutzabdeckung zu versehen. Die Abdeckung erfolgt oberhalb und beiderseits der Stromschiene. Durch die Bauweise
dieser Abdeckung hat sie keinen direkten Kontakt mit der Stromschiene. Auf Distanz gehalten wird die Abdeckung durch Abstandshalter aus Isolierstoff (Abb. 9.31). Stromschienenabdeckungen werden vorzugsweise aus Hartthermoplast oder faserverstärktem Duroplast hergestellt.
444
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.28 Stromschienenstützpunkt aus Metall
Abb. 9.29 Stromschienenstützpunkt aus Kunststoff
9.2 Fahrleitungen
Abb. 9.30 Stromschienenstützpunkt, Lochbild der Fußplatte
445
446
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen Abb. 9.31 Stromschienenabdeckung
Die thermische Belastbarkeit der Schutzabdeckung kann mit: – –40 °C bis +60 °C für Hartthermoplast – –40 °C bis +100 °C für faserverstärkten Duroplast angenommen werden. Bei Verwendung von Stromschienenabdeckungen in Tunneln bestehen besondere Brandschutzanforderungen.
9.3 Stromabnehmer 9.3.1 Stromabnehmer für Oberleitungen 9.3.1.1 Allgemeines Mit dem Stromabnehmer ist es möglich, die Traktionsenergie von der Oberleitung zu den elektrischen Anlagen der Triebfahrzeuge zu übertragen. Er ist üblicherweise auf dem Fahrzeugdach, senkrecht über einer Fahrzeugachse oder über dem Drehpunkt eines Drehgestells, angebracht. Ein Stromabnehmer besteht i. Allg. aus Schleifleisten, Anlaufhörnern, Wippe, Gestell, Grundrahmen und Betätigungssystem. Die Geometrie des Stromabnehmers ist veränderlich. Er steht in Betriebsstellung mit einem oder mehreren Fahrdrähten der
9.3 Stromabnehmer
Oberleitung in Kontakt und steht vollständig oder zum Teil unter Spannung. Im Allgemeinen ist der Stromabnehmer nur an seinen Berührungsstellen mit dem Fahrzeugdach elektrisch isoliert. Da der Stromabnehmer als Gegenkontakt zur Fahrleitung fungiert, hat er, obwohl sich der Stromabnehmer auf beweglichen Fahrzeugen befindet, einen wesentlichen Einfluss auf die Fahrleitung. Hinsichtlich Geometrie und mechanischer Eigenschaften des Stromabnehmers gibt es komplexe Wechselwirkungen mit der Oberleitung, so dass die Infrastruktur einer Eisenbahnstrecke nicht losgelöst vom Stromabnehmer betrachtet werden darf. Eine Prinzipskizze eines Stromabnehmers für Oberleitungen zeigt Abb. 9.32. 9.3.1.2 Bauteile Bauteildefinitionen [9.9] – Schleifleisten: Bauteil der Wippe. Stromabnehmer verfügen i.d.R. über 2 Schleifleisten, die in direktem Kontakt mit der Oberleitung stehen. Ausführungen mit 1 bis 4 Schleifleisten sind bekannt. Durch den direkten Kontakt mit der Oberleitung unterliegen Schleifleisten mechanischem und elektrischem Verschleiß und sind austauschbar. Bei AC-Bahnen bestehen Schleifleisten üblicherweise aus Elektrokohle. Bei DC-Bahnen kommen auch Schleifleisten aus metallisierter Kohle oder Kupfer zum Einsatz. – Anlaufhörner: Bauteil der Wippe. Anlaufhörner stellen einen glatten Berührungsübergang für seitlich herangeführte Fahrdrähte (an Weichen) sicher. Im Regelfall dienen sie dem Notlauf des Fahrdrahtes. Anlaufhörner sind isoliert oder elektrisch leitend ausgeführt. – Wippe: bewegliches Bauteil des Stromabnehmers. Die Wippe stellt mit ihren Bauteilen die mechanische (und elektrische) Verbindung zwischen Schleifleisten, Anlaufhörnern und Gestell her. Die Wippe ist i.d.R. in ihrer Achse quer zur Fahrtrichtung
447
drehbar. Die Schleifleisten sind besonders bei Stromabnehmern für höhere Geschwindigkeiten gefedert gelagert. – Gestell: bewegliches Bauteil des Stromabnehmers. Damit sich die Wippe bezüglich des Grundrahmens vertikal bewegen kann, ist das Gestell mit Gelenken ausgestattet. Das Gestell aus Rohren und Gelenken gab dem Stromabnehmer den Namen Scherenstromabnehmer. Ausführungen als Scheren- oder Halbscherenstromabnehmer (auch Einholm-Stromabnehmer) sind bekannt. – Grundrahmen: feststehendes Bauteil des Stromabnehmers. Ist auf Isolatoren, die auf dem Fahrzeugdach angebracht sind, befestigt und trägt das Gestell und das Betätigungssystem. – Betätigungssystem: Bauteil des Stromabnehmers. Mechanismus zum Heben und Senken des Stromabnehmers, der eine definierte Andruckkraft an die Oberleitung, das Absenken in einer vorgegebenen Zeit, das Niederhalten in Senklage und das automatische Absenken bei Schleifleistenschaden (ADD automatic dropping device) sicherstellt. Das Betätigungssystem wird pneumatisch oder elektrisch angetrieben. Insbesondere Hochgeschwindigkeitsstromabnehmer verfügen über eine elektronische Steuerung des Betätigungssystems, welches die Andruckkraft geschwindigkeitsabhängig regelt. 9.3.1.3 Konstruktive Merkmale Im geometrischen Zusammenwirken mit der Oberleitung sind nachstehende konstruktive Stromabnehmermerkmale wichtig. Horizontale Abmessungen: – Länge der Wippe: waagerechte Abmessung der Wippe, über die äußeren Punkte (Anlaufhörner) und quer zur Fahrtrichtung gemessen. Im Gegensatz zu Infrastrukturen einer Eisenbahnstrecke und Fahrzeugen ist es bei Stromabnehmern üblich, dass
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9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abmessungen quer zur Fahrtrichtung als Länge angegeben werden. Horizontaler Arbeitsbereich: Bereich der Wippe, quer zur Fahrtrichtung gemessen, der im normalen Betrieb und bei maximal zulässiger Auslenkung des Fahrdrahtes unter Querwindeinwirkung im Kontakt mit dem Fahrdraht steht und in dem eine Stromabnahme möglich ist. Der Arbeitsbereich wird i.d.R. durch Schleifleisten bestückt und kann im Randbereich aus anderen, elektrisch leitenden Materialien bestehen. Länge der Schleifleisten: Bereich innerhalb des horizontalen Arbeitsbereichs der Wippe, quer zur Fahrtrichtung gemessen. Notlauf: Bereich der Wippe beidseits des horizontalen Arbeitsbereichs der Wippe, quer zur Fahrtrichtung gemessen. Der Notlauf wird i.d.R. durch Anlaufhörner realisiert. Breite der Wippe: waagerechte Abmessung der Wippe, längs zur Fahrtrichtung gemessen. Bei Stromabnehmern mit mehreren Schleifleisten wird die Breite der Wippe über die Außenkanten der äußeren Schleifleisten gemessen. Die Breite der Wippe wird als maximale elektrische Breite [9.12] bezeichnet und hat Bedeutung für die geometrische Gestaltung und Konstruktion von Streckentrennern.
Die nachstehenden, vertikalen Abmessungen sind als senkrechte Abstände zwischen der Montageebene des Stromabnehmers auf der Oberseite der Isolatoren und der Oberseite der Schleifleisten definiert und beziehen sich auf den Stromabnehmer. Im geometrischen Zusammenwirken mit der Oberleitung sind die vertikalen Abmessungen des Stromabnehmers immer in Verbindung mit der Bauhöhe des Fahrzeugs zu betrachten. – Höchste Hubstellung: größter, mechanisch möglicher Hub. – Maximale Betriebshöhe: höchste Arbeitsstellung des Stromabnehmers, bei der die dynamischen Kriterien für das Zusammen-
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wirken Oberleitung/Stromabnehmer erfüllt werden. Minimale Betriebshöhe: niedrigste Arbeitsstellung des Stromabnehmers, bei der die dynamischen Kriterien für das Zusammenwirken Oberleitung/Stromabnehmer erfüllt werden. Höhe in Senklage: niedrigster, mechanisch möglicher Hub. Unter Umständen können für diese vertikale Abmessung auch andere Stromabnehmerbauteile als die Schleifleisten maßgebend sein. Vertikaler Arbeitsbereich: Differenz zwischen maximaler und minimaler Betriebshöhe. Üblicherweise beträgt der vertikale Arbeitsbereich 1700 mm. Elektrische Bauhöhe des Stromabnehmers: vertikaler Abstand zwischen dem höchsten und niedrigsten spannungsführenden Teil des Stromabnehmers in Senklage. Begrenzte höchste Hubstellung: reduzierte Betriebshöhe, die durch mechanische Zwischenanschläge oder über die Steuerung des Betätigungssystems ermöglicht wird. Mit der begrenzten höchsten Hubstellung besteht die Möglichkeit, unzulässig hohe Anhübe des Fahrdrahtes am Stützpunkt zu vermeiden. Sie wird nur im Hochgeschwindigkeitsverkehr eingesetzt.
9.3.1.4 Länge der Wippe und Wippenprofile Im Zuge der historischen Entwicklung der Elektrifizierung und dem jeweiligen technischen Entwicklungsstand kamen in den Oberleitungsnetzen der Bahninfrastrukturbetreiber verschiedene Wippenlängen und -profile zum Einsatz. Die Länge der Wippe bzw. der horizontale Arbeitsbereich hat im Zusammenwirken mit der Oberleitung Einfluss auf die zulässige seitliche Auslenkung des Fahrdrahts unter Windeinwirkung. Dieser Eckwert der Oberleitung hat großen Einfluss auf die maximalen Längsspannweiten bzw. Mastabstände in der Geraden und im Bogen sowie auf die Fahrdrahtseitenlage am Stützpunkt (Zick-Zack). Je länger
9.3 Stromabnehmer
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Abb. 9.32 Grundaufbau eines Stromabnehmers (Halbschere). 1 Schleifleiste; 2 Horn; 3 Wippe; 4 Gestell; 5 Grundrahmen; 6 Isolator; 7 Länge der Wippe; 8 Horizontaler Arbeitsbereich; 9 Länge der Schleifleisten; 10 Notlauf; 11 Breite der Wippe; 12 Maximale Betriebshöhe; 13 Minimale Betriebshöhe; 14 Höhe in Senklage; 15 Vertikaler Arbeitsbereich
die Wippe bzw. deren horizontaler Arbeitsbereich ist, umso größer sind die zulässige seitliche Auslenkung des Fahrdrahtes unter Windeinwirkung und die maximal mögliche Längsspannweite. Über die Anzahl der notwendigen Maste werden die Kosten der Oberleitung bei Bau und Instandhaltung beeinflusst. Andererseits beeinflusst die Länge der Wippe das dynamische Begrenzungsprofil des Stromabnehmers, welches durch die maximale Hüllkurve des Stromabnehmers unter allen Betriebsbedingungen beschrieben wird. Das dynamische Begrenzungsprofil des Stromabnehmers und die elektrischen Schutzabstände für die Oberleitung in Luft (Tabelle 9.16) ergeben den notwendigen Durchgangsraum für den Stromabnehmer, der durch die Oberleitung und die sonstigen Infrastrukturen freigehalten werden muss. Je größer die Länge der Wippe ist, umso größer ist der notwendige Raum für den Durchgang des Stromabnehmers. Der notwendige Durchgangsraum für den Stromabnehmer beeinflusst u.a. das Querschnittsprofil von Tunneln und damit deren Baukosten. Neben den nachstehend ausführlicher beschriebenen Wippenlängen und -profilen sind
in den Oberleitungsnetzen der verschiedenen Infrastrukturbetreiber Stromabnehmer mit weiteren Wippenlängen und -profilen im Einsatz, zum Beispiel sind Stromabnehmer mit einer Wippenlänge von 1700 mm, die vor allem in Nahverkehrsnetzen zum Einsatz kommen, und Stromabnehmer mit einer Wippenlänge von 1810 mm, bei den schwedischen Bahnen, erwähnenswert. Weiterhin können Stromabnehmer mit unterschiedlichen Wippenlängen und -profilen in unterschiedlichen Oberleitungsnetzen unter der Voraussetzung eingesetzt werden, dass die Kriterien an das geometrische und dynamische Zusammenwirken zwischen Oberleitung und Stromabnehmer eingehalten werden. 9.3.1.4.1 Wippe mit Länge 1950 mm Stromabnehmer mit einer Wippenlänge von 1950 mm (Abb. 9.33) erlauben eine große zulässige seitliche Auslenkung des Fahrdrahts unter Windeinwirkung. Daraus resultierend kann die Oberleitung mit großen Längsspannweiten und damit kostengünstig ausgeführt werden.
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9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Andererseits benötigen die Stromabnehmer einen großen notwendigen Durchgangsraum, der durch die Oberleitung und andere Infrastrukturen freigehalten werden muss. Bei diesen Wippen werden zwei Typen der Hüllkurven unterschieden. Weiterhin sind Hörner aus Isolierstoff und elektrisch leitend im Einsatz. Stromabnehmer mit Wippenlänge 1950 mm und Hüllkurven Typ 1 und Typ 2 werden bevorzugt im Oberleitungsnetz folgender Länder eingesetzt: – Deutschland (Typ 2 nur in Ausnahmefällen), – Österreich, – Tschechien, – Dänemark, – Ungarn, – Polen, – Belgien, – Niederlande, – Frankreich (nur DC 1,5 kV), – Luxemburg (nur DC 3 kV). 9.3.1.4.2 Wippe mit Länge 1450 mm Stromabnehmer mit einer Wippenlänge von 1450 mm (Abb. 9.33) lassen eine relativ geringe zulässige seitliche Auslenkung des Fahrdrahts unter Windeinwirkung zu. Daraus resultierend ergeben sich für die Oberleitung kürzere Längsspannweiten als in Oberleitungsnetzen, wo Stromabnehmer mit einer Wippenlänge von 1950 mm verwendet werden. Andererseits benötigen die Stromabnehmer einen kleineren notwendigen Durchgangsraum, der durch die Oberleitung und andere Infrastrukturen freigehalten werden muss. Stromabnehmer mit Wippenlänge 1450 mm werden bevorzugt im Oberleitungsnetz folgender Länder eingesetzt: – Frankreich (nur AC 25 kV, Hörner aus Isolierstoff ), – Luxemburg (nur AC 25 kV, Hörner aus Isolierstoff ), – Schweiz (Hörner aus Isolierstoff ), – Italien (DC 3 kV, Hörner elektrisch leitend).
9.3.1.4.3 Wippe mit Länge 1600 mm Stromabnehmer mit Wippenlänge 1600 mm (Abb. 9.33) verfügen über Hörner aus Isolierstoff und werden bevorzugt im Oberleitungsnetz folgender Länder eingesetzt: – Großbritannien, – Frankreich (AC 25 kV und DC 1,5 kV), – ehemaliges Jugoslawien, – Luxemburg (DC). Im Zuge der Schaffung des Europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes durch gesetzliche Vorgaben der Europäischen Kommission wurden Technische Spezifikationen für Interoperabilität (TSI) erarbeitet. Diese TSI beinhalten technische Rahmenbedingungen und Eckwerte vorerst nur für Hochgeschwindigkeitsbahnen, die einen ungehinderten und diskriminierungsfreien Zugang zum europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz gestatten. Bezüglich der Stromabnehmer wurde in der TSI, Subsystem Energie [9.13], die Wippe mit einer Länge von 1600 mm zum Standardprofil des europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes bestimmt. Diese Wippenlänge stellt einen Kompromiss zwischen einer größtmöglichen seitlichen Auslenkung des Fahrdrahts unter Windeinwirkung und dem notwendigen Durchgangsraum für den Stromabnehmer sowie den davon abhängenden Parametern der Oberleitung dar. In Deutschland und Österreich ist der Einsatz des europäischen Standardstromabnehmers mit einer Wippenlänge von 1600 mm nur an Oberleitungen auf Hochgeschwindigkeitsstrecken ≥ 250 km/h möglich. Die erforderlichen Anpassungen der Oberleitung auf Ausbaustrecken sowie sonstigen Strecken, die von interoperablen Zügen befahren werden, würde einen ökonomisch nicht zu vertretenden Aufwand bedeuten. Daher müssen interoperable Fahrzeuge, die im Oberleitungsnetz der DB AG und ÖBB verkehren, zusätzlich zum europäischen Standardstromabnehmer einen Stromabnehmer mit einer Wippenlänge von 1950 mm besitzen.
9.3 Stromabnehmer
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Abb. 9.33 Wippenprofile
9.3.1.5 Befahren von Phasen- und Systemtrennstellen 9.3.1.5.1 Schutzstrecken und Phasentrennstellen In Oberleitungsnetzen von Wechselstrombahnen gibt es Speisebereiche mit unterschiedlicher Phasenlage der Spannung. Beim Übergang des Stromabnehmers von einem Oberleitungsabschnitt zum anderen Oberleitungsabschnitt mit anderer Phasenlage darf der Stromabnehmer keine Verbindung zwischen den Oberleitungsabschnitten herstel-
len. Anderenfalls würden Ausgleichströme zu Lichtbögen führen, deren thermische Wirkung die Oberleitung beschädigt oder zerstört. Aus diesem Grund wird zwischen zwei Streckentrennungen oder Streckentrennern ein neutraler Oberleitungsabschnitt eingefügt, der mit angelegtem Stromabnehmer leistungslos, dass heißt mit geöffnetem Hauptschalter des Fahrzeugs befahren werden kann. Befinden sich zwei oder mehr Fahrzeuge mit Stromabnehmern im Zugverband, kann es trotzdem zu einer Überbrückung der Oberleitungsab-
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9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
schnitte unterschiedlicher Phasenlage über die zwei benachbarten Stromabnehmer und den neutralen Oberleitungsabschnitt kommen. Der kürzeste Abstand zwischen zwei aufeinander folgenden Stromabnehmern muss immer länger sein als die elektrisch wirksame Länge des neutralen Oberleitungsabschnitts. Die elektrisch wirksame Länge einer Phasentrennstelle im deutschen Oberleitungsnetz, einer so genannten Schutzstrecke, beträgt 35 m. Im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz beträgt der maximal zulässige Stromabnehmerabstand 400 m [9.13]. Bei sog. langen Phasentrennstellen ist der elektrisch wirksame Bereich des neutralen Oberleitungsabschnitts 402 m lang. Damit wird erreicht, dass sich alle Stromabnehmer des Zuges kurzzeitig im neutralen Oberleitungsabschnitt befinden und in keinem Fall die angrenzenden Oberleitungsabschnitte überbrücken können. Nachteilig ist die große Länge des neutralen Oberleitungsabschnitts, der leistungslos durchfahren werden muss. Problematisch ist weiterhin das Anfahren eines Zuges, der innerhalb des neutralen Oberleitungsabschnitts liegen geblieben ist. Um den Nachteil der großen Länge des leistungslos zu befahrenen Oberleitungsabschnitts zu umgehen, werden sog. unterteilte Phasentrennstellen [9.12] verwendet. Hier wird durch zwei, unmittelbar hintereinander angeordnete, neutrale Oberleitungsabschnitte verhindert, dass aufeinander folgende Stromabnehmer die angrenzenden Oberleitungsabschnitte überbrücken. Die elektrisch wirksame Länge der unterteilten Phasentrennstelle beträgt 140 m. Damit ist es möglich, dass Züge mit zwei aufeinander folgenden Stromabnehmern in beliebigem Abstand die Phasentrennstelle befahren können. Bei Zügen mit drei oder mehr aufeinander folgenden Stromabnehmern müssen der erste und der dritte Stromabnehmer einen Abstand größer der elektrisch wirksamen Länge des neutralen Oberleitungsabschnitts haben. Im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz [9.13] beträgt dieser Abstand 143 m. Der dazwischen laufende, zweite Stromabnehmer kann sich
in beliebigem Abstand zum ersten oder dritten Stromabnehmer befinden, ohne dass es zu einer Überbrückung der benachbarten Oberleitungsabschnitte kommt. Anwendungsfälle für unterteilte Phasentrennstellen im Oberleitungsnetz der DB AG sind auf der Eisenbahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg zu finden. 9.3.1.5.2 Systemtrennstellen Treffen Oberleitungsabschnitte verschiedener Stromsysteme aufeinander, dürfen diese wie bei Phasentrennstellen nicht durch Stromabnehmer überbrückt werden. Hier kann die Verschleppung des einen Stromsystems in das andere nicht nur Schäden an der Oberleitung verursachen, sondern auch an Stromversorgungseinrichtungen und Triebfahrzeugen. Die Ausführung der Systemtrennstellen entspricht prinzipiell denen der Phasentrennstellen. Systemtrennstellen zwischen Wechselstromsystemen AC 15 kV 16,7 Hz und AC 25 kV 50 Hz werden i.d.R. leistungslos mit angelegtem Stromabnehmer befahren. Mehrsystemfahrzeuge erkennen die unterschiedlichen Stromsysteme und nehmen die notwendigen Schalthandlungen auf dem Triebfahrzeug automatisch vor. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Stromabnehmer hinsichtlich der geometrischen und dynamischen Kriterien für das Zusammenwirken Oberleitung/Stromabnehmer in den angrenzenden Oberleitungsnetzen benutzt werden können. Systemtrennstellen zwischen Wechsel- und Gleichstromnetzen werden i.d.R. leistungslos und zusätzlich mit abgesenktem Stromabnehmer befahren. Neben den notwendigen Schalthandlungen auf dem Triebfahrzeug muss für die Stromabnahme im benachbarten Stromsystem üblicherweise ein anderer Stromabnehmer benutzt werden. Dazu befinden sich auf Mehrsystemfahrzeugen unterschiedliche Stromabnehmer.
9.3 Stromabnehmer
9.3.2 Seitenstromabnehmer bei Grubenbahnen Das Beladen von Schüttgutwaggons von oben ist bei einer über dem Gleis angeordneten Oberleitung nicht möglich. Daher ist bei Grubenbahnen im Ladebereich von Tagebaugroßgeräten die Oberleitung seitlich angeordnet. Im Vergleich zu Stromabnehmern für über dem Gleis angeordnete Oberleitungen haben Seitenstromabnehmer eine deutlich geringere Baugröße. Die Hubrichtung zeigt schräg nach oben. Seitenstromabnehmer sind nur für die Stromabnahme bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten ausgelegt.
9.3.3 Stromabnehmer für Stromschienen Mit dieser Bauart von Stromabnehmern ist es möglich, Traktionsenergie von seitlich neben dem Gleis angeordneten Stromschienen zu den
453
elektrischen Anlagen des Fahrzeugs zu übertragen. Es wird zwischen Stromabnehmern unterschieden, die die Stromschienen von oben, von der Seite oder von unten bestreichen. Die Stromabnehmer sind üblicherweise seitlich an den Drehgestellwangen und auf beiden Fahrzeugseiten angebracht. Damit Lücken in der Stromschienenanlage, z.B. an Bahnübergängen, nicht zur Unterbrechung der Stromversorgung führen, sind die Stromabnehmer an den vorderen und hinteren Drehgestellen der Fahrzeuge/Triebzüge angebracht. Hauptbauteile sind Schleifschuh, Schleifschuhhalter, Schwinge mit Druckfeder und Druckluftzylinder sowie Rahmen. Eine Prinzipskizze eines Stromabnehmers für Stromschienen zeigt Abb. 9.34. Im Bereich von Brücken und sonstigen Profileinschränkungen drückt eine Brückenleitschiene den Schleifschuh in Richtung Gleismitte. Die Brückenleitschiene wird seitlich bestrichen. Daraus ergibt sich eine zweite Arbeitslage des Stromabnehmers.
Abb. 9.34 Stromabnehmer für Stromschiene (von unten bestrichen)
454
9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
9.4 Rückstromführung, Bahnerdung und Potenzialausgleich Die Rückstromführung, die Bahnerdung und der Potenzialausgleich bei Wechselstrom- und Gleichstrombahnen unterscheiden sich grundlegend. Ein wesentlicher Unterschied besteht in den im Erdreich verlegten Leitungen auftretenden Streustromkorrosionen bei Gleichstrombahnen und in induktiven Kopplungsvorgängen bei Wechselstrombahnen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf Wechselstrombahnen! An die Anlagenteile der Rückstromführung, Bahnerdung und den Potenzialausgleich werden hohe Forderungen hinsichtlich – Sicherheit – Zuverlässigkeit – geringer Verlustleistung – Elektromagnetischer Verträglichkeit (EMV) und – Wirtschaftlichkeit gestellt.
9.4.1 Rückstromführung Die Rückleitungsanlage muss eine elektrisch gut leitende Verbindung zwischen – den elektrischen Triebfahrzeugen und – den aus der Oberleitungsanlage gespeisten sonstigen Verbrauchern und – dem Unterwerk herstellen. Diese Verbindung darf an keiner Stelle unterbrochen werden, da sonst als Folge lebensgefährliche Differenzspannungen auftreten können und andere Anlagenteile gefährdet werden. Zur Rückstromführung müssen während des Betriebes mindestens zwei Fahrschienen bzw. Ersatzleitungen zur Verfügung stehen. Bei eingleisigen Strecken sind deshalb einschienig isolierte Abschnitte durch zusätzliche Rückleitung (NYY-0, 50 mm2 oder 70 mm2) zu überbrücken.
9.4.1.1 Verbinder Hauptelement der Rückleitung sind die Schienen bzw. Gleise. Zur Erhöhung ihres Leitwertes und der Zuverlässigkeit sind die Schienen elektrifizierter Strecken in Längs- und Querrichtung, soweit es die verwendete Technik der Sicherungsanlagen zulässt, gut leitend zu verbinden. Schienenstöße müssen in Fahrschienen in Längsrichtung überbrückt werden. Als elektrisch leitende Verbindungen für den Rückstrom sind Laschenverbindungen ausreichend. An Abschnitten mit Gleisstromkreisen sind Laschenverbindungen zusätzlich durch Längsverbinder zu überbrücken. Schienenquerverbinder verbinden die Schienen eines Gleises. Gleisverbinder verbinden die jeweils geeignete Schiene verschiedener Gleise. Liegen Gleise mehr als 30 m auseinander, gelten sie als eingleisige Strecken und Gleisverbinder entfallen. Die Anordnung der Verbinder geht aus Tabelle 9.20 hervor. 9.4.1.2 Rückleitungsseile Die Anwendung von Rückleitungsseilen ist eine zusätzliche Maßnahme – zur Verbesserung der Rückleitungsverhältnisse, – zur Verminderung der Intensität der induktiven Beeinflussung durch Oberleitungsströme und – zur Verringerung der magnetischen Feldstärke. Die Rückleitungsseile sind als separate Leitungen an den Masten der Oberleitung so mitzuführen, dass eine optimale induktive Kopplung zum Kettenwerk (und zur Verstärkungsleitung) vorhanden ist. Im Regelfall (zweigleisige Strecke) ist je Kettenwerk ein Rückleitungsseil zu verwenden. Auf Talbrücken kann es aufgrund des Einsatzes eines Brückenbesichtungsgerätes notwendig werden, auf die Verlegung von Rückleitungsseilen im Bereich der Brücken zu verzichten.
9.4 Rückstromführung, Bahnerdung und Potenzialausgleich
455
Tabelle 9.20 Übersicht zur Anordnung von Verbindern [9.7] Gleisisolierung
Gleisfreimeldung
maximaler Abstand der Schienen- maximaler Abstand der Gleisquerverbinder verbinder allgemein S-Bahnen (AC) allgemein S-Bahnen (AC) HochleistungsHochleistungsstrecken strecken
ohne
ohne bzw. Achszähler
150 m
75 m
300 m
150 m2)
einschienig
42 Hz/ 100 Hz
keine
keine
300 m
150 m2)
1000 m1) bei Neubau (über Gleis- oder Erdungsdrossel)
1000 m1) bei Neubau (über Gleis- oder Erdungsdrossel)
1000 m1) bei Neubau (über Gleis- oder Erdungsdrossel)
1000 m1) bei Neubau (über Gleis- oder Erdungsdrossel)
1000 m
300 m2)
150 m2)
zweischienig 42 Hz/ 100 Hz
Tonfrequenzgleisstromkreis 1000 m 1) 2)
bei bestehenden Anlagen und Einhaltung der zulässigen Schienenpotenziale: max. 2300 m bzw. 1800 m bei felsigem Untergrund bei Fester Fahrbahn: 300 m
Dies setzt die Erfüllung einiger Sonderbedingungen voraus. Im Regelfall wird als Rückleitungsseil Leiterseil DIN 48201-240-E-Al (s. Tabelle 9.5) verwendet. Rückleitungsseile an Oberleitungsmasten ohne Verstärkungsleitung sind mit einer Höchstzugspannung von 35 N/mm2 zu verlegen. Hierbei ist ein Temperaturbereich von – 30 °C bis +60 °C zu berücksichtigen. Bei Rückleitungsseilen an Oberleitungsmasten mit Verstärkungs- und/oder Speiseleitungen sind am Mast mindestens folgende Abstände zwischen den Rückleitungsseilen und den aktiven Teilen von Verstärkungs-/ Speiseleitungen einzuhalten: – 500 mm vertikale Anordnung – 1250 mm horizontale Anordnung. Um zwischen Rückleitungsseil und Verstärkungs- und/oder Speiseleitungen im gesamten Temperaturbereich und bei ungünstigen Lastannahmen eine unzulässige Nährung der Seile zu vermeiden, sind folgende Werte bei der Verlegung zu beachten:
Regelfall: – Für Verstärkungs- und/oder Speiseleitungen mit Seil DIN 48201-240-E-Al und mit einem Leitertemperaturbereich von – 30 °C ≤ t0 ≤ 80 °C gilt eine Höchstzugspannung von 35 N/mm2, für Rückleitungsseile mit Seil DIN 48201-240-E-Al und mit einem Leitertemperaturbereich von – 30 °C ≤ t0 ≤ 60 °C gilt eine Höchstzugspannung von 20 N/mm2. Ausnahme: – Für Verstärkungs- und/oder Speiseleitungen mit Seil DIN 48204-240/40-Al/St und mit einem Leitertemperaturbereich von –30 °C ≤ t0 ≤ 80 °C gilt eine Höchstzugspannung von 60 N/mm2, für Rückleitungsseile mit Seil DIN 48201-240-E-Al und mit einem Leitertemperaturbereich von – 30°C ≤ t0 ≤ 80°C gilt eine Höchstzugspannung von 35 N/mm2. Rückleitungsseile gelten als Bahnerde. Damit sind die tragenden Oberleitungsmaste als geerdet anzusehen. Zur Bildung von Induktionsschleifen sind die Rückleitungsseile mindestens alle 300 m mit der Erdschiene zu verbin-
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9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
den (NYY-0, 50 mm2 oder 70 mm2). Dies muss bei zweigleisigen Strecken an gegenüberliegenden Masten erfolgen. Diese Maste werden auch miteinander verbunden. Diese Verbindung gilt als Gleisverbinder (s. auch 9.4.1.1). Endet die Rückleitungsseilführung, so ist eine doppelte Verbindung (2 × NYY-0, 70 mm2) vom Rückleitungsseil zur Erdschiene auszuführen. Um Verwechslungen auszuschließen sind für den Abstand der Rückleitungsseile zu Standflächen (DIN EN 50122-1), die Abstände für spannungsführende Teile der Oberleitung einzuhalten. 9.4.1.3 Rückleiteranschluss Jedes Unterwerk ist mit mindestens zwei Rückleitern mit dem Schienennetz verbunden. Dabei sind die Rückleiter so zu bemessen, dass es bei einem Ausfall eines Rückleiters nicht zur Überbeanspruchung des in Betrieb befindlichen Rückleiters kommt. In der Regel sind je Unterwerksumspanner (einschließlich Reserveumspanner) – bis zu
einer Nennleistung von 15 MVA – zwei Rückleiterkabel NYY-0, 150 mm2 zu den am Unterwerk vorbeiführenden durchgehenden Hauptgleisen zu verlegen. Der Anschluss erfolgt an unterschiedlichen Schienen. Die Rückleitungsanschlüsse an Schienen sind als Betriebserder zu kennzeichnen und mit einer Schutzabdeckung zu versehen.
9.4.2 Bahnerdung Zum Schutz von Personen und Betriebsmitteln im Oberleitungs- und Stromabnehmerbereich (s. Abb. 9.35) ist die Bahnerdung anzuwenden. Das Reißen von Speise-, Schalter-, Umgehungs- oder Verstärkungsleitungen braucht nicht berücksichtigt zu werden. Bei abgehenden Kettenwerken und Festpunkten ist der Oberleitungsbereich nach dem Verlauf des unter Spannung stehenden Kettenwerkes bzw. Festpunktankers entsprechend zu erweitern. Bei Gleisradien < 1000 m ist der Oberleitungsbereich unten, bogeninnen, bis zu 5 m zu erweitern.
Abb. 9.35 Oberleitungs- und Stromabnehmerbereich
9.4 Rückstromführung, Bahnerdung und Potenzialausgleich
Im Regelfall ist die unmittelbare Bahnerdung anzuwenden. In die Bahnerdung einzubeziehen sind alle nicht zum Betriebsstromkreis gehörenden, leitfähigen Teile der Oberleitungsanlage und alle übrigen ganz oder teilweise leitenden Teile im Oberleitungs- und Stromabnehmerbereich. Ausgenommen sind leitfähige Teile mit einer Abmessung bis zu 2 m in waagerechter Richtung, die keine elektrotechnischen Betriebsmittel tragen oder enthalten und Teile die nur vorübergehend gelagert werden. Die mögliche Ausführung der Bahnerdung richtet sich entscheidend nach den Anforderungen und der Verwendung der Schienen für die Leit- und Sicherungstechnik. Unterschieden wird nach: – nicht isolierten Gleisen (ohne Gleisstromkreise; hierzu gehören auch Gleise mit Achszähleinrichtungen), – einschienig isolierten Gleisen, – zweischienig isolierten Gleisen, – Gleisen mit Tonfrequenz-Gleichstromkreisen (eine Schiene muss als Erdschiene freigegeben sein). Die Anschlüsse von Erdungsseilen dürfen isolierte Abschnitte der Gleisfreimeldeanleger nicht in ihrer Funktion beeinträchtigen. Als Material für Erdungsleitungen ist anzuwenden: – bei Kurzschlussströmen am Einbauort ≤ 25 kA: Kabel NYY-0, 50 mm2, – bei Kurzschlussströmen am Einbauort > 25 kA: Kabel NYY-0, 70 mm2.
457
Eine Ausnahme gilt bei Verlegung in Beton. Dann sind anzuwenden: – bei Kurzschlussströmen am Einbauort ≤ 25 kA: Kabel NYY-0, 70 mm2, – bei Kurzschlussströmen am Einbauort > 25 kA: Kabel NYY-0, 95 mm2. Als Erdungsleitungen können auch in Beton eingebettete blanke Stahlleiter, jedoch keine Spannstähle, bei ausreichenden Querschnitten (mindestens 120 mm2 bei Kurzschlussströmen am Einbauort ≤ 25 kA oder mindestens 200 mm2 bei Kurschlussströmen > 25 kA) verwendet werden. Als Material für Prellleiter sind Rund- oder Flachmaterialien aus Stahl, verzinkt, mit einem Mindestquerschnitt von 75 mm2, zu verwenden. Die Zusammenschaltung mehrerer Erdungsleitungen soll vorrangig an Oberleitungsmasten erfolgen. Hierzu sollen bei mehr als zwei Erdungsleitungen entweder Ankerschienen an Mastfundamenten oder die Erdungsbuchsen an Spannbetonmasten verwendet werden. Das Verklemmen von maximal zwei Erdungsleitungen (z.B. Kabelschuhen) unter einer Erdungsschraube ist zulässig.
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9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Anhang
Abb. 9.36 Regelzeichen für Oberleitungslagepläne
Anhang
Abb. 9.36 (Fortsetzung)
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9 Energieversorgung der elektrischen Bahnen
Abb. 9.36 (Fortsetzung)
Literatur
Literatur 9.1 Schmidt P (1988) Energieversorgung elektrischer Bahnen 9.2 DIN EN 50163 (Juli 2005) Bahnanwendungen – Speisespannungen von Bahnnetzen; Deutsche Fassung EN 50163:2004 9.3 Zweig, B.-W. u.a. (1989) Lehrheft – Fahrleitungen der Deutschen Reichsbahn 9.4 DIN EN 50149 (Oktober 2001) Ortsfeste Anlagen – Elektrischer Zugbetrieb; Klassifikation VDE 0115 Teil 602 9.5 DIN EN 50119 (2001) Bahnanwendungen – Ortsfeste Anlagen, Oberleitungen für den elektrischen Zugbetrieb; Deutsche Fassung EN 50119: 2001; Klassifikation VDE 0115 Teil 601 9.6 Ebs-Zeichnungwerk der Regeloberleitung der DB AG 9.7 Richtlinie Oberleitungsanlagen DB Netz AG 997.0101 (Juli 2001) und 997.0202 (März 2003) 9.8 Richtlinie-Oberleitungsanlagen DB Netz AG 997.0302 (Januar 2005) 9.9 DIN EN 50206-1 (1999-02) Bahnanwendungen – Schienenfahrzeuge – Merkmale und Prüfungen von Stromabnehmern – Teil 1: Strom-
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abnehmer für Vollbahnfahrzeuge; Deutsche Fassung EN 50206-1:1998 9.10 DIN EN 50317 (2003-03) Bahnanwendungen – Stromabnahmesysteme – Anforderungen und Validierung von Messungen des dynamischen Zusammenwirkens zwischen Stromabnehmer und Oberleitung; Deutsche Fassung EN 50317:2002 9.11 DIN EN 50318 (2003-04) Bahnanwendungen – Stromabnahmesysteme – Validierung von Simulationssystemen für das dynamische Zusammenwirken zwischen Stromabnehmer und Oberleitung; Deutsche Fassung EN 50318:2002 9.12 DIN EN 50367 (Norm-Entwurf) (2002-07) Bahnanwendungen – Stromabnahmesysteme – Technische Kriterien für das Zusammenwirken Stromabnehmer und Oberleitung (für einen freien Zugang); Deutsche Fassung prEN 50367:2002 9.13 Entscheidung der Kommission vom 30. Mai 2002 über die technische Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems Energie des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 96/48/EG; 2002/733/EG
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur Eberhard Hunger
10.1 Vorbemerkungen Neben dem Energieverbrauch für die Traktion von Zügen gibt es bei den Eisenbahnen noch zahlreiche Energieverbraucher, die ebenfalls zum Transportbereich der Bahnen gehören. Mit der weiteren Entwicklung der Technik und der immer höher werdenden Komplexität werden diese immer intensiver zur Anwendung von Elektroenergie übergehen und zunehmend an Bedeutung gewinnen. Normalerweise werden die Energieverbraucher aus bahneigenen Starkstromnetzen (Ns 3~50 Hz oder Ms – 6/12/20/30 KV 3~50 Hz) versorgt, die aus den anliegenden Netzen der regionalen Energieversorgung gespeist werden. In den Knotenpunkten nehmen diese zum Teil bedeutende Ausmaße an. Als allgemeine Verbraucheranlagen seien genannt: – Bahnhöfe, Haltepunkte einschließlich der Versorgung Dritter, – Beleuchtungsanlagen in Bahnhöfen und Haltepunkten, – Tunnelanlagen, – Zugbehandlungsanlagen, – Anlagen der LST und TK. Soweit es wirtschaftlich und zweckmäßig ist, können Nebenverbraucher an das Oberleitungsnetz angeschlossen werden. Dies sind zum einen Verbraucherstrukturen, die die Sonderfrequenz des Bahnnetzes (z.B. 16,7 Hz) benötigen – Zugvorheizanlagen, Schuppenspannungsprüfanlagen. Zum anderen sind es Verbraucherstrukturen an Netzstandorten, an denen die Einspeisung aus dem Bahnnetz sta-
biler und ökonomischer ist – Weichenheizanlagen. Für bahneigene elektrische Energieanlagen unterliegen die Systemauswahl und -einführung ausgewählter bahnspezifischer Betriebsmittel der technischen Freigabe durch die die Richtlinienkompetenz abdeckende Struktureinheit. Das trifft insbesondere zu für – Betriebsmittel für Weichenheizanlagen, – Betriebsmittel für Zugheizanlagen, – Sicherheitsbeleuchtungen in Tunnels, – Lampen und Leuchten für den sicherheitsund betriebsrelevanten Bereich, – Fernwirk- und Meldesysteme. Nach dem Errichten, Erweitern und wesentlichen Änderungen sind alle elektrischen Energieanlagen vor ihrer Inbetriebnahme nachweislich zu prüfen und technisch abzunehmen. Die Verantwortung für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der gesamten elektrischen Anlage trägt der Errichter. Im Folgenden soll auf wesentliche Verbraucherstrukturen eingegangen werden, um die allgemeine Sensibilisierung für Bedeutung, Besonderheit und Verfügbarkeit für das Gesamtsystem der Eisenbahninfrastruktur darzustellen.
10.2 Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur 10.2.1 Allgemeines Energieverbraucher entlang einer Eisenbahnstrecke benötigen vorrangig elektrische Ener-
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gie. Wärmeenergie wird zur Beheizung/Kühlung von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen für Personal oder für Betriebsräume benötigt. Die große Längsausdehnung einer Eisenbahnstrecke bedingt, dass sich Energieverbraucher an einer Eisenbahnstrecke weitab von öffentlichen Energieversorgungsnetzen befinden können. Die netzferne Energieversorgung stellt häufig ein Problem dar, da die Heranführung der Energie mit der Errichtung kostenintensiver Infrastrukturen für relativ wenige und leistungsschwache Verbraucher verbunden ist. Für die netzferne Energieversorgung von Energieverbrauchern an einer elektrifizierten Eisenbahnstrecke steht vorrangig die Energieversorgung aus der Oberleitung zur Verfügung. Im Bereich der DB AG ist der Energiebezug aus der Oberleitung als alleinige Form des Energiebezugs in Ausnahmefällen bei netzferner Versorgung und im Allgemeinen zur Netzersatzversorgung vorgesehen. Diese Möglichkeit ist auf Eisenbahnstrecken mit AC-Bahnstromversorgung beschränkt. An Eisenbahnstrecken mit DC-Bahnstromversorgung findet die Möglichkeit der netzfernen Energieversorgung keine Anwendung, da auf Grund der niedrigen Oberleitungsspannung nicht ausreichend Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen. Dass die netzferne Energieversorgung aus der Oberleitung mit Ausnahme der elektrischen Weichenheizanlagen kaum Anwendung findet, hat vermutlich historische Gründe. Die großflächige Elektrifizierung der Eisenbahnstrecken in Deutschland erfolgte erst Jahrzehnte nach der Errichtung der übrigen Infrastrukturen der Eisenbahnstrecke. Die energieverbrauchenden Infrastrukturen wurden dort errichtet, wo die Energieversorgung mit geringstem Aufwand möglich war, d.h. im Bereich der Bahnhöfe konzentriert. Durch den technischen Fortschritt und Rationalisierungsmaßnahmen bei Bahninfrastrukturbetreibern ergeben sich zunehmend Anwendungen, welche die Installation von Infrastrukturen weit ab von Bahnhöfen und der öffentlichen Energieversorgung erforderlich machen. Hierzu zählen beispielsweise Repea-
ter-Stationen für GSM-R-Funk, Heißläuferortungsanlagen, Tunnel und beschrankte Bahnübergänge. Daher sollte das Thema nicht auf die Versorgung der Hilfsbetriebe beschränkt sein, sondern auf die netzferne Stromversorgung von Elektroenergieverbrauchern entlang einer Eisenbahnstrecke erweitert werden. Die Energieversorgung aus der Oberleitung hat den Nachteil, dass es in Oberleitungsnetzen im Vergleich zur Energieversorgung aus öffentlichen Energieversorgungsnetzen relativ häufig zu Unterbrechungen der Energieversorgung bedingt durch Kurzschlüsse kommt. Die Kurzschlusshäufigkeit in Oberleitungsnetzen wird mit etwa 1 Kurzschluss je Kilometer einer zweigleisigen Strecke und Jahr angegeben. Die Kurzschlusshäufigkeit beträgt dagegen in öffentlichen 3AC 50 Hz-Energieversorgungsnetzen etwa 0,02 Fehler je Jahr und Kilometer Leitungslänge. Die Energieversorgung aus der Oberleitung hat daher eine relativ geringe Versorgungssicherheit. Im Gegensatz dazu steht die Forderung einer nahezu ununterbrochenen Energieversorgung der Energieverbraucher, die an einer Eisenbahnstrecke häufig eine sicherheitsrelevante Funktion haben. Daher ist am Ort des Energieverbrauchs eine Pufferung der Elektroenergie erforderlich, was i.d.R. durch Batterien realisiert wird. Batterien gestatten den Weiterbetrieb der Infrastrukturen für einen bestimmten, vorgegebenen Zeitraum. Aus der benötigten Energiemenge und der zu überbrückenden Zeit ohne externe Energieversorgung ergibt sich die Kapazität der Batterien oder allgemein des Speichermediums. Nutzt man die am Ort des Energieverbrauchs vorhandenen Energiequellen, ist es möglich, die Kapazität des Speichermediums zu reduzieren oder gänzlich darauf zu verzichten. Für die netzferne Energieversorgung von Eisenbahninfrastrukturen stehen im Allgemeinen Solar- und Windenergie und geothermische Energie zur Verfügung. Beispiele für die Nutzung dieser Energieformen werden in nachstehenden Abschnitten gezeigt.
10.2 Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
10.2.2 Energieverbraucher an Eisenbahnstrecken 10.2.2.1 Elektronische Stellwerke Elektronische Stellwerke (ESTW) werden im Bereich der DB AG verstärkt eingesetzt, da diese Technik die teilweise über 100 Jahre alte mechanische und elektromechanische Stellwerkstechnik ablöst. Nachfolgend werden ausschließlich ESTW-A, sog. abgesetzte Stellrechner, betrachtet. ESTW-Unterzentralen, an die mehrere ESTW-A angeschlossen werden, befinden sich i.d.R. in Knotenpunkten, wo die Energieversorgung der Infrastruktur häufig auf eigene Verteilernetze abgestützt ist. ESTW-A werden entlang der Eisenbahnstrecken zur Steuerung und zum Anschluss von Signalen, Weichenantrieben und Achszähleinrichtungen eingesetzt. Die maximalen Stellentfernungen (Distanz zwischen ESTW-A und der angeschlossenen Peripherie) und die maximale Distanz zwischen zwei ESTW-A bestimmen u.a. die Aufstellungsorte der ESTW-A. Aufgrund dieser technischen Erfordernisse kann es dazu kommen, dass ein ESTW-A relativ weit entfernt von der Infrastruktur der öffentlichen Energieversorgung aufgestellt werden muss und eine netzferne Energieversorgung erforderlich wird. Die Betriebserfordernisse einer Eisenbahnstrecke bestimmen deren Ausrüstung und die Standorte der Signal- und Sicherungstechnik. Dabei können Weichen, Signale und Achszähleinrichtungen nur bis zu einer bestimmten Entfernung vom ESTW-A abgesetzt angeschlossen werden. Die Stellentfernung schwankt herstellerspezifisch. Als Anhaltswerte dienen folgende für die maximalen Stellentfernungen (Länge Kabelweg): Weichen: ca. 6 km, Signale: ca. 8 km, Achszähler: ca. 30 km. Daraus ergibt sich ein minimaler Abstand von 12 km bei Anschluss von Weichen und 16 km beim Anschluss von Signalen (Blockstelle).
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Ein Übersichtsschaltbild der Stromversorgung eines ESTW mit USV (Erzeugung der Gleichspannung hinter der USV) und Ersatznetz aus der Oberleitung zeigt Abb. 10.1. Erforderliche Spannungen für die Versorgung der Hilfsbetriebe 1AC 230 V 50 Hz, 3AC 400/230 V 50 Hz, 3AC 400/230 V 42 Hz (Gleisstromkreise), 3AC 400/230 V 100 Hz (Gleisstromkreise), DC 60 V (Relais, Achszähler), DC 24 V (Rechentechnikbaugruppen). Leistungsanforderungen Die Leistungsanforderungen differieren stark nach der Größe des ESTW-A bzw. der angeschlossenen Peripherien. – ESTW-A (Blockstellen, Überleitverbindungen): 20–25 kVA, – Mittleres ESTW (kleine Bahnhöfe, Abzweigstellen): um 45 kVA, – Knoten ESTW (z.B. Leipzig): 2 × 120 kVA Für die netzferne Energieversorgung dürften lediglich kleine ESTW-A für Blockstellen und Überleitverbindungen in Frage kommen. Autonome Arbeitszeit 0,5 h Batteriedimension 50 Ah bis 550 Ah Abbildung 10.2 zeigt den Batterieblock in einem ESTW. 10.2.2.2 Repeaterstationen Global System for Mobile CommunicationsRailway (GSM-R) ist ein Mobilfunksystem, das auf dem weltweit dominierenden GSM aufbaut, jedoch für die Verwendung bei den Eisenbahnen angepasst wurde. Neben Sprachkommunikation, die anders als bei GSM neben einer funktionalen Rufnummer unter anderem auch Gruppenrufe, Prioritäten und ein Verdrängen niedriger priorisierter Gespräche unterstützt, soll GSM-R vor allem auch der Zugsicherung dienen.
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Abb. 10.1 Schaltbild der Stromversorgung eines ESTW
Abb. 10.2 Batterieblock in einem ESTW
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Die Deutsche Bahn hat 24.500 km ihrer 36.600 Netzkilometer mit GSM-R/EIRENE ausgestattet. Der analoge Zugfunk wird zurzeit nach und nach durch GSM-R ersetzt. Entlang einer Eisenbahnstrecke, die mit GSM-R ausgerüstet ist, befinden sich sog. BTS. Die Base Transceiver Station (BTS) (engl. für Basis Sende- und Empfangsstation) ist ein Netzelement des digitalen GSM-R-Mobilfunknetzes. Die BTS versorgt unmittelbar eine Funkzelle. Die Größe der Zellen liegt von 100 Metern bis 5 Kilometern. Über den Standort der BTS entscheiden vorrangig funktechnische Erfordernisse. Daher kann es zu netzfernen Aufstellungsorten entlang einer Eisenbahnstrecke kommen. Erforderliche Spannungen für die Versorgung der Hilfsbetriebe 3AC 400/230 V 50 Hz Leistungsanforderungen Typische Leistung: 7–10 kVA 10.2.2.3 Heißläuferortungsanlagen Ortsfeste Heißläufer- und Festbremsortungsanlagen (HOA/FBOA) dienen der Erkennung unzulässiger Temperaturen an Radsatzlagern oder Bremseinrichtungen fahrender Züge. Die Anlagen an der Strecke messen die Temperaturen der an den Fahrzeugen zu überwachenden Einrichtungen und übermitteln die relevanten Daten an die Meldeeinrichtung beim zuständigen Fahrdienstleiter und ggf. an weitere Stellen. Grundsätzlich wird das Kernnetz der DB AG mit HOA/FBOA ausgestattet. Folgende Abstände zwischen zwei HOA/FBOA werden angestrebt: – Strecken mit v > 200 km/h (SFS): 30 bis 35 km – übrige Strecken: 40 bis 70 km Die HOA/FBOA-Elektronik wird in einem abgeschlossenen Raum, z.B. Tk-Raum, möglichst in einem vorhandenen Gebäude untergebracht. Ansonsten wird ein separates Schalt-
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haus (Netzstation) vorgesehen. Die Entfernung zwischen Detektoren und Elektronik beträgt maximal 50 m. Ein separates Schalthaus wird in Regelfahrtrichtung etwa 5 m nach der Messstelle so angeordnet, dass von innen der Blick auf Züge möglich ist. Erforderliche Spannungen für die Versorgung der Hilfsbetriebe: 3AC 400/230 V 50 Hz. Leistungsanforderungen für HOA/FBOAElektronik, Heizung, Lüftung, MAS90, Beleuchtung: – ca. 3.5 kVA für Einzelanlage (1 Gleis), – ca. 5.0 kVA für Doppelanlage (2 Gleise). Autonome Arbeitszeit 10 min, dabei wird nur die Elektronik versorgt. Die Detektorenheizung und die Heizung des Frostwächters (300 VA) wird nicht versorgt. Batteriedimension ca. 10 Ah für Einzelanlagen (1 Gleis), ca. 20 Ah für Doppelanlagen (2 Gleise) Umgebungsbedingungen Temperatur: 0– +40 °C, Luftfeuchtigkeit: 0–90%, nicht kondensierend. 10.2.2.4 Oberleitungsschalter, Ortssteuereinrichtung In Oberleitungsnetzen sind für die Sektionierung und Freischaltung im Fehlerfalle Schalteinrichtungen erforderlich, die i.d.R. als Lasttrennschalter auf Oberleitungsmasten oder an Schaltgerüsten installiert sind. Die Schalter selbst werden mittels Schalterantrieben betätigt. Die Schalterantriebe benötigen für ihre Funktion Elektroenergie. Oberleitungsschalter sind in der Regel an den Bahnhofsgrenzen angeordnet, damit die Oberleitung im Bahnhof von der Oberleitung der offenen Strecke elektrisch getrennt werden kann. Innerhalb des Bahnhofs werden häufig so genannte Querkuppelschalter installiert, um die Oberleitungen der durchgehenden Streckengleise miteinander verbinden zu können. Die Oberleitung von Nebengleisen wird
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ebenfalls über Oberleitungsschalter mit Traktionsenergie versorgt. Oberleitungsschalter bzw. deren Schalterantriebe werden i.d.R. an eine sog. Ortssteuereinrichtung (OSE) angeschlossen. Die OSE versorgt die Schalterantriebe mit der benötigten Energie und übernimmt die Steuerungsfunktion. Die OSE befindet sich häufig im Stellwerk oder im Dienstraum des Fahrdienstleiters. Diese Anordnung ist nicht zwingend. Von der OSE aus können die Mastschalter betätigt werden. Durch Anschluss an eine Fernwirkeinrichtung können die Oberleitungsschalter auch von Zentralen Schaltstellen betätigt werden. Oberleitungsschalter befinden sich immer dort, wo eine elektrische Sektionierung der Oberleitung erforderlich ist. Dies ist auf Bahnhöfen der Fall. Auf Bahnhöfen sind üblicherweise andere Eisenbahninfrastrukturen zu finden, die mit Elektroenergie versorgt werden müssen. Daher stellt der Anschluss der OSE bzw. der Schalterantriebe an die Elektroenergieversorgung normalerweise kein Problem dar. Selbst an weit abgelegenen Abzweigstellen ist häufig Stellwerkstechnik vorhanden, die mit Elektroenergie versorgt werden muss. Schutzstrecken, Phasentrenn- oder Systemtrennstellen im Oberleitungsnetz können weit entfernt von anderer Bahninfrastruktur angeordnet sein. Hier stellt die netzferne Energieversorgung ein Problem dar. Erforderliche Spannungen für die Versorgung der Hilfsbetriebe Bei der OSE werden drei Verbraucherkategorien unterschieden, die mit AC 230 V 50 Hz versorgt werden müssen: – Unterstation OSE (PC-OSE), – Fernwirkunterstation, – Masttrennschalterebene. Die OSE muss insgesamt über eine gesicherte Stromversorgung mit AC 230 V 50 Hz versorgt werden. Die Unterstation OSE und die Fernwirkunterstation sind vorzugsweise unterbrechungsfrei über eine USV zu versorgen. Die
Fernwirkunterstation kann bei Erfordernis mit DC 48 V/60 V (unterbrechungsfrei, gesichert) aus der Energieversorgung eines ESTW versorgt werden, damit weitere Fernwirkunterstationen anderer OSE, die an diese Fernwirkunterstationen angeschlossen sind, trotz eines Spannungsausfalls der OSE-Energieversorgung weiterhin von einer zentralen Schaltstelle aus bedienbar bleiben. Bei nicht vorhandener AC 230 V 50-Hz-Versorgung ist die Versorgung mit AC 230 V 16,7 Hz über Wandler und Gleichrichter mit DC 24 V zulässig. Leistungsanforderungen: 0,63–1 kVA Autonome Arbeitszeit Die Ausrüstung der OSE mit einer internen USV ist allgemein nicht gefordert. Sie wird dann notwendig, wenn an die Fernwirkunterstation im weiteren Verlauf weitere Fernwirkunterstationen angeschlossen sind oder auf die Fernwirkunterstation weitere Meldungen aufgeschaltet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Unterbringung der OSE in einer 50-Hz-Schaltanlage auf der NBS Nürnberg-Ingolstadt, wo Meldungen aus der 50-Hz-Schaltanlage an die Fernwirkunterstation angeschaltet wurden. Die Überbrückungszeit wird mit 3 h, im Maximum mit 5 h angegeben. Batteriedimension: ca. 20 Ah Umgebungsbedingungen: – 30 °C bis + 40 °C. 10.2.2.5 Bahnübergänge Bahnübergangssicherungsanlagen sichern niveaugleiche Übergänge von Straßen und Wegen über Gleise und signalisieren Zugfahrten. Die technische Ausführung ist in den Technischen Unterlagen der DB AG in der Modulfamilie 819.12xx beschrieben. Bahnübergangssicherungsanlagen befinden sich teilweise weit ab von Bahnhöfen und Ortschaften. Dort arbeiten Bahnübergangssicherungsanlagen unter Umständen unabhängig von der übrigen Signal- und Sicherungstechnik. Für diese Anlagen ist eine separate Energieversorgung erforderlich. Die Zuführung der
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Elektroenergie ist in diesen Fällen häufig mit großem Aufwand verbunden. Die Stromversorgung der Bahnübergangssicherungsanlage erfolgt aus einem bahneigenen oder öffentlichen Energieversorgungsnetz mit 3AC 230/400 V 50 Hz. Außerhalb des Betonschalthauses werden Schrankenantriebe, Straßensignale, Überwachungssignale, Gleisschaltmittel, eventuell Rangiersignale oder automatische Gefahrenraumfreimeldeanlagen mit Energie versorgt. Erforderliche Spannungen für die Versorgung der Hilfsbetriebe In Abhängigkeit vom Hersteller werden Pufferbatterien mit 36 V, 2x18 V oder 24 V eingesetzt. Informationen zu den Versorgungsspannungen der einzelnen Verbraucher sind in den zugänglichen Unterlagen nicht enthalten. Leistungsanforderungen: 3 kVA Autonome Arbeitszeit Normalerweise 3 h. Ist die Bahnübergangssicherungsanlage in ein Stellwerk integriert, so gilt die Batteriereservezeit des Stellwerks. Batteriedimension Bis 200 Ah, bei größerer Batteriekapazität separater Batterieraum erforderlich
10.2.3 Energiequellen an Eisenbahnstrecken 10.2.3.1 Energiebezug aus der Oberleitung Prinzipiell eignet sich die Oberleitung an Eisenbahnstrecken, die mit einem AC-Bahnstromsystem elektrifiziert sind, als Energiebezugsquelle für Nebenverbraucher bis hin zur nahezu alleinigen Energiequelle für Nebenverbraucher und den Hilfsenergiebezug, da die Oberleitung das einzige Netz ist, welches entlang einer elektrifizierten Eisenbahnstrecke immer zur Verfügung steht und im Vergleich zu anderen Energieformen den Energiebezug von einigen 100 kVA zulässt. Aufgrund der niedrigeren Versorgungssicherheit in Oberlei-
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tungsnetzen sind in jedem Fall Maßnahmen zur Energiepufferung notwendig. An Eisenbahnstrecken, die mit einem DC-Bahnstromversorgungssystem elektrifiziert sind, scheidet die Oberleitung als Energiebezugsquelle aus, da aufgrund der niedrigen Oberleitungsspannung (3 kV oder 1.5 kV) zusätzliche Nebenverbraucher einen Spannungsfall verursachen können, der die elektrische Zugförderung beeinträchtigen könnte. Im Bereich der DB AG ist der Energiebezug allein aus der Oberleitung dann möglich und zulässig, wenn – der Bahnhof eine untergeordnete Bedeutung hat oder eine Blockstelle ist oder – kein öffentliches Energieversorgungsnetz vorhanden ist und die Verlegung eines Kabels zu aufwändig ist. Als Netzersatz ist der Energiebezug aus der Oberleitung im Bereich der DB AG generell zulässig. Analog zur EWHA wird die Oberleitungsspannung mit einem Transformator auf 2 × 231 V reduziert und auf die Gleichspannung des Gleichstromzwischenkreises umgerichtet. Die Einspeisung aus der Oberleitung wird als getrenntes System von der EWHA realisiert. Die typische Konfiguration bei Energiebezug aus der Oberleitung bei 1AC 15 kV 16.7 Hz ist: – Lasttrennschalter am Mast, – Kabel, – Hochspannungssicherung, – Transformator, sekundär 2AC 231 V 16.7 Hz, – Rückleiter zur Schiene. Transformatoren stehen in den Leistungsgrößen zwischen 30 kVA und 400 kVA zur Verfügung. Transformatoren bis 100 kVA können am Mast auf einer Traverse angebracht werden. Bei der Aufstellung der Transformatoren in Fertigbetonstationen ist die Verwendung von Kompakt-Fertigbetonstationen für Transformatoren bis 100 kVA zulässig. Für Transfor-
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matoren mit größerer Leistung sind begehbare Fertigbetonstationen erforderlich. Für minimale Leistungen ist die Energieversorgung aus der Oberleitung auch über Spannungswandler möglich. Die Spannungswandler werden auf einer Traverse am Mast installiert. Es stehen Wandler mit sekundär 1AC 230 V 16,7 Hz und 300 VA zur Verfügung. Sekundär ist lediglich eine Absicherung über RCD erforderlich. Auf diese Weise können elektronische Geräte, die im Standby-Betrieb nur geringe Leistungen benötigen, betrieben werden. 10.2.3.2 Solarenergie Solare Energie zählt zu den erneuerbaren Energieformen und steht prinzipiell überall auf der Welt zur Verfügung, selbstverständlich auch an Eisenbahnstrecken, die zum überwiegenden Teil an der Erdoberfläche verlaufen. Die solare Energie kann über marktverfügbare Solargeneratoren direkt in elektrische Energie umgewandelt werden. Vorteil der Solargeneratoren ist es, dass eine mehrfache, verlustbehaftete Energieumwandlungen wie bei der Umwandlung von thermischer Energie über mechanische Energie in elektrische Energie entfallen. Dies macht Solargeneratoren zu einem technisch einfachen System ohne mechanisch bewegte Bauteile, was sich günstig auf die Kosten auswirkt. Unabhängig davon muss beachtet werden, dass marktverfügbare Solargeneratoren derzeit lediglich einen Wirkungsgrad zwischen 11% und 18%, d.h., dass nur der vorgenannte Prozentsatz der zur Verfügung stehenden solaren Energie in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Da die solare Energie nicht kontinuierlich zur Verfügung steht, muss diese in Abhängigkeit von den Anforderungen auf der Verbraucherseite gepuffert werden. In Verbindung mit Laderegler und Batterien stehen Solargeneratoren am Markt auch zur netzfernen Stromversorgung zur Verfügung.
10.2.3.3 Windenergie Die Energie des Windes zählt zu den erneuerbaren Energieformen. Bei Windenergieanlagen wird die Strömungsenergie der bewegten Luft mittels eines Rotors in mechanische Rotationsenergie überführt. Mit Hilfe eines Generators kann die Rotationsenergie in elektrische Energie umgewandelt werden. Windenergieanlagen erreichen einen physikalisch maximal möglichen Wirkungsgrad von 59,3%. Weitere Verluste der Anlage in Getriebe, Generator und elektrischen System ergeben einen Gesamtwirkungsgrad von 30%–45%. Aufgrund der diskontinuierlichen Verfügbarkeit der Windenergie ist eine Energiepufferung für die zu versorgenden Verbraucher erforderlich. Hierzu werden zweckmäßigerweise Windenergieanlagen mit Gleichstromausgang verwendet, die über einen Laderegler mit der Batterie des Gesamtsystems verbunden sind. Windenergieanlagen sind bereits ab 0,12 kW verfügbar. Windenergieanlagen eignen sich besonders in Verbindung mit Photovoltaik-Anlagen, um diese in Schlechtwetterperioden zu unterstützen und zur Stabilität des zu versorgenden Netzes beizutragen. 10.2.3.4 Brennstoffzelle Bei Brennstoffzellenanlagen wird chemisch gebundene Energie direkt in elektrische Energie umgewandelt. Dieser einzige Energieumwandlungsprozess weißt einen potentiell hohen Wirkungsgrad auf. Zum Betrieb der Brennstoffzelle wird Wasserstoff benötigt, der selbst Energieträger und keine Primärenergie ist und unter Einsatz von Energie erzeugt werden muss. Nur wenn der Wasserstoff unter Verwendung von erneuerbaren Energien erzeugt wird, ist die Ökobilanz besser, als bei konventionellen Techniken. In Bezug auf die alternative Hilfsenergieerzeugung bzw. netzferne Energieversorgung ist zu beachten, dass der Energieträger nicht als Primärenergie uneingeschränkt zur Verfügung
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steht und vor Ort gelagert werden muss. Damit wird die Betriebsdauer u.a. von der gelagerten Brennstoffmenge abhängig. Die Lagerung des Brennstoffs kann z.B. in Druckflaschen erfolgen. Bei Brennstoffzellenanlagen werden unterschiedliche Technologien bezüglich der Energieumwandlung angewandt. Sie unterscheiden sich u.a. hinsichtlich der Betriebstemperatur, die im Bereich von 300 K bis 2000 K liegen kann. Im Bereich der stationären Brennstoffzellenanlagen reichen die Leistungsklassen von etwa 5 kW bis 100 MW. Marktverfügbare Systeme sind bisher nicht über das Vorserienstadium hinaus gekommen. Das bedeutet nicht, dass Brennstoffzellenanlagen in Zukunft keine breite Anwendung erlangen werden. Dies gilt insbesondere in Verbindung mit der Erzeugung des Brennstoffs aus erneuerbaren Energien. Hier dient der Brennstoff sozusagen als Energiespeicher und -puffer, dessen Funktion sonst von Batterien übernommen wird. Für die netzferne Stromversorgung eignen sich Brennstoffzellenanlagen dann, wenn der Brennstoff vor Ort aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Muss der Brennstoff zum Einsatzort transportiert werden, ist dies die gleiche Verfahrensweise wie bei Netzersatzaggregaten, die mit konventionellen Verbrennungskraftmaschinen angetrieben werden. 10.2.3.5 Geothermie Als Geothermie wird die durch den geothermischen Gradienten mit der Tiefe ansteigende Temperatur des Bodens/Gesteins bezeichnet. Die saisonal bedingten Temperaturschwankungen der Erdatmosphäre dringen nur bis zu einer geringen Tiefe in den Boden- bzw. Felskörper ein. Ab einer gewissen Tiefe bleibt die Temperatur konstant und steigt mit zunehmender Tiefe weiter an. Die anfallende Erdwärme kann prinzipiell auf drei Arten genutzt werden: – Hot-Dry-Rock-Verfahren, – Tunnelgeothermie, – oberflächennahe Geothermie.
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Vorstehende Verfahren bezeichnen die Art der Gewinnung der geothemischen Energie. Sie sagen nichts über die Möglichkeiten der Nutzung oder Umwandlung der geothermischen Energie in andere Energieformen aus. Tunnelgeothermie Tunnelgeothermie ist sinngemäß die Gewinnung „sauberer“ Energie aus bestehenden oder neu zu errichtenden Tunnelbauwerken und deren Nutzung. Die Nutzung der hydrothermalen Geothermie bleibt auf Tunnelbauwerke mit hoher Überdeckung beschränkt, an welchen die geothermische Tiefenstufe bereits stark zu tragen kommt. Dort fällt je nach Überdeckung durch darüberliegende Gesteinsschichten Bergwasser mit einer Temperatur von 10 °C bis 24 °C oder bis zu, für den Gotthard-Basistunnel prognostizierten, 40 °C bis 45 °C an. Bergwasser kann über die Drainageleitung im Solbeton eingeleitet werden und außerhalb des Tunnels einer Nutzung, z.B. Wärmepumpe, zugeführt werden. Weiterhin darf warmes Bergwasser i. Allg. nicht in die Vorflut eingeleitet werden und muss gekühlt werden. Ein Beispiel für die Nutzung der Erdwärme durch Tunnelwasser ist der 16 km lange Furka-Eisenbahntunnel in der Schweiz. Das warme Tunnelwasser wird mit einer Wärmepumpe von 16 °C auf 6 °C abgekühlt, was einer entziehbaren Heizleistung von 3600 kWth entspricht. Oberflächennahe Geothermie Eisenbahnbauwerke stehen, bedingt durch ihre große Längsausdehnung (Tunnel, Bahnhöfe Dämme), mit einer großen Fläche von Bodenbzw. Felskörper in Berührung. Der Untergrund unterliegt ab einer Tiefe von 15 m nicht mehr den durch den Einfluss der Oberflächentemperatur entstehenden saisonalen Temperaturschwankungen. Somit ist der Bodenkörper als Wärmespeicher unter Verwendung einer Wärmepumpe nutzbar. Werden Geothermieanlagen bereits beim Bau der Infrastrukturen eingebaut, entfallen zusätzliche Investitionen für Bohrungen usw.
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Wichtig ist, dass sich die Energieverbraucher in der Nähe der Tunneltrasse befinden, um den Bau langer und teurer Versorgungsleitungen zu vermeiden. Bei der Errichtung von Hochbauten oder Tunneln in offener Bauweise mit Deckel werden häufig Großbohrpfähle verwendet. Absorberelemente können gemeinsam mit der Bewehrung eingebracht und anschließend einbetoniert werden. Gleiches trifft auf Schlitzwände zu. Auf diese Weise kann ohne großen zusätzlichen Aufwand ein großer Erdkörper erschlossen werden. Bei realisierten Anwendungen wurde bei einem 250 m langen Tunnelabschnitt in Deckenbauweise und in die Großbohrpfähle integrierten Absorberelementen im Dauerbetrieb eine entziehbare Heizleistung von 150 kW und über eine Heizperiode (1800 h) eine entziehbare Heizenergiemenge von 214 MWh erreicht. Absorberleitungen können auch in die Dichtungsfolie im Anschluss an die SpritzbetonAußenschale eines Tunnels eingelegt werden. Diese Konstruktion wird Energievlies genannt. Sie bietet die Möglichkeit, die Erdwärme auch an Tunneln, die in bergmännischer Bauweise errichtet werden, zu nutzen. Auf diese Weise kann über eine Heizperiode (1800 h) eine entziehbare Heizenergiemenge von 27 kWh/ m2 Tunnelwand gewonnen werden. Betonanker werden im Tunnelbau aus statisch-konstruktiven Gründen verwendet, um die Tragfähigkeit oder Stabilität des Hohlraums zu sichern. Es besteht die Möglichkeit, diese Betonanker neben der statischen Funktion auch für die Gewinnung der im Boden- / Felskörper gespeicherten Erdwärme zu nutzen. Nachteil der oben beschriebenen Großbohrpfähle, Schlitzwände und Energievlies ist es, dass eine Seite dieser Elemente immer Luftkontakt hat und damit 50% der nutzbaren Kapazität verloren geht. Betonanker sind dagegen völlig vom Boden bzw. Fels umschlossen und können so dem umgebenden Medium rundum Wärme entziehen bzw. überschüssige Wärme einspeisen.
Umwandlung geothermischer Energie in elektrische Energie Für die Umwandlung geothermischer Energie in elektrische Energie stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: – Wärmepumpen zur Erzeugung eines höheren Temperaturniveaus und anschließende Umwandlung in elektrische Energie, – Stirling-Motoren und Generator (Wandlung thermische/mechanische/elektrische Energie), – Thermoelektrische Wandler (Wandlung thermische/elektrische Energie).
10.2.4 Speichermedien Die in Abschn. 10.2.3 gezeigten Energieformen Wind- und solare Energie haben den Nachteil, dass ihre kontinuierliche Verfügbarkeit nicht gegeben ist. Die Energieversorgung aus der Oberleitung hat eine relativ niedrigere Versorgungssicherheit. Lediglich geothermische Energie aus der Tiefe steht mit relativer Konstanz zur Verfügung. Dies steht im Widerspruch zu den Anforderungen der Verbraucher an die Versorgungssicherheit und zum schwankenden Energiebedarf der Verbraucher. Daher ist eine Pufferung der Energie in Speichermedien erforderlich. Netzgebundene Anlagen zur alternativen Energieversorgung nutzen die Kapazitäten des Versorgungsnetzes, um jederzeit Abnehmer für die Energie zu haben. Zeiten geringer Energiebereitstellung werden durch andere Erzeugerkapazitäten überbrückt. Diese Möglichkeit steht für die netzferne Energieversorgung nicht zur Verfügung. Vorzugsweise sollte die Energie in der Form gespeichert werden, wie sie von den Verbrauchern benötigt wird, also Elektroenergie. Jede andere Form der Energiespeicherung, z.B. in Form von chemischer Energie, ist nachteilig, da jede Energieumwandlung auch Energieverluste bedeutet. Welche Form der Energiespeicherung zur netzfernen Stromversorgung oder Hilfsbe-
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triebeversorgung von Energieverbrauchern an Eisenbahnstrecken am besten geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Dies hängt einerseits von der Kapazität und Kontinuität der zugeführten Energie, andererseits von den Anforderungen der Energieverbraucher, wie Überbrückungszeit, erforderliche Stromstärke, Anzahl der Lade-/Entladezyklen, Ladezustand ab.
Speichermöglichkeiten Elektrische Speicher Elektrische Energie kann derzeit nur in – supraleitenden Ringspeichern und – Kondensatoren gespeichert werden. Supraleitende Ringspeicher scheiden für die Energiespeicherung entlang einer Eisenbahnstrecke aus, da die technischen Anwendungen bisher nicht über das Stadium von Pilotanlagen hinaus gekommen sind und der technische Aufwand (Kühlung) in keinem Verhältnis zu nutzen steht. Daher werden nachstehend nur Kondensatoren betrachtet. Mechanische Speicher Zu den mechanischen Speichern gehören: – Wasserhochspeicher, – Schwungräder, – (Kavernen-)Druckspeicher. Mechanische Speicher arbeiten mit hohem Wirkungsgrad erst wirtschaftlich bei sehr hohen Speichervolumina, da die Investitionskosten sehr hoch sind und an bestimmte topografische Voraussetzungen gebunden sind (Wasserhochspeicher, Kavernen). Schwungradspeicher sind auf große Lastwechselzyklen ausgelegt und weniger auf die Langzeitspeicherung der Energie. Daher scheiden mechanische Energiespeicher bei der Anwendung zur netzfernen Energieversorgung entlang einer Eisenbahnstrecke nahezu aus. Unabhängig davon haben gerade Schwungradspeicher bei der Bahnenergieversorgung bzw. der Speicherung von kinetischer Energie auf Bahn-
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fahrzeugen bereits eine gewisse Bedeutung erlangt. Elektrochemische Speicher Zu den elektrochemischen Energiespeichern gehören: – Gasspeichersystem (mit Elektrolyse-/Brennstoffzelleneinheit), – Akkumulatoren mit externen Speichern (z.B. FeCr-Redox-System), – Akkumulatoren mit internen Speichern (z.B. Pb/PbO2, NiCd). Elektrolyse-/Brennstoffzellenanlagen verfügen derzeit noch nicht über die erforderliche Marktreife (s. Abschn. 10.2.3.4) Batterien Die Auswahl und Dimensionierung von Batterien zur Pufferung der Energieversorgung hängt stark von den Anforderungen der angeschlossenen Verbraucher und der zur Ladung der Batterien zur Verfügung stehenden Energie ab. Das Spektrum zur Versorgung der angeschlossenen Verbraucher reicht von der Bereitstellung höchster Ströme für wenige Sekunden (Starterbatterien), Notstromversorgungseinrichtungen mit Überbrückungszeiten im Bereich mehrerer 10 min bis zur Energieversorgung über Stunden und Tage. Ebenso unterscheiden sich die Ladeverfahren von Batterien in Abhängigkeit von der zur Verfügung stehenden Energie und der Leistungsfähigkeit der Ladegeräte. Es wird unterschieden zwischen Konstantspannungs-, Konstantstromladung und Ladung über Vorwiderstand. In der Praxis werden i.d.R. Kombinationen verschiedener Ladeverfahren angewandt, die durch die zur Verfügung stehende Energie und der Leistungsfähigkeit der Ladegeräte einerseits und der Charakteristik der Batterien andererseits bestimmt werden. Kondensatoren Die Energiespeicherung mit Kondensatoren hat den Vorteil der hohen Zyklenzahl und die
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Unempfindlichkeit gegen Tiefentladung. Mit diesem Verhalten eignen sich Kondensatoren für Einsatzzwecke, die bei Blei-Akkumulatoren dem Anforderungsprofil von Elektro-Autos entspricht. Entsprechende Anwendungen im Bahnbereich wären die Energiespeicherung auf Schienenfahrzeugen (Bremsenergie) bzw. in stationären Anlagen zur Bahnenergieversorgung (Speicherung der von den Fahrzeugen erzeugten Bremsenergie). Für die Nutzung von Kondensatoren für die netzferne Stromversorgung und Energiepufferung für Verbraucher entlang einer Eisenbahnstrecke ist deren Eigenschaft der relativ schnellen Selbstentladung von Nachteil. Daher eignen sich Kondensatoren für den speziellen Anwendungsfall der netzfernen Energieversorgung von Hilfsbetrieben nur zur Abdeckung von Belastungsspitzen und in Ergänzung zu anderen Speichermedien, die die Langzeitspeicherung der Energie übernehmen. Redoxsysteme In einem sog. Leistungsteil befinden sich Anode und Kathode bei Raumtemperatur in flüssigem Zustand. Beide Elektrodenflüssigkeiten werden durch eine selektive Membran getrennt. In die Medien tauchen die Elektroden ein. Die Elektrodenflüssigkeit wird getrennt und extern vom Leistungsteil in beliebig großen Tanks gespeichert. Der Lade- und Entladevorgang findet im Leistungsteil statt. Die Elektrodenflüssigkeit wird durch Pumpen zugeführt. Prinzipiell weisen diese Redoxsysteme hohe Wirkungsgrade, geringe Kosten und keinerlei Probleme beim Überladen und Tiefentladen auf. Vorteile von Redoxbatterien sind: – individuelles Anlagendesign bezüglich Leistung und Energie: die kleinste modulare Einheit leistet 250 W bei einer mittleren Spannung von 13.5 V, die gewünschte Spannung und Leistung wird durch parallele und serielle Verbindung der modularen Einheiten erzielt, die spezifische Energie des Elektrolyten beträgt 29 Wh/l,
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die gewünschte Energie bestimmt die Menge des in den Tanks gelagerten Elektrolyten. einfache Ablesung des Ladezustandes: Da die Zellspannung eine Funktion des Ladezustandes ist, kann dieser an der einzelnen Zelle direkt abgelesen werden; in der Praxis wird das per Fernüberwachung realisiert. gleichzeitiges Laden und Entladen im selben Modul: Die Batteriezellen sind elektrisch seriell verbunden, aber werden parallel mit Elektrolytlösung versorgt. Diese Anordnung ermöglicht die Ladung in einem definierten Set von Zellen und gleichzeitig die Entladung in einem anderen definierten Set von Zellen. Das Laden und Entladen kann bei unterschiedlichen Spannungen erfolgen, wenn die Anzahl der Zellen zum Laden und Entladen verschieden ist. Die Batterie kann dann als DC/DC Konverter eingesetzt werden. geringe Selbstentladung: Die Selbstentladung ist auf das Volumen zwischen den Elektroden beschränkt, dieses ist typischerweise im Vergleich zum Tankvolumen sehr klein. hohe Sicherheit: Das Zellendesign erlaubt die Kontrolle der Spannung an jeder Zelle; bei Über- bzw. Unterschreitung der vorgegebenen Schwellenwerte beim Laden bzw. Entladen wird das Modul abgeschalten. Die Bildung von Wasserstoff wird so verhindert. Robustheit gegen Tiefentladung: Die Tiefentladung führt zu keinen Schäden an Elektroden und Elektrolyt. Theoretisch kann der Elektrolyt vollständig entladen werden (die Spannung beträgt dann 0 V). In der Praxis wird die Entladung bei 0.8 V pro Zelle gestoppt. Die Module können im entladenen Zustand in ihrer Polarität vertauscht angeschlossen werden. kurze Reaktionszeit: Die Batterie reagiert spontan auf Ladung und Entladung; limitierend kann die Elektronik reagieren.
10.2 Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
– nahezu unbegrenzte Haltbarkeit der Elektrolytlösungen: Die Elektrolytlösungen bestehen aus Vanadiumsulfat in wässriger Schwefelsäure. In beiden Halbzellen sind Vanadiumionen enthalten, die sich nur durch ihre Oxidationsstufen unterscheiden. Eine Querkontamination durch Wanderung von Vanadiumionen durch die Membran führt nur zu einem vorübergehenden Kapazitätsverlust. Die beiden Elektrolyte können durch Vermischen wieder in ihren Ausgangszustand gebracht werden. Beim Laden und Entladen ändern sich lediglich die Oxidationsstufen des Vanadiums. Dieser Prozess ist unter den Bedingungen in der elektrochemischen Zelle voll reversibel, ungleich zu festen Elektroden, wo Nebenreaktionen zu elektrochemisch irreversiblen Phasenumwandlungen führen. – Verfügbarkeit bei saisonalen Temperaturschwankungen: Der Temperaturbereich für den Batteriebetrieb bei Nominalleistung ist von 10 °C bis 35 °C begrenzt. Die Batteriebehausung ist gegen saisonale Temperaturschwankungen zu isolieren. Im ständigen Betrieb ist die Batterie nur kleinen Temperaturschwankungen ausgesetzt, da der Elektrolyt beim Durchlauf durch die Zelle die Funktion eines Wärmetauschers übernimmt. Die große Elektrolytmenge im Tank wirkt als Reservoir. – Verhalten im Kurzschluss: – keine Beschädigung der Zellen, – keine Überhitzung der Module, – kein thermischer Durchbruch, – keine kritische Temperaturüberschreitung an den Stromableitern. – kein Phasenwechsel (fest-fest, fest-flüssig) in den Elektroden, – keine Edelmetalle, – keine komprimierten Gase. Nachteilig erscheint, dass mechanische Baugruppen, also Pumpen, erforderlich sind, die als wartungsintensiv gelten. Daher dürfte
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der Einsatz von Redoxsystemen nur ab einer bestimmten Speicherkapazität wirtschaftlich sinnvoll sein. Bekannt ist ein erster Anwendungsfall zur Speicherung von Solar- und Windenergie entlang einer Autobahn. Die Redoxbatterie befindet sich im Container.
10.2.5 Anwendungsbeispiele aus dem Eisenbahnbereich 10.2.5.1 Energiebezug aus der Oberleitung Für den Energiebezug aus der Oberleitung sind im Bereich der DB AG zwei Anwendungsfälle weit verbreitet: Elektrische Weichenheizungsanlagen und Zugvorheizanlagen. Dabei stellt der Energiebezug aus der Oberleitung nur eine der Möglichkeiten des Energiebezugs dar. Alternativ dazu wird bei jedem Anwendungsfall geprüft, ob der Energiebezug aus einem bahneigenen oder öffentlichen 50-Hz-Energieversorgungsnetz kostengünstiger ist. Unabhängig davon benötigen beide Anlagen bei Energiebezug aus der Oberleitung 50 Hz-Hilfsenergie zum Betrieb der elektronischen Steuerungen, Mastschalterantrieb, Innenraumheizung, Beleuchtung und Servicesteckdosen. Speziell bei elektrischen Weichenheizanlagen an netzfernen Standorten, z.B. Überleitverbindungen, kann die Bereitstellung und Heranführung der 50-Hz-Hilfsenergie kostenintensiv sein. Dies gilt besonders deshalb, weil das Verhältnis der benötigte Anschlussleistung (1AC 230 V 16 A) zu den Kosten der Errichtung eines 50 Hz-Anschluss sehr ungünstig sein kann. Hier bieten sich Hybridsysteme mit Nutzung von Solar- und Windenergie und Energiebezug aus der Oberleitung über Spannungswandler an. Derartige Anwendungsfälle im Bereich der DB AG sind nicht bekannt. 10.2.5.2 Solarenergie Es gibt zahlreiche, realisierte Anwendungen der Stromversorgung im Bahnbereich.
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Haltestellen Anwendungen von Photovoltaikanlagen sind an Haltestellen von Verkehrssystemen bekannt. Diese befinden sich teilweise weit abgelegen, so dass die Zuführung von Elektroenergie aus öffentlichen Energieversorgungsnetzen kostenintensiv oder aus Kapazitäts-
Abb. 10.3 Beleuchtung von Fahrplanvitrinen
Abb. 10.4 Beleuchtung von Wartehäuschen
gründen nicht möglich ist. Nachstehend einige Beispiele: – Beleuchtung von Fahrplanvitrinen, – Stromversorgung elektronischer Fahrplananzeigen, – Stromversorgung von Notruf- und Informationssäulen, – Beleuchtung von Wartehäuschen. Bahnsicherungstechnik An die Bahnsicherungstechnik werden extrem hohe Zuverlässigkeitsansprüche gestellt. Nachstehende Beispiele zeigen, dass die Stromversorgung mit Photovoltaik diese Ansprüche erfüllen kann: – Stromversorgung der Signallaternen bei Formsignalen mit LED-Lichtpunkten. Im Bereich der DB AG sind mindestens 15 000 derartige Signallaternen im Einsatz. Sie haben die Beleuchtung der Signallaternen mit Propangas ersetzt. – Geschwindigkeitsprüfeinrichtungen werden zur Absicherung von permanenten und temporären Langsamfahrstellen im Bereich der DB AG eingesetzt. Magnetkontakte an den Schienen übernehmen die Geschwindigkeitsmessung. In Abhängigkeit vom Messergebnis wird ein Gleismagnet angeregt, der die PZB90 der Triebfahrzeuge mit entsprechenden Bremsinformationen versorgt. Da die Geschwindigkeitsprüfeinrichtungen oft fernab jedes Energieversorgungsnetzes befinden, erfolgt die Energieversorgung über Akkumulatoren oder Solarmodule. Im Netz der DB AG sind hunderte solargespeiste Geschwindigkeitsprüfeinrichtungen im Einsatz – Blockstellen liegen häufig fernab jeder Möglichkeit einer Energieversorgung aus einem Stromversorgungsnetz. Bei ausländischen Bahninfrastrukturbetreibern, z.B. in den USA, sind solargespeiste Blockstellen bekannt – Blocktrennstellen haben die Aufgabe der Signalübertragung zwischen Stellwerken, die wegen der großen Entfernung voreinander galvanisch entkoppelt werden müs-
10.2 Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
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Abb. 10.7 Solargespeiste Blockstellen Abb. 10.5 Stromversorgung der Signallaterne
sen, um Potentialverschiebungen und Einstreuspannungen langer Kabel zu vermeiden. Hierzu eignet sich die Energieversorgung mit einer Photovoltaikanlage. Die notwendigen Systemspannungen werden über DC/DC-Wandler erzeugt. In Bereich der DB AG wird die galvanische Entkopplung mit passiven Bauelementen realisiert.
Abb. 10.6 Energieversorgung von Geschwindigkeitsprüfeinrichtungen
Bahnübergänge Speziell auf Nebenbahnen sind niveaugleiche Bahnübergänge straßenseitig nicht mit Schranken oder Lichtsignalanlagen, sondern lediglich mit Verkehrsschildern gesichert, da das Verkehrsaufkommen auf beiden Verkehrsträgern gering ist. Autofahrer überschätzen das Bremsvermögen von Schienenfahrzeugen und gewähren dem Schienenverkehr nicht die Vorfahrt. Häufige Unfälle an ungesicherten Bahnübergängen sind die Folge, so dass dort mit erheblichem Aufwand an Bahnübergangssicherungstechnik nachgerüstet wird. Die Energieversorgung dieser Bahnübergangssiche-
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur Abb. 10.8 Photovoltaikanlage am ungesicherten Bahnübergang
rungstechnik an den oft abgelegenen Bahnübergängen stellt oft ein erhebliches Problem dar. Auch hier bieten sich Photovoltaikanlagen zur Energieversorgung an. Anwendungen aus Australien sind bekannt.
Informationsübertragung Im Bahnbereich sind Fernsprecheinrichtungen und zunehmend Funknetze nach dem GSM-RStandard im Einsatz. Anwendungen von Photovoltaikanlagen als zusätzliche Energieversorgungsquelle werden angewandt bei: – Streckenfernsprecher bei DB AG – Bei GSM-R-Funknetzen werden für Basisund Repeaterstationen Zwischenverstärker benötigt. Die Aufstellung dieser Anlagen richtet sich nach funktechnischen Erfordernissen. Häufig fehlt am Aufstellungsort eine Anschlussmöglichkeit an ein Energiever-
Abb. 10.9 Photovoltaikanlage für Streckenfernsprecher
Abb. 10.10 Energieversorgung für Zwischenverstärker
10.2 Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
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sorgungsnetz. Auch hier kommen Photovoltaikanlagen zur Anwendung. Oberleitungsschalter Schalterantriebe von Oberleitungsschaltern werden i.d.R. von der Ortsteuereinrichtung (OSE) mit Elektroenergie versorgt. Die OSE ist üblicherweise im Stellwerk eines Bahnhofs untergebracht, wo die Versorgung mit Elektroenergie keine Probleme bereitet. Schutzstrecken, Phasen- und Systemtrennstellen im Oberleitungsnetz können sich weitab von anderen Bahninfrastrukturen befinden. In diesen Fällen bereitet die Energieversorgung der Schalterantriebe Probleme. Für diesen Anwendungsfall ist im Bereich der DB AG eine Lösung bekannt, wo der Schalterantrieb aus einer Pufferbatterie mit Elektroenergie versorgt wird. Die Batteriekapazität ist so ausgelegt, dass mindestens 60 Schaltspiele bei minimalen Außentemperaturen und ohne Tiefentladung der Batterien (30% Batteriekapazität) durchgeführt werden können. Den Schaltimpuls erhalten die Schalterantriebe über ein Funk-Modem von einer zentralen Schaltstelle. Das Funk-Modem wird ebenfalls aus der Batterie mit Energie versorgt. Die Ladung der Batterien erfolgt über Solargeneratoren. Sonstige Photovoltaikanwendungen Viele vorhandene oder zu errichtenden Infrastrukturen entlang einer Eisenbahnstrecke eignen sich auf Grund ihrer geometrischen Ausdehnung für die Anwendung von Photovoltaikanlagen, ohne dadurch zusätzliche Grundflächen zu verbrauchen oder Tragkonstruktionen zu benötigen. – Schallschutzwände eignen sich bei entsprechender Ausrichtung für die Integration von Photovoltaikanlagen. Da Schallschutz i.d.R. nur in besiedelten Gebieten erforderlich ist, stellt hier die Energieversorgung von Infrastrukturen entlang einer Eisenbahnstrecke aus einem öffentlichen oder bahneigenen Energieversorgungsnetz kein Problem dar. Unabhängig davon ist die Photovoltaikanwendung in
Abb. 10.11 Photovoltaik in Schallschutzwänden
Abb. 10.12 Integration einer Photovoltaikanlage in die Dachkonstruktion des Berliner Hauptbahnhofs
Schallschutzwänden ökonomisch interessant. Anwendungen aus der Schweiz sind bekannt. – Bahnsteigüberdachungen eignen sich ebenfalls für Photovoltaikanwendungen. Dabei sind lichtdichte und lichtdurchlässige Solarzellen einsetzbar. Eine bekannte Anwendung im Bereich der DB AG ist die Integration einer Photovoltaikanlage in die Dachkonstruktion des Berliner Hauptbahnhofs (Lehrter Bahnhof).
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur Abb. 10.13 Hybridsystem bei einer mobilen Mauterfassungsstation
10.2.5.3 Windenergie Alleinige Anwendungen der Nutzung von Windenergie im Bahnbereich und zur netzfernen Energieversorgung entlang einer Eisenbahnstrecke sind nicht bekannt. Windenergieanlagen kleiner Leistung eignen sich jedoch sehr gut zum Einsatz in Hybridsystem, z.B. gemeinsam mit Photovoltaikanwendungen. Hierbei kann die naturgemäße Schwankung des Energieangebotes aus der Nutzung der Solarenergie ausgeglichen werden. Windenergie steht im Gegensatz zu solarer Energie auch bei bewölktem Himmel und nachts zur Verfügung. Damit vergleichmäßigt sich das Energieangebot in einem System zur netzfernen Energieversorgung und verringert die erforderliche Pufferkapazität zur Zwischenspeicherung der Energie. Im Bereich des Verkehrswesens in Deutschland sind Hybridsysteme unter Einbeziehung der Windenergie bei mobilen Mauterfassungsstationen bekannt. 10.2.5.4 Geothermie Die Nutzung geothermischer Energie ist entlang einer Eisenbahnstrecke fast überall möglich. Bisherige Anwendungen beschränken sich jedoch auf die direkte Nutzung der Wär-
meenergie für Beheizung und Klimatisierung. Die meisten Bahninfrastrukturen benötigen jedoch elektrische Energie für ihren Betrieb. Als wärmeübertragendes Medium wird i.d.R. CO2 eingesetzt. Da die Wärmeübertragung ausschließlich über Konvektion erfolgt, sind keinerlei Fremdkomponenten, wie Pumpen, Sensorik, Steuerung oder sonstige bewegte Teile erforderlich. Damit sind Wärmerohre äußerst störunempfindlich und wartungsarm. Die Konvektion (Beheizung) setzt automatisch bei Absinken der Außentemperaturen ein. Anwendungen aus dem Bahnbereich sind bei Weichenheizungen bekannt. Anwendungsbeispiele für die Tunnelthermie sind bei mehreren Stationen der Wiener UBahnlinie 2 zu finden. Durch den Einbau von Absorberleitungen in Bohrpfahl- und Schlitzwände sowie in die Bodenplatte wird dem umgebenden Erdreich Wärme für die Heizung entzogen bzw. Wärme für die Klimatisierung zugeführt. Abbildung 10.14 zeigt Absorberleitungen in einem Bewehrungskorb einer Schlitzwand vor dem Betonieren. Die vier, mit Erdwärmeanlagen ausgestatteten Stationen verfügen über einen erheblichen Kühlbedarf, vor allem im Bereich von Schalt- , Trafo- und Motorräumen. Die Kontrollwarten und Aufenthaltsräume des Per-
10.2 Alternative Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
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Abb. 10.14 Absorberleitungen im Bewehrungskorb einer Schlitzwand
Abb. 10.15 Anwendung der Tunnelthermie mit Energievlies
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
sonals sowie die Geschäftszeilen in einigen Stationen müssen beheizt werden. Die vier Erdwärmestationen gemeinsam haben eine Heizleistung von 449 kW und eine Kühlleistung von 231 kW. Besonders bei der Kühlleistung erweist sich die Erdwärme hier als hervorragende Energiequelle, da die Aggregate im Vergleich zur konventionellen Kühlung wesentlich kleiner ausfallen können und die angesaugten Luftmengen geringer sind, was wiederum zu einer Reduktion von Stollenquerschnitten führt . Zusätzlich zu den Absorberleitungen in den Stationen wurden angrenzende Tunnelabschnitte mit Energievlies ausgestattet. Eine weitere Anwendung der Tunnelthermie mit Energievlies ist im – in Bau befindlichen – Lainzer Tunnel auf der österreichischen Westbahn zu finden. Hier wurde der ausgebrochene Tunnelquerschnitt mit Energievlies ausgekleidet und anschließend mit Spritzbeton ausbetoniert.
10.2.6 Zusammenfassung Für die netzferne Energieversorgung allgemein bietet es sich an, die an einer Eisenbahnstrecke vorhandenen Energieformen zu nutzen. An Eisenbahnstrecken mit AC-Bahnenergieversorgung bietet sich hier zuerst die Energieversorgung aus der Oberleitung an. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Heranführung der benötigten Energie aus einem öffentlichen Energieversorgungsnetz sehr aufwendig und damit kostenintensiv ist. In Abhängigkeit von den Anforderungen an die Versorgungssicherheit der Verbraucher ist eine Pufferung bzw. Speicherung der benötigten Energie erforderlich, da der Energiebezug aus der Oberleitung eine geringere Versorgungssicherheit gegenüber der Versorgung aus einem öffentlichen Energieversorgungsnetz bietet. Bei der Speicherung der Energie sind momentan überwiegend Bleibatterien im Einsatz. Aufgrund ihrer Eigenschaften werden
Redoxbatterien Bleibatterien für die netzferne Energieversorgung und alternative Hilfsenergiespeicherung ablösen. Zu den Vorteilen der Redoxbatterien zählen die einfache Skalierbarkeit entsprechend den Leistungsanforderungen auf der Energieverbraucherseite und die sehr hohe Lebensdauer. Um die Pufferkapazitäten gering zu halten bzw. um die Nutzung anderer Energieformen, die aus fossilen Energieträgern erzeugt werden, zu minimieren, bietet sich die Nutzung anderer, erneuerbarer und an Eisenbahnstrecken vorhandener Energiequellen an. Diese sind jedoch nicht kontinuierlich und oft nicht in der benötigten Menge verfügbar. Daher sind so genannte Hybridsysteme, die mehrere Energieformen nutzen, eindeutig zu bevorzugen. Damit kann die Kontinuität der Energieversorgung und die Menge der nutzbaren Energie erhöht werden. Hierfür kommen je nach Verfügbarkeit geothermische Energie, Solar- und Windenergie in Frage. Bezüglich der Kontinuität der Verfügbarkeit der Energien ergibt sich folgende Rangfolge beginnend mit hoher Kontinuität: geothermische Energie, Wind- und Solarenergie. Brennstoffzellenanlagen werden mittelfristig bei der alternative Hilfsenergieversorgung bzw. der netzferne Energieversorgung Bedeutung erlangen. Dies setzt jedoch eine entsprechende Marktreife der Anlagen voraus. Brennstoffzellenanlagen als Substitution für Netzersatzaggregate sind nur dann sinnvoll, wenn die Erzeugung des Brennstoffs Wasserstoff vor Ort aus erneuerbaren Energien erfolgt. Die Aussage, ob die alternative Hilfsenergieversorgung bzw. die netzferne Energieversorgung kostengünstiger als konventionelle Methoden der Energieversorgung sind, lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt immer ab von: – den konkreten Anforderungen auf der Verbraucherseite (Energiebedarf, Versorgungssicherheit, autonome Überbrückungszeit), – Vorhandensein alternativer Energiequellen (Oberleitung, geothermische Energie, Solar- und Windenergie),
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
– Verfügbarkeit öffentlicher Energieversorgungsnetze bzw. Kosten für die Errichtung der Infrastruktur zur Übertragung der Energie zum Verbrauchsort, – Energiekosten für Elektroenergie aus öffentlichen Versorgungsnetzen und der Oberleitung. Speziell bei geothermischer Energie, Solar- und Windenergie sind bezüglich der Verfügbarkeit keine allgemeingültigen Aussagen möglich. Hier bedarf es immer standortspezifischer Voruntersuchungen, um entsprechende Anlagen optimal dimensionieren zu können. Bereits heute wird von Bahninfrastrukturbetreibern häufig ein Kostenvergleichsverfahren gefordert, um zu entscheiden, ob der Energiebezug aus einem öffentlichen Versorgungsnetz oder der Oberleitung günstiger ist (elektrische Weichenheizung). Diese Kostenvergleichsverfahren lassen zukünftig steigende Energiekosten für Energien, die aus fossilen Energienträgern erzeugt werden, und die Nutzung alternativer Energiequellen unberücksichtigt. Hierzu ist die Entwicklung erweiterter und allgemein handhabbaren Algorithmen und Hilfsmittel für die Entwurfsplanung (z.B. Tabellen oder Karten mit der Verfügbarkeit von Solar- und Windenergie) erforderlich. Für die Nutzung von geothermischer Energie ist die Berücksichtigung dieser Energieform bereits in sehr frühen Planungsstadien notwendig (Bauplanung von Tunneln und unterirdischen Infrastrukturen). Bei der Planung der Ausrüstungstechnik ist die nachträgliche Nutzung i.d.R. nicht realisierbar.
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen 10.3.1 Allgemeines Um einen reibungslosen Zugverkehr in der kalten Jahreszeit zu gewährleisten, müssen Weichen störungsfrei betätigt werden kön-
483
nen. Schneefall, -verwehungen und Eisbildung können dies behindern oder unmöglich machen. Mit elektrischen Weichenheizanlagen (EWHA) werden die beweglichen Teile der Weichen (Weichenzungen, bewegliche Herzstücke, Verschlusskästen) schnee- und eisfrei gehalten. Elektrische Weichenheizanlagen im Bereich der DB werden nach der technischen Unterlage DS 954.9101 „Elektrische Weichenheizanlagen“ erstellt. Nachstehende Ausführungen beziehen sich i.d.R. auf elektrische Weichenheizanlagen mit Bezug der Heizenergie aus AC 15 kV 16,7-HzOberleitungsnetzen. Alternativ dazu kann der Bezug der Heizenergie einer elektrischen Weichenheizanlage aus öffentlichen oder bahneigenen 3 AC 400 V 50-Hz-Versorgungsnetzen erfolgen. Diese Form des Heizenergiebezuges wird vor allem bei nichtelektrifizierten Eisenbahnstrecken, DC-Bahnen und in begründeten Fällen auch bei AC-Bahnen angewandt. Im Nahverkehrsbereich (Straßenbahnen) können Weichenheizungen direkt aus dem DC 750-V- bzw. DC 600-V-Oberleitungsnetz versorgt werden. Eine Weichenheizanlage besteht i. Allg. aus: Energieeinspeisung für den Bezug der Heizenergie wahlweise aus: 1. a)Oberleitung AC 15 kV 16,7 Hz über – Mastschalter, – Kabelendverschluss, – Kabel, – Transformator AC 15 kV 16,7 Hz auf AC 462 V 16,7 Hz bzw. 2 AC 231 V 16,7 Hz und – Kabel zur Niederspannungsverteilung (NSV), b)DC-Oberleitung über – Mastschalter, – Kabelendverschluss und – Kabel direkt zur Verteilung, c) bahneigenem bzw. öffentlichem 3 AC 400V 50-Hz-Netz über – Kabel direkt zur NSV.
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
2. Niederspannungsverteilung (NSV) Die Heizenergie wird auf die einzelnen Weichen bzw. Heizstäbe verteilt und gesteuert. 3. Kabel zwischen der NSV und den Verteilerkästen an den Weichen. 4. Heizstäbe direkt an Backenschienen, Weichenzungen, Herzstücken und in Verschlussfächern angebracht. Die Heizstäbe werden am Verteilerkasten angeschlossen. 5. Steuerung untergebracht in der NSV, mit Temperaturund Feuchtigkeitsfühler, für die automatische Steuerung der EWHA. 6. Erdung Die elektrische Schaltung einer EWHA entspricht einem TT-System, d.h., es wird kein Schutzleiter mitgeführt. Alle leitenden Bauteile werden daher in die Schutzmaßnahme Erdung (Bahnerdung) einbezogen.
10.3.2 Energieeinspeisung 10.3.2.1 AC 15 kV 16,7-Hz-Oberleitungsnetz Die elektrische Energie zum Betrieb der Weichenheizanlagen wird dem AC-Oberleitungsnetz entnommen. Die elektrische Weichenheizanlage wird an der Oberleitung über einen Masttrennschalter mit elektrischem Schalterantrieb angeschlossen. Im Bereich der DB werden die Masttrennschalter ohne Erdkontakt ausgeführt. Die Schalter werden mit W1, W2 usw. bezeichnet. Die Schnittstelle von Oberleitungs- und Weichenheizanlage bezüglich der Anlagenzuordnung liegt zwischen der Abgangsklemme des Mastschalters und dem Kabelendverschluss des Speisekabels der Weichenheizung. Die zum Betrieb der Weichenheizanlage notwendigen Niederspannungen für die Heizenergie werden mit einem Transformator erzeugt. Die Verteilung und Steuerung der Heizenergie zu den Weichenheizstäben erfolgt in einer Nie-
derspannungsverteilung (NSV). Zusätzlich ist eine Zuleitung aus einem 50-Hz-Versorgungsnetz zum Betrieb der Weichenheizungssteuerung und von Nebenverbrauchern erforderlich. Abbildung 10.16 zeigt den allgemeinen Systemaufbau einer elektrischen Weichenheizanlage am AC 15 kV 16,7-Hz-Oberleitungsnetz mit Transformator und Niederspannungsverteilung in einer Fertigbetonstation. 10.3.2.2 Bahneigenes 3 AC 400V 50-Hz-Versorgungsnetz Bei Vorhandensein eines bahneigenen 3 AC 400V 50-Hz-Versorgungsnetzes können Weichenheizanlagen auch mit 3 AC 400 V 50 Hz betrieben werden. Die 50-Hz-Heizenergie wird einer vorhandenen oder zu erweiternden Transformatorenstation entnommen. Die galvanische Trennung der Weichenheizanlage erfolgt über einen Trenntransformator in der Transformatorenstation. Von der Transformatorenstation wird die 3 AC 400 V 50 Hz-Heizenergie über ein Starkstromkabel zur Weichenheizanlage übertragen. Die Schnittstelle zwischen dem bahneigenen 3 AC 400 V 50-Hz-Versorgungsnetz und der Weichenheizanlage bezüglich der Anlagenzuordnung liegt projektabhängig – an der Abgangsklemme des Starkstromkabels zur Weichenheizanlage oder – an der Eingangsklemme der NSV der Weichenheizanlage. Soweit möglich, werden alle standardisierten 16,7-Hz-Weichenheizbauteile verwendet. Versorgungskabel, Niederspannungsverteilerschrank sowie Anschlusskasten werden den technischen Erfordernissen angepasst. Bei der Schaltung wird auf eine symmetrische Belastung der Außenleiter geachtet. Die Schutzmaßnahmen müssen entsprechend Abschn. 10.3.4 ausgeführt werden.
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
Oberleitung Mastrennschalter ohne Erdkontakt, motorbetätigt, (orts-/ferngesteuert) Kugelfestpunkte Mittelspannungskabel 30 kV HH-Sicherung Nichtisolierte Schienen
Potentialausgleichsschiene Nichtisolierte Schiene
Tiefenerder HS-Raum Transformator AC 16 kV/2 AC 231 V, 16,7 Hz, Schaltung Ii0, mit Trafoschutz Tiefenerder
NS-Raum
NS-Leistungsschalter, 2-polig
PE 4 (2)
Zuleitung Steuerspannung/Nebenverbraucher AC 230 V 50 Hz (ohne PE-Leiter) Wh
3
3
V Wirkleistungszähler Spannungsmessung 0 – 500 V A
Strommessung über Stromwandler Sammelschiene und Abgänge L1, L2
NH-Sicherung, 2-polig
Z U I> Isolierstoffgehäuse
RCD 500 V 40/0,3 A 16,7 Hz, Leistungsschaltgerät, Ansteuerung durch - Schienentemperaturregelung, - Außentemperaturregelung, - Schneewächter, - Trafoschaden, - Isolationsüberwachung, - Spannungsüberwachung, - Stromüberwachung
Kabel NYY-0 Verteilerkasten Heizstäbe PE-Anschluß an isolierter oder nicht isolierter Schiene
Abb. 10.16 Allgemeiner Systemaufbau einer Weichenheizanlage am AC 15 kV 16,7-Hz-Netz
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
3/N AC 400/230 V 50 Hz, - Einspeisung aus bahneigenem Netz oder - Einspeisung aus öffentlichem EVU-Netz NS – Sicherung (in UV der Weichenheizanlage) Kabel NYY-0 4
Nicht isolierte Schiene Potentialausgleichsschiene Tiefenerder
4
HPAS
4
3/N AC 400/230 V 50 Hz, (TT-System) NH-Sicherunglasttrennschalter oder NS-Leistungsschalter mit Motorantrieb 3-polig PE
4
Spannungsversorgung Nebenverbraucher 4
3
3
Wh
V
Umschalter: L1-L2 L2-L3 L3-L1 L1-N L2-N L3-N 0
4
Wirkleistungszähler Spannungsmessung 0 – 400 V Leistungsschaltgerät, Ansteuerung durch - Schienentemperaturegelung, - Außentemperaturregelung, - Schneewächter, - Spannungsüberwachung
4
4 4 A
Strommessung über Stromwandler
Z
Isolationsüberwachung Sammelschiene, 3/N AC 400/230 V 50 Hz, (TT-System)
4 4 L1, L2, L3, N
4
Sicherungen, 3-polig RCD, 400/230 V 40/0,3 A 50 Hz, Stromüberwachung
4 4 I> Freiluft Niederspannungsverteilung in Isolierstoffgehäuse Kabel NYY-0
4 2
Kabelverteilerkasten, max. 15 kW pro Abgang, Heizstäbe symmetrisch aufteilen Heizstäbe PE-Anschluß an isolierter oder nicht isolierter Schiene
Abb. 10.17 Allgemeiner Systemaufbau einer elektrischen Weichenheizanlage am 3 AC 400 V 50-Hz-Netz
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
10.3.2.3 AC 400 V 50-Hz-EVU-Versorgungsnetz Falls kein bahneigenes 3 AC 400 V 50-Hz-Versorgungs- und kein Oberleitungsnetz vorhanden ist bzw. die Versorgung der Weichenheizanlage aus diesen Netzen nicht zweckmäßig erscheint, können Weichenheizanlagen auch aus einem 3 AC 400 V 50-Hz-EVU-Netz mit Heizenergie versorgt werden. Die Heizenergie wird einer vorhandenen, zu erweiternden oder neu zu errichtenden Transformatorenstation entnommen. Von der Transformatorenstation wird die 3 AC 400 V 50 Hz-Heizenergie über einen Trenntransformator und ein Starkstromkabel zur Weichenheizanlage übertragen. Die Schnittstelle zwischen dem 3 AC 400 V 50-Hz-EVU-Versorgungsnetz und Weichenheizanlage bezüglich der Anlagenzuordnung liegt am Anschlusskasten der NSV der Weichenheizanlage mit anschließender Zählund Verrechnungseinheit. Abbildung 10.17 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer elektrischen Weichenheizanlage am 3 AC 400 V 50-Hz-Versorgungsnetz.
erstellt. Die Fertigbetonstationen werden als geschlossene Räume (Raumzelle) durch eine Zwischenwand in zwei Räume aufgeteilt. Beide Räume, der Hochspannungsraum (HS-Raum, s. Abb. 10.18) und der Niederspannungsraum (NS-Raum), sind jeweils durch eine separate Tür von außen zugänglich. Im HS-Raum der Fertigbetonstation werden Hochspannungssicherung und Transformator untergebracht, im NS-Raum die Niederspannungsverteilung (NSV). Vom Masttrennschalter (s. Abb. 10.19) wird ein Kabel – hierzu gehören ein Freiluftkabelendverschluss sowie ein Innenraumkabelendverschluss – am Mast zu der auf dem Boden befindlichen Betonstation geführt. Der Querschnitt des Leiters und der Schirm werden nach der örtlichen Kurzschlussleistung dimensioniert. Der Schirm des Kabels wird am Mast geerdet und in der Station isoliert aufgelegt. Die Gänge der begehbaren Anlagenteile der Fertigbetonstation entsprechen im Nieder-
10.3.2.4 DC 750 V- oder DC 600 V-Oberleitungsnetz Die elektrische Energie zum Betrieb der Weichenheizanlagen wird dem DC 750 V- oder DC 600 V-Oberleitungsnetz entnommen. Die elektrische Weichenheizanlage wird an der Oberleitung über einen Masttrennschalter angeschlossen. Die Steuerung der Weichenheizanlage versorgt die Heizstäbe direkt ohne Änderung der Spannungsebene. Die Hilfsenergie zum Betrieb der Steuerung kann aus der Oberleitungsspannung erzeugt werden.
10.3.3 Komponenten von elektrischen Weichenheizanlagen 10.3.3.1 Transformator in Fertigbetonstation Weichenheizanlagen mit Energiebezug aus dem Oberleitungsnetz werden im Regelfall unter Verwendung von Fertigbetonstationen
487
Abb. 10.18 Hochspannungsraum mit Transformator
488
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
verteilung geführt. Der Freiluft-Niederspannungsverteilerschrank wird in Fahrtrichtung gesehen möglichst hinter einem Oberleitungsmast mit der Tür vom Gleis abgewandt aufgestellt. An Schnellfahrstrecken mit Geschwindigkeiten > 200 km/h ist die Anordnung des Transformators am Mast nicht zulässig. 10.3.3.3 Fertigbetonstation Begehbare Fertigbetonstationen im Bereich der DB werden in zwei Ausführungen je nach Transformatorenleistung verwendet. Dabei liegen die Leistungsgrenzen für Transformatoren bei: – 160 kVA und – 400 kVA.
Abb. 10.19 Zur elektrischen Weichenheizanlage gehörender Mastschalter
spannungsteil DIN VDE 0100 und im Hochspannungsteil DIN VDE 0101. 10.3.3.2 Transformator am Mast Sofern aufgrund von örtlichen Gegebenheiten die Aufstellung einer Fertigbetonstation nicht möglich ist, wird die Installation im Ausnahmefall an einem geeigneten Oberleitungsmast ausgeführt. Mast und Fundament werden dazu statisch überprüft. Der Transformator bis maximal 100 kVA wird an einem Winkel- oder Schleuderbetonmast auf der dem Gleis abgewandten Mastseite oder der einer Abspannung gegenüberliegenden Seite in einer Höhe von ≥ 6 m über Schienenoberkante auf einer Konsole angebracht. Zum Gelände (Boden) werden die Mindestabstände gemäß DIN VDE und GUV 2.10 eingehalten. Von der Sekundärseite des Transformators wird am Mast ein Kabel zur Niederspannungs-
Weiterhin können für Transformatoren bis – 100 kVA nicht begehbare Fertigbeton-Kompaktstationen verwendet werden. Der Kabelkeller im Transformatorenraum wird so konzipiert, dass er im TransformatorSchadensfall als Ölauffangwanne dient. Die Belüftung wird auf die maximale Transformatorenverlustleistung abgestimmt. Die Fertigbetonstation ist so ausgelegt, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch allen statischen und dynamischen Belastungen (Überdruck bis 160 mbar) standhält. Für die Aufstellung der Fertigbetonstation ist eine Baugrube auszuheben und mit einer 10 cm starken Schicht aus verdichtungsfähigem Mineralgemisch aufzufüllen und zu verdichten. Nach dem Verdichten liegt die Gründungssohle der Baugrube 0,8 m unter OKGelände. Damit ist in der Regel eine frostfreie Gründung gegeben. Die Fertigbetonstationen werden für eine zulässige Baugrundbelastung mit mittlerer Bodenpressung von p = 0,150 N/mm2 gebaut. Vor dem Stellen der Fertigbetonstation wird die Bodentragfähigkeit mit einer dynamischen Fallplatte geprüft. Für die Messpunkte wird der Nachweis erbracht, dass ein DPR-Wert >97%
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
489
für den Baugrund gegeben ist und in einem Prüfprotokoll festgehalten. Nach dem Stellen der Fertigbetonstation und dem Einführen der Kabel wird die Baugrube mit Aushub verfüllt und lagenweise verdichtet. Vor den Eingangstüren der Fertigbetonstation werden Trittstufen mit Abtreter gesetzt. Weiterhin wird eine Traufbefestigung, z.B. aus Rasengittersteinen, mit einer Breite von ca. 0,6 m um die Fertigbetonstation mit Gefälle vom Gebäude weg verlegt.
Die Sicherung wird gegenüber der davor gelegenen Überstromschutzeinrichtung, z.B. im Unterwerk, selektiv abgestuft. Die Sicherungsnennstromstärke wird nach folgenden Kriterien ausgewählt: – mindestens 2.5 – 3 × In des Transformators, – mindestens 12 – 15 × In des Transformators für 100 ms.
10.3.3.4 Hochspannungssicherung Es werden folgende Hochspannungs-(HH)Sicherungen eingesetzt: – Innenanlagen (Transformator in Fertigbetonstation): Um = 24 kV – Außenanlagen (Transformator am Mast): Um = 36 kV
10.3.3.5 Transformator Für elektrische Weichenheizanlagen im Bereich der DB werden überwiegend Öltransformatoren eingesetzt. Die Einphasen-Öltransformatoren werden in hermetisch geschlossener Bauweise mit folgenden technischen Daten ausgeführt: 30 bis 400 kVA – Nennleistung: 16 kV – Nennspannung, primärseitig: – Nennspannung, sekundärseitig: 2 × 231 V 6% – Nennkurzschlussspannung: Ii0 – Schaltgruppe: – Bemessungstemperatur für Innenaufstellung: + 25 °C – Bemessungstemperatur für Außenaufstellung: + 5 °C
Die Sicherung wird nach dem größeren der beiden Werte bemessen.
Für Weichenheizanlagen, die sich in Naturschutzgebieten und potentiellen Überflutungsgebieten befinden, werden vorzugsweise Trockentransformatoren verwendet. Der Transformatorenschutz wird über Druck- und Temperaturwächter realisiert. Die Transformatoren werden an Bahnerde angeschlossen.
Abb. 10.20 Hochspannungssicherung und Innenraum-Kabelendverschluss
10.3.3.6 Niederspannungsverteilung (AC-Betrieb) Niederspannungsverteilungen (NSV) für elektrische Weichenheizanlagen im Bereich der DB werden in einem Isolierstoffgehäuse untergebracht. NSV aus pulverbeschichtetem Stahlblech werden nur im NS-Raum von Fertigbetonstationen verwendet.
490
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Folgende Arten von Niederspannungsverteilungen werden unterschieden: – AC 462 V 16,7 Hz, Ausführung in Schutzklasse I, Schutzart IP54 – 2 AC 231 V 16,7 Hz, Ausführung in Schutzklasse I, Schutzart IP54 – 3 AC 400 V 50 Hz, Ausführung in Schutzklasse II, Schutzart IP54. Vorstehende Arten von Niederspannungsverteilungen sind für Außen- und Innenraumaufstellung erhältlich. Bezüglich der Schutzmaßnahmen (siehe Abschnitt 0) kann die Ausführung der NSV im Bereich der DB von der DS 954.0107 abweichen. Sie wird in der DS 954.9101, Abschnitt 2(7), geregelt. Bei Freiluft-Niederspannungs-Verteilerschränken wird auf eine ausreichende natürliche Belüftung geachtet. Die Niederspannungsverteilung wird in einem eigenen Gehäuse im Verteilerschrank eingebaut.
Beleuchtung und eine 16-A-Schutzkontaktsteckdose, gespeist aus dem 50-Hz-Netz, werden in der Station bzw. in Freiluft-Niederspannungsverteilerschränken im Schrankinneren eingebaut. Die Maximalleistung je Stromkreis bzw. Abgang mit einem Kabel NYY-0 von der Niederspannungsverteilung zum Anschlusskasten an der Weiche beträgt bei 16,7-Hz-Anlagen maximal 11,5 kW, bei 50-Hz-Anlagen maximal 15 kW bei symmetrisch aufgeteilter Last. Ein geeichter Wirkleistungszähler (Klasse 1) mit ¼ h-Leistungsmessung und der Möglichkeit zur Datenübertragung ist zur Erfassung der Heizenergie vorhanden. Für die Energiemessung notwendige Spannungs- und Stromwandler entsprechen der Genauigkeitsklasse 0.5. Für statistische Zwecke werden Betriebsmeldungen, Befehle und Störungsmeldungen im Steuergerät der elektrischen Weichenheizanlage in einem Kurzzeitspeicher erfasst und abgelegt. Diese Daten können über entsprechende Schnittstellen vor Ort oder von einem zentralen Leitrechner abgerufen und zur Langzeitarchivierung gespeichert werden. 10.3.3.7 Weichenheizungssteuerung (DC-Betrieb) Die Weichenheizungssteuerung für elektrische Weichenheizanlagen im Nahverkehrsbereich (Straßenbahnen) wird in einem Isolierstoffgehäuse mit Schutzgrad IP65 untergebracht. Das Isolierstoffgehäuse gestattet mit Hilfe verschiedener Adapter die Anbringung an einer Wand bzw. einem Mast oder die Aufstellung in einem freistehenden Schrank mit Sockel. Die Weichenheizungssteuerung ist für den Betrieb der Heizstäbe mit dem Gleichstrom der Fahrleitung vorgesehen. Sie enthält alle für die Steuerung erforderlichen Bauelemente. Wahlweise sind Weichenheizungssteuerungen für Pluspotenzial oder Minuspotenzial am Fahrdraht erhältlich. Die Spannung beträgt DC 750 V oder DC 600 V. Weitere Spannungen sind möglich.
Abb. 10.21 Niederspannungsverteilung (NSV)
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
491
– Erzeugung der Schutzkleinspannung für den Temperatursensor aus der Fahrdrahtspannung, – galvanische Trennung des Temperatursensors von der Fahrdrahtspannung, – Auswertung der Informationen des Temperatursensors und Erzeugung des Schaltsignals zur Einschaltung der Weichenheizung.
Abb. 10.22 Weichenheizungssteuerung (DC-Betrieb), Ausführung für 6 Weichen
Die Hilfsenergie für die Steuerung kann aus der Fahrdrahtspannung erzeugt werden. In diesem Fall ist keine zusätzliche Einspeisung der Hilfsenergie aus einem 3 AC 400V 50-HzEVU-Versorgungsnetz erforderlich. Mit Hilfe eines im Schaltkasten eingebauten Wahlschalters kann die Weichenheizungssteuerung von Handbetrieb auf Automatikbetrieb oder vollständig ausgeschaltet werden. Im Hauptstromkreis befindet sich eingangsseitig ein Sicherungsautomat. Dieser ist auf den insgesamt möglichen Gesamtstrom der Weichenheizung abgestimmt und verfügt über den üblichen Kurzschlussschutz und einen thermischen Überstromauslöser. Der thermische Überstromauslöser kann als Option einstellbar ausgelegt werden. Von dort wird die Heizspannung weiter geführt zu einem Hauptschütz und danach zu den für je 2 Heizstäbe einer Weiche vorgesehenen Sicherungsautomaten verteilt. Diese sind ebenfalls mit Überstromauslösern (optional einstellbar) versehen. Von hier wird die Heizspannung über Weichenheizungsüberwachungsrelais zu den Anschlussklemmen der Abgänge im Schaltkasten geführt. Die Steuerung der Weichenheizung erfolgt über die Umgebungstemperatur und wird mit Hilfe eines Temperatursensors erfasst und dem Trennschaltverstärker zugeführt. Dieser hat mehrere Funktionen:
Erreicht die Schienentemperatur den für Schneefall typischen Wert von +2 °C, dann wird über den galvanisch getrennten Ausgangskontakt des Trennschaltverstärkers das Hauptschütz eingeschaltet. Damit werden gleichzeitig alle angeschlossenen Heizstäbe eingeschaltet. Die Überwachung der Heizstäbe erfolgt mit Hilfe eines Überwachungsrelais, welches den Stromfluss im Heizkreis prüft. Bei Stromunterbrechung generiert die im Überwachungsrelais enthaltene Elektronik eine Fehlermeldung, welche über einen potenzialfreien Kontakt an eine betrieblich besetzte Stelle oder an eine übergeordnete Steuerung weitergemeldet werden kann. Standard ist hier eine Sammelstörmeldung aller überwachten Heizstäbe. Ein Betriebsstundenzähler erfasst die Heizzeit. 10.3.3.8 Niederspannungskabel, Anschlusskästen Für die Verbindung zwischen der Sekundärseite des Transformators und der Niederspannungsverteilung werden Kabel Typ NYY-0 als Einleiterkabel verlegt. Der Kabelquerschnitt wird nach der Transformatorleistung bemessen. Die Kabel werden kurzschlussfest und besonders sicher verlegt. Im unmittelbaren Bereich der zu beheizenden Weiche werden Anschlusskästen aus Kunststoff auf einen Erdfuß gesetzt, am Lagereisen des Weichenantriebs oder am Lagereisen des Endlagenprüfers befestigt. Die Anschlusskästen besitzen schraubenlose Reihenklemmen und verschiedene Durchbrüche, Verschraubungen und Zugentlastungen
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10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur Abb. 10.23 Anschlusskasten auf Erdfuß
10.3.3.9 Heizstäbe In der Regel werden bei Vollbahnen Backenschienen, Verschlussfach und bewegliche Herzstücke beheizt. Weichen, die sich weniger als 300 m innerhalb eines Tunnels befin-
den, müssen beheizt werden. Die Heizeinrichtungen werden im Einzelnen wie folgt ausgeführt: Der stabförmige Heizkörper mit flachovalem Querschnitt arbeitet nach dem Prinzip der elektrischen Widerstandsheizung mit einer spezifischen Heizleistung von ca. 330 W/ m. Die Heizstäbe erfüllen die Schutzart IP 65. Abbildung 10.24 zeigt den Querschnitt eines Heizstabes. Der flachovale Mantel des Heizstabes besteht aus Edelstahl. Die innenliegende Heizwendel ist vom Mantel durch verdichtetes MgO-Pulver isoliert. Jeder Heizstab besitzt einen Einzelanschlusskopf, an den die flexible Leitung angeschlossen ist. Grundsätzlich werden Heizstäbe verwendet, bei denen der Anschlusskopf vergossen oder anderweitig gegen das Eindringen von Feuchtigkeit sicher geschützt ist. Der Anschlusskopf des Heizstabes wird mit einer Anschlusskopfbefestigung am Schienen5,5 ±0,25 13 +0,5 –0,25
für das ankommende Kabel und die abgehenden Leitungen. Gemäß der Speisung der Weichenheizanlage sind entsprechende Anschlusskästen vorzusehen. Bei Speisung der Heizstäbe mit AC 462 V 16,7 Hz, werden zwei Heizstäbe gleicher Leistung in Reihe geschaltet. Bei 2 AC 231 V 16,7 Hz-Speisung werden die Heizstäbe parallel gegen den Neutralleiter (N), bei 3 AC 400 V 50-Hz-Anlagen werden die Heizstäbe im Stern gegen N geschaltet. Zwischen dem Anschlusskasten und den Heizstäben an der Weiche werden vorkonfektionierte Leitungen 2 × 1,5 mm2 verlegt. Im Gleisbereich werden Leitungen quer zur Schiene in einem Kunststoffkabelschutz verlegt. Der Kabelschutz wird mit geeigneten Mitteln an den Schwellen befestigt. Bei Notwendigkeit von Bohrungen in Betonschwellen muss deren Zulässigkeit geprüft werden. Kabel längs zur Schiene werden gebündelt an der Backenschienenaußenseite bis auf Höhe des Anschlusskastens verlegt.
Abb. 10.24 Querschnitt durch einen Heizstab
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
493
Abb. 10.25 Anschlussköpfe von Weichenheizstäben
fuß montiert. Die Anschlusskopfbefestigung stellt die Schutzleiteranschlussstelle an der Schiene dar. Sie muss dementsprechend gestaltet und gekennzeichnet sein.
Der Stab wird beispielsweise an Backenschienen in der Kehle zwischen Schienenfuß und -steg mit Klemmbügeln montiert, welche einen guten Wärmeübergang sicherstellen und trotzdem die Längendehnung des Heizstabes nicht behindern. Je nach Schienenprofil werden passende Klemmbügel verwendet. Die Wärme wird durch Konvektion und Strahlung auf die zu beheizenden Bauteile der Weichen übertragen Die Bestückung der Weichen mit Heizstäben ist vom Schienenprofil (z.B. S49, S54, UIC 60) und vom Weichenradius abhängig. 10.3.3.9.1 Backenschienenheizung Abbildung 10.26 zeigt die Anbringung eines Heizstabes an der Backenschiene. Bei dieser Heizeinrichtung werden die Heizstäbe auf dem Schienenfuß mittels Klemmbügeln und einer Anschlusskopfbefestigung je Heizstab befestigt. Abbildung 10.27 zeigt einen mit einem Klemmbügel arretierten Heizstab. Der Heizstab ragt im Bereich der Zungenspitze 200–500 mm über diese hinaus. Die Wärme wird über die Gleitstühle zur Weichenzunge übertragen.
Abb. 10.26 Heizstab an der Backenschiene
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Weichenzunge Backenschiene Gleitstuhl
Klemmbügel
Heizstab
Abb. 10.27 Anbringung des Heizstabes an der Backenschiene
10.3.3.9.2 Herzstückheizung Es gibt sowohl gelenkig bewegliche als auch federnd bewegliche Herzstücke, die elektrisch beheizt werden. Die Heizstäbe werden am Schienensteg mittels Klemmblechen befestigt. Abbildung 10.28 zeigt die Anbringung der Heizstäbe im Herzstückbereich einer Weiche. 10.3.3.9.3 Verschlussfachheizung In Verbindung mit der Backenschienenheizung und der Temperaturregelung wird eine Verschlussfachheizung (Spitzen-, Mittelverschlüsse und gegebenenfalls Verschlüsse im Herzstück) vorgesehen. Mit dieser Heizung werden die Verschlusseinrichtungen einschließlich der Gestänge schnee- und eisfreigehalten. Die komplette Heizeinrichtung besteht aus zwei Trägerplatten mit je einem Heizstab 250 W (Abb. 10.29), für Weichen mit HRSVerschlüssen in der Zungenvorrichtung mit großen Trägerplatten und je einem Heizstab 450 W (Abb. 10.30). HRS-Verschlüsse sind spe-
zielle, mechanische Verschlüsse zum Verriegeln der Weichenzungen. HRS bedeutet hierbei „Heben-Rollen-Senken“. Eine von der Backenschienenheizung getrennte Steuerung der Verschlussfachheizung ist möglich. 10.3.3.9.4 Zungenheizung Es besteht die Möglichkeit, zusätzlich zu den vorgenannten Heizeinrichtungen eine Zungenheizung vorzusehen. Dabei wird auf der Zunge der Weiche ein Heizstab der Backenschienenversion, jedoch mit besonderen Befestigungsteilen, angebracht. Bei Kreuzungen werden generell neben den Backenschienen auch die Zungen beheizt. Die Anbringung des Heizstabes an der Weichenzunge zeigt Abb. 10.31. 10.3.3.9.5 Weichenheizstäbe für Nahverkehr (Straßenbahn) Für die Beheizung von Straßenbahnweichen werden Heizkörper mit flach-ovalem Quer-
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
495
Schnitt B - B
Schnitt A - A
Klemmblech
Klemmblech
Klemmblech
Heizstab
Heizstab
Heizstab
Flügelschiene
Blockbereich (Herzstück)
Beheizung der Flügelschiene
Beheizung im Blockbereich
A B
A
Abb. 10.28 Anbringung der Heizstäbe im Herzstückbereich
Abb. 10.29 Verschlussfachheizung 2× 250 W
B
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Abb. 10.30 Verschlussfachheizung für HRS-Verschluss 2× 450 W
Weichenzunge
Heizstab
Backenschiene Gleitstuhl
Abb. 10.31 Anbringung des Heizstabes an der Weichenzunge
schnitt (Vigniolschienen) oder Rundrohrheizkörper (Rillenschienen) eingesetzt. Wegen der erhöhten Korrosionsbelastung durch Streusalz wird für die Ummantelung grundsätzlich einen höher beständigen Edelstahl (X 10 NiCrAlTi 3230 DIN 17455) verwendet. Für die Beheizung von Vigniolschienen kommen die bei Vollbahnen üblichen Heizstabformen und Befestigungselemente zum Einsatz. Aufgrund der größeren Betriebsspannung ist für Heizstäbe, die im Nahverkehr eingesetzt werden, eine erhöhte Hochspannungsfestigkeit vorgesehen.
10.3.4 Schutzmaßnahmen Durch die „Schutzmaßnahme bei indirektem Berühren“ muss der Schutz von Personen gegen elektrischen Schlag sicher gestellt sein. Die Leit-, Sicherungstechnik (LST-Anlagen) sowie Telekommunikationsanlagen dürfen nicht unzulässig beeinflusst werden. 10.3.4.1 Erdung Zum Prüfen der Hochspannung an der elektrischen Weichenheizanlage werden Spannungsprüfer gemäß DIN VDE 0682 Teil 411
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
mit der Aufschrift „Auch bei Niederschlägen verwendbar“ benutzt. Zur Sicherung von Arbeiten im HS-Raum der Transformatorenstation und an Hochspannung führenden Anlagenteilen sind handgeführte Erdungseinrichtungen (EuK) zu verwenden. Spannungsprüfer und handgeführte Erdungseinrichtungen werden im HS-Raum der Transformatorenstation vorgehalten. Die Erdungssammelschiene wird mit dem Erdungsanschluss der Fertigbetonstation und einem Tiefenerder verbunden. Der Erdübergangswiderstand des Tiefenerders beträgt Re < 10 Ω. Der Erdübergangswiderstand wird nach der Errichtung gemessen und protokolliert. Die Niederspannungsverteilung (NSV) sowie integrierte elektronische Komponenten werden mit einem geeigneten Überspannungsschutz geschützt. Zur Stoßableitung von induktiven Einkopplungen in das Schienennetz wird die NSV der elektrischen Weichenheizanlage mit dem Tiefenerder verbunden. Wird die Fertigbetonstation im Oberleitungsbereich aufgestellt, ist diese über den Erdungsanschluss an Bahnerde anzuschließen. Die innere Erdung der Fertigbetonstation wird mit verstärkter Bewehrung gemäß DS 997.0205 für Anlagen im Oberleitungsbereich mit Kurzschlussströmen Ik“ > 25 kA ausgeführt. 10.3.4.2 Netzform Die elektrische Schaltung einer EWHA entspricht einem TT-System, d.h. es wird kein Schutzleiter mitgeführt. Alle leitenden Bauteile werden daher in die Schutzmaßnahme Erdung (Bahnerdung) einbezogen. Bei Vorhandensein eines Weichenheiztransformators wird dessen Primärwicklung über zwei Erdungsleiter und zwei getrennte Anschlusspunkte an geerdete, nicht isolierte Schienen angeschlossen (Funktionserdung). Die Sekundärwicklung wird über die Potentialausgleichsschiene und Erdungsleiter an eine geerdete, nicht isolierte Schiene angeschlossen.
497
Für die Stromversorgung des Heizstabes erfolgt seine Erdung an nichtisolierten Schienen, wobei die Schienen als Schutzpotential dienen, mit dem die Körper des Heizstabes durch die Montage elektrisch verbunden werden. Der Heizstäbe an isolierten Schienen werden über Impedanzen (Drosseltransformatoren) an nicht isolierten Schienen geerdet. Wird die Gleis-Besetzt- und -Frei-Meldung von Weichen mit Gleisstromkreisen realisiert, ist eine Schiene der Weichen isoliert. Zwischen den beiden Schienen speist ein Transformator eine Spannung für die Gleisstromkreise ein. Der Widerstand zwischen nichtisolierter (geerdeter) und isolierter Schiene liegt unter 10 Ω. 10.3.4.3 Schutzeinrichtungen Die anzuwendende Schutzmaßnahme bei indirektem Berühren ist „Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung“. Als Schutzeinrichtung im TT-System sind Überstrom-Schutzeinrichtungen und RCDs (Fehlerstromschutzeinrichtungen) anerkannt. Folgende RCDs sind je nach Speisung der Weichenheizung und Stromsystem der Bahn zu verwenden (s. Tabelle, S. 498). 10.3.4.4 Besonderheiten Bei DC-Bahnen, die über größere Strecken parallel zu einer AC-Bahn verlaufen, können die elektrischen Weichenheizanlagen der DCBahn aus der Oberleitung der AC-Bahn mit Heizenergie versorgt. Zur Vermeidung der Verschleppung von Rückströmen der DCBahn in das Rückleitungssystem der AC-Bahn und zur Vermeidung von Streustromkorrosion muss in die sekundäre Rückleitung bzw. Funktionserdung des Weichenheiztransformators ein Kondensator in Reihe geschaltet werden. Die Speisung der Heizstäbe sollte in diesem Fall über Trenntransformatoren erfolgen.
498
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Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Art des RCD
Energiebezug der EWHA aus
Streckenart
RCD 16,7 Hz in Bahnausführung
AC 15 kV 16,7 Hz-Oberleitungsnetz
Elektrifiziert, AC 16,7 Hz
RCD 16,7 Hz, pulsstromsensitiv (Wechselfehlerströme und pulsierende Gleichfehlerströme) RCD 50 Hz nach DIN VDE 0664-1
Elektrifiziert, DC
3 AC 400 V 50 Hz-EVU-Netz
Elektrifiziert, DC Elektrifiziert, AC 16,7 Hz Elektrifiziert, AC 50 Hz Nicht elektrifiziert
DC 750 V- oder DC 600 V-Oberleitungsnetz AC 25 kV 50 Hz-Oberleitungsnetz
Elektrifiziert, DC Elektrifiziert, AC 50 Hz Elektrifiziert, DC
10.3.4.5 Kabelmäntel und -schirme Im Rahmen der Planung der EWHA wird die Einhaltung der Grenzwerte für Beeinflussungsspannungen auf LST- und Telekommunikationskabeln, im Bereich der DB gemäß DS 819.0804, überprüft. Werden die Grenzwerte eingehalten, können ungeschirmte Kabel verwendet werden. Bezüglich des Auflegens und Erdens von Kabelschirmen und -mänteln werden bei der Montage generell die technischen Vorgaben des Lieferanten der EWHA-Steuerung befolgt. Werden vom Lieferanten keine Vorgaben gemacht, werden Kabelschirme und/oder -mäntel von LST- und Telekommunikationskabeln gemäß DS 819.0805 an beiden Kabelenden bahngeerdet. Dazu ist in der DS 819.0805 Folgendes ausgeführt: „Durch die induktive Beeinflussung wird in den längs durchgehenden Aufbauelementen (des Kabels, Anm. d. Verf.) eine Mantellängsspannung (UMB) erzeugt. Durch die mindestens zweiseitige Erdung der metallenen Aufbauelemente wird durch die Mantelspannung ein Mantelstrom (IM) angetrieben. Dieser wie-
derum induziert auf den Kabeladern eine Aderspannung (UAM), die der Beeinflussungsspannung auf den Adern durch das beeinflussende System (UAB) weitgehend entgegengerichtet ist. Durch die vektorielle Addition von UAB und UAM ergibt sich die verbleibende (reduzierte) Aderspannung UA. Auf Grund der galvanischen Kopplung der metallenen Aufbauelemente mit Anlagenteilen, die Oberleitungsrückstrom führen, ergibt sich der Mantelstrom aus der Überlagerung des induktiv eingekoppelten Stromes und des galvanischen Rückstromes. Beeinflussungstechnisch haben beide Anteile meist gleichsinnige Wirkung.“ … „Der Reduktionsstromkreis“ … „muss durch eine Erdung der metallenen Aufbauelemente mindestens an den Kabelenden realisiert werden. Wird dieser Stromkreis unterbrochen, ist keine Reduktionswirkung vorhanden.“ „Der Querschnitt der metallenen Aufbauelemente ist ausreichend, um Anteile des Traktionsrückstromes über diese fließen zu lassen. Dadurch ist ein beidseitiger Anschluss an Bahnerde möglich“.
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
10.3.5 Steuerung und Regelung Die Ausführungen dieses Abschnitts beziehen sich auf Vollbahnen. 10.3.5.1 Allgemein Elektrische Weichenheizanlagen werden sowohl in besetzten als auch unbesetzten Standorten mit einer selbsttätig arbeitenden Steuerung ausgestattet. Bestandteil dieser Steuerung ist eine Temperaturregelung mit Temperaturfühler und ggf. ein Schnee- bzw. Feuchtigkeitswächter. Als Steuerspannung wird im Regelfall AC 230 V 50 Hz verwendet. Als Schutzeinrichtungen müssen RCDs verwendet werden. Befehls- und Meldeeinrichtungen der Weichenheizanlagen (auch die der unbesetzten betrieblichen Stellen) müssen immer in einer
Steuereinheit (SE) der elektrischen Weichenheizanlage
besetzten betrieblichen Stelle installiert werden. Befehle und Meldungen für die örtlichen Weichenheizanlagen werden i.d.R. über Telekommunikationskabel übertragen. Für die Übertragung von Befehlen und Meldungen der Weichenheizanlagen der unbesetzten betrieblichen Stellen sind bevorzugt zur Verfügung stehende Fernwirksysteme und Streckenkabel verwenden. Die Übergabe der Befehle und Meldungen an das Übertragungssystem erfolgt über potentialfreie, galvanisch getrennte Kontakte. Die zur Übertragung von Befehlen und Meldungen von der Steuerung zur besetzten betrieblichen Stelle und umgekehrt eingesetzten Telekommunikationskabel werden in der Steuerung und vor dem Bedientableau zur Potentialtrennung an sogenannte Repeater angeschlossen. Die Kabelschirme dieser Kabel werden abisoliert und an der Zugentlastung des Repeaters untergeklemmt. Die Zugentlastung
Steuereinheit (SE) der elektrischen Weichenheizanlage
Steuereinheit (SE) der elektrischen Weichenheizanlage
Kontrolleinheit (KE/ZE)
Tk-Unterstation z.B. PAD MAS90, Modem oder TAE-Dose Schnittstelle elektrische Weichenheizanlage/ TK-Anlage
499
Übertragungsnetz Tk-Unterstation z.B. PAD MAS90, Modem oder TAE-Dose
Umsetzeinrichtung
Befehls- und Meldeeinrichtungen (z.B. Mosaiktafel, Bedientableau
Abb. 10.32 Übertragung von Befehlen und Meldungen elektrischer Weichenheizanlagen
Schnittstellenrechner
PC-Visualisierungssystem
500
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
selbst ist mit der Gehäusemasse des Repeaters verbunden. Damit ergibt sich über Hutschiene und Gerüst der Steuerung bzw. Bedientableau eine galvanische Verbindung zur Potentialausgleichsschiene, die wiederum über eine Verbindung zur nichtisolierten Schiene bahngeerdet ist. Dadurch ist eine zweiseitige Bahnerdung gegeben. In unbesetzten betrieblichen Stellen muss die Bedienung und Überwachung der elektrischen Weichenheizung vor Ort für das Instandhaltungspersonal an der Niederspannungsverteilung möglich sein. Die Prinzipschaltung für die Übertragung der Befehle und Meldungen ist in Abb. 10.32 dargestellt. Wenn mikroprozessorgesteuerte Steuereinrichtungen an elektrischen Weichenheizanlagen eingesetzt werden, ist die Möglichkeit zu schaffen, die elektrische Weichenheizanlage unter Umgehung dieser Steuerungseinrichtung im Bedarfsfall kurzzeitig weiterzubetreiben (Notfallsteuerung). Diese Maßnahme wird durch eine Schalthandlung an der Niederspannungsverteilung der elektrischen Weichenheizanlage vor Ort realisiert. Nach Ansprechen des Druckwächters des Transformators muss diese Notfallsteuerung unmöglich sein.
10.3.5.2 Regelung Durch kombinierte Feuchtigkeits- und Außentemperaturmessung wird Schneefall und Flugschnee erfasst. In Verbindung mit dem Schienentemperaturfühler wirkt der Schaltbefehl auf das Leistungs-Schaltgerät des Heizkreises. Die Fühlerstation wird unmittelbar neben einem durchgehenden häufig befahrenen Gleis aufgestellt, um auch den Flugschnee vorbeifahrender Züge zu erfassen. Zur Temperaturregelung gehört ein Schienentemperaturfühler, der an der führenden Weiche etwa 50 mm vor der Weichenzunge angebracht wird. Als führende Weiche wird die Weiche ausgewählt, die den ungünstigsten klimatischen Verhältnissen ausgesetzt ist (starke Windbeeinflussung, Gefahr von Schneeverwehungen, stark befahrene Weiche). Auf Strecken mit Linienzugbeeinflussung (LZB) wird der Temperaturfühler an Weichen von Nebengleisen oder an Weichen, die im Regelbetrieb zur Ausfahrt benutzt werden, positioniert. Abbildung 10.33 zeigt eine Fühlerstation. Folgende Einschaltpunkte werden vorgesehen (s. Tabelle nächste Seite). Der Einschaltpunkt der Weichenheizung wird bei vorhandener Feuchtigkeit mit + 3 °C Schienentemperatur, die Schalthysterese mit 4 K gewählt.
Abb. 10.33 Regen- und Schneesensor
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
Einschaltpunkt
Logische Verknüpfung
Sensor
Verschlussfachheizung VH
Temperatur
Lufttemperaturfühler
Backenschienenheizung BH feucht
Temperatur UND Feuchtigkeit
Schienentemperaturfühler Niederschlagsfühler
Backenschienenheizung BH trocken
Temperatur UND NICHT Feuchtigkeit
Schienentemperaturfühler Niederschlagsfühler
Es muss eine Betriebsart vorgesehen sein, die bei tiefen Außentemperaturen (einstellbar von –5 °C bis –15 °C) auch bei fehlender Feuchtigkeit ein Heizen gewährleistet. Statt konventioneller Schütze können als Leistungsschaltgerät auch leistungselektronische Schalteinrichtungen, z.B. Thyristoren oder Hybridschütze, eingesetzt werden. Die Regelung ist dann über eine Wellenpaketsteuerung mit einem PID-Regler zu realisieren. Die minimale lmpulsdauer sollte 1 min nicht unterschreiten. Wird eine Anlage aus der Oberleitung gespeist, wird der Mastschalter automatisch ausgeschaltet, wenn 12 Stunden lang keine Heizanforderung vorliegt. Bei Vorliegen einer Heizanforderung durch die Regelung schaltet diese den Mastschalter ohne Einwirkung eines Bedieners aus der betrieblichen besetzten Stelle selbsttätig ein. 10.3.5.3 Bedienungseinrichtungen Elektrische Weichenheizanlagen sind grundsätzlich für den automatischen Betrieb ohne manuelle Bedienung ausgelegt. Unabhängig davon muss eine manuelle Bedienung vor Ort an der Steuerung der Weichenheizung in der Niederspannungsverteilung (NSV) und über Fernwirk- und Meldeeinrichtungen von der betrieblich besetzten und der technischen Stelle aus möglich sein. Die betrieblich besetzte Stelle ist die Stelle, die die erforderlichen Schalthandlungen durchführt, die zur Bedienung im Normalbetrieb und zur Abwendung von Gefahren notwendig sind, und die im Bedarfsfall den manu-
501
ellen Betrieb von elektrischen Weichenheizanlagen ermöglicht. Die technische Stelle ist die Stelle, die dazu bestimmt ist, Überwachungs-, Entstörungsund Instandhaltungsmaßnahmen an elektrischen Weichenheizanlagen zu veranlassen und über Fernübertragung auf diese Anlagen einzuwirken. Elektrische Weichenheizanlagen werden fernüberwacht. Dabei werden die nachstehenden Betriebs- und Störungsmeldungen an betriebliche besetzte und/oder technische Stelle übertragen. Sie werden durch geeignete Hard- und Softwarekomponenten (Visualisierungssoftware) angezeigt. Die Meldungen werden in zwei Prioritäten eingeteilt: – Priorität 1: betriebsrelevante Stör- und Betriebsmeldungen und – Priorität 2: sonstige Funktionen. Folgende Schalthandlungen können von der betrieblich besetzten/technischen Stelle ausgeführt werden: Schalthandlung
Betrieblich Technische besetzte Stelle Stelle
Mastschalter/ Hauptschalter Ein,
×
×
Mastschalter/ Hauptschalter Aus,
×
×
Kurzzeit Ein
×
Kurzzeit Aus
× ×
Eine Parametrierung der elektrischen Weichenheizanlage ist vor Ort und von der tech-
502
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Betriebsmeldung
Betrieblich besetzte Stelle
Technische Stelle
Anzeige
Mastschalter/Hauptschalter Ein,
×
×
optisch
Mastschalter/Hauptschalter Aus,
×
×
optisch
Anlage ist betriebsbereit (Automatikbetrieb, keine Störung)
×
×
optisch
Anlage heizt
×
×
optisch
Kurzzeit ist EIN
×
×
optisch
× × ×
optisch optisch optisch
×
optisch
Feuchte vorhanden
×
optisch
Lufttemperatur
×
Wert
Schienentemperatur
×
Wert
Betriebsspannung (sekundär)
×
Wert
Betriebsstrom (gesamt)
×
Wert
Priorität 1
Betriebsartenschalter der NSV in Stellung – BETRIEB – AUS – GESPERRT Fernsteuerung ist Aus (Anlage in Betriebsart „ortsbedient“)
×
Priorität 2
nischen Stelle über Fernwirk- und Meldeeinrichtungen möglich. Die Kurzzeitschaltung „Kurzzeit Ein“ dient sowohl zur Funktionsprüfung als auch zur Überbrückung der Regelung, z.B. bei extrem starken Schneefällen. Folgende Betriebsmeldungen werden für die betrieblich besetzte/technische Stelle bereitgestellt (s. obenstehende Tabelle). 10.3.5.4 Störungsüberwachung und -meldung Die Isolation aller zur elektrischen Weichenheizanlage gehörenden elektrisch aktiven Baugruppen wird in die Isolationsüberwachung einbezogen. Wenn der Druckwächter bzw. Temperaturwächter des Transformators anspricht, wird
die Meldung „Trafoschaden“ ausgelöst. Dabei erfolgt die unverzögerte primär- und sekundärseitige Abschaltung des Transformators. Ein Wiedereinschalten des Mastschalters darf von keiner Stelle aus möglich sein, solange nicht die Störungsursache beseitigt und die Meldung „Trafoschaden“ vor Ort quittiert ist. Das Wiederhochfahren der Anlage wird durch gezielte Schalthandlungen durchgeführt. Die Meldung „Schienenfühlertemperatur 1-n“ erfolgt, wenn die Leitung zu mindestens einem Temperaturfühler unterbrochen ist oder wenn sich die Schienentemperatur bei eingeschalteter Heizung innerhalb von 30 min nicht um mindestens 2 K ändert. Folgende Störmeldungen werden für die betrieblich besetzte/technische Stelle bereitgestellt (s. Tabelle nächste Seite):
10.3 Elektrische Weichenheizanlagen
Störmeldung
Betrieblich besetzte Stelle
Technische Stelle
Anzeige
×
×
optisch + akustisch
Trafoschaden (nur bei Speisung aus Oberleitung) ×
×
optisch
Betriebsspannung fehlt
503
Priorität 1 Anlage gestört (Sammelmeldung aus einer beliebigen Störmeldung)
×
optisch
Mastschalter Endstellung nicht erreicht (nur bei Speisung aus Oberleitung)
×
optisch
Heizschütz 1, 2 oder 3 gestört (Einzelmeldung)
×
optisch
RCD (FI-Schutzschalter) ausgelöst (Sammelmeldung; Auslösung eines beliebigen Heizkreises)
×
optisch
× (Einzelmeldung)
optisch
Klimasteuerung n gestört (Einzelmeldung)
×
optisch
Schienentemperaturfühler n gestört (Einzelmeldung)
×
optisch
×
optisch
Isolationsfehler
×
optisch
Hauptschalter hat ausgelöst (nur bei Speisung aus EVU-Netz)
×
optisch
Heizkreis n gestört, (evtl. Bezeichnung des gestörten Heizkreises, Weichen-Nr.)
Kommunikationsstörung/Steuerspannung fehlt (Sammelmeldung)
10.3.5.5 Datenarchivierung Die Speicherung von Betriebs- und Störungsmeldungen und Befehlen sowie den dazugehörigen Datums- und Zeitangaben erfolgt im Steuergerät der elektrischen Weichenheizanlage in der NSV. Bei Befehlen wird zusätzlich die auslösende Stelle gespeichert. Die Daten werden im Steuergerät der Weichenheizung in der NSV für 10 Tage gespeichert und danach überschrieben. Die Übertragung der Daten geschieht über geeignete Schnittstellen vor Ort oder über Fernwirk- und Meldesysteme an die technische Stelle. Die übertragenen Daten werden dort zur Langzeitarchivierung in EDVSystemen gespeichert.
×
× (Sammelmeldung)
×
Weiterhin werden in der technischen Stelle mit Hilfe geeigneter EDV-Anlagen neben den vorgenannten Daten auch die Störungsmeldungen mit Fehlereintritt und -behebung sowie Änderungen der Parametrierung der elektrischen Weichenheizanlage in Datenbanken erfasst.
10.3.6 Dokumentation Der Errichter der Anlage erstellt eine technische Dokumentation (im Bereich der DB gemäß der Richtlinie 954.4103 Abschn. 11). Für jede Bedienstelle der elektrischen Weichenheizanlage wird eine anlagen- und standortspezifische Bedienungsanleitung aufgestellt.
504
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Diese Anleitung enthält eine Beschreibung der Anlage, Lage- und Übersichtsschaltpläne sowie eine ausführliche Beschreibung der Bedienung der Anlage durch das örtliche Betriebspersonal. Die Bedienungsanleitung wird an jeder Bedienstelle vorgehalten. Die erforderlichen Maßnahmen im Störungsfall werden checklistenartig dargestellt.
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln 10.4.1 Allgemeines Nachfolgende Ausführungen beschreiben die Anlagen der 50-Hz-Energieversorgung und der Tunnelsicherheitsausrüstung. Die Ausführungen beziehen sich bezüglich der Tunnelsicherheitsausrüstung, wenn nicht anders angegeben, auf gesetzliche und bahneigenen Vorschriften und technische Normen aus Deutschland. Internationale Vorschriften für Tunnelsicherheitsausrüstung im Bereich des Eisenbahnwesens existieren lediglich in Form des UIC-Codex „Tunnelsicherheit in Eisenbahntunneln“. Im Rahmen der Harmonisierung der Vorschriften im europäischen Eisenbahnwesen ist eine Technische Spezifikation Interoperabilität für Tunnelsicherheit in Eisenbahntunneln in Einführung. Als Eisenbahntunnel werden im Bereich der Deutschen Bahn (DB) Fahrtunnel für den Zugverkehr bezeichnet. Eisenbahntunnel ab einer Länge l > 500 m werden mit Tunnelsicherheitstechnik ausgerüstet. Alle darin eingebauten Anlagen, Betriebsmittel und Systeme bedürfen im Bereich der DB einer Typzulassung durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA). Ausgenommen aus den nachstehenden Betrachtungen sind Anlagen der Bahnenergieversorgung, Oberleitungsanlagen und Anlagen
für die Bahnrückstromführung und -erdung sowie den Potenzialausgleich. 10.4.1.1 Vollbahntunnel 10.4.1.1.1 Klassifizierung nach Länge Bezüglich der Versorgung mit AC 50-Hz-Energie kann für Eisenbahntunnel eine Klassifizierung nach der Länge vorgenommen werden. – Eisenbahntunnel mit einer Länge 500 m < l < 1000 m: Dimensionierung der Energieversorgung für Tunnelsicherheitsbeleuchtung (TSB) und sonstige elektrische Verbraucher, keine Elektranten, – Eisenbahntunnel mit einer Länge l ≥ 1000 m: Dimensionierung der Energieversorgung für TSB, Elektranten und sonstige elektrische Verbraucher, – Eisenbahntunnel mit einer Länge l ≤ 1500 m: Einspeisung von einem Tunnelportal aus, – Eisenbahntunnel mit einer Länge l > 1500 m: Einspeisung von beiden Tunnelportalen aus, – Lange Eisenbahntunnel: zusätzliche Einspeisungen an Notausgängen bzw. Notausstiegen. Die Notwendigkeit zusätzlicher Einspeisungen innerhalb des Tunnels ergibt sich aus den zu übertragenden, elektrischen Leistungen und Kabellängen sowie den daraus resultierenden Leiterquerschnitten und den einzuhaltenden Spannungstoleranzen. Unter Umständen sind höhere Spannungen als die beim bevorzugt verwendeten Stromsystem 3 AC 230 V/ 400 V 50 Hz erforderlich. 10.4.1.1.2 Andere Klassifizierungskriterien Unterschiedliche Querschnitte und Querschnittsprofile von Eisenbahntunneln ergeben sich vorrangig aus den vorgesehenen Fahrgeschwindigkeiten, der Anzahl der Gleise, der Bauweise des Tunnels und zurzeit aus der Art des Oberbaus (Schotteroberbau oder feste
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
Fahrbahn). Tunnel mit einer Länge l > 500 m werden i.d.R. mit einer festen Fahrbahn ausgestattet, damit Rettungsfahrzeuge (Straßenfahrzeuge) den Tunnel im Katastrophenfall befahren können. Bezüglich der Ausrüstung der Eisenbahntunnel mit Tunnelsicherheitsausrüstung, AC 50Hz-Energieversorgung sind die verschiedenen Querschnitte und Querschnittsprofile bezüglich des zur Verfügung stehenden Raumes für den Einbau dieser Anlagen relevant. Die Klassifizierung der Tunnel wird im Bereich der DB nach folgenden Kriterien vorgenommen werden: – Bauweise: bergmännische Bauweise offene Bauweise – Fahrgeschwindigkeit: Hochgeschwindigkeit v ≤ 300 km/h Schnellverkehr v ≤ 230 km/h Personen-/Güterverkehr v ≤ 160 km/h S-Bahn-Verkehr v ≤ 120 km/h – Anzahl der Gleise: zweigleisig eingleisig – Querschnittsprofil: Kreisquerschnitt Korbbogenquerschnitt Rechteckquerschnitt – Oberbauform: feste Fahrbahn Schotteroberbau. Aus diesen Kriterien ergeben sich unterschiedliche Querschnitte der Tunnel, die in Tabelle 10.1 angeführt sind. Die in Tabelle 10.1 enthaltenen Tunnelbauformen stellen die für den Neubau vorzugsweise anzuwendenden Tunnelformen dar. Darüber hinaus existieren vor allem bei bestehenden Tunneln zahlreiche andere Bauformen und Querschnittsprofile. 10.4.1.2 S-Bahn-Tunnel S-Bahn-Tunnel sind im Sinne der DS 853 Eisenbahntunnel, in denen im Regelbetrieb
505
ausschließlich S-Bahnen mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von v ≤ 120 km/h verkehren. S-Bahnen sind reine Stadtschnellbahnen mit besonderem Bahnkörper, die mit – AC 16,7 Hz und Oberleitung oder mit – Gleichstrom und Stromschiene betrieben und mit besonderen Fahrzeugen befahren werden. Bezüglich der Ausrüstung mit Tunnelsicherheitstechnik bestehen bei S-Bahn-Tunneln keine abweichenden Regelungen. 10.4.1.3 Sog- und Druckfestigkeit Alle Einbauten im Tunnel werden pro Zugdurchfahrt durch mehrere Druckwechsel belastet, da die Druckwellen an den Tunnelportalen reflektiert werden und bei modernen Tunneln in Betonbauweise nur schwach gedämpft werden. Die Bauteile unterliegen je nach Tunnellänge einem wiederkehrenden Rhythmus ständiger Dauerbeanspruchung. Für alle Bauteile, die direkt im Fahrtunnel eingebaut werden, ist der Nachweis einer ausreichenden Festigkeit von verwendeten Bauteilen und Komponenten in bezug auf aerodynamische Einwirkungen erforderlich. Gleiches trifft auf die Wahl des Befestigungssystems zu. In Fahrtunneln wird von folgenden (Extrem- )werten für allseitige Druckänderungen ausgegangen: – + 9 kPa (Druck; wirkt von außen nach innen), – – 10 kPa (Sog; wirkt von innen nach außen), – +/– 1,5 kPa Staudruck (entspricht einer Anströmgeschwindigkeit von 55 m/s parallel zur Fahrtrichtung). Vorgenannte Werte basieren auf Messungen der DB für eine maximale Zugbegegnungsgeschwindigkeit von 350 km/h in einem 2-gleisigen Tunnel mit 82 m2 Querschnittsfläche und unter Einsatz konventioneller Hochgeschwindigkeitszüge. Für den Einbau in Fahrtunnel sind nur Bauteile und Komponenten
506
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Tabelle 10.1 Querschnitt verschiedener Tunnelbauformen Bauweise
Fahrgeschwindigkeit
Anzahl der Gleise
Querschnitts- Oberbauprofil form
bergmännisch
Hochgeschwindigkeit v ≤ 300 km/h
2
Kreis
1
Korbbogen
feste Fahrbahn/ 92 m2 Schotter 92 m2
Kreis
feste Fahrbahn
59,7 m2
4,70 m
Schotter
60,1 m2
4,70 m
feste Fahrbahn
59,7 m2
4,20 m/ 6,20 m
Schotter
60,6 m2
4,20 m/ 6,20 m
Korbbogen
Schnellverkehr v ≤ 230 km/h
2
Kreis
1 Korbbogen
Personen-/ Güterverkehr v ≤ 160 km/h
1
Kreis
S-Bahn-Verkehr v ≤ 120 km/h
2
1
6,85 m 6,85 m/ 4,00 m
feste Fahrbahn/ 79,2 m2 Schotter
6,10 m
feste Fahrbahn
4,45 m
53,7 m2
Schotter
54,9 m2
4,55 m
feste Fahrbahn
51,3 m2
3,75 m/ 8,00 m
Schotter
52,0 m2
3,75 m/ 8,00 m
feste Fahrbahn
52,7 m2
4,40 m
Schotter
54,2 m2
4,50 m
feste Fahrbahn
48,7 m2
3,50 m/ 9,35 m
Schotter
50,3 m2
3,55 m/ 9,00 m
Rechteck
feste Fahrbahn ü = 0 mm
50,3 m2
9,16 x 5,49 m
Rechteck
feste Fahrbahn ü = 150 mm
51,7 m2
9,25 x 5,59 m
Rechteck
Schotter ü = 0 mm
53,8 m2
9,80 x 5,49 m
Rechteck
Schotter ü = 150 mm
54,8 m2
9,80 x 5,59 m
Rechteck
feste Fahrbahn ü = 0 mm
25,7 m2
4,68 x 5,49 m
Rechteck
feste Fahrbahn ü = 150 mm
29,6 m2
5,29 x 5,59 m
Rechteck
Schotter ü = 0 mm
27,5 m2
5,00 x 5,49 m
Rechteck
Schotter ü = 150 mm
30,0 m2
5,37 x 5,59 m
Korbbogen
offene
Querschnitt Radien über SO
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
zugelassen, für die ein Nachweis der Sog- und Druckfestigkeit vorliegt. 10.4.1.4 Funktionserhalt und Brandsicherheit Die Funktionsfähigkeit – der Tunnelsicherheitsbeleuchtung (TSB), – Telekommunikationsanlagen (TK-Anlagen), – die Energieversorgung des Tunnels (EVT) und – die Entriegelung der geländeseitigen Türen von Notausgängen wird als System im Brandfall für eine Mindestdauer von 90 Minuten gewährleistet (E 90 nach DIN 4102).Der Erhalt der Funktionsfähigkeit wird jeweils für das Gesamtsystem zu gewährleisten. Daher ist es notwendig, dass sich ein durch das Schadensereignis verursachter Ausfall einzelner Systemkomponenten (z.B. Sprechstelle, einzelne Tunnelleuchte) nicht auf das Gesamtsystem auswirkt. 10.4.1.5 Nichttoxisches Verhalten Für alle Komponenten der Tunnelsicherheitsausrüstung, der 50-Hz-Energie- und Telekommunikationsanlagen im Tunnel ist ein Nachweis des nichttoxischen Verhaltens im Brandfall sowie der Nachweis der Halogenfreiheit gemäß DS 954.9107 erforderlich. Diese Forderung basiert auf der Vermeidung giftiger Rauchgase im Brandfall. Daraus abgeleitet ergibt sich, dass nur halogenfreie oder nicht brennbare Elektromaterialen im Bauteilen und Komponenten zum Einbau in Fahrtunnel verwendet werden dürfen. Dies betrifft vor allem PVC-isolierte Kabel und Leitungen, Kanäle und Rohre sowie PVC-behaftete elektrische Geräte. Ausnahme hiervon bildet die Verwendung von Kabeln und Leitungen, die brandsicher, z.B. in F90-Kanälen, erfolgt, sowie Steckdosen und Kleinteilen, z.B. Schalter, Taster, Klemmen und Schellen.
507
10.4.2 Elektrische Energieanlagen 50 Hz in Eisenbahntunneln 10.4.2.1 Energieversorgung Grundlage für die Konzeption der Energieversorgungsanlage ist die Ermittlung des Energiebedarfes aller dem Bauwerk zuzuordnenden 50-Hz-Verbraucher. Dazu gehören u.a.: – Telekommunikationsanlagen, wie Fernmelde- und Funkeinrichtungen, – Einbruch- und Brandmeldeanlagen, MAS 90-Übertragungsanlagen, – Entrauchungs- und Entwässerungsanlagen (Pumpenanlagen), – Aufzüge, ggf. Hubschrauberlandeplatzbefeuerung, – Beleuchtungsanlagen (Tunnelsicherheitsbeleuchtung), – Oberleitungspannungsprüfeinrichtungen, Ortsteuereinrichtung, – Heißläuferortungsanlagen, – Elektranten. Aus Energiebedarf, Bauwerksspezifika des Tunnels, lokalen Besonderheiten und Dimensionen, insbesondere die Länge des Tunnels, ergibt sich die Notwendigkeit der Festlegung für eine Spannungsebene (Mittel-/Niederspannung). Als Netzsystem wird das IT-System angewandt. Damit ist eine Isolations- und Netzspannungsüberwachung erforderlich. Störungsmeldungen werden über ein Fernwirkund Meldesystem übertragen. Transformatoren außerhalb von Eisenbahntunneln sind als Öltransformatoren in hermetisch geschlossener Ausführung und innerhalb von Eisenbahntunneln als Gießharztransformatoren vorzusehen. Transformatoren für die Energieversorgung von elektrischen Energieanlagen 50 Hz in Eisenbahntunneln werden für unsymmetrische Belastung im erforderlichen Umfang ausgelegt. Bei der Leistungsbemessung ist für
508
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
die Anschlussleistung der Elektranten der 1,5fache Wert der maximalen Abnahmeleistung anzusetzen. 10.4.2.1.1 Transformatorenstationen (TST) Der Einsatz von TST ist bei der Entscheidung für die Mittelspannungsversorgung zu optimieren. Bei sehr langen Tunnelbauwerken sind Betriebsräume innerhalb des Tunnels zu planen, die mit Mittel-/NiederspannungsTST bestückt werden können. Die Energieversorgung der Verbraucher erfolgt dann auf der Niederspannungsebene im IT-System mit Überwachung. 10.4.2.1.2 Kabelanlage Kabel und Leitungen im Tunnel werden so verlegt, dass sie durch die Folgewirkung von Unfällen nicht beschädigt werden können bzw. ihre Funktion nicht beeinträchtigt wird. Alle Kabel sind vorzugsweise brandsicher (geschützt) zu verlegen (Klasse F90). Für Kabel, die nicht brandsicher verlegt sind, werden nicht brennbare, halogenfreie Materialien verwendet. Sie müssen der Brandklasse E90 entsprechen. Übergänge (z.B. Kabeldurchführungen) von brandsicherer zu nicht brandsicherer Verlegungsart sind brandsicher zu verschließen. Ausdrücklich besteht Einsatzverbot für PVC-haltige Materialien. Ausnahme: Steckdosen, Kleinteile, wie Schalter, Taster, Klemmen, Schellen. Kabelinstallationen an der Tunnelinnenwand (z.B. für die Tunnelsicherheitsbeleuchtung) sind so vorzunehmen, dass sie den vorgeschriebenen Lichtraum des Rettungsweges nicht einschränken und eine geschützte und sichere Verlegung möglich ist. 10.4.2.1.3 Unterverteilungen Darunter sind auch die für die TSB erforderlichen batteriegestützten Notlichtversorgungsgeräte (NVG) im Tunnelbereich zu verstehen. Andere elektrotechnische Unterverteilungen,
sicherheitsrelevante Einrichtungen (OSE, OLSP, Datenübertragungseinrichtungen usw.) werden möglichst in besonders gesicherten Betriebsräumen untergebracht. 10.4.2.2 Elektranten Elektranten sind an den Tunnelwänden am Rand des Sicherheitsraumes in Höhe von ca. 1,10 m über FOK im Abstand von höchstens 125 m anzubringen. Die Anbringung der Elektranten erfolgt bei – zweigleisigen Eisenbahntunneln beidseitig, – eingleisigen Eisenbahntunneln einseitig auf der Seite des Rettungsweges. Gegenüberliegende und benachbarte Elektranten dürfen nicht vom gleichen Stromkreis versorgt werden. Die Energieversorgung der Elektranten ist so zu dimensionieren, dass je 8 kW an zwei benachbarten Elektranten je Tunnelseite entnommen werden können. Die Netzspannung wird an jedem Elektranten überwacht.Das Vorhandensein der Versorgungsspannung ist innerhalb der Elektranten optisch anzuzeigen. Elektranten sind in Schutzklasse II und mindestens Schutzart IP65 auszuführen. Eine mögliche Bestückung mit Steckdosen gibt nachstehendes Beispiel an: – 1x CEE 16/20 A 3 P / N / PE nach EN 60309 (DIN VDE 0623), – 1X CEE 16/20 A 1 P / N / PE nach EN 60309 (DIN VDE 0623), – 2x Schutzkontaktsteckdosen 10/16 A nach DIN 49440. Weitere Anforderungen an Elektranten enthält DS 954.9107. Die Bestückung der Elektranten mit Steckdosen, ihre Spannungsebene(n) sind in der Ausführungsplanung unbedingt mit den zuständigen Behörden (Feuerwehr, Innenministerium, Bereich Brand- und Katastrophenschutz und der DB AG) nachweislich abzustimmen. Elektranten werden vorzugsweise neben den NVGs der TSB mit Ein-Taster montiert.
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
509
Abb. 10.34 Tunnelelektrant mit geöffneter Tür
10.4.2.3 Tunnelsicherheitsbeleuchtung (TSB) 10.4.2.3.1 Allgemeines Die Tunnelsicherheitsbeleuchtung besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: – Leuchten im Tunnel, – Notlichtversorgungsgeräte (NVG) im Tunnel (teilweise mit Einschalttastern), – Technische Überwachungszentrale außerhalb des Tunnels. Leuchten, NVGs und ggf. Unterverteilungen (UV) der TSB sind an den Tunnelwänden außerhalb des Sicherheitsraumes anzubringen. Die Anbringung dieser Komponenten erfolgt bei – zweigleisigen Eisenbahntunneln beidseitig, – eingleisigen Eisenbahntunneln einseitig auf der Seite des Rettungsweges. Leuchten werden im Abstand von ≤ 17 m installiert, wobei jeweils zwei nicht benachbarte Leuchten von einem NVG gespeist werden. Für die Tunnelsicherheitsbeleuchtung (TSB) ist eine automatische Prüfeinrichtung gem. DIN VDE 0108 Teil 100 einzusetzen. Diese Aufgabe übernimmt eine Tunnelüberwachungszentrale (TÜZ). Diese TÜZ ist
die Schnittstelle zwischen dem übergeordneten Kommunikationsnetz zur Betrieblichen Überwachungsstelle (BÜ) und zur Technischen Überwachungsstelle (TÜ). Die Übertragungswege werden redundant ausgeführt. Der Hauptübertragungsweg überträgt den Gesamtumfang aller Meldungen und Befehle. Der redundante Übertragungsweg wird ausschließlich bei Ausfall des Hauptübertragungsweges genutzt und überträgt die Meldungen der Priorität 1. Die TÜZ wird mittels einer eigenen USV versorgt. Bei Netzausfall muss die Versorgung der sicherheitsrelevanten Komponenten 24 h aufrechterhalten werden. Die TÜZ befindet sich außerhalb des Tunnels in einem geeigneten Gebäude oder Einhausung und ist damit vor unbefugter Benutzung geschützt. Ein-Taster sind an der Frontseite der NVGs oder in einem abgesetzten Gehäuse untergebracht. Die erste Einschaltmöglichkeit der TSB ist im Abstand von 250 m vom jeweiligen Tunnelportal angebracht. Innerhalb des Tunnels beträgt der Abstand zwischen zwei Einschaltstellen maximal 125 m. Weitere Einschaltpunkte sind an den oberen Zugängen zu den Notausgängen vorgesehen.
510
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
10.4.2.3.2 Leuchten 10.4.2.3.2.1 Tunnelleuchten Im Tunnel werden durchgehend Leuchtmittel mit einheitlicher Lichtfarbe eingesetzt. Als Tunnelleuchten werden im Bereich der DB ausschließlich freigegebene Leuchtentypen aus der
Abb. 10.35 Tunnelleuchte, sog- und druckfest
Abb. 10.36 Anschaltung der Tunnelleuchten an die NVG’s
DB-Leuchtenauswahlliste DS 954.9103 LAWL, Gruppe 6, verwendet. Für den Einsatz in Tunnels ist für den Bereich der DB eine Kompakt-Leuchtstofflampenleuchte zugelassen. Sofern andere Leuchten zugelassen sind, sollen sie vorzugsweise mit elektronischem Vorschaltgerät (EVG) ausgerüstet sein. Werden in Leuchten VVGs verwendet, ist der Nachweis der Wirtschaftlichkeit und unter Beachtung der EU RiLi 2000/55/EG (Energieeffizienzanforderungen an Vorschaltgeräte für Leuchtstofflampen) zu erbringen. Vom Notlichtversorgungsgerät können die Leuchten mit AC 230 V, DC 24 V oder DC 12 V versorgt werden. Benachbarte Leuchten werden von unterschiedlichen NVG versorgt. Die Leuchten erreichen eine Mindestbeleuchtungsstärke von 1 Lux bei einer Gleichmäßigkeit gq von 1 : 40 für alle Rettungswege. Der Nachweis der Mindestbeleuchtungsstärke wird bei der lichttechnischen Planung erbracht. Die Leuchten der Tunnelsicherheitsbeleuchtung werden im Fahrtunnel über dem Rettungsweg angebracht. Bei zweigleisigen Tunneln erfolgt die Anbringung beidseitig über
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
jedem Rettungsweg. Weiterhin werden die Leuchten zur Beleuchtung aller Rettungswege, wie Querschläge, Rettungsstollen und -schächte sowie sonstiger Notausgänge verwendet. Für vorgenannte Zwecke erfolgt der Betrieb der Leuchten im Bereitschaftsbetrieb. 10.4.2.3.2.2 Rettungskennzeichen Zur Kennzeichnung der Notausgänge werden im Fahrtunnel, am Kreuzungspunkt Fluchtweg–Notausgang, blau hinterleuchtete Rettungskennzeichenleuchten nach EN 1838 installiert. Zu diesem Diese sind Bestandteil der TSB und in Dauerschaltung zu betreiben. Die allgemeine Kennzeichnung der Fluchtwege erfolgt mit unbeleuchteten, grünen Rettungszeichen der Gruppe D gemäß DIN EN 4844-2. 10.4.2.3.2.3 Sonstige Leuchten Zur Kommunikation zwischen Sprechstellen innerhalb und außerhalb des Tunnels werden im Tunnel Sprechstellen vorgesehen. Die Leuchten für die Beleuchtung der Sprechstellen entsprechen denen der allgemeinen TSB. Sie sind Bestandteil der TSB und in Dauerschaltung zu betreiben.
511
10.4.2.3.3 Notlichtversorgungsgeräte (NVG) Allgemeine technische Anforderungen Das NVG versorgt und überwacht bis zu zwei, nicht benachbarte Tunnelleuchten einer Seite des Tunnels nach den Erfordernissen der DIN VDE 0108. Zur Übertragung von Befehlen und Meldungen werden alle NVGs eines Tunnels über ein Bussystem an die TÜZ außerhalb des Tunnels angeschlossen. Die Versorgungsspannung der NVGs beträgt in der Regel 3AC 230V/ 400 V 50 Hz, kann jedoch bei großen Kabellängen bis U < 1000 V betragen. Vorzugsweise werden drei benachbarte NVGs einer Tunnelseite in einer Unterverteilung (UV) an eine Phase der Stromversorgungssystems angeschlossen. Bei höheren Versorgungsspannungen kann in der UV ein Transformator zur Erzeugung der NVG-Versorgungsspannung eingesetzt werden. Die NVGs sind montage- und wartungsfreundlich. Die Verbindungsleitungen der Komponenten innerhalb des NVG einschließlich der Steckvorrichtungen sind unverwechselbar gestaltet. Alle Anschlüsse verfügen eine normgerechte Bezeichnung. Die Batteriezuleitungen sind farbig gekennzeichnet. Stecker für Netzzuleitungen, Leuchtenzuleitungen und Busleitungen sind unterschiedlich und unver-
Abb. 10.37 Notlichtversorgungsgerät (NVG) mit Ein-Taster
512
10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
wechselbar gestaltet. Alle leitenden Teile auf den Platinen mit > AC 50 V oder DC 120 V sind gegen direktes Berühren gesichert. Der Ausfall eines NVG stört nicht die Busverbindung zu den anderen NVGs. In jedem NVG sind Schilder mit Hinweisen zur Bedienung, Störungssuche und Fehlerbehebung dauerhaft angebracht. Beim Öffnen des Gehäuses schaltet sich die Innenbeleuchtung (Batteriebetrieb) des NVG ein. Jedes NVG kann durch einen Schalter oder eine Steckverbindung von der Energieversorgung getrennt werden. Das NVG ist für folgende klimatische Bedingungen ausgelegt: – Umgebungstemperatur (einschließlich aller Einbaukomponenten) –25 °C bis +40 °C, – keine Tautropfenbildung. Die Eigenschaften und Funktionen der inneren Module/Baugruppen eines NVG werden nachfolgend dargestellt. Das NVG besteht aus folgenden Hauptbaugruppen: – Gehäuse – Batterien – Batterie-Ladeeinrichtung – Interne Umschaltvorrichtung – DC/DC-Konverter (bei Einsatz EVG) – Prüftaster NVG – Quittieren von Meldungen im NVG – Überwachungseinrichtung im NVG – Betriebszustandsanzeigen im NVG – Ein-Taster – zusätzliche Funktionen der NVGs – NVG-Adressierung. 10.4.2.3.4 Tunnelüberwachungszentrale (TÜZ) 10.4.2.3.4.1 Allgemeine Anforderungen Die TÜZ erfüllt Aufgaben einer automatischen Prüfeinrichtung nach DIN VDE 0108 Teil 1 und stellt die Fernüberwachung und Steuerung der TSB durch die BÜ und TÜ sicher. Darüber hinaus überträgt sie Meldungen zur
Fernüberwachung der Energieversorgung des Tunnels (EVT) zur BÜ und TÜ. Die TÜZ stellt die Schnittstelle zum übergelagerten Kommunikationsnetz, zum örtlichen BUS-System des Tunnels und zu sonstigen elektrotechnischen Komponenten der Tunnelausrüstung dar. Die Installation der TÜZ erfolgt so, dass ein unbefugtes Benutzen ausgeschlossen wird und die Anforderungen der Brandklasse E90 nach DIN VDE 4102 erfüllt werden. Die TÜZ wird in das Gebäude der Energieversorgung des Tunnels integriert und verfügt über folgende Parameter und Ausrüstungen: – Umgebungstemperatur –5 °C – +40 °C, – Energieversorgung AC 230 V 50 Hz, – unterbrechungsfreie Spannungsversorgung (USV), Auslegung entsprechend des projektbezogenen Anschlusswertes zur Versorgung der Zentrale und der Modeme für 24 h, – lnformationsspeicher gepuffert 100 h, – Bedientastatur, Display oder Touch Panel, hinterleuchtet kratzfest, entspiegelt, mind. 10-zeilige Anzeige, Schrifthöhe mind. 2,8 mm, – Funkuhr (DCF77 synchronisiert,) – alle Anzeigen und Meldungen erfolgen mit deutschem Klartext. Die TÜZ besteht mindestens aus den nachfolgenden Komponenten: – Gehäuse, – Übertragungswege, – Schnittstellen. Die TÜZ erfüllt die Aufgabe einer automatischen Überwachungseinrichtung der Komponenten der TSB und dient als Schnittstelle zur BÜ und TÜ für die Fernüberwachung und Steuerung der TSB. Die in der TÜZ implementierte Software erfüllt die im Lastenheft vorgegebenen Funktionen.
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
513
Abb. 10.38 Prinzipschaltbild Tunnelüberwachungszentrale (TÜZ)
10.4.2.3.4.2 Informations- und Störungsspeicher Der Informationsspeicher der TÜZ dient zur Registrierung aller Meldungen und Befehle der TSB und damit als sog. Betriebsjournal. Programmier- und Servicesystem An die TÜZ kann für Instandhaltungszwecke ein Laptop mit Service- und Verwaltungssoftware angeschlossen werden 10.4.2.3.4.3 BUS-System Das Bus-System zur Übertragung von Befehlen und Meldungen zwischen der TÜZ und den NVGs ist von der Energieversorgung des Tunnels galvanisch getrennt. Als Buskabel werden vorrangig Lichtwellenleiter (LWL) eingesetzt. Ersatzweise kommen auch Kabel vom Typ JH(ST)H 2x2x0,8 mm2 zum Einsatz.
10.4.2.3.4.4 Meldelinie Über Fernwirksysteme werden der zuständigen betrieblichen (BÜ) und der technischen Überwachungszentrale (TÜ) Meldungen über den aktuellen Betriebszustand, sowie der elektrischen Energieversorgung der TSB, ereignisorientiert, entsprechend den folgenden Prioritäten, optional redundant, übermittelt. Die Meldungen werden in zwei Prioritäten unterschieden: Priorität 1: sicherheitsrelevante Betriebs- und Störungsmeldungen Dies sind alle technischen und betrieblichen Störungen, welche die Funktionsfähigkeit der TSB außer Kraft setzen und ein unverzügliches Handeln durch die BÜ und die TÜ erfordern. Diese Meldungen werden unverzögert und ereignisorientiert an die BÜ und TÜ übertragen sowie akustisch und optisch angezeigt. Priorität 2: funktionseinschränkende Betriebsund Störungsmeldungen Dies sind Meldungen über Störungen an Einzelkomponenten, welche die Funktionsfähig-
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10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
keit der TSB Gesamtanlage lediglich einschränken, die Sicherheitsfunktionen insgesamt aber erhalten bleiben. Die Störungen werden den zuständigen Überwachungsstellen TÜ und BÜ zur Veranlassung von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten übermittelt.
10.4.3 Sonstige Rettungseinrichtungen Sonstige Rettungseinrichtungen sind Einrichtungen, die nicht zu den 50-Hz-Energieanlagen in Eisenbahntunnel gehören. Die gehören jedoch zur gesamten Tunnelsicherheitsausrüstung und müssen damit von Tunnelplanern und -ausrüstern berücksichtigt werden. 10.4.3.1 Zufahrten Zufahrten sind Wege oder nichtöffentliche Straßen, die von öffentlichen Straßen zu Rettungsplätzen, Tunnelportalen oder Notausgängen führen und dem Einsatz der Rettungsdienste dienen. Bei langen und sehr langen Tunneln (l > 1000 m) wird an jedem Tunnelportal und jedem Notausgang jeweils ein Rettungsplatz angeordnet. Bei Tunneln mit l ≤ 1000 m genügt ein Rettungsplatz. Die Zufahrten zu den Tunnelportalen führen über die Rettungsplätze. Die Rettungsplätze werden möglichst nahe an den Tunnelportalen und Notausgängen angeordnet. Die maximale Länge der Zufahrt vom Rettungsplatz zum Tunnelportal beträgt 200 m. Die Zu- und Abfahrt zu einem Rettungsplatz wird getrennt geführt. Ist dies in Ausnahmefällen nicht möglich, wird ein Begegnungsverkehr mit Kraftfahrzeugen mit 2,50 m Breite gewährleistet. Dazu werden Ausweichstellen so angeordnet, dass ein Sichtkontakt zwischen den Ausweichstellen gewährleistet ist. Werden Rettungsplätzen über Stichstraßen an die Zufahrt angebunden, besteht auf dem Rettungsplatz eine Wendemöglichkeit für Kraftfahrzeuge.
Die Zufahrten sind nach DIN 14090 ausreichend zu befestigen und weisen in der Geraden eine Breite von mindestens 3,0 m auf. Krümmungen sind angemessen verbreitert. Nichtöffentliche Zufahrten werden durch Absperrvorrichtungen gemäß DIN 14090 gesichert. 10.4.3.2 Rettungsplätze Rettungsplätze sind Flächen in der Nähe der Tunnelportale und Notausgänge, die als Verbandsplatz, zum Abstellen von Material und Geräten, zum Aufstellen von Fahrzeugen, sowie ggf. als Landemöglichkeit für Rettungshubschrauber dienen können. Rettungsplätze werden entsprechend DIN 14090 angelegt und weisen eine Gesamtfläche von mindestens 1500 m2 auf. An Tunnelportalen sind Rettungsplätze auf dem Niveau der Schienenoberkante angelegt. In den Fällen, in denen ein Rettungsplatz für das Landen eines Rettungshubschraubers nicht geeignet ist, sind Landemöglichkeiten in der Nähe ausgewiesen. Die erforderliche Gesamtfläche eines Rettungsplatzes kann auf mehrere Teilflächen aufgeteilt werden, wenn hierdurch die Wegstrecke zum Tunnelportal oder Notausgang verringert werden kann. 10.4.3.3 Löschwasserversorgung In Bereich der DB wird bereits bei Tunneln ab einer Länge von 250 m an jedem Tunnelportal mit einer Zufahrt Löschwasser bereitgehalten. Für jedes Tunnelportal mit einem Rettungsplatz sowie für jeden Notausgang steht in einer Entfernung von höchstens 300 m ausreichend Löschwasser zur Verfügung (z.B. Gewässer, Tunnelentwässerung, Wasserversorgungsanlage, Löschwasserbehälter). Es wird eine Löschwassermenge von mindestens 96 m3 vorgehalten und eine Förderleistung von mindestens 800 I/min sichergestellt. Unterirdische Löschwasserbehälter entsprechen DIN 14 230 und sind jeweils mit einem
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
Saugrohr einschließlich eines Löschwassersauganschlusses nach DIN 14 244 ausgestattet. Die Löschwasserentnahmestellen sind durch Schilder gemäß DIN 4066 gekennzeichnet. Je nach örtlichen Gegebenheiten werden bei langen Tunneln im Bereich der Notausgänge weitere Möglichkeiten zur Löschwasserbevorratung und -einspeisung vorgesehen. 10.4.3.4 Trockenwasserleitung In zweigleisigen Eisenbahntunneln wird eine durchgängige trockene Löschwasserleitung verlegt. Sie können von den Portalen und von trockenen Zuführungsleitungen, die von geländeseitigen Notausgängen aus verlegt sind, gespeist werden. Bei zwei eingleisigen Tunneln einer zweigleisigen Strecke wird in jedem Fahrtunnel eine durchgängige trockene Löschwasserleitung verlegt. Jede Löschwasserleitung wird analog der Löschwasserleitung eines zweigleisigen Tunnels gespeist. Zusätzlich werden die Löschwasserleitungen beider Tunnelröhren an Verbindungsbauwerken durch absperrbare Trockenleitungen verbunden.
515
Bei eingleisigen Tunneln eingleisiger Strecken werden die Löschwasserleitungen wie bei zweigleisigen Tunneln verlegt. In Eisenbahntunneln werden TrockenLöschwasserleitungen mit einem Regeldurchmesser DN 80 eingebaut. Diese Löschwasserleitungen werden so verlegt, dass sie vor mechanischen Beschädigungen geschützt sind. Sie werden so weit wie möglich unter dem Fluchtweg angeordnet. Die Löschwasserleitungen werden durch den Einbau von zwei nebeneinander liegenden Ventilen in Abschnitte mit einer Länge von maximal 500 m eingeteilt. Dadurch können die Löschwasserleitungen sektioniert und abschnittsweise betrieben werden. Die Förderleistung beträgt 800 l/min, der statische Druck in der Leitung 8 bar und der Fließdruck bei Entnahme von Löschwasser 5 bar. Schlauchanschlusseinrichtungen an die Löschwasserleitung werden im Abstand von 125 m in der Nähe der ebenfalls alle 125 m angeordneten Elektranten angebracht. Die Einbauhöhe der Schlauchanschlusseinrichtungen beträgt 1,40 m über Fluchtwegoberkante. Unmittelbar hinter den jeweiligen Schlauchanschlusseinrichtungen sind Absper-
Abb. 10.39 Trockenwasserleitung mit Anschluss und Absperrventilen
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10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
reinrichtungen mit einem Handbedienhebel in einer Höhe von 1,50 m über Fluchtwegoberkante angebracht. Der Handbedienhebel hat eine Länge von 0,20 m und verläuft in geöffneter Stellung parallel zur Löschwasserleitung. Sie sind jeweils mit einer B-Festkupplung aus Leichtmetall Storz 75 nach DIN 14 308 versehen. Zusätzlich ist ein Übergangsstück BC aus Leichtmetall nach DIN 14 342 mit Kette und S-Haken an der Festkupplung befestigt. Das Übergangsstück B-C wird im Grundzustand auf die B-Festkupplung aufgeschraubt. Das Übergangsstück B-C wird mit einer CBlindkupplung verschlossen, die mit einer Kette und S-Haken an der B-Festkupplung aufgeschraubt. Alle Absperreinrichtungen sind in Grundstellung geschlossen. 10.4.3.5 Transporthilfen Zur Entlastung der Einsatzkräfte werden Transporthilfen vorgehalten, mit denen Verletzte oder schweres Rettungsgerät innerhalb des Fahrtunnels bewegt werden können. Sie werden wird bereits ab einer Länge des Tunnels von 250 m vorgehalten. Je Tunnelportal und Notausgang sind zwei Transporthilfen in Form von Rollpaletten vorgesehen. Diese sind in der Nähe der Tunnelportale und im Zugangsbereich der Notausgänge senkrecht stehend angeordnet. Sie sind senkrecht stehend angebracht, so dass Behinderungen bei der Benutzung der Fluchtwege ausgeschlossen sind und das Einsetzen in das Gleis auf einfache Weise möglich ist. Die Rollpaletten müssen über eine Feststellvorrichtung verfügen. 10.4.3.6 Handläufe Handläufe werden im Fahrtunnel in einer Höhe von 1 m über Fluchtwegoberkante an der Tunnelwand angebracht und um evtl. vorhandene Einbauten in einem abgeschrägten Winkel von maximal 30° herumgeführt. Damit Instandhaltungsarbeiten an örtlichen Einrich-
tungen, z.B. Kabelschränke, durch den Handlauf nicht behindert werden, wird dieser in diesem Bereich klappbar gestaltet. 10.4.3.7 Fluchtwegekennzeichnung In den Tunneln wird die Richtung zum jeweils nächstgelegenen Tunnelportal oder Notausgang durch Pfeile markiert. Der Abstand der Richtungspfeile darf 25 m nicht übersteigen. Da diese Pfeile auch unter Notbeleuchtung erkennbar bleiben müssen, werden diese in unmittelbarer Nähe der Leuchten der TSB und damit ca. alle 17 m angebracht. Die Kennzeichnung der Fluchtrichtung geht allen anderen Markierungen vor. Sie muss eindeutig sein. Gegenläufige Richtungsangaben für andere Zwecke sind unzulässig. Entlang der Fluchtwege werden Rettungszeichen nach VBG 125 (E 01) angeordnet. Ergänzend werden Zusatzzeichen für beide Richtungen mit der Angabe der Entfernung bis zum nächstgelegenen Tunnelportal bzw. Notausgang, auf 25 m gerundet, angebracht. Der Abstand zwischen zwei Rettungszeichen beträgt höchstens 125 m. Sie werden an gleicher Stelle wie die EIN-Taster der TSB angeordnet. Notausgänge im Fahrtunnel werden durch hinterleuchtete Rettungszeichen nach
Abb. 10.40 Rettungszeichen für Fluchtrichtung und Entfernung
10.4 Energieversorgung für Tunnelsicherheitsausrüstung in Eisenbahntunneln
VBG 125 (E 01) besonders gekennzeichnet. Diese sind abweichend von VBG 125 mit blauem Grund auszuführen. Die hinterleuchteten Rettungszeichen sind Bestandteil der TSB, werden von einem NVG der TSB gespeist und von der TÜZ überwacht. Die hinterleuchteten Rettungszeichen werden im Dauerbetrieb betrieben. Im Tunnel wird die Richtung zum jeweils nächstgelegenen Tunnelportal oder Notausgang durch Pfeile markiert. Sie müssen auch unter eventueller Fluchtwegbeleuchtung deutlich erkennbar sein. Der Abstand der Richtungspfeile darf 25 m nicht übersteigen. Die Kennzeichnung der Fluchtrichtung geht allen anderen Markierungen vor. Sie muss eindeutig sein. Gegenläufige Richtungsangaben für andere Zwecke sind unzulässig. Notausgänge im Fahrtunnel werden durch hinterleuchtete Rettungszeichen nach TRVB E 102 besonders gekennzeichnet. Diese werden mit blauem Grund ausgeführt, um Verwechselung mit Signalen zu verhindern. 10.4.3.8 Notausgänge Notausgänge aus Eisenbahntunneln sind: – Rettungsschächte mit Schleusen, – Rettungsstollen mit besonderen Schleusen, – Rettungsstollen mit Schleusen und Rettungsschächten, – Verbindungsbauwerke zu einem anderen Fahrtunnel (Querschläge), – Übergänge in die baulich getrennte Hälfte derselben Tunnelröhre. Die Notausgänge werden mit Tunnelsicherheitstechnik, z.B. TSB, ausgerüstet. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass sie als System im Brandfall für eine Mindestdauer von 90 Minuten funktionsfähig bleiben (E 90 nach DIN 4102). In der Regel muss in Tunneln ab einer Länge von 500 m von jeder Stelle im Fahrtunnel ein sicherer Bereich in höchstens 250 m Entfernung erreichbar sein. – Tunnelportale,
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– Rettungsstollen und -schächte, – Schleusen oder Verbindungsbauwerke, die zu Rettungsschächten, zu Rettungsstollen oder zu benachbarten Fahrtunneln führen. 10.4.3.9 Entrauchungsanlagen Eisenbahntunnel sollen eine einseitig gerichtete Längsneigung aufweisen. Durch die unterschiedliche Höhenlage der Tunnelportale stellt sich eine Kaminwirkung ein, die eine natürliche Entrauchung des Tunnels begünstigt. Ist die bautechnische Ausführung des Tunnels mit einseitig gerichteter Längsneigung nicht möglich, werden die Längsneigungen so gestaltet, dass vorzugsweise eine natürliche Entrauchung des Tunnels möglich ist und keine weiteren technischen Einrichtungen zur Entrauchung des Tunnels notwendig sind. Bei der Längsneigung des Tunnels wird weiterhin berücksichtigt, dass durch die Längsneigung der Rollwiderstand der eingesetzten Züge überwunden wird und ein fahrfähiger Zug oder einzelne Waggons auch ohne Antriebsenergie aus dem Tunnel rollen kann. Ein wannenförmiges Längsprofil wird daher vermieden. Beim Mustertunnel ergibt sich ein dachförmiges Längsprofil mit ansteigender und fallender Gradiente. Um die natürliche Entrauchung zu ermöglichen, sind am höchsten Punkt jeder Tunnelröhre des Mustertunnels Entlüftungs- bzw. Entrauchungsschächte vorgesehen. 10.4.3.10 Aufzüge Aufzüge werden ab einem zu überwindenden Höhenunterschied von 30 m in Rettungsschächte eingebaut. Diese Aufzüge werden nicht als Feuerwehraufzüge angesehen und nicht als solche gekennzeichnet. Für die Aufzüge werden jedoch die einschlägigen Rechtsnormen sinngemäß angewendet. Eine Beleuchtung des Aufzugschachts ist möglich.
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10
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
Ein Netzersatzaggregat für den Aufzug wird nicht vorgesehen, wenn die Mittel- und Niederspannungsanlagen außerhalb der Tunnelbauwerke angeordnet und die niederspannungsseitigen Kabel zur Einspeisung in die Aufzugsanlage außerhalb des Tunnelbauwerkes oder in der unfall- und brandgeschützten Kabeltrasse im Fahrtunnel geführt werden.
D123.0116 D123.0117 D123.0120 D123.0130 D123.0140 D123.0141 D123.0150 D123.0160 D123.0160-Leitfaden* D123.0170 D123.0180 D123.0180*01 D123.0181 D123.0190 D461.0101
Schienenfahrzeuge Dampfgetriebene Schienenfahrzeuge; Grundsätze Notfalltechnik Selbstrettung Einsatzfall am Ereignisort Bahnerden im Notfall Fremdrettung Schulung und Übung Leitfaden-Hilfeleistungseinsätze im Gleisbereich Hilfe aufrufen, Ereignisse melden Gefährliche Ereignisse untersuchen und berichten 1. Aktualisierung vom 28.05.2006 zur 123.0180 Unfallursachenanalyse Statistik gefährlicher Ereignisse Betriebsführung von Mittelspannungsanlagen und Ne
01.07.04 01.09.04 01.07.04 01.07.04 01.07.04 01.11.05 01.07.04 01.07.04 01.11.04 01.07.04 01.07.04 28.05.06 01.01.06 01.07.04 01.08.05
D807.0200 D809
Elektromagnetische Verträglichkeit; Übersicht Infrastrukturmaßnahmen planen, durchführen,..(m*1)
01.06.03 02.05.02
Kurzbezeichnung
Zusatztext
Notfallmanagement, Brandschutz
Grundsätze Vorbeugender Brandschutz; Grundsätze Notfallhilfe vorbereiten Notfallmanagement und Brandschutz in Eisenbahntunneln Notfallmanagement und Brandschutz in Personenverkehrsanlagen Schienenfahrzeuge Dampfgetriebene Schienenfahrzeuge; Grundsätze Notfalltechnik Selbstrettung Einsatzfall am Ereignisort Bahnerden im Notfall Fremdrettung Schulung und Übung der DB AG Hilfe aufrufen, Ereignisse melden Gefährliche Ereignisse untersuchen und berichten
519
Unfallursachenanalyse Statistik gefährlicher Ereignisse Betriebsführung von Mittelspannungsanlagen und Netzen bis 30 kV, 50 Hz Elektromagnetische Verträglichkeit; Übersicht Infrastrukturmaßnahmen planen, durchführen, abnehmen, dokumentieren und abschließen
Gültige Technische Unterlagen
D123 D123*01 D123*02 D123*03 D123*04 D123.0101 D123.0105 D123.0110 D123.0111 D123.0112
Gültigkeit (Datum der letzten Aktualisierung) Notfallmanagement, Brandschutz (m.*03) 28.05.06 1. Aktualisierung vom 01.09.04 zur KoRil 123 01.09.04 2. Aktualisierung vom 01.01.05 zur KoRil 123 01.01.05 3. Aktualisierung zum 01.01.2006 zur KoRil 123 01.01.06 4. Aktualisierung zum 28.05.06 zur KoRil 123 28.05.06 Grundsätze 01.07.04 Vorbeugender Brandschutz; Grundsätze 01.01.06 Notfallhilfe vorbereiten 01.07.04 Notfallmanagement und Brandschutz in Eisenbahntunn 01.01.06 Notfallhilfe für Personenverkehrsanlagen vorbereit 01.01.06
Vorschrift
LST-Anlagen planen Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten Aktualisierung vom 01.08.03 zu Ril 853 Leitfaden zur Richtlinie 853 - Eisenbahntunnel
D85901
Telekommunikationsanlagen planen
01.10.92
D885 D899/4
Bahn-Geodaten des DB-GIS Bau v. Fernmelde-, Signal- u. (mit *1 und 2)
01.01.06 01.12.89
D945
Elektri Einri für Nennspan v.1000V u.darüber(m.*2)
01.01.94
D954.0101 D954.0102 D954.0103 D954.0104
Elektrische Energieanlagen;Grundsätze Elektrische Energieanlagen;Anlagen planen Elektrische Energieanlagen;Anlagen errichten Elektrische Energieanlagen;Anlagen betreiben und
01.03.00 01.03.00 01.12.00 01.03.00
D954.0105 D954.0106 D954.0107 D954.0108 D954.0201 D954.0202 D954.0203 D954.0412 D954.9101 D954.9102 D954.9103
Elektr.Energieanlagen;Berechtigung zum Arbeiten Elektr.Energieanlagen;Systeme auswählen/einführen Elektr.Energieanlagen;Schutzmaßnahmen Elektr.Energieanlagen;Abnahmeleitlinien 50 Hz Elektrizität beziehen 50 Hz Elektrizität abgeben 50 Hz Elektrizität abrechnen Gebäudeblitzschutz Elektrische Weichenheizanlagen Elektrische Zugvorheizanlagen Beleuchtungsanlagen im gleisnahen/sicherheitsrele-
01.03.00 01.03.00 01.06.05 01.03.00 01.01.97 01.01.97 01.01.97 01.05.96 01.10.02 01.06.03 01.10.02
D954.9103/LAWL
Leuchtenauswahlliste (m.*01)
01.09.05
Zusatztext
LST-Anlagen planen Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten Leitfaden zur Richtlinie 853; Kommentare und Planungshilfen zur Ril 853 Telekommunikationsanlagen planen; Telekommunikationsverbindungen bezeichnen und benummern Bahn-Geodaten des DB-GIS Richtlinien für den Bau von Fernmelde-, Signal- und Starkstrom-Kabelanlagen Elektrische Einrichtungen für Nennspannungen von 1000 V und darüber Elektrische Energieanlagen; Grundsätze Elektrische Energieanlagen; Anlagen planen Elektrische Energieanlagen; Anlagen errichten Elektrische Energieanlagen; Anlagen betreiben und instandhalten Elektrische Energieanlagen; Berechtigung zum Arbeiten Elektrische Energieanlagen; Systeme auswählen/einführen Schutz gegen elektrischen Schlag; Grundsätze Elektrische Energieanlagen; Abnahmeleitlinien Elektrische Energieanlagen; 50 Hz-Elektrizität beziehen Elektrische Energieanlagen; 50 Hz-Elektrizität abgeben Elektrische Energieanlagen; 50 Hz-Elektrizität abrechnen Gebäudeblitzschutz Elektrische Weichenheizanlagen Elektrische Energieanlagen; Elektrische Zugvorheizanlagen Elektrische Energieanlagen; Beleuchtungsanlagen im gleisnahen und/oder sicherheitsrelevanten Bereich Leuchtenauswahlliste
Stromversorgungsanlagen der Infrastruktur
D819 D853 D853*02 D85391
Gültigkeit (Datum der letzten Aktualisierung) 01.08.98 01.08.03 01.08.03 01.08.03
10
Kurzbezeichnung
520
Vorschrift
Kurzbezeichnung
D954.9103/LAWL*01 D954.9103/LAWL*02 D954.9103/LAWL*03 D954.9103/LAWL*04 D954.9103/LAWL*05 D954.9103/LAWL*06 D954.9103/LAWL*07 D954.9103/LAWL*08 D954.9103/LAWL*09 D954.9103/LAWL*09* D954.9103/LAWL*10 D954.9103/LAWL*11 D954.9103/Mast
Leuchtenauswahlliste;Bekanntgaben 17 und 18/99 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab Bek.19-04/01 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 04.01 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 03.02 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 09.02 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 03.03 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 09.03 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 03.04 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 09.04 Leuchtenauswahlliste;Nachtrag zu Änderungen 09.04 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 09.05 Leuchtenauswahlliste; Änderungen ab 03.06 Übersicht Lichtmaste und Zubehör für die Gleisfeld
Gültigkeit (Datum der letzten Aktualisierung) 12.07.99 01.04.01 30.08.01 05.04.02 01.09.02 01.03.03 05.09.03 27.02.04 01.09.04 01.09.04 01.09.05 28.02.06 01.08.97
D954.9103/MB1 D954.9103/MB2 D954.9106 D954.9107 D95401 D95401*01 D95401*02 D95402 D955
Merkblatt 1 Leuchtenfreigabe bei der DB Merkblatt 2 Leuchtenfreigabe bei der DB Elektrische Energieanlagen; Hochspannungsanlagen u Elektrische Energieanlagen;Eisenbahntunnel Elektrische Energieanlagen (m*02) Aktualisierung 1 zur Ril 95401 Aktualisierung 2 zur Ril 95401 50 Hz Elektrizität beziehen/ abgeben/ abrechnen Schaltanlagen für Bahnstrom (m.*)
12.02.03 12.02.03 01.09.05 01.05.06 01.06.05 01.12.00 01.06.05 01.01.97 01.02.04
Zusatztext
Übersicht Lichtmaste und Zubehör für die Gleisfeld-, Bahnübergangs- und Bahnsteigbeleuchtung Merkblatt 1 Leuchtenfreigabe bei der DB Merkblatt 2 Leuchtenfreigabe bei der DB Elektrische Energieanlagen; Mittelspannungsanlagen und -netze Elektrische Energieanlagen; Eisenbahntunnel Elektrische Energieanlagen
50 Hz Elektrizität beziehen/ abgeben/ abrechnen Schaltanlagen für Bahnstrom
Gültige Technische Unterlagen
Vorschrift
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11
Kabelanlagen Ralf Baumann
Kabel und Leitungen sind langlebige Investitionsgüter, die zur Übertragung von Energie und Signalen die einzelnen Betriebsmittel der elektrischen Bahnanlagen miteinander verbinden. Die Auswahl geeigneter Kabel- und Leitungstypen nach Verwendungsbereich und Einsatzort sowie eine sorgfältige Montage sind für eine hohe Zuverlässigkeit und eine lange technische Lebensdauer von entscheidender Bedeutung. Die folgenden Seiten bieten dem Eisenbahningenieur Informationen über Typen und Eigenschaften von Kabeln und Leitungen im Gleisbereich sowie über die damit verbundenen Planungs-, Montage-, Betriebs- und Instandhaltungsprozesse.
Die Spannungsfestigkeit der Starkstromkabel wurde dann durch geschichtete, ölharzgetränkte Papierisolierungen, wesentlich verbessert. Eine Erhöhung der Nennspannung wurde mit der Erfindung der dielektrischen Verlötung ab 1913 erreicht. Sie bestand aus metallisiertem Papier unter der Aderisolierung, was Schäden durch Teilentladungen an der Grenzfläche zwischen Leiter und Isolierung verhinderte. In den 30er Jahren hielten schließlich Kunststoffe als Isolier- und Mantelwerkstoffe in die Kabeltechnik Einzug, die zu langlebigen und zuverlässigen Kabel- und Leitungstypen führten. Auf diese modernen kunststoffisolierten Kabel und Leitungen konzentriert sich der nachfolgende Überblick für den Eisenbahningenieur.
Historie Das Wort Kabel stammt aus dem Arabischen und bedeutet Seil oder Tau. Über Seeleute gelangte der Begriff in unseren Sprachschatz. Die ersten Elektrokabel wurden von Reepschlägern (Seilern) hergestellt. Von ihnen stammen auch die Begriffe Ader, Seele, Schlag und Trosse, die in der Kabeltechnik noch heute verwendet werden. In Deutschland wurden die ersten behelfsmäßigen Energiekabel der Telegrafentechnik entlehnt und in Berlin vor rd. 125 Jahren für den Betrieb von Bogenlampen zur Straßenbeleuchtung benutzt. Diese Kabel enthielten als Isoliermittel noch Guttapercha, was bei etwa + 45 °C erweichte. Bald darauf wurde eine wärmebeständigere Isolierung aus getränkten Faserstoffen, wie Jute und Hanf entwickelt, die jedoch einen Feuchtigkeitsschutz in Form eines durchgehenden Bleimantels benötigte.
11.1 Bauarten und Verwendung Kabel unterscheiden sich von Leitungen durch ihren Aufbau und ihre Verwendung. Kabel sind gegen Umgebungseinflüsse besser geschützt und eignen sich für eine feste Installation sowie für Verlegung – in Luft, – im Erdreich (auch ungeschützt), – im Wasser, – in Kabelkanälen, z.B. Betonkabelkanäle im Gleisbereich, – in Schutzrohren, – in Formsteinen, – in Beton, – auf Kabelpritschen, Kabelbahnen oder – in Kabelrinnen.
524
11
Kabelanlagen
Abb. 11.1 Installation mit Kabelschellen auf Kabelleitern
Abb. 11.2 Verlegung auf Kabelbahnen
Abb. 11.3 Anwendung von isolierten Leitungen
11.1 Bauarten und Verwendung
Leitungen eignen sich für geschützte Verlegungen und insbesondere für ortsveränderliche Betriebsmittel. Außerdem finden sie Verwendung als Aderleitungen in Steuerungen, Schienenfahrzeugen und in der Bahnstromversorgung, z.B. als Rückleitungsverbinder im Gleisbereich. Leitungen müssen durch ihre Verlegungsart vor mechanischer, thermischer und chemischer Beschädigung geschützt werden, da derartige Beanspruchungen je nach Intensität eine Schädigung oder auch eine vorzeitige Alterung der Isolier- und Mantelwerkstoffe verursachen. Die Leiter von Kabeln und Leitungen bestehen aus blankem oder metallumhüllten Zinn oder Zinnlegierung, weichgeglühtem Kupfer oder aus Aluminium bzw. aus Aluminiumlegierungen. Aluminiumleiter haben gegenüber Kupfer bei gleichem Gewicht das 3,3fache Volumen. Der leitwertgleiche Querschnitt beträgt das 1,5fache im Vergleich zu Kupfer. Das leitwertgleiche Gewicht beträgt nur die Hälfte von Kupfer. Damit sind Kabel mit Aluminiumleiter deutlich leichter. Gemäß der neuen internationalen Norm, IEC 60228, sind die Nennquerschnitte im Bereich von 0,5 mm2 bis 2.500 mm2 für Leiter von Kabeln und isolierten Leitungen in folgende vier Klassen eingeteilt: für Kabel und Leitungen für feste Verlegung – Klasse 1: eindrähtige Leiter – Klasse 2: mehrdrähtige Leiter
für flexible Leitungen – Klasse 5: feindrähtige Leiter – Klasse 6: feinstdrähtige Leiter Die Leiterwiderstände und deren Ermittlung sind ebenfalls in der vorgenannten Norm festgelegt. Die Wahl des Leiterwerkstoffes und des Aufbaues bestimmen auch die Biegbarkeit und die Zugfestigkeit eines Kabels bzw. einer Leitung. Kupfer verhält sich unproblematisch. Aluminium neigt dagegen zum Kaltfließen bei Druck (z.B. an Verbindungsstellen), zur Bildung nichtleitfähiger Oxidschichten und weist einen hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten auf. Als Isoliermaterial werden Polymere, überwiegend Polyvinylchlorid (PVC) und vernetztes Polyethylen (VPE) verwendet. Sie werden nach ihrem physikalischen Verhalten in Thermoplaste, Elastomere und Duroplaste klassifiziert. Ein wichtiges Merkmal zur Unterscheidung der Polymere ist der Gehalt an Halogenen in der Isoliermischung. Die Halogene Chlor, Fluor und Brom sind sog. Salzbildner, die bei Abspaltung unter Flammeneinwirkung und bei gleichzeitiger Feuchtigkeit korrosive Säuren und toxische Stoffe bilden können. Dies spielt beim Verhalten von Kabeln und Leitungen im Brandfall eine wichtige Rolle. Die Verwendung von Polymeren hat für die Kabel- und Leitungstechnik folgende Vorteile: Abb. 11.4 Leiterbauarten
RE Cu Al
NS: MS:
NS: kleine Querschnitte 25 bis 150 mm² MS Niederspannung Mittelspannung
RM
RM verdichtet NS MS NS MS
RE: rund eindrähtig RM: rund mehrdrähtig
SM
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SE
NS – MS (bis 10 kV) NS NS MS (bis 10 kV) MS (bis 10 kV) SM: sektorförmig mehrdrähtig SE: sektorförmig eindrähtig
526
11
Kabelanlagen
– schnelle und saubere Montage, – geringes Gewicht, einfache Verlegung, große Liefer- und Legelängen und geringe Muffenzahl, – hohe Belastbarkeit, mehr Reserve bei größerer Übertragungsleistung, – niedrige stromabhängige und dielektrische Verluste, – Eignung für Gefällestrecken durch Feststoffdielektrikum, – hohe Betriebssicherheit, lange Lebensdauer und niedrige Instandhaltungskosten. Die Höhe der elektrischen Beanspruchung und der Grad der Empfindlichkeit des Isolierwerkstoffes gegen Teilentladungen bestimmen, ab welcher Nennspannung bei den einzelnen Kabelbauarten eine elektrische Schirmung aus metallenen Aufbauelementen erforderlich ist, die dann folgende Funktionen erfüllt: – Homogenisierung des elektrischen Feldes, – Potenzialsteuerung und Begrenzung des elektrischen Feldes, – Vermeidung von Teilentladungen an den Oberflächen der Isolierung, – Fortleitung von Ableit- und Ladeströmen, – Schutz gegen gefährliche Berührungsspannung (Berührungsschutz). Schirme aus Kupfer müssen gemäß DIN VDE 0276 folgende geometrische Mindestquerschnitte aufweisen: Nennquerschnitt Außenleiter
Nennquerschnitt Schirm
25 mm2 35 mm2 50 mm2 70 mm2 95 mm2 120 mm2 150 mm2 185 mm2 240 mm2 300 mm2 400 mm2
16 mm2 16 mm2 16 mm2 16 mm2 16 mm2 16 mm2 16 mm2 25 mm2 25 mm2 25 mm2 35 mm2
Mäntel werden als äußere Schutzhülle nahtlos auf die Kabelkonstruktion extrudiert. Sie dienen aber auch als Polster für Bewehrungen und als Korrosionsschutz. In der Regel werden PVC und PE (Polyethylen) als Mantelmaterial wegen folgender Eigenschaften verwendet: – hohe Zugfestigkeit und Dehnung, – Druckfestigkeit auch in höheren Temperaturbereichen, – hohe Beständigkeit gegen Chemikalien, – gute Gleiteigenschaften bei der Verlegung und – hohe Alterungsbeständigkeit.
11.1.1 Energiekabel und Leitungen Kabel werden aus folgenden Elementen aufgebaut: – ein- oder mehrdrähtigen runden oder sektorförmigen Kupfer- oder Aluminiumleitern, – einer Leitschicht zur spaltfreien Bindung der Leiterisolation an den Leiter und zur Steuerung des elektrischen Feldes bei Mittel- und Hochspannungskabeln, – der Leiterisolation, die heute in aller Regel aus Kunststoff besteht, – einer weiteren Leitschicht, die ebenfalls der Feldsteuerung bei Mittel- und Hochspannungskabeln dient, – Zwischenlagen aus Spezialpapier- oder Kunststoffbänder, die als z.T. leitfähige Polster oder Trennschicht fungieren, – metallenen Hüllen, meist als Schirm aus Kupferdrähten ausgebildet, für die Feldsteuerung und um insbesondere die im Fehlerfall auftretenden Ströme zu den Erdungspunkten ableiten zu können, – weiteren Bebänderungen als Polster und Trennschicht und – dem Außenmantel, der in aller Regel aus widerstandsfähigem Kunststoff besteht. Der Kabelaufbau kann durch längs- und querwasserdichte Füllungen oder Umhüllungen zwischen Schirm und Mantel ergänzt werden.
11.1 Bauarten und Verwendung Leiter Aluminium oder Kupferdrähte Innere Leitschicht VPE-Isolierung äußere Leitschicht leitendes Band Kupferdrahtschirm Trennschicht
PE-Mantel
Abb. 11.5 Aufbau eines typischen Mittelspannungs-Einleiterkabels
Kabel, die erhöhten mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind, erhalten, je nach Verwendungszweck eine Bewehrung aus verzinkten Stahldrähten, Stahlbändern oder ein Drahtgeflecht, als besonderen mechanischen Schutz über dem Außenmantel. Der Aufbau von Kabeln und Leitungen lässt sich leicht aus dem normierten Bauartkennzeichen ablesen. Die wichtigsten Buchstabenkurzzeichen für die normierten Bauartenkennzeichen der Kabel sind: – Normtyp: N – Leiter – Kupfer: kein Zeichen – Aluminium: A – Kabel mit Uo/U = 0,6/1 kV, ohne konzentrischen Leiter, – mit grün-gelber Ader: -J – ohne grün-gelbe Ader: -O
527
– Isolierung Y – PVC: 2X – VPE: – vernetztes halogenfreies Polymer: HX – Konzentrischer Leiter aus Kupfer C – im Längsschlag: CW – - wellenförmig: – Schirm aus Kupfer – bei mehradrigen Kabeln mit gemeinsamen Schirm: S – bei mehradrigen Kabeln mit Einzeladerschirmen: SE – Metallmantel aus Aluminium – glatt: KL KLD – gewellt: – Längswasserdichter Schirmbereich: (F) – Innere Schutzhülle Y – PVC: – PE: 2Y – gewickelte Schutzhülle mit eingebetteter Schicht aus Kunststofffolien: E – Bewehrung – Stahlband: B F – Stahlflachdraht: R – Stahlrunddraht: – Stahlband gegen - oder Haltewendel: G – Äußere Schutzhülle (Mantel) Y – PVC: YV – verstärkter PVC-Mantel: 2Y – PE: 2YV – verstärkter PE-Mantel: – Aluminiumband mit PE-Mantel verklebt (FL2Y) AL/PE-Schichtenmantel – vernetztes halogenfreies Polymer: HX – unvernetztes, halogenfreies Polymer: H Das Bauartenkurzzeichen für das Standardspeisekabel der 15-kV-Bahnenergieleitung nach DIN/VDE 0276-620 und gem. DBRegelwerk 4 Ebs09.41.11 Blatt 3 lautet:
528
11
Kabelanlagen
N 2X S 2Y 1x 240 RM / 50 oder 70
18/30 kV
Normtyp Leiterisolationaus VPE Cu-Drahtschirm Mantel aus PE Einleiterkabel Leiterquerschnitt 240 mm² Rundleiter aus mehrdrähtigem Kupfer Gesamtquerschnitt der Schirmdrähte 50 mm² oder 70 m² Nennspannung Uo/U Uo = Effektivwert der Nennwechselspannung zwischen einem Außenleiter und Erde in nicht isolierender Umgebung.
Auf Kabeln mit Kunststoffmänteln finden sich folgende Einprägungen: – Markenbezeichnung oder Firmenzeichen des Herstellers, – Herstellungsjahr, – Bauartkurzzeichen und Nennspannung U, – VDE-Normenkonformitätszeichen, – Längenmarkierung für Kabel mit einem Außendurchmesser ab 10 mm.
U = Effektivwert der Nennwechselspannung zwischen zwei Außenleitern
Beispiel für ein 30-kV-Bahnspeisekabel der Berliner S-Bahn: „2000 PROTOTHEN X N2XS(F)2Y 30 kV 9 VDE 7 0276 (fortlaufende Längenmarkierung)
11.1 Bauarten und Verwendung Bauartkurzzeichen für Leitungen nach DIN: VDE 0281 Beispiel für mögliche Leitungsverbindungen im Rückleitungssystem H 07 Kennzeichen der Bestimmung Harmonisierte Bestimmung H A Anerkannter nationaler Typ Nennspannung Un/U 100/100 V 300/300 V 300/500 V 450/750 V
01 03 05 07
Isolierwerkstoff Ethylen-Propylen-Kautschuk Kautschuk, wärmebeständig (110 °C) Ehylen-Propylen-Kautschuk für 60 °C Betriebstemperatur Silikonkautschuk PVC PVC, wärmebeständig (90 °C) PVC, kältebeständig (- 25 °C) PVC, vernetzt vernetztes Polymer, im Brandfall raucharm und nicht korrosiv
B G R S V V1 V3 V4 Z
Mantelwerkstoff Ethylen-Propylen-Kautschuk Kautschuk, wärmebeständig (110 °C) Glasfasergepflecht Chloroprenkautschuk Polyethylen, chlorsulfoniert oder chloriert Polyurethan Ethylen-Propylen-Kautschuk für 60 °C Betriebstemperatur Textilgeflecht PVC PVC, wärmebeständig (90 °C) PVC, vernetzt PVC, ölbeständig vernetztes Polymer, im Brandfall raucharm und nichtkorrosiv
B G J N N4 Q R T V V2 V4 V5 Z
Besonderheiten im Aufbau Kupfer-Schirmgeflecht über den verseilten Adern Zugentlastungselement/Tragorgan Kerneinlauf (kein Tragelement) flache, aufteilbare Leitung flache , nicht aufteilbare Leitung flache PVC-Leitung mit drei oder mehr Adern zweischichtige, extrudierte Isolierung gewendelte Leitung
C4 D3 D5 H H2 H6 H7 H8
Leiterart für Schweißleitungen, normale Flexibilität für Schweißleitungen, besonders hohe Flexibilität feindrähtig bei flexiblen Leitungen feinstdrähtig bei flexiblen Leitungen feindrähtig bei Leitungen für feste Verlegung mehrdrähtig eindrähtig Lahnlitze
-D -E -F -H -K -R -U -Y
Aderzahl mit Schutzleiter (grün-gelb) ohne Schutzleiter
... G X
Nennquerschnitt des Leiters
...
RNF
1x120
529
530
11
Kabelanlagen
Einzelne Kabel und Leitungen mit PVC- und VPE-Isolier- und Mantelmischungen brennen ohne Stützflamme nicht und sind wegen der in ihnen enthaltenen Halogene selbstverlöschend. Eine Kabelhäufung durch Parallelverlegung und Bündelung begünstigt jedoch, insbesondere bei senkrechter Anordnung infolge des Kamineffektes, eine rasche Brandausbreitung. Im Brandfall verqualmt 1 kg PVC rund 500 m3 Rauminhalt mit Rauchgasen von hoher Dichte. Außerdem verbindet sich das freigesetzte Chlor mit der Luftfeuchtigkeit und mit Löschwasser zu gefährlicher korrosiver Salzsäure. Daher empfiehlt es sich in Gebäuden mit hoher Personen- und Sachwertkonzentration sowie auf Tunnelstrecken, Kabel und Leitungen mit besonderen Eigenschaften im Brandfall zu installieren. Derartige Sonderkabel und Leitungen sind mit halogenfreien Isolier- und Mantelmischungen ausgestattet, die folgende Eigenschaften im Brandfall aufweisen: – geringe Brandfortleitung, – geringe Korrosivität der Brandgase, – geringe Rauchgasdichte, – geringe Toxizität der Brandgase und – einen definierten Isolationserhalt bei Flammeinwirkung. Ein typisches Mittelspannungskabel für die Fahrstromversorgung, mit derartigen Eigenschaften, trägt das Bauartenkurzzeichen:
Leiter Trennschicht Isolierung „HX“ Aderumhüllung Konzentrischer Schutzleiter Folie
Mantel „HX“
Abb. 11.6 Aufbau eines Energiekabels mit besonderen Eigenschaften im Brandfall
Insbesondere für Sicherheitsbeleuchtungssysteme auf Tunnelstrecken sind Kabel mit einem gesicherten Isolationserhalt von 30… 180 Minuten empfehlenswert. So ist selbst bei einem Vollbrand die Funktion der Sicherheitsbeleuchtung, bis auf einzelne Leuchtenausfälle, gewährleistet und unterstützt damit wirksam die Rettungs- sowie Brandbekämpfungsmaßnahmen.
N 2X S H 1x 240 RM / 50 Normtyp Leiterisolationaus VPE Cu-Drahtschirm Mantel aus halogen-freiem Polymergemisch
18/30 kV
11.1 Bauarten und Verwendung
11.1.2 Signal- und Nachrichtenkabel Für die Streckensignalübertragung und zur Kommunikation werden spezielle Kabel mit klassischen Kupferadern und vermehrt Konstruktionen mit Lichtwellenleitern, in der Bahntechnik verwendet. Mit diesen Bahnkabeln, lassen sich analoge und digitale Daten mit hohen Übertragungsraten und mit einer hohen Sicherheit sowie Zuverlässigkeit für den Betrieb von Zugsicherungs-, EL/WL- und Uhrenanlagen bis hin zu Zugzielanzeigern übertragen. Wo viele Schnittstellen benötigt werden, wie z.B. in lokalen Kommunikationsnetzen größerer Bahnhöfe, werden Nachrichtenkabel mit klassischer elektrischer Übertragungstechnik eingesetzt. Nachrichtenkabel sind durch fortlaufende Einprägung eines Fernsprechhörersymbols in den Kunststoffmantel gekennzeichnet. Signalkabel weisen eine fortlaufende Einprägung „SIGNAL“ auf ihrer Manteloberfläche auf. Die wichtigsten Bauartenkurzzeichen von Signal- und Nachrichtenkabeln haben folgende Bedeutung: AAußenkabel ABAußenkabel mit Blitzschutz AJAußenkabel mit Induktionsschutz Y Schutzhülle aus PVC YV verstärkte Schutzhülle aus PVC 2Y Isolierhülle aus PE O2Y Isolierhülle aus Zell-PE
531
D
konzentrische Lage aus Kupferdrähten (L) 2Y Schichtenmantel F Kabelseele mit Petrolatfüllung, längswasserdicht (L) 2 Y Schichtenmantel, querwasserdicht B Bewehrung (Z) Stahldrahtgeflecht über PVC-Innenmantel E Masseschicht mit eingebettetem Kunststoffband S Signal- und Messkabel LG Lagenverseilung Ein Kurzzeichen-Beispiel für ein bahntypisches Signalkabel mit Voll-PE-Isolierung, innerer Schutzhülle, Bewehrung, äußere Schutzhülle, 12 Adern mit Cu- Leitern à 1,4 mm Durchmesser und Lagenverseilung lautet demnach: A-2YYBC12×1×1,4SLG. Für die Datenfernübertragung im Streckennetz oder für den Betrieb in Bereichen mit großer elektromagnetischer Beeinflussung eignet sich eher die optoelektronische Technik der Lichtwellenleiterübertragung. Die Lichtwellenleiter (LWL) zeichnen sich durch eine sehr hohe Datenübertragungskapazität aus und sind unempfindlich gegen elektromagnetische Beeinflussungen. Basiswerkstoff von Glasfaser-LWL ist hochreines Siliziumoxid, das durch Dotierung mit geeigneten Oxiden die gewünschten Eigenschaften der Lichtbrechung bei geringer Dämpfung erhält. Wegen der Empfindlich-
Außenmantel PVC, schwarz Stahlbandbewehrung Innere Schutzhülle PVC, schwarz Leiterisolierung PE (Zählader blau, restliche Adern grau) Eindrähtiger Cu-Leiter Statischer Schirm aus Kupferband
Abb. 11.7 Aufbau eines typischen Bahn-Signalkabels
532
11
Kabelanlagen
60…144 Glasfasern Außenmantel Glasgarne Quellbänder Gelgefüllte Bündeladern Zentralelement
keit der Glasfasern gegen mechanische Beanspruchungen sind die einzelnen Fasern entweder mit einer röhrenförmigen Schutzhülle aus Kunststoff zu sog. Hohladern oder als Volladern verarbeitet. Dadurch können mechanische Beanspruchungen nicht unmittelbar auf die Fasern wirken. Um zu verhindern, dass Feuchtigkeit in die Hohlader eindringen kann und bei Kälte entstehendes Eis den LWL schädigt, ist der Hohlraum mit einer neutralen Masse gefüllt.
Abb. 11.8 Querschnitt eines LWLAußenkabels als Bündelader-Konstruktion
11.2 Garnituren Als Garnituren werden Kabelmuffen und Endverschlüsse bezeichnet. Während Muffen zum Verbinden von Kabeln und Leitungen eingesetzt werden, bilden Endverschlüsse den Abschluss der Kabelenden und dienen dem Anschluss an elektrische Betriebsmittel wie Schaltanlagen und Transformatoren. Folgende Anforderungen, die aus elektrischen Einwirkungen resultieren, müssen von Garnituren erfüllt werden:
Zyklische Wärmebelastung
Umbruchkräfte
Überspannung
Feldkonzentration
Stromzyklen
Magnetismus
Schaltspitzen
Zerstörung der Feldhomogenität
Lastwechsel
Kurzschluss
Blitzeinschlag
Elastizität ,
Mechanische Festigkeit
Spannungsfestigkeit
Absetzen der äußeren Leitschicht
Feldsteuerung ,
11.2 Garnituren
533
Je nach Art und Spannungsreihe sind folgende Garniturentechnologien gebräuchlich: – Gießharztechnik, – Schrumpftechnik, – Wickeltechnik, – Aufschiebetechnik, – Steckertechnik.
11.2.1 Muffen und Verbinder Kabelmuffen müssen grundsätzlich folgende Anforderungen erfüllen: – Verbinden der Leiter, – Verbinden des Schirmes, – Steuern des elektrischen Feldes, – Isolieren der Leiter, – Wiederaufbau der abgesetzten Kabelelemente, – Schutz der Kabelverbindung vor Feuchtigkeit, – Schutz der Verbindungsstelle vor thermischen und mechanischen Beanspruchungen.
Cu- und Al-Verbindungshülse a) Verbinden durch Sechskantpressen
b) Verbinden durch Tiefnutpressen
Cu-Verbindungshülse Wasserandrang von außen
von innen
Wasserlagerung
Wasserwanderung im Kabel
c) Verbinden durch Crimpen
Abb. 11.9 Pressarten für Leiter-Verbindungshülsen
Längs- und Querwasserdichtigkeit Wasserstop
Die Verbindung der Leiter wird meistens mit Press- oder Schraubverbindern hergestellt. Die gebräuchlichen Pressarten sind in Abb. 11.9 aufgeführt.
Zum Durchverbinden des Schirmes werden an den Übergangsstellen auch Rollfedern verwendet. Für Aluminiumleiter und Adern von Signal- , Steuer- und Nachrichtenkabel sind daneben spezielle Lötverbindungen gebräuchlich. Wegen einfacher Montage, geringer Abmessungen, guter Dichteigenschaften, einfacher
Abb. 11.10 Aufbau einer Schrumpfmuffe
534
11
Kabelanlagen Abb. 11.11 Reparaturmanschette mit Verschlussschiene, die nach dem Abkühlen der Manschette entfernt werden kann
Lagerhaltung und langer technischer Lebensdauer haben sich Muffen aus Schrumpfmaterial durchgesetzt. Die über die zu verbindenden Kabelenden geschobenen Schläuche schrumpfen unter dem Einfluss einer weichen Flamme oder eines Heißluftgebläses auf das notwendige Maß und verschließen die Enden mit austretendem Heißkleber, der auf die Innenseite der Schrumpfschläuche aufgebracht ist. Die Kabel sind direkt nach Abschluss der Muffen prüf- und betriebsbereit. Zur Reparatur von Schadstellen in Kabelmänteln werden spezielle Manschetten aus wärmeschrumpfendem Material angeboten, die um das ungeschnittene Kabel herum gelegt und von einer Verschlussschiene bis zum Abschluss des Schrumpfprozesses gehalten werden. Unter Wärmeeinwirkung schrumpft die Manschette soweit, bis der schadhafte Bereich vollständig abgedeckt und durch den Schmelzkleber dicht verschlossen und geschützt ist.
11.2.2 Endverschlüsse Die grundsätzlichen Anforderungen an Endverschlüsse sind: – betriebssicheres Anschließen der Leiter, – Steuern des elektrischen Feldes, – Begrenzen von Kriech- und Leckströmen, – Schützen der Kabel vor Feuchtigkeit. Feuchtigkeitseinwirkung Freiluft
Freiluft/Innen
Innenraum/Schächte
Niederschläge
Fremdschichten
Kondenswasser
Kriechwegbildung Kriechwegfestigkeit
Bei Freiluftendverschlüssen werden die durch das Absetzen des Kabels freigelegten Adern, zum Schutz gegen Umweltbeanspruchungen, wie z.B. UV-Strahlung, durch spezielle Schrumpfschläuche oder Aufschiebeelemente geschützt. Der Kabelzwickel wird vorzugsweise mit einer Aufteilungskappe gegen das Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz abgedichtet. Auch in der Endverschlusstechnik haben sich Aufschiebegarnituren und Schrumpfmaterial durchgesetzt. Mittelspannungs-Endverschlüsse aus Schrumpfmaterial bestehen aus kriechstromund erosionsfesten Schläuchen. Die Übergänge zwischen Aderisolation und Kabelschuh sowie zwischen Leiterisolation und Kabelmantel werden durch gesonderte passgerechte Schläuche dauerhaft abgedichtet und geschützt. Die Feldsteuerung erfolgt entweder durch eine im Schlauch integrierte Beschichtung oder mit einem gesonderten Feldsteuerschlauch. Die integrierte Feldsteuerung hat den Vorteil einer vereinfachten und kurzzeitigen Montage. Je nach Spannungsebene und notwendiger Kriechweglänge können zusätzlich Isolatorschirme aufgeschrumpft werden. Endverschlüsse aus Schrumpfmaterial können nicht nur senkrecht, sondern auch in beliebig anderen Lagen installiert und betrieben werden. Aufschiebe-Endverschlüsse bestehen meist aus hochwertigem Silikon. Der vorgefertigte Isolator enthält eine integrierte kapazitive Feldsteuerung und passt sich optimal an den jeweiligen Kabeltyp an. Endverschlüsse mit steck- oder schraubbaren Kontaktelementen eignen sich für den Kabelanschluss an gekapselte Schaltanlagen, Transformatoren usw. Sie zeichnen sich durch eine sehr kompakte Bauweise aus, die aufgrund
11.3 Planung
535
Abb. 11.12 Gekapselte, steckbare Kabelanschlüsse
der geringen Abstände der Pole der Durchführungen erforderlich ist. Außerdem sind Verbindungs-, Abzweig- und Übergangsmuffen mit steckbaren Kabelanschlüssen möglich. Zwei unterschiedliche Anschlusssysteme sind gebräuchlich: das Innenkonus- und das Außenkonussystem. Der sog. Innenkonus ragt in das anzuschließende Betriebsmittel hinein, während der Außenkonus heraussteht.
11.3 Planung Die Planung von Kabelanlagen umfasst im Wesentlichen die – Auswahl der Trasse,
– Erstellung von Lageplänen mit Bestandsangaben, – Bestimmung der Kabelführung (Erdkanaloder Rohrverlegung), – Auswahl und Dimensionierung der Kabel und Leitungen, – Berücksichtigung der Transport-, Verlegeund Montagebedingungen, – elektromagnetischen Beeinflussungen insbesondere bei Häufung, – Ab- und Inbetriebnahmeprüfungen.
11.3.1 Trassenplanung Eine wichtige Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit einer Kabelanlage ist die Trassenauswahl. Mit einer sorgfältigen Planung
536
11
Kabelanlagen
der Kabeltrasse sind bei der Bauausführung sowie im anschließenden Betrieb und bei der Instandhaltung erhebliche Kostensenkungen erreichbar. Kabeltrassen sind im größtmöglichen Abstand von den Gleisen, mindestens 0,5 m innerhalb der Bahngeländegrenzen, geradlinig und parallel zum Gleiskörper zu führen. Hochwassergefährdete Gebiete sind möglichst zu umgehen. Wasserläufe sollen auf vorhandenen Brücken überquert oder mit Rohrzügen unterfahren werden. Dabei sind die Rohre 1 m unter der Gewässersohle und 1…1,5 m über die Breite des Wasserlaufes hinaus zu verlegen und beidseitig mit Schächten abzuschließen. Bei Wegunterführungen sind Kabel in Rohrzügen unter der Straße oder auf die Brücke zu verlegen. Bei Wegüberführungen erfolgt die Kabelverlegung am Brückenfundament, vorzugsweise in einem Betontrog. Kabeltrassen auf Brücken sind gemäß DS 804 zu planen. Kabel dürfen auf Betonbrücken ohne isolierende Zwischenlage verlegt werden. Auf Stahlbrücken oder auf metallenen Gitterrosten muss eine Isolierung vorgesehen werden. Auf Betonbrücken sollen Kabel vorzugsweise in Kabeltrögen an der Randkappe verlegt werden. Kabel aus den Überbauenden bzw. aus den Widerlagern in den Gleis-, Randweg- und Geländebereich führen. Dabei ist ein Schutz gegen mechanische Einwirkungen vorzusehen. Kreuzungen, Näherungen und Parallelführungen mit bahnfremden Kabeln sind gemäß Stromkreuzungsvorschrift DS 178 und DS 180 zu planen. Starkstromkabeltrassen der DB sind gemäß DS 954/1 zu planen. Starkstromkabel mit einer Nennspannung d 1000 V sollen ohne besondere Vorkehrungen und ohne Einschränkungen gemeinsam mit Fernmelde- und/oder Signalkabeln in Gräben, Schächten, Trögen (Kabelkanälen) und Rohrzügen verlegt werden. Gemäß DS 80002 ist auf Neubaustrecken dafür ein nutzbarer Kabelbelegungs-Quer-
schnitt von mindestens 360 cm2 je Gleis einzuplanen. Auch Rückstromkabel und Kompensationsleiter, die parallel zu den Fahrschienen geführt und mit diesen verbunden sind, können gemeinsam mit Fernmelde- und Signalkabeln verlegt werden. Rückleiter zwischen Unterwerk und Fahrschienen sind wie Kabel mit Nennspannungen t 1000 V zu behandeln. Kabel mit Nennspannungen > 1000 V dürfen gemeinsam mit Fernmelde- und Signalkabeln in Gräben oder Trögen verlegt werden, wenn ein mechanischer Schutz und ein Wärmeschutz nach DIN 57800/VDE 0800 T.1 vorhanden ist und eine unzulässige Beeinflussung ausgeschlossen ist. Sie dürfen nicht gemeinsam in denselben Schächten oder denselben Rohrzug verlegt werden. 15.000-V-Einleiterkabel der Fahrstromversorgung dürfen grundsätzlich nicht gemeinsam mit Fernmelde- und Signalkabeln verlegt werden. Kabeltrassen an Neubaustrecken sind gemäß DS 800/2 und DS 853/1 zu planen. Neubaustrecken sind beidseitig gleisbezogen zu verkabeln. Dazu sollen Trog- oder Rohrzugtrassen in den Rand- und Zwischenwegen außerhalb des Druckbereiches aus Eisenbahnverkehrslasten angeordnet werden. Die Planungsunterlagen sind lt. Musterblättern der Regelzeichnungen DLK 1.01.450 zu erstellen. Auf freier Strecke sind Kabeltrassen auf der Bahnseite zu planen, welche die meisten Einführungsstellen aufweist. An Oberleitungsmasten sind Kabel auf der Feldseite zu führen. Bei Bahndämmen ist die Kabeltrasse am Dammfuß zu planen. In Einschnitten ist die Kabeltrasse an der oberen Böschungskante zu führen. Die Trassenführung im Randweg stellt eine Ausnahme dar. In Bahnhofsbereichen sind Kabeltrassen längs der Gleise und außerhalb der Oberleitungsmaste zu führen. Kabeltrassen quer zu den Gleisen müssen diese rechtwinkelig kreu-
11.3 Planung
537
Abb. 11.13 Verlegezone für Rohrzüge und Kabeltröge im Gleisbereich
zen. Weichen dürfen nicht unterkreuzt werden. Kabeltrassen durch oder in der Nähe von Öllagerstätten nicht in Rohrzügen, Trögen oder Schächten planen, da die Gefahr der Gasansammlung und Verschleppung besteht. Für die spätere Verlegung sind 2…5% Zuschläge auf die gesamte Kabellänge für Biegeradien, Einführungen, Muffen und Endverschlüsse zu planen.
11.3.2 Typenauswahl und Dimensionierung Die Auswahl des Kabels richtet sich nach Verwendungsbereich und Einsatzort. Der Verwendungsbereich bestimmt die funktionsbedingten Beanspruchungen und der Einsatzort die Beanspruchungen durch äußere Einflüsse. Verwendungsbereiche – Energieerzeugung – Energieverteilung
– Energienutzung (Stromversorgungs-, Anschluss, Installationskabel) – Steuerung – Signalübertragung – Kommunikation Einsatzorte Verlegung in – Erde, direkt oder im Rohr, – Luft, im Freien oder im Innenraum, Tunneln, Trögen oder Schächten – Beton oder – Wasser. Funktionsbedingte Beanspruchungen ergeben sich aus den Netzbedingungen Strom, Spannung und Frequenz mit ihren hauptsächlich thermischen, thermomechanischen, elektrischen und elektromagnetischen Auswirkungen. Beanspruchungen durch äußere Einflüsse folgen aus Kräften durch Tiere, durch Chemikalien, durch Strahlung, durch die Witterung und durch Feuer.
538
11
Kabelanlagen
Tabelle 11.1 Beanspruchungen und Einflüsse im Bahnbereich und mögliche Maßnahmen Beanspruchung Auswirkung durch
Beanspruchung hauptsächlich bei
Maßnahmen entsprechend der Anforderungshöhe
Strom
thermisch
hoher Strombelastung und/oder Kabelhäufung
Leiterwerkstoff ändern, Kupfer statt Aluminium. Leiterquerschnitt erhöhen. Isolierwerkstoff ändern, VPE (90 °C) statt PVC (60 °C) Verlegung in Luft statt in Erde
thermomechanisch
geschlossenen Räumen und im Freien
geschlängelte Verlegung
dynamische Kräfte
gebündelten Einleiterkabeln kurzschlussfeste Bündelung, in Drehstromnetzen Bandage der Kabeladern
Teilentladungen
VPE isolierten Leitern
festverbundene Leitschichten sorgfältige Garniturenmontage
Spannung
Betriebsfeldstärken
Mittelspannungskabeln
Feldbegrenzung, Leiterglättung Erhöhung der Isolierwanddicken
Frequenz
Veränderung der Belastbarkeit, Netzrückwirkungen
Stromrichteranlagen von Gleichstrombahnen, Oberwellen
Bedämpfungseinrichtungen Symmetrie der Phasenlage bei der Verlegung von Einleiterkabeln oder im Aufbau von mehradrigen Kabeln
Zugkräfte
Dehnung der Aufbauelemente
dem Einziehen von Kabeln in Rohrzüge, wenn z.B. die Richtungen in der Trasse häufig wechseln Flussverlegung
Gleitmittel verwenden Anzahl der Legerollen erhöhen, motorisch angetriebene Legerollen einsetzen einfache oder doppelte Drahtbewehrung bei mehradrigen Kabeln
Schlagkräfte
Verformung der Aufbauelemente
häufigen Trassenarbeiten, z.B. mit Baggern und Schaufeln
PE- statt PVC-Mantel Stahlbandbewehrung
Druckkräfte
Verformung der Aufbauelemente
dem Anschellen der Kabel und groben Rückfüllgut
Gummi-Innenmantel zusätzliche Polster im Kabelaufbau
Schleifen über Böden und Kanten
Abrieb des Außenmantels
Einziehen in Rohre ziehen über Schotter häufige Richtungswechsel in der Trasse
ggf. verstärkter PE-Mantel Lege- und Umlenkrollen
Vibrationen
Versprödung von Isolier- und Mantelmaterial
Schwingungen durch Zugverkehr Verlegung auf Brücken
mehr- oder feindrähtige Leiter
Nagetiere
Mantelschäden Kabelzerstörung
starken Aufkommen von Nagern
abweisende Additive Harter PE-Mantel Polyamidüberzug geschlossene Metallbandbewehrung
11.3 Planung
539
Tabelle 11.1 (Fortsetzung) Beanspruchung Auswirkung durch
Beanspruchung hauptsächlich bei
Maßnahmen entsprechend der Anforderungshöhe
Chemikalien Öle, Benzin, Säuren
Farbveränderung Verlegung in belasteten Aufquellen und Böden oder Gleisbereichen Zersetzung von Mantelund Isoliermaterial
Ölbeständige PVC-Außenmantelmischung PE-Mantel
Ultraviolettes Licht UV-Strahlung
Versprödung von Kunststoffen Ausbleichen der Mantelfarbe
Verlegung im Freien ohne Sonnenschutzabdeckung Mastaufführungen Anschlüssen
rußgefüllte Kunststoffmantel UV-Stabilisatoren Schrumpfschläuche über die freiliegenden Adern
Feuchtigkeit Wasser
Korrosion der metallenen Hüllen Water Treeing
Verlegung in Wasser Flusskreuzungen
Metallmantel Schichtenmantel PE-Mantel quer- und längswasserdichter Kabelaufbau
Feuer
Brandfortleitung Zerstörung korrosive Gase Rauchgasdichte
Verkehrsanlagen Bahnhöfe Tunnelanlagen
FR-PVC-Mantel flammwidriger Werkstoff, z.B. EVA Isolations- und Funktionserhalt Mineralische Trennschichten Halogenfreier Werkstoff
Tabelle 11.1 zeigt typische Beanspruchungen und Einflüsse im Bahnbereich sowie mögliche Maßnahmen durch eine geeignete Kabelauswahl.
Für die Dimensionierung von Energiekabeln müssen die Kabeleigenschaften auf die Anforderungen des Netzes und der Verbrauchsanlage sowie auf die Umgebungsbedingungen abgestimmt werden.
Kabeleigenschaften - zulässige Betriebstemperatur - zulässige Kurzschlusstemperatur - Verluste - Wirkwiderstand - Induktivität
Umgebung - Temperatur - Erdbodenwärmewiderstand - Häufung - Wärmeabgabe
Bemessungskriterien - Strombelastbarkeit - Kurzschlussfestigkeit - Spannungsfall
Anforderungen der Verbrauchsstelle - Übertragungsstabilität - Betriebsart (bahntypischer Aussetzbetrieb) - Leistungsfaktor cosϕ
Netz - Betriebsspannung - Abschaltleistung - Abschaltzeit - Art der Erdung
540
11
Kabelanlagen
Tabelle 11.2 Reduktionsfaktoren bei Kabelhäufung in Erde, mit Sandbettung und Verlegung mit 7 cm Abstand, einlagig und nebeneinander Kabelanzahl
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Reduktionsfaktor zul. Strombelastbarkeit in Ampere
1
0,89
0,74
0,70
0,67
0,63
0,60
0,58
0,56
0,54
805
716
696
564
539
507
483
467
451
435
Tabelle 11.3 Reduktionsfaktoren bei Rohrhäufung im Abstand der gebräuchlichen Rohrabstandshalter, einlagig, nebeneinander und bei Verfüllung der Rohrzwischenräume mit Sand Kabelanzahl
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Reduktionsfaktor zul. Strombelastbarkeit in Ampere
0,95
0,84
0,69
0,65
0,62
0,58
0,55
0,53
0,51
0,49
765
676
556
523
499
467
443
427
411
594
Um die dauernd zulässige Betriebstemperatur nicht zu überschreiten und das Kabel vor frühzeitige Alterung und ggf. Zerstörung zu bewahren, wird die Belastbarkeit je nach Verlegungsart, Anordnung und Anzahl der Kabel in einer Trasse entsprechend reduziert. So gelten z.B. gemäß DB-Vorschrift 3 Ebs 09.41.11 für Speisekabel N2XS2Y 1x240 RM 50 oder 70 18/30 kV von Bahnstromsystemen, wegen des bahntypischen Aussetzbetriebes,
die in Tabelle 11.2 und 11.3 aufgeführten Reduktionsfaktoren. Dabei darf lediglich ein Speisekabel in einem Rohr verlegt werden. Berechnungsbeispiel für die zulässige Strombelastbarkeit eines 30.000-V-Bahnstromkabels der Berliner S-Bahn, vom Typ N2XS(F)2Y 3x1x185 RM 35, bei Verlegung in erdverlegten Kunststoffschutzrohren und in bahnüblicher Anordnung:
11.3 Planung
z Cb
= zul. Belastbarkeit = 236 A = Betriebskapazitätsbelag =
UB nR n
= Netzbetriebsspannung = 30.000 V = Anzahl der Kabel pro Rohr = 3 = Anzahl der belasteten Leiter eines Kabels = 1 = fiktiver Erdbodenwiderstand =
T‘x
541
-Lr = zul. Leitertemperatur = + 90 °C -E = Temperatur des Erdbodens bei unbelasteten Kabeln = + 20 °C R‘wr = Wirkwiderstandsbelag des Leiters = 0,131 · 10–3:/m Ux = spezifischer Erdbodenwiderstand des Trockenbereiches = UE
= spezifischer Erdbodenwiderstand des Feuchtbereiches =
T‘xy = Erdbodenwiderstand mit Belastungsgrad = DR Tp‘
= Außendurchmesser des Rohres = Wärmewiderstand des Luftspaltes zwischen Kabel und Rohr =
DE -m T‘R
= Ersatzdurchmesser bei 3 Kabeln pro Rohr = mittlere Temperatur im Luftspalt = Wärmewiderstand des Rohres =
UR
= spez. Wärmewiderstand des Rohrmaterials GR = Rohrdicke dR = Außendurchmesser des Schutzrohres = 0,16 m tanG = dielektr. Verlustfaktor = 0,65 · 10–3 'Txy‘ = fiktiver Zusatzwärmewiderstand durch Kabelhäufung = bei Lastwechsel 'Tx‘ = fiktiver Zusatzwärmewiderstand durch Kabelhäufung = bei Dauerbetrieb TKd‘ = fiktiver Kabelwärmewiderstand unter Berücksichtigung der dielektr. Verluste = TKi = fiktiver Kabelwärmewiderstand unter Berücksichtigung der Stromwärmeverluste = P‘d
= dielektr. Verluste =
'-x‘ = Erwärmung der Grenzisotherme x bezogen auf die Erdbodentemperatur = 15 K bei Dauerbetrieb bzw. = 32 K bei Tageslastspiel = m = 1,0 bzw. m = 0,5 Signal- und Nachrichtenkabel mit Kupferoder Aluminiumleitern werden insbesondere bei langer Parallelführung zu Fahrleitungsanlagen elektromagnetisch beeinflusst. Daher sind gemäß DS 899/4, Kabel entlang elektrifizierter Strecken mit einem Induktionsschutz durch entsprechende Schirme auszurüsten. Auch eine direkte Nebeneinanderlegung von Speise- und Rückleitungskabeln bei Gleichstrombahnen und die Installation von Kompensationsleitern wirken diesen Beeinflussungen entgegen. Die induzierte Längsspannung darf z.B. bei Neuanlagen in Spurplantechnik für Langzeitbeeinflussung d 250 V und kurzzeitig d 1500 V betragen. Bei der Dimensionierung von Signal- und Fernmeldekabeln sind ca. ¼ der benötigten Adernpaare, jedoch nicht mehr als 20 Doppeladern, als Reserve einzuplanen.
11.3.3 Lagepläne Lagepläne der Kabeltrassen sind nach DS 885, im Maßstab 1 : 1000 oder 1 : 500, nach dem Muster der Regelzeichnung DLK 1.01.441 zu erstellen. Als Grundlage eignet sich ein Bahnhofsbzw. Streckenplan. Für Signalanlagen ist ein
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Kabelanlagen
Signalkabellageplan und ein Signalkabelübersichtsplan für Gruppenkabel und für Kabelverteiler erforderlich. Die Planungsunterlagen sollten – die örtliche Lage mit vorhandenen Gleisen, Weichen und Wegen, – vorhandene Brücken und Gebäude, – Grenzsteine, – vorhandene eigene Kabeltrassen, – ggf. vorhandene fremde Kabeltrassen, – projektierte eigene Kabeltrassen, – ggf. projektierte fremde Kabeltrassen und – projektierte Gebäude, Brücken und Wege enthalten. Die Aufnahme von Baulinien, Höhenpunkten und Höhenprofilen kann ebenfalls sinnvoll sein. Ein mit allen Baubeteiligten abgestimmter Termin- und Ablaufplan vervollständigt die Kabelprojektunterlagen.
11.3.4 Führung, Befestigung und Schutz Bei der Planung von Kabelführungen müssen unbedingt die in Tabelle 11.4 aufgeführten Mindestbiegeradien berücksichtigt werden. Bei Erdverlegung erfolgt die Kabellegung direkt in einem ausgehobenen Kabelgraben oder in Rohrzügen. Kabelformsteine werden bei Neuanlagen nicht mehr eingesetzt. Der Kabelgraben sollte mindestens 40 cm breit und so beschaffen sein, dass zwischen Oberkante (OK) Kabel bzw. Rohrzug und Geländeoberfläche t 80 cm Bodenüberdeckung zum Schutz der Kabeltrasse besteht. Bei
schwierigem Baugrund wie Fels, sind t 40 cm Überdeckung ausreichend, wenn die Kabeltrasse zusätzlich mit Abdeckhauben oder Platten mechanisch geschützt wird. Die Verlegung erfolgt auf fester, glatter und steinfreier Grabensohle. Für die Kabelauflage wird eine min. 10 cm dicke Sandschicht (Korngröße höchstens 2 mm) eingebracht und nicht verdichtet. Die mit bis zu 90 °C Leiter-Dauertemperatur betreibbaren Energiekabel erzeugen ein stationäres Temperaturfeld. Dadurch entsteht bei Erdverlegung ein Trockenbereich mit Grenzisothermen zum Feuchtbereich, der einen höheren spezifischen Erdbodenwiderstand aufweist. Die Isothermen sind exzentrisch um das Kabel angeordnet. Die Temperatur nimmt mit dem Abstand vom Kabel logarithmisch ab. Der spezifische Wärmewiderstand ist umso kleiner und damit die Wärmeleitung umso besser, je dichter der Erdboden gelagert ist. Daher sollte kein gewaschener Bausand mit gleichmäßiger Kornverteilung, sondern Füllmaterial mit ungleichen Korngrößen eingebracht werden. Mit dem Kabelpflug kann verlegt werden, wenn sich das Gelände und der Boden dafür eignen. Dabei sind die Kabelenden an Muffenpunkten überlappend zusammenzubinden, einzupflügen und oberirdisch zu kennzeichnen. Die Trasse ist nach der Kabellegung durch Walzen einzuebnen. Für Rohrtrassen werden gemäß DS 899/4 grundsätzlich 5…12 m lange Kunststoffrohre mit 110 mm Durchmesser und einer Wanddi-
Tabelle 11.4 Mindestbiegeradien zur Planung von Kabelführungen kunststoffisolierte Kabel – ohne Bleimantel und ohne Bewehrung bis Uo/U = 600/1.000 V über Uo/U = 600/1.000 V – mit Bleimantel und / oder Bewehrung bis Uo/u = 600/1.000 V über Uo/u = 600/1.000 V d = Außendurchmesser der Kabel
mehr- und vieladrige Kabel
einadrige Kabel
12 d 15 d
15 d 15 d
18 d 20 d
25 d 25 d
11.3 Planung
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Abb. 11.14 Bahntypischer Kabelgrabenquerschnitt
Abb. 11.15 Sationäres Temperaturfeld um ein erdverlegtes Kabel
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Kabelanlagen Abb. 11.16 Füll- und Bettungsmaterial für erdverlegte Kabel
cke von 3,2 mm verwendet. Dabei sollen min. ¼ Reserverohre, jedoch wenigstens 1 Rohrzug und max. 10 Rohrzüge, vorgesehen werden. Kabel werden in Rohren – unter Straßen, 1,0…1,5 m über die Weg-/ Fahrbahnbreite hinaus, in min. 1 m Tiefe, – unter Rohrleitungen, – auf Brücken, wenn kein Kabeltrog möglich ist, – im Bereich von Fundamenten, – unter Gleisen, min. 1 m unter Schwellenoberkante und – in befestigten Bahnsteigen verlegt. Auf der freien Strecke sind gemäß DS 80002 für den Fernmelde- und Signaldienst sowie für den elektrotechnischen Dienst im Abstand von d 600 m und an jedem Hauptsignal Rohrzüge mit 110 mm Außendurchmesser vorzusehen. Wird die Kabelrohrtrasse im Randweg geführt, sind an den Abzweigpunkten der Querungen Verteilerschächte in einem Mindestabstand von 3,25 m zur Gleismitte vorzusehen. Zwischen Oberkante Randweg und Oberkante der oberen Rohrzuglage sind mindestens 30 cm Überdeckung einzuhalten. Rohrzüge sind mit einem Gefälle von 1% einzubauen, damit eindringendes Wasser nicht in den Rohren stehen bleibt.
Mindestens alle 1,5 m sind Abstandshalter zu setzen. Die einzelnen Rohrlängen werden mit den angeformten Steckmuffen verbunden. Erdverlegte Rohrzüge sollen auf eine 10…15 cm dicke und leicht verdichtete Sandschicht gelegt werden. Rohre dürfen nicht direkt übereinander eingebaut werden. Sie müssen einen Abstand zueinander aufweisen, der eine ausreichende Bodenverdichtung um das einzelne Rohr gewährleistet. Trassen mit Rohren, die eine Wanddicke von t 5,3 mm aufweisen, sind vor Herstellung des Schwerlastoberbaues zu kalibrieren. Mehrere Kunststoffrohre können auch gemeinsam in einem Stahl- oder Stahlbetonhüllrohr geführt werden. Dabei ist eine Mindestüberdeckung des Hüllrohres von 1,5 m zu berücksichtigen. Die Hohlräume in dem schützenden Hüllrohr sind mit einem geeigneten Dämmer zu verfüllen. Einzelne Rohrzüge unter Bahnkörpern können auch mit einem hydraulischen Horizontalpressgerät oder mit einer Bodendurchschlagrakete hergestellt werden. Dabei wird das Erdreich durchbohrt bzw. verdrängt (verdichtet) und das Kunststoffrohr nachgezogen. Vor dem Einsatz derartiger Geräte sollte in ehemaligen
11.3 Planung
Kriegsgebieten das Gelände auf Blindgänger untersucht werden. Zwischen SOK und OK des Rohrzuges ist ein Abstand von min. 1,5 m einzuhalten. Der Mindestabstand zum nächsten Rohr beträgt 60 cm. Oberirdische Schutzrohre oder Halbschalen sollten aus schwerentflammbarem Material bestehen. Bei Gleichstrombahnen können Kabel mit Fehlerstellen im Mantel durch Streuströme beschädigt oder zerstört werden. Daher müssen Kabel mit metallenen Mänteln oder Bewehrungen in Rohrzügen oder Kabeltrögen aus Beton untergebracht werden. Kabeltröge (Betonkabelkanäle) sind auf tragfähigem Untergrund oder auf einer Kiessohle zu verlegen. Dabei müssen ein ungehinderter Oberflächenwasser-Ablauf und eine uneingeschränkte Entwässerung des Bahnkörpers gewährleistet sein. In Rand-, Zwischen- und Rangierwegen sind Kabelkanäle mit innenliegenden Deckeln einzubauen, da sie auch als Dienstweg und Aufstellplatz für das Instandhaltungspersonal dienen. Kabeltröge sind in der Neigung des Planums zu verlegen und müssen mit OK Planum bzw. OK Schwelle abschließen. Die Abstände von Kabeltrögen zu den Gleisen betragen, abhängig von der zulässigen
Abb. 11.17 Betonkabelkanal-Trassen im Gleisbereich
545
Streckenhöchstgeschwindigkeit und der Überhöhung, bei – V d 250 km/h: 3,25…3,65 m, – V d 200 km/h: 3,1…3,4 m und – bei der S-Bahn: 2,9…3,2 m. Zwischen Gleisen mit durchgehender Bettung darf der Abstand zwischen Gleismitte und der Vorderkante des Kabeltroges 2,20 m betragen. Nebeneinanderliegende Kabeltröge für Energiekabel unter und über 1000 V müssen jeweils eine eigene Trogabdeckung erhalten, auch dann, wenn sie in einem gemeinsamen Trog mit Trennsteg verlegt werden. Bei schwierigen örtlichen Verhältnissen bietet sich insbesondere für Signal-, Steuer- und Nachrichtenkabel mit kleinerem Außendurchmesser die Verwendung eines Stelzentrogs an. Das Stelzentrog-System besteht im wesentlichen aus verzinkten Blechtrögen von 4 m und 8 m Länge, die auf bis zu 6 m auseinanderstehenden, in das Erdreich eingerammten Stahlstützen montiert werden. Die Abdeckung erfolgt mit jeweils 2 m langen Deckeln aus verzinktem Stahlblech. Zur Vermeidung von Schwitzwasser und eines Wärmestaues im geschlossenen Kabelkanal sind Boden und Wangen des Blechtroges gelocht. Im Trog werden als isolierende Zwischenlage und zum Schutz der Kabel, z.B. gegen evtl. Böschungs-
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Kabelanlagen
brände, Steinwollmatten eingelegt. Der Stelzentrog lässt sich auch bei steilen Böschungen im Bereich von Einschnittbahnen und zur Überbrückung von Hindernissen gut einsetzen. Die Halterungen lassen sich an Bauwerken leicht anpassen. Bei durchgehend metallen leitender Verbindung muss jedoch insbesondere bei Gleichstrombahnen darauf geachtet werden, dass der Stelzentrog keine parallele Rückleitung bildet. Außerdem ist er entsprechend der einschlägigen Bestimmungen in die Bahnerdung einzubeziehen. Bei der Errichtung von Fundamenten und Mauern dürfen Kabel nicht eingemauert oder einbetoniert werden. Hier sind teilbare Kunststoffrohre zum Schutz der Kabel zu verwenden. Kabelschächte sind lt. DS 899/4 vorzusehen: – bei Einführungen von Kabeltrassen in Gebäuden, wenn mehrere Kabel aus verschiedenen Richtungen eingeführt werden müssen, – am Anfang und Ende von Rohrzug- und Trogtrassen, – in der Rohrzug- oder Trogtrasse zur Aufnahme von Muffen und – an Winkelpunkten. Kabelschächte sind aus Mauerwerk, Ortbeton oder vorzugsweise aus typgeprüften BetonFertigteilen herzustellen. Ihre Mindesttiefe sollte 1,8 m betragen, wenn sie nicht kleiner als 65 cm u 65 cm sind. Schächte für große Muffen, z.B. Übergangsmuffen von papierisolierten auf kunststoffisolierten Kabel, müssen im moorigen Gelände oder bei hohem Grundwasserstand wasserdicht sein und mit einem Pumpensumpf ausgestattet sein. Hier sind einmündende Rohrzüge abzudichten. Schachtlose Übergänge von Rohrzügen in den Boden sind nur einlagig herzustellen. Der Blitzschutz ist für Kabelanlagen im Umkreis von 30 m zum Gleiskörper gegeben. Bei weiter entfernten Kabeltrassen kann ein zusätzlicher Schirmleiter erforderlich werden.
Gemäß DS 80002 sind in eingleisigen Tunneln einseitige Kabeltrassen und bei zweigleisigen Tunneln Kabeltrassen auf beiden Seiten vorzusehen. Sie sind als Trogtrassen im Abstand von mindestens 2,20 m von Gleismitte anzuordnen. Die Oberkante der Kabeltröge soll auf Höhe SO liegen. Die lichte Weite der Tröge soll 35 cm und ihre lichte Höhe 40 cm betragen. Niederspannungskabel und Energiekabel > 1000 V müssen grundsätzlich in einem eigenen Trog verlegt werden. Bei beengten Verhältnissen dürfen diese Kabel jedoch ausnahmsweise auch zusammen in einem Trog geführt werden. Rückstromkabel und Kompensationsleiter sind von den übrigen Kabeln zu trennen. In den Tunneln und Notausgängen dürfen nur nichtbrennbare Stoffe nach DIN 4102 verwendet werden. Elektro- und nachrichtentechnische Einrichtungen und Rohre für Kabelquerungen unter dem Gleisschotter brauchen diese Forderung nicht zu erfüllen. Kabel sollen, soweit möglich, geschützt verlegt werden. Auf Tunnelstrecken ist auch eine Kabelführung aus Ankerschienen in einem Abstand von ca. 70 cm an den Tunnelwänden möglich. Die Kabel können wahlweise mit gebräuchlichen Kabelschellen oder in Kabeltragwannen, die an die Ankerschienen montiert sind, geführt werden. Bei einem Einsatz von Kabeltragwannen sollten die Kabel alle 10 m angeschellt werden. Kabelschellen dürfen die Kabel weder beschädigen noch in ihrer Funktion beeinträchtigen. Bei Kabeln mit Kunststoffaußenmantel wird die Verwendung einer Druck- und Gegenwanne pro Kabelschelle empfohlen. Mit diesen Schellenteilen wird eine Beschädigung der Kabel durch zu hohen Druck und eine zu große Belastung an den Kanten der Schellen verhindert. Der Durchmesser des anzuschellenden Kabels muss innerhalb des Spannbereiches der Schelle liegen.
11.3 Planung
Kabelschellen aus magnetischem Material, wie z.B. verzinktem Stahl, verursachen um ein Einleiterkabel im Wechselstrombetrieb montiert, starke Wirbelstromverluste, da ein geschlossener Eisenkreis entsteht. In diesen Fällen müssen Kabelschellen aus Aluminium oder Edelstahl verwendet werden, die auch aggressiven Umgebungseinflüssen wiederstehen. Kabelschellen und Bandagen (Bündelbänder) müssen den im Betrieb auftretenden Kräften standhalten. Daher ist eine rechnerische Überprüfung zur Festlegung der in Frage kommenden Kabelschellen- bzw. Bündelbandtypen zu empfehlen. Im nachfolgenden Beispiel wird die Kraftwirkung auf die Befestigung eines typischen Bahnstromkabels in einem Drehstromsystem ermittelt. Kabeltyp: N2XS(F) 3x1x185 RM35 17/30 kV
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Is = Stoßkurzschlussstrom Scheitelwert [A]
IK“ = Anfangskurzschlusswechselstrom [A]
zweipoliger Kurzschluss:
Ia = Ausschaltwechselstrom [A]
Sa = Nenn-Ausschaltleistung [VA]
UB = Betriebsspannung [V] dreipoliger Kurzschluss: Außendurchmesser ca. 48 mm FB‘ = Bandagenkraftwirkung [N/m]
Fs = Stromkraftbelag zweier paralleler Leiter E = Faktor für die mechanische Beanspruchung der Umhüllung bei Kurzschluss einpoliger Kurzschluss:
Handelsübliche Kabelschellen und Bündelbänder sind für folgende Beanspruchungen ausgelegt: Kunststoffbänder 0,6 kN verstärkte Bänder 0,85 kN Standard-Bandschellen 14,2 kN verstärkte Bandschellen 29,6 kN kurzschlussfeste Bügelschellen 12 kN
N = Stoßfaktor
a = Leiterachsabstand [m] Is = 26.743A = spez. Permeabilität
Demnach sollten die drei Einleiterkabel des Berechnungsbeispiels mit mehreren Lagen Kunststoffband im Abstand von ca. 50 cm oder mit einer der vorgenannten Kabelschellen gebündelt bzw. befestigt werden. Vor und hinter den Tunnelbahnhöfen besteht die Möglichkeit, die Kabeltrasse von der Tunnelwand, über einen Deckenübergang mit
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11
Kabelanlagen
Abb. 11.18 Provisorische Kabelführung bei Brückeninstandsetzungen und Tiefbauarbeiten
Ankerschienen im Abstand von ca. 50 cm, zur Kabelführung unter den Bahnsteig zu überführen. Hier sind die Kabel an jeder Ankerschiene anzuschellen. Unter hohlen Bahnsteigen können die Kabel vorzugsweise in Kabelrinnen oder auf Kabelbahnen übersichtlich und gut zugänglich verlegt werden. Zur Überbrückung von Hindernissen und größeren Höhenunterschieden stehen Kabelleiterkonstruktionen mit Ankerschienen zur Verfügung. Zur Verringerung der ständigen elektromagnetischen Beeinflussung ist es sinnvoll, die eine Tunnelwand nur mit Energiekabeln und die andere Wand mit Fernmelde-, Signal- und Steuerkabeln zu belegen. Als Berührungsschutz sollte ein durchgängiges und fernüberwachtes Tunnelerdsystem errichtet werden. Bei Umbaumaßnahmen und Grundinstandsetzungsprojekten werden oft individuelle Sonderkonstruktionen erforderlich, wie in den Beispielen in Abb. 11.18 dargestellt.
11.4 Legung und Montage Eine systematische Vorbereitung der Kabellegung, der Einsatz von modernen Verlegesystemen, eine sorgfältige Garniturenmontage sowie abschließende Prüfungen sind Garanten für eine instandhaltungsarme und langlebige Kabelanlage. Die Schlussvermessung und Dokumentation der Kabeltrasse bildet die Grundlage für die späteren Wartungspläne und ist sehr wichtig für eine ggf. erforderlich werdende Fehlerortung. Außerdem versetzt es den Anlagenbetreiber in die Lage, jederzeit Auskunft über die Kabellage geben zu können, was insbesondere für spätere Baumaßnahmen im Bereich der Kabeltrasse unabdingbar ist.
11.4.1 Auslegen und Kennzeichnen Das zu verlegende Kabel wird in der Regel auf Holzspulen angeliefert. Da die Kabelspulen mehrfach verwendet werden können, hat sich in Deutschland das Pfandsystem der Kabeltrommelgesellschaft (KTG) durchgesetzt. Ist der Rücktransport der leeren Spule nicht wirtschaftlich, z.B. weil längere Kabel-
11.4 Legung und Montage
reste zwischengelagert werden sollen, kommen Einwegspulen oder sog. Verkaufsspulen zum Einsatz. Kürzere Kabellängen mit einem Gewicht bis etwa 80 kg können problemlos in Ringen transportiert werden, sollten jedoch gegen Transportschäden durch Umwickeln mit Krepppapier geschützt werden. Wichtig ist eine dichte Verkappung der Kabelenden, vorzugsweise mit Schrumpfendkappen. Die Lieferlänge und Spulengröße wird nicht nur durch den Kabeltyp und die benötigten Teillängen bestimmt, sondern auch durch: – die Transportmittel und deren max. Achslast, – die Transportwege bezüglich Durchfahrtshöhe, -breite, – die Transportvorschriften, – den Lagerplatz (Tragfähigkeit), – den verfügbaren Montageraum, insbesondere auf Tunnelstrecken und – die Entlademöglichkeiten, z.B. mit einem Kran. Je nach Durchmesser und Gewicht des Kabels werden Längen bis zu 2500 m auf einer Spule versandt, die damit durchaus einen Scheibendurchmesser von 2,56 m und ein Gesamtgewicht von 7 t haben kann. Zum Transport auf der Baustelle ist es zweckmäßig, einen Kabellegewagen mit Aufund Abladevorrichtung zu verwenden. Wenn dieses Spezialfahrzeug mit einem Wellenlager für Kabeltrommeln ausgestattet ist, kann das Kabel direkt vom Wagen abgezogen oder bei langsamer Fahrt in den vorbereiteten Gräben oder Trögen ausgelegt werden. Ist das nicht möglich, sind die Spulen möglichst dort abzuladen, wo die Kabel abgezogen werden sollen. Werden die Spulen von Hand bewegt, gibt der Rollrichtungspfeil auf den Spulenflansch die Drehrichtung der Spule beim Rollen an. Wird die Spule entgegengesetzt gerollt, lösen sich die Kabellagen, was ein einwandfreies Abrollen des Kabels unmöglich macht.
549
Abb. 11.19 Kabelabzug von der Spule
Das Kabel ist grundsätzlich von oben von der Spule abzuziehen. Hierbei ist die Spule so aufzustellen, dass der Rollrichtungspfeil entgegengesetzt zur Abzugsrichtung zeigt. Das Kabel kann per Hand oder mit einer Motorwinde abgetrommelt werden. Dabei muss die sich langsam drehende Spule jederzeit abbremsbar sein. Das kann z.B. mit einer unter eine Spulenscheibe geschobenen Bohle erfolgen. In diesem Fall wird die Spule mit Winden oder bei schweren Spulen mit hydraulischen Böcken so hoch aufgebockt, dass sich die Bohle nicht verklemmen kann. Beim Einsatz einer motorischen Winde wird die Zugkraft mit speziellen Ziehstrümpfen oder über einen mit den Leitern verbundenen Ziehkopf auf das Kabel übertragen. Das Kabel ist beim Abspulen und beim Auslegen auf äußere Beschädigungen hin zu untersuchen. Da die Kabel häufig von Arbeitskräften ohne besondere Ausbildung verlegt werden, ist vorher ausdrücklich auf das hochwertige
550
11
Kabelanlagen
Material hinzuweisen, damit das Kabel mit der gebotenen Sorgfalt behandelt wird. Um sicherzustellen, dass die Kabel beim Abziehen mit einer Winde nicht über die zulässigen Zugkräfte beansprucht werden, sind folgende Maßnahmen erforderlich: – Die Zugkraft ist kontinuierlich zu steigern, es darf keine Rück- oder Stoßbelastung auftreten. – Die Kontrolle der Zugkraft erfolgt ständig mittels eines Zugkraftdynamometers. – Ein Messschreiber dokumentiert die Einhaltung der Grenzwerte. Der Messschrieb wird später zur Verlegedokumentation genommen. – Besondere Sorgfalt ist an den Krümmungen der Trassen erforderlich. Hier sind Windenseil und Kabel unbedingt über Legerollen (Trag- und Eckrollen) zu führen. Auf horizontalen Strecken und bei gut ausgebauten Kabelgräben mit leichtlaufenden Trag- und Führungsrollen, die grundsätzlich in Abständen von 3 bis 4 m angeordnet wer-
den, sind die in Tabelle 11.5 errechneten Zugkräfte zu erwarten. Die zulässige Zugbeanspruchung für die Verlegung von kunststoffisolierten Kabeln ist in Tabelle 11.6 angegeben. Bei der Kabellegung ist unbedingt auf die Einhaltung der unter 11.3.4 genannten zulässigen Biegeradien zu achten. Bei der Kabelverlegung sind folgende Mindest- bzw. Höchsttemperaturen zu beachten: – kunststoffisolierte Kabel mit PVC- oder EVA-Außenmantel: – 5 °C … + 50 °C, – einadrige VPE-isolierte Kabel mit PEAußenmantel: – 20 °C … + 50 °C, – Kabel mit Koaxial-Paaren: – 10 °C … + 50 °C. Diese Mindesttemperaturen gelten für das Kabel selbst und nicht für die Umgebung. Bei niedrigen Temperaturen muss das zu verlegende Kabel bis zum Spulenkern gut durchgewärmt werden. Dies kann durch eine Zwischenlagerung in einem warmen Raum oder mit einer speziellen Trommelhülle und einem
Tabelle 11.5 Zu erwartende Zugkräfte auf horizontalen Strecken Art der Trasse
Zugkraft in % des Gewichts der einzuziehenden Kabellänge
ohne größere Krümmungen mit 2 Richtungsänderungen mit 3 Richtungsänderungen
15…20% 20…40% 40…60%
Tabelle 11.6 Zulässige Zugbeanspruchung für die Verlegung von kunststoffisolierten Kabeln Kraftübertragung
Kabeltyp
Faktor
Zugkraft
mit Ziehkopf an den Leitern
alle Typen
Vcu = 50 VAl = 30
P=V·A
mit Ziehstrumpf
Kabel ohne Metallmantel und ohne zugfeste Bewehrung
Vcu = 50 VAl = 30
P=V·A
alle stahldrahtbewehrten Kabel
K=9
P = K · d2
Kabel mit Metallmantel und ohne zugfeste Bewehrung
K=3
P = K · d2
Kabel mit gemeinsamem Metallmantel
K=3
P = K · d2
P = Zugkraft in N; V = zul. Zugspannung in N/mm2; A = Summe der Leiterquerschnitte ohne Berücksichtigung des Schirms; K = empirisch ermittelter Faktor in N/mm2; d = Kabeldurchmesser in mm
11.4 Legung und Montage
Gebläse erfolgen. Während des Transports ist das durchgewärmte Kabel vor Auskühlung zu schützen. Werden die vorgenannten Mindesttemperaturen unterschritten, können die Aufbauelemente des Kabels irreparabel beschädigt werden. Bei Häufungen von Energiekabeln oder Annäherung an Wärmequellen, wie Fernwärmeleitungen, sind mit Rücksicht auf die Belastbarkeit der Kabel und die Austrocknung des umgebenden Erdreiches entsprechend größere Abstände der Kabelsysteme untereinander erforderlich. Die Belastung darf nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Betriebstemperatur an den Leitern führen. Rohrzüge und Schächte sind vor dem Einziehen von Schlamm, Wasser und anderen Fremdkörpern zu reinigen. Beim Einziehen von Kabeln mittels Ziehstrumpf ist dafür zu sorgen, dass ein guter Kraftschluss zwischen Leitern und Mantel besteht, damit die Zugkräfte vom Kabel aufgenommen werden. Zur Verminderung der Reibung sind beim Einziehen in Rohrzüge Gleitmittel, wie spezielles Kabelfett oder Talkum, zu verwenden. Belegte Rohrzüge sind abzudichten. Bei Legungen im Kabelgraben sollten die Kabel gemäß folgender Abbildung angeordnet werden. Kabel können auch neben dem Graben oder Trog ausgelegt und dann eingehoben werden. Dabei dürfen die Kabel nicht über Kanten oder spitze Gegenstände (Schotter o.ä.) gezogen werden. Kabel dürfen im Graben nur mit einem entsprechenden Abstand übereinander liegen und müssen mit Sand einer Korngröße bis 2 mm abgedeckt werden. Der steinfreie Füllboden mit möglichst ungleichen Korngrößen ist lagenweise zu verdichten. In Kabeltrögen dürfen die Kabel wegen der temperaturabhängigen Längenänderung nicht straff verlegt werden. Die Abstände zwischen den im Trog liegenden Kabeln sollen etwa gleich dem Kabeldurchmesser sein. Eine Anordnung der Kabel direkt nebeneinander und übereinander führt
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zu einer Belastbarkeitsreduzierung durch die Kabelhäufung bzw. durch die damit verbundene Erwärmung. An den Übergängen von Erd- auf Luft- oder Trog- auf Rohrverlegung sind die Kabel vor Beschädigung durch Scheuern oder Kantendruck zu schützen. Das kann durch Polster aus dauerelastischer Silikonmasse oder durch Sandaufschüttungen erreicht werden. Werden bei der Verlegung von einadrigen Kabeln die einzelnen Längen nacheinander ausgelegt, ist darauf zu achten, dass die bereits ausgelegten Kabel nicht durch Scheuer- oder Schleifbewegungen des folgenden Kabels beschädigt werden. Dies gilt vor allem bei Unterquerungen in Rohren. In diesen Fällen ist daher für jedes Einleiterkabel ein Rohr vorzusehen. Diese dürfen jedoch nicht aus magnetischem Material (z.B. Stahl) bestehen. Wenn die Einleiterkabel nach dem Auslegen im Graben oder im Trog im Dreieck gebündelt werden sollen, stehen dafür geeignete unmagnetische Abstandhalter zur Verfügung. Auch das Bündeln mit speziellen, ggf. glasfaserverstärkten Kunststoffbändern ist üblich. Zur eindeutigen Identifizierung der einzelnen Kabel ist die Kennzeichnung mit Kabelschildern aus geprägtem oder gelochtem und beständigem Kunststoffmaterial unerlässlich. Die Ordnungskennung legt der jeweilige Betreiber fest. Dabei können Buchstaben, z.B. F = Fernmeldekabel, S = Signalkabel, B = Bahnenergiekabel RL = Rückleitungskabel usw. und ein Nummernschlüssel, der auch im Kabellageplan eingetragen wird, hilfreich sein. Rückstromkabel und Kompensationsleiter sind, insbesondere bei der gemeinsamen Verlegung mit anderen Kabeln, lt. DS 80002 besonders zu kennzeichnen. Es ist sinnvoll, die Kabelschilder mindestens – in Höhe der Hektometerzeichen der Streckenkilometrierung, – im Bereich von Muffen und Endverschlüssen,
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11
Kabelanlagen
– in Schächten, – vor und hinter Durchführungen, – am Übergang von Erd- zu Luftverlegung sowie – von Trog- zu Rohrverlegung an den Kabeln anzubringen. In Trögen ist ein geringerer Bezeichnungsabstand empfehlenswert. Bei Erdverlegung ist 30…40 cm über den Kabeln, in der Trassenmitte ein KunststoffWarnband mit dem vom Betreiber vorgegebenen Aufdruck, z.B. „Bahnkabel“ auszulegen. Nach der Füllbodenverdichtung wird die unterirdische Kabeltrasse durch Merksteine aus Beton oder Granit gekennzeichnet, die mit einem eingeprägten Kopfzeichen K für Kabel und M für Muffenpunkt versehen sind. Diese Merksteine sind mit einer Umrandungsplatte zum Schutz vor Überwucherung auf der freien Strecke in Höhe der Hektometerzeichen und in Bahnhofsbereichen im Abstand von 50 m zu setzen, wobei der senkrechte Strich im Kopfzeichen parallel zur Kabeltrasse ausgerichtet wird. An den Winkelpunkten der Kabeltrasse sind ebenfalls Merksteine zu setzen. Bei LWL-Kabeln schreibt die DS 899/4 die Kennzeichnung der unterirdischen Trasse mit einem zugelassenen elektronischen Markiersystem analog zur Kennzeichnung mit Merksteinen vor.
11.4.2 Garniturenmontage Muffen sind vorzugsweise in Kabelschächten und bei Trogtrassen in Muffenbausätzen (Betonfertigteilen) unterzubringen. An den Muffenstellen müssen sich die Kabelenden um mindestens eine halbe Muffenlänge überlappen. Bei Erdverlegung ist der Kabelgraben an den Muffenstellen entsprechend aufzuweiten und nach den in der jeweiligen Montageanleitung angegebenen Muffenabmessungen anzupassen. Um die Kabel ausreichend absetzen und anschließend die Muffe gut montieren zu kön-
nen, wird insbesondere bei Übergangsmuffen eine Muffengrube von ca. 3 m Länge und 1,5 m Breite erforderlich. Die Muffenmontage setzt weitestgehend trockene Umgebungsverhältnisse voraus. Daher ist bei widrigen Witterungsverhältnissen die Aufstellung eines Montagezeltes über den Muffenpunkt unerlässlich. Vor dem Endverschluss darf der Biegeradius nach 11.3.4 auf bis zu 50% verringert werden, wenn das Kabel vorher auf 30 °C erwärmt wurde und über eine Schablone gebogen wird. Für kunststoffisolierte Niederspannungskabel sind in trockenen Innenräumen keine Endverschlüsse erforderlich. Daher ist die anschlussfertige Zubereitung der Kabelenden einfach. Der Kunststoffaußenmantel wird vorzugsweise mit einer Mantelschneidezange abgesetzt. Durch einen Längs- und einen Rundschnitt wird der Außenmantel bis auf den Innenmantel bzw. die Bandumwicklung aufgetrennt. Dabei ist zu beachten, dass die Aderisolierung nicht angeschnitten wird. Der Kabelmantel lässt sich dann leicht entfernen. Sind die Adern von Kabeln mit VPE-Isolierung der Sonneneinstrahlung ausgesetzt, so ist die Leiterisolation mit übergeschobenen Schrumpfschläuchen zu schützen. Im Außengelände erhalten die kunststoffisolierten Kabel einen Endverschluss, der vorzugsweise aus einer entsprechenden Schrumpfkappe besteht. Die Enden von Mittelspannungskabeln müssen gegen das Eindringen von Feuchtigkeit geschützt werden. Dafür stehen feldsteuernde Aufschiebeendverschlüsse aus Silikon und Aufteilungskappen aus mit Heißkleber beschichtetem Schrumpfmaterial, wie unter 11.2 beschrieben, zur Verfügung.
11.4.3 Ab- und Inbetriebnahmeprüfungen Aufgrund der hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Kabelanlagen haben Messungen und Prüfungen eine
11.4 Legung und Montage
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Tabelle 11.7 Fehlerursachen bei der Garniturenmontage Fehlerquelle
Prüfungen/Maßnahmen
Fertigungsfehler
Abnahmeprüfung im Herstellerwerk durchführen. Prüfprotokolle verlangen.
Transport- und Lagerungsfehler
Kabelenden feuchtigkeitsdicht verschließen. Kabelspulen auf der Ladefläche sicher verkeilen, Kabelenden an der Trommel befestigen. Längere Lagerung im Freien vermeiden, um Witterungsschäden durch direkte Sonnenbestrahlung oder Kälte vorzubeugen.
Legungsfehler
starke Biegebeanspruchung, Schürfbeanspruchung, scharfkantige Steine (Schotter) oder Gegenstände in der Unter- und Decklage vermeiden. Geschirmte Kabel sofort nach der Legung einer elektr. Mantelprüfung mit Gleich- oder Wechselspannung unterziehen.
Montagefehler
Adern bei der Garniturenmontage nicht anschneiden oder knicken. Leitschichten sorgfältig behandeln. Montageanleitungen strikt beachten. Leiterisolation nach Legung einer Spannungsprüfung unterziehen.
große Bedeutung für die Beurteilung der Funktionsfähigkeit und der Betriebssicherheit. Ziel der Prüfung an neuen Kabelanlagen ist es, unmittelbar nach dem Auslegen Kabelfehler oder Fehler bei der Garniturenmontage festzustellen, s. Tabelle 11.7. Um Schwach- und Fehlerstellen zu ermitteln, werden die Kabel mit einer Prüfspannung beaufschlagt, die zwei bis dreimal so hoch ist, wie die Betriebsspannung der Kabelanlage. Dafür kommt eine Gleichspannung, eine netzfrequente Wechselspannung mit 45…65 Hz oder eine VLF-Wechselspannung mit 0,1 Hz in Frage. Am weitesten verbreitet ist die Gleichspannungsprüfung, da die erforderliche Ladeleistung gering ist. Die Spannungsquellen können damit klein und leicht gebaut werden und einfach an die zu messenden Endpunkte der Kabelanlage transportiert werden. Die Prüfpegel müssen allerdings wegen der fehlenden Polaritätswechsel der Prüfspannung deutlich höher gewählt werden als für eine netzfrequente Wechselspannung. Die dadurch entstehenden hohen Raumladungen können die Kabel, insbesondere bei häufigen Wiederholungsprüfungen, nachhaltig schädigen.
Die langjährige Praxis hat jedoch gezeigt, dass mit Wechselspannungsprüfungen Kabelfehler sicherer erkannt werden. Daher wird vor Ort der Einsatz einer VLF-Prüfwechselspannung mit einer Frequenz von 0,1 Hz empfohlen. Die Prüfung sollte durch einen erfahrenen Messtechniker vorgenommen und mit einem Messprotokoll dokumentiert werden. Das Protokoll ist zur Nachweisführung und für einen Vergleich mit den Werten von Folgemessungen bei den Instandhaltungsunterlagen aufzubewahren.
11.4.4 Schlussvermessung und Dokumentation In die unter 11.3.3 beschriebenen Planunterlagen sind folgende Verlegedaten aufzunehmen: – Kabeltypen, – Fabrikat, – Längennummern, – Kabellänge in Meter, – Trommel-Nummern und – Muffenpunkte. Zur Erstellung der Bestandspläne sowie für das Setzen der Kabel- und Muffenmerksteine ist die Kabeltrasse mit Schächten, Rohrzü-
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Kabelanlagen
gen, Gleiskreuzungen und Muffenpunkten bei offenem Graben kartierungsfähig einzumessen. Bei mehreren Kabeln wird das Mittlere eingemessen. Nach dem Verfüllen empfiehlt es sich die Kabeltrasse für das Aufmaß zu verpflocken. Die Pflöcke werden im Abstand von ca. 50 m und bei allen Richtungsänderungen gesetzt und fortlaufend benummert. Anschließend wird eine Aufmaßliste mit den Pflocknummern und den gemessenen Abständen erstellt. Das Aufmaß wird ebenfalls in die Bestandspläne übernommen. Die so entstandene Dokumentation ist für die Instandhaltung und insbesondere für eine Fehlerortung im Störungsfall sehr hilfreich.
11.5 Betrieb und Instandhaltung Kabelanlagen sollten möglichst von einer ständig besetzten Leitstelle aus überwacht werden. Diese Maßnahme, gepaart mit regelmäßigen Inspektionen im Rahmen einer dokumentierten Instandhaltung, gewährleistet eine dauerhaft verfügbare Kabelanlage.
11.5.1 Kabelüberwachung Für die Fahr- und Rückleitungskabel von Gleichstrombahnen, aber auch für andere mit einem Schirm ausgestattete Kabel, ist, insbesondere bei Erdverlegung, eine permanente, automatische Isolationsüberwachung sinnvoll. Diese Aufgabe kann ein im jeweiligen Unterwerk im Kabelabgangsfeld installiertes Überwachungsgerät ohne Hilfsenergie zuverlässig erfüllen. Der Anschluss kann an alle Kabel mit konzentrischem Schirm bzw. Leiter und kunststoffisoliertem Außenmantel erfolgen. Damit sind eine automatische Überwachung der Isolationsstrecken Leiter-Schirm und Schirm-Erde sowie eine zusätzliche Überwachung des Kabelschirmes auf Unterbrechung ständig gewährleistet. Darüber hinaus kön-
nen derartige Überwachungsgeräte an besondere Anforderungen, wie bestimmte Betriebsverhältnisse, Alarmgebung, Auslösung und die Berücksichtigung von Spannungsverlusten in den überwachten Kabeln, problemlos angepasst werden. Über die bahneigene Fernwirkanlage wird das Überwachungsgerät mit einer ständig besetzten Stelle, vorzugsweise einer technischen Leitstelle verbunden. Jegliche Isolationsschäden sowohl innerhalb des überwachten Kabels, als auch durch äußere Einwirkungen (Bagger) hervorgerufene Mantelschäden, erzeugen, je nach Geräteeinstellung, ein Alarmsignal in der Leitstelle oder eine automatische Abschaltung des dem Kabel zugeordneten Leistungsschalters, ebenfalls mit entsprechender Meldung. Damit ist das gesamte Energiekabelnetz ständig automatisch überwacht und Beschädigungen werden unmittelbar sicht- und leichter bestimmbar.
11.5.2 Instandhaltung Bei den regelmäßigen Inspektionen wird die Kabelanlage auf mögliche Schäden untersucht. Dabei können die Kabeltrassen und die Endverschlüsse einer Sichtkontrolle unterzogen werden. Kabel auf Tunnelstrecken in offener Verlegung an den Tunnelwänden können so besonderes gut kontrolliert werden. Bei allen anderen Verlegungsarten bleiben nur regelmäßige elektrische Prüfungen, die grundsätzlich an allen Kabelanlagen durchgeführt werden sollten. Ein verpflichtendes Kabelmerkblatt, das die Arbeiten in der Nähe von Kabeln regelt, ist unbedingt zu empfehlen. Darin sollte u.a. festgelegt sein, dass – in der Nähe von Kabeln mit besonderer Sorgfalt gearbeitet werden muss. – ab 30 cm Abstand von Kabeln Pickel und Hacken nicht mehr benutzt werden dürfen. – ab 10 cm Abstand keine scharfen Werkzeuge verwendet werden.
11.5 Betrieb und Instandhaltung
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Tabelle 11.8 Schadensursachen bei Verlegungsarten Fehlerquelle
Prüfungen/Maßnahmen
Mechanische Beschädigungen bei nachträglichen Erdarbeiten
Regelmäßige Mantelprüfung mit Gleich- oder Wechselspannung. Ständige automatische Überwachung von wichtigen Kabelanlagen. Automatische Meldung von Schäden an eine ständig besetzte Stelle. Kabelmerkblatt verfassen und Auftragnehmer zur Einhaltung verpflichten.
Korrosionsschäden durch aggressive Bestandteile des Erdbodens oder durch kontaminierte Böden. Elektrolytische Korrosion durch Streustrom
Regelmäßige Mantelprüfung mit Gleich- oder Wechselspannung. Ständige automatische Überwachung von wichtigen Kabelanlagen. Automatische Meldung von Schäden an eine ständig besetzte Stelle. Isolation der Fahrschienen von Gleichstrombahnen gegen den Oberbau. Regelmäßige Kontrolle der Ableitbeläge der Fahrschienen, von Gleichstrombahnen.
Schäden durch außergewöhnliche thermische Beanspruchungen infolge von Kurzschlüssen, Kabelhäufungen und zu hohen Umgebungstemperaturen
Regelmäßige Prüfung der Isolationsstrecken Leiter-Schirm und Schirm-Umgebung, möglichst durch ein automatisches Überwachungsgerät.
Schäden durch innere und äußere Überspannungen infolge von Erdschlüssen und Blitzentladungen
Alle Überspannungen können an isolationsschwachen Stellen der Kabelanlage zu Durchschlägen führen. Überspannungsableiter installieren. Regelmäßige messtechnische Prüfung der Isolationsstrecken.
Alterung
Je nach Belastungen und Umgebungseinflüssen kann mit einer Mindestlebensdauer von 30…50 Jahren gerechnet werden. Monotoring-Verfahren anwenden. Wiederkehrende Messungen statistisch auswerten.
– freigelegte Kabel zu sichern sind. – bei Arbeiten mit Baumaschinen (Bagger) näher als 5 m von Kabeln entfernt, ständig eine Person zur Aufsicht und Unterstützung des Maschinenführers anwesend sein muss. – das Eintreiben von Pfählen, Bohrern, Dornen und anderen Gegenständen, durch die Kabel beschädigt werden könnten, ab 30 cm beiderseits der Kabel verboten ist und bis zu 1 m beiderseits der Kabel nur bis zu 50 cm Tiefe zulässig ist. – Kabeltröge und Rohrzüge nicht mit Baustellenfahrzeugen befahren werden dürfen und diese Trassen bei Baumaßnahmen deutlich zu kennzeichnen sind. Die Mehrzahl aller Kabelstörungen ist erfahrungsgemäß auf äußere Einflüsse, z.B. auf
unachtsame Erdarbeiten an der Kabeltrasse zurückzuführen. Da die Schadstelle in diesen Fällen bekannt ist, kann die Reparatur der Kabel, nach deren Freilegung ohne aufwändige Fehlerortung erfolgen. Ist dagegen die Lage der Fehlerstelle, z.B. infolge eines inneren Isolationsversagens unbekannt, muss die Schadstelle mit speziellen Messgeräten geortet werden. Die Behebung einer Kabelstörung läuft i.d.R. wie folgt ab: – Eingrenzung des Fehlers und Freischaltung der gestörten Kabelstrecke, – schadhaftes Kabel identifizieren, – durch Trassenbegehung feststellen, ob das Kabel durch Baumaßnahmen beschädigt wurde, – messtechnische Isolationsprüfung vornehmen. Aus dem Ergebnis lässt sich die
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Kabelanlagen
Fehlerart bestimmen und das geeignete Ortungsverfahren festlegen, Wandlung des Fehlerwiderstandes bei hochohmigen Fehlern, durch Verkohlung (Brennen) der Isolierung, in eine niederohmige Fehlerstelle, Ermittlung der Entfernung der Fehlerstelle zum Anschlusspunkt mit einem Laufzeitmessgerät Bestimmung des Kabelverlaufes im Bereich der Vorortung punktgenaue Bestimmung der Fehlerstelle vor Ort, z.B. mit dem Stoßspannnungsoder Impuls-Echo-Verfahren, Aufgraben des schadhaften Kabels, Schadstelle mit Hilfe einer Reparaturmuffe bzw. Manschette oder durch Ausbrückung des Fehlers beseitigen, Muffengrube verfüllen, Reparaturstelle und ggf. Muffenpunkte in Bestandsunterlagen aufnehmen und Störungsdaten zu den Instandhaltungsunterlagen nehmen.
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33. DIN VDE 0816-1. Außenkabel für Fernmelde- und Informationsverarbeitungsanlagen – Kabel mit Isolierhülle und Mantel aus Polyethylen in Bündelverseilung 34. DIN VDE 0816-2. Außenkabel für Fernmelde- und Informationsverarbeitungsanlagen, Signal- und Messkabel 35. DIN VDE 0816-3. Außenkabel für Fernmelde- und Informationsverarbeitungsanlagen – Kabel mit Isolierhülle aus Papier 36. DIN EN 60794-3. Lichtwellenleiter – Rahmenspezifikation Außenkabel 37. DIN EN 187105. Einmoden – Lichtwellenleiterkabel für Röhren- und direkte Erdverlegung 38. DIN VDE 0891-1. Verwendung von Kabeln und isolierten Leitungen für Fernmeldeanlagen und Informationsverarbeitungsanlagen – Allgemeine Bestimmungen 39. DIN VDE 0891-6. Verwendung von Kabeln und isolierten Leitungen für Fernmeldeanlagen und Informationsverarbeitungsanlagen – Besondere Bestimmungen für Außenkabel 40. DIN EN 61537. Kabelträgersysteme zum Führen von Leitungen für elektrische Energie und Informationen 41. DIN VDE 0289. Begriffe für Starkstromkabel und isolierte Starkstromleitungen 42. DB, DS 800 02. Bahnanlagen entwerfen – Neubaustrecken 43. DB, DS 899/4. Richtlinien für den Bau von Fernmelde-, Signal- und Starkstrom-Kabelanlagen 44. DB, DS 178 und DB, DS 180. Stromkreuzungsvorschrift sowie Kreuzungen, Näherungen und Parallelführungen mit bahnfremden Kabeln 45. DB, DS 954/1. Starkstromkabelanlagen 46. DB, DS 804. Kabelverlegung auf Brücken 47. DB, DS 853/I. Kabel in Tunneln 48. DB, DS 836. Kabeltrassenlage 49. DB, Richtlinie 99702. Maschinen, Energie und Elektrotechnik, Werkstättenwesen und Oberleitungsanlagen
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Betriebsführung der Infrastruktur Jörn Pachl
Die Betriebsgrundsätze der europäischen Eisenbahnen sind noch immer stark national orientiert und weichen in einzelnen Ländern erheblich voneinander ab. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Vergleichbare Regeln gelten auch bei vielen osteuropäischen Bahnen. Bei westeuropäischen Bahnen sind mit Ausnahme der sich stark an den deutschen Grundsätzen orientierenden Luxemburgischen Eisenbahn größere Abweichungen anzutreffen.
12.1 Grundbegriffe des Bahnbetriebes 12.1.1 Rechtsgrundlagen und Regelwerke Der Bau und Betrieb von Schienenbahnen ist durch nationale Rechtsverordnungen geregelt. Bei der rechtlichen Einordnung der Schienenbahnen unterscheidet sich die Situation in Deutschland und Österreich deutlich von derjenigen in der Schweiz. In Deutschland und Österreich werden nur die landesweiten, sich durch einen hohen Standardisierungsgrad auszeichnenden Bahnsysteme den Eisenbahnen zugerechnet. Für diese Bahnsysteme gilt in Deutschland die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) [12.4] und in Österreich die Eisenbahnverordnung (EisbVO) [12.12]. Straßenbahnen, wozu der Verordnungsgeber neben den Bahnen, die am Straßenverkehr teilnehmen, also den Straßenbahnen im engeren Sinne, auch vom Straßenverkehr unabhängige Bahnen des städtischen Nahverkehrs zählt, gelten rechtlich nicht als
Eisenbahnen, sondern werden von eigenständigen Rechtsverordnungen erfasst. In Deutschland ist dies die Verordnung über den Bau- und Betrieb von Straßenbahnen (BOStrab) [12.6] und in Österreich die Straßenbahnverordnung (StrabVO) [12.13]. Im Unterschied zu den Rechtsverordnungen der Eisenbahnen fordern die Rechtsverordnungen der Straßenbahnen eine weit geringere Standardisierung, da diese Bahnen Inselbetriebe darstellen, zwischen denen im Unterschied zu Eisenbahnen ein Fahrzeugaustausch nicht vorgesehen ist. Auf diese Rechtslage ist bei den Stadtschnellbahnen auch die traditionelle Unterscheidung zwischen S-Bahnen und U-Bahnen zurückzuführen. S-Bahnen gelten hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsverordnung als Eisenbahnen und U-Bahnen als Straßenbahnen. In der Schweiz gibt es keine getrennten Bauund Betriebsordnungen für Eisenbahnen und Straßenbahnen. Die Verordnung über Bau und Betrieb der Eisenbahnen (Eisenbahnverordnung, EBV) [12.17] gilt auch für Straßenbahnen, die in der Schweiz deswegen auch begrifflich den Eisenbahnen zugerechnet werden. Auf Basis dieser Rechtverordnungen erstellen die Bahnbetreiber die betrieblichen Regelwerke. Diese Regelwerke enthalten die Vorschriften für die Durchführung von Fahrten mit Eisenbahnfahrzeugen und die Regeln der Signalisierung. In Deutschland gehören dazu für das Netz der Deutschen Bahn AG in erster Linie folgende Regelwerke: – Konzernrichtlinie 408 „Züge fahren und Rangieren“ [12.7], – Konzernrichtlinie 436 „Zug- und Rangierfahrten im Zugleitbetrieb durchführen“ [12.11],
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Betriebsführung der Infrastruktur
– Konzernrichtlinie 437 „Zug- und Rangierfahrten im Signalisierten Zugleitbetrieb durchführen“ [12.10], – Signalbuch DS 301 für den Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn [12.8], – Signalbuch DV 301 für den Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn [12.9].
bindlich. Bedingt durch die oben erläuterte Rechtslage in der Schweiz enthalten die Fahrdienstvorschriften auch die Regeln für Straßenbahnen.
Die Regeln der Signalisierung wurden zwischen den beiden Betriebsführungsbereichen der Deutschen Bahn AG noch nicht vollständig harmonisiert. Ein Teil der heute noch bestehenden Unterschiede wird mittelfristig erhalten bleiben und ist bis auf weiteres auch bei Neuplanungen anzuwenden. Für die Netze der Nichtbundeseigenen Eisenbahnen (NE) gilt derzeit noch die Fahrdienstvorschrift der Nichtbundeseigenen Eisenbahnen (FV-NE), hier wird jedoch eine zügige Zusammenführung mit dem Regelwerk der Deutschen Bahn AG angestrebt. Dazu wurde durch einen Bund/LänderFachausschuss die Anweisung für den Fahrbetrieb (AnFab) [12.5] verabschiedet, die in sehr kompakter Form die wesentlichen Grundsätze des deutschen Eisenbahnbetriebes regelt. In Österreich besteht das betriebliche Regelwerk für das Netz der ÖBB aus folgenden wesentlichen Teilen: – V2 – Signalvorschrift [12.14], – V3 – Betriebsvorschrift [12.15], – V5 – Zugleitbetrieb [12.16].
Durch die Neuordnung des Eisenbahnwesens in Europa wird zwischen zwei grundlegenden Arten von Eisenbahnunternehmen unterschieden: – Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), – Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU).
Es wird gegenwärtig diskutiert, bei der Weiterentwicklung des österreichischen Regelwerks eine Neugliederung mit einer stärkeren Differenzierung der Regeln nach Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen vorzunehmen. In der Schweiz enthalten die Fahrdienstvorschriften (FDV) [12.18] sowohl die Regeln für die Durchführung von Zug- und Rangierfahrten als auch die Signalregeln. Im Unterschied zu Deutschland und Österreich werden die Fahrdienstvorschriften nicht von den Bahnunternehmen sondern vom Bundesamt für Verkehr herausgegeben und sind für alle Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs ver-
12.1.2 Einteilung der Eisenbahnunternehmen
Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Eisenbahnunternehmen, deren Unternehmenszweck im Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur besteht. Das Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur umfasst den Bau und die Unterhaltung der Schienenwege, die Koordination der Trassenwünsche der Eisenbahnverkehrsunternehmen (Fahrplankonstruktion) und die Führung von Betriebsleit- und Sicherungssystemen. Eisenbahnverkehrsunternehmen sind Eisenbahnunternehmen, deren Unternehmenszweck im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen (Zugverkehr) auf einer von einem Eisenbahninfrastrukturunternehmen betriebenen Eisenbahninfrastruktur besteht. Vor Durchführung einer Zugfahrt hat das Eisenbahnverkehrsunternehmen beim Eisenbahninfrastrukturunternehmen eine Fahrplantrasse zu bestellen. Die Fahrplantrasse beschreibt die räumliche und zeitliche Inanspruchnahme der Infrastruktur für diese Zugfahrt. Das Eisenbahninfrastrukturunternehmen nimmt im Rahmen der Fahrplankonstruktion eine Koordination der Trassenwünsche vor und erstellt die Fahrpläne, die dann den Eisenbahnverkehrsunternehmen übermittelt werden.
12.1 Grundbegriffe des Bahnbetriebes
12.1.3 Grundsätzliche Klassifizierung der Betriebsverfahren Ein Betriebsverfahren ist ein System betrieblicher Regeln und technischer Mittel zur Durchführung von Fahrten mit Eisenbahnfahrzeugen auf einer Eisenbahninfrastruktur. Hinsichtlich der Erteilung der Zustimmung zur Zugfahrt lassen sich Betriebsverfahren in zwei grundsätzlich zu unterscheidende Kategorien einteilen: – Betriebsverfahren, bei denen die Züge durch Signaleinrichtungen geführt werden, – Betriebsverfahren, bei denen die Züge auf nichttechnischem Wege, d.h. durch mündliche oder schriftliche Aufträge mit teilweise ergänzender Beachtung von Fahrplanregeln geführt werden. Betriebsverfahren mit Führung der Züge durch Signaleinrichtungen setzen die Ausrüstung der Strecke mit einer durchgehenden Signalisierung voraus. Heute ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die durchgehende Signalisierung auch immer mit einer technischen Zugfolgesicherung (Streckenblock, in der Schweiz nur als Block bezeichnet) verbunden. Zu diesen Betriebsverfahren gehören sowohl der Betrieb mit Führung der Züge durch ortsfeste Signale als auch der Betrieb mit Führung der Züge durch Führerraumanzeigen in Verbindung mit einer linienförmigen Zugbeeinflussung. Schriftliche oder mündliche Aufträge kommen in solchen Betriebsverfahren zur Erteilung der Zustimmung zur Zugfahrt nur in der Rückfallebene oder bei Abweichungen vom Regelbetrieb zur Anwendung, wenn die reguläre Signalisierung nicht genutzt werden kann oder darf. Die Fahrdienstleitung einer solchen Strecke kann sowohl von einer zentralen Leitstelle, von der aus die örtlichen Stellwerke ferngesteuert werden oder durch örtlich besetzte Betriebsstellen, die sich untereinander durch Zugmeldungen über die Zugfolge verständigen, erfolgen.
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Betriebsverfahren mit Führung der Züge auf nichttechnischem Wege werden zur rationellen Betriebsführung auf Strecken mit einfachen betrieblichen Verhältnissen (Nebenbahnen) benutzt. Eine durchgehende Signalisierung an der Strecke ist nicht erforderlich. Trotzdem kann auch in diesen Betriebsverfahren eine vereinfachte ortsfeste Signalisierung vorhanden sein. Die Fahrdienstleitung solcher Strecken ist heute i.d.R. zentralisiert. Die örtliche Fahrwegsicherung erfolgt häufig unter Mitwirkung des Zugpersonals. In Deutschland und Österreich wird eine solche Einfachbetriebsweise mit zentralisierter Fahrdienstleitung als Zugleitbetrieb bezeichnet, wobei in Deutschland bei Vorhandensein einer ergänzenden Signalisierung die Bezeichnung Signalisierter Zugleitbetrieb verwendet wird. Der Fahrdienstleiter einer Zugleitstrecke wird in Deutschland als Zugleiter und in Österreich als Zugleit-Fahrdienstleiter bezeichnet. Der Zugleiter bzw. Zugleit-Fahrdienstleiter verfolgt die Zugfahrten anhand fernmündlicher Zuglaufmeldungen und erteilt die Zustimmung zur Zugfahrt durch fernmündliche Fahrerlaubnis. Die heute i.d.R. per Funk direkt mit den Zugpersonalen ausgetauschten Meldungen können unter bestimmten Voraussetzungen durch technische Einrichtungen ersetzt werden, so dass sich die Betriebsweise im Regelbetrieb dem Niveau eines signalgeführten Betriebes annähert. In der Schweiz kommt anstelle des Zugleitbetriebes auf Strecken ohne technische Zugfolgesicherung (Strecken ohne Block) ein spezielles Betriebsverfahren zur Anwendung, bei dem die Zugfolge durch Beachtung von Fahrplanregeln geregelt wird. Die Zugpersonale haben bei Halt in einem Bahnhof die planmäßigen Kreuzungen und Überholungen abzuwarten. Im Verspätungsfall oder beim Verkehren außerplanmäßiger Fahrten werden zusätzliche Kreuzungen und Überholungen oder die Verlegung planmäßiger Kreuzungen und Überholungen mit schriftlichen Weisungen durch die Fahrdienstleitung angeordnet.
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Betriebsführung der Infrastruktur
12.1.4 Einteilung der Betriebsstellen 12.1.4.1 Bahnhöfe Ein ausgesprochenes Charakteristikum der Eisenbahnen des deutschsprachigen Raumes ist der Bahnhofsbegriff und die darauf aufbauende Unterscheidung zwischen Bahnhof und freier Strecke. Die Definition des Bahnhofs ist bei den einzelnen Bahnen zwar ähnlich, aber nicht identisch. In Deutschland ist ein Bahnhof als Bahnanlage mit mindestens einer Weiche, wo Züge beginnen, enden, ausweichen oder wenden dürfen, definiert. Als Grenze zwischen dem Bahnhof und der freien Strecke gelten die Einfahrsignale oder Trapeztafeln (Signaltafeln, die bei einfachen Verhältnissen anstelle eines Einfahrsignals aufgestellt sein können), sonst die Einfahrweichen (je nach Lage der Weiche ist die Weichenspitze oder das Grenzzeichen maßgebend). Im österreichischen Regelwerk entfällt in der Bahnhofsdefinition die Forderung nach mindestens einer Weiche. Das Schweizer Regelwerk definiert einen Bahnhof als Anlage innerhalb der Einfahrsignale, wo diese fehlen innerhalb der Einfahrweichen, zur Sicherung und Regelung des Zugverkehrs und der Rangierbewegungen. Damit sind in einem Hauptgleis innerhalb eines Bahnhofs folgende betrieblichen Prozesse möglich: – Beginnen und Enden von Zügen, – Verändern der Zusammensetzung von Zügen, – Durchführen von Rangierbewegungen, – Abstellen von Fahrzeugen. Große Bahnhöfe können in mehrere Bahnhofsteile unterteilt sein, die durch Hauptsignale gegeneinander abgegrenzt werden. In Bahnhöfen herrscht im Unterschied zu den Gleisen der freien Strecke freie Gleiswahl, d.h., es gibt keine gewöhnliche Fahrtrichtung. Bahnhofshauptgleise können je nach betrieblichem Erfordernis mit Signalanlagen für eine oder beide Fahrtrichtungen ausgerüstet sein.
12.1.4.2 Betriebsstellen der freien Strecke Die freie Strecke (in der Schweiz nur als Strecke bezeichnet) sind die Gleise außerhalb der Einfahrsignale der Bahnhöfe. Zu den Betriebsstellen der freien Strecken gehören in deutscher Terminologie: – Blockstellen, – Abzweig- und Überleitstellen, – Anschlussstellen, – Deckungsstellen, – Haltepunkte und Haltestellen Blockstellen sind Betriebsstellen, die einen Blockabschnitt begrenzen. Auf Strecken mit ortsfester Signalisierung sind Blockstellen mit Hauptsignalen ausgerüstet, die die Einfahrt in den Blockabschnitt decken. In Deutschland werden im Gegensatz zu Österreich auch Bahnhöfe zu den Blockstellen gerechnet, da die Ein- und Ausfahrsignale der Bahnhöfe, obwohl nicht zur freien Strecke gehörend, die an den Bahnhof anschließenden Blockabschnitte begrenzen. In der Schweiz wird der Begriff der Blockstelle nicht verwendet, man spricht nur von Blocksignalen. Abzweigstellen (in der Schweiz als Linienabzweigungen bezeichnet) sind Streckenverzweigungen außerhalb von Bahnhöfen. Überleitstellen (in der Schweiz als Spurwechselstellen bezeichnet) sind Betriebsstellen, wo Züge außerhalb von Bahnhöfen auf ein anderes Gleis derselben Strecke übergehen können. Abzweigund Überleitstellen sind zugleich auch immer Blockstellen. Betriebsstellen am Übergang von einer eingleisigen zu einer zweigleisigen Strecke gelten in Deutschland als Überleitstellen (analog in der Schweiz als Spurwechselstellen) jedoch in Österreich als Abzweigstellen. Anschlussstellen (in der Schweiz als Anschlussgleise an die Strecke bezeichnet) sind Betriebstellen der freien Strecke, an denen ein Nebengleis (z.B. Ladegleis, Anschlussbahn eines Unternehmens) an das Streckengleis anschließt. Anschlussstellen sind selbst keine Blockstellen, die Bedienung erfolgt unter Deckung der Hauptsignale benachbarter Betriebsstellen.
12.1 Grundbegriffe des Bahnbetriebes
Die Weichen an der Anschlussstelle sind meist ortsgestellt und werden durch Weichenschlösser gesichert, über die i.d.R. eine Abhängigkeit zu den Hauptsignalen benachbarter Betriebsstellen hergestellt wird. Anschlussstellen, die ein Einschließen der Bedienungsfahrt ermöglichen, so dass der Blockabschnitt nach der Einfahrt der Bedienungsfahrt in die Anschlussstelle für Zugfahrten freigegeben werden kann, werden in Deutschland und Österreich als Ausweichanschlussstellen bezeichnet. Deckungsstellen sind Betriebsstellen zur Deckung von Gefahrenstellen (z.B. bewegliche Brücken) auf der freien Strecke. Eine Deckungsstelle kann zugleich als Blockstelle eingerichtet sein. In der Schweiz wird der Begriff der Deckungsstelle nicht verwendet, man spricht nur von Deckungssignalen. Haltepunkte und Haltestellen sind Betriebsstellen für Verkehrshalte von Reisezügen außerhalb von Bahnhöfen. In Deutschland werden dabei die Verkehrsstationen ohne Weichen als Haltepunkte, und diejenigen Verkehrsstationen, bei denen eine Bahnsteiganlage mit einer Abzweig- oder Anschlussstelle kombiniert ist, als Haltestellen bezeichnet. In Österreich und der Schweiz wird unabhängig vom Vorhandensein von Weichen nur die Bezeichnung Haltestelle verwendet.
12.1.4.3 Betriebliche Einteilung der Gleise Gleise werden betrieblich in Haupt- und Nebengleise eingeteilt (Abb. 12.1). Hauptgleise sind alle Gleise, die von Zügen planmäßig befahren werden dürfen. Sie müssen daher mit für Zugfahrten erforderlichen Signal- und Sicherungseinrichtungen ausgerüstet sein. Die Hauptgleise der freien Strecke und ihre Fortsetzung in den Bahnhöfen werden als durchgehende Hauptgleise bezeichnet. Nebengleise sind Gleise, die nicht planmäßig von Zügen befahren werden und in denen somit regulär nur Rangierfahrten stattfinden dürfen. In der Schweiz gelten abweichend davon auch Gleise, die von Zügen nur in Ausfahrrichtung befahren werden dürfen, als Nebengleise.
12.1.5 Durchführung von Fahrten auf einer Eisenbahninfrastruktur Ein Charakteristikum der meisten europäischen Bahnen ist die Einteilung der Fahrten mit Eisenbahnfahrzeugen in zwei grundsätzliche Arten, nämlich Züge und Rangierbewegungen. Mit Zügen findet der eigentliche Transportprozess über die Strecken der Eisenbahn statt, während das Rangieren einen Hilfsprozess zum Bilden und Zerlegen der Züge, Bedienen und Ladestellen und Anschlussgleisen und ähnlichen Zwecken darstellt. Die mei-
Nebengleise sonstige Hauptgleise
durchgehende Hauptgleise im Bahnhof Abb. 12.1 Einteilung der Gleise
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Hauptgleise der freien Strecke
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12
Betriebsführung der Infrastruktur
sten Bahnen verwenden für diese beiden Arten von Fahrzeugbewegungen eine unterschiedliche Signalisierung, wodurch die Einteilung der Fahrten einen erheblichen Einfluss auf die Ausstattung der Infrastruktur hat. Trotz vieler Ähnlichkeiten gibt es hinsichtlich der Abgrenzung von Zügen und Rangierbewegungen bei den einzelnen Bahnen Unterschiede. 12.1.5.1 Züge In Deutschland sind Züge auf die freie Strecke übergehende oder innerhalb eines Bahnhofs mit Fahrplan verkehrende, aus Regelfahrzeugen bestehende, durch Maschinenkraft bewegte Einheiten oder einzeln fahrende Triebfahrzeuge. Züge, die in ein betrieblich gesperrtes Streckengleis eingelassen werden (z.B. bei Bauarbeiten oder zum Bedienen von Anschlussstellen auf Strecken ohne selbsttätigen Streckenblock) werden als Sperrfahrten bezeichnet. In einen Blockabschnitt dürfen mehrere Sperrfahrten eingelassen werden. In Österreich sind Züge alle Triebfahrzeuge, die allein oder mit anderen Fahrzeugen auf die freie Strecke übergehen. Es kann angeordnet sein, dass Fahrten innerhalb eines Bahnhofs als Züge gelten. Fahrten in gesperrten Streckengleisen gelten in Österreich nicht als Züge, sondern werden den sog. Nebenfahrten zugeordnet (s. Abschn. 12.1.5.3). In der Schweiz wird zwischen den in Deutschland und Österreich gleichwertigen Begriffen Zug und Zugfahrt unterschieden. Züge sind einzelne oder zusammengekuppelte Triebfahrzeuge mit oder ohne Wagen, die auf die Strecke übergehen, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Übernahme durch das Fahrpersonal auf dem Abgangsbahnhof bis zum Erreichen des Bestimmungsbahnhofes, ausgenommen während Rangierbewegungen. Zugfahrten sind Fahrten im Bahnhof und auf der Strecke, die durch Hauptsignale gesichert und geregelt werden. Zur Durchführung einer Zugfahrt ist ein Fahrplan erforderlich, der die Berechtigung darstellt, eine Relation von einem
Abgangs- zu einem Bestimmungsbahnhof zu festgelegten Konditionen (z.B. Laufweg, Geschwindigkeiten, erforderliches Bremsvermögen, Fahrzeiten) zu befahren. Der Fahrplan wird vom Eisenbahninfrastrukturunternehmer aufgestellt und den Eisenbahnverkehrsunternehmen in elektronischer Form oder als gedruckter Buchfahrplan übergeben (s. Abschn. 12.1.5.6). Zusätzlich zum Fahrplan benötigt ein Zug auf jedem Abschnitt seines Laufweges eine Zustimmung des Fahrdienstleiters (bzw. Zugleiters) zur Zugfahrt. Diese Zustimmung stellt die Berechtigung dar, bis zu einem definierten Punkt zu fahren (z.B. einem Signal oder einem planmäßigen Halteplatz) und kann besondere Restriktionen enthalten (z.B. die Anwendung einer niedrigeren als der im Fahrplan angegebenen Geschwindigkeit). Zu diesem Zweck ist das gesamte Eisenbahnnetz lückenlos in Fahrdienstleiterbezirke eingeteilt, so dass sich ein Zug ständig unter Führung eines für den jeweiligen Infrastrukturbereich zuständigen Fahrdienstleiters befindet. Die Zustimmung zur Zugfahrt kann je nach technischer Ausstattung und Betriebsverfahren erteilt werden durch: – Fahrtstellung eines Hauptsignals, – Führerraumanzeigen, – schriftliche Befehle (bei Störungen und Abweichungen vom Regelbetrieb), – Zusatzsignale, die einen schriftlichen Befehl zur Vorbeifahrt an einem Halt zeigenden oder gestörten Hauptsignal ersetzen, – mündlich oder fernmündlich (bei einfachen Verhältnissen). Züge dürfen im Regelbetrieb nur in freie Gleisabschnitte eingelassen werden und verkehren in Weichenbereichen auf technisch gesicherten Fahrstraßen. Die zulässige Geschwindigkeit wird dem Zugpersonal in den Fahrplanunterlagen bekannt gegeben. Spitze und Schluss eines Zuges werden durch besondere Signale gekennzeichnet. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Schlusssignal, durch dessen Vorhandensein jederzeit festgestellt werden kann,
12.1 Grundbegriffe des Bahnbetriebes
ob der Zug einen Gleisabschnitt vollständig geräumt hat. Heute sind Züge grundsätzlich mit einer durchgehenden selbsttätigen Bremse ausgerüstet. Das Bremsvermögen eines Zuges muss ausreichend sein, um den Zug aus der zulässigen Geschwindigkeit innerhalb des für die zu befahrenden Strecken festgelegten Regelvorsignalabstandes sicher zum Halten zu bringen. Beim Nichterreichen des im Fahrplan angegebenen Mindestbremsvermögens darf der Zug nicht mit der im Fahrplan angegebenen, sondern nur mit einer entsprechend herabgesetzten zulässigen Geschwindigkeit verkehren. Das Bremsvermögen eines Zuges wird durch sog. Bremshundertstel angegeben (in der Schweiz als Bremsverhältnis bezeichnet), die den prozentualen Anteil der Bremsmasse (auch als Bremsgewicht bezeichnet) an der Gesamtmasse des Zuges darstellen. Die Bremsmasse (bzw. das Bremsgewicht) wird wie die Zugmasse in der Einheit Tonnen (t) angegeben, sie kann jedoch physikalisch nicht als Masse interpretiert werden. Es handelt sich um einen durch genormte Bremsversuche ermittelten, reinen Vergleichswert, in den neben der aufgebrachten Bremskraft noch weitere Parameter des Bremssystems eingehen, insbesondere die durch die Trägheit der Bremsauslösung bedingte verzögerte Inanspruchnahme des Zuggewichts für die Übertragung der Bremskraft zwischen Rad und Schiene [12.1]. 12.1.5.2 Rangierbewegungen Das Rangieren ist das beabsichtigte Bewegen von Eisenbahnfahrzeugen, ausgenommen das Fahren der Züge. In Österreich wird das Rangieren als Verschub bezeichnet. Das betrifft in gleicher Weise alle damit in Zusammenhang stehenden Begriffe (Verschubfahrt, Verschubsignal usw.). Im Folgenden wird mit Rücksicht auf die flüssige Lesbarkeit dieser Hinweis nicht noch einmal an jeder Stelle wiederholt. Zu den Rangierbewegungen zählen – die Rangierfahrten, das sind die Bewegungen von mit einem Triebfahrzeug
565
gekuppelten Rangiereinheiten oder einzeln fahrende Triebfahrzeuge, und – das Bewegen von nicht mit einem Triebfahrzeug gekuppelten Wagen. Dazu zählen das Rangieren durch Abstoßen und Ablaufen lassen (in Österreich und der Schweiz als Abrollen bezeichnet) von Wagen. In Gleisbereichen, die von einem Stellwerk überwacht werden, ist zur Durchführung einer Rangierfahrt eine Zustimmung des zuständigen Stellwerks erforderlich. Diese Zustimmung wird erteilt durch: – Signalisierung der Aufhebung des Fahrverbots für Rangierfahrten an einem Hauptsignal oder einem anderen, für Rangierfahrten gültigen Haltsignal, – Handzeichen, – mündlich oder fernmündlich. Auf die Signalisierung und die unterschiedlichen Bezeichnungen der bei den einzelnen Bahnen verwendeten Signale zur Regelung von Rangierfahrten wird in Abschn. 12.2.2.2 eingegangen. Rangierfahrten fahren auf Sicht und dürfen in besetzte Gleise eingelassen werden. Eine technische Fahrwegsicherung ist grundsätzlich nicht erforderlich, aber in modernen Stellwerken üblich. Rangierfahrten führen keine Spitzen- und Schlusssignale. Eine durchgehende Bremse ist nicht grundsätzlich vorgeschrieben, oft wird nur mit der Triebfahrzeugbremse rangiert. Wo regelmäßig Rangierfahrten mit schweren Einheiten durchgeführt werden, kann jedoch vorgeschrieben sein, eine bestimmte Anzahl von Wagen an die durchgehende Bremse anzuschließen. In Deutschland und Österreich sind Rangierfahrten auf Hauptgleisen nur innerhalb von Bahnhöfen und im Bereich von Anschlussstellen zulässig. Auf ein an einen Bahnhof anschließendes Streckengleis, das in Ausfahrrichtung befahren wird, darf beim Rangieren im erforderlichen Maß ausgezogen werden, wenn auf diesem Streckengleis keine Fahrten gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung stattfinden. An den an einen Bahnhof anschließenden
566
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Streckengleisen, die in Einfahrrichtung befahren werden, ist die Grenze, bis zu der rangiert werden darf, i.d.R. durch eine Rangierhalttafel markiert. Wo diese fehlt, gilt die Einfahrweiche als Rangiergrenze. In Österreich ist auf zweigleisigen Strecken mit Zweirichtungsbetrieb auch am Ausfahrgleis eine Rangierhalttafel (dort als Verschubhalttafel bezeichnet) aufgestellt. Muss ausnahmsweise über die Rangiergrenze rangiert werden, ist ein schriftlicher Befehl des Fahrdienstleiters erforderlich, der sicherzustellen hat, dass die benachbarte Betriebsstelle keine Züge ablässt. In der Schweiz gilt mit Ausnahme der nachfolgend behandelten Rangierfahrten auf die Strecke das Einfahrsignal als Rangiergrenze. 12.1.5.3 Besonderheiten Bei der Abgrenzung der Rangierfahrten von den Zugfahrten gibt es eine gewisse Grauzone in Form von Fahrten, die nicht dem Zweck des Rangierens dienen, bei denen jedoch die Sicherungseinrichtungen für Zugfahrten nicht ordnungsgemäß wirken oder nicht bedient werden dürfen. Darunter fallen beispielsweise Fahrten mit Spezialfahrzeugen, die aufgrund ihrer Bauart Gleisschaltmittel nicht sicher betätigen, und Fahrten auf der freien Strecke, die einen Blockabschnitt nicht vollständig durchfahren oder Rückwärtsbewegungen ausführen. Die betriebliche Zuordnung solcher Fahrten wird bei den einzelnen Bahnen unterschiedlich gehandhabt. In Deutschland gelten sie auf der freien Strecke als Zugfahrten, in der Schweiz als Rangierfahrten. In Österreich werden sie einer eigenen Kategorie, den sog. Nebenfahrten, zugerechnet. Die Kenntnis dieser Besonderheiten ist vor allem für die betriebliche Abwicklung von Baumaßnahmen wichtig, wo solche Spezialfahrten häufig durchgeführt werden. In der Schweiz dürfen in folgenden Fällen Rangierfahrten auch auf der Strecke durchgeführt werden: – Fahrten, die als Zugfahrt die Signal- und Blockeinrichtungen aus technischen Grün-
den so beeinflussen, dass sie nach der Fahrt die Grundstellung nicht erreichen, – wenn Fahrzeuge mitgeführt werden, die nicht in Züge eingestellt werden dürfen, – zum Abholen liegen gebliebener Züge, – Züge, die ein Gleis ohne technische Zugfolgesicherung gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung befahren sollen. Rangierfahrten auf die Strecke erhalten Fahrplanunterlagen in vereinfachter Form, und müssen die für Züge geltenden Bremsvorschriften einhalten. In Österreich gibt es neben den Zug- und Verschubfahrten als dritte Kategorie die bereits erwähnten Nebenfahrten. Das sind alle Fahrten, bei denen die für Zugfahrten vorgesehenen Sicherungsanlagen nicht regulär bedient werden können oder dürfen. Dazu zählen: – Fahrten ohne Triebfahrzeug, – Fahrten mit Nebenfahrzeugen, die aufgrund ihrer geringen Achslast Gleisschaltmittel nicht sicher betätigen, – Bedienungsfahrten zu Anschlussstellen, die nicht mit Hauptsignal durchgeführt werden können, – Fahrten, die ein Streckengleis nicht vollständig befahren, – Fahrten in gesperrten Streckengleisen. Fahrten, die in Österreich zu den Nebenfahrten zählen, werden in Deutschland meist als Sperrfahrten, und somit als Zugfahrten, durchgeführt. Dies erfordert jedoch immer eine Sperrung des Streckengleises. In der Schweiz werden solche Fahrten als Rangierfahrten auf die Strecke abgewickelt. Fahrten zur Durchführung von Bauarbeiten in einen Streckengleis, das noch nicht in Betrieb genommen oder das für Bauarbeiten vorübergehend außer Betrieb genommen wurde, finden bei allen behandelten Bahnen unter der Verantwortung der bauausführenden Stellen nach den Regeln für Rangierbewegungen statt (s. Abschn. 12.4.2.2).
12.1 Grundbegriffe des Bahnbetriebes
12.1.5.4 Zusammengefasste Systematik der Durchführung von Fahrten auf einer Eisenbahninfrastruktur Tabelle 12.1 gibt eine Übersicht zu den einzelnen Arten von Fahrzeugbewegungen und ihrer betrieblichen Zuordnung bei den Bahnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 12.1.5.5 Regelung der Zugfolge Zur sicheren Abstandshaltung der Züge ist heute das Fahren im festen Raumabstand vorgeschrieben. Dazu wird der Fahrweg in Abschnitte eingeteilt, in die ein Zug nur eingelassen werden darf, wenn sie frei von Fahrzeugen sind. Diese Abschnitte werden auf der freien Strecke als Blockabschnitte (in Deutschland auch Blockstrecken) bezeichnet. Bei signalgeführtem Betrieb mit ortsfesten Signalen werden diese Abschnitte durch Hauptsignale begrenzt. Dabei kann ein Hauptsignal nur dann einen für Züge gültigen Fahrtbegriff zeigen, wenn der Abschnitt bis zum nächsten Hauptsignal
567
frei und gesichert ist und ein voraus fahrender Zug durch ein Halt zeigendes Signal gedeckt wird. Bei den meisten Bahnen reicht die auf ein Hauptsignal folgende Gleislänge, die frei und gesichert sein muss (die sog. Überwachungslänge des Hauptsignals) eine definierte Strecke über das nächste Signal hinaus, um als Durchrutschweg (in Österreich als Schutzweg bezeichnet) zusätzlich einen gewissen Schutz gegen ein geringfügiges Überfahren eines Halt zeigenden Hauptsignals durch Verbremsen des Zuges zu gewähren (Abb. 12.2). Die Stelle hinter einem Hauptsignal, die ein Zug vollständig geräumt haben muss, damit das rückliegende Hauptsignal wieder auf Fahrt gestellt werden kann, wird als Signalzugschlussstelle bezeichnet. Auf Strecken, auf denen die Züge nicht durch ortsfeste Signale, sondern durch Führerraumanzeigen geführt werden, gilt das Fahren im festen Raumabstand grundsätzlich in gleicher Weise.
Tabelle 12.1 Betriebliche Zuordnung der Fahrten mit Eisenbahnfahrzeugen Art der Fahrzeugbewegung
Betriebliche Zuordnung in Deutschland Österreich
Schweiz
durch Hauptsignal geregelte Fahrt
Zugfahrt
Zugfahrt
Zugfahrt
ohne Hauptsignal geregelte Fahrt gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung einer zweigleisigen Strecke
Zugfahrt
Zugfahrt
Rangierfahrt auf die Strecke
Fahrt unter vereinfachten Bedingungen im Bahnhof ohne Fahrplan
Rangierfahrt
Verschubfahrt
Rangierfahrt
Fahrt zum Bedienen einer Anschlussstelle
Zugfahrt, ggf. als Sperrfahrt
Nebenfahrt
Rangierfahrt auf die Strecke
Fahrt in gesperrtem Streckengleis
Zugfahrt als Sperrfahrt
Nebenfahrt
Rangierfahrt auf die Strecke
Fahrt in einem Streckengleis, das für Bauarbeiten außer Betrieb genommen wurde
Rangierfahrt
Verschubfahrt
Rangierfahrt
Fahrt auf die Strecke mit Fahrzeug, durch das Gleisschaltmittel nicht sicher betätigt werden
Zugfahrt als Sperrfahrt
Nebenfahrt
Rangierfahrt auf die Strecke
Fahrt im Bahnhof mit Fahrzeug, das Gleisschaltmittel nicht sicher betätigt
Rangierfahrt
Nebenfahrt
Rangierfahrt
568
12
Betriebsführung der Infrastruktur Blockabschnitt
Signalzugschlussstelle
2. Zug
1. Zug Halt
Fahrt 11
15
13
Überwachungslänge des Signals 15
Überwachungslänge des Signals 11 Überwachungslänge des Signals 9
Überwachungslänge des Signals 13 Durchrutschweg
Abb. 12.2 Fahren im festen Raumabstand
12.1.5.6 Die Rolle des Fahrplans Der Fahrplan ist die vorausschauende Festlegung des Fahrtverlaufs der Züge in Bezug auf: – Verkehrstage, – Laufweg, – Gleisbenutzung in den Betriebsstellen, – zulässige Geschwindigkeit auf den einzelnen Abschnitten des Laufweges, – erforderliches Bremsvermögen, – Ankunft-, Abfahr- und Durchfahrzeiten auf den Betriebsstellen, – sonstige, für die Führung des Zuges erforderliche Angaben. Ein Zug darf nur mit gültigem Fahrplan verkehren. Die Zugnummer ist dabei zugleich die Bezeichnung des zugehörigen Fahrplans. Die Erstellung des Fahrplans gehört zu den Aufgaben des Eisenbahninfrastrukturunternehmens. Die wichtigste bei der Fahrplankonstruktion erstellte Unterlage ist der Bildfahrplan, aus dem alle anderen Fahrplandarstellungen abgeleitet werden. Der Bildfahrplan ist ein Liniennetz aus Ortslinien, die den Fahrzeitmesspunkten der einzelnen Betriebsstellen entsprechen, und orthogonal dazu angeordneten Zeitlinien. In dieses Liniennetz werden die Zugfahrten als
Zeit-Weg-Linien eingetragen. Bildfahrpläne können mit horizontaler (liegender Fahrplan) oder vertikaler Wegachse (stehender Fahrplan) ausgeführt sein (Abb. 12.3). Beide Darstellungsformen sind in der Aussage gleichwertig. Für Betriebsstellen mit mehreren, alternativ nutzbaren Gleisen wird die Gleisbenutzung in zusätzlichen Plänen dargestellt. Hier sind neben bildlichen Darstellungen mit horizontaler und vertikaler Zeitachse auch tabellarische Darstellungen üblich. Der im Rahmen der Fahrplankonstruktion erstellte Fahrplan darf keine Trassenkonflikte enthalten. Die Ermittlung konfliktfreier Fahrplanlagen setzt eine exakte Beschreibung des „Trassenverbrauchs“, d.h. der Inanspruchnahme der Infrastruktur durch eine Zugfahrt voraus. Diese Inanspruchnahme wird durch die sog. Sperrzeitentreppe beschrieben (Abb. 12.4a). Die Sperrzeit eines Fahrwegabschnitts ist diejenige Zeit, in der dieser Fahrwegabschnitt durch eine Zugfahrt betrieblich beansprucht und somit für die Nutzung durch andere Fahrten gesperrt ist. Die Sperrzeit beginnt mit der Handlung, die zur Erteilung der Zustimmung zur Einfahrt in den Abschnitt führt und endet mit der Freigabe des Abschnitts für einen folgenden Zug. Abbil-
12.1 Grundbegriffe des Bahnbetriebes a) liegender Fahrplan Bf A
Abb. 12.3 Liegender und stehender Bildfahrplan
b) stehender Fahrplan
Bf C
Bf B
Bf D
569
Bf D
Bf C
Bf B
Bf A
Abb. 12.4 Sperrzeitentreppe und Sperrzeit eines einzelnen Blockabschnitts
a) Sperrzeitentreppe
Sperrzeit eines Blockabschnitts
Zeit-W
eg-Lin
ie de
r Zug
fahrt
b) Sperrzeit eines Blockabschnitts für Zug ohne Verkehrshalt Zugfolgeabstand für behinderungsfreie Fahrt
V11
Signalzugschlussstelle
Blockabschnitt
Sichtpunkt
11
V13
13
Zuglänge
Fahrstraßenbildezeit
Signalsichtzeit
Annäherungsfahrzeit
Fahrzeit im Blockabschnitt
Räumfahrzeit Fahrstraßenauflösezeit
Sperrzeit des Blockabschnitts
570
12
Betriebsführung der Infrastruktur
dung 12.4b zeigt als Beispiel die Sperrzeit eines Blockabschnitts für einen planmäßig ohne Halt durchfahrenden Zug. Bei einem planmäßigen Halt vor dem Signal am Anfang des Blockabschnitts entfällt die Annäherungsfahrzeit. Das Auftragen der Sperrzeiten einer Zugfahrt über die durchfahrene Strecke ergibt dann die Sperrzeitentreppe. Aus den Sperrzeitentreppen lassen sich unmittelbar die Mindestzugfolgezeiten ableiten. Zur Gewährleistung einer ausreichenden Betriebsqualität werden diesen Mindestzugfolgezeiten im Fahrplan noch Pufferzeiten zugeschlagen, um die Übertragung von Verspätungen zu reduzieren. Für eine detaillierte Einführung in die Sperrzeittheorie und die Grundlagen der Fahrplankonstruktion wird auf [12.2] verwiesen. Nach Abschluss der Fahrplankonstruktion werden die Fahrpläne für die Zugpersonale erzeugt, die alle für die sichere Führung des Zuges relevanten Informationen enthalten. Diese Fahrpläne werden den Eisenbahnverkehrsunternehmen entweder in gedruckter Form oder auf digitalem Datenträger übergeben. Der Trend geht dahin, dem Triebfahrzeugführer die Fahrplandaten auf elektronischen Displays anzuzeigen. In Deutschland und der Schweiz wird dieses Verfahren bereits von den meisten Eisenbahnverkehrsunternehmen praktiziert. In Österreich wurden elektronische Fahrplananzeigen für den Triebfahrzeugführer noch nicht eingeführt.
12.2 Signalisierung am Fahrweg 12.2.1 Signalsysteme 12.2.1.1 Signalisierungsprinzipien für Zugfahrten Zur Regelung der Zugfolge mittels ortsfester Signale existieren zwei grundsätzliche Signalisierungsprinzipien [12.3]: – Einabschnittssignalisierung, – Mehrabschnittssignalisierung. Einabschnittssignale können nur Informationen über den unmittelbar folgenden Abschnitt bis zum nächsten Hauptsignal geben (Abb. 12.5). Eine Vorankündung des nächsten Signals ist nicht möglich. Daher muss in einem Einabschnittssignalsystem jedes Hauptsignal durch ein besonderes Vorsignal angekündigt werden. Wenn bei dichtester Blockteilung das Vorsignal in Höhe des rückliegenden Hauptsignals zu stehen käme, werden bei Lichtsignalen Haupt- und Vorsignal übereinander am gleichen Signalmast angebracht. Mehrabschnittssignalsysteme geben Informationen über mindestens zwei Blockabschnitte (Zweiabschnittssignale). Dazu ist die Vorsignalfunktion in den Hauptsignalbegriff integriert (Abb. 12.6a). Einige Bahnen verwenden auch Dreiabschnittssignale, bei denen der
Blockabschnitt
Fahrt erwarten
Fahrt 11
V11
Vorsignal
Hauptsignal
Vorsignalisierung
Abb. 12.5 Einabschnittssignalisierung
Halt erwarten V13
Halt 13
Vorsignal
Hauptsignal
Vorsignalisierung
12.2 Signalisierung am Fahrweg
571
a) Zweiabschnittssignalisierung Blockabschnitt
Fahrt
Blockabschnitt
Halt
Halt erwarten
9
11
Hauptsignal
13
Hauptsignal
Hauptsignal
Vorsignalisierung
Vorsignalisierung
b) Dreiabschnittssignalisierung Blockabschnitt
Fahrt 7
Hauptsignal
Blockabschnitt
Halt am übernächsten Signal 9
Hauptsignal
Blockabschnitt
Halt erwarten 11
Halt 13
Hauptsignal
Hauptsignal
Vorsignalisierung Vorsignalisierung
Abb. 12.6 Mehrabschnittssignalisierung
Signalbegriff eines Hauptsignals die Vorsignalinformation für die folgenden zwei Hauptsignale enthält (Abb. 12.6b). Die Mehrabschnittssignalisierung ist betrieblich jedoch nur dann vorteilhaft, wenn der Signalabstand den Bremsweg nicht wesentlich übersteigt. Da bei Mehrabschnittssignalisierung der Vorsignalabstand dem Abstand zwischen den Hauptsignalen entspricht, führt ein großer Signalabstand zu einer unnötigen Erhöhung der Annäherungsfahrzeit als Teil der Teil der Sperrzeit. Bei großen Signalabständen würden sich dadurch bei Anwendung der Mehrabschnittssignalisierung die Mindestzugfolgezeiten erhöhen und damit
die Leistungsfähigkeit der Strecke verschlechtern [12.2]. Die meisten mehrabschnittsfähigen Signalsysteme sind daher so konzipiert, dass bei größeren Signalabständen wieder zur Einabschnittssignalisierung übergegangen werden kann. In Österreich kommt ausschließlich Einabschnittssignalisierung zur Anwendung. In Deutschland und der Schweiz sind reine Einabschnittssignalsysteme nur noch in Altanlagen vorhanden, während seit einigen Jahren in Neuanlagen nur noch mehrabschnittsfähige Signalsysteme eingebaut werden. In der Schweiz kommt auf Strecken mit verkürzten
572
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Signalabständen auch Dreiabschnittssignalisierung zur Anwendung (s. Abschn. 12.2.2.1). 12.2.1.2 Beispiele für reine Einabschnittssignalsysteme Das HV-Signalsystem der Deutschen Bahn AG Das HV-Signalsystem ist das aus der Vorkriegszeit stammende, traditionelle deutsche Signalsystem (Bezeichnung HV abgeleitet von Haupt-Vor-Signalsystem). Es ist heute an Formsignalen noch im Gesamtbereich der Deutschen Bahn AG zu finden. Lichtsignale des HV-Signalsystem sind nur in Altanlagen im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn vorhanden, sie wurden dort aber bis vor einigen Jahren selbst bei elektronischen Stellwerken noch neu eingebaut. Das HV-Signalsystem ist ein reines Einabschnittssignalsystem mit einer integrierten Geschwindigkeitssignalisierung in zwei Stufen („Langsamfahrt“ und „Fahrt frei“). Bei Langsamfahrt gilt, wenn keine weiteren Festlegungen getroffen sind, eine Geschwindigkeit von 40 km/h, für „Fahrt frei“ die im Buchfahrplan festgelegte zulässige Geschwindigkeit. Durch Geschwindigkeitsanzeiger (s. Abschn. 12.2.2.3) oder Einträge im Buchfahrplan können jedoch auch andere Geschwindigkeiten (50 oder 60 km/h) vorgeschrieben werden. Das Signalsystem der ÖBB Das Signalsystem der ÖBB ist ein reines Einabschnittssignalsystem mit einer integrierten Geschwindigkeitssignalisierung in drei Stufen (Frei, 60 km/h, 40 km/h). Bei Anzeige des Signalbegriffs „Frei“ gilt die Fahrplangeschwindigkeit. Durch Geschwindigkeitsanzeiger (s. Abschn. 12.2.2.3) sind weitere Geschwindigkeiten signalisierbar. Dieses Signalsystem kommt im Gesamtbereich der ÖBB, auch in Neuanlagen, zur Anwendung. Das Signalsystem L der Schweizerischen Eisenbahnen Das Signalsystem L ist das traditionelle schweizerische Signalsystem (Bezeichnung L abgeleitet von Geschwindigkeitssignalisierung durch Lichtpunkte). Es kommt in Neuanlagen nicht
mehr zur Anwendung, ist aber noch in großer Zahl vorhanden. Es handelt sich um ein reines Einabschnittssignalsystem mit einer integrierten Geschwindigkeitssignalisierung in vier Stufen („Freie Fahrt“, 90 km/h, 60 km/h, 40 km/h). Bei Anzeige des Signalbegriffs „Freie Fahrt“ gilt die in der Streckentabelle angegebene Höchstgeschwindigkeit. Ergänzende Geschwindigkeitsanzeiger werden im Signalsystem L nicht verwendet. Abbildung 12.7 zeigt eine Übersicht der an den hier besprochenen Einabschnittssignalsystemen verwendeten Haupt- und Vorsignalbegriffe. Die in Deutschland und Österreich mögliche weitere Differenzierung der signalisierbaren Geschwindigkeiten durch Anwendung von Zusatzsignalen ist nicht mit dargestellt. 12.2.1.3 Beispiele für mehrabschnittsfähige Signalsysteme Das Ks-Signalsystem der Deutschen Bahn AG Das Ks-Signalsystem ist das nach der Vereinigung der deutschen Bahnen eingeführte Signalsystem, das bei allen Neuanlagen zur Anwendung kommt (Bezeichnung Ks abgeleitet von Kombinationssignalsystem). Es kann wahlweise als Einabschnittssignalsystem oder Zweiabschnittssignalsystem zum Einsatz kommen. Das Ks-Signalsystem ist ein reines Zugfolgesignalsystem ohne integrierte Geschwindigkeitssignalisierung. Es gibt nur die drei Signalbegriffe „Halt“, „Fahrt“, und „Halt erwarten“ (Abb. 12.8). Geschwindigkeitsinformationen sind nur durch Zusatzsignale (s. Abschn. 12.2.2.3) darstellbar. Das grüne Blinklicht für den Signalbegriff „Fahrt“ wird verwendet, wenn an diesem Signal ein Geschwindigkeitsvoranzeiger gezeigt wird, der eine Geschwindigkeitsermäßigung für das folgende Hauptsignal ankündigt und soll den Triebfahrzeugführer auf die Beachtung des Geschwindigkeitsvoranzeigers besonders aufmerksam machen. Das KsSignalsystem kommt, teilweise mit geringen Modifikationen, in Neuanlagen auch bei eini-
12.2 Signalisierung am Fahrweg HALT
40 km/h
60 km/h
90 km/h
-
-
Deutschland HV-System
Österreich Hauptsignalbegriffe
573
Vmax
-
ÖBB-System
Schweiz System L
Deutschland
-
HV-System
Vorsignalbegriffe
-
Österreich
-
ÖBB-System
Schweiz System L
rot
grün
gelb
Abb. 12.7 Übersicht zu den Signalbegriffen der Einabschnittssignalsysteme
HALT
HALT ERWARTEN
FAHRT
6
Geschwindigkeitsanzeiger (weiß) Ks-Signalbegriff
oder
rot
grün
4 gelb
Abb. 12.8 Signalbegriffe im Ks-Signalsystem
grün blinkend
Geschwindigkeitsvoranzeiger (gelb)
574
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Gelb + Geschwindigkeitsziffer „Geschwindigkeits-Ankündigung“ Grün „Fahrt“ Grün + Geschwindigkeitsziffer „Geschwindigkeits-Ausführung“
gen osteuropäischen Eisenbahnen zur Anwendung und ersetzt dort schrittweise das OSŽDSignalsystem. Das Signalsystem N der Schweizerischen Eisenbahnen Das Signalsystem N ist das neue Signalsystem der Schweizerischen Eisenbahnen (Bezeichnung N abgeleitet von Numerischer Geschwindigkeitssignalisierung). Es kann wahlweise als Einabschnittssignalsystem oder Zweiabschnittssignalsystem zum Einsatz kommen. Das Signalsystem N ist ein reines Zugfolgesignalsystem, Geschwindigkeitsinformationen werden mit ergänzenden Anzeigern in Form gelb leuchtender Ziffern dargestellt. Ob es sich bei der angezeigten Geschwindigkeit um eine ab diesem Signal gültige Geschwindigkeit oder um eine Vorankündigung der Geschwindigkeit am nächsten Signal handelt, ergibt sich aus der Kombination mit dem Haupt- oder Vorsignalbegriff in folgender Weise: Rot Gelb
„Halt“ „Warnung“ (Halt erwarten)
HALT
FAHRT
Im Unterschied zum deutschen Ks-Signalsystem ist die gleichzeitige Anzeige einer Geschwindigkeits-Ausführung und einer Geschwindigkeits-Ankündigung nicht möglich. Zu der daraus resultierenden abweichenden Anwendung der Geschwindigkeitssignalisierung s. Abschn. 12.2.2.3. Das OSŽD-Signalsystem der osteuropäischen Bahnen Das OSŽD-Signalsystem ist das nach vereinheitlichten Grundsätzen bei den ehemaligen Mitgliedsbahnen der Organisation für Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSŽD) eingeführte Signalsystem. Es ist in Osteuropa nach wie vor stark verbreitet und wird von einigen Bahnen auch in Neuanlagen verwendet. Das OSŽD-Signalsystem war unter der Bezeichnung Hl-Signalsystem auch das Standardsignalsystem an Lichtsignalen der ehemaligen Deutschen Reichsbahn der DDR (Bezeichnung
GESCHWINDIGKEITSAUSFÜHRUNG
WARNUNG
GESCHWINDIGKEITSANKÜNDIGUNG
Hauptsignal
6
6
6
6
Vorsignal
rot
grün
Abb. 12.9 Signalbegriffe im System N
gelb
12.2 Signalisierung am Fahrweg
575
Geschwindigkeit am nächsten Signal auf Vmax
100 km/h
von
40 km/h oder 60 km/h
HALT
Geschwindigkeit im anschließenden Weichenbereich
Vmax
100 km/h
60 km/h
40 km/h
rot
grün blinkend
grün gelb
HALT
gelb blinkend
grüner Lichtstreifen gelber Lichtstreifen
Abb. 12.10 Signalbegriffe im Hl-Signalsystem
Hl abgeleitet von Hauptlichtsignalsystem). Es ist dort in Altanlagen auch heute noch in größerer Zahl vorhanden. Das OSŽD-Signalsystem kann je nach Signalabstand wahlweise als Einabschnittssignalsystem oder Zweiabschnittssignalsystem verwendet werden und verfügt über eine integrierte mehrstufige Geschwindigkeitssignalisierung. Die signalisierbaren Geschwindigkeiten weichen bei den einzelnen Bahnen geringfügig voneinander ab; Abb. 12.10 zeigt die Geschwindigkeitsstufen für das Hl-Signalsystem der ehemaligen Deutschen Reichsbahn der DDR.
12.2.2 Verwendung der Signale 12.2.2.1 Haupt- und Vorsignale Hauptsignale Hauptsignale dienen der Regelung der Zugfahrten. Sie werden an folgenden Stellen angeordnet: – wo eine Zustimmung zur Zugfahrt signalisiert werden muss, – wo durch Verwendung als fahrtbildloses Zielsignal (Hauptsignal, das für Züge einen Haltbegriff jedoch keinen Fahrtbegriff zeigen kann) am Ende eines Einfahrweges eine
576
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Beschränkung der Einfahrgeschwindigkeit vermieden werden soll.
– Bahnübergänge durch haltende Züge nicht besetzt werden.
Nach der betrieblichen Funktion werden Hauptsignale wie folgt eingeteilt: – Einfahrsignale, – Ausfahrsignale, – Zwischen- oder Gleisabschnittssignale, – Blocksignale, – Deckungssignale.
Bei zwei oder mehr Ausfahrgleisen für die gleiche Richtung wird i.d.R. für jedes Gleis ein Ausfahrsignal vor dem Zusammenlauf der Ausfahrwege aufgestellt. Wenn es die Betriebsverhältnisse erlauben, kann entsprechend den Planungsgrundsätzen der jeweiligen Bahn in bestimmten Fällen für mehrere Ausfahrgleise ein gemeinsames Ausfahrsignal – Gruppenausfahrsignal – verwendet werden (Abb. 12.11). Um eine eindeutige Signalisierung zu gewährleisten, sollen Gruppenausfahrsignale neben oder hinter dem Zusammenlauf der zugehörigen Fahrstraßen, aber vor dem Zusammenlauf dieser Fahrstraßengruppe mit anderen Fahrstraßen stehen. Die zu einem Gruppenausfahrsignal gehörenden Ausfahrgleise werden i.d.R. durch Sperrsignale (s. Abschn. 12.2.2.2) oder vereinfachte Hauptsignale (Hauptsignale, die für Zugfahrten nur einen Haltbegriff zeigen können und betrieblich abgeschaltet werden, wenn eine Zugstraße am Signal vorbeiführt) abgeschlossen. Gruppenausfahrsignale sind nur dann zu verwenden, wenn die zugehörigen Ausfahrstraßen – gleiche Stellung aller spitz befahrenen Weichen und Schutzweichen erfordern, – außerhalb der durchgehenden Hauptgleise beginnen, – vor ihrem Zusammenlauf nicht durch andere Fahrstraßen gekreuzt werden.
Einfahrsignale bilden die Grenze des Bahnhofs und signalisieren die Einfahrstraßen von der freien Strecke in den Bahnhof. Am Einfahrsignal endet der letzte vor dem Bahnhof liegende Blockabschnitt. An jedem in einen Bahnhof führenden Streckengleis, das im Regelbetrieb von Zügen befahren wird, wird ein Einfahrsignal aufgestellt. Bei Zusammenführung mehrerer Strecken sind die Einfahrsignale so anzuordnen, dass für den Triebfahrzeugführer eine zweifelsfreie Zuordnung der Signale zu den jeweiligen Streckengleisen gewährleistet ist. Ausfahrsignale signalisieren die Ausfahrstraßen auf die freie Strecke. Am Ausfahrsignal beginnt der erste auf den Bahnhof folgende Blockabschnitt. Ausfahrsignale sind nur an Gleisen erforderlich, aus denen planmäßig ausgefahren wird. Der Standort der Ausfahrsignale ist so zu wählen, dass – die längsten Züge noch vor ihnen halten können, ohne die Ein- oder Ausfahrt anderer Züge zu behindern, – die Reisezüge auch bei Halt zeigendem Ausfahrsignal an den Bahnsteig gelangen können,
Gruppenausfahrsignal für die Gleise 3 bis 5
Zwischensignale (in der Schweiz als Gleisabschnittssignale bezeichnet) dienen bei sehr langen Bahnhöfen oder bei bestimmten Spurplan-
Abb. 12.11 Gruppenausfahrsignal 5 4 3 2 1
12.2 Signalisierung am Fahrweg
577
Abb. 12.12 Zwischensignal bei aufeinander folgenden Fahrtverzweigungen im Bahnhof größte Zuglänge
fällen der Unterteilung eines Bahnhofsgleises in mehrere Abschnitte. Das ist insbesondere dann üblich, wenn innerhalb des Bahnhofs mehrere Fahrtverzweigungen aus demselben Hauptgleis aufeinander folgen (Abb. 12.12). Analog zu den bei Ausfahrsignalen beschriebenen Grundsätzen können auch Zwischensignale als Gruppensignale (Gruppenzwischensignale) angeordnet werden. Blocksignale sind Hauptsignale der freien Strecke, die die Einfahrt in einen Blockabschnitt sichern. Mit Blocksignalen sind mindestens alle Abzweig- und Überleitstellen auszurüsten. Wenn es das Leistungsverhalten der Strecke erfordert, können zur Verkürzung der Mindestzugfolgezeiten weitere Blocksignale angeordnet werden, die nur der Zugfolgeregelung dienen und keine ortsfesten Gefahrpunkte decken. An Haltepunkten und Haltestellen sollen Blocksignale in Analogie zu Ausfahrsignalen so angeordnet werden, dass Züge auch bei Halt zeigendem Blocksignal an den Bahnsteig gelangen können. Deckungssignale sind Hauptsignale der freien Strecke zur Deckung von Gefahrenstellen (z.B. bewegliche Brücken). In der Schweiz wird die Bezeichnung Deckungssignal nur dann benutzt, wenn dieses Signal nicht zugleich die Funktion eines Blocksignals hat. Für jedes Hauptsignal, welches Weichen deckt, ist ein sog. anschließender Weichenbereich festgelegt. Der anschließende Weichenbereich (in der Schweiz als die zugehörigen Weichen eines Signals bezeichnet) ist der auf das Signal folgende Bereich, in dem eine signalisierte oder bei ersatzweiser Zulassung der Zugfahrt durch einen schriftlichen Befehl geltende Geschwindigkeitsbeschränkung einzuhalten ist. Der anschließende Weichenbereich hinter Hauptsignalen für Fahrten
in ein Bahnhofsgleis (Einfahrsignale, Zwischen- bzw. Gleisabschnittssignale), endet am folgenden Hauptsignal oder am planmäßigen Halteplatz des Zuges. Der anschließende Weichenbereich hinter Hauptsignalen für Fahrten in ein Streckengleis (Ausfahrsignale, Blocksignale an Abzweig- und Überleitstellen) endet nach der letzten auf das Signal folgenden Weiche. Da eine Fehleinschätzung des anschließenden Weichenbereichs durch den Triebfahrzeugführer zu Unfällen führen kann, wenden die Bahnen unterschiedliche Verfahren an, um dem Triebfahrzeugführer die Orientierung zu erleichtern. In Österreich und der Schweiz werden für diesen Zweck in Verbindung mit Hauptsignalen besondere Kennzeichnungen verwendet. So erhält in Österreich jedes Hauptsignal eine Tafel, aus der die Funktion dieses Signal eindeutig hervorgeht. Wenn die Rolle eines Hauptsignals von der eingestellten Fahrstraße abhängt (z.B. Ausfahrsignal, das für bestimmte Fahrstraßen als Zwischensignal gilt), so sind an diesem Signal mehrere Tafeln mit entsprechenden Zuordnungspfeilen angebracht. In der Schweiz werden im Signalsystem N diejenigen Signale, auf die das Einfahrsignal eines Bahnhofs folgt, durch eine Merktafel über dem Signalschirm gekennzeichnet (weiße Raute auf schwarzem Grund). Das Einfahrsignal trägt zusätzlich eine Tafel mit dem Kurzzeichen des Bahnhofs über dem Signalschirm. An allen Fahrstraßen, die in ein Streckengleis führen, ist nach dem Ende des anschließenden Weichenbereichs die Stelle, ab der wieder die Streckengeschwindigkeit gilt, durch eine Merktafel gekennzeichnet (schwarzer, nach oben zeigender Winkel auf weißem Grund). In Deutschland ist für jede Betriebsstelle das Ende des anschließenden Weichenbereichs in den Fahrplanunterlagen des Trieb-
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Betriebsführung der Infrastruktur
fahrzeugführers angegeben. Eine streckenseitige Kennzeichnung durch Signaltafeln wird nicht vorgenommen. Vorsignale Vorsignale künden im festgelegten Vorsignalabstand den Signalbegriff des folgenden Hauptsignals an. Bei mehrabschnittsfähigen Signalsystemen ist bei kurzen Signalabständen, die den Bremsweg nicht wesentlich überschreiten, die Vorsignalisierung in die Signalanzeige des rückliegenden Hauptsignals integriert. Bei reinen Einabschnittssignalsystemen wird bei kurzen Signalabständen das Vorsignal am Standort des rückliegenden Hauptsignals aufgestellt (bei Lichtsignalen als separater Signalschirm am Mast des Hauptsignals). In folgenden Fällen kann es erforderlich sein, die Signalanzeige innerhalb des Vorsignalabstandes zu wiederholen: – wenn das Hauptsignal bei beschränkter Sicht innerhalb der erforderlichen Mindestsichtweite nicht durchgehend zu erkennen ist, – zur Verbesserung der Betriebsflüssigkeit, indem der Triebfahrzeugführer nach dem Passieren einer Haltankündung das nachträgliche Freiwerden des folgenden Hauptsignal früher aufnehmen kann. Die Verwechselung eines solchen Wiederholungssignals mit einem allein stehenden Vorsignal durch den Triebfahrzeugführer kann zu Gefährdungen führen, da hinter diesem Signal nicht mehr der volle Bremsweg zur Verfügung steht. Daher werden Signalwiederholer besonders gekennzeichnet, entweder durch zusätzliche Kennzeichen oder durch Verwendung von Signalbildern, die sich von den an Haupt- und Vorsignalen gezeigten Signalbildern unterscheiden. Bei deutschen Bahnen kommen zur Signalwiederholung Vorsignalwiederholer zur Anwendung, die nur die Vorsignalinformation des rückliegenden Signals wiederholen. Im Ks-Signalsystem zeigen Vorsignalwiederholer ein weißes Zusatzlicht, sofern ein die Fahrt
einschränkender Signalbegriff vorsignalisiert wird. In der Schweiz werden Wiederholungssignale verwendet, die nicht nur die Vorsignalinformation sondern auch eine am rückliegenden Signal signalisierte GeschwindigkeitsAusführung wiederholen, sofern diese am Standort des Wiederholungssignals noch gültig ist. Wiederholungssignale werden durch eine Merktafel über dem Signalschirm gekennzeichnet (zwei schwarze Sterne auf weißem Grund). In Österreich werden zur Signalwiederholung sog. Signalnachahmer verwendet, die die Stellung des folgenden Hauptsignals in vereinfachter Form mit weiß leuchtenden Lichtstreifen nachbilden (nicht zu verwechseln mit den in Deutschland üblichen Fahrtanzeigern am Bahnsteig, die der Zugaufsicht die Fahrtstellung des Ausfahrsignals anzeigen, die jedoch für den Triebfahrzeugführer keine Bedeutung haben). Dadurch ist eine Verwechselung mit einem allein stehenden Vorsignal ausgeschlossen. Da ein Signalnachahmer nicht die Signalanzeige eines rückliegenden Signals wiederholt, sondern die Stellung des folgenden Signals vorwegnimmt, ist auch die Darstellung des Ersatzsignals (s. Abschn. 12.2.2.3) möglich. Signalisierung verkürzter Signalabstände Auf Strecken mit sehr dichter Zugfolge kann es zur Gewährleistung einer auskömmlichen Leistungsfähigkeit erforderlich sein, Hauptsignale in einem Abstand anzuordnen, der den RegelVorsignalabstand unterschreitet. In diesem Fall ist der Bremsweg mit speziellen Signalisierungsverfahren auf mehrere Blockabschnitte zu verteilen. Dazu bestehen folgende grundsätzliche Möglichkeiten: – Vorwarnung, – doppelte Warnung, – abgestufte Geschwindigkeitssignalisierung. Die Vorwarnung läuft auf das bereits erläuterte Prinzip der Dreiabschnittssignalisierung hinaus. Dabei muss die Bedeutung des Signals, das den Haltbegriff des übernächsten Signals ankündet, so festgelegt werden, dass der Trieb-
12.2 Signalisierung am Fahrweg
579
Regelbremsweg
Blockabschnitt
Blockabschnitt
Fahrt 7
Hauptsignal
Halt erwarten
Halt erwarten mit Zusatzlicht
9
Hauptsignal
Blockabschnitt
Halt 13
11
Hauptsignal
Hauptsignal
Vorsignalisierung
Vorsignalisierung
Abb. 12.13 Signalisierung im Halbregelabstand
fahrzeugführer weiß, dass ihm ab dem nächsten Signal nicht mehr der volle Vorsignalabstand als Bremsweg zur Verfügung steht. Bei der Bestimmung der Sperrzeit entspricht daher die Annäherungsfahrzeit immer der Fahrzeit in zwei Blockabschnitten. Die Vorwarnung wird bei den betrachteten Bahnen nur in der Schweiz beim Signalsystem N angewandt. Dort erscheint als Signalbegriff zur Vorwarnung ein gelbes Signallicht zusammen mit einem gelb leuchtenden Winkel in Form eines „V“. Wiederholte Warnung bedeutet, dass der Signalbegriff „Halt erwarten“ bereits am zweiten Signal vor dem Halt zeigenden Signal gezeigt wird. Am nächsten Signal wird dieser Signalbegriff dann noch einmal wiederholt. Dabei wird zur Vermeidung von Signalverwechselungen die Wiederholung der Haltankündung für den Triebfahrzeugzeugführer besonders kenntlich gemacht. Dies setzt voraus, dass im betreffenden Signalsystem eine aktiv anschaltbare Kennzeichnung der Wiederholerfunktion möglich ist. Bei der Deutschen Bahn AG wird eine solche Signalisierung, bei der die Blockab-
schnittslänge dem halben Vorsignalabstand entspricht, als „Halbregelabstand“ bezeichnet. (Abb. 12.13). Das die Warnung wiederholende Signal zeigt das Signalbild „Halt erwarten“ mit einem weißen Zusatzlicht (gleiche Signalisierung wie bei Vorsignalwiederholern). Auf Strecken mit HV-Signalen wird zusätzlich der am gleichen Mast befindliche Hauptsignalschirm abgeschaltet und zeigt Kennlicht (weißes Licht am ansonsten dunklen Signalschirm zur Kennzeichnung eines betrieblich abgeschalteten Signals). Bei abgestufter Geschwindigkeitssignalisierung (bei der Deutschen Bahn AG auch als Mehrabschnittsbremsung mit Hochsignalisierung bezeichnet) wird der Bremsweg durch Geschwindigkeitssignalisierung auf mehrere Blockabschnitte verteilt. Nach dem Freifahren eines Blockabschnitts werden die an den rückliegenden Signalen signalisierten Geschwindigkeitsstufen nachträglich aufgewertet (hochsignalisiert). Vorsignalisiert wird jedoch immer nur über einen Abschnitt (Abb. 12.14). Die Signalabstände können dadurch sehr fle-
580
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Blockabschnitt
Fahrt
Blockabschnitt
Vmax auf Vred ermäßigen
Fahrt mit V red Halt erwarten
9
7
Hauptsignal
Hauptsignal
Blockabschnitt
11
Hauptsignal
Halt 13
Hauptsignal
Vorsignalisierung Vorsignalisierung Vorsignalisierung
Vmax max. zulässige Geschwindigkeit Vred reduzierte Geschwindigkeit Abb. 12.14 Abgestufte Geschwindigkeitssignalisierung
xibel gewählt werden. Bei sehr dichter Blockteilung, wie sie insbesondere auf Stadtschnellbahnen üblich ist, werden dabei häufig mehr als zwei Geschwindigkeitsstufen verwendet. Eine besondere Anwendung verkürzter Signalabstände stellen Nachrücksignale dar. Ein Nachrücksignal ist ein zwischen einem Einfahrsignal oder einem einen Bahnsteig deckenden Blocksignal und dem Bahnsteiganfang angeordnetes, zusätzliches Hauptsignal. Nachrücksignale werden auf Stadtschnellbahnen mit sehr dichter Zugfolge zur Reduktion der Bahnsteigwechselzeiten (Zeitspanne von der Abfahrt eines Zuges bis zur Ankunft des folgenden Zuges am gleichen Bahnsteig) angewendet. Zwischen dem Nachrücksignal und dem rückliegenden Hauptsignal besteht nur ein sehr kurzer (oft unterzuglanger) Blockabschnitt. Der Durchrutschweg hinter dem Nachrücksignal reicht i.d.R. bis in den Bereich des Bahnsteiges hinein, so dass bei einem am Bahnsteig haltenden Zug sowohl das Nachrücksignal als auch das rückliegende Hauptsignal einen Haltbegriff zeigen (Abb. 12.15). Wenn ein ausfahrender Zug die Signalzugschlussstelle des Nachrücksignals geräumt hat, kann das rückliegende Hauptsignal bereits
wieder auf Fahrt gestellt werden. Ein folgender Zug kann damit bereits nachrücken, bevor das Bahnsteiggleis vollständig geräumt ist. Da ein ausfahrender Zug normalerweise nicht stehen bleibt, wird das Nachrücksignal so zeitig freigegeben, dass ein folgender Zug am Nachrücksignal rechtzeitig einen Fahrtbegriff erhält. Ein Halt vor dem Nachrücksignal tritt nur ein, falls der voraus gefahrene Zug während der Ausfahrt plötzlich bremst (z.B. beim Ziehen der Notbremse). Betrieblich gelten Nachrücksignale in Bahnhöfen als Zwischensignale (Gleisabschnittssignale), ansonsten als Blocksignale. Mitunter werden auf dicht befahrenen Stadtschnellbahnen auch mehrere Nachrücksignale angeordnet. 12.2.2.2 Schutz- und Rangiersignale Unter dem Oberbegriff Schutz- und Rangiersignale werden hier alle ortsfesten Signale zusammengefasst, die zur Regelung des Rangierbetriebes und zum Decken von Gefahrpunkten, an denen ein Hauptsignal nicht erforderlich ist, verwendet werden. Die Klassifizierung und Einordnung dieser Signale weicht in den Signalvorschriften der einzelnen Bah-
12.2 Signalisierung am Fahrweg
Einfahrsignal
581
Ausfahrsignal
Nachrücksignal
SZS - Signalzugschlussstelle Bahnsteig
SZS Freigabe des Einfahrsignals D-Weg
SZS
Freigabe des Nachrücksignals D-Weg
Abb. 12.15 Nachrücksignal
nen teilweise stark voneinander ab. Daher wird hier eine neutrale Klassifizierung vorgenommen, die sich nicht mit der Terminologie aller betrachteten Bahnen deckt. Es wird dann aber auch jeweils auf die Bezeichnungen und Realisierungsformen bei den einzelnen Bahnen eingegangen. Sperr- und Rangierhaltsignale Sperr- und Rangierhaltsignale werden dort angeordnet, wo ein Haltbegriff für Zug- oder Rangierfahrten und die Aufhebung eines Fahrverbots, jedoch keine Zustimmung zur Zugfahrt signalisiert werden muss, sofern für diesen Zweck kein fahrtbildloses Hauptsignal vorgeschrieben ist. Sperr- und Rangierhaltsignale sind meist als niedrig stehende Signale ausge-
führt und haben eine geringere Mindestsichtweite als Haupt- und Vorsignale. Sperrsignale können einen Haltbegriff für Züge und Rangierfahrten signalisieren. Die Signalisierung der Aufhebung des Fahrverbots an einem Sperrsignal gilt als Zustimmung zur Rangierfahrt. Da der Haltbegriff eines Sperrsignals auch für Züge gilt, müssen Sperrsignale die Aufhebung des Fahrverbots nicht nur als Zustimmung zur Rangierfahrt sondern auch dann anzeigen, wenn eine an einem rückliegenden Hauptsignale beginnende Zugfahrt am Sperrsignal vorbei führt (Abb. 12.16). Sperrsignale werden in folgenden Fällen verwendet: – als Flankenschutzeinrichtung mit Schutzwirkung gegen Zug- und Rangierfahrten,
Ausfahrsignal
Einfahrsignal
Sperrsignale, die bei einer Einfahrstraße die Aufhebung eines Fahrverbots anzeigen müssen Abb. 12.16 Sperrsignal am Fahrweg einer Zugfahrt
582
12
Betriebsführung der Infrastruktur
– zum Abschluss der zugehörigen Gleise eines Gruppensignals, – zur Begrenzung des Einfahrweges eines Zuges, sofern für diesen Zweck kein fahrtbildloses Hauptsignal vorgeschrieben ist, – zur Unterteilung eines Bahnsteiggleises in mehrere Gleisabschnitte, in die nacheinander mit Zügen eingefahren werden kann, sofern für diesen Zweck kein Hauptsignal vorhanden ist, – an Stellen, wo regelmäßig eine Zustimmung zur Rangierfahrt signalisiert wird, sofern bei der betreffenden Bahn für diesen Zweck keine Rangierhaltsignale angewendet werden. Rangierhaltsignale signalisieren einen Haltbegriff, der nur für Rangierfahrten gilt. Sie brauchen daher nicht auf Fahrt gestellt zu werden, wenn eine Zugfahrt am Signal vorbeiführt. Der Fahrtbegriff am Rangierhaltsignal dient ausschließlich als Zustimmung zur Rangierfahrt. Rangierhaltsignale werden in folgenden Fällen verwendet: – als Flankenschutzeinrichtung mit Schutzwirkung ausschließlich gegen Rangierfahrten, – an Stellen, wo regelmäßig eine Zustimmung zur Rangierfahrt signalisiert wird. Bei deutschen Eisenbahnen kommen in Neuanlagen ausschließlich Sperrsignale in der Ausführung als Lichtsperrsignal zur Anwendung. Auf die nur noch in Altanlagen anzutreffenden Rangierhaltsignale (im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn als Wartezeichen bezeichnet) wird hier nicht mehr eingegangen. Lichtsperrsignale zeigen in Haltstellung entweder ein rotes Licht oder zwei rote Lichter waagerecht nebeneinander. Bei Aufhebung des Fahrverbots erscheinen zwei weiße, nach rechts steigende Lichter. Der Fahrtbegriff eines Lichtsperrsignals wird auch an Hauptsignalen gezeigt, um einer Rangierfahrt die Zustimmung zur Vorbeifahrt am Halt zeigenden Hauptsignal zu erteilen. Im Unterschied zu einem reinen Sperrsignal erscheint
an einem Hauptsignal die Aufhebung des Fahrverbots zusammen mit dem Haltbegriff, da das Haltgebot für Züge bestehen bleibt. In Österreich werden Sperrsignale im hier verwendeten Sinne als Schutzsignale bezeichnet. Diese Schutzsignale, die i.d.R. wie Hauptsignale mit hohem Mast ausgeführt sind, zeigen in Haltstellung ein rotes Licht und bei Aufhebung des Fahrverbots zwei weiße Lichter senkrecht übereinander. Schutzsignale werden nur dort angeordnet, wo ein Haltbegriff für Zugfahrten erforderlich ist. Zur reinen Regelung des Rangierbetriebes dienen Verschubsignale, deren Haltbegriff nur für Verschubfahrten gilt. Verschubsignale zeigen in Haltstellung zwei weiße Lichter nebeneinander und in Fahrtstellung zwei weiße Lichter nach rechts steigend. Verschubsignale am Mast eines Hauptsignals zeigen keinen Haltbegriff. In der Schweiz kommen in Neuanlagen nur noch sog. Zwergsignale zu Anwendung, die im hier verwendeten Sinne die Funktion von Sperrsignalen haben. Im Unterschied zur Signalisierung in Deutschland und Österreich sind die schweizerischen Zwergsignale dreibegriffig mit folgenden Signalbegriffen: zwei weiße Lichter waagerecht nebeneinander „Halt“ zwei weiße Lichter nach links steigend „Fahrt mit Vorsicht“ zwei weiße Lichter senkrecht übereinander „Fahrt“ „Fahrt mit Vorsicht“ bedeutet, dass unmittelbar nach dem Zwergsignal mit einem Hindernis gerechnet werden muss (z.B. einem Halt zeigenden Signal). Bei „Fahrt“ zeigt das nächste Zwergsignal „Fahrt“ oder „Fahrt mit Vorsicht“. Zwergsignale, an denen eine Zugfahrt vorbeiführt, zeigen „Fahrt“, das letzte Zwergsignal vor einem Halt zeigenden Hauptsignal zeigt auch für Züge „Fahrt mit Vorsicht“. Bei Ausfahrten auf die Strecke zeigt das letzte Zwergsignal für Zugfahrten „Fahrt“ und für Rangierfahrten auf die Strecke „Fahrt mit Vorsicht“. Wenn ein Zwergsignal in Höhe der Weichenmitte neben einer Weiche aufgestellt ist,
12.2 Signalisierung am Fahrweg
583
haben Fahrten, denen dieses Zwergsignal in spitz befahrener Richtung Halt gebietet, bereits vor den Weichenzungen anzuhalten. Zwergsignale werden auch am Standort eines Hauptsignals als separates, niedrig stehendes Signal ausgeführt und nicht in die Anzeige am Signalmast des Hauptsignals integriert.
Einige Bahnen rüsten auch Weichen mit beweglichen Herzstückspitzen mit Weichensignalen aus. Weichensignale können ausgeführt sein als: – mechanisch drehbare Laternen oder Scheiben, – Weichensignale in Lichtsignalausführung.
Haltsignale zum Decken von unbefahrbaren Stellen im Gleis Haltsignale zum Decken unbefahrbarer Stellen im Gleis werden in folgenden Fällen verwendet: – zum Abriegeln vorübergehend unbefahrbarer Gleisabschnitte, z.B. bei Bauarbeiten, – zum behelfsweisen Decken eines Zuges oder Zugteiles bei Einfahrt in ein teilweise besetztes Gleis, wenn ein Haupt- oder Sperrsignal nicht zur Verfügung steht, – zum Herstellen eines provisorischen Haltsignals bei außerplanmäßiger Einfahrt in ein Gleis, in dem kein Zielsignal zur Verfügung steht, – an Gleisabschlüssen.
Weichensignale in Lichtsignalausführung werden bei elektrisch ortsgestellten Weichen verwendet. Diese zeigen neben der Stellung der Weiche auch die überwachte Endlage an. Gleissperren (Sperrschuhe, Entgleisungsvorrichtungen, Entgleisungsweichen) werden wegen des Gefährdungspotenzials auch in Neuanlagen häufig mit einer drehbaren Laterne oder Scheibe ausgerüstet. Davon kann lediglich abgesehen werden, wenn sichergestellt ist, dass alle Rangierfahrten über die Gleissperre auf verschlossenen Fahrstraßen stattfinden, bei denen sich die Gleissperre in Abhängigkeit vom freigebenden Signal befindet.
Zum Abriegeln unbefahrbarer Gleisabschnitte und zum ersatzweisen Herstellen eines Haltsignals wird in Deutschland und Österreich eine Haltscheibe in Form einer rechteckigen roten Tafel mit weißem Rand verwendet. In der Schweiz besteht das analoge Signalbild aus einer runden roten Scheibe mit einem nach rechts steigenden weißen Streifen. Als Nachtzeichen verwenden alle Bahnen ein rotes Licht. Gleisabschlüsse werden bei den betrachteten Bahnen mit unterschiedlichen Signaltafeln oder -laternen gekennzeichnet. Dabei wird teilweise unterschieden, ob der Gleisabschluss als Ziel einer Zugfahrt fungiert oder nicht. Signale an Weichen und Gleissperren Die Anzeige der Weichenstellung durch Weichensignale ist in folgenden Fällen zwingend erforderlich: – bei ortsgestellten Weichen, – bei ferngestellten Weichen im Bereichen, wo ohne Fahrstraßensicherung rangiert wird.
Rangierhalttafel Die Rangierhalttafel (in Österreich als Verschubhalttafel bezeichnet) kennzeichnet die Stelle, bis zu der an einem an einen Bahnhof anschließenden, in Einfahrrichtung befahrenen Streckengleis in Richtung der freien Strecke rangiert werden darf (Abb. 12.17). Die Rangierhalttafel steht in einem festgelegten Gefahrpunktabstand hinter dem Einfahrsignal. Auf deutschen Eisenbahnen wird die Rangierhalttafel auf zweigleisigen Strecken i.d.R. nur am Einfahrgleis aufgestellt, auch auf Strecken mit Zweirichtungsbetrieb (Ausnahmen möglich). Auf dem Ausfahrgleis darf beim Rangieren im erforderlichen Maß ausgezogen werden, solange keine Zugfahrt auf dem Gegengleis stattfindet. Die Grenze, bis zu der rangiert werden darf, wenn sich eine Zugfahrt auf dem Gegengleis nähert, ist in örtlichen Unterlagen festgelegt. In Österreich wird auf zweigleisigen Strecken mit Zweirichtungsbetrieb an beiden Streckengleisen eine Verschubhalttafel aufgestellt. In der Schweiz werden wegen der abweichenden Regeln für Ran-
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12
Betriebsführung der Infrastruktur
Bahnhofsbereich Rangiergrenze
Rangierhalttafel
Rangiergrenze
Abb. 12.17 Rangierhalttafel
gierfahrten keine Rangierhalttafeln verwendet. Stattdessen können jedoch Bahnhofsanfangund Bahnhofsendtafeln aufgestellt sein, die die Grenze markieren, ab der für Rangierfahrten die Regeln der Strecke gelten. Grenzzeichen und Isolierzeichen Das Grenzzeichen (in Österreich als Grenzmarke, in der Schweiz als Sicherheitszeichen bezeichnet) kennzeichnet bei zusammenlaufenden Gleisen an Weichen, Kreuzungen und Gleisverschlingungen die Stelle, bis zu der ein Gleis besetzt werden darf, ohne Fahrten auf dem anderen Gleis zu behindern. In Deutschland und der Schweiz ergibt sich die Lage des Grenz- bzw. Sicherheitszeichens rein aus der Gleisgeometrie. In Österreich wird in den Fällen, wo in Gleisen ohne Gleisfreimeldeanlage auf die betreffende Weiche eine Fahrstraßenzugschlussstelle folgt, die Grenzmarke an der Fahrstraßenzugschlussstelle angeordnet. Wenn die Lage der Fahrstraßenzugschlussstellen in beiden Weichensträngen differiert, werden an beiden Gleisen getrennte Grenzmarken vorgesehen. In den Fällen, in denen sich die Grenzmarke durch die Anordnung an der Fahrstraßenzugschlussstelle an einer Stelle befindet, die nicht mehr mit der beim Verschub einzuhaltenen Grenze der Gleisbesetzung übereinstimmt, wird an letzterer Stelle zusätzlich eine sog. Verschubgrenzmarke angeordnet.
Das Isolierzeichen kennzeichnet die Grenze einer Gleisfreimeldeanlage, durch deren Besetzen die Bedienung von Sicherungsanlagen (z.B. das Umstellen von Weichen) verhindert wird. Isolierzeichen werden nur angeordnet, wenn dafür ein betriebliches Bedürfnis besteht und die Grenze der Gleisfreimeldeanlage nicht anderweitig (z.B. durch gelb gestrichene Gleisanschlusskästen) zu erkennen ist. 12.2.2.3 Wichtige Zusatzsignale Zusatzsignale ersetzen einen schriftlichen Befehl oder ergänzen die Signalanzeige eines Haupt- oder Vorsignals. Zusatzsignale zur Signalisierung von Geschwindigkeiten Die Signalisierung unterschiedlicher Geschwindigkeiten als Ergänzung der Signalanzeige eines Haupt- oder Vorsignals wird in folgenden Fällen vorgesehen: – wenn im anschließenden Weichenbereich eine ständige Geschwindigkeitsbeschränkung besteht, – wenn fahrstraßenabhängig unterschiedliche Geschwindigkeiten zugelassen sind, – wenn aus einem Bahnhofsgleis wegen Befahrens von Mittelweichen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausgefahren werden muss,
12.2 Signalisierung am Fahrweg
– zur abgestuften Geschwindigkeitssignalisierung bei verkürzten Signalabständen, – bei der Einfahrt in Stumpfgleise und Gleise mit verkürztem oder teilweise besetztem Einfahrweg (nicht bei allen Bahnen üblich, siehe weiter unten folgenden Abschnitt zu Zusatzsignalen zur Signalisierung restriktiver Bahnhofseinfahrten). Zur Signalisierung der Geschwindigkeiten gibt es drei grundsätzliche Prinzipien: (1) Für jede Geschwindigkeitsstufe wird sowohl eine Geschwindigkeits-Ankündigung als auch eine Geschwindigkeits-Ausführung signalisiert. (2) Auf die Signalisierung der Geschwindigkeits-Ankündigung wird bei Mehrabschnittssignalen verzichtet, wenn die Geschwindigkeit des Zuges nicht weiter herabzusetzen ist. Teilweise wird auch auf die Ankündigung einer nur geringfügigen Geschwindigkeitsverringerung verzichtet. (3) Wie (2), zusätzlich wird auf die Signalisierung der Geschwindigkeits-Ausführung verzichtet, wenn ab dem betreffenden Signal die Geschwindigkeit gegenüber der am rückliegenden Signal signalisierten Geschwindigkeits-Ankündigung weiter reduziert werden muss. Das Verfahren nach (1) ist bei Geschwindigkeitssignalisierung durch Zusatzsignale unüblich, da es zu einer unnötigen Vermehrung der anzuzeigenden Geschwindigkeitsziffern führen würde. Es ist jedoch bei einigen Signalsystemen mit integrierter Geschwindigkeitssignalisierung zu finden, besonders ausgeprägt beim OSŽD-Signalsystem. Auch das deutsche HVSignalsystem, das österreichische Signalsystem und schweizerische Signalsystem L sind grundsätzlich diesem Verfahren zuzuordnen. Das Verfahren nach (2) wird beim deutschen Ks-Signalsystem verwendet, allerdings nur in den Fällen, in denen die an einem Mehrabschnittssignal signalisierte Geschwindigkeitsbeschränkung bis zum nächsten Hauptsignal gilt. Dies betrifft nach den Regeln des anschlie-
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ßenden Weichenbereichs (s. Abschn. 12.2.2.1) alle Einfahr- und Zwischensignale, während an Ausfahr- und Blocksignalen nach dem Verlassen der letzten auf das Signal folgenden Weiche wieder beschleunigt werden darf. Daher wird an Ausfahr- und Blocksignalen, wenn diese bei einem folgenden kurzen Blockabschnitt als Mehrabschnittssignal ausgeführt sind, für eine am nächsten Signal angezeigte Geschwindigkeitsbeschränkung auch dann eine Voranzeige signalisiert, wenn die Geschwindigkeit nicht weiter herabzusetzen ist. Die ab einem Signal geltende Geschwindigkeit wird mit weiß leuchtenden Ziffern und die Voranzeige mit gelb leuchtenden Ziffern dargestellt. Geschwindigkeitsanzeiger und Geschwindigkeitsvoranzeiger können auch allein stehend angeordnet werden, z.B. zur abgestuften Aufwertung der Geschwindigkeit in langen Weichenbereichen. Allein stehende Geschwindigkeitsanzeiger und Geschwindigkeitsvoranzeiger sind auch bei HV-Signalen sowie im ÖBB-Signalsystem möglich. Das Verfahren nach (3) kommt beim schweizerischen Signalsystem N zur Anwendung. Dabei kann an einem Signal immer nur eine Geschwindigkeitsziffer gezeigt werden, die je nachdem, ob sie zusammen mit einem grünen oder mit einem gelben Signallicht erscheint, als Geschwindigkeits-Ausführung oder Geschwindigkeits-Ankündigung gilt. Die Stelle, ab der auf der freien Strecke nach einer signalisierten Geschwindigkeits-Ausführung wieder die Streckengeschwindigkeit gilt, wird dem Triebfahrzeugführer durch eine Merktafel angezeigt. Fehlt diese Tafel, gilt eine signalisierte Geschwindigkeitsausführung immer bis zum nächsten Signal. Dem Vorteil, dass der Triebfahrzeugführer eine geringere Informationsmenge aufzunehmen hat, steht eine geringere Flexibilität in der Anwendung gegenüber, da die Geschwindigkeitsanzeige nur zusammen mit einem Haupt- oder Vorsignal gezeigt werden kann. Allein stehende Geschwindigkeitsanzeiger sind nicht möglich.
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Betriebsführung der Infrastruktur
Zusatzsignale zur Signalisierung der Fahrtrichtung Eine Signalisierung der Fahrtrichtung kann vorgesehen werden, wenn auf ein Hauptsignal Streckenverzweigungen folgen und am Signalbild des Hauptsignals nicht zu erkennen ist, in welche Richtung die Fahrstraße führt. Diese, für die Führung des Zuges an sich unnötige Information soll es dem Triebfahrzeugführer ermöglichen, im Falle einer Fehlleitung durch Fehler der Fahrdienstleitung oder Fehlfunktion der Zuglenkung den Zug anzuhalten. Eine solche Signalisierung wird jedoch i.d.R. nur dort angewendet, wo durch Fehlleitungen von Zügen Betriebsgefährdungen oder erhebliche Betriebsbehinderungen entstehen können. Dies ist insbesondere in folgenden Fällen gegeben: – bei Überleitung einer elektrifizierten in eine nicht elektrifizierte Strecke, – bei Überleitung in eine Strecke mit eingeschränktem Lichtraumprofil (z.B. S-Bahn), – bei Überleitung in eine Strecke mit einer niedrigeren zulässigen Geschwindigkeit, – bei Überleitung in eine Strecke mit technisch nicht gesicherten Bahnübergängen oder Bahnübergängen mit besonderen Einschaltkrititerien. Als Zusatzsignale zur Signalisierung der Fahrtrichtung kommen bei allen betrachteten Bahnen weiß leuchtende Kennbuchstaben zur Anwendung. In Deutschland und Österreich wird in bestimmten Fällen (Durchfahrwege mit höheren Geschwindigkeiten) eine Voranzeige in Form eines gelb leuchtenden Buchstabens vorgesehen. In der Schweiz werden Richtungsanzeiger nur in Verbindung mit Hauptsignalen des Signalsystems L verwendet. Im Signalsystem N wird auf die Richtungssignalisierung vollständig verzichtet. In Deutschland werden Richtungsanzeiger bei Parallelführung mehrerer, alternativ nutzbarer eingleisiger Strecken auch dazu benutzt, dem Triebfahrzeugführer anzuzeigen, in welches Streckengleis die Fahrstraße führt.
Zusatzsignale zur ersatzweisen Erteilung der Zustimmung zur Zugfahrt Zusatzsignale zur ersatzweisen Erteilung der Zustimmung zur Zugfahrt ersetzen den schriftlichen Befehl des Fahrdienstleiters zur Vorbeifahrt an einem Halt zeigenden oder gestörten Hauptsignal. Sie dienen durch Einsparung des Zeitbedarfs für das Ausstellung und Übermitteln eines schriftlichen Befehls der Betriebsbeschleunigung bei Störungen und Abweichungen vom Regelbetrieb. Solche Zusatzsignale werden in zwei Ausführungen verwendet: (1) Zusatzsignale, die den Auftrag zur Vorbeifahrt am Halt zeigenden oder gestörten Hauptsignal erteilen und nach dem Passieren des anschließenden Weichenbereichs die Weiterfahrt mit der im Fahrplan festgelegten zulässigen Geschwindigkeit gestatten, (2) Zusatzsignale, die den Auftrag zur Vorbeifahrt am Halt zeigenden oder gestörten Hauptsignal erteilen und anschließend das Fahren auf Sicht bis zum nächsten Hauptsignal vorschreiben. In beiden Fällen hat der Fahrdienstleiter sicherzustellen, dass der Fahrweg des Zuges gesichert ist. Das Zusatzsignal nach (1) wird in Deutschland und Österreich als Ersatzsignal bezeichnet, in der Schweiz existiert ein solches Signal nicht. Es wird bei beiden Bahnen durch ein weißes Blinklicht dargestellt, in Deutschland gibt es im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn in Anlagen mit HV-Signalen das Ersatzsignal auch in Form von drei weißen Lichtern in Form eines „A“. Die Anwendung des Ersatzsignals setzt voraus, dass der Fahrdienstleiter zusätzlich zur Fahrwegsicherung feststellen kann, dass der zu befahrene Gleisabschnitt frei ist. Dies ist in zentralisierten Steuerbereichen immer seltener möglich, weshalb das Ersatzsignal zunehmend an Bedeutung verliert. Das Zusatzsignal nach (2) wird überall dort angewandt, wo das Freisein eines Gleisabschnitts nicht festgestellt werden kann. Ein solches Signal wird in Deutschland und Öster-
12.2 Signalisierung am Fahrweg
reich als Vorsichtsignal und in der Schweiz als Hilfssignal bezeichnet. Das zugehörige Signalbild besteht in Deutschland aus drei gelben Lichtern in Form eines „V“, in Österreich aus einem roten Blinklicht (zusätzlich zum roten Signallicht des Hauptsignals), in der Schweiz im Signalsystem L aus einem nach rechts steigenden gelben Lichtstreifen und im Signalsystem N aus einem roten Blinklicht durch Blinken des roten Signallichtes des Hauptsignals. Zusatzsignale zur Signalisierung restriktiver Bahnhofseinfahrten Unter restriktiven Bahnhofseinfahrten werden hier durch Hauptsignal zugelassene Einfahrten in Bahnhofsgleise verstanden, die auch im Regelbetrieb eine besondere Vorsicht erfordern. Dazu zählen: – Einfahrten in Stumpfgleise und andere Gleise ohne Durchrutschweg, – Einfahrten mit verkürztem Einfahrweg, dazu zählen auch Einfahrten in teilweise besetzte Bahnhofsgleise, bei denen der besetzte Teil des Gleises durch ein Haltsignal gesichert ist, – Einfahrten in teilweise besetzte Bahnhofsgleise ohne Sicherung durch ein Haltsignal. Die dafür üblichen Signalisierungsgrundsätze weichen bei den einzelnen Bahnen stark voneinander an. Bei der Deutschen Bahn AG gibt es dabei auch Unterschiede zwischen den Bereichen der ehemaligen Deutschen Bundesbahn und der ehemaligen Deutschen Reichsbahn. Im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn wird bei Einfahrten in Stumpfgleise und Gleise ohne Durchrutschweg durch Geschwindigkeitsanzeiger eine Einfahrgeschwindigkeit von 30 km/h signalisiert. Bei Einfahrten in teilweise besetzte Gleise, bei denen der bereits im Bahnhofsgleis befindliche Zug- oder Zugteil durch ein Haltsignal gedeckt wird, wird eine Einfahrgeschwindigkeit von 20 km/h signalisiert. Als Zugdeckungssignal für den besetzten Teil des Bahnhofsgleises wird i.d.R. ein Sperrsignal verwendet (s. Abschn. 12.2.2.2), das in Grundstellung,
587
auch bei besetztem Bahnhofsgleis, betrieblich abgeschaltet ist (dunkler Signalschirm mit einem weißen Kennlicht) und nur dann einen Haltbegriff zeigt, wenn es als Zielsignal einer Einfahrstraße bedient wird. Im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn werden Einfahrten in Stumpfgleise und Gleise mit verkürztem Einfahrweg durch ein besonderes Zusatzsignal, den Stumpfgleis- und Frühhaltanzeiger (nach links umgelegtes, gelb leuchtendes „T“), signalisiert. Als Zugdeckungssignal für teilweise besetzte Bahnhofsgleise kommt i.d.R. ein fahrtbildloses Hauptsignal zur Anwendung. Dieses zeigt in Grundstellung Halt und wird betrieblich abgeschaltet, wenn eine Zugfahrt am Signal vorbeiführt. Es ist vorgesehen, den Stumpfgleis- und Frühhaltanzeiger künftig im Gesamtbereich der Deutschen Bahn AG anzuwenden. In Österreich wird bei verkürztem Einfahrweg eine Einfahrgeschwindigkeit von 20 km/ h oder 30 km/h signalisiert. Als Zugdeckungssignal für den besetzten Teil des Bahnhofsgleises wird i.d.R. ein Schutzsignal verwendet (s. Abschn. 12.2.2.2). Bei Einfahrten in Stumpfgleise ohne gleichzeitige Verkürzung des Einfahrweges gilt eine Einfahrgeschwindigkeit von 40 km/h. Einfahrten in teilweise besetzte Gleise ohne Deckung des besetzten Teils durch ein Haltsignal sind in Deutschland und Österreich unzulässig. In der Schweiz werden im Signalsystem N Einfahrten mit verkürztem Einfahrweg durch das Zusatzsignal Kurze Fahrt (waagerechter, gelb blinkender Lichtstreifen) signalisiert. Im Signalsystem L wird Kurze Fahrt nicht durch ein Zusatzsignal sondern einen besonderen Hauptsignalbegriff (gelb über gelb) signalisiert. Der besetzte Teil des Bahnhofsgleises ist dabei immer durch ein Hauptsignal gedeckt. Im Unterschied zu Deutschland und Österreich können in der Schweiz auch Einfahrten in teilweise besetzte Bahnhofsgleise ohne Deckung des besetzten Teils durch ein Haltsignal signalisiert werden. In diesem Fall erscheint am Einfahrsignal als Zusatzsignal das Besetztsignal (waagerechter gelber Licht-
588
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Tabelle 12.2 Verfahren zur Signalisierung restriktiver Bahnhofseinfahrten Bahnunternehmen
Einfahrt in Gleis mit verkürztem Einfahrweg
besetztes Gleis
Stumpfgleis
DB West
20 km/h
–
30 km/h
DB Ost
40 km/h + Stumpfgleis- und Frühhaltanzeiger
–
40 km/h + Stumpfgleisund Frühhaltanzeiger
ÖBB
20 km/h oder 30 km/h
–
40 km/h
SBB
Zusatzsignal für kurze Fahrt
Besetztsignal
40 km/h
streifen). Mindestens 200 m vor dem Gleisabschnitt, der besetzt sein kann, wird durch ein Zwergsignal „Fahrt mit Vorsicht“ signalisiert (s. Abschn. 12.2.2.2). Alle folgenden Zwergsignale bis zum besetzten Abschnitt zeigen ebenfalls „Fahrt mit Vorsicht“. Bei Einfahrten in Stumpfgleise ohne gleichzeitige Verkürzung des Einfahrweges gilt wie in Österreich eine Einfahrgeschwindigkeit von 40 km/h. Tabelle 12.2 gibt einen Überblick über die Verfahren zur Signalisierung restriktiver Bahnhofseinfahrten. Zusatzsignale für Fahrten gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung Die betrieblichen Regeln für Fahrten gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung differieren bei den betrachteten Bahnen erheblich, so dass hier auf Einzelheiten nicht eingegangen werden kann. Zusatzsignale, die dem Triebfahrzeugführer anzeigen, dass der Fahrweg in das Gegengleis einer zweigleisigen Strecke führt, gibt es nur in Deutschland. Wenn Züge mit Hauptsignal in das Gegengleis eingelassen werden, erscheint zusammen mit dem Fahrtbegriff des Hauptsignals ein nach links steigender, weiß leuchtender Lichtstreifen. An Hauptsignalen, an denen alle Fahrstraßen ins Gegengleis führen (z.B. während Bauarbeiten), kann dieses Zusatzsignal auch als Signaltafel ausgeführt sein. Wenn Züge ohne Fahrtbegriff am Hauptsignal in das Gegengleis eingelassen werden, kann dieses Zusatzsignal im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn zusammen mit dem Ersatzsignal gezeigt werden. Im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn wird stattdessen
zur Fahrt ins Gegengleis eine besondere Form des Ersatzsignals verwendet, das aus einem nach links steigenden, weiß blinkenden Lichtstreifen besteht. 12.2.2.4 Signalisierung der zulässigen Geschwindigkeit der Strecke Die Signalisierung der zulässigen Geschwindigkeit der Strecke erfolgt bei allen betrachteten Bahnen durch Signaltafeln unterschiedlicher Ausführung. Dabei sind drei Verfahren zu unterscheiden: (1) Die zulässige Geschwindigkeit der Strecke wird mit allen Geschwindigkeitswechseln durchgehend signalisiert. (2) Es werden nur Anfang und Ende von Gleisabschnitten mit verminderter Geschwindigkeit signalisiert („ständige Langsamfahrstellen“). (3) Es werden nur Geschwindigkeitswechsel mit Verminderung der zulässigen Geschwindigkeit signalisiert (und i.d.R. erst ab einer bestimmten Größe des Geschwindigkeitswechsels). In Deutschland kommt im Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn das Verfahren nach (1) zur Anwendung. Im Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn ist während einer Übergangszeit noch das Verfahren nach (3) zugelassen. Schrittweise soll das Verfahren nach (1) im Gesamtnetz der Deutschen Bahn AG eingeführt werden. In Österreich wird nur das Verfahren nach (1) verwendet. In der Schweiz sind alternativ die Verfahren nach (1)
12.3 Flankenschutz der Fahrwege
und (2) möglich. In Zusammenhang mit der Einführung elektronischer Fahrplanunterlagen für Triebfahrzeugführer geht die Entwicklung bei den meisten Bahnen in Richtung des Verfahrens (1), um eine Informationsredundanz für Anzeigefehler der elektronischen Systeme zu schaffen.
12.3 Flankenschutz der Fahrwege Flankenschutzmaßnahmen sollen verhindern, dass Fahrzeuge von einmündenden oder kreuzenden Gleisen in den freigegebenen Fahrweg eines Zuges gelangen können. Flankenschutzmaßnahmen lassen sich in zwei grundsätzliche Kategorien einteilen: – mittelbarer Flankenschutz, das ist Flankenschutz, der nur durch betriebliche Anordnungen bewirkt wird, – unmittelbarer Flankenschutz, das ist Flankenschutz, der durch technische Einrichtungen (Flankenschutzeinrichtungen) bewirkt wird. Betriebliche Anordnungen zur Gewährung unmittelbaren Flankenschutzes sind Rangierund Abstellverbote. Der mittelbare Flankenschutz sollte bei zentralisierter Betriebssteuerung nur noch in Ausnahmefällen angewandt werden, und dann auch nur in Gleisen, wo das Rangier- oder Abstellverbot ständig besteht und nicht für jede Zugfahrt besonders angeordnet werden muss. Der unmittelbare Flankenschutz kann durch Schutzweichen, Gleissperren (Sperrschuhe, Entgleisungsvorrichtungen) oder durch Halt zeigende Signale bewirkt
Bahnhof
589
werden. Die wirksamste Flankenschutzeinrichtung ist die Schutzweiche. Beim Einstellen einer Zugstraße werden in der Gleistopologie vorhandene Weichen, die dieser Fahrstraße Flankenschutz bieten können, i.d.R. als Schutzweichen benutzt. Neben diesen ohnehin vorhandenen Weichen gibt es aber auch „reine“ Schutzweichen, die nur zum Zwecke des Flankenschutzes eingebaut und nicht als Fahrwegweichen für andere Fahrten benötigt werden. Wegen der hohen Kosten wird diese Maßnahme jedoch auf wenige, besonders schutzwürdige Punkte im Gleisnetz beschränkt. Dazu gehören insbesondere: – Stellen, wo ein Gleis, auf dem rangiert werden darf oder Fahrzeuge abgestellt werden dürfen, in ein mit sehr hoher Geschwindigkeit befahrenes Gleis einmündet, – Stellen, wo der Schutz gegen unbeabsichtigt ablaufende Wagen nicht auf andere Weise bewirkt werden kann. In Deutschland fordert der Gesetzgeber, dass in Bahnhöfen und Anschlussstellen der Flankenschutz für Gleise, die mit mehr als 160 km/ h befahren werden dürfen, durch Schutzweichen bewirkt werden muss. An Abzweig- und Überleitstellen wird demgegenüber unabhängig von der Geschwindigkeit pauschal auf Schutzweichen verzichtet, da an diesen Stellen nicht rangiert werden darf und keine Fahrzeuge abgestellt werden dürfen und das von Zugfahrten ausgehende Flankenfahrtrisiko durch Fahrstraßenausschlüsse, Durchrutschwege und Zugbeeinflussung gering ist. Abbildung 12.18 zeigt eine charakteristische Anordnung von Schutzweichen auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke.
Anschlussstelle
Abzweigstelle
Abb. 12.18 Charakteristische Anwendung von Schutzweichen auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke
590
12
Betriebsführung der Infrastruktur
Gleissperren (Sperrschuhe, Entgleisungsvorrichtungen) werden als Flankenschutzeinrichtung vorgesehen, wenn Schutz vor unbeabsichtigt ablaufenden Wagen erforderlich, jedoch eine Schutzweiche nicht vorgeschrieben ist. Dies ist meist dort der Fall, wo ein Nebengleis, auf dem regelmäßig Fahrzeuge abgestellt werden, in ein Hauptgleis einmündet. In Hauptgleisen sind Gleissperren nicht zulässig. Halt zeigende Signale sind als Flankenschutzeinrichtung auskömmlich, wenn auf dem einmündenden Gleis kein starker Rangierverkehr herrscht und nicht regelmäßig Fahrzeuge abgestellt werden. Dies ist an Abzweig- und Überleitstellen immer gegeben. In Bahnhöfen ist bei einmündenden Hauptgleisen die Frage, ob Flankenschutz durch ein Halt zeigendes Signal ausreichend oder eine Schutzweiche erforderlich ist, häufig nicht pauschal zu beantworten. Das Flankenfahrtrisiko hängt im Einzelfall von folgenden Einflussgrößen ab: – Art und Anzahl der Züge auf dem zu schützenden und dem einmündenden Fahrweg, – zulässige Geschwindigkeiten der Züge, – Anzahl der Rangierfahrten und Abstellvorgänge auf dem einmündenden Fahrweg, – Vorhandensein von Sicherungseinrichtungen, die das Flankenfahrtrisiko reduzieren (Zugbeeinflussung, Gleisfreimeldeanlagen), – örtliche Besonderheiten, die die Unfallschwere beeinflussen können.
12.4 Bauen im Betrieb 12.4.1 Sicherung von Arbeitsstellen im Gleis 12.4.1.1 Der Gefahrenbereich des Gleises Der Gefahrenbereich eines Gleises (in Österreich als Gefahrenraum, in der Schweiz als Gleisbereich bezeichnet) ist der Bereich auf und neben einem Gleis, in dem Mitarbeiter durch vorbei fahrende Züge gefährdet werden können. Die Gefahr geht dabei insbesondere von der geschwindigkeitsabhängigen Druckwelle aus, durch die zu nahe am Gleis stehende Mitarbeiter mitgerissen oder durch herum fliegende Teile gefährdet werden können. Der Gefahrenbereich ist nicht mit der Breite des Lichtraums identisch, er kann je nach Geschwindigkeit das Lichtraumprofil unter- oder überschreiten. Außerhalb des Gefahrenbereichs muss ein ausreichender Sicherheitsraum (in der Schweiz als Fluchtraum bezeichnet) zur Verfügung stehen, in dem sich Mitarbeiter bei der Vorbeifahrt von Zügen sicher aufhalten können. Bei der Planung von Strecken mit mehr als zwei parallelen Streckengleisen sind die Sicherheitsräume bei der Planung der Gleisabstände zu berücksichtigen. Abbildung 12.19 und Tabelle 12.3 zeigen die Größe von Gefahrenbereich und Sicherheitsraum nach den in Deutschland geltenden Regeln.
Die einzelnen Bahnen haben unterschiedliche Regeln, welche dieser Einflussgrößen zur Beurteilung des Erfordernisses einer Flankenschutzweiche herangezogen werden. Tabelle 12.3 Erforderliche Breite des Gefahrenbereichs nach den Regeln der Deutschen Bahn AG zulässige Geschwindigkeit
Breite des Gefahrenbereichs ab Gleismitte
≤ 40 km/h ≤ 50 km/h ≤ 120 km/h ≤ 160 km/h > 160 km/h
1,85 m 2,00 m 2,30 m 2,50 m 3,00 m
12.4 Bauen im Betrieb
591
Sicherheitsraum zwischen den Gleisen 0,8 m Sicherheitsraum neben dem Gleis 0,5 m Gefahrenbereich
Lichtraum 2,0 m
Sicherheitsraum
Abb. 12.19 Gefahrenbereich und Sicherheitsraum nach deutschen Regeln
12.4.1.2 Einteilung der Sicherungsmaßnahmen Hinsichtlich ihrer Wirksamkeit sind Sicherungsmaßnahmen im Gleisbereich wie folgt zu reihen: – Organisatorische Maßnahmen zum Ausschluss von Gefährdungen der Mitarbeiter aus dem Zugbetrieb, z.B. Gleissperrungen (evtl. in Kombination mit Absperrungen oder sichtbaren Abgrenzungen), Einrichtung von Schutz-Langsamfahrstellen zur Verringerung der erforderlichen Gefahrenräume, – Einsatz technischer Sicherungseinrichtungen wie automatische Ankündigungsund Warnanlagen, – Einsatz von Sicherungsposten. In Deutschland dürfen Arbeiten in Gleisen, die mit mehr als 200 km/h befahren werden, nur im gesperrten Arbeitsgleis ausgeführt werden. In der Schweiz gilt diese Regel bereits bei Geschwindigkeiten von mehr als 160 km/h.
12.4.1.3 Einsatz von Sicherungsposten Da es nicht möglich ist, bei allen Bau- und Instandhaltungsarbeiten im Gleisbereich die betreffenden Gleise immer zu sperren, spielt die Baustellensicherung durch Sicherungsposten (in der Schweiz als Sicherheitswärter bezeichnet) noch immer eine wichtige Rolle. Dieses Sicherungsverfahren kann in folgenden Fällen zur Anwendung kommen: – bei Arbeiten in nicht gesperrten Gleisen und – bei Arbeiten in gesperrten Gleisen, wenn Mitarbeiter durch Fahrten auf nicht gesperrten Nachbargleisen gefährdet werden können. Das Prinzip besteht darin, dass ein oder mehrere Sicherungsposten in der Nähe der Arbeitsstelle platziert werden, um bei sich nähernden Zügen Warnsignale zu geben. Die Warnsignale werden meist mit einem Druckluft-Signalhorn (Tyfon) gegeben, dessen Signale den Maschinenlärm der Baustelle sicher übertönen. Bei Baustellen mit geringem Arbeitslärm kann auch ein mundgeblasenes Signalhorn benutzt
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Betriebsführung der Infrastruktur
werden. Dabei kommen folgende Signale zur Anwendung: „Vorsicht! Fahrt im Nachbargleis“: ein langer Ton, möglichst als Mischklang aus zwei verschieden hohen Tönen (Fanfare) Bei Ertönen dieses Signale ist unverzüglich der Gefahrenbereich des Nachbargleises zu räumen. „Arbeitsgleise räumen!“: zwei lange (in Österreich zwei kurze und mehrfach wiederholte) Töne nacheinander, möglichst in verschiedener Tonlage Bei Ertönen dieses Signals sind unverzüglich die Arbeitsgleise zu räumen und es ist Aufstellung im Sicherheitsraum zu nehmen. „Arbeitsgleise schnellstens räumen!“: mindestens fünfmal (in der Schweiz vier mal) zwei kurze Töne, möglichst in verschiedener Tonlage Dieses Signal dient als Notsignal für den Fall, dass der Sicherungsposten einen sich nähernden Zug zu spät bemerkt hat und eine unmittelbare Gefahr für die Mitarbeiter besteht.
In Österreich wird dieses Signal nicht verwendet, da dieses Klangbild bereits zum regulären Räumen des Arbeitsgleises dient. Die akustischen Signale können durch optische Signale (Blink- oder Rundumleuchten) ergänzt oder ersetzt werden. Wenn beim Räumen des Arbeitsgleises nach einer bestimmten Seite aus dem Gleis zu treten ist, um nicht versehentlich in den Gefahrenbereich eines anderen Gleises zu geraten, kann es erforderlich sein, die Gleisseite, auf der sich der Sicherheitssraum befindet, besonders zu kennzeichnen. In Deutschland wird dazu das sog. Fahnenschild (fahnenförmige weiße Blechtafel mit schwarzem Rand und einer pfeilförmig eingeschnittenen Schmalseite) benutzt. Die Signale des Sicherungspostens sind so rechtzeitig zu geben, dass die Mitarbeiter das Arbeitsgleis ohne Hast verlassen und Arbeitsgeräte aus dem Gleis entfernen können. Es ist aber auch eine zu frühzeitige Warnung zu vermeiden, damit sich die Mitarbeiter nicht daran gewöhnen, den Zeitpunkt der Warnung zu ignorieren und unzeitig spät aus dem Gleis zu treten. Zur Bestimmung des optimalen Warn-
Annäherungsstrecke Baustelle
Räumzeit (abh. von Art und Anzahl der Geräte) Sicherheits frist Zeit-Weg-Linie für zulässige Geschwindigkeit Sicherheitszuschlag
Abb. 12.20 Annäherungsstrecke (Beispiel ohne Langsamfahrstelle)
12.4 Bauen im Betrieb
zeitpunktes wird für jede Baustelle eine Annäherungsstrecke berechnet. Die Warnung ist zu geben, wenn der Zug den Beginn der Annäherungsstrecke erreicht. Die Annäherungsstrecke ist ergibt sich aus der zulässigen Geschwindigkeit der Strecke und der Sicherheitsfrist der Baustelle. Die Sicherheitsfrist ist die Zeitspanne, die zum sicheren Räumen des Arbeitsgleises benötigt wird. Sie setzt sich aus der Räumzeit (abhängig von Anzahl und Art der Geräte) und einem Sicherheitszuschlag (nach deutschen Regeln 15 s) zusammen (Abb. 12.20). Wenn an der Baustelle eine Langsamfahrstelle eingerichtet ist, reduziert sich die Annäherungsstrecke um die der Bremszuschlagzeit zum Abbremsen von der zulässigen Geschwindigkeit der Strecke auf die zulässige Geschwindigkeit im Baustellenbereich entsprechende Wegstrecke. Bei beschränkter Sicht auf den Beginn der Annäherungsstrecke (z.B. in Gleisbögen) ist eine Kette von Sicherungsposten einzusetzen, die sich die Warnsignale gegenseitig weitergeben. In diesen Fällen ist bei der Festsetzung der Annäherungsstrecke die Zeit für das Weitergeben der Warnsignale vom Außenposten, der den sich nähernden Zug bemerkt, bis zu den Innenposten an der Baustelle zu berücksichtigen. Wenn Fahrten in einem gesperrten Arbeitsgleis verkehren, kann auf Sicherungsposten verzichtet werden, wenn die Triebfahrzeugführer angewiesen sind, vor der Arbeitsstelle zu halten und die Mitarbeiter durch Achtungssignal mit der Triebfahrzeugpfeife zu warnen. 12.4.1.4 Automatische Warn- und Ankündigungsanlagen Automatische Warnanlagen ersetzen den Sicherungsposten, indem am Beginn der Annäherungsstrecke ein Gleisschaltmittel installiert wird, bei dessen Befahren optische und/oder akustische Warneinrichtungen in Aktion treten. Zur Reduktion der Lärmbelästigung für Anwohner existieren auch Lösungen, die die akustische Warnung über Funkkopfhörer in die Helme der Mitarbeiter übertragen, so dass ein den Baustellenlärm übertönendes Tyfon
593
entbehrlich ist. Bei der Anwendung von Warnanlagen ist zu beachten, dass die Montage und Demontage der Anlage als Arbeit im Gefahrenbereich der Gleise ausgeführt und durch Sicherungsposten gesichert werden muss. Ankündigungsanlagen informieren den Sicherungsposten durch Verbindung mit einem benachbarten Stellwerk über Zugfahrten in Richtung der Arbeitsstelle. Auf Schnellfahrstrecken besteht dabei die Regel, dass ein Zug in Richtung der Arbeitsstelle erst dann abgelassen werden darf, wenn die Mitarbeiter das Arbeitsgleis geräumt haben. Zu diesem Zweck wird eine sicherungstechnische Abhängigkeit zwischen den in Richtung der Arbeitsstelle weisenden Hauptsignalen der benachbarten Betriebsstellen eingerichtet. Wenn der Fahrdienstleiter eine Fahrstraße in Richtung der Arbeitsstelle einstellt, bleibt das Signal zunächst in der Haltstellung und an der Ankündigungsanlage erscheint eine Meldeanzeige für den Sicherungsposten. Der Sicherungsposten lässt daraufhin das Arbeitsgleis räumen und betätigt anschließend eine Quittungstaste an der Ankündigungsanlage. Erst nach dieser Quittungsbedienung geht das Signal auf Fahrt. Problematisch ist bei diesem Verfahren, dass in Abhängigkeit von der Entfernung der Arbeitsstelle von der benachbarten Betriebsstelle das Gleis sehr früh geräumt werden muss, was den Arbeitsablauf ggf. behindern kann.
12.4.2 Betriebliche Maßnahmen zur Durchführung von Baumaßnahmen 12.4.2.1 Gleissperrungen Eine Gleissperrung ist eine betriebliche Maßnahme, durch die das Befahren eines Gleises im Regelbetrieb verhindert wird. Eine Gleissperrung kann im Voraus angeordnet sein (planmäßige Sperrung) oder durch Unfälle oder Betriebsstörungen notwendig werden (unvorhergesehene Sperrung). Bei der Durchführung von Baumaßnahmen ist ein Gleis in folgenden Fällen zu sperren:
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12
Betriebsführung der Infrastruktur
– wenn das Gleis aufgrund der Baumaßnahme nicht befahren werden kann, – wenn das Gleis zum Schutz der Mitarbeiter an einer Baustelle nicht befahren werden darf, – wenn die betriebliche Abwicklung der Baumaßnahme die Durchführung von Fahrten erfordert, die nur in gesperrten Gleisen verkehren dürfen. Die Gleissperrung spricht der zuständige Fahrdienstleiter aus. Sofern das gesperrte Gleis für die Durchführung der Bauarbeiten nicht vorübergehend außer Betrieb genommen wird (s. Abschn. 12.4.2.2), werden alle Fahrten im gesperrten Gleis weiterhin vom Fahrdienstleiter überwacht. Nach Ausführung von Bauarbeiten darf die Sperrung erst wieder aufgehoben werden, wenn – durch den Fahrdienstleiter festgestellt wurde, dass alle Fahrzeuge das gesperrte Gleis verlassen haben (gilt nicht für vorübergehend außer Betrieb genommene Gleise, s. Abschn. 12.4.2.2), – die zuständige Fachkraft der bauausführenden Stelle dem Fahrdienstleiter die Befahrbarkeit des Gleises gemeldet hat. 12.4.2.2 Vorübergehende Außerbetriebnahme von Gleisen Bei umfangreichen Baumaßnahmen, bei denen in einem gesperrten Gleis eine größere Anzahl von Fahrten durchzuführen sind, ist es betrieblich vorteilhaft, dieses Gleis vorübergehend für den Zugverkehr außer Betrieb zu nehmen und die Betriebsführung auf diesem Gleis der bauausführenden Stelle in eigener Verantwortung zu überlassen. In Deutschland und Österreich wird ein solches, vorübergehend außer Betrieb genommenes Gleis, als Baugleis bezeichnet. Fahrten im Baugleis gelten als Rangierfahrten und werden vom Fahrdienstleiter nicht überwacht. In der Schweiz wird ein vergleichbares Verfahren als Vereinfachtes Vorgehen bei gesperrtem Streckengleis bezeichnet. In diesem Fall werden die Fahrten im gesperrten Gleis
als Rangierfahrten unter Verantwortung des Sicherheitschefs der Baustelle durchgeführt, die Regeln für Rangierfahrten auf die Strecke kommen nicht zur Anwendung. Vor Aufhebung der Gleissperrung eines vorübergehend außer Betrieb genommenen Gleises muss die zuständige Fachkraft der bauausführenden Stelle dem Fahrdienstleiter neben der Befahrbarkeit auch das Freisein des Gleises melden. 12.4.2.3 Vorübergehende Langsamfahrstellen Vorübergehende Langsamfahrstellen können bei Baumaßnahmen aus folgenden Gründen erforderlich werden: – Herabsetzung der Lagestabilität des Gleises durch Eingriff in den Bahnkörper, – vorübergehende Außerbetriebnahme von Sicherungsanlagen, – Verringerung des erforderlichen Gefahrenraumes eines Nachbargleises zum Schutz von Mitarbeitern an der Arbeitsstelle (Schutz-Langsamfahrstelle), – Einsatz von Hilfskonstruktionen der Oberleitung, die nicht mit voller Geschwindigkeit befahren werden dürfen. Vorübergehende Langsamfahrstellen werden am Gleis durch Signaltafeln signalisiert und dem Triebfahrzeugführer zusätzlich in schriftlicher Form bekannt gegeben. 12.4.2.4 Vorübergehendes Befahren eines Streckengleises gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung Bauarbeiten auf zweigleisigen Strecken mit Sperrung eines Streckengleises erfordern zur Weiterführung des Betriebes das Befahren des nicht gesperrten Gleises im Zweirichtungsbetrieb. Auf zweigleisigen Strecken, deren Gleise sicherungstechnisch für Zweirichtungsbetrieb ausgerüstet sind, können dafür die vorhandenen Sicherungsanlagen benutzt werden. Auf zweigleisigen Strecken, die sicherungstechnisch nur für Einrichtungsbetrieb ausgerüstet sind, muss das Befahren eines Streckengleises
12.4 Bauen im Betrieb
gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung vorübergehend eingerichtet werden. Dabei bestehen folgende grundsätzliche Möglichkeiten: – vorübergehende Umrüstung des betreffenden Streckengleises auf technisch gesicherten Zweirichtungsbetrieb, – Sicherung der Zugfahrten im gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung befahrenen Streckengleis mit nichttechnischen Verfahren. Die Sicherung von Fahrten auf dem Gegengleis mit nichttechnischen Verfahren ist nur vertretbar, wenn während der Gleissperrung nur wenige Züge das Streckengleis gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung befahren. Bei allen umfangreicheren Baumaßnahmen sollte immer ein technisch gesicherter Zweirichtungsbetrieb nachgerüstet werden. Dies umfasst folgende Maßnahmen: – Einrichtung von Fahrstraßen mit Hauptsignalbedienung für die Ausfahrten auf das gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung befahrene sowie für die Einfahrten von dem gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung befahrenen Streckengleis, – Aufstellen zusätzlicher Signale für Fahrten gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung oder – falls möglich – Erklärung von am gesperrten Gleis stehenden Signalen als für
Bauzustand 1
595
das gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung befahrene Gleis gültig, – Einrichtung einer Streckenblockabhängigkeit für den Folgefahrschutz der Fahrten gegen die gewöhnliche Fahrtrichtung und zum Gegenfahrschutz der Fahrten beider Richtungen. Zusätzlich kann es in Abhängigkeit von der Gleistopologie erforderlich werden, zur Herstellung der erforderlichen Fahrwege Bauweichenverbindungen einzulegen. Dies betrifft auch Fälle ohne Umrüstung auf technisch gesicherten Zweirichtungsbetrieb. Die während der Baumaßnahme verfügbare Restleistungsfähigkeit der Strecke hängt entscheidend von der Länge des im Zweirichtungsbetrieb befahrenen Abschnitts ab. Wenn keine geeigneten Betriebsstellen zur Verfügung stehen, um den Zweirichtungsbetrieb auf die für die Baumaßnahme notwendige Länge zu beschränken, lässt sich die Restleistungsfähigkeit durch Einrichtung temporärer Überleitstellen verbessern. Diese bestehen aus einem Bauweichenpaar und werden i.d.R. durch eine sog. Hilfsbetriebsstelle gesteuert. Hilfsbetriebsstellen sind transportable Kleinstellwerke mit einem vorbereiteten Spurplan mit zwei Gleisverbindungen (Weichentrapez) und den zugehörigen Signalen und Strecken-
Hilfsbetriebsstelle
gesperrtes Gleis Bauweichen
Bauzustand 2
Signaltafeln, mit denen die Signale am Regelgleis für das Gegengleis gültig erklärt werden
gesperrtes Gleis
Abb. 12.21 Beispiel für Anwendung einer Hilfsbetriebsstelle als temporäre Überleitsstelle (Signalisierung nach deutschen Regeln)
596
12
Betriebsführung der Infrastruktur
blockanpassungen. Von diesem vorbereiteten Spurplan werden nur die jeweils benötigten Elemente freigeschaltet (Abb. 12.21).
12.4.3 Koordination zwischen Betriebsführung und bauausführenden Stellen Zur Durchführung einer Baumaßnahme mit Betriebsbeeinflussung ist zur Gewährleistung der Sicherheit das Zusammenwirken der Betriebsführung mit den bauausführenden Stellen sorgfältig zu planen. Das Ergebnis dieser Planung wird in einer schriftlichen Anweisung zusammengestellt, die alle Beteiligten kennen müssen. In Deutschland und Österreich wird eine solche Anweisung als Betriebsund Bauanweisung (Betra) und in der Schweiz als Sicherheitsdispositiv bezeichnet. Eine solche Anweisung enthält die folgenden Angaben: – Beschreibung der Lage der Baustelle mit allen relevanten Besonderheiten, ggf. ergänzt durch eine Lageskizze, – Arbeitszeiten, Dauer der Gleissperrungen, Dauer des Ausschaltens von Oberleitungsanlagen (ggf. mit Auflistung aller betroffenen Gleise), – zulässige Geschwindigkeiten und Fahrzeitverluste im Arbeits- und Nachbargleis (ggf. zeitlich gestaffelt), – zuständige Berechtigte mit Betriebsaufgaben: Fahrdienstleiter, für Meldungen an den Fahrdienstleiter zuständige technische Fachkraft an der Baustelle, Verantwortliche für das Ein- und Ausschalten von Oberleitungsanlagen, – Erläuterung der anzuwendenden Betriebsverfahren mit allen relevanten Besonderheiten, – Angaben zur Arbeitsausführung und zur Sicherung der Baustelle, – Zusammenstellung der in die schriftlichen Unterlagen der Triebfahrzeugführer zu übernehmenden Angaben, – bei Bedarf ergänzende Anlagen wie Lagepläne, Fahrplanbeispiele, Auszüge sicherungstechnischer Planunterlagen u.ä.
Die Aufstellung einer solchen Anweisung kann in folgenden Fällen entfallen: – bei Arbeiten außerhalb des Gefahrenbereiches der Gleise, wenn Betriebsbeeinflussungen ausgeschlossen sind, – bei unvorhergesehenen Arbeiten zur Störungsbeseitigung (z.B. Beseitigung eines Schienenbruchs), – bei Arbeiten in Nebengleisen, stillgelegten Gleisen und Gleisen, die noch nicht dem Betrieb übergeben wurden. In diesen Fällen sind erforderliche Regelungen in einer anderen schriftlichen Form zu veranlassen.
Literatur Fachbücher 12.1 12.2
12.3
Gralla D: Eisenbahnbremstechnik. Werner Verlag Düsseldorf 1999 Pachl J: Systemtechnik des Schienenverkehrs – Bahnbetrieb planen, steuern und sichern. 4. Aufl., Verlag B. G. Teubner, Stuttgart, Leipzig, Wiesbaden 2004 Naumann P, Pachl J: Leit- und Sicherungstechnik im Bahnbetrieb – Fachlexikon, 2. Aufl., Tetzlaff Verlag Hamburg 2004
Gesetze und Regelwerke Deutschland 12.4
12.5
12.6
Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967. zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378; S. 2422) Anweisung für den Fahrbetrieb (AnFab). verabschiedet vom Länderausschuss Eisenbahnen und Bergbahnen (LAEB) in der 111. Sitzung am 23./24.09.2003 Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (Straßenbahn-Bauund Betriebsordnung – BOStrab) vom 11. Dezember 1987 (BGBl. I S. 2648)
Literatur 12.7
12.8
12.9
12.10
12.11
Deutsche Bahn AG: Konzernrichtlinie 408 – Züge fahren und Rangieren – (Modulgruppen 408.01 – 408.09). gültig ab 15.06.2003 Deutsche Bahn AG: Signalbuch DS 301 für den Bereich der ehemaligen Deutschen Bundesbahn, gültig vom 15. Dezember 1959 an. in der Fassung der Bekanntgabe 17 vom 15.12.2003 Deutsche Bahn AG: Signalbuch DV 301 für den Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn, gültig vom 1. Oktober 1971 an. in der Fassung der Berichtigung 16 vom 15. 12. 2003 Deutsche Bahn AG: Zug- und Rangierfahrten im Signalisierten Zugleitbetrieb durchführen (SZB) – Richtlinie 437, gültig ab 01.03.1998 Deutsche Bahn AG: Zug- und Rangierfahrten im Zugleitbetrieb durchführen (ZLB) – Richtlinie 436, gültig ab 24.05.1998
597
Österreich 12.12
Eisenbahnverordnung (EisbVO 2003) vom 11. April 2003 (BGBl. II, Nr. 209) 12.13 Straßenbahnverordnung (StrabVO) vom 3. März 2000 (BGBl. II, Nr. 76) 12.14 Österreichische Bundesbahnen: DV V2 – Signalvorschrift. Ausgabe 1996 12.15 Österreichische Bundesbahnen: DV V3 – Betriebsvorschrift. Ausgabe 1997 12.16 Österreichische Bundesbahnen: DV V5 – Zugleitbetrieb. Ausgabe 1998
Schweiz 12.17
12.18
Verordnung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen (Eisenbahnverordnung [12. EBV]) vom 23. November 1983 Schweizerische Fahrdienstvorschriften FDV, R 300.1-.15 vom 12. Dezember 2004
13
Eisenbahnsicherungstechnik Ulrich Maschek1
13.1 Einführung 13.1.1 Maßgebende Systemeigenschaften Der Schienenverkehr ist durch zwei maßgebende Systemeigenschaften geprägt: – lange Bremswege durch geringe Haftreibung, – Spurführung. Beide Eigenschaften haben bestimmte Aufgaben bei der Sicherung der Fahrten von Schienenfahrzeugen zur Folge, die in konkrete Schutzfunktionen münden (Abb. 13.1). Durch die langen Bremswege ist ein Fahren auf Sicht in der Regel nicht möglich. Deshalb sind besondere Vorkehrungen gegen Kollisionen mit verschiedenen Objektarten zu treffen: – Flanken-, Folge- und Gegenfahrschutz: Bei Konflikten mit Schienenfahrzeugen kann es zu verschiedenen Arten des Zusammentreffens kommen. Folge- und Gegenfahrten sind vorderes oder hinteres, Flankenfahrten seitliches Eindringen in den freigegebenen Lichtraum eines Schienenfahrzeuges (Abb. 13.2). – Schutz an niveaugleichen Kreuzungen: Konflikte mit systemfremden Verkehrsteilnehmern können an Stellen auftreten, wo der Verkehrsraum von verschiedenen Verkehrsträgern benutzt werden darf. Häu1
Der Autor dankt folgenden Personen für ihre Unterstützung: Dipl.-Ing. Gregor Theeg (TU Dresden), Dr.-Ing. Robert Leemann (SBB), Dipl.-Ing. Dr.-techn. Andreas Schöbel (TU Wien)
figster Anwendungsfall ist der Bahnübergang. – Schutz vor übrigen Hindernissen: Dies sind Konflikte mit allen anderen Objekten, die kein Schienenfahrzeug sind und sich auch sonst nicht im Lichtraum aufhalten dürfen. Aufgrund der undefinierten Beschaffenheit der Objekte und der großen räumlichen Ausdehnung des Lichtraumes ist eine Erkennung sehr aufwändig und wird nur vereinzelt angewandt. Durch die Spurführung ist i.d.R. ein sehr sicherer Lauf von Schienenfahrzeugen gegeben. Bei Überschreitung physikalischer Grenzen jedoch kann die Spurführung verloren gehen. Aus dem Verlust der Spurführung resultieren unkontrollierte, gefährliche Bewegungen des Schienenfahrzeugs, die meist mit dem Verlassen des Lichtraumes und möglicherweise anschließenden Kollisionen einhergehen. Grundsätzlich kann unterschieden werden, wo die Entgleisung stattfindet: An stetigen Stellen, d.h. an der nicht unterbrochenen Schiene und an unstetigen Stellen. Letztere sind solche, an der die Schiene unterbrochen ist, wie zum Beispiel an beweglichen Fahrwegelementen (z.B. Weichen). Im Eisenbahnsystem tragen vor allem der Oberbau und die Fahrzeugkonstruktion zur Entgleisungssicherheit bei. Aber auch die Eisenbahnsicherungstechnik hat ihren Anteil: Durch die Sicherung beweglicher Fahrwegelemente und die Überwachung der Fahrzeuggeschwindigkeit. Während die für die Geschwindigkeitsüberwachung zuständige Zugbeeinflussung sowie der für den Schutz vor systemfremden Verkehrsteilnehmern genutzte Bahnübergang
600
13
Eisenbahnsicherungstechnik
Maßgebende Systemeigenschaft Lange Bremswege durch geringe Haftreibung
Spurführung
Aufgabe zur Gewährleistung der Sicherheit Kollisionsvermeidung
Entgleisungsvermeidung
Konfliktpartner mit systemfremden Verkehrsteilnehmern
mit übriger Umwelt
mit systemeigenen Fahrzeugen
Unstetige Stellen im Fahrweg
Stetige Stellen im Fahrweg
Sicherung bewegl. Fahrwegelemente
Geschwindigkeitsüberwachung
Schutzfunktion Schutz vor Folgeexternen fahrschutz Objekten Primäre Folge bei Versagen der Schutzfunktion
Schutz an niveaugleichen Kreuzungen
Zusammenprall
Aufprall
Gegenfahrschutz
Flankenfahrschutz
Zusammenstoß
Entgleisung
Technische Realisierung der Schutzfunktion Bahnübergang
Stellwerk
Zugbeeinflussung
Abb. 13.1 Maßgebende Systemeigenschaften und daraus resultierende Schutzfunktionen der Sicherungstechnik
Abb. 13.2 Möglichkeiten des Eindringens von anderen Schienenfahrzeugen in den freigegebenen Lichtraum
relativ eigenständige Systeme sind, werden alle anderen Aufgaben von Stellwerken abgedeckt. Gleichwohl gibt es definierte Schnittstellen zwischen diesen Systemen.
13.1.2 Regelkreis der Eisenbahnsicherungstechnik Die Sicherung des Bahnbetriebes kann durch den in Abb. 13.3 gezeigten Regelkreis dargestellt werden. Zur Fahrt des Zuges in einem Gleisabschnitt muss der dazugehörige Lichtraum von allen Gegenständen frei sein, sowie die dabei befahrenen beweglichen Fahrwegelemente die richtige Lage eingenommen haben. Diese
Zustände werden durch eine Sensorik erfasst. Dabei steht die Gleisfreimeldung für die Freiheit des Gleises von anderen Schienenfahrzeugen und die Lichtraumfreimeldung für die Freiheit von anderen Objekten (systemfremde Verkehrsteilnehmer, übrige Umwelt). Wenn durch den vorangegangenen Zug der Gleisabschnitt verlassen wurde, wird dieser freigemeldet. Nach der Informationsverarbeitung muss eventuell noch ein Stellbefehl ausgegeben werden, um die beweglichen Fahrwegelemente in die richtige Stellung zu bringen, was ein erneutes Einlesen der Lage zur Folge hat. Sind die Voraussetzungen erfüllt, kann ein Fahr-
13.2 Gleisschaltmittel und Gleisfreimeldeanlagen
601
Stellwerk Informationsverarbeitung
Messwerterfassung (Sensorik)
Steuerwertausgabe (Aktorik) Ausgabe Fahrbefehl
Zugbeeinfl.
Zugbeeinflussung
Einlesen Lagemeldung
Ausgabe Stellbefehl
Einlesen Lichtraumfreimeldung
Einlesen Gleisfreimeldung
Bahnübergang Beschleunigung Bewegliche Fahrwegelemente
Lichtraum
Fahrt in einem Gleisabschnitt Zugn
Zugn-1
Abb. 13.3 Regelkreis der Eisenbahnsicherungstechnik
befehl ausgegeben werden. Dieser führt zur Beschleunigung des Fahrzeuges, welches in den Gleisabschnitt einfahren kann. Die Einhaltung der dabei zulässigen Geschwindigkeit wird durch die Zugbeeinflussung überwacht. Bei einfachen Betriebsverhältnissen können alle beschriebenen Aufgaben auch nichttechnisch durch den Menschen erfolgen.
13.2 Gleisschaltmittel und Gleisfreimeldeanlagen 13.2.1 Grundlagen 13.2.1.1 Prinzipien Bei der direkten Erkennung wird das Vorhandensein eines Fahrzeuges unmittelbar bestimmt. Eine Anwendung dafür ist z.B. die Gleisfreimeldung mit Gleisstromkreisen. Bei der indirekten Erkennung dagegen wird das Eintreten eines Objekts in einen definierten Bereich und/oder das Austreten aus diesem
bestimmt. Aus den Informationen wird auf den momentanen Belegungszustand geschlussfolgert. Anwendungen sind z.B. Achszähler zur Gleisfreimeldung sowie die Überwachung der Lichtraumgrenzen zur Hinderniserkennung. 13.2.1.2 Informationsinhalt Die Ortung kann herangezogen werden, um verschiedene Aussagen zu treffen. Die praktisch bedeutsamsten sind: – Fahrzeug hat einen definierten Punkt erreicht, – Fahrzeug hat einen definierten Punkt verlassen (d.h. vollständig passiert), – Fahrzeug befindet sich in einem bestimmten Abschnitt, – Lichtraum ist frei. Diese Aussagen werden im Stellwerk entsprechend der Sicherungslogik ausgewertet.
602
13
Eisenbahnsicherungstechnik
13.2.1.3 Aufgaben Überwachung des Lichtraumes Der Lichtraum ist definiert als derjenige Raum, der frei sein muss, damit Eisenbahnfahrzeuge sicher verkehren können. Da im Eisenbahnbetrieb in der Regel im Raumabstand gefahren wird, ist die Freiprüfung des Lichtraumes vor Zulassung einer Zugfahrt erforderlich. Vor dem Umstellen eines beweglichen Fahrwegelements ist zu prüfen, ob es frei von Schienenfahrzeugen ist, da diese sonst entgleisen können. Bewegliche Fahrwegelemente sind in erster Linie Weichen und Gleissperren (A: Sperrschuh, CH: Entgleisungsvorrichtung), aber auch besondere Elemente wie z.B. bewegliche Brücken. Werden Fahrzeuge auf einem beweglichen Element detektiert, so ist die Bewegung des Elements (z.B. das Umstellen der Weiche) zu verhindern. Punktförmige Erkennung von Schienenfahrzeugen Die zweite Funktion der Ortungselemente ist die Erkennung von Schienenfahrzeugen an bestimmten Punkten. Dabei ist für jeden Zweck eine spezifische Aussage einzuholen. So ist beispielsweise für das Einschalten eines Bahnübergangs wesentlich, dass die Zugspitze den Einschaltpunkt erreicht hat. Für das Ausschalten des Bahnübergangs dagegen ist wesentlich, dass der Zug den Bahnübergang vollständig verlassen hat.
13.2.2 Technische Wirkprinzipien 13.2.2.1 Punktförmige Detektoren Punktförmig sind diejenigen Detektoren, die an einem bestimmten Punkt das Passieren eines Schienenfahrzeuges erkennen. Sie können als einfaches Gleisschaltmittel oder zur Achszählung verwendet werden. Zur Achszählung eignen sich dabei nur diejenigen, die die besondere Anforderung der Einzelerkennung von Achsen erfüllen. Es werden verschiedene physikalische Wirkprinzipien angewandt.
Mechanisch Mechanische Detektoren arbeiten mit einem oder mehreren im Lichtraum (meist im Bereich der Schiene) angebrachten beweglichen Elementen, die bei Betätigung durch ein vorbeifahrendes Fahrzeug (meist durch das Rad) einen elektrischen Kontakt herstellen. Das mechanische Wirkprinzip wird heute nur noch selten angewandt. Es gibt jedoch auch moderne Bauformen, welche sogar zur Richtungserkennung in der Lage sind. Mechanische Detektoren werden wegen ihrer Einfachheit häufig bei Automatischen Warnanlagen (Rottenwarnanlagen) verwendet, um einen sich nähernden Zug zu erkennen. Magnetisch Beim magnetischen Wirkprinzip ist ein magnetischer Kreis so eingestellt, dass sich im Ruhezustand eine magnetische Brücke im Gleichgewicht befindet, wodurch am Schalter kein magnetischer Fluss entsteht. Bei Anwesenheit eines Rades dagegen wird die magnetische Brücke verstimmt und durch das nun am Schalter anliegende Magnetfeld schließt der Schalter. Elektromagnetisch Induktiv Elektromagnetisch induktive Detektoren sind die heute am häufigsten angewandten Detektoren. Von den vielen möglichen und angewandten Prinzipien soll hier jenes der räumlichen Veränderung eines Magnetfeldes beschrieben werden. Um zwei magnetische Pole, die sich in definierter räumlicher Anordnung zueinander und zur Schiene befinden, baut sich ein Magnetfeld auf. Bewegt sich nun ein Rad in dieses Magnetfeld, so verändern sich die Feldlinien durch die Eisenmasse des Rades. Die Änderung der Spannung in der Empfangsspule wird ausgewertet. Dieses Prinzip reagiert sehr empfindlich auf einzelne Räder, weshalb es gut zur Achszählung eignet ist. Abbildung 13.4 zeigt eine technische Umsetzung des Prinzips.
13.2 Gleisschaltmittel und Gleisfreimeldeanlagen
603
Ein Anwendungsbeispiel ist der Radarscanner für Bahnübergänge, der den Gefahrraum in ca. 1 m Höhe scannt. Durch Reflexion der Strahlen entsteht ein Bild der zu prüfenden Fläche, welches mit einem gespeicherten Bild für den Freizustand verglichen wird. Übersteigt die Abweichung vom gespeicherten Bild ein definiertes Maß, gilt der Bahnübergang als nicht frei. Weitere Anwendungen für elektromagnetische Wellen sind die Überwachung des Lichtraumes an Bahnsteiggleisen.
Abb. 13.4 Für Achszählung geeigneter Sensor
13.2.2.2 Linienförmige Detektoren Mit linienförmigen Detektoren können Schienenfahrzeuge in einem definierten Bereich entlang des Gleises erkannt werden. Galvanisch Das am häufigsten angewandte linienförmige Erkennungsprinzip ist das galvanische. Hierbei stellen Räder und Achse eine elektrisch leitende Verbindung zwischen beiden Schienen her und ermöglichen so einen Stromfluss zwischen zwei an den Schienen angebrachten elektrischen Polen. Dieser Stromfluss wird ausgewertet, worauf auf das Vorhandensein von Fahrzeugen im Abschnitt geschlossen wird.
Mechanisch Ein weiteres, vor allem in Frankreich angewandtes Wirkprinzip ist ein mechanisches. Dazu wird ein Netz von stromdurchflossenen Drähten mit geringer Reißfestigkeit entlang einer Fläche gespannt, die den Lichtraum umgibt. Durchdringt ein Objekt mit genügend Kraft diese Fläche, so kommt es zum Reißen der Drähte und damit zum Unterbrechen des Stromflusses. Eine andere Möglichkeit der mechanischen Detektion sind Kontaktmatten zwischen und neben den Schienen, die im Gleis befindliche Personen und Gegenstände aufgrund ihrer Gewichtskraft erkennen.
13.2.2.3 Flächenförmige Detektoren Flächenförmige Detektoren erkennen Objekte, die sich in einer Ebene befinden bzw. sich durch diese hindurch bewegen. Elektromagnetische Wellen Mittels Laser, Radar oder Infrarot wird eine Lichtschranke gebildet oder periodisch eine Fläche abgetastet. Auch ein Netz aus mehreren Lichtschranken ist möglich.
Abb. 13.5 Anlage zur Erkennung von Erdrutschen und Lawinen mittels Reißdrähten
604
13
Eisenbahnsicherungstechnik
13.2.2.4 Räumliche Detektoren Räumliche Detektoren überwachen einen Raum und werten hier das Vorhandensein bestimmter Objekte aus. Magnetisch Induktiv Beim magnetisch induktiven Wirkprinzip wird die ferromagnetische Masse eines Fahrzeuges durch Änderung der Induktivität einer Spule erkannt. Derartige Fahrzeugdetektoren bestehen aus einer im Fahrweg befindlichen Induktivität, die zusammen mit einem Kondensator einen Schwingkreis bildet (Abb. 13.6). Beim Befahren durch ein Fahrzeug verändert sich die Induktivität der Spule. Die dadurch entstehende Änderung der Frequenz wird in der Auswerteeinrichtung erkannt. Um bei Anwendungen im Gleis die induktiven Auswirkungen von Triebrückströmen und Gleisstromkreisen zu neutralisieren, wird meist eine symmetrische Doppelschleife verwendet. Eine weitere Anwendung der Schleifen ist die Erkennung von Straßenfahrzeugen, die an ausgewählten Bahnübergängen in der Schweiz praktiziert wird. Visuelle Beobachtung Die älteste Möglichkeit der Erkennung von Objekten ist nichttechnischer Art. Durch einfaches Hinsehen wird der Zustand eines Abschnittes geprüft. Ein Vorteil ist, dass der
Mensch in der Lage ist, auch nicht vorgesehene Situationen zu beurteilen. Nachteilig sind dagegen die hohe Fehlerwahrscheinlichkeit durch Irrtum oder Nachlässigkeit und der hohe Personalaufwand. Zudem ist durch die Notwendigkeit des örtlichen Personals keine Zentralisierung der Bedienung realisierbar. Bilderkennung Ein der visuellen Prüfung nachempfundenes Verfahren ist die Auswertung von Videobildern. Diese kann durch den Menschen erfolgen, indem eine Person mit der Beobachtung von einem oder mehreren Bildschirmen beauftragt wird. Technische Verfahren der Bilderkennung sind zwar bekannt, werden aber derzeit nicht in der Eisenbahnsicherungstechnik verwendet.
13.2.3 Techniken zur Gleisfreimeldung 13.2.3.1 Gleisstromkreis Der Gleisstromkreis funktioniert nach dem galvanischen Wirkprinzip. Die Schiene fungiert als elektrischer Leiter. Bei besetztem Gleisabschnitt fließt über die Räder und Achsen ein Strom, bei freiem Gleisabschnitt nicht. Die Anordnung von verzweigten Gleisstromkreisen im Bereich von Weichen ist mög-
Abb. 13.6 Doppelte Induktionsschleife zur Fahrzeugerkennung im Gleis
13.2 Gleisschaltmittel und Gleisfreimeldeanlagen
Abb. 13.7 Aufbau von Gleisstromkreisen nach dem Ruhestromprinzip
lich. Dabei sind an Weichen und Kreuzungen zusätzliche galvanische Verbindungen und Trennungen notwendig. Als Auswerteglied in Gleisstromkreisen werden meist Motorrelais angewandt, welche nach dem Prinzip des Asynchronmotors aufgebaut sind. Gleisstromkreise arbeiten nach dem Ruhestromprinzip (Abb. 13.7). Dabei liegt in Grundstellung (freies Gleis) ein geschlossener Stromkreis vor; durch den Stromfluss (Ruhestrom) ist das Gleisrelais angezogen. Befindet sich eine Achse im Abschnitt, wird dieser Stromkreis kurzgeschlossen und es fließt kein Strom. Das Gleisrelais fällt ab, womit der Abschnitt als besetzt gemeldet wird.
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Die weitaus häufigste Störung ist der Spannungsausfall oder die Unterbrechung des Stromkreises. Dieser Zustand wirkt sich beim Ruhestromprinzip dahingehend aus, dass die Unterbrechung des Stromflusses ein besetztes Gleis anzeigt. Somit kommt es bei den am häufigsten anzunehmenden Fehlern zu einer fehlerhaften Besetztmeldung. Beim theoretisch ebenfalls möglichen Arbeitsstromprinzip würde die Unterbrechung ein freies Gleis melden, was bei tatsächlicher Besetzung gefährlich wäre. Deshalb kommt das Arbeitsstromprinzip bei Gleisstromkreisen nicht zur Anwendung. Elektrische Eigenschaften von Gleisstromkreisen Am Gleisstromkreis sind mehrere elektrische Widerstände von Bedeutung (Abb. 13.8). Der Schienenlängswiderstand ist der Widerstand der stromdurchflossenen Schiene. Er besitzt eine ohmsche und eine induktive Komponente, die mit steigender Frequenz zunimmt. Der Bettungswiderstand ist derjenige Widerstand, mit dem die Schienen gegeneinander und gegen Erde isoliert sind. Er besitzt eine ohmsche und eine kapazitive Komponente und ist stark von der Witterung, von konstruktiven Parametern sowie dem Zustand des Oberbaus abhängig und kann um den Faktor 100 schwanken. Der Achsnebenschlusswiderstand ist der Widerstand der elektrischen Verbindung, die eine im Gleisstromkreis befindliche Achse her-
Abb. 13.8 Widerstände am Gleisstromkreis
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Eisenbahnsicherungstechnik
stellt. Er wird hauptsächlich durch die Kontaktfläche zwischen Rad und Schiene bestimmt. Dazu gehören die konstruktive Beschaffenheit und Verschmutzung der Rad- und Schienenoberflächen, die Achslast sowie die Anzahl der im Abschnitt befindlichen Achsen. Der Widerstand der Achse und des Rades selbst ist vernachlässigbar gering. Aus Schienenlängswiderstand und Bettungswiderstand ergibt sich eine längenabhängige Dämpfung des Gleisstromkreises und damit eine Grenze für ihren sinnvollen Einsatz. Diese liegt bei ca. 1.000 m. Durch Mitteneinspeisung und Empfänger an beiden Enden kann die Länge verdoppelt werden. Größere Längen können freigeprüft werden, indem mehrere Gleisstromkreise hintereinander angeordnet werden. Durch zu geringen Bettungswiderstand können fehlerhafte Meldungen des Besetztzustandes entstehen, die sich betriebshemmend auswirken. Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang durch Verunreinigung des Schotterbettes z.B. mit kleinvolumigen Ladungsverlusten. Unter anderem deshalb ist eine regelmäßige Reinigung des Schotterbettes erforderlich. Ein zu hoher Achsnebenschlusswiderstand z.B. aufgrund von Rost kann dagegen zu gefährlichem Versagen führen, indem eine Belegung durch Schienenfahrzeuge nicht erkannt wird. Solchen Gefährdungen wird vorgebeugt, indem durch Gleisstromkreise freigeprüfte Gleise regelmäßig (z.B. ein Mal pro Tag) befahren werden müssen. In der Schweiz wird teilweise das Aufschweißen einer korrosionsfreien Metallschicht („korrosionsfeste Schweißraupe“) praktiziert. Fremdbeeinflussung von Gleisstromkreisen Der Gleisstrom wird oft von anderen Strömen im Gleis überlagert. Das sind insbesondere folgende: – Ströme anderer Gleisstromkreise: Da im Wesentlichen alle Gleise frei zu prüfen sind, ergibt sich daraus eine Anordnung mehrerer Gleisstromkreise hinter- und nebenein-
ander. Zur Abgrenzung von Gleisstromkreisen gegeneinander gibt es verschiedene Lösungen. – Triebrückströme: Auf Strecken mit elektrischer Traktion fungiert die Schiene als Rückleiter für die Triebströme. Hier ist sicherzustellen, dass die Empfangseinrichtung des Gleisstromkreises die Triebrückströme nicht fälschlicherweise als Signal des Gleisstromkreises auswertet. Dies geschieht durch Auswahl von Frequenzen, die im Triebrückstromspektrum nicht vorhanden sind. Die Empfangseinrichtungen der Gleisstromkreise müssen dazu sehr frequenzselektiv arbeiten. – Versorgungsleitungen für Leistungsenergie: Im Gleisbereich verlaufen häufig Leitungen der Leistungsenergieversorgung. Diese können den Gleisstromkreis induktiv beeinflussen. Durch Einhalten eines Mindestabstandes und Herstellung möglichst rechtwinkliger Kreuzungen kann eine induktive Entkopplung weitgehend erreicht werden. – Rückströme der Zugsammelschiene: Die vom Triebfahrzeug bereitgestellte elektrische Energie für Verbraucher im Zug wird über die Zugsammelschiene in die Wagen geführt. Als Rückleiter werden dabei die Schienen benutzt. Die Verhinderung von Fremdbeeinflussung ist ein wesentlicher Punkt in der Projektierung von Gleisstromkreisen und stellt einen erheblichen Aufwand dar. Abgrenzung von Gleisstromkreisen gegeneinander Isolierstoß Am Isolierstoß wird die Schiene mechanisch unterbrochen und ein isolierendes Material eingefügt. Gleisstromkreise können einschienig oder zweischienig isoliert werden. Die Unterbrechung der Schiene wirkt sich nachteilig in deren mechanischen Eigenschaften aus. Außerdem ergeben sich bei elektrischer Traktion Konflikte mit den Triebrückströmen, welche den Isolierstoß passieren müssen.
13.2 Gleisschaltmittel und Gleisfreimeldeanlagen
Bei der einschienigen Isolierung können die Triebrückströme nur über die nicht isolierte Schiene geleitet werden. Durch ihre Störanfälligkeit sind sie nur für kurze Gleisabschnitte geeignet. Wird ein Isolierstoß kurzgeschlossen, so entsteht ein Kurzschluss zwischen benachbarten Gleisstromkreisen. Damit dieser erkannt wird und sich nicht gefährlich auswirken kann, wird die Erdschiene an jedem Isolierstoß mittels Diagonalverbinder gewechselt. Bei der zweischienigen Isolierung werden beide Schienen zur Leitung des Triebrückstromes verwendet. Sie erfordern eine relativ aufwändige Überbrückung der Isolierstöße mittels Drosselstoßtransformatoren. Elektrischer Trennstoß Bei elektrischen Trennstößen wird der Gleisstromkreis in seiner Länge durch Verbindungen zwischen den Schienen mit geringem Widerstand begrenzt. Dieses Prinzip ist nur bei hochfrequenten Gleisstromkreisen anwendbar. Vorteil ist jedoch, dass Isolierstöße nicht notwendig sind.
Die heute am häufigsten angewandte Bauform ist der in Abb. 13.9 dargestellte S-förmige Resonanzverbinder („S-Verbinder“). Durch den Kondensator und die Induktivität der parallel zum Gleis verlaufenden Verbinderschleife entstehen zwei Resonanzkreise mit verschiedenen Frequenzen. Diese werden so eingestellt, dass die Resonanzfrequenzen den Speisefrequenzen der zwei angrenzenden Gleisstromkreise entsprechen. Isolierstoßloser Gleisstromkreis Die Tatsache, dass der Schienenlängswiderstand mit steigender Frequenz zunimmt, kann dazu genutzt werden, im hochfrequenten Bereich auf Trennstöße zu verzichten. Es ergibt sich dabei der in Abb. 13.10 dargestellte Spannungsverlauf. Isolierstoßlose Gleisstromkreise eignen sich besonders als Überlagerung für andere Gleisstromkreise auf kurzen Gleisabschnitten. Signalarten an Gleisstromkreisen Mit Gleichspannung betriebene Gleisstromkreise sind einfach und kostengünstig, jedoch
GSK 2
Überlappung Sender 1
L1
C2
f1
C1
L2
Empfänger 2
GSK 1
Abb. 13.9 S-förmiger Resonanzverbinder
607
f2
608
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Eisenbahnsicherungstechnik
Abb. 13.10 Verlauf der Empfangsspannung am isolierstoßlosen Gleisstromkreis
anfälliger gegen Fremdbeeinflussung als mit Wechselspannung betriebene Gleisstromkreise. Gleisstromkreise mit Wechselspannung geringer Frequenz arbeiten bis etwa 150 Hz. In diesem Frequenzbereich befinden sich auch die Triebrückströme, so dass die Frequenz des Gleisstromkreises sorgfältig zu wählen ist. Sie muss in den Lücken der Oberwellen des Traktionsstroms liegen. Hochfrequenz-Gleisstromkreise arbeiten mit Wechselspannungen im Frequenzbereich bis etwa 20 kHz. Man spricht auch von Tonfrequenz-Gleisstromkreisen, da es sich um Frequenzen im menschlichen Hörspektrum handelt. Im Spektrum der Triebrückströme sind diese Frequenzen nicht enthalten, so dass entsprechende Beeinflussungen unproblematisch sind. Nachteilig ist jedoch der größere Schienenlängswiderstand durch die hohen Frequenzen.
13.2.3.2 Achszähler Anforderungen und Aufbau von Achszählkreisen Achszähler bestimmen den Besetztzustand eines Gleisabschnittes indirekt über ein- und ausgefahrene Achsen. Ist die Differenz Null, so wird auf einen freien Abschnitt geschlossen. Achszählkreise bestehen aus folgenden Teilen (Abb. 13.11): – Schienenkontakt, befindet sich unmittelbar am Gleis, erkennt die Räder und damit die Achsen, – Anschlusskasten am Gleis, erzeugt aus dem gemessenen Signal die Zählimpulse und leitet sie weiter, – Achszählauswerteeinrichtung (AZA), setzt die Informationen mehrerer Zählpunkte zueinander in Beziehung und ermittelt daraus den Zustand des Gleises. Als Schienenkontakt für Achszähler verwendete Detektoren müssen zur Einzelerkennung von Achsen und zur Richtungserkennung in der Lage sein. Die Richtungserkennung ist wichtig, um zu unterscheiden, ob eine Achse
13.3 Sicherung beweglicher Fahrwegelemente
609
Abb. 13.11 Aufbau eines Achszählkreises 2 x Sendekopf
Schienenkontakt
2 x Empfangskopf
EAK
EAK Zählpunkt
Achszählkreis
AZA
EAK: Elektronischer Anschlusskasten AZA: Achszählauswerteeinrichtung
in einen Abschnitt ein- oder ausgefahren ist. Sie wird meist durch Doppelung der Schienenkontakte (je 2 Sender und Empfänger) realisiert. Meist werden Mehrabschnitts-Achszähler angewandt. Hier wertet eine Auswerteeinrichtung Informationen über mehrere aneinandergrenzende Gleisfreimeldeabschnitte aus. Ein Zählpunkt begrenzt dabei zwei Gleisfreimeldeabschnitte und zählt beim Befahren die Achsen aus einem Abschnitt aus und gleichzeitig in den anderen ein.
Reine oberbautechnische Unterbrechungen der Schiene (z.B. Schienenauszugsvorrichtung) gehören nicht zu den beweglichen Fahrwegelementen, da sie nicht den stetigen Fahrweg im Sinne der Definition unterbrechen. Zu den die Schiene unterbrechenden beweglichen Fahrwegelementen gehören in erster Linie Weichen. Das häufigste, in den Lichtraum hineinragende bewegliche Fahrwegelement ist die Gleissperre (A: Sperrschuh, CH: Entgleisungsvorrichtung). Die Gründe für den Einsatz beweglicher Fahrwegelemente zeigt Tabelle 13.1.
13.3 Sicherung beweglicher Fahrwegelemente
13.3.1.2 Grundlegende Anforderungen an die Sicherung An beweglichen Fahrwegelementen besteht zumeist die Gefahr der Entgleisung, in wenigen Fällen (z.B. Tor, Wasserkran) die Gefahr des Aufpralls. Deshalb sind bewegliche Fahrwegelemente vor Zulassung einer Fahrt in die richtige Stellung zu bringen und während der Fahrt in dieser Stellung festzuhalten. Die Einbindung in die Sicherung des Fahrwegs wird in Abschn. 13.4 behandelt. Zusätzliche Gefahren, nämlich die des Zusammenstoßes und des Zusammenpralls, ergeben sich an Elementen, die dem Wechsel des Gleises dienen (hauptsächlich Weichen). Hier kann durch falsche Stellung des Elements
13.3.1 Grundlagen 13.3.1.1 Elementarten Ein bewegliches Fahrwegelement ist ein dynamisches Element der Infrastruktur, welches den stetigen Fahrweg durch – Unterbrechung der Schiene oder – in den Lichtraum hineinragende Gegenstände unterbrechen kann.
610
13
Eisenbahnsicherungstechnik
Tabelle 13.1 Gründe für bewegliche Fahrwegelemente Art der Unterbrechung des stetigen Fahrwegs
Grund
Unterbrechung der Schiene
Wechsel des Gleises
Weiche, Drehscheibe, Schiebebühne
Verschwenken des Fahrwegs
Bewegliche Brücke
In den Lichtraum ragender Gegenstand
Beispiel
Aufhalten von Schienenfahrzeugen
Entgleisungsweiche
Aufhalten von Schienenfahrzeugen
Gleissperre (A: Sperrschuh, CH: Entgleisungsvorrichtung), Beweglicher Prellbock
Aufhalten von Personen und Gegen- Bewegliches Tor zur Einfriedung, ständen Schneeschutztor an Tunnelportal Sonstige Aufgaben im Lichtraum
Ladeeinrichtungen, Wasserkran
eine Fahrt auf ein Gleis gelenkt werden, welches nicht für die Fahrt gesichert wurde.
13.3.2 Weichen
13.3.1.3 Festhaltung Bei der Festhaltung der Elemente kann grundsätzlich zwischen formschlüssiger und kraftschlüssiger Festhaltung unterschieden werden. Obwohl die formschlüssige Festhaltung zunächst sicherer erscheinen mag, spielt die kraftschlüssige dennoch eine erhebliche Rolle, denn nur dabei sind Weichen auffahrbar (s. Abschn. 13.3.2.1).
13.3.2.1 Sicherungstechnische Anforderungen an Weichen Umstellung der Weiche: Um eine Weiche in die gewünschte Lage zu bewegen, ist eine Kraft aufzubringen, die auf die Weichenzungen zu übertragen ist. Die Kraft wird meist durch Maschinen (in der Regel durch einen Elektromotor), in wenigen Fällen auch durch Muskelkraft eines Menschen aufgebracht. Mechanische Festhaltung: Um Entgleisungen zu vermeiden, müssen die Weichenzungen in der Endlage festgehalten werden. Diese Festhaltung muss besonders robust ausgeführt werden, da eine Weiche bei Überfahrt eines Eisenbahnfahrzeugs erheblichen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist. Die Festhaltung kann sowohl innerhalb eines Weichenantriebes (Innenverschluss) als auch außerhalb des Weichenantriebes (Außenverschluss) erfolgen. Prüfung der Endlage: Vor Zulassung der Fahrt über eine Weiche muss geprüft werden, ob sie sich in der richtigen Endlage befindet. Nach der Zulassung muss geprüft werden, ob die Weiche in der Endlage verbleibt. Durch diese Prüfung wird die Funktion der Umstellund Festhalteeinrichtungen überwacht.
13.3.1.4 Überwachung Die Überwachung beweglicher Fahrwegelemente wird heute im Wesentlichen elektrisch durchgeführt. Dazu wird die Stellung des Elements meist elektromechanisch durch Kontakte detektiert. Berührungslose Techniken sind denkbar, werden aber – auch aus Sicherheitsgründen – nicht eingesetzt. Bei älteren Techniken kommen auch rein mechanische Überwachungen zum Einsatz.
13.3 Sicherung beweglicher Fahrwegelemente
Auffahrbarkeit: In vielen Anwendungsfällen wird die Auffahrbarkeit der Weiche gefordert. Als Auffahren (CH: Aufschneiden) einer Weiche gilt das Befahren in falscher Lage von der stumpfen Seite. Beim Auffahren einer auffahrbaren Weiche entstehen in der Regel keine Schäden, im Gegensatz zur nicht auffahrbaren Weiche. In Deutschland, Österreich und der Schweiz wird vorrangig der (auffahrbare) Außenverschluss verwendet. Nur in speziellen Anwendungsfällen (z.B. bewegliches Herzstück) sind Weichen nicht auffahrbar. 13.3.2.2 Kraftübertragungs- und Festhalteeinrichtungen Anforderungen Die Kraftübertragungs- und Festhalteeinrichtungen verbinden die Antriebseinrichtungen mit den Weichenzungen. Sie haben folgende Aufgaben: – Übertragung der am Weichenantrieb aufgewandte Kraft auf die Weichenzungen,
Abb. 13.12 Aufbau des Klammerspitzenverschlusses
611
– mechanische Festhaltung der anliegenden Weichenzunge, um eine unbeabsichtigte Bewegung zu verhindern, – Halten der abliegenden Zunge ist in einem definierten Abstand von der Backenschiene. Spitzenverschluss Spitzenverschlüsse finden beim Außenverschluss (s. Abschn. 13.3.2.1) Anwendung. Im Gegensatz zum Innenverschluss übertragen sie nicht nur die Stellkraft vom Weichenantrieb auf die Weichenzungen, sondern halten diese auch in ihrer Lage fest, wenn die Weiche nicht umgestellt wird. Der Klammerspitzenverschluss (Abb. 13.12) ist der heute überwiegend angewandte Spitzenverschluss. Befindet sich die Weiche in einer Endlage, so liegt die Verschlussklammer an der anliegenden Zunge zwischen Verschlussleiste und Verschlussstück. Damit wird eine Bewegung der anliegenden Zunge verhindert. An der abliegenden Seite befindet sich der Kopf
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13
Eisenbahnsicherungstechnik
der Verschlussklammer im Ausschnitt der Verschlussleiste und kann nicht aus diesem heraustreten, so dass die abliegende Zunge im sicheren Abstand von der Backenschiene gehalten wird. Der Stellweg für das Umstellen der Weiche besteht aus drei Teilen: 1. Entriegelungsweg (60 mm): Die abliegende Zunge wird von der Schieberstange mitgenommen, während die anliegende Zunge entriegelt wird. 2. Stellweg (100 mm): Auf diesem Teilstück befinden sich beide Köpfe der Verschlussklammern in den Ausschnitten der Schieberstange und werden beide bewegt. Ein Heraustreten des Kopfes der Verschlussklammer aus dem Ausschnitt wird durch die Seitenwände des Verschlussstückes verhindert. 3. Verriegelungsweg (60 mm): Die anfangs anliegende, jetzt abliegende Zunge entfernt sich weiter von der Backenschiene, während die jetzt anliegende Zunge verriegelt wird. Dies geschieht, indem der Kopf der Verschlussklammer mechanisch so geführt wird, dass er am Ende des Stellvorganges zwischen Verschlussleiste und Verschlussstück verkeilt ist. Beim Auffahren der Weiche wird durch das Rad zunächst die abliegende Zunge bewegt. Diese bewegt die Schieberstange und löst so den Verschluss der anliegenden Zunge, welche sich anschließend mitbewegt. Nach Ende des Stellweges der zuvor abliegenden Zunge stoppt der Stellvorgang, eine Verriegelung findet nicht statt. Ältere Bauformen des Spitzenverschlusses sind der Exzenterverschluss und der Hakenverschluss. Daneben etablieren sich derzeitig weitere, modernere Bauformen wie z.B. der HRSVerschluss („Heben, Rollen, Senken“), die sich durch einfachere Wartung und Instandhaltung auszeichnen.
13.3.2.3 Zungenprüfer Zungenprüfer sind mit den Weichenzungen über Prüferstangen verbunden und bewegen sich mit diesen mit. Somit können sie die Lage der Weichenzunge direkt prüfen. Sie schaffen damit Sicherheit bei Versagen der Stellstange oder des Spitzenverschlusses. Bei elektrischen Weichenantrieben erfolgt die Prüfung über Kontakte, die von den Prüferstangen angetrieben werden. Die Kontakte steuern den Stromfluss derart, dass eine Überwachung nur bei ordnungsgemäßer Lage der Zungen zustande kommt. Bei mechanischen Weichenantrieben blockieren Prüfer den Antrieb, wenn die Zungen nicht der Stellbewegung folgen und offenbaren dadurch einen Fehler. 13.3.2.4 Weichenriegel Weichenriegel sind über Riegelstangen mit den Zungen verbunden und halten diese formschlüssig fest. Dadurch sind geriegelte Weichen nicht auffahrbar. Fernbediente Weichenriegel gibt es nur in Verbindung mit mechanischen Weichenantrieben. Weichenriegel haben aber nach wie vor große Bedeutung, da sie für die Herstellung der Signalabhängigkeit ortsbedienter Weichen über Riegelhandschlösser (Abschn. 13.3.2.6) verwendet werden. 13.3.2.5 Weichenantrieb Manuelle Ortsbedienung Manuell ortsbediente Weichen sind noch heute im Einsatz, vor allem in Anlagen, in denen nur rangiert wird. Die notwendige Kraft zum Umstellen wird vor Ort durch Muskelkraft aufgebracht. Ortsgestellte Weichen können durch Handverschlüsse in Abhängigkeiten einbezogen werden. Elektrische Ortsbedienung Elektrisch Ortsbediente Weichen (EOW) sind eine moderne Form ortsgestellter Weichen, die sich in Rangierbereichen zunehmend durch-
13.3 Sicherung beweglicher Fahrwegelemente
setzen. Der Antrieb der Weichen erfolgt dabei mit elektrischen Weichenantrieben wie bei der elektrischen Fernbedienung. In Bereichen mit EOW-Technik wird meist frei rangiert, also ohne Rangierstraßen. Ein Lichtsignal unmittelbar neben der Weiche meldet dem Rangierpersonal die Weichenlage. EOW werden in der Regel durch Achszähler freigemeldet. Diese realisieren zum einen die Umstellsperre bei belegter Weiche; zum anderen geben sie einen Umstellanstoß an die Weiche, wenn sie stumpf befahren wird und die falsche Lage hat. Beim spitzen Befahren erfolgt die Umstellung durch Schlagtaster oder Stelltafeln, die vom Rangierpersonal bedient werden. Insbesondere an Stelltafeln ist es üblich, einen Fahrweg einzustellen, d.h. mehrere Weichen mit einer Bedienung zu stellen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, einer EOW eine Grundstellung zu geben, in die sie nach dem Befahren in entgegengesetzter Stellung zurückläuft. Mechanische Fernbedienung Die mechanische Fernbedienung wird nur in mechanischen Stellwerken angewandt. Dabei wird sowohl die Umstellenergie als auch die Lageinformation über Drahtzug- bzw. Gestängeleitungen übertragen. Die Kraft wird im Stellwerk in der Regel durch Muskelkraft des Menschen aufgebracht. Elektrische Fernbedienung Die elektrische Fernbedienung ist die heute am häufigsten angewandte Art der Weichenansteuerung. Dabei kommen elektrische Wei-
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chenantriebe zum Einsatz, die überwiegend mit einem Drehstrommotor arbeiten. Die Kraftübertragung auf das Gestänge erfolgt mechanisch oder hydraulisch. Ein Innenverschluss (s. Abschn. 13.3.2.1) kann in den Antrieb integriert sein. 13.3.2.6 Handverschlüsse für Weichen Handverschlüsse haben nach wie vor große Bedeutung. Sie werden verwendet, wenn – manuell ortsbediente Weichen in Abhängigkeit gebracht, – vorübergehend außer Betrieb genommene Weichen gesichert oder – gestörte, fernbediente Weichen gesichert werden sollen. Das Riegelhandschloss (Abb. 13.13) ist die hochwertigste Form des Weichenhandverschlusses und wird für planmäßige Abhängigkeiten genutzt. Über Riegelstangen (s. Abschn. 13.3.2.4) werden die Weichenzungen formschlüssig festgehalten. Die sicherungstechnische Verbindung wird über Schlüssel hergestellt, die in ein korrespondierendes Schloss (z.B. im Stellwerk) passen. Das heute nur noch selten verwendete Weichenschloss wird zur Herstellung von temporären Abhängigkeiten oder zur Sicherung untergeordneter Gleise genutzt. Es wird an der Backenschiene befestigt und blockiert die abliegende Zunge. Über den Spitzenverschluss wird die anliegende Zunge festgehalten. Die Zungensperre hält entweder die anliegende Zunge fest oder blockiert die abliegende.
Abb. 13.13 Zwei Riegelhandschlösser an einer Weiche (je eines pro Stellung)
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13
Eisenbahnsicherungstechnik Abb. 13.14 Handverschluss „HV 73“ in sperrender Stellung der anliegenden Zunge
Es können keine Abhängigkeiten hergestellt werden, da die Schlüssel nicht dafür geeignet sind. Das bei deutschen Eisenbahnen heute weit verbreitete Schloss „HV 73“ (Abb. 13.14) ist dem System nach eine Zungensperre mit dem Unterschied, dass Schlüssel wie beim Riegelhand- bzw. Weichenschloss genutzt werden.
13.3.3 Gleissperren 13.3.3.1 Aufgaben von Gleissperren Gleissperren (A: Sperrschuh, CH: Entgleisungsvorrichtung) dienen dem direkten Flankenschutz, indem sie mittels eines in den Lichtraum hineinragenden Gegenstandes darüber
fahrende Schienenfahrzeuge zum Entgleisen bringen. Aufgrund der möglichen Entgleisung dürfen Gleissperren nicht in Hauptgleisen, also in mit Zügen befahrenen Gleisen, eingesetzt werden. 13.3.3.2 Aufbau von Gleissperren Gleissperren bestehen aus dem Entgleisungsschuh, dem Antrieb und dem Gleissperrensignal (CH: Laternen-Sperrsignal), welches die Lage der Gleissperre anzeigt. Gleissperren werden wie Weichen angetrieben, jedoch ohne Prüfer oder Riegel. Zur Herstellung von Abhängigkeiten bei Ortsbedienung werden Gleissperrenschlösser verwendet.
Abb. 13.15 Gleissperre mit Ortsbedienung
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
13.3.4 Bewegliche Brücken
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
Bewegliche Brücken unterbrechen den stetigen Fahrweg, indem sie diesen verschwenken, um den Raum für andere Zwecke (z.B. Schiffsverkehr) freizugeben. Sie werden in der Regel in die Fahrstraßenlogik einbezogen oder durch Deckungssignale gedeckt.
13.4.1 Abstandshaltung im Schienenverkehr
13.3.5 Drehscheiben und Schiebebühnen Drehscheiben und Schiebebühnen haben die Funktion des Gleiswechsels bei einem geringeren Platzbedarf gegenüber Weichenstraßen. Sie finden vor allem in Werkstätten Anwendung. Nur sehr selten führen Fahrstraßen über diese Elemente, in die sie dann einbezogen werden müssen. In einigen Fällen gibt es Deckungssignale in einfacher Form.
13.3.6 Tore Tore dienen der Einfriedung von Geländen oder dem Verschluss von Räumen. Letztere Aufgabe übernehmen z.B. Tore an Tunnelportalen, die das Eindringen von Schnee oder Tieren verhindern sollen. Auch Tore von Werkstattgebäuden gehören dazu. In modernen Anlagen und vor allem, wenn sie Bestandteil von Fahrstraßen sind, werden solche Tore in sicherungstechnische Abhängigkeiten einbezogen. Auch die Sicherung mit Deckungssignalen ist möglich, wobei diese in einfachen Fällen auch aus Industriekomponenten und nicht aus etablierter Sicherungstechnik bestehen können.
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Bei Eisenbahnen kommt heute überwiegend neben dem „Fahren auf Sicht“ (z.B. beim Rangieren) das „Fahren im festen Raumabstand“ zur Anwendung. Dabei muss jedem Zug garantiert ein räumlicher Abschnitt zur ausschließlichen Verfügung gestellt werden. Folgende Voraussetzungen gelten für die Fahrtstellung eines Hauptsignals: 1. Der zu befahrende Abschnitt muss frei sein. 2. Es müssen alle weiteren Fahrten in diesen Abschnitt ausgeschlossen sein, sowohl vor als auch während des Aufenthalts der Zugfahrt im Abschnitt. Das Fahren im Raumabstand kann technisch grundsätzlich mit zwei verschiedenen Technologien gesichert werden: – Fahrstraße: Es werden unmittelbar vor der Fahrt die Gleise auf Freiheit von anderen Fahrzeugen geprüft. Außerdem wird verhindert, dass feindliche Folge-, Gegen- und Flankenfahrten in den freigegebenen Fahrweg gelangen. – Sicherung mit Blockinformationen: Nachdem ein Zug einen Abschnitt verlassen hat, wird eine Information, die so genannte Blockinformation, dem Signal am Anfang des Abschnittes gesandt. Somit wird der Folgefahrschutz durch Austausch von Informationen zwischen Signalen aufeinander folgender Zugfolgestellen gewährleistet. Durch Austausch von Blockinformationen zwischen Signalen, die auf dasselbe Streckengleis benachbarter Zugmeldestellen weisen, wird der Gegenfahrschutz gewährleistet. Historisch haben sich die beiden Technologien aufgrund der Möglichkeiten zur nichttechnischen Gleisfreiprüfung entwickelt. Während man in den Betriebsstellen noch die
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Eisenbahnsicherungstechnik Abb. 13.16 Unmittelbare Überwachungsbereiche eines Stellwerks (Bf – Bahnhof, Bk – Blockstelle)
Abb. 13.17 Entstehung einer gefährlichen Situation durch fehlerhaft auf Fahrt stehen gebliebenes Signal
Gleise überblicken konnte, bei großer Ausdehnung auch durch Untergliederung in mehrere Bereiche, war dies auf der Strecke nicht mehr möglich. Hier konnte die Freiprüfung nur indirekt, durch Prüfung des Zugschlusses am Ende der Strecke durchgeführt werden. In den Betriebsstellen konnten also unmittelbar vor Zulassung der Zugfahrt die Gleise freigeprüft werden. Diese Information stand damit auch dort zur Verfügung, wo das Signal bedient wurde. Nicht so ist es auf der Strecke: Hier wurde die Freiprüfung zum einen nicht vor, sondern immer nach dem vorausgefahrenen Zug durchgeführt. Zum anderen steht die Information nicht an der signalbedienenden Stelle zur Verfügung und muss damit zu ihr übertragen werden – was durch die Blockinformation geschieht. Auch andere Technologien sind möglich, konnten sich bisher aber nicht durchsetzen. Aus der Forderung nach Verhinderung weiterer Fahrten in den freigegebenen Abschnitt ergibt sich eine Besonderheit, wenn die Abschnitte durch Signale voneinander abgegrenzt sind. Verlässt ein Zug einen Abschnitt, so kann dieser für eine weitere Fahrt genutzt werden. Ist aber der Zug im zweiten Abschnitt nicht durch ein Halt zeigendes Signal gedeckt (Abb. 13.17), so besteht die Gefahr, dass ein berechtigt in den ersten Abschnitt eingefahrener Zug dem ersten Zug in den zweiten
Abschnitt folgt, womit sich unzulässigerweise zwei Züge in einem Abschnitt befänden und die Vorschrift des Fahrens im Raumabstand verletzt wäre. Um solche gefährlichen Situationen nicht entstehen zu lassen, wurden verschiedene Strategien entwickelt, die bei der Sicherung mit Fahrstraßen und mit Blockinformationen angewandt werden.
13.4.2 Steuerung und Sicherung der Fahrwegelemente Eine weitere, sich aus den maßgebenden Systemeigenschaften ergebende Aufgabe ist die Steuerung und Sicherung der beweglichen Fahrwegelemente. Diese Aufgabe wird im Wesentlichen von der Fahrstraße bewältigt. Nur in wenigen Fällen werden bei der Sicherung mit Blockinformationen auch bewegliche Fahrwegelemente gesichert. Fahrstraßen finden sich in allen Zugmeldestellen. Die Sicherung der Zugfolge zwischen reinen Zugfolgestellen, wo in der Regel keine beweglichen Fahrwegelemente zu erwarten sind, wird klassischerweise mit Blockinformationen durchgeführt. Neuere Techniken benutzen aber auch dort die Technologie der Fahrstraße.
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
13.4.3 Technologie Fahrstraße 13.4.3.1 Begriff Der Weg, den ein Schienenfahrzeug nach Lage der Gleise und Weichen nehmen kann, wird Fahrweg genannt. Um den Fahrweg zu sichern, müssen vor dem Befahren die Lage der beweglichen Fahrwegelemente sowie weitere sicherheitsrelevante Bedingungen erfüllt sein. Ist ein Fahrweg derart gesichert, wird er Fahrstraße genannt. Je nach Art der Fahrt, die darauf stattfinden soll, unterscheidet man zwischen Zug- und Rangierstraße (CH: Zug- und Rangierfahrstraße). In alten Stellwerksbauformen gab es noch keine Rangierstraßen. Eine Fahrstraße besitzt immer einen definierten Startpunkt und ein definiertes Ziel. Fast immer beginnt eine Fahrstraße an einem Hauptsignal. Ziel einer Fahrstraße ist meist ein Hauptsignal oder (bei Ausfahrten aus einem Bahnhof) die Strecke an der Grenze des Bahnhofs. Aber auch andere Signale können eine Fahrstraße begrenzen. So besitzt ein Prellbock an einem Stumpfgleis, in welches eine Fahrstraße führt (z.B. in Kopfbahnhöfen) ein definiertes Zeichen, welches das Ende des Fahrwegs und damit auch der Fahrstraße markiert. 13.4.3.2 Kriterien für die Sicherung einer Fahrstraße Signalabhängigkeit Die Sicherstellung der richtigen Endlage von beweglichen Fahrwegelementen, insbesondere von Weichen, wird durch die Signalabhängigkeit gewährleistet. Die Signalabhängigkeit beinhaltet zwei Forderungen: 1. Ein Signal darf sich nur dann auf Fahrt stellen lassen, wenn die zur Fahrstraße gehörenden Elemente richtig gestellt sind. 2. Solange ein Signal auf Fahrt steht, müssen die zur Fahrstraße gehörenden Elemente verschlossen sein.
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Welche Elemente darin einbezogen werden, hängt von der jeweiligen Definition ab. So sind laut deutscher EBO nur die spitz befahrene Weichen zu sichern; Stand der Technik ist jedoch, alle befahrenen und Flankenschutz bietenden Elemente einzubeziehen. Die Signalabhängigkeit wird im Stellwerk durch den Fahrstraßenverschluss realisiert. Durch den Fahrstraßenverschluss werden die Elemente gegen Umstellen gesperrt und somit in ihrer Lage festgehalten. Weiterhin wird verhindert, dass der Fahrstraßenverschluss zurückgenommen werden kann, während ein Signal auf Fahrt steht. Fahrstraßenfestlegung Durch die Signalabhängigkeit wird nur erreicht, dass die Elemente während der Fahrtstellung des Hauptsignals richtig stehen. Ist der Zug am Signal vorbeigefahren, so besteht die Möglichkeit, das Signal auf Halt zu stellen, wodurch der Zug unverschlossene Elemente befahren könnte. Zur Verhinderung dessen dient die Fahrstraßenfestlegung. Die Fahrstraßenfestlegung hält den Fahrstraßenverschluss so lange aufrecht, bis der Zug das letzte bewegliche Fahrwegelement (meist die letzte Weiche) verlassen hat. Danach kann die Fahrstraße aufgelöst werden, was die Rücknahme der Fahrstraßenfestlegung bedeutet. Der Punkt, den der Zug verlassen haben muss, damit die Fahrstraße aufgelöst wird, wird Fahrstraßenzugschlussstelle genannt. Fahrstraßenausschluss Zwei Fahrstraßen, die gemeinsame Fahrwegelemente nutzen, nennt man feindliche Fahrstraßen. Zur Kollisionsvermeidung muss die gleichzeitige Einstellbarkeit zweier feindlicher Fahrstraßen ausgeschlossen sein. Wenn feindliche Fahrstraßen zu verschließende Fahrwegelemente in unterschiedlichen Stellungen benötigen, so können – bedingt durch die Wirkung der Signalabhängigkeit – beide niemals gleichzeitig eingestellt werden. Man spricht von einem einfachen Ausschluss.
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Ein einfacher Ausschluss erfordert keine weiteren Maßnahmen. Haben zwei feindliche Fahrstraßen keine gemeinsamen Fahrwegelemente, die sich in der Stellung unterscheiden (z.B. bei Gegenfahrten) so ist ein besonderer Ausschluss erforderlich. Ein besonderer Ausschluss bedeutet immer einen zusätzlichen Aufwand in der Sicherungslogik. Flankenschutz Flankenschutz ist eine Maßnahme zur Verhinderung des Eindringens von Fahrzeugen in Fahrstraßen über einmündende Fahrwege. Während feindliche Fahrstraßen durch Ausschlüsse bereits verhindert sind, besteht immer noch die Möglichkeit, dass Rangierfahrten, die frei, also ohne Rangierstraße, rangieren, oder unabsichtlich in Bewegung geratene, abgestellte Fahrzeuge eine Flankenfahrt verursachen. Der notwendige Umfang des Flankenschutzes wurde ausführlich in Abschn. 12.3 behandelt. Der Flankenschutz schützt jedoch nur vor Flankenfahrten, die vor dem Flankenschutz bietenden Element beginnen. Deshalb muss das Gleis zwischen dem Flankenschutz suchenden und dem Flankenschutz bietenden Element frei sein. Dieser Raum wird Flankenschutzraum genannt. Gleisfreimeldung Die Gleisfreimeldung ist eine Maßnahme, mit der die Freiheit der Gleise von Schienenfahrzeugen geprüft wird. In den seltenen Fällen,
Abb. 13.18 Bestandteile einer Fahrstraße
wo eine Freimeldung des Lichtraumes auch von systemfremden Verkehrsteilnehmern oder übriger Umwelt erfolgt, kann auch diese mit hinzu gezählt werden. Die Möglichkeiten dazu wurden in Abschn. 13.2.2 erläutert. 13.4.3.3 Topologische Bestandteile einer Fahrstraße Topologisch besteht eine Fahrstraße nicht nur aus den Elementen, die zwischen Start und Ziel liegen. Drei Bestandteile gehören dazu: – Befahrener Teil, – Flankenschutzraum, – Durchrutschweg. In der Regel werden alle drei Teile in die Gleisfreimeldung einbezogen. Wie der Name schon sagt, gehören zum Befahrenen Teil alle diejenigen Elemente, die die Zug- oder Rangierfahrt auf ihrem Weg vom Start zum Ziel befährt. Dabei kommt dem Zielgleis eine besondere Bedeutung zu: Es muss nicht freigefahren werden, um die Fahrstraße aufzulösen. Es ist zwar Teil der Fahrstraße und wird vor Zulassung dieser freigeprüft, die Auflösung der Fahrstraße geschieht jedoch nach dem Passieren der Fahrstraßenzugschlussstelle. Dies ist auch logisch, da eine Fahrt im Zielgleis halten und für längere Zeit dort verweilen kann.
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
13.4.3.4 Teilfahrstraßen In hoch belasteten Fahrstraßenknoten ist es sinnvoll, bereits freigefahrene Elemente schon vor dem Passieren der Fahrstraßenzugschlussstelle aufzulösen, um sie für andere, zur betreffenden Fahrt feindliche Fahrstraßen zu nutzen. Zu diesem Zweck werden Teilfahrstraßen eingerichtet. An deren Ende befindet sich die Teilfahrstraßen-Zugschlussstelle. Nach dem Freifahren wird die Teilfahrstraße aufgelöst und steht für andere Fahrten zur Verfügung. 13.4.3.5 Fahrstraßensicherung und -überwachung Fahrstraßenverschluss Der Fahrstraßenverschluss beinhaltet die Festhaltung aller Fahrwegelemente in der für die Fahrstraße benötigten Stellung sowie die besonderen Ausschlüsse. Er ist eine Voraussetzung, um das Signal auf Fahrt zu stellen (Signalabhängigkeit). Die vom Verschluss geprüften Bedingungen sowie die Aufrechterhaltung des Verschlusses selbst werden ständig geprüft und würden (außer bei sehr alten Stellwerksbauformen) beim Ausbleiben zur sofortigen Signalhaltstellung führen. Eine verschlossene Fahrstraße kann vor dem Eintreten der Fahrstraßenfestlegung jederzeit zurückgenommen werden. Eine Gefährdung ergibt sich daraus nicht, da das Signal erst nach der Festlegung auf Fahrt gestellt werden kann. Teilfahrstraßen werden je Fahrstraßenteil verschlossen, da sie einzeln aufgelöst werden. Bei Zusammenfassung mehrerer Elemente zu einem Gleisfreimeldeabschnitt bestimmt dieser den Umfang der Teilfahrstraße. Der erfolgte Fahrstraßenverschluss kann als Zwischenbilanz beim Fahrstraßenaufbau betrachtet werden, bei dem nur die wichtigsten, selten gestörten Freigabebedingungen geprüft werden. Andere Bedingungen (z.B. Gleisfreimeldung) werden bewusst erst später geprüft, um bei deren Störung mit dem Fahrstraßenverschluss wenigstens die wichtigsten Bedingungen technisch geprüft zu haben. Dadurch
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muss im Störungsfall der Bediener nicht die gesamte Verantwortung übernehmen. Stellbare Fahrwegelemente Bei stellbaren Fahrwegelementen bedeutet der Verschluss, dass sie in der richtigen Endlage festgehalten werden. Dazu gehören alle in Abschn. 13.3.1.1 genannten Elemente. Für Zwecke des Flankenschutzes werden auch Signale in Haltstellung verschlossen. Mittelelemente Mittelelemente, meist Mittelweichen, sind stellbare Fahrwegelemente, die sich im Zielgleis (also hinter der Fahrstraßenzugschlussstelle) befinden. Sie müssen sowohl bei der Einfahrt in das als auch bei der Ausfahrt aus dem Gleis verschlossen werden. Bei der Ausfahrt findet allerdings keine Gleisfreiprüfung statt. In moderneren Stellwerksbauformen werden die Mittelelemente über eine besondere Teilfahrstraße – die Mittelweichen-Teilfahrstraße – verschlossen. Nach der Einfahrt eines Zuges wird diese nicht aufgelöst, wenn der Zug das Element nicht freigefahren hat. Hat der Zug nach dessen Weiterfahrt die Mittelweichen-Teilfahrstraße verlassen, löst sie auf. Fährt der Zug nicht in die gleiche Richtung weiter oder endet er und fährt als Rangierfahrt in die entgegengesetzte Richtung, muss sie mit einer besonderen Bedienhandlung aufgelöst werden. Auch mehrere Mittelweichenteilfahrstraßen hintereinander sind möglich. Besondere Bedingungen Im Fahrstraßenverschluss können auch besondere Bedingungen für die Fahrt abgeprüft werden. So kann auf Systemwechselbahnhöfen die Einschaltung der richtigen Traktionsspannung in den Verschluss einbezogen werden oder gar die grundsätzliche Verfügbarkeit des Bahnstromes im freigegebenen Abschnitt. Besondere Fahrstraßenausschlüsse Mit dem Fahrstraßenverschluss werden auch die besonderen Ausschlüsse feindlicher Fahrstraßen hergestellt. Dazu ist es notwendig, dass
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sich diese in Grundstellung (nicht eingestellt) befinden. Ebenso wie sich verschlossene Elemente nicht mehr umstellen lassen, lassen sich auch die ausgeschlossenen Fahrstraßen nicht mehr einstellen. Flankenschutzelemente Verschluss der Elemente Wie die befahrenen Fahrwegelemente, werden auch die Elemente des unmittelbaren Flankenschutzes (s. Abschn. 12.3) verschlossen. Für alle Weichen und Kreuzungen im Befahrenen Teil und im Durchrutschweg muss Flankenschutz gewährleistet sein. Abhängig von den Forderungen der Anwender kann bei Durchrutschwegen und Rangierstraßen auf Flankenschutz verzichtet werden. In den meisten Fällen wird der Flankenschutz durch das benachbarte Element gegeben. Im Fall der Weiche 12 in Abb. 13.18 kann diese keinen Flankenschutz bieten, wenn die Weiche 13 ihn anfordert. Hier muss der Flankenschutz von der Weiche 12 „durchgereicht“ werden und von Gleissperre 11 und Signal N2 gewährleistet werden. Weichen, die den Flankenschutz auf diese Art weiterleiten, werden auch „Schutztransportweichen“ oder „Transportschutzweichen“ genannt. Zwieschutzweichen Ein Sonderfall des Flankenschutzes sind Zwieschutzweichen. Sie ergeben sich immer dann, wenn eine Weiche gleichzeitig in beiden Stellungen für den Flankenschutz angefordert werden kann. In Abb. 13.19a kann das bei der Weiche 3 geschehen: Wenn die eingezeichneten Fahrstraßen von P1 und P3 gleichzeitig eingestellt werden, fordert jede Fahrstraße die Flankenschutzweiche 3 in einer anderen Stellung an. Da Flankenschutzweichen verschlossen werden, ergäbe sich daraus ein einfacher
Ausschluss und die beiden Fahrstraßen wären nicht gleichzeitig einstellbar, obwohl sie keine gemeinsam befahrenen Elemente besitzen. Eine solche Weiche wird Echte Zwieschutzweiche genannt. Im Fall der Weiche 14 in Abb. 13.19b handelt es sich um eine Eigenzwieschutzweiche. Im Gegensatz zur Echten Zwieschutzweiche wird hier die Zwieschutzweiche von der gleichen Fahrt in beiden Stellungen gleichzeitig angefordert. Durch die im Beispiel gekennzeichnete Fahrt von P11 verlangt einerseits die Weiche 13, andererseits die Weiche 11 nach Flankenschutz und beide finden ihn an der Weiche 14 – aber in unterschiedlichen Stellungen. Zwieschutzweichen müssen in der Stellwerkslogik besonders behandelt werden. Der Konflikt des Ausschlusses von Fahrstraßen durch Zwieschutzweichen wird behoben, indem für die Flankenschutzanforderungsfälle folgende Reaktionen vorgesehen werden: – Verschluss der Zwieschutzweiche (Bedienung der Flankenschutzanforderung), – Ersatzschutz (Erfüllung der Flankenschutzanforderung durch ein alternatives Flankenschutzelement), – Flankenschutzverzicht. Die Wahl der jeweiligen Maßnahme hängt von der betrieblichen Situation auf der Infrastruktur ab. So kommt Flankenschutzverzicht in der Regel nur dann zur Anwendung, wenn die zu schützende Fahrt kein hohes Risikopotenzial birgt (z.B. nur Güterverkehr stattfindet). Flankenschutz gegen das Strecken der Züge Das Phänomen des Streckens von Zügen besteht darin, dass ein haltender Zug mit eingedrückten Federpuffern zum Stehen kommt, da die Wagen beim Bremsen aufeinander auflaufen. Wenn während eines längeren Halts Abb. 13.19 Beispiele für Zwieschutzweichen
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
die Bremskraft der Luftdruckbremse nachlässt, entspannen sich die Federn der Puffer wieder – der hintere Zugteil bewegt sich dadurch bis zu mehreren Metern rückwärts. Diese ungewollte Bewegung kann zu einer Gefährdung durch Flankenfahrt führen, welcher entgegen gewirkt werden muss. Sind Fahrwegweichen mit Flankenschutzfunktion vorhanden, so werden diese verwendet, wie in Abb. 13.20a dargestellt. Sind solche nicht vorhanden, wird der Streckschutz durch Gleisfreimeldeabschnitte sichergestellt. Eine relativ aufwändige Möglichkeit ist der Einsatz eines separaten Streckschutzabschnittes (Abb. 13.20b). Hierbei liegt die Fahrstraßenzugschlussstelle am Ende des Streckschutzabschnittes, so dass die Einfahrstraße erst dann aufgelöst wird, wenn dieser besondere Abschnitt frei ist. Sollte sich der eingefahrene Zug in den Abschnitt hinein strecken, so hat das keine Auswirkungen, da für die Fahrt auf dem anderen Gleis nur die Weiche freigemeldet werden muss. Eine einfachere Möglichkeit ist die Verlängerung des Freimeldeabschnittes der einmündenden Weiche (Abb. 13.20c). Hierbei liegt die Fahrstraßenzugschlussstelle am Ende dieses Abschnittes, der Zug muss diesen also geräumt haben, damit die nächste Fahrt stattfinden kann. Sollte er sich nun strecken, so stehen ihm dafür 10 m zur Verfügung. Diese Länge reicht aus, damit das Zugende noch vor dem Grenzzeichen der Weiche zum Stehen kommt. 13.4.3.6 Freimeldung der Fahrstraßenbestandteile In der Regel müssen alle topologischen Bestandteile einer Zugstraße auf Freiheit von
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anderen Schienenfahrzeugen geprüft werden. Dazu werden alle freizuprüfenden Gleise in Gleisfreimeldeabschnitte unterteilt. Dort, wo auch der „Schutz vor übrigen Hindernissen“ (s. Abschn. 13.1.1) realisiert wird, werden auch die Ergebnisse dieser Sensoren einbezogen. Bei Rangierstraßen ist die Freimeldung in der Regel nicht notwendig, da zum Bilden und Zerlegen von Zügen in besetzte Gleise eingefahren werden muss. Für Zugfahrten müssen alle topologischen Bestandteile einer Fahrstraße freigeprüft werden. In Stellwerken mit technischer Gleisfreimeldung erfolgt die Prüfung kontinuierlich. Dadurch werden die Gleisfreimeldeabschnitte ständig geprüft. Eine Besetzung durch ein in die Fahrstraße eindringendes Fahrzeug führt zum sofortigen Signalhaltfall. Grenzzeichenfreie Freimeldung von Weichen Um sicherzustellen, dass ein Fahrzeug an einer Weiche nicht mit einer Fahrt im benachbarten Strang zusammenstößt, muss es noch vor dem Grenzzeichen (CH: Sicherheitszeichen, A: Grenzmarke) der Weiche stehen; man spricht auch von grenzzeichenfreier Stellung des Fahrzeugs (CH: Profilfreiheit). Hieraus ergibt sich eine Anforderung an die Freimeldung von Weichen. Zur Gleisfreimeldung werden Schienenfahrzeuge nur an ihren Rädern detektiert. Jedes Fahrzeug geht aber über die äußere Achse hinaus. Man spricht dabei auch vom „Überhang“ (Abb. 13.21a). Um sicherzustellen, dass ein Fahrzeug, welches den Freimeldeabschnitt der Weiche verlassen hat, auch grenzzeichenfrei steht, wird die Gleisfreimeldegrenze einige Meter vor dem Grenzzeichen angeordnet.
Abb. 13.20 Möglichkeiten zur Gewährleistung des Streckschutzes
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Abb. 13.21 Freimeldung von Weichen
Nach deutschem Regelwerk sind das 6 m (CH: mindestens 3 m). Ein besonderes Problem, welches häufig auftritt, besteht an Gleisverbindungen dicht benachbarter Gleise. Hierbei sind die Weichen so dicht aneinander angeordnet, dass sich die Grenzzeichen überlappen (Abb. 13.21b). Die Freimeldung kann nicht mehr grenzzeichenfrei erfolgen. Eine Möglichkeit der Abhilfe wäre die Anordnung zweier Gleisfreimeldegrenzen jeweils 6 m nach dem Grenzzeichen. Aufgrund des hohen Aufwands für einen weiteren Gleisfreimeldeabschnitt kommt diese Maßnahme nicht zur Anwendung. Außerdem ist die Positionierung von Gleisfreimeldegrenzen in Weichen bei Gleisstromkreisen problematisch. Das Problem kann durch einen Eingriff in die Stellwerkslogik gelöst werden. Dazu wird bei jeder Weiche – aber nur in der Stellung für den Fahrweg, der über beide Weichen geht – eine Umstellsperre aktiv, die so lange andauert, bis die benachbarte Weiche frei ist. Durch die Umstellsperre kann im benachbarten Gleis (im Beispiel über die geraden Stränge der Weichen) keine weitere Fahrt stattfinden. Da bei Achszählern das Anordnen von Gleisfreimeldegrenzen in Weichen möglich ist, kann zumindest eine Weiche grenzzeichenfrei freigemeldet werden (Abb. 13.21c). Hierbei ist nur die nicht grenzzeichenfrei freigemeldete Weiche entsprechend zu behandeln.
13.4.3.7 Sicherung des Durchrutschweges Der Durchrutschweg (A: Schutzweg), als Bestandteil der Fahrstraße, beginnt am Zielsignal und endet am Gefahrpunkt. International wird er nicht bei allen Bahnen verwendet und manche verwenden ihn nur in bestimmten Fällen. Mit wenigen Ausnahmen gelten in der deutschen Fahrstraßenlogik alle Sicherungskriterien für die Fahrstraße auch für den Durchrutschweg. So wird er in den Fahrstraßenverschluss und die -festlegung einbezogen, benötigt Flankenschutz sowie Freimeldung und schließt andere Fahrten aus. Maßgebende Gefahrpunkte Gefahrpunkte können unterteilt werden nach der Art der sich ergebenden Gefährdung. Es können einerseits Punkte sein, an denen die Gefahr besteht, mit anderen Fahrzeugen zusammenzustoßen oder Punkte im Gleis, an denen eine Entgleisung der durchrutschenden Fahrt stattfinden kann. 1) Andere Fahrzeuge a) Haltende Fahrten Bei haltenden Fahrten besteht die Gefahr des vorderen bzw. hinteren Eindringens in den von ihnen gerade belegten Lichtraum. Deswegen wird die äußere Grenze des von den haltenden Fahrten belegbaren Lichtraums als Gefahrpunkt angenommen. Als eine solche Grenze werden Halt gebietende Signale, z.B. Hauptsignal, Sperr-
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
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Abb. 13.22 Beispiele für maßgebende Gefahrpunkte
bzw. Rangierhaltsignal oder die Rangierhalttafel (A: Verschubhaltetafel) angenommen. Sie decken den Durchrutschweg von der Spitze aus. Solche Gefahrpunkte befinden sich in Abb. 13.22 hinter den Signalen BB und N2. Ein Bahnsteigende kann ebenfalls einen Gefahrpunkt darstellen, da Züge dort regelmäßig halten (N1 in Abb. 13.22). b) Flanke einer Zug- bzw. Rangierfahrt Sehr häufig wird das Grenzzeichen einer stumpf berutschten Weiche als Gefahrpunkt angenommen (P1 in Abb. 13.22). Vorteilhaft dabei ist, dass der andere Strang der Weiche für weitere Fahrten verwendet werden kann. Würde der Durchrutschweg über das Grenzzeichen hinaus in die Weiche gehen, wären die anderen Fahrten ausgeschlossen. 2) Infrastrukturelemente a) Bewegliches Fahrwegelement Um bewegliche Fahrwegelemente befahren und auch berutschen zu dürfen, müssen diese in der richtigen Endlage verschlossen sein. So enthält z.B. der Durchrutschweg hinter P3 in Abb. 13.22 eine zu verschließende Weiche. Um möglichst wenige Weichen verschließen zu müssen, wird oft auch der Anfang einer spitz berutschten Weiche zum Gefahrpunkt erklärt. Da der Durchrutschweg in voller Länge befahrbar sein muss, dürfen auch keine aufgelegten Gleissperren enthalten sein, weshalb auch diese zum Gefahrpunkt werden können (P3 in Abb. 13.22). In besonderen Fällen, bei denen der Durchrutschweg über eine Gleissperre führt, muss deren abgelegte Stellung verschlossen werden.
b) Ende des befahrbaren Fahrwegs Auch ein Gleisabschluss beendet einen befahrbaren Fahrweg. Ein Durchrutschweg darf nicht darüber hinaus reichen (N3 in Abb. 13.22). Länge von Durchrutschwegen Je nach Geschwindigkeit, mit der auf das Halt zeigende Signal zugefahren wird, sind unterschiedliche Längen von Durchrutschwegen vorzusehen. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass sich bei größeren Geschwindigkeiten der Bremsweg und damit auch der tatsächliche Durchrutschweg verlängern. Die Länge von Durchrutschwegen ist – wenn überhaupt vorgesehen – international sehr unterschiedlich. Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz vorgeschriebenen Längen bei Normalspurbahnen sind in Abb. 13.23 wiedergegeben. Teilweise werden sie noch mit einem Gefällezuschlag versehen. In besonderen Fällen, wie Einfahrt in ein teilweise besetztes Gleis oder in ein Stumpfgleis, kann es vorkommen, dass kein oder nur ein sehr kurzer Durchrutschweg zur Verfügung steht. Dann sind Maßnahmen zu treffen, die die Wahrscheinlichkeit des Durchrutschens verringern, wie z.B. Verringerung der Einfahrgeschwindigkeit oder besondere Hinweise an den Triebfahrzeugführer durch Signalisierung oder Fahrplanunterlagen. Verschluss von Weichen im Durchrutschweg Deutsche Regelwerke lassen es zu, dass stumpf berutschte Weichen mit auffahrbarem Antrieb nicht verschlossen werden müssen. Man spricht von einer „Regelstellungsweiche“, weil
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Eisenbahnsicherungstechnik Abb. 13.23 Regeldurchrutschweglängen
diese in der Regel für den Durchrutschweg in eine bestimmte Stellung gebracht werden soll, aber nicht verschlossen wird. Bei diesen Weichen besteht lediglich die Gefahr, dass sie im Falle des Berutschens falsch steht und dabei aufgefahren wird, was nicht gefährlich ist. Nicht in allen Stellwerksbauformen kann die Logik von Regelstellungsweichen implementiert werden. In so einem Fall müssen auch stumpf berutschte Weichen verschlossen werden. Vereinfachungen bei Durchrutschwegen Die Wahrscheinlichkeit für das Durchrutschen ist gering und beträgt ca. 10-5 pro Fahrt auf ein Halt zeigendes Signal. Das gleichzeitige Durchrutschen zweier gleichzeitig einfahrender Züge beträgt somit ca. 10-10 pro Fall zweier gleichzeitig einfahrender Züge. Diese Wahrscheinlichkeit ist hinreichend klein, so dass dieser Fall nicht angenommen werden muss. Deshalb dürfen nach deutschen Richtlinien Fahrwegelemente gleichzeitig von zwei Durchrutschwegen in Anspruch genommen werden. Auch diese Besonderheit ist nicht in allen Stellwerksbauformen implementierbar. In einigen Fällen kann es schon deshalb scheitern, weil
stumpf berutschte Weichen verschlossen werden müssen. In der Schweiz gilt bei Gegeneinfahrten nur die einfache Länge des jeweils längeren Durchrutschweges. Bei Paralleleinfahrten ist nur ein Durchrutschweg zu berücksichtigen. Außerdem kann für Folgefahrten der Durchrutschweg auf 40 m verkürzt werden, wenn der Abstand zum nächsten – Hauptsignal mehr als 750 m oder – Perron (Bahnsteig) mehr als 100 m beträgt. Wahldurchrutschwege Selbstverständlich schließen sich Durchrutschwege mit anderen Fahrten aus. Wenn z.B. in Abb. 13.24a die Ausfahrt von P3 und die Einfahrt auf P2 gleichzeitig eingestellt werden soll, würden sich diese beiden Fahrten ausschließen, wenn der reguläre Durchrutschweg hinter P2 in die Ausfahrstraße hineinreicht. Um solche Ausschlüsse zu vermeiden, ist es möglich, einen weiteren Durchrutschweg hinter P2 einzurichten. Dieser ist kürzer und endet bereits am Grenzzeichen der nächsten Weiche. Die Verkürzung muss mit einer Verringerung der Einfahrgeschwindigkeit erkauft wer-
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
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Abb. 13.24 Beispiele für Wahldurchrutschwege
den. Mehrere Durchrutschwege hinter einem Signal nennt man Wahldurchrutschwege, da der Bediener je nach betrieblicher Situation einen Durchrutschweg wählen kann. Ein anderes Erfordernis für die Einrichtung von Wahldurchrutschwegen können mehrere Ausfahrrichtungen hinter einem Ausfahrsignal sein (Abb. 13.24b). Um eine Durchfahrt einzustellen, müssen Ein- und Ausfahrstraße gleichzeitig eingestellt werden. Wenn aber die Verzweigung unterschiedlicher Ausfahrwege im Durchrutschweg liegt, kann nur die Ausfahrt eingestellt werden, in die der Durchrutschweg hinein reicht. Um solcher Art Fahrstraßenausschluss – eine Einfahrt mit der weiterführenden Ausfahrt – zu vermeiden, werden ebenfalls Wahldurchrutschwege eingeführt. 13.4.3.8 Fahrstraßenfestlegung Vor dem Stattfinden der Fahrt muss die Fahrstraßenfestlegung erfolgen. Sie verhindert ein Zurücknehmen des Fahrstraßenverschlusses und ist Voraussetzung für die Fahrtstellung des Signals; letzteres deshalb, damit nur festgelegte Fahrstraßen befahren werden. Mit der Festlegung ist die Fahrstraße nicht mehr ohne weiteres rücknehmbar, da ab diesem Zeitpunkt ein Signal auf Fahrt gestanden haben und damit sich bereits eine Fahrt in der Fahrstraße befinden kann. Soll bei Unregelmäßigkeiten eine bereits festgelegte Fahrstraße ohne durchgeführte Fahrt aufgelöst werden, so ist eine registrierpflichtige Handlung notwendig. 13.4.3.9 Abhängigkeiten zum Streckenblock Wird bei Ausfahrstraßen die anschließende Strecke mit Blockinformationen gesichert, so werden die Kriterien des Folge- und Gegen-
fahrschutzes mit geprüft. Weitere Erläuterungen über die Kriterien erfolgen in Abschn. 13.4.4. 13.4.3.10 Weitere Abhängigkeiten Bei besonderen Bedingungen kann es weitere Abhängigkeiten zur Einstellung der Fahrstraße geben. So ist es z.B. möglich, die Einfahrt in ein bestimmtes Ladegleis von der Zustimmung des Bedieners der Ladeeinrichtung abhängig zu machen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, auf Grenzbahnhöfen die Ausfahrt eines Zuges nur zu gestatten, wenn die Stellen der Grenzabfertigung zugestimmt haben. In Tunneln kann der Zustand seitlicher Türen z.B. zu Querschlägen (Verbindung zweier Röhren) oder Fluchtwegen geprüft werden. 13.4.3.11 Abhängigkeiten zu Bahnübergängen In einigen Fällen müssen Bahnübergänge (BÜ) von Fahrstraßen abhängig sein. Das betrifft sowohl den Einschaltanstoß als auch die Überwachung des gesicherten Zustandes. Die Einschaltung eines BÜ erfolgt beim Fahrstraßenaufbau immer als letztes Kriterium vor der Signalfahrtstellung. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass bei einer Störung im Fahrstraßenaufbau der BÜ nicht unnötig für den Straßenverkehr gesperrt sein soll. Die Überwachung eines gesicherten BÜ erfolgt permanent. Voraussetzung für den gesicherten Zustand sind das Leuchten der Rotlichter und, abhängig von den Forderungen des Betreibers, die geschlossenen Schranken. Sollte eine Voraussetzung nicht mehr gegeben sein, kommt das Signal automatisch in die Haltstellung.
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13.4.3.12 Signalisierung von Fahrstraßen Fahrtstellung des Signals Erfüllt die Fahrstraße alle Anforderungen und ist sie festgelegt, kann das Signal auf Fahrt gestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Zielsignal kein Zusatzsignal zur ersatzweisen Erteilung der Zustimmung zur Zugfahrt zeigt, nicht betrieblich ausgeschaltet oder erloschen ist. Diese Bedingungen weisen auf das Problem der Sicherung des folgenden Abschnitts hin. Zum einen müssen im folgenden Abschnitt befindliche Fahrzeuge gedeckt, zum anderen muss der Zug vor ungesicherten Fahrwegelementen geschützt werden. Wichtig ist also, dass der freigegebene Bereich am Ende durch ein Halt zeigendes Signal begrenzt wird. Da es in den meisten Fällen möglich sein muss – bei Vorliegen der Voraussetzungen – auch mehrere Fahrstraßen hintereinander einzustellen, kommt eine Haltprüfung des Zielsignals nur in solchen Fällen in Frage, in denen das gleichzeitige Einstellen der nächsten Fahrstraße nicht gefordert ist. Es werden verschiedene Strategien angewandt, um das Problem zu lösen. Geschwindigkeitssignalisierung Statische Geschwindigkeitsbegrenzungen werden durch die Einrichtung ständiger oder vorübergehender Langsamfahrstellen gekennzeichnet. Wo aber ein Hauptsignal einen Fahrweg sichert, kann es z.B. durch Fahrwegverzweigungen zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten je nach Fahrweg kommen. Diese müssen durch dynamische Signalisierung dem Triebfahrzeugführer bekannt gegeben werden. Es gibt drei grundlegende Ursachen für eine Geschwindigkeitsbeschränkung in der Fahrstraße: 1. Geschwindigkeitseinschränkung durch Fahrweg bei verschiedenen Fahrwegen Die häufigste Einschränkung der Geschwindigkeit ergibt sich durch die im jeweiligen Fahrweg zulässige Geschwindigkeit, welche
wiederum fast immer durch die Abzweiggeschwindigkeit abzweigend befahrener Weichen bestimmt wird. Dabei ist zu beachten, dass auch vor dem Signal befindliche Elemente eine solche Einschränkung hervorrufen können (z.B. bei Gruppensignal oder Mittelweiche). In der Regel können Weichen im Stammgleis mit unverminderter Geschwindigkeit durchfahren werden; die Geschwindigkeit im Zweiggleis richtet sich nach dem Radius des Zweiggleises. Bei besonderen Weichenformen bzw. Weichen, die in einer Überhöhung liegen und/oder oder durch Gleisbögen angeschlossen sind, können andere Geschwindigkeiten vorgegeben werden. Aber auch andere Trassierungselemente (z.B. Gleisverziehungen) können zur Einschränkung der Geschwindigkeit eines Fahrweges führen. In den meisten Fällen wird jedoch so trassiert, dass neben den Weichen keine weiteren Geschwindigkeitseinschränkungen durch Trassierungselemente entstehen. 2. Verkürzter Durchrutschweg Wie in Abschn. 13.4.3.7 erläutert, können zur Vermeidung von Fahrstraßenausschlüssen Wahldurchrutschwege eingerichtet werden. Oftmals sind alternative Durchrutschwege kürzer. Sie führen damit zu einer Einschränkung der Geschwindigkeit, mit der auf das Zielsignal zugefahren werden darf. Diese Geschwindigkeit muss am Startsignal signalisiert werden. 3. Verkürzter Bremswegabstand Ist der Abstand zweier Hauptsignale geringer ist als der Regelbremsweg, so gibt es die Möglichkeit, dass am Startsignal bereits eine geringere Geschwindigkeit gefahren werden muss, damit der Zug innerhalb des verkürzten Bremswegabstandes sicher zum Stehen kommt. Nähere Ausführungen zu diesem Sachverhalt sind in Abschn. 12.2.2.3 enthalten. In der Schweiz wurden in modernen Stellwerken weitere Funktionalitäten implemen-
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
tiert, die zu verringerten Geschwindigkeiten führen können: – nicht vollständig gegebener Flankenschutz (dann höchstens 120 km/h), – Arbeiten im Nachbargleis bei zweigleisigen Tunneln. Sonstige Zusatzsignalisierung Neben der Geschwindigkeitssignalisierung können weitere Besonderheiten signalisiert werden. Die Möglichkeiten wurden bereits in Abschn. 12.2.2.5 vorgestellt. Vorsignalisierung Die Stellung des Hauptsignals einschließlich solcher Besonderheiten, die ein vorheriges Bremsen erfordern, ist vorzusignalisieren, damit der Triebfahrzeugführer seine Fahrweise auf das zu erwartende Hauptsignal einstellen kann. Erfolgt die Vorsignalisierung durch ein separates Vorsignal, so wird dessen Steuerung in den meisten Fällen direkt von der Hauptsignallogik aus angesteuert. Stehen Vor- und Hauptsignal an einem Standort oder werden kombinierte Signale genutzt, so muss ein Haltbegriff am Hauptsignal einen eventuellen Fahrtbegriff am Vorsignal maskieren, d.h., das Vorsignal darf dann keinen Begriff anzeigen. Haltstellung des Signals Nach der Vorbeifahrt des Zuges am Startsignal der Fahrstraße muss dieses umgehend auf Halt gestellt werden, damit der Zug durch ein Halt zeigendes Signal gedeckt ist. In Stellwerken mit technischer Gleisfreimeldung geschieht dies mit dem Befahren des Haltfallabschnitts, auch Löschabschnitt genannt. Der Haltfallabschnitt ist der Gleisfreimeldeabschnitt, bei dessen Befahren das Signal auf Halt zurückgestellt, die Fahrtstellung also „gelöscht“ wird. In Stellwerken ohne technische Gleisfreimeldung wird die Haltstellung durch den Zug an punktförmigen Ortungselementen oder durch den Bediener im Stellwerk ausgelöst. Neben der regulären Haltstellung des Signals muss diese zur Gefahrenabwehr jederzeit mög-
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lich sein. Das kann durch einen Eingriff des Bedieners erfolgen oder durch die technische Fahrstraßenüberwachung, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen für die Fahrstraße gegeben sind. 13.4.3.13 Fahrtabbau Fahrstraßenauflösung im Regelfall Nach erfolgter Fahrt kann die Fahrstraße aufgelöst werden. Dabei ist zwischen den topologischen Bestandteilen einer Fahrstraße zu differenzieren. Auflösung des Befahrenen Teils einschließlich Flankenschutz Nachdem die Fahrstraßenzugschlussstelle passiert wurde, kann der Befahrene Teil einschließlich dessen Flankenschutz aufgelöst werden. Sind die Fahrwegelemente in Teilfahrstraßen aufgeteilt, wird nach dem Befahren der Teilfahrstraßen-Zugschlussstelle die jeweilige Teilfahrstraße aufgelöst. Teilfahrstraßen werden meist durch einen, selten durch mehrere Gleisfreimeldeabschnitte freigemeldet. Voraussetzung für eine Auflösung ist in den meisten Fällen, dass das Startsignal inzwischen Halt zeigt. Um zu erreichen, dass ein Zug nur festgelegte Fahrstraßen befährt, muss die Festlegung eingetreten sein, bevor das Signal auf Fahrt geht. Analog dazu muss beim Fahrstraßenabbau das Signal erst in die Haltstellung kommen, bevor die Festlegung gelöscht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass ein Signal ohne Festlegung nie Fahrt zeigen kann. In Stellwerken mit technischer Gleisfreimeldung werden die Gleisfreimeldeabschnitte zur Fahrstraßenauflösung herangezogen. Diese müssen besetzt gewesen und wieder frei sein, um aufzulösen. Damit wird gleichzeitig eine Funktionskontrolle der Freimeldeeinrichtungen durchgeführt, da nur so geprüft werden kann, ob ein besetzter Zustand wirklich detektiert wird.
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Auflösung des Durchrutschweges Der Durchrutschweg kann aufgelöst werden, wenn er nicht mehr benötigt wird, was dann der Fall ist, wenn der Zug steht, die Gefahr des Durchrutschens somit nicht mehr gegeben ist. Bei Vorhandensein von örtlichem Personal kann dieses den Stillstand durch Beobachtung feststellen und mit einer Bedienhandlung den Durchrutschweg auflösen. Befindet sich kein Personal vor Ort, kann lediglich der Zustand der technischen Gleisfreimeldung ausgewertet werden. Da die Gleisfreimeldeabschnitte aber diskret wirken und eine Fahrzeugbewegung nicht direkt erkennen können, muss auf den Stillstand des Zuges indirekt geschlossen werden. Das wird durch eine zeitverzögerte Auflösung des Durchrutschweges erreicht, deren Zeitglied nach dem Besetzen des Zielgleises angestoßen wird. Die Dauer der Zeitverzögerung wird in Abhängigkeit von der Länge des Zielgleises und der Einfahrgeschwindigkeit gewählt. Fahrstraßenhilfsauflösung Kann eine Fahrstraße nicht regulär aufgelöst werden, so sind meist technische Ausfälle dafür verantwortlich. Aber auch betriebliche Gründe können die Auflösung verhindern, z.B. dann, wenn der vorgesehene Zug die Fahrstraße gar nicht befahren hat. In solchen Fällen muss die Fahrstraße durch eine Hilfsbedienung aufgelöst werden. Fahrstraßenhilfsauflösungen sind sicherheitsrelevante Bedienungen. Da nach der Festlegung das Signal auf Fahrt gestanden haben kann, kann sich bereits ein Zug in der Fahrstraße befinden. Deshalb unterliegt die Fahrstraßenhilfsauflösung einer Registrierpflicht. Bei dieser Registrierung muss der Bediener seine Handlung begründen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, eine Fahrstraßenhilfsauflösung zeitverzögert wirksam werden zu lassen. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit kann angenommen werden, dass ein eventuell in der Fahrstraße befindlicher Zug diese verlassen oder das Zielgleis erreicht hat.
13.4.3.14 Rangierbereiche außerhalb der Verantwortung des Stellwerkspersonals In Stellwerksbereichen stellt im Regelfall der Stellwerksbediener die Weichen bzw. Rangierstraßen für Rangierfahrten. Um den Bediener von solchen Handlungen zu entlasten, besteht die Möglichkeit, die fahrdienstliche Verantwortung in abgegrenzten Bereichen an den Rangierer vor Ort abzugeben. Die Bereiche können sowohl Neben- als auch Hauptgleise umfassen. Die in dem Bereich liegenden Weichen werden dann vom Personal vor Ort bedient, was bei elektrisch angetriebenen Weichen durch in der Außenanlage aufgestellte Bedienelemente geschieht. Damit entfällt auch die sonst notwendige Kommunikation zwischen Rangierpersonal und Stellwerksbediener. Solche abgegrenzten Bereiche werden Nahstellbereiche oder auch Nahbedienbereiche (CH: Rangierzone) genannt. Ist die Nahstellung eingeschaltet, die Verantwortung also beim Rangierpersonal, so muss der Bereich vom übrigen Bahnhofsbereich getrennt werden. Das wird dadurch erreicht, dass Flankenschutzelemente – meist Weichen – die Bereiche gegenseitig schützen. Bei eingeschalteter Nahstellung sind diese in Flankenschutzstellung verschlossen.
13.4.4 Technologie Blockinformation 13.4.4.1 Wesen der Blockinformation Auf der freien Strecke reduzieren sich die Gefährdungsmöglichkeiten. Mit wenigen Ausnahmen muss kein Flankenschutz gewährleistet werden, da keine Weichen vorhanden sind. Dadurch entfällt auch die Sicherung beweglicher Fahrwegelemente. Somit sind lediglich Folge- und Gegenfahrschutz zu gewährleisten. Wie bereits beschrieben, haben sich die unterschiedlichen Technologien aufgrund der nichttechnischen Freimeldemöglichkeit entwickelt. Die indirekte Freimeldung durch Zugschlussbeobachtung findet am Ende der
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
Strecke statt. Dadurch steht die Freimeldeinformation zunächst nur dort zur Verfügung. Benötigt wird sie aber am Anfang der Strecke – wo die Signalbedienung erfolgt. Deshalb muss sie dorthin übertragen werden. Da es sich nur um eine einfache Information (1 Bit) handelt, die aber ggf. über mehrere Kilometer übertragen werden muss, nutzte man schon frühzeitig die Mittel der Elektrotechnik. 13.4.4.2 Folgefahrschutz Bedingungen des Folgefahrschutzes Um den Folgefahrschutz zu realisieren, muss lediglich gewährleistet sein, dass ein „Nachfahren“ in einen Abschnitt – hier den Blockabschnitt – nicht möglich ist. Zunächst darf keine Fahrt in einen bereits besetzten Abschnitt zugelassen werden, d.h., das Signal am Abschnittsanfang darf nur Fahrt zeigen, wenn der Abschnitt frei ist. Analog zur Fahrstraße muss auch hinter einem Halt zeigenden Zielsignal ein Schutzabschnitt freigehalten werden. Dieser Abschnitt wird in deutschen sicherungstechnischen Regelwerken „Gefahrpunktabstand“ genannt. In betrieblichen Regelwerken findet sich auch
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die Bezeichnung „Durchrutschweg hinter Einfahrsignalen“. Die Länge beträgt nach deutschen Vorschriften 200 m, in wenigen Fällen auch darunter. In der Schweiz wird dieser Weg gar nicht berücksichtigt, in Österreich kommen die Regeln des Durchrutschweges zur Anwendung. Die Problematik der Deckung eines Zuges durch ein Halt zeigendes Signal wurde bereits in Abschn. 13.4.1 dargestellt. Die Problematik besteht natürlich auch bei der Sicherung mit Blockinformationen. Würde ein Zug in einen freien Abschnitt eingelassen werden, an dessen Ende aber das Signal fehlerhaft nicht in die Haltstellung gekommen ist, so könnte er in den nächsten Abschnitt einfahren, ohne dass geprüft wurde, ob dieser frei ist (Abb. 13.17). Das Signal am Anfang des Blockabschnittes muss nach Einfahrt des Zuges in den Abschnitt in der Haltstellung verschlossen werden, um den Zug zu decken. Im Gegensatz zum Signal am Ende des Abschnittes, welches beim Verlassen des Abschnitts nur gegen eine fehlerhafte, weiterhin Fahrt zeigende Stellung gesichert werden muss, ist das Signal am Anfang so zu sichern, dass es erst wieder nach dem Eintritt der Grundbedingungen des Folgefahrschutzes einen Fahrtbegriff zeigen kann.
Abb. 13.25 Verhinderung des Nachfahrens von Zügen bei der Sicherung mit Blockinformationen
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Bedingt durch die praktische Umsetzung der Bedingungen ergeben sich in der Technologie der Sicherung mit Blockinformationen gewisse Schritte in der praktischen Umsetzung. Beispielhaft soll hier die deutsche Ausprägung herangezogen werden. Nachdem ein Zug in einen Blockabschnitt eingefahren ist, wird zunächst das Signal am Anfang des Abschnittes in die Haltstellung gebracht. Die Haltstellung ist solange nicht sicherheitsrelevant, wie kein anderer Zug in den davor liegenden Abschnitt gelangen kann. Befindet sich das Signal in der Haltstellung, so kann die nachfolgende Zugfolgestelle über die Besetzung des Blockabschnittes informiert werden. Dieser Vorgang wird Vorblocken genannt. Die Übertragung des Vorblocks ist nicht sicherheitsrelevant. Der gleichzeitig eintretende Verschluss des oder der Signale am Anfang des Blockabschnittes hingegen besitzt Sicherheitsrelevanz. Man spricht auch vom Signalverschluss. Das Signal bzw. die Signale müssen nun so lange in Halt verschlossen bleiben, bis die Bedingungen für eine Fahrtstellung wieder gegeben sind. Wie bereits erwähnt, liegen die Bedingungen am Ende des Blockabschnittes vor, weshalb die Information über ihr Eintreten übertragen werden muss. Die Übertragung wird durch den Rückblock realisiert. Dieser ist in höchstem Maße sicherheitsrelevant; gibt er doch den Abschnitt für eine weitere Zugfahrt frei. Für die Zulassung einer folgenden Fahrt sind drei Grundbedingungen zu erfüllen: 1. Blockabschnitt frei, 2. Schutzabschnitt hinter dem Signal am Ende des Blockabschnitts frei (nicht in CH), 3. Vorausfahrender Zug durch Signal gedeckt. 13.4.4.3 Gegenfahrschutz Bedingungen des Gegenfahrschutzes Für den Gegenfahrschutz ist zu gewährleisten, dass zwei Züge nicht im gleichen Abschnitt aufeinander zufahren können. Einerseits könnte eine Zugfahrt zugelassen werden, während sich bereits eine andere in entgegenge-
setzter Richtung im Abschnitt befindet. Andererseits könnte aber auch nur die Möglichkeit bestehen, dass eine entgegengesetzte Zugfahrt zugelassen werden kann. Die Vereinbarung über die aktuelle Richtung der Befahrung wird „Erlaubnis“ (CH: Fahrrichtung) genannt. Dass sich kein Zug auf der Strecke befindet, wird dadurch erzwungen, dass der Wechsel der Erlaubnis nur bei freier Strecke stattfinden kann. Hierfür muss abgeprüft werden, ob sich ein Zug auf der Strecke befindet. Um nicht bei einer möglichen Gegeneinfahrt in den Abschnitt eine Fahrt zuzulassen, muss gewährleistet werden, dass im Moment des Erlaubniswechsels alle auf die Strecke weisenden Signale der begrenzenden Zugmeldestellen verschlossen sind. Darüber hinaus besteht noch eine nicht sicherheitsrelevante, aber Behinderungen vermeidende Aufgabe. Zwar könnten auf einem Gleis zwei Züge aufeinander zufahren, solange sie sich in eigenen Blockabschnitten befinden. Allerdings würden sie sich dann an einer Blockstelle gegenüberstehen und damit eine Betriebsbehinderung („Deadlock“) ausgelöst haben. Die letzte, nicht sicherheitsrelevante Aufgabe zeigt, dass eine Vereinbarung über die Richtung, in der die Strecke befahren werden darf, nur zwischen benachbarten Zugmeldestellen sinnvoll ist. Zur Gewährleistung des Gegenfahrschutzes sind zwei Grundbedingungen zu erfüllen: 1. Es befindet sich kein Zug auf der Strecke. 2. Alle auf die Strecke weisenden Signale sind verschlossen. Varianten des Erlaubnisverfahrens Bei der bisherigen Beschreibung wurde immer von einer platzierten Erlaubnis ausgegangen. Dabei befindet sich die Erlaubnis immer an der Zugmeldestelle, die Züge ablassen kann; deren Ausfahrsignale sind also nicht durch die Erlaubnis verschlossen. Beim Wechsel der Erlaubnis kann unterschieden werden zwischen dem Abgeben und dem Holen der Erlaubnis. In der
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
deutschen und österreichischen Sicherungslogik ist das Abgeben der Erlaubnis üblich, in der Schweiz wird die Erlaubnis geholt (CH: „Fahrrichtung anfordern“). Es gibt aber auch Verfahren mit neutraler Erlaubnis. Dabei hat in Grundstellung keine Zugmeldestelle die Erlaubnis („neutrale Stellung“), es sind also alle Ausfahrsignale in Halt verschlossen. Um eine Fahrt durchführen zu können, muss sich eine Stelle die Erlaubnis „nehmen“, sofern die Bedingungen erfüllt sind. Nach einer Fahrt geht die Erlaubnis wieder in die neutrale Stellung. 13.4.4.4 Integration beweglicher Fahrwegelemente In den meisten Fällen befinden sich auf der freien Strecke keine beweglichen Fahrwegelemente im Sinne der Definition nach 13.3.1.1. In einigen Fällen ist das jedoch möglich. Dann müssen diese Elemente gesichert werden, bevor das Signal am Anfang des Blockabschnittes die Fahrtstellung einnehmen kann. Damit wird sowohl die Schutzfunktion „Flankenschutz“ als auch die Funktion „Sicherung beweglicher Fahrwegelemente“ bedient. Stellbare Fahrwegelemente können durch Verknüpfungen mit der Blocklogik in die Sicherung mit Blockinformationen integriert werden.
13.4.5 Techniken zur Fahrwegsicherung Die Fahrwegsicherung mit Fahrstraßen oder Blockinformation verlangt nach konkreten Techniken, in denen diese Technologien umgesetzt werden. Die im Laufe der Eisenbahngeschichte entwickelten Techniken sind auch immer eine Manifestation der zum Entwicklungszeitpunkt vorhandenen technischen Möglichkeiten. Einerseits betrifft das die Mittel zur technischen Informationsverarbeitung; des Weiteren hatten die technischen Voraussetzungen (insbesondere die Möglichkeiten zur Gleisfreiprüfung) unmittelbaren Einfluss auf die Herausbildung der unterschiedlichen
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Technologien zur Fahrwegsicherung (s. auch Abschn. 13.4.1). 13.4.5.1 Mechanische Stellwerke Schon in den Anfangszeiten der Eisenbahnen wurde erkannt, dass für ein zeitgerechtes Einstellen der Fahrwege eine Zentralisierung der Bedienung von Vorteil ist. Diese Zentralisierung schuf gleichzeitig die Voraussetzungen, die Bedienelemente und damit die Weichen und Signale untereinander in Abhängigkeit zu bringen (Signalabhängigkeit). Zur Verarbeitung der Informationen stand nur die Mechanik zur Verfügung, was zur Konstruktion mechanischer Stellwerke führte, bei denen die Verknüpfung der Elemente durch mechanische Verschlüsse realisiert wird. Die Kraft zum Stellen der Elemente wird dabei durch Muskelkraft des Menschen aufgebracht, die Übertragung zu den Elementen erfolgt durch Gestänge oder Drahtzugleitungen. Wegen der mechanischen Informationsübertragung sind die Stellentfernungen für Weichen auf wenige hundert Meter begrenzt. Für Signale lässt sich etwa die doppelte Stellentfernung realisieren. In der Regel besitzen mechanische Stellwerke keine Gleisfreimeldeanlagen; die Freimeldung erfolgt visuell durch den Menschen (s. 13.2.2.4), was eine entscheidende Sicherheitslücke darstellt. Aufgrund der begrenzten Stellentfernungen und der geforderten Übersicht werden in Bahnhöfen meist mehrere solcher Stellwerke benötigt. Abhängigkeiten der Stellwerke untereinander lassen sich elektrisch herstellen und werden als Bahnhofsblockanlagen bezeichnet. Mechanische Stellwerke sind noch heute in nennenswerter Anzahl im Einsatz. Aufgrund des hohen Instandhaltungsaufwands und des aus den kleinen Stellbereichen resultierenden hohen Personalbedarfs verursachen sie hohe laufende Kosten.
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13.4.5.2 Elektromechanische Stellwerke Elektromechanische Stellwerke unterscheiden sich von mechanischen Stellwerken dadurch, dass der Antrieb und die Überwachung der Elemente sowie die Realisierung eines Teils der Abhängigkeiten elektrisch geschehen. Damit steigt zwar die realisierbare Stellentfernung, die Bereiche der Stellwerke müssen sich dennoch an der Übersicht orientieren, da auch hier regulär noch keine technische Gleisfreimeldung vorgesehen ist. Auch elektromechanische Stellwerke sind noch in nennenswertem Umfang im Einsatz. 13.4.5.3 Relaisstellwerke In Relaisstellwerken werden alle Abhängigkeiten elektrisch über Relais hergestellt. Zur Gewährleistung der Sicherheit sind besondere Relais, die Signalrelais (CH: Sicherheitsrelais), in Verbindung mit einer speziellen Schaltungsgestaltung notwendig. Durch die nun mögliche Trennung von Bedienung und Informationsverarbeitung, muss sich die Anordnung der Bedienelemente (hier: Tasten) nicht mehr nach der dahinter stehenden Technik richten. Somit werden die Bedienelemente in einer für den Bediener leicht erfassbaren Anordnung verwendet, die der Topologie des Gleisnetzes entspricht. Die Art der Bedienung prägte auch die Bezeichnung „Gleisbildstellwerk“ bzw. „Drucktastenstellwerk“. Technische Gleisfreimeldung ist Standard im Relaisstellwerk, was ein entscheidender Sicherheitsvorteil gegenüber den Altbauformen ist. Aufgrund der technischen Freimeldung ist eine Übersicht über die Gleise nicht mehr notwendig. Deshalb und weil die Stellentfernung durch die elektrische Ansteuerung mehrere Kilometer (typisch: 6,5 km) beträgt, wird auch in großen Bahnhöfen in der Regel nur ein Stellwerk errichtet. Außerdem eröffnet sich die Möglichkeit der Fernsteuerung, so dass Stellwerke unbesetzt bleiben und von einer übergeordneten Zentrale gesteuert werden können.
Relaisstellwerke realisieren momentan noch den größten Anteil der Steuerung und Sicherung des Eisenbahnbetriebes. 13.4.5.4 Elektronische Stellwerke (ESTW) Elektronische Stellwerke entsprechen in ihrem Funktionsumfang im Wesentlichen dem von Relaisstellwerken der letzten Generation. Durch Vernetzung von Rechnern mittels Bussystem jedoch setzt die Stellentfernung elektrischer Elemente der Außenanlage keine Grenze mehr hinsichtlich der örtlichen Ausdehnung eines Stellwerksbereiches. Dies kann eine erheblich höhere Zentralisierung der Sicherung und Steuerung zur Folge haben. In Elektronischen Stellwerken werden die sicherungstechnischen Verknüpfungen durch Mikrorechner mit entsprechender Software realisiert. Dabei sind besondere Maßnahmen zur Gestaltung der Hard- und Software erforderlich, um Ausfälle der Technik nicht gefährlich wirken zu lassen. Aber auch besondere Maßnahmen zur Gewährleistung der Verfügbarkeit sind notwendig, da technische Ausfälle erheblich größere betriebliche Behinderungen zur Folge haben können, als in früheren Stellwerksbauformen. Elektronische Stellwerke verdrängen mehr und mehr die älteren Stellwerksbauformen. Die Fernsteuerung elektronischer Stellwerke wird heute oft angewandt. Dabei wird die Bedienung mehrerer Stellwerke in Zentralen (DB: Betriebszentrale, SBB: Betriebssteuerzentrale) zusammengefasst. Da sich die Bedienbereiche in elektronischen Stellwerken flexibel den Bedienern zuordnen lassen, kann der Aufwand an Bedienpersonal der betrieblichen Belastung angepasst werden, was einen wirtschaftlichen Vorteil darstellt. 13.4.5.5 Streckenblockanlagen mit Sicherung durch Blockinformation Klassische Streckenblockanlagen bedienen sich der Sicherung mit Blockinformationen (s. 13.4.4). Die Übertragung der Blockinformati-
13.4 Technologien der Fahrwegsicherung
on geschieht dabei meist mit niederfrequentem Wechselstrom, der durch Schrittschaltwerke ausgewertet wird. Daneben gibt es elektronische Systeme, bei denen die Information durch einen Frequenzcode übermittelt wird. In der Schweiz sind vornehmlich Systeme mit Gleichstrom im Einsatz. Grundsätzlich ist – ähnlich wie bei den Stellwerken zur Sicherung mit Fahrstraßen – zu unterscheiden, ob die Gleisfreimeldung technisch oder nichttechnisch geschieht. Ist eine technische Freimeldung vorhanden, so kann der Folgefahrschutz (13.4.4.2) vollautomatisch gewährleistet werden. Ist diese nicht vorhanden, ist die Mitwirkung des Menschen zur Zugschlusskontrolle notwendig, was Personal auf allen Zugfolgestellen erforderlich macht. 13.4.5.6 Streckenblockanlagen mit Fahrstraßensicherung Wie in 13.4.1 beschrieben, haben sich die unterschiedlichen Technologien Fahrstraße und Blockinformation aufgrund der nichttechnischen Gleisfreimeldung entwickelt. Mit der Einführung einer technischen Gleisfreimeldung auch auf längeren Abschnitten war die Notwendigkeit einer abweichenden Technologie (Blockinformation) auf der Strecke mit allen daraus folgenden Unterschieden gegenüber der Fahrstraße für die betriebliche Handhabung eigentlich entfallen. Dennoch wurde zunächst an der Sicherung mit Blockinformationen festgehalten, vor allem, um die Kompatibilität zu benachbarten Betriebsstellen und zum Regelwerk zu bewahren. Erst später wurden Blocktechniken entwickelt, die auf der Technologie der Fahrstraße basieren. Im Gegensatz zu den Techniken, die mit Blockinformation arbeiten und bei denen die Blocklogik an jeder Zugfolgestelle angeordnet ist, wird hier die Sicherungslogik zentral angeordnet. Deshalb werden solche Blockbauformen auch „Zentralblock“ genannt.
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13.4.6 Leittechnik Die Weiterentwicklung der Technik mit der Möglichkeit, komplexe Informationen zu verarbeiten, führte dazu, dass auch dispositive Tätigkeiten durch Technik übernommen werden konnten. Da solche Tätigkeiten nicht sicherheitsrelevant sind, spricht man von Leittechnik im Gegensatz zur Sicherungstechnik. Da die Leittechnik aber funktional mit der Sicherungstechnik eng verbunden ist, werden diese meist im Zusammenhang betrachtet. Das führte auch zum Begriff „Leit- und Sicherungstechnik“ (LST), den die Deutsche Bahn in ihren Gründungsjahren schuf und der sich weitgehend durchgesetzt hat. Eine wichtige Voraussetzung, um disponieren zu können, ist die Kenntnis der Zugstandorte. Die Zuglaufverfolgung kann auf verschiedenen Wegen durchgeführt werden: – Eingabe der Zugnummer und Weiterschaltung dieser nach Information aus der Sicherungstechnik – Erkennung der Fahrzeuge in der Infrastruktur durch Kennungsgeber (z.B. Transponder) – Selbstortung des Fahrzeugs und Übertragung der Information an eine Zentrale Eisenbahnen wenden hauptsächlich die erste Möglichkeit an. Die zweite Möglichkeit wird oft im Nahverkehrsbereich verwendet. Technisch wird die Zuglaufverfolgung durch Zugnummernmeldeanlagen (ZN) realisiert. Durch sie wird nicht nur das fernmündliche Zugmeldeverfahren ersetzt, sondern auch eine übersichtliche Darstellung der Zugstandorte in einem Gleisbild möglich. Die technische Erfassung der Zugstandorte ist Voraussetzung für die Zuglenkung, die die Einstellung von Fahrstraßen automatisiert. Durch sie wird der Bediener von Routinetätigkeiten entlastet und ein zeitgerechtes Einstellen der Fahrstraße – sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen – erreicht.
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Heutige Zuglenkungen können nach zwei Prinzipien arbeiten: mit Lenkziffer oder mit Lenkplan. Bei der Zuglenkung mit Lenkziffer wird jede Zugnummer in der ZN-Anlage um eine Lenkziffer ergänzt, die, abhängig von der Region, einen Laufweg beschreibt. Damit können aber nur grundsätzliche Entscheidungen an Streckenverzweigungen automatisiert werden. Bei der Zuglenkung mit Lenkplan hingegen besteht ein Plan, der für jede Zugnummer das zu benutzende Gleis vorsieht. Nur bei Konflikten, die durch Unregelmäßigkeiten wie z.B. Verspätung entstehen, muss der Bediener eingreifen.
13.5 Anordnung ortsfester Signale 13.5.1 Bezeichnung der Vor- und Hauptsignale 13.5.1.1 Deutsches System Zur Bezeichnung der Vor- und Hauptsignale wurde ein einheitliches Bezeichnungsschema eingeführt, aus welchem auch die betrieb-
liche Funktion hervorgeht. Tabelle 13.2 zeigt die wichtigsten Bezeichnungen. Bei der Bezeichnung wird unterschieden, ob die Signale in Richtung oder in Gegenrichtung der Kilometrierung einer Strecke stehen. Bei Einfahrsignalen besteht ein Wertevorrat für fünf Strecken je Richtung. Bei zweigleisigen Strecken bekommt das Einfahrsignal am Gegengleis den doppelten Buchstaben. Ausfahr- und Zwischensignale bekommen einen oder zwei Buchstaben zusammen mit der Gleisnummer. Vorsignale werden mit einem „V“ und dem Kleinbuchstaben des Hauptsignals bezeichnet (Abb. 13.26). 13.5.1.2 Österreichisches System Die Bezeichnungen für Haupt- und Vorsignale in Österreich werden ähnlich wie in Deutschland vergeben. Auch hier sind für bestimmte Funktionen Buchstaben vorgesehen, die bei Ausfahr- und Zwischensignalen mit der Gleisnummer ergänzt werden. Die Bezeichnung von Vorsignalen entspricht der des zugehörigen Hauptsignals mit dem Unterschied, dass jeweils der Kleinbuchstabe verwendet wird (Tabelle 13.3).
Tabelle 13.2 Deutsches Bezeichnungsschema der Haupt- und Vorsignale
Einfahrsignal Ausfahrsignal Zwischensignal Vorsignal
In km-Richtung
Entgegen km-Richtung
A, B, C, D, E N + Gleisnr. ZR, ZS, ZT + Gleisnr. V + Buchstabe des Haupsignals (klein)
F, G, H, J, K P + Gleisnr. ZU, ZV, ZW + Gleisnr.
Abb. 13.26 Beispiel für die Bezeichnung von Vor- und Hauptsignalen
13.5 Anordnung ortsfester Signale
635
Tabelle 13.3 Österreichisches Bezeichnungsschema der Haupt- und Vorsignale In Richtung Endpunkt der Strecke Einfahrsignal Ausfahrsignal Zwischensignal Vorsignal
Anfangspunkt der Strecke
A, B, C, D Z, Y, X, W R + Gleisnr. H + Gleisnr. E, F, G, K, L, M, N, O, P, S, T, U + Gleisnr. Bezeichnung des Haupsignals (Kleinbuchstabe)
13.5.1.3 Schweizer System In der Schweiz werden Haupt- und Vorsignale ebenfalls mit einem Buchstaben und einer Zahl, die aus der Gleisnummer abzuleiten ist, bezeichnet, jedoch kann hier aus der Bezeichnung nicht auf die betriebliche Funktion geschlossen werden. Für eine Signalstaffel (mehrere Signale in etwa gleicher Höhe) von Hauptsignalen wird ein Großbuchstabe vergeben, der durch die jeweilige Gleisnummer ergänzt wird. In Richtung der Kilometrierung wird mit dem Buchstaben A begonnen und entsprechend dem Alphabet fortgesetzt. In Lageplänen ist es üblich, die Signalbezeichnungen mit den möglichen Fahrbegriffen zu ergänzen. Vorsignale werden mit demselben Buchstaben wie das zugehörige Hauptsignal bezeichnet; die Nummer resultiert jedoch aus der Nummer des Gleises, an dem das Vorsignal steht. Die Nummer wird nach unten, zur Kennzeichnung der Vorsignalfunktion wird ein Stern * nach oben abgesetzt angetragen.
4,50 m zwischen Gleisen ohne Überhöhung) notwendig. Kann der Mindestabstand nicht hergestellt werden, so werden Signalbrücken oder -ausleger eingesetzt, so dass das Signal meist über dem Gleis, in einigen Fällen auch neben dem Gleis (auf der anderen Seite des Auslegerfundamentes) angeordnet ist. Auf zweigleisigen Strecken, außerhalb der Bahnhöfe, werden am Gegengleis (D, A: links; CH: rechts) die Signale links (CH: rechts) vom Gleis aufgestellt. Somit wird auf zweigleisigen Strecken eine Aufstellung von Signalen zwischen den Gleisen vermieden. Zum einen kann dadurch ein geringerer Gleisabstand gewählt werden (z.B. 4,0 m), zum anderen gestaltet sich die Instandhaltung sowohl des Oberbaus als auch der Signale einfacher. Aufgrund örtlicher Besonderheiten kann von den Regeln abgewichen werden; wichtig ist in jedem Fall, dass die Zuordnung von Gleis und Signal eindeutig ist.
13.5.2 Standort quer zum Gleis
13.5.3.1 Abstand vom Gefahrpunkt Wie in 13.4.3.7 erläutert, können unterschiedliche Gefahrpunkte angenommen werden. Die Anordnung von Hauptsignalen erfolgt im Abstand des Durchrutschweges vom Gefahrpunkt. Aus betrieblicher Sicht ist zu beachten, dass die Elemente des Durchrutschweges während seiner Sicherung nicht für andere Fahrten zur Verfügung stehen.
Selbstverständlich müssen alle Bestandteile von Signalen außerhalb des Lichtraumes aufgestellt werden. Außerdem müssen die Signale für den Triebfahrzeugführer eindeutig seinem Gleis zuordenbar sein. In der Regel werden Signale immer rechts (CH: links) vom Gleis aufgestellt. Zur Aufstellung von Signalen zwischen Gleisen ist jedoch ein ausreichender Gleisabstand (Deutschland:
13.5.3 Standort längs zum Gleis
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13.5.3.2 Nutzbare Gleislänge Einen wesentlichen Einfluss auf den Standort der Hauptsignale hat die betrieblich geforderte Gleisnutzlänge. Diese bemisst sich allgemein aus dem Abstand zwischen dem Zielsignal und der Fahrstraßenzugschlussstelle. Wo die Freimeldung des Flankenschutzraumes gefordert (i.d.R. bei Stellwerken mit technischer Gleisfreimeldung) und an der Fahrstraßenzugschlussstelle kein Flankenschutz bietendes Element vorhanden ist, stellt die Fahrstraßenzugschlussstelle nicht die Begrenzung der Nutzlänge dar, sondern das nächste Flankenschutz bietende Element. Abbildung 13.27 verdeutlicht das an einem Beispiel: Fährt ein Zug von A nach Gleis 1 ein, so befindet sich zwar die Fahrstraßenzugschlussstelle nach der Weiche 1, dennoch muss der Zug bis hinter P1 fahren, da dieses Signal das Flankenschutz bietende Element für Fahrten von und nach Gleis 2 darstellt. Würde ein Teil des Zuges zwischen Weiche 1 und Signal P1 stehen bleiben, so wäre der Flankenschutzraum nicht freigemeldet und eine Fahrstraße von und nach Gleis 2 nicht einstellbar. Anders verhält es sich, fährt der Zug von A nach Gleis 2 ein. Hier stellt die Fahrstraßenzugschlussstelle an der Spitze von Weiche 2 gleichzeitig die Begrenzung der Nutzlänge dar; denn hier ist mit der Weiche 2 ein Flankenschutz bietendes Element vorhanden, das Fahrten nach Gleis 1 Flankenschutz gibt.
Abb. 13.27 Beispiel für die Bemessung der Gleisnutzlänge
Für die Fahrten von F nach den Gleisen 1 und 2 verhält es sich so wie im ersten Beispiel; auch hier kann die Fahrstraßenzugschlussstelle nicht die Begrenzung der Gleisnutzlänge darstellen. Um in solchen Fällen die Gleisnutzlänge zu verlängern, kommen drei Möglichkeiten in Betracht: 1. Verschiebung des Ausfahrsignals Wird das Ausfahrsignal in Richtung Bahnhofskopf verschoben, so werden sich Fahrstraßenausschlüsse ergeben, da der Durchrutschweg nun (weiter) in den Bahnhofkopf hinein reicht. Dem kann zwar durch Verkürzung des Durchrutschweges mit gleichzeitiger Verringerung der Einfahrgeschwindigkeit entgegengewirkt werden, beide Maßnahmen bedingen jedoch eine Einschränkung der betrieblichen Leistungsfähigkeit. 2. Verzicht auf Flankenschutz und Rangierverbot In Abb. 13.28 ist die Maßnahme in Gleis 1 dargestellt. Durch den Verzicht auf das Signal P1 kann aber das Gleis 1 nur noch in einer Richtung von Zügen befahren werden. Diese Maßnahme kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn die entfallene Fahrtrichtung nicht benötigt wird. 3. Aufstellung von Sperr- bzw. Rangierhaltsignalen für Flankenschutz Abbildung 13.28 zeigt die Maßnahme angewandt auf Gleis 2. Dort ist nun an der Fahr-
13.5 Anordnung ortsfester Signale
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Abb. 13.28 Möglichkeiten der Verlängerung von Gleisnutzlängen
straßenzugschlussstelle für die Einfahrt von F nach Gleis 2 ein Flankenschutz bietendes Element in Form eines Sperr- bzw. Rangierhaltsignals (s. auch 12.2.2.4) aufgestellt. Nachteilig ist hier, dass ein zusätzliches Signal notwendig ist, welches für seinen eigentlichen Zweck – der Zulassung von Rangierfahrten – gar nicht benötigt wird. In der Praxis wird hauptsächlich die 1. Maßnahme angewandt. Gleichwohl kann natürlich auch von vornherein eine größere bauliche Gleislänge vorgesehen werden. Hier gilt es, in frühen Phasen der Planung sehr sorgfältig wirtschaftliche und betriebliche Belange abzuwägen. 13.5.3.3 Sichtbarkeit Um den Signalbegriff aufzunehmen, ist dem Triebfahrzeugführer eine ausreichende Zeit, die Signalsichtzeit, einzuräumen. Die Einhaltung dieser Mindestzeit wird durch die Bereitstellung einer Mindestsichtweite realisiert, welche sich aus dem Produkt der größten zulässigen Geschwindigkeit und der Signalsichtzeit ergibt. Beide Vorgabearten – Sichtzeit und Sichtweite – sind üblich. Im Bereich der Mindestsichtbarkeit muss immer der vollständige Signalbegriff sichtbar sein, damit durch partielle Verdeckung (z.B. Hoch- und Kunstbauten, Bewuchs) kein anderer Signalbegriff vorgetäuscht wird. Gemäß Ril 819.0202 der Deutschen Bahn ist die Mindestentfernung, ab der ein Haupt- bzw.
Mehrabschnittssignal ununterbrochen sichtbar sein muss, abhängig von der maximalen Geschwindigkeit mit der sich ein Zug diesem für ihn gültigen Signal nähern kann. Daraus ergeben sich anzustrebende Mindestsichtweiten von Haupt- bzw. Mehrabschnittssignalen (Tabelle 13.4). Kann die angestrebte Mindestsichtweite im Bereich über 100 km/h nicht eingehalten werden, so ist es zulässig, die Sichtweite auf 300 m zu verkürzen, sofern eine Signalverwechslung ausgeschlossen ist. Aus den Vorgaben ergibt sich eine minimale Sichtbarkeitsdauer von 6,75 s bei 160 km/h. Eine konstante Signalsichtdauer für Hauptund Vorsignale wird in Österreich mit 9,0 s und der Schweiz mit 7,0 s gefordert. Kann das Maß der Mindestsichtbarkeit nicht erreicht werden, so sind Vorsignalwiederholer (CH: Wiederholungssignal, A: Signalnachahmer) aufzustellen. Der Standort ist so zu wählen, dass der Vorsignalwiederholer von dem Punkt aus sichtbar ist, von dem auch das zugehörige Hauptsignal aus gesehen werden müsste. Bei Bedarf können
Tabelle 13.4 Anzustrebende Mindestsichtweiten von Haupt- und Mehrabschnittsignalen nach Ril 819.0202 der Deutschen Bahn Geschwindigkeit [km/h]
Sichtweite [m]
120 < v ≤ 160 100 < v ≤ 120 0 < v ≤ 100
500 400 300
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Tabelle 13.5 Mindestsichtweiten von Vorsignalen nach Ril 819.0203 Geschwindigkeit [km/h]
Sichtweite [m]
120 < v ≤ 160 100 < v ≤ 120 0 < v ≤ 100
300 250 200
auch mehrere Vorsignalwiederholer vorgesehen werden. Nur die Deutsche Bahn gibt eine abweichende Vorgabe für die Mindestsichtbarkeit von Vorsignalen. 13.5.3.4 Signalfolgeabstand Grundsätzlich ist jedes Signal so anzukündigen, dass die stärkste mögliche Geschwindigkeitsreduktion bis zum Erreichen des Signals durchgeführt werden kann. In Deutschland ist – ähnlich wie in Österreich – der Regelvorsignalabstand identisch mit dem Nennwert der für diese Strecke geltenden Bremstafel. Dieser beträgt in der Regel: – 1000 m auf Hauptbahnen mit v > 100 km/h – 700 m auf Hauptbahnen mit v ≤ 100 km/h – 400 m auf Nebenbahnen mit v ≤ 80 km/h. Vorsignale sind (unabhängig von den Neigungsverhältnissen) im Regelvorsignalabstand zum zugehörigen Hauptsignal aufzustellen. Es ist zulässig, diesen Abstand um bis zu 50% zu verlängern und um bis zu 5% zu verkürzen. Auf Neu- und Ausbaustrecken mit Signalisierung nach Ks-System soll bei 1000 m Regelvorsignalabstand – unbeschadet des Fensters von 950…1500 m – ein Vorsignalabstand von 1300 m vorgesehen werden. In der Schweiz wird der Vorsignalabstand abhängig von den örtlichen Parametern ermittelt. In Bremstabellen sind die minimalen Abstände in Funktion von Geschwindigkeiten und Gefälle vorgegeben.
13.5.3.5 Lage der Bahnsteige Hauptsignale an Bahnsteiggleisen müssen so aufgestellt werden, dass Reisezüge mit allen Wagen am Bahnsteig halten können. Bei Neubauten werden Bahnsteige heute nur noch so lang bemessen, wie die längstmögliche Wagenzuglänge beträgt. Da der Einsatz von Wendezügen heute üblich ist, muss bei der Planung außerdem beachtet werden, dass Lokomotiven auch am Ende des Zuges laufen können. Die Wechselwirkungen zwischen Bau (Bahnsteig) und Sicherungstechnik (Fahrstraßenzugschlussstellen, Signalstandorte, Gleisnutzlängen) sind auch hier in einer frühen Planungsphase abzustimmen. Bei komplizierten, beengten oder gegebenen Verhältnissen der baulichen Infrastruktur wird es sich nicht immer vermeiden lassen, Signale auch auf dem Bahnsteig aufzustellen. 13.5.3.6 Einflüsse von Ingenieurbauwerken Neben den bereits genannten baulichen Randbedingungen ist auch die bauliche Umgebung der Anbringung zu beachten. Die Aufstellung von Signalen z.B. in Tunneln, auf Brücken oder an Stützmauern ist prinzipiell möglich, jedoch immer mit einem höheren Aufwand sowohl bei der Errichtung als auch der Instandhaltung verbunden. Nach Möglichkeit sollten deshalb solche Standorte vermieden werden. 13.5.3.7 Belange der Fahrleitung Auch zwischen Fahrleitungsanlagen und Signalstandorten bestehen Wechselwirkungen. Zum einen können durch Fahrleitungsmasten erhebliche Sichtbehinderungen vor allem in Bögen entstehen, zum anderen müssen die elektrischen Grenzen bei der Standortwahl von Hauptsignalen beachtet werden. So muss das Einfahrsignal eines Bahnhofs noch vor der elektrischen Bahnhofsgrenze stehen, damit ein elektrisch geförderter Zug noch vor einem eventuell abgeschalteten Bereich zum Stehen gebracht werden kann.
13.6 Zugbeeinflussung
13.6 Zugbeeinflussung 13.6.1 Anforderungen Die Systemeigenschaften der Eisenbahn, insbesondere die langen Bremswege, erfordern es, dass die Beachtung der Signalbegriffe unbedingt sichergestellt wird. Im modernen Umfeld – außerhalb des automatischen Fahrens – ist der Mensch als Regler der Geschwindigkeit die entscheidende Schwachstelle im Regelkreis der Eisenbahnsicherungstechnik (vgl. Abb. 13.3), da menschliche Handlungen einer weitaus höheren Fehlerrate unterliegen als technische. Werden restriktive Begriffe wie Halt oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung nicht befolgt, können Gefährdungen oder gar Unfälle durch Kollision bzw. Entgleisung entstehen. Mit Hilfe der Zugbeeinflussung wird in unterschiedlicher Qualität erreicht, dass der Triebfahrzeugführer die Signale aufnimmt und beachtet. Außerdem können Zugbeeinflussungssysteme zulässige Geschwindigkeiten derart überwachen, dass bei Fehlhandlungen die Fahrt in Form einer Bremsung beeinflusst wird. Bei folgenden Handlungen des Triebfahrzeugführers können Zugbeeinflussungssysteme überwachend wirken und bei Bedarf eingreifen: – Halt an einem Halt zeigenden Hauptsignal (Fahrsperre), – Aufmerksamkeit an einem ein restriktives Signalbild ankündigenden Vorsignal, – Bremsung vor einem Signal mit restriktivem Begriff, – Einhaltung der infrastrukturell vorgegebenen, statisch zulässigen Geschwindigkeit (Geschwindigkeit der Strecke und Langsamfahrstellen), – Einhaltung der fahrzeugseitig vorgegebenen, zulässigen Geschwindigkeit.
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In Deutschland fordert die Eisenbahn-Bauund Betriebsordnung (EBO) im § 15 Absatz 3, dass Strecken, auf denen eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 100 km/h zugelassen ist, mit einer punktförmigen Zugbeeinflussung auszurüsten sind, durch die ein Zug selbsttätig zum Halten gebracht werden kann. Der § 15 Absatz 3 der EBO besagt, dass Strecken, die mit mehr als 160 km/h befahren werden, mit einer Zugbeeinflussung auszurüsten sind, die den Zug selbsttätig zum Halten bringen und selbsttätig führen können muss.
13.6.2 Einordnung Die Einrichtungen der Zugbeeinflussung setzen sich aus den Einrichtungen, welche die Information von der Strecke auf das Fahrzeug übertragen (Streckeneinrichtung) und den Auswerteeinrichtungen auf den Fahrzeugen (Fahrzeugeinrichtung) zusammen. Zugbeeinflussungen können nach mehreren Kriterien unterschieden werden: – Ausdehnung der Übertragungsorte (punktförmig/kontinuierlich), – Ausdehnung der Überwachung (punktförmig/kontinuierlich/teilweise kontinuierlich), – Physikalische Art der Informationsübertragung von der Strecke zum Fahrzeug. 13.6.2.1 Ausdehnung von Übertragungsort und Überwachung Ein wesentlicher Vorteil der kontinuierlichen Übertragung gegenüber der punktförmigen ist, dass Änderungen der Geschwindigkeitsvorgaben, wie Nothalt oder das Aufwerten eines Signalbegriffes sofort an das Triebfahrzeug gesendet werden können. Bei der punktförmigen Überwachung auf dem Triebfahrzeug besteht der Nachteil, dass die Geschwindigkeit zwischen zwei Prüfpunkten so weit erhöht werden kann, dass die Geschwindigkeit am zweiten Prüfpunkt einen zu langen Bremsweg für eine gefahrlose Brem-
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Eisenbahnsicherungstechnik
Abb. 13.29 Systematisierung von Zugbeeinflussungen
sung hervorruft. Deshalb sind kontinuierliche Überwachungen (eine konstante Geschwindigkeit oder ein Bremskurve) vorzuziehen. Eine Zugbeeinflussung mit kontinuierlicher Übertragung und Überwachung ermöglicht das Fahren mit höheren Geschwindigkeiten und ist damit ein wichtiger Bestandteil von Hochgeschwindigkeitssystemen (laut EBO in Deutschland ab 160 km/h vorgeschrieben). Außerdem kann damit die Leistungsfähigkeit von Strecken erhöht werden. Eine linienförmige Zugbeeinflussung wird meist zusammen mit einer Führerstandssignalisierung angewandt. Die Übertragungswege von der Infrastruktur zum Triebfahrzeug werden dabei gemeinsam für beide Aufgaben genutzt. 13.6.2.2 Physikalische Wirkprinzipien Physikalisch kommt heute fast ausschließlich die elektromagnetische Informationsübertragung zur Anwendung, da hiermit die Information berührungslos übertragen werden kann.
Nur vereinzelt finden sich noch Systeme mit mechanischer oder galvanischer Informationsübertragung. Bei der elektromagnetischen Informationsübertragung werden die Informationen durch elektromagnetische Induktion übertragen. Die Übertragung kann örtlich punktförmig oder linienförmig erfolgen. Prinzipiell bestehen zwei Möglichkeiten für den übertragenen Informationsumfang: – Einzelinformation (1 bit): Induktion einer Spannung durch Bewegung eines Leiters im Gleichstromfeld oder durch ein Wechselstromfeld. Dieses Prinzip liegt z.B. der Signum und der Indusi zu Grunde. – Mehrfachinformation (> 1 bit): Durch auf eine hochfrequente Wechselspannung aufmodulierte Signale können komplexe Datentelegramme übertragen werden. Dieses Übertragungsprinzip wird z.B. bei Balisen oder dem Kabellinienleiter genutzt.
13.6 Zugbeeinflussung
Zur kontinuierlichen Informationsübertragung kommt heute hauptsächlich die Übertragung über Kabellinienleiter zur Anwendung, modernere Systeme nutzen Mobilfunk.
13.6.3 Anwendungen 13.6.3.1 Signum Die automatische Zugsicherung Signum ist ein in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in der Schweiz eingeführtes System der Zugbeeinflussung. Sie nutzt Induktion mittels einer von Gleichstrom durchflossenen bewegten Spule auf eine ortsfeste Spule, um die Information von der Strecke über ein zweites Spulenpaar auf das Fahrzeug zu übertragen. Folgende Eingriffsmöglichkeiten sind bei der Bauform Signum vorgesehen: – Bei Unterlassen des Betätigens der Wachsamkeitstaste nach Überfahren eines Vorsignals in Warnstellung: Zwangsbremsung. – Bei Überfahren eines Halt zeigenden Hauptsignals: Zwangsbremsung. Nachteile dieser nach wie vor im Einsatz befindlichen Zugbeeinflussung sind die geringe Anzahl an übertragbaren Informationen und die Ansprechschwelle von ca. 4 km/h, die aus dem induktiven Verfahren mittels Gleichstrom resultiert. 13.6.3.2 PZB 90 Allgemeines Die PZB 90 ist die aktuelle Variante der unter dem Namen Indusi in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführten Form der induktiven Zugbeeinflussung in Deutschland. Die ursprüngliche Form der Indusi hatte neben der punktförmigen Übertragung nur eine punktförmige Überwachung. Die PZB 90 nutzt dagegen neben der punktförmigen Übertragung eine kontinuierliche Überwachung der Bremskurve nach einer Beeinflussung.
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Neben der Sicherung gegen Überfahren Halt zeigender Signale werden noch folgende Geschwindigkeiten überwacht: – Höchstgeschwindigkeit des Zuges in Abhängigkeit von der eingestellten Zugart, – Höchstgeschwindigkeit des führenden Fahrzeuges, – 100 km/h bei ausgeschalteter oder gestörter PZB-Fahrzeugeinrichtung. Es werden drei Arten von Gleismagneten verwandt, die mit Schwingkreisen, abgestimmt auf 500, 1000 oder 2000 Hz, ausgestattet sind. Funktion und Sicherheit Die Funktionsweise und das Zusammenwirken der Elemente sind in Abb. 13.30 dargestellt. Die Fahrzeugeinrichtung sendet ständig elektromagnetische Wellen mit einer Frequenz von 500, 1000 und 2000 Hz aus. Bewegt sich der Fahrzeugmagnet über den Gleismagneten, so entzieht der Schwingkreis im Gleismagneten dem Fahrzeugmagneten durch induktive Kopplung Energie. Dieser Energieentzug führt zu einem Spannungsabfall über der Auswerteeinrichtung auf dem Fahrzeug. Ist keine Beeinflussung notwendig (z.B. bei Fahrtstellung des Signals), wird der Gleismagnet durch Kurzschluss des Kondensators im Schwingkreis unwirksam geschaltet. Die einzelnen Komponenten des Systems PZB sind so konstruiert, dass die Vorzugsausfallrichtung genutzt wird und sich Fehler meist zur sicheren Seite auswirken. Fehler wie Kurzschluss und Entfernen eines Gleismagneten wirken sich jedoch derart aus, dass die Überwachungsfunktion der PZB nicht mehr besteht. Diese Ausfälle werden nicht sofort erkannt. Unerkannt ausgefallene PZB-Magnete können nur durch regelmäßige Messfahrten offenbart werden, so dass hier über die Instandhaltung Einfluss auf die Verfügbarkeit genommen wird. Obwohl die PZB nicht fail-safe arbeitet, trägt sie dennoch zu einer deutlichen Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahnbetrieb bei, was nicht zuletzt ihrer Verfügbarkeit zuzuschreiben ist.
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Abb. 13.30 Informationsübertragung bei der induktiven Zugbeeinflussung PZB 90
Um eine konkrete Gefährdung entstehen zu lassen, muss einerseits die PZB unerkannt ausgefallen sein und gleichzeitig ein Fehler des Triebfahrzeugführers vorliegen. Geschwindigkeitsüberwachung In Abb. 13.31 ist die Anordnung der Gleismagnete vor einem Hauptsignal dargestellt. Am Vorsignal befindet sich ein 1000-Hz-Magnet, am Hauptsignal ein 2000-Hz-Magnet und 250 m vor dem Hauptsignal ein 500-HzMagnet. Der Gleismagnet 1000 Hz ist aktiv, wenn die Verringerung der Geschwindigkeit notwendig wird, was z.B. an einem Vorsignal in der Stellung „Halt erwarten“ der Fall ist. Bei einer solchen Beeinflussung muss der Triebfahrzeugführer die Wahrnehmung des Signals durch Betätigen einer Taste quittieren, ansonsten erfolgt eine Zwangsbremsung. Außerdem wird bei Beeinflussung durch einen Gleismagneten 1000 Hz die Überwachung einer von der Zugart abhängigen Bremskurve ausgelöst, d.h. es wird geprüft, dass die in der Bremskurve vorgegebene Geschwindigkeit nicht über-
schritten wird. Da sich beispielsweise das Bremsverhalten eines Güterzuges von dem eines Reisezuges unterscheidet, wurden drei Zugartstellungen eingeführt, die das unterschiedliche Bremsvermögen der Züge berücksichtigen. Eine dieser Zugartstellungen (O für obere, M für mittlere und U für untere) muss vor Beginn der Fahrt gewählt werden. Diese entscheidet über die überwachten Bremskurven, die für die Beeinflussungen 500 Hz und 1000 Hz gelten. Die Überwachungslänge beträgt nach einer 1000-Hz-Beeinflussung 1250 m. Da der Abstand vom Vorsignal zum Hauptsignal maximal 1500 m betragen darf und der Abstand vom 500-Hz- zum 2000-Hz-Magneten üblicherweise 250 m beträgt, ergeben sich keine nicht überwachten Bereiche. Es erfolgt dabei die Überwachung der Geschwindigkeitsreduktion bis auf 85 km/h (in Zugart O), die in diesem Fall nach 23 s abgeschlossen sein muss. Die restliche Bremskurve bis zur Länge von 1250 m wird wegabhängig überwacht. Eine Befreiung, d.h. eine Unterdrückung der Bremskurvenüberwachung bei zwischenzeit-
13.6 Zugbeeinflussung
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Abb. 13.31 Grundsätzliche Darstellung der Bremskurvenüberwachung bei der PZB 90
licher Fahrstellung des Signals ist nach 700 m möglich. Der Gleismagnet 2000 Hz ist an Hauptsignalen angeordnet und aktiv, wenn diese Signale den Haltbegriff zeigen. Die Beeinflussung durch einen Gleismagneten 2000 Hz führt zu einer sofortigen Zwangsbremsung. Der Gleismagnet 500 Hz befindet sich in der Regel 250 m vor dem Hauptsignal, ist an dieses angeschaltet und aktiviert, wenn das Hauptsignal Halt oder einen sehr restriktiven Fahrtbegriff zeigt. Die Beeinflussung durch den 500Hz-Gleismagneten führt zu einer restriktiveren Geschwindigkeitsüberwachung als sie durch den 1000-Hz-Gleismagneten angeregt wurde. Ab dem Gleismagneten 500 Hz erfolgt auf einer Länge von 250 m die wegabhängige Überwachung der Geschwindigkeitsabsenkung auf 45 km/h (in Zugart O). Aus dieser Überwa-
chung kann sich nicht befreit werden, weshalb sich bei zwischenzeitlicher Signalfahrtstellung betriebliche Behinderungen ergeben. Durch die Bremskurvenüberwachung ab dem 1000- und 500-Hz-Magneten wird sichergestellt, dass das Fahrzeug sich nur sehr langsam einem Halt zeigenden Signal nähern kann. Somit ist ein Anhalten durch Zwangsbremsung nach der 2000-Hz-Beeinflussung in den meisten Fällen noch vor dem Gefahrpunkt möglich. Restriktive Geschwindigkeitsüberwachung Nach 1980 kam es zu schweren Unfällen bedingt durch das Anfahren beschleunigungsstarker Fahrzeuge gegen Halt zeigende Signale, wovor die früheren Indusi-Bauformen nur unzureichend schützten. Deshalb wurde mit der Weiterentwicklung zur PZB 90 auch eine restriktive Geschwindigkeitsüberwachung
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Eisenbahnsicherungstechnik
eingeführt. Unterschreitet der Zug für eine Zeitdauer von mehr als 15 s eine Umschaltgeschwindigkeit von 10 km/h oder hält er an, so werden restriktivere Überwachungen wirksam, was zu noch größeren betrieblichen Behinderungen führt. Geschwindigkeitsprüfabschnitt Ein Geschwindigkeitsprüfabschnitt (GPA), wie er in Abb. 13.32 dargestellt ist, funktioniert wie folgt: 1. Durch die permanent von der Fahrzeugeinrichtung ausgesandte Energie wird der Einschaltmagnet beeinflusst und versetzt den GPA in den aktiven Zustand. Der WirkGleismagnet wird wirksam geschaltet. 2. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit, die vom Abstand der Magneten und der zu überwachenden Geschwindigkeit abhängt, wird der Wirkmagnet unwirksam geschaltet. 3. Bei Passieren des Ausschaltmagneten durch den Fahrzeugmagneten wird die Anlage wieder in Grundstellung versetzt. Wenn das Fahrzeug die zulässige Geschwindigkeit überschreitet, erreicht es den Wirkmagneten, wenn dieser noch aktiv ist und das Fahrzeug wird beeinflusst. Ist die Geschwindigkeit des Fahrzeuges kleiner oder gleich der zulässigen, ist beim Erreichen des Wirkmagneten die Prüfzeit abgelaufen und der Wirkmagnet deaktiviert, womit das Fahrzeug keine Beeinflussung erhält.
13.6.3.3 Systeme mit Balisen Allgemeines Bei den bisher vorgestellten Systemen kann an einem Beeinflussungspunkt nur die Information „Beeinflussung erfolgt“ übertragen werden, nicht jedoch die Information „Beeinflussung erfolgt nicht“. Balisen sind Datenpunkte, die Datentelegramme übertragen können. Sie können, obwohl die Information nur punktförmig übergeben wird, durch den Umfang der übertragbaren Daten eine ununterbrochene, linienförmige Überwachung gewährleisten. Durch die Balisen kann der Abstand zum nächsten Datenpunkt übertragen werden. Dieser Abstand wird vom Fahrzeuggerät mittels Wegmesseinrichtungen überwacht. Findet die Fahrzeugeinrichtung in dieser Entfernung keine weitere Balise vor, kann damit der Ausfall einer Balise sicher erkannt werden. Der zurückgelegte Weg wird aus der Zahl der Radumdrehung ermittelt. Da ein Rad schleudern oder blockieren kann und außerdem der Umfang eines Rades mit zunehmendem Einsatz kleiner wird, ergeben sich Messfehler. Die Ortung kann an jedem Datenpunkt kalibriert werden, da an jedem Punkt die Position übermittelt wird. Je größer nun der Abstand der Datenpunkte zueinander, umso größer ist auch der auftretende Wegmessfehler. Um diesen nicht zu groß werden zu lassen, darf der Abstand der Datenpunkte zueinander ein bestimmtes Maß nicht überschreiten. Es können schaltbare und nicht schaltbare Balisen unterschieden werden. Derzeit werden in Deutschland vor allem nicht schaltbare Balisen genutzt, die Daten zum Streckenverlauf übertragen. Eine streckenseitige Informations-
Abb. 13.32 Lage der Gleismagneten am Beispiel des Geschwindigkeitsprüfabschnittes
13.6 Zugbeeinflussung
zufuhr ist hier nicht notwendig. Ein Beispiel hierfür ist das System GNT (Geschwindigkeitsüberwachung NeiTech). Schaltbare Balisen, beispielsweise von Signalen angeschaltet, werden dagegen bei den Systemen ZUB und ETCS Level 1 (s. 13.6.3.5) verwendet. Durch die punktförmige Datenübertragung kann eine Änderung eines Zustandes nur an den Standorten der Balisen übertragen werden. Zur Verbesserung des Systems kann es deswegen an wichtigen Stellen, wie z.B. vor Signalen, durch Infill-Schleifen ergänzt werden, die eine lokal begrenzte linienförmige Übertragung ermöglichen. Auch die Verlegung von Infill-Balisen ist möglich, womit der Abstand zur Übertragung der aktualisierten Information verringert wird. Beispiele für Balisen sind: – Gleiskoppelspulen der Firma Siemens, die beispielsweise in den Systemen ZUB Verwendung finden. Sie werden an der rechten Schiene angeordnet, was eine eindeutige Richtungszuordnung des Datenpunktes ergibt. – Eurobalisen dagegen werden in der Gleismitte verlegt, so dass die Übertragung einer Information notwendig wird, für welche Richtung sie gelten. Sie werden zur Informationsübertragung nach den ETCS-Spezifikationen eingesetzt. Die Fahrzeuggeräte senden permanent Energie in Form eines elektromagnetischen Feldes aus. Diese Energie wird von der Balise zur Informationsverarbeitung und Sendung der notwendigen Daten an das Fahrzeug genutzt. Übertragene Daten können z.B. sein: – Entfernung zum nächsten Geschwindigkeitswechsel, – zulässige Geschwindigkeit ab diesem Wechsel, – logischer Signalbegriff, – Neigungsverhältnisse sowie – Entfernung zum nächsten Datenpunkt.
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Geschwindigkeitsüberwachung für Neigetechnik (GNT) Der Gesetzgeber in Deutschland hat eine kontinuierliche Überwachung des Geschwindigkeitsprofils mit erhöhter Seitenbeschleunigung (ES-Profil), in welchem Züge mit aktiver Neigetechnik fahren, vorgeschrieben. Dazu müssen bestimmte Streckendaten auf dem Fahrzeug vorhanden sein, welche mittels Balisen übertragen werden. Derzeit werden von den Datenpunkten nur unveränderliche Informationen übertragen. Dabei kommen Gleiskoppelspulen der Bauart ZUB 122 (bis 1999) und Eurobalisen (seit 1999) zum Einsatz. Mit Hilfe der Datenpunkte werden auf die Fahrzeuge die notwendigen Geschwindigkeitsinformationen übertragen. Das Fahrzeuggerät der GNT überwacht die Einhaltung der übertragenen Geschwindigkeit. 13.6.3.4 System LZB (Linienzugbeeinflussung) Die LZB arbeitet mit Kabellinienleitern. Die Informationsflüsse zwischen Stellwerk und LZB-Streckenzentrale sowie der LZB-Streckenzentrale und den LZB-geführten Fahrzeugen sind in Abb. 13.33 dargestellt. Die LZBZentrale kommuniziert dabei mit allen Stellwerken und LZB-geführten Fahrzeugen in ihrem Bereich. Der im Gleis verlegte Kabellinienleiter dient als streckenseitige Antenne. Die Fahrzeugantenne befindet sich über der Gleismitte. Da die Selbstortung des Fahrzeuges nur mit einem Odometer (Radumdrehungszähler) zu ungenau ist, wird die Ortung über die in festen Abständen (z.B. 100 m) angeordneten Kreuzungsstellen der Kabellinienleiter, an denen sich das elektromagnetische Feld um 180° dreht, kalibriert. Heute wird der Linienleiter der LZB nur noch als Kurzschleife (300 m) mit regelmäßigen Kreuzungen verlegt. Kurzschleifen haben den Vorteil, dass bei Beschädigungen des Kabellinienleiters nur ein kurzer Bereich der LZB ausfällt. Der Ausfall eines Bereiches
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Eisenbahnsicherungstechnik
Abb. 13.33 Informationsflüsse bei der LZB
(300 m) wird toleriert, was der Verfügbarkeit des Systems zugute kommt. Die Daten der Infrastruktur sind in der LZBZentrale hinterlegt. Aus diesen Daten und der aktuellen Betriebssituation ermittelt die LZBZentrale die aktuellen Führungsgrößen, die an das Fahrzeuggerät übertragen werden. Mit Hilfe dieser Daten und den im Fahrzeug hinterlegten Daten, wie z.B. Höchstgeschwindigkeit, Bremsfähigkeit und Länge des Zuges wird die Sollbremskurve im LZB-Fahrzeuggerät für den jeweiligen Zug berechnet. Die Automatische Fahr- und Bremssteuerung (AFB) ermittelt aus diesen Werten die notwendige Zug- und Bremskraft für eine automatische Führung der Züge. 13.6.3.5 European Train Control System (ETCS) Bestandteile von ETCS Der Eisenbahnverkehr in Europa wird durch die Vielzahl von verschiedenen Systemen der Bahnstromversorgung, Signalisierung und Zugbeeinflussung behindert. Aus diesen Gründen wird seit einigen Jahren versucht, einen einheitlichen Standard für europäische Eisenbahnen zu schaffen. Im European Rail Traffic Management System (ERTMS) ist das Euro-
pean Train Control System (ETCS) die Norm für ein einheitliches Zugbeeinflussungssystem. Das ETCS soll die Interoperabilität von Triebfahrzeugen im Bereich der Zugbeeinflussung innerhalb Europas gewährleisten. Durch die einheitlich definierten Schnittstellen sollen außerdem herstellerunabhängige Lösungen geschaffen werden. Elemente von ETCS sind Eurobalise, Euroloop, Eurocab und Euroradio. Euroloop ist ein Kabellinienleiter, welcher bei punktförmiger Informationsübertragung im Level 1 als Infill-Element angewendet wird, um beispielsweise die Aufwertung eines Signalbildes übertragen zu können. Euroradio ist ein Funkübertragungssystem auf der Basis von GSM-R (Global System for Mobile Communication – Railways, ein digitaler Mobilfunkstandard mit eisenbahnspezifischen Erweiterungen) für die Realisierung der Funkübertragung nach ETCS Level 2 und 3. Eurocab ist der Standard für die Fahrzeugeinrichtungen nach ETCS. ETCS Level 1 Das ETCS Level 1 ist ein grundsätzlich punktförmiges Zugbeeinflussungssystem. Die Informationen werden mit Eurobalisen übertragen
13.6 Zugbeeinflussung
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Abb. 13.34 Konfiguration nach ETCS Level 1 mit Euroloop
und können optional mit Euroloop ergänzt werden (Abb. 13.34). Das ETCS Level 1 ist bereits in verschiedenen Ländern im Einsatz. In Deutschland wird ETCS Level 1 nicht eingeführt, da mit der PZB 90 ein etabliertes, wenn auch nicht in jeder Hinsicht befriedigendes System zur Verfügung steht und die Einführung eines neuen Systems wirtschaftlich nicht darstellbar ist. ETCS Level 2 Das ETCS Level 2 ist ein System mit kontinuierlicher Informationsübertragung. Derzeit
Abb. 13.35 Konfiguration nach ETCS Level 2
Abb. 13.36 Konfiguration nach ETCS Level 3
wird in verschiedenen Ländern ETCS Level 2 eingeführt. Vorerst soll ETCS Level 2 vor allem für den Hochgeschwindigkeitsverkehr genutzt werden. Hierbei werden Balisen als Ortsmarken zur Selbstortung der Fahrzeuge verwendet. Zwischen den Balisen wird die Ortung mittels Odometern, Radar und Beschleunigungsmessern realisiert. Die Zustandsinformationen und Fahrbefehle werden über Euroradio übertragen. Stellwerksseitig werden die Fahrzeuge über konventionelle Gleisfreimeldung geortet. Die Signalisierung erfolgt in Form einer
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Eisenbahnsicherungstechnik
Führerstandssignalisierung, auf eine ortsfeste Signalisierung kann verzichtet werden (Abb. 13.35). Ein gleichzeitiger Einsatz mit anderen Zugbeeinflussungssystemen wie der PZB 90 ist möglich.
ETCS Level 3 Das ETCS Level 3 ist eine Weiterentwicklung des ETCS Level 2, bei der auf die Elemente der ortsfesten Gleisfreimeldung verzichtet werden kann (Abb. 13.36). Allerdings muss im Gegenzug das Problem der sicheren Zugintegritätsüberwachung für alle auf einer Strecke verkehrenden Züge gelöst werden. RBC und Stellwerk sind stärker verknüpft als in den anderen Levels. Der Level 3 ist bisher noch nicht vollständig spezifiziert.
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Funktionale Sicherheit Jens Braband
14.1 Einleitung
14.1.1 Wesentliche Unfallursachen
Die Eisenbahn ist unbestreitbar nach wie vor eines der sichersten Verkehrsmittel, im Sicherheitsniveau nur mit der zivilen Luftfahrt vergleichbar. Allerdings treten wie in anderen komplexen Systemen trotz des hohen technischen und organisatorischen Aufwands zur Unfallvermeidung immer wieder Unfälle auf, teilweise mit katastrophalen Folgen. Es ist mittlerweile anerkannter Stand der Wissenschaft, dass solche Unfälle selten einfache Ursachen haben und sich hinter den offensichtlichen oder direkten Ursachen, zum Beispiel menschlichen Fehlhandlungen, ein ganzer „Eisberg“ von latenten oder indirekten Ursachen verbirgt (auch Grundursachen oder root causes genannt). Ähnliches gilt für Unfälle, hinter denen sich eine Vielzahl von Beinahe-Unfällen oder Gefährdungen verbergen, s. Abb. 14.1.
Das zentrale Ziel der Sicherheitsarbeit besteht daher darin, diese Ursachen, soweit möglich, zu vermeiden oder zu beherrschen. Grundsätzlich lassen sich die Ursachen in drei Gruppen einteilen: 1. unzureichende technische Aktivitäten, 2. ineffektive Organisation und Kommunikation (Management), 3. Schwachstellen in der Sicherheitskultur.
1 schwere Verletzung 10 leichte Verletzungen 30 Sachschäden 600 Beinahe-Unfälle x.000 Gefährdungen
Abb. 14.1 Das Eisberg-Modell
Ein Beispiel Am 4. Januar 2000 kam es nahe Åsta (Norwegen) zu einem schweren Eisenbahnunfall mit 19 Todesopfern. Die eingleisige Strecke wird aus einem Kontrollzentrum ferngesteuert, die meisten Bahnhöfe sind unbesetzt. Die Einführung einer Zugbeeinflussung war geplant, aber noch nicht realisiert. Stark vereinfacht war der zeitliche Ablauf wie folgt: 13:07 Beide Züge fahren ab. 13:08 Bei Ausfahrt des Zuges in Rudstadt (dem aktuellen Kreuzungsbahnhof) wird eine Weiche aufgefahren, die für die Einfahrt des Gegenzugs gestellt war. 13:12 Im Kontrollzentrum wird bemerkt, dass sich beide Züge auf Kollisionskurs befinden. Es gelingt nicht, die HandyNummern der beiden Triebfahrzeugführer rechtzeitig zu finden, um diese noch zu warnen. 13:13 Die beiden Züge kollidieren und geraten in Brand (Dieseltriebzüge). Zu den im Untersuchungsbericht angegebenen Ursachen zählten insbesondere:
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Funktionale Sicherheit
– Im Kontrollzentrum wurde die aufgefahrene Weiche nur durch einen 16 mm hohen Hinweistext am Bildschirmrand angezeigt, nicht durch einen akustischen Alarm. Dadurch wurde diese Situation erst sehr spät offenbart (unzureichende technische Aktivität). – Ursprünglich mussten sowohl Triebfahrzeugführer als auch Zugführer die Ausfahrtsignale beobachten und der Abfahrt zustimmen. Nach einer Änderung der Vorschriften (Hintergrund Personaleinsparung) war hierfür nur noch der Triebfahrzeugführer alleine verantwortlich (Management). – Der Bahn-Zugfunk war auf dieser Strecke abgeschafft worden. Stattdessen wurden Handys an die Triebfahrzeugführer ausgegeben. Es gab keine Vorschriften, wie die Rufnummern bekannt gemacht und verwaltet werden sollten. Das Personal im Kontrollzentrum hatte sich eine praktische Handhabung überlegt, die aber am Unglückstag versagte (Management). – Die Kreuzung der Züge war nicht vorab bestimmt, sondern wurde dynamisch nach Betriebslage vereinbart (Management). – Berichten über die Anzeige von fehlerhaften Signalbegriffen von Triebfahrzeugführern wurde nicht ausreichend nachgegangen (Sicherheitskultur).
14.1.2 Epochen der Systemsicherheit Etwa in der o.a. Reihenfolge hat man sich auch historisch den Sicherheitsproblemen zugewandt. Es wurden zunächst verstärkt technische Verbesserungen gesucht, bevor das Management in den Fokus der Aufmerksamkeit geriet. Die Betrachtung dieser beiden Bereiche ist „Stand der Technik“ geworden, wie auch ihre Berücksichtigung in Normen belegt. In Zukunft wird aber verstärkt das Thema „Sicherheitskultur“ zum Gegenstand der Betrachtungen werden, da hier das größte Potenzial zur weiteren Verringerung der Unfallhäufigkeit liegt, s. Abb. 14.2 für eine schematische Darstellung. Sicherheit muss also als ganzheitlicher Ansatz gesehen werden, bei dem es insbesondere auf eine ausgewogene Mischung aus reaktiven Elementen (z.B. Unfallanalysen, Lernen aus Fehlern) sowie pro-aktiven Elementen (z.B. Risikoanalysen) ankommt.
Abb. 14.2 Epochen der Systemsicherheit
Unfallhäufigkeit
System Engineering
Prozesse & Management
z. B. EN 50128/50129
Kultur & Verhalten
z. B. EN 50126
Zeit
14.2 Definition des Begriffs Sicherheit
14.2 Definition des Begriffs Sicherheit 14.2.1 Klassische Definitionen Der Begriff „Sicherheit“ ist aus Sicht der Gesetzgebung zunächst nur abstrakt bestimmt: Die Eisenbahnen sind verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten (Allgemeines Eisenbahngesetz, § 4 (1)). Bahnanlagen und Fahrzeuge müssen so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Diese Anforderungen gelten als erfüllt, wenn die Bahnanlagen und Fahrzeuge den Vorschriften dieser Verordnung und, soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften enthält, anerkannten Regeln der Technik entsprechen (Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung, §2 (1)).
Damit überlässt der Gesetzgeber die Ausgestaltung des Begriffs „Sicherheit“ im Wesentlichen den einschlägigen Fachkreisen, in der Regel Normungsgremien. In diesem Kapitel wird davon lediglich der wichtige Teilaspekt Funktionale Sicherheit betrachtet. „Funktionale Sicherheit“ behandelt den Teil der Sicherheit, der von der korrekten Funktion des betrachteten Systems abhängt. Beispiel: eine Tür kann eine oder mehrere Funktionen haben, z.B. Zugangsschutz, Sichtschutz, Lärmschutz etc. Je nachdem, welche Anforderungen gestellt werden, sieht die technische Lösung anders aus, enthält z.B. einen Schließmechanismus oder nicht. Wenn es sich z.B. um eine kraftbetätigte automatische Bahnsteigtür handelt, so bestehen funktionale Sicherheitsanforderungen u.a. darin, dass die Tür nicht zur Unzeit öffnen darf, dass sie keine Menschen beim Schließen verletzen darf etc. Aber auch an das Ausfallverhalten müssen funktionale Sicherheitsanforderungen gestellt werden z.B. an das Verhalten bei Stromausfall.
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Daneben gibt es natürlich noch viele weitere Aspekte, die zum Thema Sicherheit betrachtet werden müssen, hier aber aus Platzgründen nicht berücksichtigt werden können, wie z.B. elektrische Sicherheit, Brandschutz, elektromagnetische Verträglichkeit etc. In Deutschland war die Vorgehensweise weit verbreitet, „Sicherheit“ regelorientiert zu definieren, wie in VDE 0831 und Mü8004: Die Fähigkeit einer Sicherungsanlage, bei bestimmungsgemäßem Einsatz, ordnungsgemäßer Instandhaltung und vorschriftsmäßiger Handhabung während einer vorgegebenen Brauchbarkeitsdauer Gefährdungen durch Funktionsversagen in dem Umfang, der nach dem Stand der Technik erforderlich ist, auch dann zu verhindern, wenn Bauelementeausfälle und Störungen in der zu Beanspruchungsbeginn als fehlerfrei angesehenen Sicherungsanlage eintreten.
Dabei wurde pragmatisch jede Komponente einer Sicherungsanlage in eine von mehreren Anforderungsklassen eingeteilt (teilweise schematisch, teilweise aufgrund einer Risikoabschätzung, z.B. mit dem Risikographen nach VDV 331, s. Abb. 14.12), zu jeder Anforderungsklasse wurden dann qualitative Vorschriften aufgestellt. Bei Einhaltung aller zu einer Anforderungsklasse gehörenden Regeln galten die Komponenten als „sicher“. Der wesentliche Nachteil dieser Vorgehensweise bestand darin, dass den Regeln gewisse Annahmen zugrunde lagen, z.B. bezüglich der Architektur der Sicherungsanlage, die vorzüglich auf eine bestimmte Lösung passten, andere Lösungen dadurch aber ausschlossen. Dadurch erwies sich dieser Ansatz als wettbewerbs- und fortschrittshemmend, z.B. was den Einsatz neuer Technologien angeht. Zwar hätte man bei neuen Lösungen oder Technologien den Ansatz um neue Regeln erweitern können, aber bei der Vielzahl neuer Technologien und der durchschnittlichen Abstimmungsdauer in Fachgremien war dieser Ansatz nicht mehr durchzuhalten.
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Funktionale Sicherheit
14.2.2 Moderne, risikoorientierte Definition Das sog. „neue Konzept“ der Europäischen Union, das der technischen Harmonisierung mit dem Ziel dient, Beschränkungen des freien Warenverkehrs zu vermeiden, verfolgt einen risikoorientierten Ansatz. Gegenüber dem früher verfolgten Ansatz, hoch detaillierte technische Rechtsvorschriften für einzelne Produktkategorien zu beschließen, beschränkt sich das neue Konzept auf die Festlegung und Durchsetzung der wesentlichen Sicherheitsanforderungen. Als weitere Motivation im Eisenbahnbereich ist die EU-Eisenbahn-Sicherheitsrichtlinie zu nennen, die u.a. das Ziel hat, die Sicherheit der verschiedenen europäischen Eisenbahnen zu vergleichen und zu optimieren. Sie verlangt u.a. die schrittweise Einführung von gemeinsamen Sicherheitszielen (Common Safety Targets) sowie Sicherheitsanalysemethoden (Common Safety Methods), um auch vor dem Hintergrund der weiter voranschreitenden Privatisierung der Eisenbahnen das erreichte hohe Sicherheitsniveau zu erhalten. Dies ist nur mit einem risikobasierten Ansatz erreichbar. Die wesentlichen, dem risikobasiertem Ansatz auch in den CENELEC-Normen zugrunde liegenden Definitionen sind: – Sicherheit (safety): Freiheit von unvertretbaren Risiken, – Risiko (risk): Kombination aus der Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schaden auftritt, und dem Ausmaß dieses Schadens, – Schaden (harm): physische Verletzung oder Schädigung der Gesundheit von Menschen, – tolerierbares Risiko (tolerable risk): Risiko, das basierend auf den aktuellen gesellschaftlichen Wertvorstellungen in einem gegebenen Zusammenhang tragbar ist, – Gefährdung (hazard): potenzielle Schadensquelle. Diese Definition der Sicherheit unterscheidet sich fundamental von der o.a. klassischen
Definition, denn es ist die Abwesenheit eines zu hohen Risikos nachzuweisen (im Gegensatz zu der Implementierung gewisser technischer Regeln). Ergänzend sei bemerkt, dass in Risikodefinitionen zwar häufig von Wahrscheinlichkeiten gesprochen wird, damit aber im engeren Sinn die Auftretenswahrscheinlichkeit von (seltenen) Ereignisse pro Zeit gemeint ist, d.h. (mathematisch) eine Ereignisrate oder (umgangssprachlich) eine Ereignishäufigkeit, z.B. im Mittel ein gefährliches Ereignis pro 1000 Jahre.
14.2.3 Der risikoorientierte Ansatz Es wird damit eingestanden, dass komplexe technische Systeme grundsätzlich nicht fehler- oder ausfallfrei ausgeführt werden können und daher ein gewisses Restrisiko gesellschaftlich in Kauf genommen werden muss. Daher muss ein vertretbares Risiko definiert werden, das nach Betrachtung aller wirksamen Schutzmaßnahmen unterschritten werden muss. Unter risikoorientiertem Ansatz wird jede Vorgehensweise verstanden, bei der die Sicherheit über einen Risikogrenzwert definiert wird, wie Abb. 14.3 verdeutlichen soll.
14.2.4 Bedeutung der Normen Bei der Implementierung des risikoorientierten Ansatzes in der Eisenbahntechnik kommt den Normen eine zentrale Bedeutung bei, denn sie definieren den Stand der Technik. Dabei muss allerdings immer ihr Geltungsbereich berücksichtigt werden, s. Abb. 14.4. In der Normung kommt dem Bereich Risikoanalyse eine zweifache Bedeutung zu. Im Mittelpunkt steht dabei zuerst die Festlegung zu Vorgehensweisen und Methoden für Risikoanalyen, siehe z.B. EN 50126 oder EN 50129. Diese müssen dann projektspezifisch angewendet werden, um die Sicherheit eines Systems nachzuweisen. Es ist andererseits aber auch möglich, für standardisierte Produkte eine
14.3 Risikoanalyse
653
SchadensAusmaß
SystemRisiko
SchadensHäufigkeit
Nowendige Risikoreduktion
Grenzwert für tolerierbares Risiko
durch - externe Einrichtungen - elektronische/programmierbare Sicherheitssysteme - Sicherheitssysteme anderer Technologien
Abb. 14.3 Der risikoorientierte Ansatz Abb. 14.4 Geltungsbereich ausgewählter CENELEC-Normen
Risikoanalyse durchzuführen und die Ergebnisse selbst in eine Produktnorm zu übernehmen. Dies bedeutet, dass fortan für das standardisierte Produkt keine Risikoanalyse mehr gemacht werden muss, sondern lediglich die Anforderungen der Produktnorm eingehalten werden müssen.
14.3 Risikoanalyse Um die Motivation für die Festlegungen in den CENELEC-Normen besser verstehen zu können, muss man die grundlegenden technischen und politischen Anforderungen an eine international abgestimmte Vorgehensweise kennen:
1. Der Ansatz muss risikoorientiert sein. 2. Die Vorgehensweise soll diskriminierungsfrei sein, d.h. die Definition von Sicherheitsanforderungen darf weder bestimmte technische Lösungen noch Hersteller bevorzugen. 3. Die Vorgehensweise soll flexibel und offen für neue Technologien sein. 4. Die Verantwortung der beteiligten Parteien soll klar festgelegt werden. Während Forderung 1 sich aus der risikoorientierten Definition der Sicherheit ergibt, ist Forderung 2 eine politische Vorgabe der Europäischen Union, um den Binnenmarkt zu fördern. Forderung 3 ist zum Teil auch politisch motiviert, hat aber ihren Hintergrund auch in den Sachzwängen der Arbeit der Normungs-
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Funktionale Sicherheit
gremien, denn in der Regel dauert es mindestens 3 Jahre, bis substanzielle Änderungen in internationalen Normen abgestimmt sind (bei Neuerstellung ist sogar mit 5 Jahren zu rechnen). Forderung 4 entspricht einem Wunsch vor allem der Hersteller und Betreiber, die sich klare Zuständigkeiten (und damit auch Kostenverantwortung) wünschen.
14.3.1 Der Risikoanalyse-Prozess Der hier dargestellte Prozess („Sanduhr“) wurde für die europäische Eisenbahnsignaltechnik in der EN 50129 normativ festgeschrieben, er wird mittlerweile vom Application Guide zur 50126 für alle Gewerke empfohlen (s. Abb. 14.5).
Überblick Den Mittelpunkt des Prozesses bildet eine klar definierte Schnittstelle zwischen den Betriebsanforderungen und dem Sicherungssystem als der technischen Lösung. Es ist Aufgabe des Betreibers, eine Risikoanalyse durchzuführen, insbesondere – die Funktionsanforderungen für das betreffende System (unabhängig von dessen technischer Ausführung) festzulegen, wie etwa die Art des Betriebsprogramms (Signalisierungsprinzipien), Betriebsparameter (Geschwindigkeit, Zugdichte), Systemgrenzen usw., – systemrelevante Gefährdungen (Hazards) zu identifizieren, – die Folgen von Gefährdungen zu analysieren,
Systemdefinition Identifikation der Gefährdungen Analyse möglicher Folgen Analyse möglicher Schäden Risikobewertung
Risikoanalyse
H, THR Gefährdungs analyse Sicherheitsarchitektur Ursachenanalyse Aufteilung der THR SIL-Zuweisung
Funktionen, THR, SIL Sicherheitsnachweis
Abb. 14.5 Sanduhr-Modell
Legende: H= Hazard SIL= Safety Integrity Level THR= Tolerable Hazard Rate
14.3 Risikoanalyse
– sicherzustellen, dass das sich ergebende Risiko tolerierbar ist, und – die tolerierbaren Gefährdungsraten (THR) abzuleiten. Der Hersteller ist verpflichtet, eine Gefährdungsanalyse durchzuführen, insbesondere: – Festlegung der Systemarchitektur unter Berücksichtigung der tolerierbaren Gefährdungsrate für jede Gefährdung, – Analyse der Ursachen für jede Gefährdung, – Bestimmung der Sicherheitsanforderungen (Sicherheitsanforderungsstufe und Gefährdungsraten) für Funktionen bzw. die sie implementierenden Teilsysteme. In der Ursachenanalyse wird die tolerierbare Gefährdungsrate für jede Gefährdung unter der Berücksichtigung der gewählten Sicherheitsarchitektur auf die Ebene der Systemfunktionen aufgeteilt. Auf dieser Ebene werden Sicherheitsanforderungsstufen für die Teilsysteme, die die Funktionalität realisieren, festgelegt. Die Gefährdungsrate für ein Teilsystem wird anhand von Tabelle 14.1 (sog. SIL-Tabelle) in eine Sicherheitsanforderungsstufe umgesetzt. Dabei wurde die SIL-Tabelle aus der Sicherheitsgrundnorm IEC 61508 übernommen. Die Einhaltung dieser Sicherheitsanforderungen muss dann im Sicherheitsnachweis gezeigt werden.
14.3.2 Definition von Sicherheitszielen 14.3.2.1 Aktive und passive Sicherheit Ausgehend von der risikoorientierten Definition der Sicherheit gibt es zwei grundsätzliche Ansätze, die Sicherheit zu verbessern: – Passive Sicherheitskonzepte beschäftigen sich vornehmlich mit der Reduktion des Schadensausmaßes, d.h. der Verringerung der Unfallfolgen. – Aktive Sicherheitskonzepte beschäftigen sich vornehmlich mit der Reduktion der
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Schadenswahrscheinlichkeit, d.h. der Vermeidung von Unfällen. Beispiele für passive Sicherheitskonzepte sind z.B. Maßnahmen zur Verbesserung der Crashsicherheit bei Fahrzeugen oder die Verbesserung des Notfallmanagements, z.B. zeitnahe medizinische Versorgung von Unfallopfern. Im Mittelpunkt der funktionalen Sicherheit stehen allerdings natürlich aktive Sicherheitskonzepte, z.B. Schutzsysteme, die Unfälle oder kritische Situationen vermeiden bzw. deren Wahrscheinlichkeit verringern. 14.3.2.2 Die Zuverlässigkeitsfunktion Bei aktiven Sicherheitskonzepten wird nur die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Unfällen durch Sicherheitssysteme betrachtet. Dabei steht im Mittelpunkt des Interesses die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sicherheitssystem, das zum Zeitpunkt 0 in Einsatz gebracht wurde, bis zum Zeitpunkt t durchgehend funktionsfähig ist (unter definierten Randbedingungen wie Einsatzumgebung, Wartung etc.). Dies kann mathematisch in Form der sog. Zuverlässigkeitsfunktion, nämlich der Wahrscheinlichkeit, dass die Funktionsdauer X des Sicherheitssystems größer als t Zeiteinheiten ist, beschrieben werden:
Diese Definition ist auch aus der Zuverlässigkeitstheorie bekannt. Bei Sicherheitsbetrachtungen wird zur Unterscheidung häufig noch der Index H (für Hazard) mitgeführt. Das Komplement der Zuverlässigkeitsfunktion
wird dann auch die „Lebensdauerverteilung“ des Sicherheitssystems genannt und ihre Ableitung (falls sie existiert) F’(t)=f(t) die Verteilungsdichte der Lebensdauer. Ist die Zuverlässigkeitsfunktion für ein System bekannt, so kann man alle für Sicher-
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Funktionale Sicherheit
heitsanalysen nötigen Fragestellungen mit ihr beantworten. 14.3.2.3 Die Häufigkeit von Gefährdungen Bei sicherheitstechnischen Systemen tritt i.d.R. durch unerkanntes Versagen eines Sicherheitssystems eine Gefährdung ein, aus der dann ggf. durch gleichzeitiges Eintreten weiterer ungünstiger Faktoren ein Unfall resultieren kann. Daher sind die mittlere Dauer bis zur ersten Gefährdung bzw. der mittlere Abstand zwischen Gefährdungen MTBHE (Mean Time Between Hazardous Events) oder die Häufigkeit F von Gefährdungen wichtige, praktische Maße für die Gefährdungsfreiheit eines Systems. Ist die Zuverlässigkeitsfunktion bekannt, so kann direkt MTBHE daraus berechnet werden
keit, dass eine bis zum Zeitpunkt t einschließlich funktionierende Komponente innerhalb des Intervalls [t, t + ∆t] gefährlich ausfällt. Es gilt also näherungsweise für die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gefährdung in [t, t + ∆t] stattfindet
Insbesondere kann man anhand des Verlaufs der Gefährdungsrate feststellen, ob z.B. Alterungs- oder Verschleißeffekte eine Rolle spielen (i.d.R. durch steigende Gefährdungsraten gekennzeichnet). Eine wichtige Eigenschaft von Gefährdungsraten besteht darin, dass sie addiert werden können, wenn die die Gefährdungen verursachenden Systeme parallel geschaltet sind. Wenn also H1 und H2 Gefährdungen sind und die Gefährdung H genau dann eintritt, wenn mindestens eine der beiden Gefährdungen eintritt, so gilt
Für die mittlere oder erwartete Häufigkeit E(F) von Gefährdungen gilt
14.3.2.4 Die Gefährdungsrate Die Zuverlässigkeitsfunktion hat zwei Nachteile: – Sie ist wesentlich aufwändiger zu bestimmen als z.B. MTBHE. – Die meisten Zuverlässigkeitsfunktionen sehen sehr ähnlich aus und sind mittels Augenschein schwer zu unterscheiden. Deshalb wird bei Sicherheitsbetrachtungen häufig die Gefährdungsrate
14.3.2.5 Gefährdungsraten einfacher elektronischer Komponenten In der Sicherheitsanalyse wird häufig angenommen, dass die Gefährdungsrate einer einzelnen elektronischen Komponente (i.d.R. als Ausfallrate bezeichnet) den Verlauf einer „Badewannenkurve“ (s. Abb. 14.6) besitzt:
λH(t) Frühausfälle Verschleiß
benutzt, deren Form einfachere Schlussfolgerungen als bei der Zuverlässigkeitsfunktion ermöglicht. Inhaltlich beschreibt die Gefährdungsrate die bedingte infinitesimale Wahrscheinlich-
Brauchbarkeitsdauer Abb. 14.6 Badewannen-Kurve
t
14.3 Risikoanalyse
– Zu Beginn ist die Ausfallrate hoch und fällt dann ab (Frühausfälle aufgrund von Fertigungsfehlern oder Qualitätsmängeln). – Dann ist die Ausfallrate während der Brauchbarkeitsdauer mehr oder weniger konstant (oder nur leicht steigend). – Wird die Brauchbarkeitsdauer überschritten, so steigt die Ausfallrate aufgrund von Alterungseffekten stark an (z.B. Verschleiß). Frühausfällen versucht man durch Tests und Qualitätssicherungsmaßnahmen entgegenzuwirken. Beim Erreichen der Brauchbarkeitsdauer sollte man Komponenten rasch austauschen. In diesem Fall darf man während der Brauchbarkeitsdauer eine konstante Ausfallrate annehmen. Die einzige Wahrscheinlichkeitsverteilung mit einer konstanten Ausfallrate ist die sog. Exponentialverteilung mit
14.3.2.6 Prognose von Ausfallraten elektronischer Komponenten In der praktischen Anwendung bedient man sich Datenbanken, die Ausfallraten für Komponenten unter spezifizierten Referenzbedin-
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gungen enthalten (z.B. Umgebungstemperatur, Betriebsspannung). Um für einen spezifischen Anwendungsfall die Ausfallrate zu prognostizieren, wird die sog. Referenzausfallrate Oref mit Beanspruchungsfaktoren z.B. für Spannungsabhängigkeit, Stromabhängigkeit und Temperaturabhängigkeit multipliziert
Zu jedem Beanspruchungsfaktor ist wiederum eine Formel hinterlegt, mit dem die Beanspruchungsfaktoren im spezifischen Anwendungsfall ermittelt werden können. 14.3.2.7 Gefährdungsraten komplexer elektronischer Systeme Bei Systemen, bei denen Einzelausfälle dominieren, d.h. bei denen schon Ausfälle einzelner Komponente zum Ausfall des Systems führen, erhält man die Ausfallrate des Systems als Summe der Ausfallraten der Komponenten (unter Berücksichtigung der spezifischen Beanspruchungsfaktoren), deren Einzelausfall zum Systemausfall führt. Dabei kann man in erster Näherung Mehrfachausfälle vernachlässigen, da diese in der Regel viel unwahrscheinlicher sind als Einzelausfälle. Setzt man aber z.B. für sicherheitstechnische Anwendungen aus elektronischen Systemen komplexere Systeme, z.B. mit Redundanz, zusammen, so sind die resultierenden GefährAbb. 14.7 Typischer Verlauf einer Gefährdungsrate für ein redundantes System
658
14
Funktionale Sicherheit
dungsraten nicht mehr konstant und die Rechnung gestaltet sich wesentlich komplizierter. Allerdings nähern sich die Ausfallraten solcher Systeme nach einer gewissen Einschwingphase rasch einer Konstanten an. In diesen Fällen gilt
14.3.2.8 Allgemeine Systeme Zuverlässigkeitsfunktionen kann man prinzipiell für beliebige Systeme ermitteln, entweder analytisch oder empirisch, und daraus Gefährdungsraten ableiten. Deswegen eignen sich sowohl Zuverlässigkeitsfunktionen als auch Gefährdungsraten allgemein zur sicherheitstechnischen Bewertung beliebiger Systeme. In der Praxis kann dies aber problematisch sein, da viele Konstruktionen, z.B. einer Eisenbahnbrücke, einzigartig sind und man in solchen Fällen nicht viele vergleichbare Fälle findet, um z.B. statistische Untersuchungen durchzuführen. Daher muss man in der Regel auf analytische Vorgehensweisen zurückgreifen, die man zumindest partiell validieren kann, z.B. durch Laborversuche. In der analytischen Herleitung der Modelle unterscheiden sich allerdings alle Gewerke, da
z.B. die thermodynamischen Prozesse, die zum Ausfall elektronischer Bauteile führen, sich grundsätzlich von den Prozessen unterscheiden, die z.B. Bauwerke zum Einsturz bringen. Das Beanspruchungs-/Widerstands-Modell Ein grundsätzlicher Ansatz besteht darin, zwei Größen gegenüberzustellen, und zwar erstens eine Beanspruchung oder Stress S sowie zweitens einen Widerstand bzw. eine Stärke W. Mit S bzw. W könnten z.B. die Beanspruchung durch Lasten und der Widerstand eines Tragwerks gemeint sein. Die grundsätzliche Sicherheitsforderung besteht nun darin, dass W ≥ S sein sollte, oder das Versagen
zumindest nicht zu häufig eintreten sollte (s. Abb. 14.8). Dabei wird M = W–S häufig als Sicherheitsmarge bezeichnet. Für jedes konkrete Problem muss jetzt natürlich erst einmal eine detaillierte Analyse und Bewertung der Größen W und S sowie ihrer Einflussparameter erfolgen. Traditionell wurde dieses sog. Bemessungsproblem deterministisch durch Überdimensionierung und Einführung von Sicherheitsfaktoren gelöst. Bei der risikoorientierten Betrachtungsweise werden aus den Modellen für beide Größen Wahrscheinlichkeitsverteilungen FW(x) bzw.
Schadensereignis
Wide rstan d
W
Beanspruchung S
Zeit t
Abb. 14.8 Veranschaulichung des Beanspruchungs-/WiderstandsModells
14.3 Risikoanalyse
FS(x) ermittelt, die ggf. zusätzlich von einem Zeitparameter t abhängen können. Liegt nun innerhalb eines bestimmten Betrachtungszeitraums (z.B. 1 Jahr oder auch die Lebensdauer) ein (maximaler) Beanspruchungswert s vor, so versagt das System, wenn der Widerstand W kleiner als s ist. Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt bei konstantem s genau FW(s). Da s aber nicht deterministisch ist, sondern zufällig beliebige Werte entsprechend der Verteilung von S annehmen kann, erhält man als Versagenswahrscheinlichkeit insgesamt
Das Komplement der Versagenswahrscheinlichkeit ist aber wieder die gesuchte Zuverlässigkeitsfunktion RH(t). Bemessung bei normalverteilten Größen In der Praxis geht man häufig davon aus, dass sowohl S als auch W normalverteilt sind, d.h. für ihre Verteilungsdichte gilt
Dies ist die bekannte Gauß’sche Glockenkurve mit dem Mittelwert µx sowie der Streuung σx als Parameter. Sind S und W unabhängig normalverteilt (s. Abb. 14.9), so ist die
659
Sicherheitsmarge M ebenfalls normalverteilt mit den Parametern
Aus diesen Größen wird der sog. Sicherheitsindex abgeleitet:
Der Sicherheitsindex gibt anschaulich an, wie häufig die Streuung von M zwischen Nullpunkt (das heißt dem Punkt, ab dem Versagen eintritt) und Mittelwert von M hineinpasst. Da die Normalverteilung heute in jeder Tabellenkalkulation vorhanden ist, lassen sich die Versagenswahrscheinlichkeiten einfach ermitteln. In diesem Fall lässt sich relativ einfach eine Bemessungsgleichung konstruieren (sog. Verfahren nach Basler/Cornell). Ist in einer Norm oder einem Gesetz ein Grenzwert βG vorgegeben, den der Sicherheitsindex β mindestens erfüllen soll, so erhält man folgende Bemessungsgleichung:
Damit kann man ausgehend von der Kenntnis der Beanspruchung S den notwendigen
f(x) Stärke W Belastung S
Kritischer Bereich W<S s Abb. 14.9 Das Bemessungsproblem bei normalverteilten Parametern
660
14
Funktionale Sicherheit
Widerstand W der Konstruktion bemessen, d.h. auslegen. In der Praxis kommt allerdings eine Reihe von Problemen dazu, z.B. wenn die Größen W und S nicht unabhängig sind. In der Regel hängen S und W wiederum von einer Vielzahl von Parametern ab, im einfachsten Fall z.B. linear
wobei man sich unter den αi bzw. Si Gewichtsfaktoren bzw. verschiedene Beanspruchungstypen vorstellen kann, für ein Tragwerk z.B. Eigenlast, Nutzlast, Windlast, Schneelast, Erdbeben etc. Sind die Verteilungen der einzelnen Beanspruchungstypen bekannt und unabhängig normalverteilt, so kann nach obigem Muster die Gesamtverteilung der Beanspruchung ermittelt werden. Die Weibull-Verteilung Die statistische Bestimmung von Gefährdungsraten, falls genügend Daten vorliegen, verläuft für nahezu alle Gewerke nach derselben Methode und kommt in der Regel mit einer, allerdings etwas komplizierteren Wahrscheinlichkeitsverteilung aus. Die sog. Weibull-Verteilung ist eine Verallgemeinerung der Exponentialverteilung mit weiteren Formparametern, die es auch erlauben, steigende oder fallende Ausfallraten zu modellieren:
Praktisch erfolgt die Bestimmung dieser Parameter bei vorliegenden empirischen Daten entweder durch von Hand durch Eintragen der Lebensdauern (d.h. Zeiten bis zur ersten Gefährdung) in ein spezifisches Weibull-Papier oder mittels eines Statistik-Programms. 14.3.2.9 Systematische und zufällige Gefährdungsursachen Die CENELEC-Normen gehen, wie fast alle anderen Sicherheitsnormen auch, davon aus, dass Sicherheit sowohl auf angemessenen Maßnahmen zur Vermeidung systematischer Fehler als auch auf angemessenen Maßnahmen zur Beherrschung zufälliger Ausfälle beruht. Die Maßnahmen gegen die Ursachen von Fehlern und Ausfällen sollten ausgewogen sein, um eine optimale Sicherheitsleistung des Systems zu gewährleisten, s. Abb. 14.10. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das Konzept der Sicherheitsanforderungsstufen (SIL) verwendet. 14.3.2.10 Safety Integrity Level (SIL) Durch die Zuordnung zu Sicherheitsanforderungsstufen soll ein Gleichgewicht zwischen
SystemVersagen
Mensch
ODER Physik
systematische Fehler
Der Parameter E bestimmt die Steigung der Ausfallrate, für E = 1 erhält man die Exponentialverteilung. Der Parameter G bewirkt eine Verschiebung des Nullpunkts, d.h. des Zeitpunkts des frühestmöglichen Ausfalls und mit dem Parameter K lässt sich die MTBHE steuern.
Schwer quantifizierbar, daher qualitative Stufung (SILs)
Abb. 14.10 SIL-Konzept
Ausfälle u. Störungen
Quantifizierbar („Ausfallraten“)
14.3 Risikoanalyse Tabelle 14.1 Zuordnung von THR zu SIL nach EN 50129 Tolerierbare Gefährdungsrate (THR) pro Stunde und pro Funktion
Sicherheitsanforderungsstufe (SIL)
10-9 d THR 10-8 10-8 d THR 10-7 10-7 d THR 10-6 10-6 d THR 10-5
4 3 2 1
den Maßnahmen zur Vermeidung systematischer Fehler und denen zur Beherrschung zufälliger Ausfälle hergestellt werden, da es anerkannter Stand der Technik ist, dass die Häufigkeit systematischer Fehler nicht quantifizierbar ist (zumindest nicht bei Anwendungen mit einem hohen Sicherheitsniveau). Die detaillierten Anforderungen für die Erfüllung eines SIL sind in den Normen EN 50128 und 50129 zusammengestellt. Der quantitative Zusammenhang nach EN 50129 wird in Tabelle 14.1 dargestellt. 14.3.2.11 SIL-Zuordnung Aus der Prozessdarstellung ergibt sich, dass als Ergebnis einer Risikoanalyse zunächst eine Liste von Gefährdungen mit den zugehörenden tolerierbaren Gefährdungsraten (THR) abgeleitet wird. Zur Beherrschung dieser Gefährdungen werden Sicherheitsfunktionen definiert, die gemäß einer geeigneten Sicherheitsarchitektur zusammenwirken: Im Rahmen der Ursachenanalyse müssen für die Sicherheitsfunktionen THR und SIL abgeleitet werden, d.h. nach EN 50129 besteht eine Sicherheitsanforderung immer aus einer funktionalen Sicherheitsanforderung (d.h. Forderung einer Sicherheitsfunktion) sowie einem quantitativen (THR) und einem qualitativen (SIL) Sicherheitsziel. Etwas vereinfacht ausgedrückt, ist die THR ein Maß für die Häufigkeit, mit der eine Gefährdung auftreten darf, d.h. toleriert wird und der SIL ein Maß für den Aufwand, der für fehlervermeidende Maßnahmen
661
in Bezug auf die Sicherheitsstufe als angemessen erachtet wird. Die SIL-Tabelle kann mit folgender Heuristik erläutert werden: Zuverlässigkeitsanforderungen von bis zu 10 fehlerfreien Betriebsjahren (dies entspricht umgerechnet ungefähr der Grenze von SIL 0 zu SIL 1) sind durch hochwertige Industrietechnik mit normalen Qualitätssicherungsmaßnahmen zu erfüllen. Will man höhere Anforderungen erfüllen, so sind zusätzliche Maßnahmen bezüglich Fehlervermeidung und Ausfallbeherrschung erforderlich. Auf der anderen Seite sind quantitative Anforderungen von 10-9/h (dies entspricht umgerechnet 100.000 fehlerfreien Betriebsjahren!) die höchsten Sicherheitsanforderungen, die in der zivilen Luftfahrt an Funktionen gestellt werden, deren Versagen zum Verlust eines Flugzeugs führen. Eine schärfere Sicherheitsanforderung ist daher auch in der Eisenbahntechnik für keine einzelne Sicherheitsfunktion sinnvoll und darf nach EN 50129 auch nicht gestellt werden. Die Zuordnung der SIL-Stufen zu Zehnerpotenzen mag auf den ersten Blick willkürlich scheinen, entspricht aber der Genauigkeit, mit der man quantitative Sicherheitsanforderungen in der Praxis nachweisen kann. Veranschaulicht man sich die Sicherheitsanforderungen z.B. für SIL 4, so wird schnell deutlich, dass diese realistischerweise nicht durch Test oder Betriebserfahrung nachgewiesen werden können, denn dazu wären fehlerfreie Tests oder fehlerfreier Betrieb über mehrere 100.000 Jahre notwendig. Daher stützt sich der Nachweis der Sicherheitsanforderungen in den höheren SIL hauptsächlich auf Analysen und rigoroser Anwendung fehlervermeidender Maßnahmen ab. 14.3.2.12 Risikoakzeptanz Den Ausgangspunkt aller Betrachtungen bilden die sog. Risikoakzeptanzkriterien, die die Frage nach dem tolerierbaren Grenzrisiko beantworten sollen. In EN 50126 werden drei Kriterien beispielhaft angegeben:
662
14
Funktionale Sicherheit
– ALARP (As Low As Reasonably Practicable), – GAMAB (Globalement Au Moins Aussi Bon) und – MEM (Minimum Endogenous Mortality). ALARP ALARP bedeutet im Kern eine monetäre Kosten-Nutzen-Analyse von Sicherheitstechnik, wobei der Nutzen in der Regel in Form von potenziell verhinderten Unfallopfern gemessen wird. Eine Ausnahme wird davon nur zugelassen, wenn das Risiko sehr weit unter dem vorgegebenen Sicherheitsziel (Benchmark) liegt, s. Abb. 14.11. Dies kommt in der Praxis allerdings nur selten vor. Um den Nutzen mit den Investitionskosten zu vergleichen, werden i.d.R. alle Unfallfolgen in monetäre Einheiten umgerechnet, d.h. auch einem Menschenleben wird ein Geldbetrag zugeordnet.
Intolerierbares Risiko
GAMAB und MGS GAMAB (neuerdings auch als GAME, d.h. Globalement Au Moins Equivalent, bezeichnet) bedeutet, dass neue Technik auf einem globalen Niveau (z.B. dem individuellem Risiko für einen Reisenden) mindestens genau so sicher sein muss wie bisher eingesetzte Technik (Referenztechnik). Dies ähnelt sehr stark dem in § 2 (2) der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) verankerten Kriterium: Von den anerkannten Regeln der Technik darf abgewichen werden, wenn mindestens die gleiche Sicherheit wie bei Beachtung dieser Regeln nachgewiesen ist.
Dieses Kriterium wird häufig vereinfachend auch als „Mindestens Gleiche Sicherheit (MGS)“ bezeichnet, dabei ist jedoch der Nachsatz wie bei Beachtung dieser [anerkannten]
Risiko kann in der Regel nicht toleriert werden
Tolerierbar nur, wenn Reduktion nicht praktikabel ist oder die Kosten unverhältnismäßig hoch sind
ALARP Risiko
Benchmark
z. B. 1 Toter pro 10.000 Personenjahre
z. B. 1 Toter pro 100.000 Personenjahre
Kosten-NutzenBetrachtungen Tolerierbar nur, wenn die Kosten für weitere Reduktion den Nutzen übersteigen
Allg. tolerierbares Risiko (ALARP Prinzip braucht nicht Nachgewiesen werden)
Abb. 14.11 ALARP-Prinzip
Notwendig, zu zeigen, dass das Risiko unter diesem Niveau bleibt
z. B. 1 Toter pro 1.000.000 Personenjahre
14.3 Risikoanalyse
Regeln [der Technik] wesentlich. Diese allgemeinen Vorgaben wurden bereits seitens des Eisenbahn-Bundesamts (EBA) untersucht und folgendermaßen interpretiert: „Für die Belange der Aufsichtsbehörde ist die Abschätzung der individuellen Risiken und deren Vergleich mit einem Referenzwert die zweckmäßigste Methode... Ein System ist dann sicher genug, wenn die individuellen Risiken aller Personen oder Personengruppen im System unterhalb des Referenzwertes liegen. Der Referenzwert kann entweder ein Vergleichswert aus einem vergleichbaren System sein, oder er kann als zulässiges Risiko in Form eines Grenzwertes definiert sein.“ In der Regel erfüllt eine neue Technik, die GAMAB erfüllt, auch MGS (vorausgesetzt, die Referenztechnik erfüllt die EBO). MEM Das MEM-Prinzip basiert auf einem unvermeidbaren Grundrisiko, nämlich der endogenen Sterblichkeit (d.h. ohne ersichtliche Todesursachen aufgrund von äußeren Einwirkungen wie z.B. Unfällen) für die statistisch gesündeste Altersgruppe, die in Westeuropa aus Jugendlichen besteht. Es wird willkürlich postuliert, dass dieses minimale Grundrisiko von 2u10-4 pro Person und Jahr ebenso für sämtliche technischen Bedrohungen angesetzt werden darf. Dies bedeutet, dass im Durchschnitt maximal 2 von 10.000 Personen jährlich aufgrund von Einwirkungen technischer
Systeme zu Tode kommen dürfen. Dies ist sozusagen der Preis, den die Gesellschaft für den technischen Fortschritt und die daraus resultierenden Vorteile zu zahlen bereit sein muss. Daraus werden dann tolerierbare individuelle Risiken für einzelne technische Systeme (durch Aufteilung des Vorgabewert auf 20 technische Systeme, d.h. 10-5 Todesfallrisiko pro Person und Jahr für ein einzelnes technisches System z.B. die Eisenbahn) oder sämtliche Verkehrssysteme (durch Aufteilung auf drei Risikobereiche, d.h. 10-8 Todesfallrisiko pro Person und Stunde für den Verkehr insgesamt) abgeleitet. Aus der letztgenannten Anforderung lässt sich direkt eine Sicherheitsanforderungen bezogen auf eine Stunde Reisezeit für einen Reisenden ableiten, indem man annimmt, dass der Reisende während dieser Reisezeit nicht Risiken ausgesetzt wird, die von anderen Verkehrssystemen verursacht werden. Konkret heißt diese Forderung, dass bei einem Verkehrsbetrieb, z.B. einer U-Bahn, bei 100 Millionen Reisendenstunden höchstens ein Reisender zu Tode kommen darf. MEM wird häufig als universell einsetzbares Risikoakzeptanzkriterium bezeichnet, allerdings sind zusätzlich folgende Einschränkungen festzustellen: – Es ist nicht sichergestellt, dass ein neues System, das MEM erfüllt, die EBO erfüllt, d.h. die gleiche Sicherheit bietet wie eine
Tote/(Person x Jahr)
Abb. 14.12 MEM-Kriterium
2E-4 (MEM) 1E-5
100
663
Anzahl Tote
664
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Funktionale Sicherheit
Referenztechnik, die die anerkannten Regeln der Technik erfüllt. – Die informative Nennung in EN 50126 suggeriert zwar Praxiserfahrung (in Deutschland), dies ist aber bisher nicht richtig: Bisher wurde MEM in der Eisenbahnsignaltechnik lediglich für Forschungsvorhaben oder Prototypen, aber nicht für in Betrieb befindliche Seriensysteme zugrunde gelegt. In der bekanntesten Darstellungsform wird das MEM-Kriterium noch ergänzt durch eine Risikoaversion ab einer erwarteten Opferzahl von 100 Opfern, d.h. verschärften Anforderungen für Gefährdungen, die Katastrophen hervorrufen können. Abschließend ist zu diesem Thema festzustellen, dass es bisher leider keine international harmonisierten Risikoakzeptanzkriterien gibt. 14.3.2.13 Systemdefinition Die Definition eines Systems oder von Systemfunktionen oder seiner Bestandteile ist eine Sache des Blickwinkels. Es ist unerheblich, wie ein System definiert wird, wichtig ist nur, dass es exakt definiert wird (Grenzen, Schnittstellen, Funktionen, Umgebung usw.), vgl. Abb. 14.13.
Daher kommt eine Vielzahl möglicher strukturierter Beschreibungsmittel in Betracht, siehe z.B. EN 50128. Hierbei ist insbesondere festzulegen, ob der Mensch z.B. als Bediener oder Instandhalter Teil des Systems ist oder nicht. Die Diskussion von Beschreibungsmitteln, Methoden und Werkzeugen für die Systemdefinition soll hier unterbleiben, da sie den Rahmen sprengen würde. Die allgemeine Entwicklung in der Informatik geht allerdings klar in Richtung Unified Modelling Language (UML) und diesem Trend wird sich die Sicherheitstechnik nicht verschließen können. Betrachtet man die wesentlichen Grundkonzepte der UML, nämlich Klassendiagramme, Use Cases (d.h. Benutzungsszenarien), Zustandsübergangsdiagramme und Message Sequence Charts (d.h. Interaktionsdiagramme), so stellt man fest, dass dies auch die wichtigsten Fragestellungen bez. des Verhaltens des Systems sind, die in Risikoanalysen wie auch Sicherheitsnachweisen eine entscheidende Rolle spielen. Das Hauptziel einer Risikoanalyse bzw. eines Sicherheitsnachweises muss die angemessene Beherrschung der Gefährdungen sein. Es darf keine Rolle spielen, ob eine Sicherheitsfunktion durch Systeme oder Teilsysteme erreicht wird.
Systemgrenze Umgebung
Input
Beeinflussung (nicht-funktional) System Subsystem
Schnittstelle Abb. 14.13 Prinzipdarstellung Systemdefinition
Output
14.3 Risikoanalyse
Man kann allerdings feststellen, dass allein die intensive Beschäftigung mit dem Thema Systemdefinition einen Nutzen bringt, unabhängig davon, welches Beschreibungsmittel schließlich gewählt wird. Die Definition des Systems ist also der Schlüssel zu den folgenden Schritten und sollte niemals unterschätzt werden. Ohne eine sinnvolle Systemdefinition kann die gesamte Analyse zu falschen oder ungültigen Ergebnissen führen. 14.3.2.14 Gefährdungsidentifikation Die Gefährdungsidentifikation beinhaltet eine systematische Analyse eines Systems, um Gefährdungen, die sich während des Lebenszyklus des Systems ergeben können, zu erkennen. Eine systematische Identifikation von Gefährdungen umfasst i. Allg. zwei Phasen: – eine empirische Phase (Nutzung von in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen, z.B. Checklisten oder Lehren aus BeinaheUnfällen), – eine kreative Phase (Vorhersagen, z.B. strukturierte Was-wäre-wenn-Studien in Art einer FMEA). FMEA Als Beispiel soll eine Failure Modes and Effects Analysis (FMEA) eine mögliche Vorgehens-
665
weise zur Gefährdungsidentifikation illustrieren: 1)Zunächst verschafft man sich eine Darstellung des Systems, z.B. eine funktionale Beschreibung oder Systemarchitektur, die die Betrachtungseinheiten des Systems (Funktionen, Komponenten etc.) vollständig beschreibt und erzeugt eine nummerierte Liste der Betrachtungseinheiten. 2)Anschließend erzeugt man, z.B. mittels Brainstorming oder bekannten Checklisten, eine vollständige Liste aller denkbaren Versagensarten der Betrachtungseinheiten und nummeriert diese, z.B. von a, b, c… Typische Versagensarten sind z.B. Funktion wird nicht erbracht, Funktion wird fälschlicherweise erbracht bzw. zu früh, zu spät etc. 3)Der eigentliche kreative Akt besteht darin, für jede Komponente für jede denkbare Ausfallart die Folgen abzuschätzen und zu entscheiden, ob sich als Folge eine Gefährdung ergibt oder nicht. Tabelle 14.2 illustriert das Prinzip mittels eines Ausschnitts aus einer FMEA-Tabelle für eine automatische Bahnsteigtür, und zwar für die Funktion Objekterkennung. Eine FMEA hat den Vorteil, dass damit argumentiert werden kann, dass alle Versagensarten für alle Betrachtungseinheiten vollstän-
Tabelle 14.2 FMEA-Prinzip Funktion
Versagensart
… 7 Objekterkennung a: erkennt Objekt nicht
Folge
Ja, mögliche Verletzung bzw. Beschädigung durch Tür oder abfahrenden Zug b: erkennt fälschlicher- Tür schließt nicht, Nein weise Objekt (obwohl Zug kann nicht kein Objekt da) abgefertigt werden c: erkennt Objekt Tür trifft Objekt Ja, möglicherweise zu spät Beschädigung bzw. Verletzung d: …
…
Objekt wird eingeklemmt
Gefährdung
Bemerkung
666
14
Funktionale Sicherheit
dig diskutiert werden, vorausgesetzt natürlich, es kann plausibel begründet werden, dass alle Betrachtungseinheiten und alle Versagensarten vollständig identifiziert wurden. Die empirische und die kreative Phase der Gefährdungsidentifikation ergänzen einander, so dass man darauf vertrauen kann, dass der potentielle Gefährdungsraum abgedeckt und alle signifikanten Gefährdungen identifiziert werden. Es ist zu beachten, dass die Identifikation einer einzigen signifikanten Gefährdung die Identifikation einer großen Zahl weniger signifikanter Gefährdungen aufwiegt. Das heißt, hier ist nicht Quantität, sondern Qualität entscheidend. Dies wird auch durch die Unfallforschung bestätigt. Hierarchische Definition von Gefährdungen Für praktische Zwecke hat sich folgende Definition von Gefährdungen als nützlich erwiesen: Eine Gefährdung ist ein Zustand eines Systems, der unter bestimmten äußeren Bedingungen zu einem Unfall führt. Diese Definition besitzt den Vorteil, dass die Gefährdung einen Bezug zur Systemdefinition und insbesondere den Systemgrenzen herstellt, was eine hierarchische Gliederung der Gefährdungen hinsichtlich der Systeme und Teilsysteme ermöglicht, s. Abb. 14.14. Für die Gefährdungsidentifikation bedeutet dies, dass
Ursache (Systemebene) => Gefährdung (Teilsystemebene)
man nur Effekte als Gefährdung bezeichnen sollte, die über die Systemgrenze hinaus wirken. 14.3.2.15 Folgenanalyse Angewandt auf eine Gefährdung befasst sich die Folgenanalyse mit der Frage „Was passiert, wenn die Gefährdung eintritt?“ Die Folgenanalyse dient der Identifizierung, Erfassung und Bewertung wahrscheinlicher Konsequenzen, die sich aus einer Gefährdung ergeben können. So gesehen, zählen alle Ereignisse, die nach Eintritt einer Gefährdung passieren, zu den möglichen Folgen. Die Notwendigkeit einer Folgenanalyse für eine realistische Beurteilung des Risikos ergibt sich aus der Tatsache, dass längst nicht alle Gefährdungen, wie z.B. Vorbeifahrt an einem Halt zeigenden Signal, zu Unfällen oder gar Katastrophen führen, sondern dass ein großer Teil dieser Situationen schadensfrei oder mit geringen Schäden endet, vgl. Abb. 14.1. Dies bedeutet aber insbesondere, dass ohne eine adäquate Folgenanalyse Risiken um Größenordungen überschätzt werden können und damit unnötig hohe Sicherheitsanforderungen abgeleitet werden. Ausgehend von der Gefährdung werden alle physikalischen, verfahrenstechnischen
Gefährdung (Systemebene)
Unfall k
Unfall l Ursache Teilsystemgrenze
Systemgrenze
Ursachen
Abb. 14.14 Hierarchische Strukturierung von Gefährdungen
Folgen
14.3 Risikoanalyse
oder lediglich auf vorteilhaften Umständen basierenden Schutzmaßnahmen (sog. Barrieren) von einem Expertenteam erfasst, das mit den Eskalationsszenarien und verschiedenen Schutzmaßnahmen in der Umgebung der Anwendung vertraut ist. Auf diese Weise wird ein Graph erzeugt, in dem alle Eskalationsszenarien, die sich aus der Gefährdung ergeben, in Abhängigkeit von Erfolg oder Versagen jeder Barriere dargestellt sind. Können keine weiteren Barrieren identifiziert werden, ist man schließlich bei den Folgen angelangt, die von sicheren und verlustfreien Bedingungen bis zu einer Vielzahl von Zwischen- und Unfällen mit unterschiedlich starken Verlusten reichen: – sichere oder verlustfreie Folgen, – Folgen, die in erster Linie einen Personenschaden bedeuten, – Folgen, die in erster Linie einen finanziellen Verlust bedeuten, – Folgen, die in erster Linie einen Umweltschaden bedeuten. Die Folgenanalyse führt zur Vorhersage einer Reihe von Zwischen- und Unfällen, die sich nach Eintritt einer Gefährdung aus verschie-
denen Kombinationen von Erfolg und Versagen von Schutzmechanismen ergeben. Wurde ein Folgenmodell entwickelt, kann die Effizienz jeder Barriere durch die Wahrscheinlichkeit ihres Versagens quantifiziert werden. In Zusammenhang mit diesen Wahrscheinlichkeiten kann die Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Unfalls bei Eintritt einer Gefährdung abgeschätzt werden. Ereignisbaumanalyse Die Standardmethode für detaillierte Folgenanalysen ist die so genannte Ereignisbaumanalyse, in der ausgehend von einem Ereignis sämtliche Folgeereignisse in einer Baumstruktur untersucht werden, s. Abb. 14.15 für ein einfaches Beispiel. Neben der Darstellung qualitativer Ereignisketten kann die Ereignisbaumanalyse auch zu probabilistischen Analysen benutzt werden. Dazu wird ausgehend von einer Auftretensrate für die Gefährdung für jede Kante des Ereignisbaumes (d.h. für jeden Ja/Nein-Zweig) ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die jeweilige Kante auftreten in der jeweiligen Situation auftreten kann (d.h. unter Berück-
Nein
Ja
Unfall
Kfz-Fahrer erkennt Zug
Nein
Ja Kfz nähert sich
Kfz kann ausweichen
Ja Bahnübergangssicherung versagt
Addition +
Pfad Ja
Beinahe-Unfall
Zug nähert sich Nein Nein
Ausgangsereignis Rate (Ereignisse/Zeit)
Abb. 14.15 Ereignisbaum (Prinzip)
667
Barrieren Wahrscheinlichkeiten Pfadweise Multiplikation *
Kein Unfall
Folgeereignisse Rate (Ereignisse/ Zeit)
668
14
Funktionale Sicherheit
sichtigung aller vorher aufgetretenen Ereignisse). Dabei ergeben sich einfache Rechenregeln, vgl. Abb. 14.15: 1. Für jeden Pfad von dem Ausgangsereignis zu einem spezifischen Folgeereignis ergibt sich die Auftretensrate dieses Pfades durch Multiplikation der Auftretensrate des Ausgangsereignisses mit allen Wahrscheinlichkeiten, die auf dem Pfad liegen. 2. Für jedes Folgeereignis ergibt sich die Auftretensrate als Summe der Auftretensraten aller Pfade, die vom Ausgangsereignis zu diesem spezifischen Folgeereignis führen. Die häufigste Fehlerquelle in Ereignisbäumen besteht darin, dass die Wahrscheinlichkeiten auf den Pfaden nicht korrekt bestimmt werden, z.B. dass nicht die komplette Vorgeschichte bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses berücksichtigt wird. 14.3.2.16 Schadensanalyse Die meisten Unfälle resultieren in einem Schaden, der abhängig von der Schwere und Energie, dem Unfallort und der Zahl der Unfallbeteiligten auch erhebliche finanzielle und umweltrelevante Folgen beinhaltet. Für eine objektive Abschätzung ist allerdings eine große Zahl fallspezifischer Parameter zu ermitteln. Eine solche Abschätzung ist in der Regel mit einer großen Unschärfe behaftet. Alternativ können Schadensdaten statistisch mit Hilfe einer Unfalldatenbank ermittelt werden. Da Unfälle seltene Ereignisse sind, ist die Genau-
igkeit allerdings auch mit dieser Methode nicht sehr hoch. Bei Schadensanalysen wird i.d.R. nach den gefährdeten Personengruppen unterschieden (z.B. Reisende, Betriebspersonal). Häufig wird eine Gewichtung zwischen verschiedenen Schadensklassen vorgenommen, um diese vergleichbar zu machen, z.B. wird folgende Heuristik verwendet: 1 Todesfall wird gleichgesetzt mit 10 Schwerverletzten bzw. 100 Leichtverletzten. Mit dieser Gewichtung kann dann als Schadensmaß die Einheit „Opferäquivalent“ gebildet und in probabilistischen Risikoanalysen verwendet werden: Opferäquivalent = Anzahl Toter + Anzahl Schwerverletzte/10 + Anzahl Leichtverletzte/100 Bei qualitativen Risikoanalysemethoden wird die Schwere möglicher Schäden nur grob in eine von mehreren Klassen eingeordnet, siehe als Beispiel Tabelle 14.3. Falls eine Quantifizierung erfolgen soll, wird statt einer statistischen Opferzahl ein dimensionsloser Gewichtsfaktor verwendet, in den auch Aspekte wie Risikoaversion gegenüber Katastrophen berücksichtigt werden können. 14.3.2.17 Risikobewertung Ziel ist es, durch Vergleich der Analyseergebnisse mit dem gewählten Risikoakzeptanzkriterium systematisch und nachvollziehbar zu einer tolerierbaren Gefährdungsrate (THR) zu kommen.
Tabelle 14.3 Beispiel für qualitative Schadensabschätzung Klasse
Beschreibung
Auswirkungen
Gewicht
I II
Katastrophal Kritisch
1000 100
III
Marginal
IV
Vernachlässigbar
Tote, Systemverlust, oder schwere Umweltschäden Schwere Verletzungen, schwere Berufskrankheiten oder größerer System- oder Umweltschaden Leichte Verletzungen, leichtere Berufskrankheiten, geringere System- oder Umweltschäden Geringere Auswirkungen als in Klasse III
10 1
14.3 Risikoanalyse
In der Regel gibt es dabei zahlreiche Freiheitsgrade, die für ein optimales SystemDesign genutzt werden können und zahlreiche geeignete Methoden. In allen Ansätzen dient die Risikobewertung aber zweierlei Zwecken: 1. der Definition der THR für die Gefährdungen an der Systemgrenze, 2. der Überprüfung, ob die zugehörigen Risiken tolerierbar sind. Die explizite Bestimmung von Risiken ist jedoch nicht in allen Fällen erforderlich. Es gibt andere Mittel, um oben genannten Zweck zu erfüllen, z.B. auf Grundlage GAMAB.
14.3.3 Methoden zur Risikoanalyse Hier werden die wichtigsten, gebräuchlichen Methoden mit Konstruktions- und Anwendungshinweisen vorgestellt. 14.3.3.1 Probabilistische Risikoanalyse (PRA) Unter diesem Sammelbegriff findet man zahlreiche Ansätze. Hier wird beispielhaft ein Referenzansatz aus der Eisenbahnsignaltechnik dargestellt. Risikoformel Das Modell, das dieser PRA zu Grunde liegt, kann man folgendermaßen erläutern: 1. Ein Individuum i verwendet ein technisches System (z.B. einen Zug). Das Benutzungsprofil wird beschrieben durch die Zahl der Nutzungen Ni (pro Jahr oder pro Stunde). 2. Bei der Benutzung des technischen Systems ist das Individuum Gefährdungen ausgesetzt, die durch das Versagen des technischen Systems bedingt sind. Dies wird durch die Liste der Gefährdungen und entsprechenden Gefährdungsraten {(Hj, HRj)} beschrieben. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Individuum einer Gefährdung ausgesetzt ist, ist außerdem von der Dauer (Bestehens- oder Latenzzeit) der Gefährdung Dj und der Zeit Eij, die das Individu-
669
um der Gefährdung ausgesetzt ist (Aussetzungsdauer), abhängig. Diese Wahrscheinlichkeit setzt sich zusammen aus der Wahrscheinlichkeit, dass die Gefährdung bereits existiert, wenn das Individuum das System betritt (näherungsweise HRj x Dj), und der Wahrscheinlichkeit, dass die Gefährdung auftritt, während das Individuum dem System ausgesetzt ist (ungefähr HRj x Eij). 3. Aus jeder Gefährdung können sich eine oder mehrere Arten von Unfällen ergeben. Dies wird für jede Gefährdung durch die Folgenwahrscheinlichkeit Cjk beschrieben, dass sich ausgehend von der Gefährdung Hj ein Unfall vom Typ Ak ereignet. Diese Wahrscheinlichkeit steht für die Barrieren, die aus der Folgenanalyse abgeleitet werden können (z.B. mit Ereignisbaumanalyse). Für jede Art von Unfall Ak gibt es einen zugehörigen Schweregrad (abgeleitet aus der Schadensanalyse), der vom Individuum her gesehen z.B. beschrieben werden kann als die Wahrscheinlichkeit eines Todesfalls Fik für das einzelne Individuum. Diese Kausalität entspricht eins zu eins dem individuellen Risiko eines Todesfalls, das durch folgende Formel definiert wird:
(14.1) Wichtig ist hier noch, die Einheit klarzustellen, und zwar Todesfälle pro Individuum pro betrachtete Zeiteinheit. Formel (14.1) kann hinsichtlich der Einbeziehung menschlicher Fehler in das Modell wie folgt verallgemeinert werden
(14.2)
Hierbei kann nun Pj, die Wahrscheinlichkeit, dass der Reisende der Gefährdung j ausgesetzt wird, entweder als technisches oder
670
14
Funktionale Sicherheit
als menschliches Versagen interpretiert werden. Bei menschlichem Versagen könnte Pj z.B. während des Betriebes im Rückfallmodus definiert werden als das Produkt aus der Wahrscheinlichkeit des Rückfallmodus (die Nichtverfügbarkeit des technischen Systems) und der Wahrscheinlichkeit menschlichen Versagens. Die Formel (14.1) kann sowohl durch Verwendung von Mittelwerten als auch durch Einsetzen von statistischen Verteilungen für die Parameter ausgewertet werden. Sie wird häufig auch schlichtweg als „Risikoformel“ bezeichnet. Ein weit verbreitetes Missverständnis besteht darin, zu meinen, dass die Risikoformel (14.1) durch CENELEC vorgeschrieben wird. Im Gegenteil, in der EN 50129 wird kein einziger Ansatz zur Risikobewertung explizit erwähnt. Vor- und Nachteile Ein wesentlicher Vorteil der PRA besteht darin, dass alle nur denkbaren Effekte und Einflussfaktoren individuell und detailliert berücksichtigt werden können. Der entscheidende Nachteil besteht allerdings darin, dass häufig die zur Berechnung benötigten Daten nicht oder nicht in der nötigen statistischen Qualität zur Verfügung stehen, denn es handelt sich um seltene
Ereignisse. Obwohl häufig eine höhere Genauigkeit vorgetäuscht wird (z.B. durch Angabe vieler Nachkommastellen), kann man in der Praxis davon ausgehen, dass auch eine PRA nur Aussagen über die Größenordnung eines Risikos machen kann. Unabhängig davon, welche Art der PRA angewendet wird, sollte man immer darauf bestehen, dass 1)die verwendete Formel und das zu Grunde liegende Modell explizit ausformuliert werden und nachvollziehbar sind, 2)die verwendeten Einheiten konsistent sind, und 3)klar die Unsicherheit bezüglich der Eingangsdaten dargestellt wird sowie der daraus resultierende Einfluss auf das Gesamtergebnis. 14.3.3.2 Risikomatrix In der EN 50126 wird lediglich als Beispiel eine so genannte Risikomatrix dargestellt (s. Tabelle 14.4), allerdings ohne Anwendungsregeln oder Vorschläge für eine quantitative Ausprägung der Häufigkeits- oder Schadensausmaßklassen.
Tabelle 14.4 Beispiel für eine Risikomatrix nach EN 50126 Häufigkeit des gefährlichen Ereignisses Häufig
10
6
3
1
Wahrscheinlich
14
9
5
2
Gelegentlich
18
13
8
4
Selten
21
17
12
7
Unwahrscheinlich
23
20
16
11
Unvorstellbar
24
22
19
15
Vernachlässigbar
Marginal
Kritisch
Katastrophal
Schadensausmaß
14.3 Risikoanalyse
Konstruktion Zunächst müssen die Kategorien für beide Klassen quantitativ oder qualitativ eindeutig und klar beschrieben werden. Als nächster Schritt muss die Risikoakzeptanz kalibriert werden, d.h. es muss eine Zuordnung der Felder der Matrix zu zwei oder mehr Klassen wie z.B. tolerabel bzw. intolerabel hergestellt werden, s. Tabelle 14.4 für ein Beispiel. In der Praxis wird man hier ein oder mehrere Punkte in der Tabelle lokalisieren, die eindeutig tolerabel sind (z.B. durch Vergleich mit zugelassenen Systemen, z.B. die fett markierten Einträge in Tabelle 14.5) oder in jedem Fall intolerabel sind. Dann kann man durch Interpolation bzw. Extrapolation die weiteren Felder der Matrix zuordnen. Dabei kann es auch Grenzrisiken geben, die zwar nicht intolerabel, aber unerwünscht sind und nur toleriert werden, wenn es keine sinnvolle Möglichkeit gibt, das Risiko weiter zu reduzieren (in Anlehnung an das ALARP-Prinzip). Hierbei ist es auch möglich, Risikoaversion zu berücksichtigen, d.h. für Ereignisse mit hohem Schadenspotenzial erhöhte Anforderungen zu stellen. Vor- und Nachteile Diese Methode, die ursprünglich auf den amerikanischen MIL-STD 882 zurückgeht, wird
671
zwar in vielen anderen Standards zitiert, sie bringt aber neben der fehlenden Kalibrierung weitere Probleme mit sich: – Bei der Kalibrierung muss insbesondere die ungefähre Anzahl der Gefährdungen berücksichtigt werden. – Die Resultate hängen davon ab, welche Systemebene (z.B. Gesamtsystem oder Komponenten) und welche Bezugsgröße (z.B. eine Fahrtstunde eines Zuges oder eine Strecke über ein Jahr) betrachtet werden. Auch dies muss bei der Kalibrierung berücksichtigt werden. – Dieser Ansatz tendiert dazu, Risiken zu überschätzen, da Anwender häufig vom maximalen Schadensausmaß ausgehen und dazu neigen, Gefährdungen mit Unfällen gleichzusetzen. – Es fehlen im Vergleich zu Formel (14.1) einige wichtige Parameter, wie z.B. der Reduktionsfaktor Cjk. Dadurch dürften sich in Anwendungen, in denen noch Gefahrenabwehr möglich ist, erheblich höhere Sicherheitsanforderungen ergeben. Hat man allerdings die oben ausgeführten Vorüberlegungen ausgeführt und insbesondere eine klare und eindeutige Definition der Kategorien gefunden, so lässt sich mit der Risiko-
Tabelle 14.5 Beispiel für eine kalibrierte Risikomatrix Häufigkeit des gefährlichen Ereignisses (pro System pro Stunde) Häufig (10-4)
intolerabel
intolerabel
intolerabel
intolerabel
unerwünscht
intolerabel
intolerabel
intolerabel
Gelegentlich (10-6)
tolerabel
unerwünscht
intolerabel
intolerabel
Selten (10-7)
tolerabel
tolerabel
unerwünscht
intolerabel
Unwahrscheinlich (10-8)
tolerabel
tolerabel
tolerabel
unerwünscht
Unvorstellbar (10-9)
tolerabel
tolerabel
tolerabel
tolerabel
Vernachlässigbar
Marginal
Kritisch
Katastrophal
Wahrscheinlich (10-5)
Schadensausmaß
672
14
Funktionale Sicherheit
matrix sehr pragmatisch und effizient arbeiten, da man z.B. aus der Einschätzung des Schadenspotenzials sofort die tolerierbare Häufigkeit des gefährlichen Ereignisses bestimmen kann. 14.3.3.3 Risikoprioritätszahlen Risikoprioritätszahlen sind eine besonders in der Automobil- und Software-Industrie verbreitete, aber auch in der Eisenbahntechnik gelegentlich angewendete Methode, eine FMEA zu einer einfachen Risikobewertung auszubauen, die dann auch FMECA (Failure Modes, Effects and Criticality Analysis) genannt wird.
Tabelle 14.6 Häufigkeit des Ereignisses H
Häufigkeit
Beschreibung
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Sehr hoch
> 1 in 2 1 in 3 1 in 8 1 in 20 1 in 80 1 in 400 1 in 2000 1 in 15000 1 in 150000 <1 in 1500000
Hoch Mäßig
Gering Praktisch nie
FMECA Die Analyse beginnt wie eine FMEA mit einer Definition der Systemfunktionen sowie ihrer möglichen Ausfallmodi. Dann wird jeder mögliche Ausfall auf seine Folgen untersucht. Das Ergebnis wird tabellarisch dokumentiert und zwar wird zu jedem denkbaren Ausfallmodus i dessen Häufigkeit Hi, die Möglichkeiten der Offenbarung (bzw. Entdeckung) Oi (bevor ein Schaden eintreten kann) sowie der mögliche resultierende Schaden Si auf einer Rangskala (typischerweise von 1 bis 10) abgeschätzt. Dabei werden in der Anwendung statt der Funktionen die sie implementierenden Komponenten betrachtet und die Häufigkeit auf einen festen Betrachtungszeitraum (z.B. 1 Jahr oder die Lebensdauer des Systems) bezogen und als Anteil der Komponenten definiert, an denen man im Betrachtungszeitraum den angegebenen Ausfall erwartet. Daraus wird die zugehörige Risikoprioritätszahl
ermittelt, die ein Maß für die Kritikalität (typischerweise auf einer Skala von 1 bis 1000) des Ausfallmodus sein soll. Diese Risikoprioritätszahlen werden benutzt, um verschiedene Ausfallmodi miteinander zu vergleichen oder konkrete Handlungen abzuleiten, z.B. das Design so zu ändern, dass alle Ausfallmodi eine gerin-
Tabelle 14.7 Offenbarungsmöglichkeit O
Offenbarung
Beschreibung
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Absolut unmöglich Praktisch unmöglich Fast nicht möglich Sehr gering Gering Angemessen Angemessen hoch Hoch Sehr hoch Absolut sicher
Ausfall kann nicht offenbart werden Ausfall kann nicht mit angemessenem Aufwand offenbart werden Ausfall kann fast nicht offenbart werden Sehr geringe Möglichkeit, den Ausfall zu offenbaren Geringe Möglichkeit, den Ausfall zu offenbaren Angemessene Chance, den Ausfall zu offenbaren Angemessene hohe Chance, den Ausfall zu offenbaren Hohe Wahrscheinlichkeit, den Ausfall zu offenbaren Sehr hohe Wahrscheinlichkeit, den Ausfall zu offenbaren Ausfall wird sicher entdeckt
14.3 Risikoanalyse
673
Tabelle 14.8 Schaden S
Schaden
Beschreibung
10 9 8 7 6 5 4 3 2 1
Äußerst schwer Sehr schwer Sehr hoch Hoch Moderat Mäßig Sehr mäßig Gering Sehr gering Kein
Beeinträchtigung der Sicherheit, Ausfall des Systems Gefahr der Beeinträchtigung der Sicherheit, Ausfall des Systems Ausfall des Systems ohne Beeinträchtigung der Sicherheit Ausfall der Komponente mit sehr ungünstiger Wirkung auf andere Komp. Ausfall der Komponente mit Beeinflussung anderer Komponenten Ausfall der Komponente ohne Beeinflussung anderer Komponenten Ausfall der Komponente reduziert Verfügbarkeit des Systems Ausfall der Komponente reduziert Verfügbarkeit des Systems geringfügig Ausfall der Komponente mit geringen Auswirkungen Ausfall der Komponente ohne weitere Auswirkungen
gere Risikoprioritätszahl als ein Vorgabewert, z.B. 125, haben. Vor- und Nachteile Aufgrund seiner Einfachheit ist diese Vorgehensweise sehr beliebt. Von einer Risikoanalyse unterscheidet sich das Konzept der Risikoprioritätszahlen allerdings dadurch, dass – es nicht möglich ist, auf Grundlage von Risikoprioritätszahlen Aussagen über tatsächliche Risiken oder das Einhalten von Grenzrisiken abzuleiten, – wichtige Parameter wie die Aussetzungsdauer oder Latenzzeiten von Gefährdungen nicht berücksichtigt werden, – Reduktionsfaktoren nur sehr pauschal betrachtet werden (Parameter O). Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dieses Konzept selbst innerhalb seines Betrachtungsumfangs erhebliche systematische Schwächen aufweist: – Unterschiedliche Bandbreiten bei Parametern: Während man sich leicht vorstellen kann, dass zwischen geringen und äußerst schweren Schäden ein Unterschied von sechs oder mehr Größenordnungen liegen kann, so ist dies bei den anderen Parametern, z.B. Offenbarung, nur schwer begründbar.
– Sensitivität gegenüber kleinen Änderungen: Ändert man einen Parameter geringfügig, so hängt die Größe der Änderung in der resultierenden Risikoprioritätszahl von der Größe der anderen Parameter ab. Dieser Effekt ist insbesondere im Bezug zum damit verbundenen Risiko nur schwer zu begründen. – Gefahr falscher Schlussfolgerungen: Die Definition der Risikoprioritätszahlen impliziert, dass die Verdopplung eines Parameters bei gleichzeitiger Halbierung eines anderen keinen Einfluss auf das Ergebnis hat. Diese Schlussfolgerung würde aber eine rationale Skala voraussetzen, während das Konzept lediglich auf einer Rangskala basiert. Dies ist im obigen Beispiel leicht nachzuvollziehen: Beim Parameter H entspricht der relative Unterschied zwischen dem Wert 9 und dem Wert 8 ca. dem Faktor 3, während er für den Wert 3 zum Wert 2 einem Faktor 10 entspricht. Für die Parameter O und S ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, ob die Skala auch nur annähernd rational ist. Zusammenfassend ist daher von einer Anwendung von Risikoprioritätszahlen für Risikoanalysen abzuraten. Sie können allenfalls einer ersten, groben Priorisierung von Risiken dienen.
674
14
Funktionale Sicherheit
14.3.3.4 Risikograph Der VDV besitzt mit dem in der VDV Schrift 331 beschriebenen Verfahren eine im Nahverkehr bewährte Methode der Risikoanalyse, die zugleich das für diesen Bereich gültige (implizite) Risikoakzeptanzkriterium darstellt. Parameter nach VDV331 Beim Risikographen wird das notwendige Maß an Risikoreduktion in Form eines SIL für jede Sicherheitsfunktion abgeleitet, und zwar mittels qualitativer Beurteilung von vier Einflussfaktoren (Tabelle 14.9). Vor- und Nachteile Obwohl die Parameter des Risikographen hier tabellarisch dargestellt wurden, unterscheidet sich das Verfahren qualitativ von Risikoprioritätszahlen deutlich. So wird z.B. durch den Graphen gesteuert, welche Parameter überhaupt maßgeblich sind: Beim Wert S1 ist z.B. nur noch W maßgeblich, während im Fall S2 zusätzlich noch A und G berücksichtigt werden. Außerdem sind die Parameter im Risikographen wesentlich gröber differenziert (mit 2, 3 oder 4 Werten) als die Parameter der Risikoprioritätszahlen (mit jeweils 10 Werten).
Die wesentlichen Schwächen des Verfahrens liegen darin, dass die Kategorien für die Einflussfaktoren nur verbal beschrieben sind und dass es keine Begründung für die Konstruktion des Verfahrens gibt. So ist schwer abzuschätzen, welches Schadensausmaß bei einer Entgleisung zutrifft, dies kann (selbst bei hoher Geschwindigkeit) von S2 bis S4 variieren. Auch die in VDV 331 enthaltenen weiteren Erläuterungen können diese Schwäche nicht gänzlich beseitigen. Konformität zu EN 50129 Die Vorgehensweise nach VDV 331 erfüllt die Anforderungen der EN 50129 bezüglich a) der Systemdefinition, b) der Identifikation der Gefährdungen (im Sinne von Funktionsversagen), c) des abgestimmten Risikoakzeptanzkriteriums (Risikograph). Auch nach VDV 331 werden für die Dimensionierung der Ausfall-Beherrschung Zahlenwerte benötigt. Die VDV 331 benutzt dazu die Tabelle 14.1. Die Anwendung des Risikographen nach VDV 331 in Verbindung mit der SIL-Tabelle ist damit konform zur EN 50129 (s. Abb. 14.16),
Tabelle 14.9 Parameter des VDV-Risikographen Parameter
Wert
Beschreibung
Schadensausmaß
S1 S2
Leichte Verletzung Schwere irreversible Verletzung einer oder mehrerer Personen oder Tod einer Person Tod mehrerer Personen Katastrophale Auswirkungen, sehr viele Tote Seltener bis öfterer Aufenthalt im Gefahrenbereich Häufiger bis dauernder Aufenthalt im Gefahrenbereich Möglich unter bestimmten Bedingungen Kaum möglich Sehr gering Gering Relativ hoch
Aufenthaltsdauer Gefahrenabwehr Wahrscheinlichkeit des unerwünschten Ereignisses
S3 S4 A1 A2 G1 G2 W1 W2 W3
14.4 Sicherheitsnachweisführung W3 S1
W2
675
W1
0 0 0
G1 A1 S2
1 G2
1 A2
G1
2 1 2
G2
Funktionen F
A1
3 2
S3
3 A2
S4
3
4
Zugehörige SILs
4
Negation
SIL-Tabelle Zugehörige SILs
EN 50129 Schnittstelle
Gefährdungen H
Zugehörige THR
Abb. 14.16 Zusammenhang zwischen Risikograph nach VDV331 und EN 50129
wenn als Ergebnis der Risikoanalyse jeweils angegeben wird – die Gefährdung (als Versagen der Sicherungsfunktion), – die THR sowie – der SIL (für die Sicherungsfunktion). Es fehlt lediglich die konkrete Vorgabe, welche THR aus der jeweiligen Bandbreite der SIL-Tabelle gewählt werden soll. Konservativ könnte man die jeweils kleinste Zahl wählen (untere Grenze der Bandbreite). 14.3.3.5 Semi-quantitative Verfahren Man kann versuchen, die Vorteile quantitativer PRA mit den Vorteilen qualitativer Verfahren, insbesondere hinsichtlich Einfachheit und Anwenderakzeptanz, zu verbinden. Dabei definiert man zunächst ein PRA-Modell, aus dem man durch Transformation bzw. Approximation ein qualitatives Verfahren konstruiert. Der Vorteil besteht darin, dass dieses abgeleite-
te qualitative Verfahren aufgrund seiner ingenieurmäßigen Konstruktion dann nachweisbare Eigenschaften besitzt. Diese Ansätze, die z.B. für Risikographen oder Risikoprioritätszahlen versucht wurden, sind allerdings noch im Forschungsstadium und werden daher hier nicht behandelt.
14.4 Sicherheitsnachweisführung Das Ziel der Sicherheitsnachweisführung besteht darin, nachzuweisen, dass das System für den vorgesehenen Einsatzzweck ausreichend sicher ist. Dieser Nachweis wird englisch auch als „assurance“ (Gewissheit) tituliert. Wenn alle Aktivitäten der Sicherheitsnachweisführung fehlerfrei ausgeführt würden (z.B. alle Gefährdungen identifiziert, alle Sicherheitsanforderungen korrekt ermittelt), wäre es ausreichend, einfach alle Sicherheitsanforderungen nachzuweisen. Da dies aber in
676
14
Funktionale Sicherheit
der Praxis selten der Fall sein wird, geben die Normen vorsichtshalber umfangreiche Hinweise, welche Aspekte in Sicherheitsnachweisen berücksichtigt werden müssen. Der (zusätzliche) Nachweis der Normkonformität wird englisch als „compliance“ (Erfüllung) bezeichnet und ist für sich alleine nicht ausreichend, um die Sicherheit eines Systems nachzuweisen (da eine Norm nicht jeden Spezialfall abdecken kann), aber aus den o.a. Gründen für einen Sicherheitsnachweis notwendig. Daher kommt es häufig zu Überschneidungen und Redundanz zwischen beiden Aspekten, dies ist aus sicherungstechnischer Sicht aber durchaus sinnvoll und gewollt. CENELEC EN 50129 fordert daher, dass der Nachweis der Sicherheitsanforderungen sowie der normativen Anforderungen in einem einheitlich gegliederten Dokument enthalten ist, das Sicherheitsnachweis genannt wird. Der Sicherheitsnachweis bildet einen Teil der
gesamten Dokumentation, die der zuständigen Aufsichtsbehörde vorgelegt wird, um eine Zulassung zu erlangen. Dabei kann die Zulassung für ein generisches Produkt, eine Klasse von Anwendungen oder für eine spezifische Anwendung beantragt werden.
14.4.1 Der Gefährdungsanalyse-Prozess 14.4.1.1 Überblick Die Gefährdungsanalyse ist der Prozess während der Entwicklung eines Systems, der die Ursachen für die Gefährdungen ermittelt und die in der Risikoanalyse ermittelten Sicherheitsanforderungen für die Gefährdungen auf die Systemfunktionen bzw. -komponenten aufteilt, s. Abb. 14.17 für einen Überblick.
Aus Risikoanalyse
Liste von Gefährdungen und THR
Undetected failure of power supply
Lateornoswitch-in
Undetectedfailure ofpowersupply
1E-7
1E-7
Undetetcedfailure ofroad-side warnings
Undetectedfailure ofLCcontroller
1E-7
1E-7
LCsetbackto normalposition
Überprüfe Annahmen, definiere ggf. Auflagen
1E-7
Undetetced failure of road-side warnings 1E-7
Undetected failure of LCcontroller
1E-7
.... Undetected failure of light signals
7E-6 Undetectedfailure of switch-in function
Undetected failuteofdistant signal
1E-7
Undetectedfailure oflightsignals
Undetected failureofbarriers
7E-6
7E-6
.... Bestimme THR
SILTabelle
Abb. 14.17 Gefährdungsanalyse-Prozess
und SIL
SIL und THR für Funktion bzw.Teilsystem
Undetected failure of barriers
7E-6
Systemarchitektur
14.4 Sicherheitsnachweisführung
14.4.1.2 Ursachenanalyse Die Ursachenanalyse besteht aus zwei Phasen. In einer ersten Phase der Ursachenanalyse wird die tolerierbare Gefährdungsrate für jede Gefährdung auf Funktionen aufgeteilt. Die Gefährdungsrate wird dann in einen SIL unter Verwendung der SIL-Tabelle umgesetzt. Die SIL werden auf dieser funktionalen Ebene direkt den Teilsystemen, die die Funktionen implementieren, zugeordnet. Ein Teilsystem kann mehrere sicherheitsrelevante Funktionen umfassen, wobei unterschiedliche SIL gefordert sein könnten. Wo dies der Fall ist, muss das Teilsystem alle Anforderungsstufen erfüllen. Dieses kann dadurch erreicht werden, indem das Teilsystem den höchsten SIL erfüllt, oder indem Unabhängigkeit der Funktionen nachgewiesen werden kann. In diesem Fall muss eine Untersuchung möglicher gemeinsamer Ursachen, eine sog. Common-Cause-Failure-Analyse (CCF), durchgeführt werden. In einer zweiten Phase der Ursachenanalyse werden die Gefährdungsraten von Teilsystemen weiter heruntergebrochen auf Ausfallraten von Komponenten, aber dabei bleiben die SIL unverändert. Die Ursachenanalyse kann mit jeder Methode durchgeführt werden, die eine geeignete Darstellung der Zusammenhänge erlaubt, wie z.B. Zuverlässigkeitsblockdiagramme, Fehlerbäume, binäre Entscheidungsdiagramme, Markov-Modelle o.ä. In jedem Fall muss auf die notwendige Unabhängigkeit von Einheiten geachtet werden. Während in der ersten Phase der Ursachenanalyse funktionale Unabhängigkeit gefordert ist (d.h. das Versagen von Funktionen muss unabhängig in Bezug auf systematische Fehler und zufällige Ausfälle sein), ist lediglich physikalische Unabhängigkeit in der zweiten Phase gefordert (d.h. das Versagen von Funktionen muss unabhängig in Bezug auf zufällige Ausfälle sein). Die in der Ursachenanalyse gemachten Annahmen müssen in jedem Fall nachgeprüft werden, und sie können zu sicherheitsbezogenen
677
Anwendungsregeln (SAR) für die Implementierung führen. Die EN 50129 empfiehlt ausdrücklich, dass im Sicherheitsnachweis zwei komplementäre Methoden zur Anwendung kommen müssen, um hinreichend sicher bezüglich der Vollständigkeit der Identifikation von Gefährdungen und der Analyse ihrer Ursachen zu sein. In der Praxis hat sich eine Kombination aus FMEA und Fehlerbaumanalyse (FTA) bewährt. Fehlerbaumanalyse (FTA) Bei der FTA handelt es sich im Gegensatz zur FMEA um eine deduktive Methode, d.h. ihr Ziel besteht in der systematischen Analyse aller möglichen Ursachen eines bestimmten unerwünschten Ereignisses, des sog. TOP-Ereignisses. Der Fehlerbaum stellt in Boole’scher Logik die Ereigniskombinationen dar, die zum TOP-Ereignis führen, d.h. im Wesentlichen logische UND- bzw. ODER-Verknüpfungen. Die Analyse erfolgt dann Top-Down (im Gegensatz zur FMEA oder auch Ereignisbaumanalyse), rückwärts (auch zeitlich gesehen) vom TOP-Ereignis zu den Ursachen. Jedes Ereignis im Baum, für das keine weiteren Ursachen ermittelt werden (können), stellt ein sog. Basisereignis dar. Die Symbole für FTA sind leider nicht standardisiert, aber in den meist angelsächsischen Tools sind die in Abb. 14.18 abgebildeten Symbole am gebräuchlichsten. Ereignisse werden durch Rechtecke, Basisereignisse durch Kreise gekennzeichnet. Abbildung 14.19 zeigt ein einfaches Beispiel für ein redundantes System, bei dem zwei sog. Kanäle eine Aufgabe bearbeiten und vor einer sicherheitskritischen Ausgabe ein sog. Vergleicher überprüft, ob beide Kanäle dasselbe Ergebnis liefern (im andern Fall würde die Ausgabe unterbunden). Der Fehlerbaum basiert auf folgender Logik: Es kommt dann zu einer fehlerhaften Ausgabe, wenn Kanal A und Kanal B die gleiche fehlerhafte Ausgabe machen, oder wenn der Vergleicher nicht mehr korrekt arbeitet (dann würde ggf. ein zusätzlicher Fehler eines Kanals ausrei-
678
14
Funktionale Sicherheit
BASISEREIGNIS
UND
EREIGNIS
ODER
Abb. 14.18 Wichtige Fehlerbaum-Symbole
Fehlerhafte Ausgabe
Gleichartiges Versagen
Kanal A versagt
Kanal B versagt
Versagen Vergleicher
Vergleicher versagt
Ein Kanal versagt
Kanal A versagt
Kanal B versagt
Abb. 14.19 Fehlerbaum-Beispiel
chen). Allerdings zeigt schon dieses einfache Beispiel, dass die Boole’sche Logik bereits an ihre Grenzen kommt, denn im letzteren Fall muss der Vergleicher vor den Kanälen ausfallen. Würde ein Kanal ausfallen, so würde ein noch funktionierender Vergleicher dies mit hoher Wahrscheinlichkeit schon bei einer der nächsten Ausgaben feststellen. Deshalb wurde im obigen Beispiel ein zusätzliches Zeichen für
diesen Fall notwendig, ein sog. Prioritäts-UND mit der Bedeutung „erst A, und dann B“. Abbildung 14.20 zeigt den Zusammenhang zwischen der Gefährdungsliste, der FMEA, der FTA sowie einen möglichen Ablauf einer Ursachenanalyse.
14.4 Sicherheitsnachweisführung
679
Abb. 14.20 Anwendung von FTA und FMEA im Rahmen einer Gefährdungsanalyse
Gefährdungsliste (H, THR)
FMEA
BasisEreignisse
Top-Events FMEA-Tabelle
Funktionale FTA
Fehlerbaum (funktional) Identifikation Sicherheitsrelevanter Funktionen
Zulässige Gefährdungsraten für Funktionen
Liste sicherheitsrelevanter Funktionen
14.4.1.3 Common Cause Failure (CCF)-Analyse Zweck der CCF-Analyse ist die Aufdeckung aller Fälle, in denen zwei oder mehr Ereignisse gleichzeitig als Ergebnis einer gemeinsamen Ursache oder eines auslösenden Ereignisses auftreten können. Ist die Wahrscheinlichkeit einer gemeinsamen Ursache deutlich größer als die Wahrscheinlichkeit, dass die zwei oder
mehr Ereignisse unabhängig auftreten, dann kann die gemeinsame Ursache entscheidend zur Gefährdungsrate beitragen. Man beachte, dass im Normalfall Funktionen oder Komponenten nicht unabhängig sind, d.h. Unabhängigkeit ist die Ausnahme und CCF ist der Normalfall. Funktionen können aber häufig in unabhängige Teil-Funktionen und Teil-Funktionen, die durch gemeinsam
680
14
Funktionale Sicherheit
Gefährdung
Fehler, die zum Versagen der CCF Funktion A führen
Fehler, die zum Versagen der Funktion B führen
Gemeinsame Ursache Ausfall Funktion A
Ausfall Funktion B
Abb. 14.21 Behandlung von funktionaler Unabhängigkeit durch FTA
wirkende Fehler (CCF) abhängig sind, aufgeteilt werden. Abbildung 14.21 zeigt die allgemeine Behandlung von CCF durch eine FTA.
Praktisch hängt die Gültigkeit der Aussage von vielen Details und Randbedingen ab und kann nicht allgemein nachgewiesen werden.
14.4.1.4 Zuweisung von SIL Tabelle 14.1 identifiziert den geforderten SIL für eine sicherheitsrelevante Funktion ausgehend von der vertretbaren Gefährdungsrate THR für diese Funktion. Die SIL-Tabelle ist abgeleitet aus und konform zu der Sicherheitsgrundnorm IEC 61508. Die SIL-Tabelle ist auf sicherheitsrelevante Funktionen oder Teilsysteme anwendbar, die eine oder mehrere dieser Funktionen implementieren. Theoretisch sollte eine SIL-Tabelle folgende Eigenschaften besitzen: – Ist man den für ein SIL x geforderten Maßnahmen und Methoden gefolgt (die z.B. in EN 50128 und EN 50129 definiert werden), dann liegt die Versagenshäufigkeit sowohl für systematische als auch für zufällige Ursachen innerhalb der für SIL x definierten Bandbreite. – Wenn für eine sicherheitsrelevante Funktion eine Versagenshäufigkeit innerhalb der Bandbreite von SIL x gefordert wird, dann müssen die für SIL x geforderten Maßnahmen und Methoden angewendet werden.
14.4.2 Struktur und Hierarchie von Sicherheitsnachweisen In der Regel sind Systeme, schon aus Gründen der Beherrschbarkeit der Komplexität bzw. Wiederverwendbarkeit, modular aufgebaut. 14.4.2.1 Sicherheitsnachweistypen Die EN 50129 differenziert zwischen drei grundsätzlichen Systemebenen: 1. spezifische Anwendungen, 2. generische Anwendungen, 3. generische Produkte. Unter spezifischen Anwendungen werden konkrete Anlagen verstanden, z.B. das Stellwerk Braunschweig. Generische Anwendungen können Anwendungen sein, die für einen spezifischen Kunden angepasst wurden, aber noch nicht an eine spezifische Anlage, z.B. eine Stellwerksbauform für die DB AG, die noch mit anlagenspezifischen Daten projektiert werden muss. Ein generisches Produkt dagegen ist in der Regel unabhängig von einer Anwendung, z.B. eine Rechnerplattform für sicherheitsrelevante Anforderungen, die in einem Bahnüber-
14.4 Sicherheitsnachweisführung
SYSTEM A
TEILSYSTEM 1
SPEZIFISCHE ANWENDUNGEN
SYSTEM B
TEILSYSTEM 2
681
TEILSYSTEM 3 GENERISCHE ANWENDUNGEN
TEILSYSTEM 4
KOMPONENTE 1
KOMPONENTE 2
KOMPONENTE 3
GENERISCHE PRODUKTE
Abb. 14.22 Hierarchie von Sicherheitsnachweisen nach EN 50129
gang, einem Stellwerk oder in einem Fahrzeug eingesetzt werden kann. Daher hängt der Systemsicherheitsnachweis von Sicherheitsnachweisen untergeordneter Teilsysteme oder Komponenten ab. In solchen Fällen ist die Sicherheitszulassung des Systems nicht ohne die vorangegangenen Sicherheitszulassungen der zugehörigen Teilsysteme oder Komponenten möglich. Wenn eine Sicherheitszulassung für ein generisches Produkt oder für eine generische Anwendung erteilt wurde, darf ein Verweis in der Sicherheitszulassung einer spezifischen Anwendung darauf gemacht werden; die Sicherheitszulassung generischer Anteile braucht nicht für jede Anwendung wiederholt werden. Diese Abhängigkeit zwischen den Sicherheitszulassungen ist in Abbildung 14.22 dargestellt.
In solchen Beispielen von Abhängigkeit muss auf jeden Fall sichergestellt sein, dass die generischen Anteile die spezifischen Anforderungen der Anwendung erfüllen. Dies wird insbesondere für generische Systeme nicht ohne Annahmen oder Anforderungen an andere System möglich sein. Daher werden die Sicherheitsnachweise i.d.R. sicherheitsrelevante Anwendungsregeln enthalten, d.h. Bedingungen, unter denen die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. Diese müssen im Sicherheitsnachweis einer höheren Ebene als erfüllt gezeigt werden, oder schließlich zum Anwender als sicherheitsrelevante Auflagen übertragen werden. 14.4.2.2 Logik von Sicherheitsnachweisen Die obigen Ausführungen betrafen allein die hierarchische Struktur von Sicherheitsnach-
682
14
Funktionale Sicherheit
Fakten
unterstützen
SicherheitsArgumentation
weist nach
SicherheitsAnforderungen
gültig in
gültig in
gültig in
Kontext (Umgebung, Einsatzbedingungen ...) Abb. 14.23 Logischer Aufbau einer Sicherheitsargumentation
weisen. Die inhaltliche Strukturierung wird in EN 50129 nur stichpunktartig vorgegeben, deswegen ist es sinnvoll, diese logische Strukturierung durch eine Methode zu unterstützen. Dazu ist es sinnvoll, Sicherheitsnachweiskonzepte logisch zu unterteilen in – das eigentliche Sicherheitsargument (der „rote Faden“ der Nachweisführung) und – unterstützende Fakten (z.B. Analyse- oder Testergebnisse). Beides ist notwendig für eine schlüssige Sicherheitsnachweisführung, denn – ein Sicherheitsnachweis, der nur aus einer Sammlung von Fakten besteht, ist nicht ausreichend erklärt bzw. nachvollziehbar, – ein Sicherheitsnachweis, der nur aus einem Sicherheitsargument besteht, ist ohne Fakten unbegründet. Weiterhin ist die Erkenntnis wichtig, dass sowohl Sicherheitsanforderungen als auch Sicherheitsargumente als auch Fakten nur in einem spezifischen Kontext gelten. Deshalb ist es notwendig, diesen Kontext explizit zu definieren, s. Abb. 14.23. 14.4.2.3 Strukturierung von Sicherheitsargumenten Zur logischen Strukturierung bietet sich eine einfache Methode wie die sog. Goal Structure Notation (GSN) an. Die grundlegende Vorge-
hensweise besteht darin, zu erreichende Ziele (d.h. Sicherheitsanforderungen) argumentativ durch Strategien bzw. Vorgehensweisen zu untermauern und dadurch das (komplexe) Gesamtziel in (einfachere) Teilziele aufzuteilen. Dabei werden die grundlegenden Randbedingungen und Annahmen klar ausgewiesen. Teilziele werden solange unterteilt, bis man zu überschaubaren Einheiten (sog. Lösungen) kommt, für die man unmittelbar einen Nachweis durch Fakten erbringen kann. Als einfaches Beispiel wird in Abb. 14.24 der grundsätzliche Ansatz von CENELEC in einer GSN dargestellt.
14.4.3 Aufbau und Inhalt von Sicherheitsnachweisen In EN 50129 wird gefordert, dass sich ein Sicherheitsnachweis (safety case) nicht nur mit technischen Aspekten befasst, sondern immer drei wesentliche Bestandteile besitzt (s. Abb. 14.25): – Nachweis des Qualitätsmanagements (Quality Management (QM) Report), – Nachweis des Sicherheitsmanagements (Safety Management (SM) Report), – Nachweis der technischen Sicherheit (Technical Safety (TS) Report).
14.4 Sicherheitsnachweisführung Tabelle 14.10 Elemente der Goal Structuring Notation (GSN) Bezeichnung
Erläuterung
Symbol
Ziel (Goal)
Das Ziel der gesamten Argumentation bzw. ein Zwischenziel.
Strategie (Strategy)
Eine Strategie ist eine Vorgehensweise, wie ein Ziel erreicht bzw. nachgewiesen werden kann.
Randbedingungen (Context)
Ziele sind nur unter gewissen Randbedingungen formulierbar bzw. erreichbar.
Annahmen (Assumptions)
Die zugrundeliegenden Annahmen für eine Strategie müssen ausgewiesen werden, da nur unter diesen Annahmen das Ziel erreicht werden kann.
Lösung (Solution)
Eine Lösung bezeichnet einen Fakt oder einen Nachweis, der unmittelbar einsichtig ist bzw. nach einer anerkannten Methode unstrittig erbracht werden kann
System ist hinreichend sicher
Normen und Gesetze
Andere Normen und Gesetze werden eingehalten
Abb. 14.24 Beispiel GSN
Nachweis, dass alle relevanten Gesetze und Normen eingehalten werden
Nachweis der "Freiheit von unvertretbaren Risiken"
Sicherheitsanforderungen
Compliance: CENELEC-Normen werden eingehalten
Assurance: Alle identifizierten Gefährdungen werden beherrscht
Vollständige Identifikation der Gefährdungen
Anwendung eines CENELECkonformen Prozesses
Gefährdungsanalyse und Sicherheitsnachweis
683
684
14
Funktionale Sicherheit
TypZulassung
Generisches Produkt bzw. Anwendung
Spezifische Anwendung
AnlagenZulassung
Sicherheitsnachweis
QM-Bericht
SM-Bericht
TS-Bericht
Abb. 14.25 Struktur des Sicherheitsnachweises nach EN 50129
14.4.3.1 Qualitätsmanagementbericht Die Qualität des Systems, Teilsystems oder der Komponente muss durch ein entsprechendes Qualitätsmanagementsystem über den gesamten Lebenszyklus gewährleistet werden. Der dokumentierte Nachweis muss im Qualitätsmanagementbericht erfolgen. Der Zweck des Qualitätsmanagementsystems ist es, die Anzahl menschlicher Fehler zu minimieren und damit das Risiko von systematischen Fehlern in dem System, Teilsystem oder der Komponente zu reduzieren. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Wirksamkeit von Prüfungen, insbesondere Reviews und Audits. Prüfungen Bei CENELEC werden grundsätzlich die folgenden Prüfschritte unterschieden: Verifikation: Analyse und Testen um festzustellen, ob das Ausgangsprodukt jeder Phase des Lebenszyklus die Anforderungen aus der vorhergehenden Phase erfüllt Validierung: Analyse und Testen zur Demonstration, dass das Produkt in allen Belangen seine spezifizierten Anforderungen erfüllt
Begutachtung: Analyseprozess zur Feststellung, ob die Entwurfsinstanz und der Validierer ein Produkt zustande gebracht haben, das die spezifizierten Anforderungen erfüllt und um zu beurteilen, ob das Produkt für seinen gedachten Anwendungszweck geeignet ist
Dabei wird grundsätzlich jedes Ergebnis einer Phase gegen seine Anforderungen geprüft (verifiziert, i.d.R. durch Review) sowie jede Implementierungsstufe gegen die Anforderungen (i.d.R. durch Analyse und Test). Das Endprodukt wird gegen die Anforderungen des spezifischen Einsatzfalls geprüft (validiert). Zusätzlich wird der Gesamtprozess begutachtet (häufig unterstützt durch Audits), wobei insbesondere die Einsatzfähigkeit festzustellen. In Abb. 14.26 wird der grundsätzliche Zusammenhang verdeutlicht. Unabhängigkeit von Prüfern Bei CENELEC werden aufgrund der Sicherheitsrelevanz der Produkte dabei konkrete Anforderungen an die Unabhängigkeit der Prüfschritte sowie die anzuwendenden Methoden bei Analyse und Test gestellt, s. Abb. 14.27. Dabei werden sowohl Anforderungen bezüglich der Zuordnung von Personen zu Rollen als auch bezüglich der disziplinarischen Unterstellung gestellt. Der Gutachter muss dabei in
14.4 Sicherheitsnachweisführung
Abb. 14.26 Grundsätzliche Prüfschritte im CENELEC-Lebenszyklus
Begutachtung Validation
SystemAnforderungen
Produkt
Anforderungen
Review
685
Verifikation
X-Test
Phase X Test Ergebnisse
Implementierung
Abb. 14.27 Unabhängigkeitsforderungen nach EN 50128
Rolle Entwickler Verifizierer Validierer
SIL
Gutachter
0
X
Y
Y
G
1&2
X
Y
Y
G
3&4
X
Y
Y
G
3&4
X
Y
Z
G
Projektteam Personen
X, Y, Z, G
686
14
Funktionale Sicherheit
jedem Fall unabhängig vom Projekt und nicht an disziplinarische Weisungen gebunden sein, muss aber nicht notwendigerweise einer externen Organisation angehören. Das aus der Luftfahrt bekannte deutsche Konstrukt einer unabhängigen Prüfleitstelle innerhalb eines Entwicklungsbetriebs wird ausdrücklich zugelassen. Der Nachweis dieser Anforderungen ist Teil des Sicherheitsmanagement-Berichts. 14.4.3.2 Sicherheitsmanagement CENELEC EN 50126 ergänzt den normalen Lebenszyklus eines Systems um einen generischen, systematischen Prozess für die Spezifikation von Sicherheits- und Verfügbarkeitsanforderungen und für den Nachweis, dass diese Anforderungen erfüllt sind. Die Anwendung und Wirksamkeit dieses zusätzlichen Sicherheitsmanagement-Prozesses muss nachgewiesen werden. Unter Sicherheitsmanagement versteht man daher die Management-Organisation, die sicherstellt, dass dieser Prozess adäquat geplant, kompetent implementiert und nachvollziehbar dokumentiert wird. Abweichungen von den Aktivitäten und Anforderungen der EN 50126 sind zu rechtfertigen, aber bei Nachweis der Angemessenheit der ausgewählten Aktivitäten erlaubt. Grundsätzliche Anforderungen Bei allen Anwendungen der EN 50126 ist dabei verbindlich: – Die Verantwortlichkeiten für die Durchführung aller Aktivitäten für jede Phase des Lebenszyklus müssen klar definiert werden. – Das Personal mit Verantwortung im Rahmen des Sicherheits-Prozesses muss nachgewiesenermaßen kompetent sein. – Die Festlegung und Umsetzung einer Planung zum Thema Verfügbarkeit (sog. RAM-Programm) und zum Thema Sicherheit (sog. Sicherheitsplan). – Die Anforderungen der EN 50126 müssen in die Geschäftsprozesse implementiert werden, unterstützt durch ein Qualitätsma-
nagementsystem (QMS), das die Anforderungen von EN ISO 9001 ff. erfüllt. – Ein angemessenes und wirksames Konfigurations-Managementsystem muss festgelegt und umgesetzt werden. Elemente des Sicherheitsmanagements Die EN 50126 spricht zwar weitere Elemente des Sicherheitsmanagements an, die aber erst durch die EN 50129 normativ gefordert werden: 1. Die Erstellung und Pflege eines Sicherheitslogbuchs (hazard log), in dem alle mit der Sicherheit zusammenhängenden Maßnahmen, die ermittelten Gefährdungen, die getroffenen Entscheidungen und die gewählten Lösungen aufgezeichnet oder als Verweis enthalten sind. 2. Die Durchführung und Dokumentation von Sicherheitsreviews und -audits. 3. Die Erstellung eines Sicherheitsnachweises, dessen prinzipielle Struktur durch EN 50129 vorgegeben wird, vgl. Abb. 14.25. Der Nachweis der technischen Sicherheit besitzt dieselbe Struktur wie der Sicherheitsnachweis nach Mü8004, vgl. Abb. 14.29. Abbildung 14.28 zeigt den Zusammenhang zwischen den wichtigsten Elementen des Sicherheitsmanagements hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Nachweis des Sicherheitsmanagements. Sicherheitsmanagement-Prinzipien Bei der Umsetzung des Sicherheitsmanagements haben sich die folgenden Prinzipien bewährt: – Sicherheitsaspekte sollten so früh wie möglich im Lebenszyklus behandelt werden. – Sicherheit und Verfügbarkeit müssen gemeinsam optimiert werden. – Sicherheit kann am einfachsten durch erprobte Methoden und Technologien gewährleistet werden. – Sicherheit kann am besten erreicht werden durch eine kontinuierliche, iterative und evolutionäre Vorgehensweise, die insbeson-
14.4 Sicherheitsnachweisführung Nachweis der Wirksamkeit des Sicherheitsmanagements
687
EN 50126, 50129
Nachweis der adäquaten Planung, kompetenten Durchführung und Dokumentation
Adäquate Planung
Definierte Verantwortung
Sicherheitsplan
Kompetente Durchführung
Kompetenznachweise
Nachvollziehbare Dokumentation
Auditberichte
Sicherheitslogbuch
Abb. 14.28 Zusammenhang zwischen den wichtigsten Sicherheitsmanagement-Elementen
–
–
–
–
–
dere für Feedback zwischen dem SystemDesign und Sicherheitsanalysen sorgt. Alle Systeme sollen, bevor nicht das Gegenteil nachgewiesen wurde, als sicherheitsrelevant eingeschätzt werden. Sicherheit verlangt die Sichtbarkeit des Produkts wie des Prozesses. Sie kann nur schwer mit einem Black-Box-Ansatz gewährleistet werden. Sicherheit wird am besten gewährleistet durch ein adäquates Maß an Diversität bei Personal, Kompetenzen und Methoden. Sicherheitsfunktionen und -argumente sollten so einfach wie möglich aufgebaut sein. Testen ist notwendig, aber allein für Sicherheitsfunktionen nicht ausreichend. Testaktivitäten müssen durch analytische und strukturierte Methoden komplementiert werden.
14.4.4 Technischer Sicherheitsnachweis Der Aufbau des technischen Sicherheitsnachweises wurde direkt aus der deutschen Richtlinie Mü8004 übernommen (s. Abb. 14.29), allerdings haben sich einige Inhalte bzw. Nachweismethoden verändert. 14.4.4.1 Nachweis der funktionalen Sicherheit Dieser Abschnitt muss alle Nachweise dafür enthalten, dass die Betrachtungseinheit im ausfallfreien Zustand die korrekte Funktion erfüllt, in Übereinstimmung mit den spezifizierten Anforderungen. Dies erfolgt i.d.R. in einer Mischung aus Analyse und Tests, und zwar für jede einzelne Sicherheitsanforderung. Dabei ist insbesondere die Nachverfolgbarkeit, welcher Test welche Anforderung abdeckt, sicherzustellen.
688
14
Funktionale Sicherheit Kapitel 6: Erprobung
Abb. 14.29 Struktur des technischen Sicherheitsnachweises nach EN 50129
Kapitel 5: Sicherheitsbezogene Anwendungsvorschriften Kapitel 4: Betrieb unter äußeren Beeinflussungen Kapitel 3: Ausfallauswirkungen
Kapitel 2: Funktionsnachweis
Kapitel 1: Einleitung
NACHWEIS DER TECHNISCHEN SICHERHEIT
Die nachfolgend genannten Aspekte sind dabei in den gleichnamigen Abschnitten des Sicherheitsnachweises zu berücksichtigen: 2.1 Beschreibung der Systemarchitektur; 2.2 Definition der Schnittstellen; 2.3 Erfüllung der Systemanforderungsspezifikation; 2.4 Erfüllung der Sicherheitsanforderungsspezifikation; 2.5 Nachweis der korrekten Hardwarefunktionalität; 2.6 Nachweis der korrekten Softwarefunktionalität. Der grundsätzliche Ansatz wird durch eine GSN in Abb. 14.30 verdeutlicht.
14.4.4.2 Ausfallauswirkungen Insbesondere der Abschnitt 3 des Sicherheitsnachweises steht in engem Zusammenhang mit den oben bereits erwähnten Methoden zur Ursachenanalyse. Das Inhaltsverzeichnis dieses Kapitels lautet wie folgt: 3.1 Ergebnisse von Einzelausfällen 3.2 Unabhängigkeit von Betrachtungseinheiten 3.3 Offenbarung von Einzelausfällen 3.4 Maßnahmen nach der Ausfalloffenbarung (einschließlich der Beibehaltung des sicheren Zustands) 3.5 Auswirkungen von Mehrfachausfällen 3.6 Schutz vor systematischen Ausfällen.
14.4 Sicherheitsnachweisführung
689
Abb. 14.30
In einem effizienten, integrierten Ansatz und bei sorgfältiger Auswahl der Methoden können viele Inhalte von Abschnitt 3 des Sicherheitsnachweises direkt aus den Ergebnissen der Gefährdungsanalyse entnommen werden. Für Abschnitt 3.1 sind die Ergebnisse einer FMEA vollkommen ausreichend. Die FMEA identifiziert auch die zu offenbarenden Ausfälle. Bei einer FTA müssen die in den Abschnitten 3.2, 3.3 und 3.4 aufgeworfenen Fragen ohnehin beantwortet werden. Dies schließt im Allgemeinen eine Analyse von Ausfällen mit gemeinsamer Ursache ein. So sind diese Fragen bereits während der Gefährdungsanalyse beantwortet worden, so dass nur noch die Ergebnisse sauber dokumentiert werden müssen. Dies kann jedoch im Format des Sicherheitsnachweises effizient durchgeführt werden. Eine komplette FTA deckt dann die Inhalte des Abschnitts 3.5 ab. 14.4.4.3 Betrieb unter externen Einflüssen In diesem Abschnitt muss nachgewiesen werden, dass die Betrachtungseinheit, wenn sie
den in der Systemanforderungsspezifikation festgelegten externen Einflüssen (Teil des System-Kontexts) ausgesetzt wird, – die spezifizierten betrieblichen Anforderungen erfüllt sowie – die spezifizierten Sicherheitsanforderungen erfüllt (einschließlich Ausfallbedingungen). Zu den externen Einflüssen gehören insbesondere – klimatische Einflüsse, – mechanische Belastungen, – Höhe (über NN), – elektrische und elektromagnetische Einflüsse, – unberechtigter Zugriff. In der Regel wird bei Anforderungen bez. externer Einflüsse auf fachspezifische Normen verwiesen, die häufig auch standardisierte Testmethoden zum Nachweis dieser Forderungen enthalten, z.B. standardisierte Testaufbauten zum Nachweis elektromagnetischer Verträglichkeit. Beim Thema „Unberechtigter Zugriff “ müssen gerade bei IT-Anlagen Aspekte der Informa-
690
14
Funktionale Sicherheit
tionssicherheit, z.B. Schutz vor unberechtigter Veränderung von Daten oder Betriebsunfähigkeit des Systems durch Computerviren, berücksichtigt werden. Der Sicherheitsnachweis ist nur innerhalb des spezifizierten Bereiches von externen Einflüssen gültig (Teil des System-Kontexts). Die Sicherheit ist außerhalb dieser Grenzen nicht gewährleistet, sofern nicht zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. 14.4.4.4 Sicherheitsrelevante Anwendungsregeln (SAR) Dieses Kapitel des Sicherheitsnachweises muss alle Regeln, Bedingungen und Einschränkungen spezifizieren (oder darauf verweisen), die bei der Anwendung der Betrachtungseinheit eingehalten werden müssen. Dies muss auch die Anwendungsbedingungen aus den Sicherheitsnachweisen aller Teilsysteme oder Einrichtungen einschließen, auf die Bezug genommen wird. 14.4.4.5 Sicherheitserprobung Dieser Abschnitt des Sicherheitsnachweises muss den Nachweis erbringen, dass die Sicherheitserprobung unter Betriebsbedingungen erfolgreich abgeschlossen wurde. Anforderungen an Sicherheitserprobung werden meist aus Erfahrung gestellt (z.B. Vier-JahreszeitenErprobung bei Einrichtungen der Außenanlage) oder ergeben sich durch sicherheitsrelevante Anwendungsregeln oder Auflagen.
14.5 Ereignisanalyse Es ist vorrangiges Ziel der Sicherheitsarbeit, Unfälle zu vermeiden. Wenn sie aber dennoch passieren, so ist es unbedingt notwendig, aus ihnen zu lernen, da sie die relevantesten Schwachstellen (bzw. deren Kombinationen) des Betriebes offenbaren. Da sich Unfälle und Beinahe-Unfälle nur darin unterscheiden, dass im letzteren Fall noch (mindestens) eine wirk-
same Barriere Schlimmeres vermieden hat, ist es ratsam, zusätzlich zu Unfällen auch Beinahe-Unfälle und andere sicherheitsrelevante Ereignisse zu untersuchen.
14.5.1 Erfassung und Auswertung sicherheitsrelevanter Ereignisse Die Voraussetzung für eine Ereignisanalyse ist, dass sicherheitsrelevante Ereignisse (insbesondere schadensfreie) möglichst vollständig gemeldet werden. Dazu ist notwenig, dass – Mitarbeiter die Sicherheitsrelevanz eines Ereignisse erkennen, – diese Ereignisse melden sowie – diese Ereignisse an Entscheidungsträger und Bearbeiter verteilt werden. Dazu ist es vor allem wichtig, das Bewusstsein aller Mitarbeiter für die Wichtigkeit der Ereignisanalyse zu schärfen und klar zu definieren, welche Ereignisse gemeldet werden sollen. Dabei könnte z.B. ein sicherheitsrelevantes Ereignis definiert werden als jede Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen und die Sicherheit zu verbessern, bevor ein Schaden eintritt. Dazu ist unbedingt zu verdeutlichen, dass keine Schuldigen gesucht werden, sondern Verbesserungspotenzial. Melde- und Informationswege müssen dabei so einfach und effizient wie möglich organisiert werden.
14.5.2 Unfallursachen Die Realität zeigt, dass bei einem Unfall mindestens eine Handvoll Faktoren in Kombination auftritt. Wäre in einem bestimmten Fall einer dieser Faktoren nicht vorhanden gewesen, so wäre der Schaden nicht eingetreten. Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: – Zur Vermeidung von Unfällen ist es nicht nötig, perfekt zu sein, das heißt, bis zu einem gewissen Maß können Fehler toleriert werden. Es dürfen allerdings nicht zu viele unfallträchtige Faktoren zusammen-
14.5 Ereignisanalyse
kommen, und aus Fehlern muss gelernt werden – sowohl individuell als auch auf Organisationsebene. Um den Unfälle begünstigenden Faktoren frühzeitig entgegenzuwirken, besteht eine effektive Strategie daher in der Analyse noch schadensfreier Vorfälle und der wirksamen Abstellung der Ursachen dieser Vorfälle. – Es ist nützlich zu wissen, welche Faktoren häufig vorkommen, da die Definition und Umsetzung von Gegenmaßnahmen bezüglich dieser Faktoren am wirksamsten ist.
14.5.3 Unfallursachenanalyse Das vorrangige Ziel ist die möglichst vollständige und korrekte Analyse aller Ursachen. Dazu benötigt man eine Definition, was eine Ursache ist, und eine pragmatische, übersichtliche Vorgehensweise. Hier haben sich Ladkins Why-Because-Graphen (bzw. die hier dargestellte vereinfachte Variante) in der Praxis bewährt.
691
14.5.3.1 Why-Because-Graphen Ein WBG wird von oben nach unten entwickelt (top-down). Ausgangspunkt ist ein Vorfall (in Abb. 14.31 das Ereignis A), der in Zukunft vermieden werden soll. Weiterhin muss der Betrachtungsgegenstand festgelegt werden, z.B. welches System oder welche Organisationseinheit. Dann wird sukzessive und strukturiert gefragt, was die Ursachen des Ereignisses gewesen sind, bis man zu grundlegenden Ursachen (sog. root causes) gekommen ist, bez. deren zukünftiger Vermeidung man wirksame Gegenmaßnahmen definieren kann. Folgende Symbole sind definiert (s. Abb. 14.31): – Ein Rechteck bezeichnet entweder den Vorfall selbst oder eine Ursache dafür. – Eine Linie verbindet die Vorfälle, Ursachen bzw. Maßnahmen miteinander (mehrere Linien verbinden sich im Sinne eines logischen UND). In Abb. 14.31 (A−C) bedeutet sie z.B. „C ist unmittelbare Ursache von A“ bzw. „E ist eine Maßnahme, die C unmittelbar verhindern hilft“. – Ein Oval bezeichnet eine externe Ursache (bez. des gewählten BetrachtungsgegenAbb. 14.31 Grundsätzliche Symbole des vereinfachten Why-Because-Graphen
692
14
Funktionale Sicherheit
standes). Externe Ursachen sind i.d.R. nicht oder nur schwer beeinflussbar. – Ein Kreis bezeichnet eine Maßnahme, die vorgeschlagen wird, um die zugeordnete Ursache in Zukunft zu vermeiden. 14.5.3.2 Prüfkriterien für Why-Because-Graphen Wichtig ist die Bedeutung des Wortes „unmittelbar“ in der obigen Beschreibung. Um strukturiert und sukzessive die Ursachen des Vorfalls zu ermitteln, dürfen jeweils nur unmittelbare Ursachen miteinander verbunden werden, d.h. man muss sich die Frage stellen: – Gibt es in der Ursachenkette, noch ein relevantes Ereignis oder eine Ursache, die noch dazwischen passt? Weiterhin sollten für ein Ereignis mindestens zwei Ursachen vorliegen. Ist dies nicht der Fall, ist Folgendes zu prüfen:
– Ist es sinnvoll, Ursache und Wirkung getrennt darzustellen oder können diese besser zusammengefasst werden? Neben diesen eher intuitiven Regeln gibt es formale Tests für die Richtigkeit des WBG: – Kausaler Faktor-Test (notwendige Ursachenbeziehung): Ist B eine unmittelbare Ursache von A (also AB) so muss gelten: Wäre B nicht eingetreten, so auch nicht A. Weiter sollte beachtet werden, dass an einer Ursache entweder nur Maßnahmen oder weitere Ursachen angehängt werden (d.h. keine Mischung von Ursachen und Maßnahmen), dies kann ggf. durch Einführung weiterer Ursachen erreicht werden. Glaubt man schließlich, für ein Ereignis alle notwendigen Ursachen bestimmt zu haben, so kann man zur Probe folgende Frage stellen:
Zusammenstoß bei Åsta
Zug 1 fährt unberechtigt ab
Keine Zugbeeinflussung
Zugleiter kann Züge nicht rechtzeitig stoppen
Diesel-Züge
Zugleiter reagiert spät
Keine Regeln f. Beobachtung
Abb. 14.32 WBG-Beispiel
Kein akustischer Alarm
Zeit zur Warnung zu knapp
Kein Zugfunk
Zugleiter beschäftigt
Zug 2 auf eingl. Strecke
Handy-Nr. nicht verfügbar
Keine Regeln definiert
14.6 Sicherheitskultur
– Hinreichende Ursachenermittlung: Sind B1, B2, … Bn notwendige Ursachen von A, so muss gelten: Immer wenn B1, B2, … Bn gemeinsam eintreten, so tritt zwangsläufig auch A ein. Ergänzend sei erwähnt, dass man den WBG auch als Fehlerbaum deuten kann, in dem nur UND-Verknüpfungen zugelassen sind. ODERVerknüpfungen kann es nicht geben, wenn die Ursachen eines Vorfalls eindeutig bestimmt werden können (dies wird hier vorausgesetzt). Im Gegensatz zum Fehlerbaum lässt sich der WBG aber einfacher verstehen und darstellen und besitzt in der originalen Fassung auch eine formale Interpretation. Abbildung 14.32 zeigt einen Teil der Ursachen des Unglücks von Åsta als WBG. 14.5.3.3 Vor- und Nachteile Die Analyse von Vorfällen mit dem vereinfachten Why-Because Graph besitzt die folgenden Eigenschaften: – Es wird systematisch das größte Verbesserungspotenzial gefunden. – Die Vorgehensweise ist strukturiert und intuitiv. – Sie kann von jedem Mitarbeiter leicht erlernt und angewendet werden. – Die Analyse kann auf Konsistenz und Vollständigkeit geprüft werden. – Es gibt eine direkte grafische Zuordnung von Maßnahmen und Ursachen. Allerdings muss man auch zugestehen, dass bei manchen Ursachentypen ein WBG an Grenzen stößt, z.B. da, wo die Ursachen nicht streng kausal verknüpft sind. Als Beispiel könnte man sich vorstellen, dass mangelnde Fortbildung eines Mitarbeiters eine Ursache eines Ereignisses sein könnte. Um dies zu bestätigen, müsste man z.B. die Frage „Hätte der Mitarbeiter Fortbildung X gemacht, so wäre es zu dem Ereignis nicht gekommen?“ mit ja beantworten. Dies ist aber meistens nicht eindeutig zu bejahen, da es sich eher um einen beitragenden
693
Faktor als um eine Ursache zu handeln scheint. Als Abhilfe könnte man solche mutmaßlichen kausalen Zusammenhänge im WBG anders kennzeichnen, z.B. mit gestrichelten Linien, um den schwächeren Zusammenhang deutlich zu machen
14.5.4 Organisationales Lernen Im Nachgang der Analyse ist zunächst sicherzustellen, dass die beschlossenen Maßnahmen wirksam umgesetzt werden. In der Praxis werden sich viele Maßnahmen in Änderungen von Produkten und Prozessen niederschlagen. Bei Befolgung der geänderten Prozesse ist damit automatisch sichergestellt, dass die Organisation aus dem Ereignis gelernt hat. Weiterhin ist es wichtig, den betroffenen Personenkreisen die wichtigsten Erkenntnisse aus den Analysen oder die Analysen selbst zukommen zu lassen, um individuelles Lernen aus Fehlern zu ermöglichen. Auf Organisationsebene ist es weiterhin sinnvoll, die wichtigsten Unfallursachen zu kategorisieren und auch quantitativ zu erfassen, um Trends und Tendenzen ableiten zu können oder zu erkennen, ob sich trotz umgesetzter Maßnahmen ähnliche Ursachen wiederholen.
14.6 Sicherheitskultur Der Untersuchungsbericht zum Unfall bei „Ladbroke Grove“ enthält beeindruckende Aussagen des Untersuchungsführers Lord Cullen. Cullen weist darauf hin, dass „… es wünschenswert wäre, wenn die Industrie eine Kultur entwickelte, in der es fortschreitende Bewegung von einer Situation der Abhängigkeit, in der die Unternehmensführung die Regeln festlegt und den Unternehmen ihr Handeln vorschreibt, zu einer Situation stattfindet, in der jeder Einzelne unter Einhaltung der Vorschriften und Verfahren seinen Beitrag mit Ideen und Arbeit leisten
694
14
Funktionale Sicherheit
kann, über eine Position, in der ein engagiertes, dediziertes Teamkonzept existiert, mit einem hohen Grad der Verzahnung zwischen Teams und über Unternehmensgrenzen hinweg.“ Der Bericht selbst attestiert Mängel in der Sicherheitskultur des gesamten Eisenbahnsektors in Großbritannien als eine der Grundursachen des Unglücks und stellt fest, dass in diesem Bereich das größte und fundamentalste Verbesserungspotenzial zu finden ist. Ähnlich weitreichende Schlussfolgerungen sind auch in der Luft- und Raumfahrt zu finden, zum Beispiel im Unfallbericht zum Space Shuttle „Columbia“. Dort wird klar festgestellt, dass die organisatorischen Defizite, die auch auf Mängeln in der Sicherheitskultur beruhen, genauso stark zum Unfall beigetragen haben wie die offensichtlichen physikalischen Ursachen. Obwohl die herausragende Bedeutung der Sicherheitskultur mittlerweile in vielen Anwendungsfeldern anerkannt wird, hat sich die Wissenschaft leider bisher weder auf eine Definition des Begriffs Sicherheitskultur noch auf einheitliche Kriterien zur Bewertung der Sicherheitskultur einigen können.
14.6.1 Begriffsdefinition Eine klare Definition ist immens wichtig. Sie darf zudem nicht in der Theorie verharren, sondern muss klar verständliche Werte und praktische Handlungsanweisungen für jeden Mitarbeiter enthalten. Diesem Anspruch kommt derzeit eine Definition am nächsten, die auf einem Ansatz der amerikanischen Nuclear Reactor Commission basiert. Demnach ist Sicherheitskultur – ein Zustand, in dem jeder Mitarbeiter – immer auf die Verbesserung der Sicherheit bedacht ist, – Bewusstsein dafür hat, was falsch laufen kann, – sich persönlich für die Sicherheit verantwortlich fühlt,
– diszipliniertes, konsequentes Arbeiten von kompetentem Personal, das – selbstsicher, aber nicht selbstzufrieden ist, – definierten Prozessen folgt, – gute Teamarbeit leistet und – effizient miteinander kommuniziert, – das Bestehen auf einer sicheren technischen Grundlage für das Handeln und auf ein konsequentes Analysieren und Ausräumen von Problemen.
14.6.2 Indikatoren für eine positive Sicherheitskultur Die moderne Unfallforschung zeigt, dass eine positive Sicherheitskultur im Unternehmen die nachhaltigste Gegenkraft darstellt, da sie Faktoren wie gute Prozesse, ausgewogenes Sicherheitsmanagement oder konsequente technische Konzepte entscheidend unterstützt. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist, dass die wesentlichen Antriebskräfte für eine gute Sicherheitskultur drei „Co“-Faktoren sind: – Commitment (Verpflichtung bzw. gelebtes Vorbild) aller Mitarbeiter, insbesondere des Managements, dass Sicherheit in allen Belangen eine hohe Priorität eingeräumt wird, – Competence (Kompetenz), insbesondere um die sicherheitsrelevanten Aufgaben mit der notwendigen hohen Qualität auszuführen, – Cognisance (Bewusstheit), das heißt ein hohes Sicherheitsbewusstsein und die Bewusstheit bezüglich der eigenen Verantwortung und Rolle beim Engineering sicherheitsrelevanter Produkte, unter anderem durch Lernen aus Fehlern. Die Stärkung der Sicherheitskultur, insbesondere der drei „Co“-Faktoren, ist ein zentraler Hebel, wenn die Sicherheit des Systems Eisenbahn weiter erhöht werden soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der sich vollziehenden technologischen Innovationen und
14.7 Beispiel
der sich ändernden wirtschaftlichen Randbedingungen, zum Beispiel der Privatisierung. Für Betreiber wie Hersteller ist die Förderung der Sicherheitskultur eine wichtige Maßnahme zur nachhaltigen Sicherung ihres Geschäftserfolges.
14.7 Beispiel
695
Maßnahme M1 wäre sicher eine Standardmaßnahme, bedeutet aber gerade auf schwach belasteten Strecken eine hohe Investition. Maßnahme M2 wird für den Fall eingeführt, dass es eine gewisse Anzahl nicht ausgerüsteter Fahrzeuge (z.B. Museumsbahn, Rangierfahrten) oder Fahrzeuge mit gestörter Zugbeeinflussung gibt.
14.7.1 Systemdefinition
In diesem Abschnitt soll versucht werden, einige Grundkonzepte anhand eines realitätsnahen Beispiels zu beleuchten. Als Ausgangspunkt soll der Unfall von Åsta dienen. Nach einer eingehenden strukturierten Unfallanalyse (s. Abb. 14.32 für einen Ausschnitt davon) würde die Untersuchungskommission Maßnahmen vorschlagen. Nehmen wir an, dass u.a. die folgenden Maßnahmen abgeleitet würden: M1: Ausrüstung der Strecke mit einer automatischen Zugbeeinflussung, M2: Aufrüstung des Bedienplatzes des Fahrdienstleiters mit einem akustischen Alarm.
In einem ersten Schritt muss das System definiert werden. Aus Platzgründen wird dies nur für den Fall der Zugbeeinflussung angedeutet, s. Abb. 14.33. Informationstechnisch sieht das System recht einfach aus: Es gibt Schnittstellen zum Signal an der Strecke, zum Treibfahrzeugführer sowie (mechanisch) über die Bremse zum Rad. Intern wird das System notwendigerweise aus einer Fahrzeugeinrichtung, einer Streckeneinrichtung sowie einer Übertragungsstrecke bestehen. Vereinfacht gehen wir davon aus, dass die Funktion des Systems nur darin
Zugbeeinflussung
Eingaben Fahrer Fahrer
Fahrzeugseite
Reibung
Ausgabe Fahrer
Räder
Abb. 14.33 Funktionale Systemdefinition
Übertragung
Streckenseite
Signalinformation
Signal
696
14
Funktionale Sicherheit
besteht, bei Vorbeifahrt an einem Halt zeigenden Signal eine Zwangsbremsung bis zum Stillstand auszulösen. Technische Realisierungsmöglichkeiten werden in Kapitel 13 ausgeführt, z.B. mit Gleismagneten oder EuroBalisen. Erweiterungen wie eine punktförmige Geschwindigkeitsüberwachung etc. werden nicht betrachtet.
14.7.2 Gefährdungsidentifikation Als nächster Schritt muss die Gefährdungsidentifikation erfolgen. Sie sieht zunächst sehr einfach aus, denn die grundsätzliche Gefährdung kann wie folgt definiert werden. H1: System löst keine Zwangsbremsung aus, obwohl es eine Halt-Information vom Signal erhält. Denkt man jedoch etwas intensiver nach, so erkennt man, dass das Auslösen eines Fehlalarms nicht nur betrieblich stören kann, sondern auch zu verletzten Reisenden führen kann, die von der plötzlichen Zwangsbremsung überrascht werden und stürzen, also H2: System löst Zwangsbremsung aus, obwohl keine Halt-Information vorliegt 14.7.2.1 Risikoanalyse Im nächsten Schritt folgt die Risikoanalyse, die hier mit Hilfe des Risikographen erfolgen soll. In diesem Fall wird der Risikograph auf die beiden möglichen Sicherheitsfunktionen angewendet, die H1 bzw. H2 beherrschen sollen. Im Fall H1 wird man davon ausgehen müssen, dass es nach Vorbeifahrt an einem Halt zeigenden Signal zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Zug kommen kann, wobei Tote zu befürchten sind (Parameter S3). Anschließend ist die Folge der Aufenthaltsdauer diskutieren. Da die Zugbeeinflussung kontinuierlich überwacht und Halt zeigende Signale häufiger vorkommen, wird man zu Parameter A2 tendieren. Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von H1 ohne Zugbeeinflussung kann
man argumentieren, dass solche katastrophalen Unfälle sehr selten sind, da die Triebfahrzeugführer in der Regel sehr zuverlässig sind und bezogen auf die Anzahl der Signalzugfahrten die Häufigkeit von Vorbeifahrten sehr gering ist (Parameter W1). Insgesamt führt dies zu SIL 3. Da dieses Ergebnis eher zu SIL 2 tendiert, wählen wir in der SIL-Tabelle die Gefährdungsrate THR1, die an der Grenze liegt, nämlich 10-7 pro Stunde und Funktion. Im Fall H2 kann man davon ausgehen, dass nach einer plötzlichen Zwangsbremsung in der Regel nur leichte Verletzungen zu befürchten sind (Parameter S1). In diesem Fall führt der Risikograph direkt zu SIL 0. Da man aber nicht ausschließen kann, dass es zu irreversiblen Verletzungen kommen könnte, wird zur Absicherung des Ergebnisses alternativ S2 angenommen. Zwar könnte die Zugbeeinflussung jederzeit eine ungewollte Zwangsbremsung auslösen, aber zu schweren Verletzung wird es vermutlich nur bei stehenden Personen an ungünstige Positionen kommen, d.h. man würde zu A1 tendieren. Außerdem ist noch Gefahrenabwehr möglich, denn ein stehender Reisender könnte sich noch festhalten oder abstützen, d.h. man würde G1 wählen. Bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit von H1 kann man argumentieren, dass schon aus Gründen der flüssigen Betriebsabwicklung der Betreiber alles daran setzen wird, dass die Wahrscheinlichkeit gering bis sehr gering ist (Parameter W2 oder W1). Insgesamt führt dies wieder zu SIL 0. Da dieses Ergebnis in der SIL-Tabelle nicht vorkommt, aber die Gefährdung H2 alleine aus Verfügbarkeitsgründen selten vorkommen soll, wählen wir eine Gefährdungsrate THR2, die nahe an der Grenze zu SIL 1 liegt, nämlich 2·10-5 pro Stunde und Funktion. In Tabelle 14.11 ist das Ergebnis der Risikoanalyse mit dem Risikograph zusammengefasst. Eine Ungenauigkeit, die der Risikograph noch besitzt, nämlich die Bezugseinheit, wurde hier ergänzt
14.7 Beispiel
697
Tabelle 14.11 Ergebnisse der Risikoanalyse Gefährdung
THR (pro Funktion pro Zugstunde)
H1: System löst keine Zwangsbremsung aus, obwohl es eine Halt-Information vom Signal erhält H2: System löst Zwangsbremsung aus, obwohl keine HaltInformation vorliegt
10-7
14.7.2.2 Gefährdungsanalyse Als erster Schritt der Gefährdungsanalyse können die Gefährdungsraten auf die Teilfunktionen aus Abb. 14.33 aufgeteilt werden. Da erfahrungsgemäß die Übertragungsstrecke durch geeignete Codierung hochgradig sicher gemacht werden kann, wählen wir nur ein Hundertstel Anteil für die Übertragung und teilen den Rest gleichmäßig auf Fahrzeug und Strecke auf, s. Tabelle 14.12. Ehe die Gefährdungsanalyse fortgesetzt werden kann, sind weitere Design-Überlegungen zur Systemarchitektur notwendig. Typischerweise besteht eine Zugbeeinflussung aus weiteren Teilfunktionen bzw. Komponenten: 1. einer Streckeneinrichtung, die die Informationen des Signals abgreift und verarbeitet, 2. einer streckenseitigen Übertragungseinrichtung, die die Information über einen Luftspalt an ein Fahrzeug überträgt, 3. einer fahrzeugseitigen Empfangsantenne, die die Informationen über ein Bussystem an eine Auswertungseinrichtung überträgt, 4. einer fahrzeugseitigen Übertragungseinrichtung (Bus), 5. der Auswertungseinrichtung, die anhand der empfangenen Informationen den Treibfahrzeugführer informiert sowie die Zwangsbremse ansteuert,
2*10-5
6. einem Führerstandsdisplay, das dem Treibfahrzeugführer Informationen anzeigt und mit dem er Eingaben für das System machen kann, 7. der Zwangsbremse. Aus Platzgründen wird hier lediglich die Fahrzeugeinrichtung im Detail betrachtet. Dabei wird außerdem das Display vernachlässigt, um hier nicht die umfangreichen Interaktionsmöglichkeiten mit dem Treibfahrzeugführer diskutieren zu müssen (z.B. fehlerhafte Eingabe, Ausschalten, Überbrücken etc.). Zunächst würde man mittels einer FMEA untersuchen, ob durch Versagen einer der Teilfunktionen in Abb. 14.34 die Gefährdung H1 ausgelöst werden könnte. Dabei würde man erkennen, dass alle Teilfunktionen Versagensarten besitzen, die bezüglich H1 gefährlich sind. So könnte jede dieser Teilfunktionen die Signalinformation aufgrund eines Fehlers oder Ausfalls verschwinden lassen oder nicht rechtzeitig verarbeiten. Dies bedeutet aber, dass alle diese Teilfunktionen logisch durch ein ODER verbunden sind (Parallelschaltung), d.h. ein gefährliches Versagen einer dieser Teilfunktionen könnte schon H1 auslösen. Daher müssen sich die Gefährdungsraten dieser Teilfunktionen zu dem fahrzeugseitigen Anteil von THR1 addieren. Anschaulich ausgedrückt,
Tabelle 14.12 Aufteilung der Gefährdungsrate THR1 auf Teilfunktionen Teilfunktion
Anteil
THR1 (pro Funktion pro Zugstunde)
Übertragung Fahrzeugeinrichtung Streckeneinrichtung
1 : 100 Ca. 1 : 2 Ca. 1 : 2
10-9 5×10-8 5×10-8
698
14
Funktionale Sicherheit
Fahrzeugeinrichtung Auswertung Eingaben Fahrer Display
Antenne
Ausgabe Fahrer
Übertragung
Bus
Reibung
Zwangsbremse
Abb. 14.34 Systemdefinition Fahrzeugeinrichtung
müssen 50 fit (1fit = 10-9) Gesamtgefährdung auf 4 Teilgefährdungen aufgeteilt werden. Da man aus Erfahrung weiß, dass die Übertragung sowie die Auswertungseinrichtung hoch sicher gemacht werden können (vgl. EN 50159 bzw. EN 50129), würde man diesen beiden Teilfunktionen eher einen geringen Anteil zuweisen und der Empfangseinrichtung sowie der Zwangsbremse eher höhere Anteile. Es könnte aber andere Randbedingungen geben, die zu anderen Aufteilungen führen könnten, z.B. wirtschaftliche, oder es könnte sein, dass bereits fertig entwickelte Komponenten wieder verwendet werden sollen. Nehmen wir daher einmal an, dass für eine Zwangsbremse ein Sicherheitsnachweis vorliegt, der eine Gefährdungsrate von 30 fit nachweist. Dann könnte Tabelle 14.13 Aufteilung der Gefährdungsraten und Zuweisung von SIL Teilfunktion
Anteil (fit)
THR
SIL
Zwangsbremse Bus Auswertung Antenne
30 1 1 18
3×10-8 10-9 10-9 2×10-8
3 4 4 3
man die Aufteilung aus Tabelle 14.13 wählen und auf dieser Ebene die SIL zuweisen. Analog könnte man bei der Aufteilung der Gefährdungsrate THR2 vorgehen. Obwohl sich hier immer deutlich geringere Sicherheitsanforderungen ergeben, sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Anforderungen im Sicherheitsnachweis durchaus eine Rolle spielen können. Dies soll kurz an einem Beispiel illustriert werden: Für die Auswertung könnte ein zweikanalig redundanter Rechner mit einem Vergleicher eingesetzt werden. Für diesen Typ zeigt Abb. 14.19 den zugehörigen Fehlerbaum. Während hier i.d.R. immer zwei Ausfälle zeitnah passieren müssen, um zu einer fehlerhaften Ausgabe zu führen (z.B. keine Ausgabe einer Zwangsbremse, obwohl dies notwendig wäre), würde schon der Ausfall eines Kanals zu einer Sicherheitsabschaltung und, je nach Design, entweder zu einer unnötigen Zwangsbremsausgabe (also H2) führen oder auch nur den Treibfahrzeugführer informieren. Im ersten Fall würden sich scharfe zusätzliche Anforderungen an die Ausfallrate der Kanäle ergeben. Betrachtet man zum Vergleich noch den zusätzlichen akustischen Alarm (aus M2), so
Literatur
kann man bei der Anwendung des Risikographen nun voraussetzen, dass eine Zugbeeinflussung eingesetzt wird, die außer in wenigen Ausnahmen wirksam ist. Versagt der Alarm allerdings, so wird der Fahrdienstleiter einen nicht ausgerüsteten Zug, der an einem Halt zeigenden Signal vorbeifährt, nicht bemerken und auch nicht warnen können. Daher bleibt das Schadensausmaß bei S3, und auch wenn man die Aufenthaltsdauer im Gefahrenbereich als selten einschätzt (A1, da fast alle Züge mit Zugbeeinflussung ausgerüstet sind) und die Wahrscheinlichkeit des unerwünschten Ereignisses als sehr gering (W1, da bereits die Zugbeeinflussung sehr hohe Sicherheitsanforderungen erfüllt), so erhält man als Ergebnis immer noch SIL 2 und eine THR von mindestens 10-6.
Literatur Fachliteratur Birolini A: Reliability Engineering. Springer, Berlin, 2004 Braband J: Risikoanalysen in der Eisenbahn-Automatisierung, Hestra-Verlag, Hamburg, 2005 Kelly T P: Arguing Safety – A Systematic Approach to Safety Case Management, University of York, 1999 Ladkin P B: Causal System Analysis, Universität Bielefeld, 2001 Leveson N G: Safeware – System safety and computers, Addison-Wesley, 1995 Reason J: Managing the Risks of Organizational Accidents, Ashgate 1997 Schneider J: Sicherheit und Zuverlässigkeit im Bauwesen. Teubner, Stuttgart, 1996 The Ladbroke Grove Rail Inquiry, Health&Safety Commission, HSE Books, vol 1+2, 2001
699
Richtlinien CENELEC: Systematic Allocation of Safety Integrity Requirements, Report R009-004 Eisenbahn-Bundesamt: Grundsätze zur technischen Zulassung in der Signal- und Nachrichtentechnik (Mü 8004). VDV: Sicherheitsbetrachtungen und Anforderungsklassen für Signal- und Zugsicherungsanlagen gemäß BO Strab, VDV-Richtlinie 331, 1994
Normen CENELEC: Bahnanwendungen – Spezifikation und Nachweis der Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit und Sicherheit (RAMS), EN 50126 CENELEC: Bahnanwendungen – Software für Eisenbahnsteuerungs- und -überwachungssysteme, EN 50128 CENELEC: Bahnanwendungen – Sicherheitsrelevante elektronische Systeme für Signaltechnik, EN 50129 IEC: Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer / elektronischer / programmierbarer elektronischer Systeme, IS 61508, 2000
Gesetze Pätzold F, Wittenberg K-D, Heinrichs, Mittmann: Kommentar zur Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Hestra-Verlag, Darmstadt, 2002 Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung („Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit“).
15
Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG Peter Reuther
15.1 Einleitung
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Mit der Inbetriebnahme der ersten Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg-Fürth im Jahre 1835 wurde bereits eine Telekommunikationstechnik (früher Fernmeldetechnik genannt) für die Bahn erforderlich, und zwar die Streckenfernsprechverbindung mit den angeschlossenen OB-Fernsprechern der Bahnhöfe Nürnberg und Fürth. Die Forderung, dass Bahnhöfe mit einer Streckenfernsprechverbindung verbunden sein müssen, wurde in der EBO zur sicheren Betriebsabwicklung gefordert. Die sog. „Betriebsfernmeldeanlage“, welche in den kommenden Jahren – durch neue oder verbesserte Betriebsabläufe – eine Unmenge an neuen TK-Systemen hervorbrachte, war geboren. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ging die Entwicklung in allen Fachbereichen der DB AG rasant weiter. So hatten revolutionäre Entwicklungen, wie moderne Stellwerkstechniken, Elektrifizierung, Zugfunk oder Zugleitbetrieb, einen entscheidenden Einfluss auf die Telekommunikationstechnik. Die für den Bahnbetrieb sicherheitsrelevante Telekommunikationstechnik kann in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden: – Betriebsfernmeldeanlage (Kommunikation der Betriebsstellen, Meldesystem für wichtige Anlagen usw.), – Ü-Wege für sicherheitstechnische Systeme (z.B. Leit- und Sicherungstechnik).
Mit der Änderung des Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) am 3. Juli 1989 und dem Wegfall des Rechts des ausschließlichen Betreibens von Telekommunikationsanlagen durch den Bundespostminister hat sich einiges grundlegend geändert. Die Bahnen nutzen den öffentlichen Markt, wann immer dies möglich ist. Gesetzliche Vorgaben aus der EBO und BauSTE heraus erfordern jedoch aus Sicherheitsgründen eigenständige funktionierende Telekommunikationsanlagen. Im Anhang 1.3 S (S wie sicherheitsrelevant) der BauSTE sind alle betroffenen TK-Anlagen aufgelistet. Alle nachfolgend beschriebenen Systeme zählen zu den sicherheitsrelevanten Telekommunikationsanlagen. Zweck und die Notwendigkeit sollen hier detailliert beschrieben werden.
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit sicherheitstechnischen Telekommunikationstechniken, welche für eine sichere Zugfahrt erforderlich sind.
15.2.1 Ausrüstungsstandards auf der Strecke und im Bahnhof Gesetzlich geforderte Vorgaben Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) DS 300 § 16 Fernmeldeanlagen Zugfolgestellen und Zuglaufmeldestellen sind durch Fernmeldeanlagen zu verbinden. Schrankenposten und Streckenfernsprecher sind in die Verbindung zu schalten. Ausnahmen sind zulässig (§ 3 Abs. 1 Nr. 2). Auf Strecken ohne Streckenblock sind fernmündliche Zugmeldungen durch Sprachspeicher aufzuzeichnen. Streckenfernsprecher sind auf freier Strecke einzubauen, soweit es erforderlich ist.
702
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Strecken, die von Reiszügen befahren werden, sollen mit Zugfunkeinrichtungen (ZF) ausgerüstet sein. Mit ZF müssen ausgerüstet sein: a) Strecken mit mehr als 160 km/h Streckengeschwindigkeit, b) Strecken ohne Streckenblock wo Reisezüge verkehren. Bahnsteige an Gleisen, die mit mehr als 160 km/ h befahren werden, sollen mit Lautsprecheranlagen ausgerüstet sein. § 11 Bahnübergänge (17) Anrufschranken sind Schranken, die ständig oder während bestimmter Zeiten geschlossen gehalten und auf Verlangen des Wegebenutzers, wenn dies ohne Gefahr möglich ist, geöffnet werden. Diese BÜ müssen mit einer Sprechanlage ausgerüstet sein. Aus diesen gesetzlichen Vorgaben sind bahninterne Vorschriften (heute Richtlinien) entstanden. Hier einige Beispiele:
– DS 408 Fahrdienstvorschrift – DS 480 Fernsprechvorschrift mit den Teilheften z.B. 480/8 ortsfeste ZF-Anlagen, 480/9 Rangierfunk, 480/12 Lautsprecheranlagen in Personenbahnhöfen – DS 481 Telekommunikationsanlagen bedienen mit all den Teilheften OB-Fernsprechen bis zu GSM-R-Kommunikation. – Ril 861 Telekommunikationsanlagen mit Sicherheitsaufgaben montieren und instand halten
15.2.2 Ausrüstung von Betriebszentralen und örtlich zuständige Fahrdienstleiter (öZF) Mit der Technikentwicklung im 20. Jahrhundert und der voranschreitenden Zentralisierung wurden die erforderlichen TK-Systeme im Strecken- und Bahnhofsbereich so modernisiert, dass eine Fernbedienung und somit eine Steuerung über die Betriebszentralen ermöglicht wurde.
Abb. 15.1 Überblick über die Betriebsfernmeldeanlagen (BFMA)
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
703
Kurzdefinition Betriebliche Telekommunikationsanlagen stellen die Telekommunikation entlang der Strecken und im Bahnhofsbereich (oder Werksbereich) für Zug- und Rangierfahrten sicher und ermöglichen im Bahnbetrieb die blockierungsfreie Durchschaltung von digitalen, analogen oder gemischten Kommunikationsverbindungen (Kommunikation zwischen Stellwerken, Leitsystemen und Bahnsteigen). Diese betrieblichen Telekommunikationsdienste sind vom Eisenbahn Bundesamt (EBA) zur Durchführung einer sicheren Rangier- oder Zugfahrt zwingend vorgeschrieben. Die hierfür eingesetzten Betriebsfernmeldeanlagen müssen deshalb über eine EBA-Zulassung verfügen. Folgende Sprachverbindungen sind erforderlich: – Streckenfernsprechverbindung (FS)
schaltstelle (Zes) und den Schaltstellen (Ortssteuertafel) – Fahrdienstfernsprechverbindung für den Zugfunk (FdZf)
Sie ist zwischen den einzelnen Bahnhöfen zur Abgabe von Zugmeldungen erforderlich und ist an allen wichtigen Betriebsstellen (z.B. Signale, Bahnübergange, Schrankenposten) eingeschleift. – Signalfernsprechverbindungen (allgemein)
Kompakte Betriebsfernmeldeanlagen Über die Jahre hinweg haben sich aus einfachen und wenigen Telefonverbindungen zentrale und auf unterschiedliche Technologien abgestimmte mikroprozessorgesteuerte Kompakt-TK-Anlagen entwickelt. Dies sind z.B. das digitale Betriebsfernmeldesystem DIKOS 210 ((Funkwerk) Grundgerät mit max. 17 Erweiterungsgeräten) oder das Multifunctional Advanced Communication System MACS der Fa. Wenzel. Im Einzelnen ergeben sich folgende Leistungsmerkmale: – analoge und/oder digitale Vermittlung zur Realisierung der betrieblich notwendigen Telekommunikation im Bahnbetrieb, – skalierbarer Ausbau, – Verfügbarkeitserhöhung durch Doppelung zentraler Baugruppen (automatische Umschaltung bei Störung möglich), – blockierungsfreie Durchschaltung, – analoge und/oder digitale Vernetzung der Vermittlungsstandorte untereinander, – Durchwahlmöglichkeit in andere Netze (z.B. Basa-Netz, Basa-Bez-Netze, UIC-Netz, öffentliche Netze).
Die Signalfernsprechverbindung dient bei Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf – besonders bei Signalstörungen – zur Verständigung zwischen Fahrdienstleitung und Zugpersonal und zum Übermitteln von „Befehlen“. – Fahrdienstfernsprechverbindung für die Zugüberwachung (FdZü) Die FdZü dient der Verständigung zwischen der Zugüberwachung (ZÜ jetzt Betriebszentrale BZ) und den Fahrdienstleitern der überwachten Zuglaufstrecken. Andere Gespräche dürfen nur in Notfällen auf dieser Leitung geführt werden. – Fahrdienstfernsprechverbindung für die elektrische Zugförderung (Fde) Die Fde dient der Verständigung zwischen dem Unterwerk (UW) oder der zentralen Ein-
Die FdZf dient der Verständigung zwischen Zugmeldestellen untereinander und der Zugfunkzentrale (BZ). Nothaltaufträge werden von den Fahrdienstleitern auch über diese FdZf abgegeben und haben Vorrang. – Fdl-Basa Die Fdl-Basa ist eine eigenständige TK-Anlage mit Endgeräten (wetterfeste Außensprechstellen sowie Innensprechstellen verschiedenster Art). Sie kommt nur in größeren Bahnhöfen vor und ermöglicht die Kommunikation zwischen den Betriebsstellen und dem Fahrdienstleiter.
704
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
F OB-Fernsprechapparat bzw. -säule
1
2
3
4
5
6
7
8
9
*
0
#
Ein
A B C D
wettersichere G 80 Sprechstelle mit Wahltasten
Bitte Knebel
wettersichere G 80 Sprechstelle mit Knebel
wettersichere G 80 Sprechstelle mit 3 Knebeln
Aus kurz betätigen
DIKOS 210 Grundgerät
Wechselsprechstelle mit programmierbaren Zieltasten WST
FTIM 8 8
DIKOS 210 G
Fernsprechapparat mit Wählscheibe oder Tastenblock PC-BedienArbeitsplatz Laptop Lautsprecheranlage Fernsprech-Sammel-Teilnehmerstelle FST
Abb. 15.2 Übersicht einer DIKOS 210 der Fa. Funkwerk
Abb. 15.3 Systembaugruppen MACS der Fa. Wenzel
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
705
Abb. 15.4 Bedieneinheit der MACS der Fa. Wenzel
15.2.3 Derzeit im Einsatz befindliche TK-Anlagen und -Systeme Die Entwicklungsphasen sind an den Stellwerkskategorien 1–3 zu erkennen. So wurden eingeteilt: Stellwerkskategorie 1 Î große Bahnhöfe Zentraleinheit
Beispiele für angeschlossene Bediengeräte
Betriebsfernmeldesystem DIKOS 210 Dikos Zentrale beste- Fernspr.-Sammel-Tln-Stelle (FST) ggf. mit hend aus bis zu zwei Grundgeräten und bis zu 17 Erweite- FST-Erweiterung rungsgeräten bestückt mit ca. 50 verschiedenen InterfaceBaugruppen Betriebsfernmeldesystem MACS
Grafischer Bedienplatz MACS-GUI
Mehrfachfernsprecher 84 - Fa. Wenzel Zentrale bestehend aus Baugruppenträger bestückt mit Prozessor und Teilnehmer
MF-Bediengeräte
Interface Mehrfachfernsprecher 84 - Fa. Neumann Zentrale MF-Bediengerät bestehend aus Baugruppenträger bestückt mit Prozessor und Teilnehmer-Interface Betriebsfernmeldesystem MDK Digitales System mit Baugruppenträger und Interfaces Nur eine Erprobungsanlage
MDK-Mehrfachfernsprecher
706
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Abb. 15.5 Stellwerkszentralen nach Kategorie 1 (große Bahnhöfe)
Stellwerkskategorie 2 Î mittlere Bahnhöfe Zentraleinheit
Beispiele für angeschlossene Bediengeräte
Relaiseinrichtung bestehend aus Platzschaltung, RSMUmschaltrahmen, RSM und verschiedene Relaisschienen wie OB, ZB, Bbez, WB57 usw.
All- und Mehrfachfernsprecher Allfernsprecher 45-teilig Allfernsprecher 80-teilig Allfernsprecher 100-teilig Fernmeldeschaltplatte Neumann Fernmeldeschaltplatte Wenzel
Zentrale Relaiseinrichtung bestehend aus verschiedenen Relais- und Elektronik-Einschüben
Fernmeldeschaltplatte für AF 300E
Relaiseinrichtung bestehend aus verschiedenen Relaisschienen
Allsprechstelle (DR)
Relaiseinrichtung bestehend aus verschiedenen Relaisschienen
Mehrfachfernsprecher
Wählbefehlszentrale, Zentrale für Streckendispatcher 74 (54/55)
Basa-Bereichsfernsprecher Hauptsprechstelle
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
707
Abb. 15.6 Stellwerkszentralen nach Kategorie 2 (mittlere Bahnhöfe)
Stellwerkskategorie 3 Î kleine Bahnhöfe Zentraleinheit
Beispiele für angeschlossene Bediengeräte
OB-Mehrfachzusatz 6/12-teilig
OB-Tischgerät OB-Tischgerät ohne Untersatz mit Quanten-Schalter
OB-Fernsprecher mit Relaiszentrale OB
Befehlszentrale
OB-Fernsprecher mit Relaiszentrale OB-
Befehlszentrale über 10teilig (DR)
Relais-Zentrale, Elektronik-Zentrale, Zentrale für FKWA, ZBWL, ZBWL-K
WL Innensprechstelle Teilnehmersprechstelle
Abb. 15.7 Stellwerkszentralen nach Kategorie 3 (kleine Bahnhöfe)
708
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
15.2.4 Beschallungs- und Wechselsprechanlagen Einseitig gerichtete Lautsprecheranlagen (EL) dienen zur Information und zur Warnung der Reisenden in den Bahnhöfen und Haltestellen. Sie sind hauptsächlich an Bahnsteigen und in den Empfangshallen der Bahnhöfe angebracht. Gleichzeitig sind zur Abwicklung des Betriebs Beschallungsanlagen und Wechselsprechanlagen (WL) im Gleisfeld, an Bahnübergängen, in Rangierbereichen, Ablaufstellwerken und Werken vorhanden.
Im Einzelnen ergeben sich folgende Leistungsmerkmale: – einseitig gerichtete und leistungsverstärkte Sprechverbindungen, – wechselseitig gerichtete und leistungsverstärkte Sprechverbindungen, – Sprachübergänge zu benachbarten Betriebsfernmeldeanlagen (einschließlich Funk, WL, EL). Die BFMA im Bahnhof sind in folgende Kategorien eingeteilt:
Bahnsteigkategorie
BFMA für
1 2 3 4 5 6 7
ICE-Bahnsteig EC/IC/D-Umsteigebahnsteig IR/D-Umsteigebahnsteig SE/RE/RB-Umsteigebahnsteig auf einem Kreuzungs- oder Verzweigungsbahnhof SE/RE/RB-Bahnsteig auf einem Durchgangsbahnhof S-Bahn-Bahnsteig auf einem Kreuzungs- oder Verzweigungsbahnhof S-Bahn-Bahnsteig auf einem Durchgangsbahnhof
Abb. 15.8 Übersicht einer EL/Wl am Beispiel eines Bahnhofs mit den Techniken Wenzel Wl/EI EZV68 und Funkwerk Dikos210
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Die neuesten Kundeninformations- und Beschallungssysteme sind Fernbeschallungssysteme und können automatisiert und individuell auf die tatsächlichen Bedürfnisse mit vorgefertigten Ansagetexten programmiert werden. Die bei der DB eingesetzten Anlagen sind z.B. die H-KIS-ELA 3000 (Funkwerk Kölleda) und die WM-ELISA von Wenzel Elektronik.
Leistungsmerkmale des H-KIS-ELA 3000 (Funkwerk Kölleda): – Berechtigungskontrolle/Priorisierung von Teilnehmern, – integrierter 100-V-Verstärker mit variabler Leistung, – zeit- oder umgebungsabhängige Pegelregulierung, – Quittierungssignalisierung nach Verbindungsaufbau, – automatischer Verbindungsabbau (Timeout), – bis zu 6 Lautsprecherkreise in 10 Kombinationen anwählbar, – integrierte Hardware- und Systemüberwachung bis zum Lautsprecher möglich, – Anschlussmöglichkeit für bis zu 10 örtliche Sprechstellen, – integriertes Störungsmanagement für interne und externe Komponenten, – Fernwartung.
Abb. 15.9 Grundgerät (Telekommunikationseinschub) und Erweiterungsgerät 1 (ELA-Basiseinschub)
Abb. 15.10 Bedienplatz ELA 3000
709
Abb. 15.11 Am Bahnsteig
710
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG Abb. 15.12 Prinzip der ELISA
Abb. 15.13 WM-ELISA zur Konfiguration an 4 So-Anschlüsse oder ans IP-Netz
15.2.5 Melde- und Überwachungssysteme Melde- und Überwachungsanlagen haben die Aufgabe, Zustandsveränderungen optisch und akustisch darzustellen. Diese Meldungen gehen an die für die Anlage betrieblich zuständige Person. Bei örtlich bedienten Anlagen werden alle Meldungen direkt dorthin gemeldet. Handelt es sich um von der Betriebszentrale (BZ) ferngestellte Anlagen (z.B. die elektronischen Stellwerke ESTW) gibt es eine Aufteilung der Meldungen a) betriebsauswirkende Meldungen → zum BZ-Fahrdienstleiter,
b) rein technische Zustandsmeldungen → zur Dispostelle AVI, früher DFI. AVI = Arbeitsvorbereitung Instandhaltung DFI = Dispostelle für Instandhaltung
Da die Meldeanlagen als betriebsnotwendig eingestuft werden, benötigen diese Systeme eine Zulassung. Die zwei bei der DB AG eingesetzten Systeme sind hier beschrieben. Meldeanlagensystem 90 (MAS 90) Allgemeines Das integrierte Meldeanlagensystem MAS 90 ist ein Fernwirksystem zur Übertragung von Alarm-, Störungs-, Zustandsmeldungen und
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
711
Die zentrale Steuereinheit (ZSE) besteht aus einem redundanten Doppelrechnersystem auf Industrie-PC-Basis (ZSE-A, ZSE-B). Die Systemmanagementstation (SMS) wird für das zentrale Systemmanagement des MAS 90 benötigt. Die einzelnen Funktionsblöcke wie Netzwerkmanagement, Ferndiagnose (Endgeräte), Störungs- und Fehlermeldung der angeschlossenen Endgeräte und Netzwerkelemente, Datensicherung, Archivierung und Statistik können auf bis zu 3 SMS-PC (SMS-A, SMS-B, SMS-C) verteilt werden. In der Regel sind die SMS-Funktionen in einem PC vereint. Da die SMS nicht redundant aufgebaut ist, wird der Einsatz von mindestens 2 SMS-PC empfohlen, um bei Ausfall eines SMS-PC jederzeit mit dem zweiten PC arbeitsfähig zu sein. Mindestens ein SMS-PC ist in den Arbeitsräumen des Instandhaltungspersonals aufzustellen. 3. Meldeebene mit der Melde- und Registriereinheit MRE bei den Meldestellen.
Schaltaufträgen zwischen den örtlichen Gefahrenmelde- und Steuerungsanlagen entlang der Strecke und dem jeweils zuständigen Personal. Das MAS 90 mit der betrieblichen Benutzeroberfläche Meldeüberwachungsverfahren (MÜV) auf die Melderegistriereinheit (MRE) und dem Leitsystem der Betriebsführung LeiTFÜ-G auf Bedienplätzen der Betriebszentralen ist für den Einsatz im Kernnetz der DB Netz vorzusehen. Systembeschreibung Es besteht aus: 1. den technischen Komponenten: dem wichtigsten Element Rechner Datencommunikationscomputer DCC und den entsprechenden Anschaltbaukarten der einzelnen Meldesysteme, 2. der Konfigurations-, Diagnose- und Steuerungsebene,
Übertragungssystem (überregional) Bereichsgrenze
AMP-
Ebene Verarbeitung
DCC
Redundanter DCC
DCC
DCC
Ebene Technische Anlagen
Bereichsgrenze
Übertragungssystem (regional)
AMP-
HOA WMA LsMA Tunnelnotruf ...
HOA WMA LsMA Tunnelnotruf ...
HOA WMA LsMA Tunnelnotruf ...
HOA WMA LsMA Tunnelnotruf ...
ABG
ABG
ABG
ABG
WHZ BMA EMA KA TL BEL ...
WHZ BMA EMA KA TL BEL ...
WHZ BMA EMA KA TL BEL ...
WHZ BMA EMA KA TL BEL ...
Meldung Kommando Messwert
MRE (MÜV)
Bf A
Steuerung Diagnose Konfiguration
Abb. 15.14 Systemübersicht einer MAS 90
Bf B
MRE (MÜV)
Bf C
ZSE-A
ZSE-B
SMS-A
LAN (Ethernet)
MRE (MÜV)
SMS-B
IN
712
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Anbindung entfernter MAS 90-Netze an Betriebszentralen zu BZ LAN
zu BZ LAN
Router
Router Privates IPNetzwerk zwischen SSR und BZ LAN II
SSR A
SSR B Privates IPNetzwerk zwischen DCC und SSR
DCC System 3 mit IP-Ankopplung
DCC
DCC
IP-Ankopplung Router
Router
Öffentliches IP-Netzwerk
TCP/IP-Netzwerk
Router
Router
IP-Ankopplung
DCC
DCC
DCC System 3 mit IP-Ankopplung
DCC
DCC
MAS 90-Netzwerk
Abb. 15.15 Gesamtanschaltbeispiel vernetzter MAS-90-Systeme
DCC
MAS 90Netzwerk
DCC
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Die Bildschirme und die Tastatur der Meldeund Registriereinheit (MRE) werden im Stellwerk am Arbeitsplatz des Fahrdienstleiters (Fdl), der Drucker in Nähe zum Fdl aufgestellt. Bildschirm, Tastatur, Drucker und PC stehen i.d.R. im Fahrdienstleiter-Raum. Unter Beachtung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) gemäß den DIN VDE-Vorschriften 0878 und 0843 darf in Ausnahmefällen die Kabellänge zum PC bis zu 100 m betragen. Bei Ausfall einer MRE werden die Meldungen von der ZSE zu einer von der Planungsstelle der DB Netz gem. streckenspezifischer Vorgaben vorab festgelegten Alternativ-MRE umgeleitet. Um diese Redundanz zu gewährleisten, sind auf einem MAS-90-Streckenabschnitt mindestens 2 MRE vorzusehen. Die zusätzliche MRE kann entfallen, wenn das MAS 90 über den Schnittstellenrechner SSR LeiTFÜ-G an eine Betriebszentrale angebunden ist und dort von mindestens einem örtlich zuständigen Fahrdienstleiter (özF) genutzt wird. Die alternative Meldungsaufschaltung erfolgt dann beim özF in der Betriebszentrale. Endgeräte (1) Direkt an einen Datencommunikationscomputer DCC oder eine Paketierungs-/Depaketierungseinheit (Protokollumsetzung X.3/ X.25 (PAD) werden angeschlossen: – Heißläufer- und Festbremsortungsanlagen (HOA/ FBOA), – Zugnummerndecoder für HOA-Alarmmeldungen (ZND), – Windmeldeanlagen (WMA), – Luftströmungsmeldeanlagen für Tunnel (LsMA), – Notrufzentralen für Tunnelnotruf (NZ), – Anschaltbaugruppen für Fernwirkanwendungen (ABG), – Weichenheizungen (WHZ), – Oberleitungsanlagen (OLA)/Ortsteuereinrichtungen für Oberleitungsschalter (OSE), – Oberleitungsspannungsabschalteinrichtungen (OLSP).
713
(2) Potenzialfrei an eine ABG werden angeschlossen: – Einbruchmeldeanlagen (EMA), – Brandmeldeanlagen (BMA), – Beleuchtungsanlagen (BEL), – Tunnelbeleuchtungen (TL), – Tunnelsicherungsbeleuchtung (TSB), – Raumtemperaturüberwachung (RTÜ), – Fluchttürenüberwachung (FLÜ), – Wasserhebeanlagen (WHA), – Wasserpegelüberwachung (WPÜ) – Feuerwehraufzüge (FWZ), – Wehrkammertore (WKT), – TV-Anlagen für BÜ (TVBÜ), – BOS-Funk (BOS), – Klimaanlagen (KA), – Umformer. (3) Notwendige Erweiterungen des Endgerätespektrums sind mit der Planungsstelle der DB Netz abzustimmen. Meldelisten Welche Meldetexte an welcher zuständigen Stelle bei Unregelmäßigkeiten oder Störungen angezeigt werden sollen, wird in einer sog. Meldeliste festgelegt. Abkürzungsverzeichnis ABG Anschaltbaugruppe AMP Asynchroner Multipoint BEL Beleuchtungsanlagen (z.B. Bahnsteigbeleuchtung) BMA Brandmeldeanlage DCC Datenkommunikationscomputer (X.25-Netzknoten) EMA Einbruchmeldeanlage FWS Fernwirkstation GW Gateway HOA Heißläuferortungsanlage IFS Impuls-Fernwirksystem IN Integriertes Datennetz KA Klimaanlage LeiTFÜ Leitsystem der Betriebsführung – Technische Fahrwegüberwachung LsMA Luftströmungsmeldeanlage
O X A
M
Funkhaus Tunnel Deesener BOS Wald km 78,217
Funkhaus Tunnel Deesener Störung BOS-Funk Störung Wald km 78,217 Feuerwehr Kanal 34 Ri. Köln
Instandhalter verständigen
O X A
M
Funkhaus Tunnel Deesener BOS Wald km 78,217
Funkhaus Tunnel Deesener Störung Netzausfall BOSWald km 78,217 Funk Ri. Köln
Störung
Instandhalter verständigen
O X A
Tunnel Deesener Wald
Alarm
Einwahl mit DIKOS-Kurzwahl Vorrang 208/209; ggf. Erkundungsfahrt im Tunnel Deesener Wald
X
A
X
A
M Verstärkerstation Dierdorf
Notruf
Notruf km 79,487
M
Notausgang Tunnel EMA Deesener Wald km 78,532
Notausgang Tunnel EMA-Alarm Deesener Wald km 78,532
Alarm
Fdl: BGS verständigen
M
Notausgang Tunnel EMA Deesener Wald km 78,532
Notausgang Tunnel Übertragungsweg "EMADeesener Wald km 78,532 Alarm" gestört
Störung
Instandhalter verständigen
X A
M
Notausgang Tunnel Fm Deesener Wald km 78,532
Notausgang Tunnel Störung Netzausfall 230 V Deesener Wald km 78,532 TK-Anlagen
Störung
Instandhalter verständigen
X A
M
Notausgang Tunnel Fm Deesener Wald km 78,532
Notausgang Tunnel Störung StromversorDeesener Wald km 78,532 gungsgerät TK-Anlagen
Störung
Instandhalter verständigen
X A
Legende: Meldung
X X
Alternativarbeitsplatz (für die Meldungsanzeige) nur Status
Abb. 15.16a Verzeichnis der Meldeliste einer Heißläuferortungsanlage mit Festbremsortungsanlage
A O
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Instandhalter verständigen
Handlungstexte
714
Funkhaus Tunnel Deesener Störung BOS-Funk Störung Wald km 78,217 Feuerwehr Kanal 39 Ri. Ffm
Meldungstyp
DfI
Funkhaus Tunnel Deesener BOS Wald km 78,217
Anreiz
ZES
Alt. MRE
M
Anlagen-Typ Ort der Anlage
Fdl
Sig.-Art
Ort des DCC/ der ABG
VerstärkerM station Dierdorf
HOA
5.1 Warmläufer-Alarm
km 73,058 365 RGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
HOA
5.1 Warmläufer-Alarm
km 73,058 365 GGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
HOA
5.2 Heißläufer-Alarm
km 73,058 365 RGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
HOA
5.2 Heißläufer-Alarm
km 73,058 365 GGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
HOA
9.8 Störungsmeldung
VerstärkerM station Dierdorf
5.3 FBOA Festbremse Warm-Alarm
km 73,058 365 RGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
5.3 FBOA Festbremse Warm-Alarm
km 73,058 365 GGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
5.4 FBOA Festbremse Heiß-Alarm
km 73,058 365 RGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
5.4 FBOA Festbremse Heiß-Alarm
km 73,058 365 GGL
X
A
VerstärkerM station Dierdorf
FBOA
365
FBOA Nr. 365 Gleis KK - FSP außer Betrieb
X X A
715
Abb. 15.16b Verzeichnis einer Meldeliste sonstiger Telekommunikationseinrichtungen
HOA Nr. 365 Gleis KK - FSP außer X X A Betrieb
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
9.13 Störungsmeldung
365
ZES
DfI
Nachbar-MRE Alternative MRE Alternative MRE Bemerkungen / Ort der HOA-Nr./ MRE bei zustänbei mitbeteiligte wenn MÜV bei A wenn MÜV bei B Handlungstext für Anlage FBOA-Nr. digem Fdl A Fdl B gestört ist gestört ist Störungen
Alt. MRE
MÜV-Maske Alarm-Art
Fdl
Sig.-Art
AnlaOrt des DCC/ gender ABG typ
716
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
M Modem (19.200/9.600 bit/s) MRE Melde- und Registriereinheit MÜV Melde- und Überwachungsverfahren NZ Notruf-Zentraleinheit (TunnelNotruf) PAD Paketierungs-/Depaketierungseinheit (Protokollumsetzung X.3/X.25) PCM Pulscodemodulation RP Remote-Prozessor RRP Redundanter Remote-Prozessor SMS Systemmanagementstation SNMP Simple-Network-ManagementProtokoll TL Tunnelbeleuchtung UEV/USV Unterbrechungsfreie Energie-/ Stromversorgung WHZ Weichenheizung WMA Windmeldeanlage ZND Zugnummerndecoder ZSE Zentrale Steuereinheit
Abb. 15.17 Prinzipschaltbild einer FÜSTE-Anlage
Fernüberwachen und Steuern technischer Einrichtungen FÜSTE 90 Das System FÜSTE ist ein Tele-Kontrollsystem zur Fernüberwachung von Prozessen und Einrichtungen. FÜSTE stellt ein offenes Fernwirksystem dar, das eine komfortable Meldungsauswertung und -steuerung über eine Prozessrechner-Technologie ermöglicht. Neben dem Meldungstransport und der Übermittlung von Steuerfunktionen sind Zusatzdienste, z.B. Quittungsüberwachung, Meldungsumleitung, Maßnahmenkataloge im Alarmfall, und eine Vielzahl statistischer Auswertungsmöglichkeiten vorhanden. Es können sowohl potenzialfreie Kontakte als auch Subsysteme mit digitaler Schnittstelle (z.B. Fahrkartenautomaten) überwacht werden. Typische Überwachungsaufgaben sind: – die Überwachung eines Betriebszustandes, – die Unter-/Überschreitung vorgeschriebener Grenzwerte, – die Übertragung von Alarm- und Störungsmeldungen,
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
– das Fernein- bzw. -aussausschalten von Subsystemen, z.B. Bahnsteigbeleuchtungen. Sonstige Melde- und Überwachungssysteme Wenn kleine Bahnhöfe aufgelassen werden und noch vorhandene Anlagen überwacht werden
Erfassung u. Sender
Erfassung u. Sender
müssen, jedoch kein übergeordnetes Meldesystem, z.B. MAS 90, zur Verfügung steht, bietet sich ein kleines Fernüberwachungssystem als Ersatz an.
Empfänger u. Ausgabe
Stromschleife
M
717
M
Anzeigeeinheit
Empfänger u. Ausgabe
Anzeigeeinheit
Empfänger u. Ausgabe
Anzeigeeinheit
Modem-Modem
Erfassung u. Sender
GSM-R-Modem Abb. 15.18 Prinzipschaltbild einer kleinen Fernüberwachung
Stw. Bf Jüterborg
Bf Oehme
Stromversorgung USV
Stromversorgung USV
direkt
Netzausfallkontakt
Netzausfallkontakt Zweitdrahtleitung L ~ 8,5km Sender
Empfänger oder Wählverb. oder Funk
Abb. 15.19 Übertragung und Anzeige von Meldungen (Ausfall Netzversorgung, Ausfall USV)
Fdl Meldeeinheit
718
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
15.2.6 Betriebliche Gefahrenmeldeanlagen Zur Erhöhung der Sicherheit sind mit der Erhöhung der Streckengeschwindigkeit auf den Bahnstrecken zusätzliche Überwachungseinrichtungen entwickelt worden, welche nachstehend beschrieben sind. Heißläuferortungsanlagen (HOA) und Festbremsortungsanlagen (FBOA) Die HOA und FBOA sind immer in einem Schalthaus kombiniert und haben die Aufgabe, Brände oder Entgleisungen durch heiße Achsen oder feste Bremsen zu vermeiden. Das Prinzip beruht auf der Temperaturmessung der Achslager sowie der Bremsscheiben. Es wird zwischen einer warmen und heißen Achse unterschieden. Es gelten folgende Regelalarmschwellen:
heiß warm 1)
HeißläuferAbsolutalarm
Heißläufer- FestbremsDifferenz- alarm alarm
100 °C1) 70 °C1)
65 °C entfällt
Temperatur über Umgebungstemperatur
400 °C 300 °C
Die Regelalarmschwellen sind an den Anlagen entsprechend der Konfigurationsanleitungen der Hersteller vorzunehmen. Vernetzung HOA/FBOA können als Einzelanlagen oder vernetzt geplant werden. Im Fall der Vernetzung werden die Anlagen an der Strecke und die Stellwerkseinrichtungen an einer gemeinsamen Steuereinrichtung (Rechner) über ein Datenübertragungssystem mit Ersatzweg und besonderem Protokoll – z.B. Meldeanlagensystem 90 (MAS 90) – betrieben. HOA/FBOA an Schnellfahrstrecken (SFS) werden vernetzt. HOA/FBOA Abstände Grundsätzlich wird das Kernnetz mit HOA/ FBOA ausgestattet. Folgende Abstände zwischen zwei HOA/FBOA werden angestrebt: Strecken mit v > 200 km/h (SFS): 30 bis 35 km übrige Strecken: 40 bis 70 km Gesamtsystem Das System besteht aus einer Gleisausrüstung, der zentralen elektronischen Auswerteeinheit im Schalthaus sowie der Meldestation bei der Abb. 15.20 Abtaster in der Schwelle
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
zuständigen Betriebsstelle. Zusätzlich können für Servicezwecke direkt vor Ort oder über Ferndiagnose Detailinformationen zur Störanalyse oder zur Eingrenzung von Fehlern aus dem PC ausgelesen werden. Bei der Gleisausrüstung sind in einer speziellen Schwelle die Infrarotmessfühler für die Achslager und für die Bremsscheiben integriert. Luftströmungsmeldeanlage LSMA 1) Bei Tunneln mit Fluchtwegen bis 500 m (entspricht einem Notausgangsabstand von max. 1000 m) sind wegen der Kürze der Fluchtwege keine Luftströmungsmeldeanlagen erforderlich. Trifft diese Voraussetzung nicht zu, so sind Luftströmungsmeldeanlagen wie folgt einzurichten: In Tunneln mit 1000 … 2500 m Länge wird mindestens eine Luftströmungsmeldeanlage, bevorzugt in der Tunnel-
719
mitte (beachte jedoch Abs. 2), in Tunneln mit > 2500 m Länge werden i.d.R. zwei Luftströmungsmeldeanlagen im Abstand von ca. 500 m zu jedem Tunnelmund eingerichtet. 2) Luftströmungsmeldeanlagen müssen einschließlich Stromversorgung und Datenübertragung im Brandfall für eine Mindestdauer von 90 Minuten funktionsfähig bleiben (E90 nach DIN 4102). Da die verfügbaren Luftströmungssensoren diese Bedingung nicht erfüllen können, müssen auch in Tunneln mit 1000 … 2500 m Länge mindestens 2 Luftströmungsmeldeanlagen eingerichtet werden, die einen Abstand von ca. 300 m zueinander haben sollen (Redundanzkonzept). Die aus Gründen der Brandfestigkeit notwendige doppelte Anordnung von LsMA auch in Tunneln mit 1000 … 2500 m Län-
Abb. 15.21 Komponenten im Tunnel
720
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
ge ist außerdem erforderlich, um bei einer durch Unfall verursachten mechanischen Zerstörung einer LsMA den Totalausfall der Luftströmungsmeldung zu verhindern. 3) Die Luftströmungsmeldeanlagen werden über eine RS-232-Schnittstelle und mittels X.3/X.25-Konverter und Modem an das MAS-90-Netz angeschlossen. 4) Zur Aufstellung der Schaltschränke müssen Sockel vorhanden sein. Der verschiebbare Mast muss mit einer Konsole zur Aufnahme der Sensoren ausgestattet sein. Die Rohrhalterung für den verschiebbaren Mast wird an der Tunnelwand montiert Windmeldeanlage (1) Windmeldeanlagen werden vorzugsweise auf Talbrücken und Dämmen eingerichtet. Die genauen Standorte werden nach Feststellung der Gefährdung durch Seitenwind von der Fachstelle im Technologiszentrum bestimmt. Geeignete Sensoren wie Schalen – Anemometer (Windmessgerät) und Blatt – Windfahnen sowie eine intelligente Auswertestation sammeln Daten über die Windgeschwindigkeit und Windrichtung. Bei Überschreiten der für die gefahrlose Betriebsabwicklung maximal zulässigen Windstärke erfolgt ein abgestufter Alarm, der zur Melde- und Registriereinheit (MRE) des MAS-90-Netzes beim Fahrdienstleiter als Alarm ankommt. (2) Zur Stromversorgung soll ein 230-V- oder 750-V-Netzanschluss (AC) zur Verfügung stehen. (3) Die Windmeldeanlagen werden über eine RS-232-Schnittstelle und mittels X.3/X.25Konverter und Modem an das MAS-90Netz übertragen. (4) Zur Aufstellung des Schaltschrankes muss ein Sockel vorhanden sein; der GFP-Mast muss mit einer Schwenkvorrichtung und einer Traverse zur Aufnahme der Sensoren ausgestattet sein.
15.2.7 Videotechnik Die für sicherheitsrelevante Anlagen benutzten Videotechniken müssen besondere Leistungsmerkmale besitzen. So haben alle für diesen Bereich eingesetzten Kameras besondere Merkmale und sind vom EBA zugelassen. Als Kameras sind generell Farbkameras einzusetzen. Folgende Forderungen sind dabei zu erfüllen: – geringe Smear1-, Blooming2- und MoiréEffekte, – automatischer Weißabgleich, – Gegenlichtkompensation, – kein Einfrieren der Bildpunkt-Information, – integriertes Schriftmodul, – farbrichtige Wiedergabe der Szene, – individuelle Anpassung der Kamera an die Szene muss möglich sein, – geringe Masse, – hohe Zuverlässigkeit, – gute Lichtempfindlichkeit und Auflösung, – geringes Farbrauschen bei geringer Beleuchtungsstärke, – Farbsystem PAL. Bahnübergänge Allgemeine Forderungen Aufgrund der Vorgaben der Eisenbahn-Bauund Betriebsordnung (EBO) müssen Bahnübergänge mit Schranken von der Bedienungsstelle mittelbar oder unmittelbar eingesehen werden können. Durch die mittelbare oder unmittelbare Sicht auf den BÜ soll verhindert werden, dass Verkehrsteilnehmer durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen mit Vollschranken eingeschlossen werden. Die zeitliche Differenz zwischen dem Originalbild und der bildlichen Wiedergabe auf dem Bildschirm darf nicht größer als 200 ms sein (Echtzeitbild, Livebild).
1 Schmier-Effekte 2 Aufblühen
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Erfasst werden müssen alle Verkehrsteilnehmer einschließlich Personen (auch Kinder, Behinderte im Rollstuhl). Der Gefahrenraum ist flächenmäßig mindestens im Bereich der Grenzen zwischen den Schranken und der Fahrbahnbegrenzung zu überwachen. Das Freisein des Gefahrenraumes ist nach dem Schließen der Schranken zu prüfen. Bei einem technischen Ausfall der Anlage oder Komponenten davon darf es nicht zu einer Freimeldung („Archivbilder“) bei belegtem Gefahrenraum kommen. Der Bediener muss eindeutig darauf hingewiesen werden, wenn kein Livebild auf dem Bildschirm abgebildet wird. Durch örtliche Bedienungsanweisungen ist sicherzustellen, wie beim Ausfall von TV-Anlagen zu verfahren ist. Alle weiteren Anforderungen sind im genehmigten Lastenheft „TV-Anlagen an Bahnübergängen“ (Sept. 2002) beschrieben Zugschlussbeobachtung und Feststellung Zweck der TV-Anlage Eine in Gleisnähe (Signalzugschlussstelle) installierte Kamera überträgt das TV-Bild des aktuellen Zugschlusses eines eingefahrenen Zuges auf einen Monitor. Es muss von einem besonders bestimmten Mitarbeiter im Bahnbetrieb erkannt und betrieblich ausgewertet werden. Die TV-Anlage soll die Zugschlussfeststellung durch Augenschein unterstützen. Einsatzfeld Eine TV-Anlage kann bei einfachen betrieblichen Verhältnissen eingesetzt werden, wenn die Zugschlussfeststellung durch direkten Augenschein örtlich nicht möglich ist (z.B. Sichtbehinderung des Mitarbeiters im Bahnbetrieb durch Lärmschutzwand, Brückenbauwerke, Bahnsteigdächer) und andere technische Systeme, die den Zweck erfüllen könnten, nicht zur Verfügung stehen.
721
15.2.8 Analoger Zugfunk Allgemein Die Möglichkeit der drahtlosen Kommunikation von ortsfesten Teilnehmern zu mobilen Teilnehmern und mobiler Teilnehmer untereinander hat eine sehr große Bedeutung. In der Vergangenheit wurden zwischen den festen Dienststellen umfangreiche Nachrichtenanlagen installiert. Die mobilen Kräfte und die Triebfahrzeugführer konnten nicht erreicht werden. Dieser Mangel, der keine flexible und effektive Betriebsdurchführung erlaubt, konnte durch den Einsatz von Funkanlagen beseitigt werden. Zwischen den anfangs zum Einsatz gebrachten analogen Funkanlagen auf Basis der Röhrentechnik bis hin zu den derzeitigen digitalen Anlagen liegen technologische Welten. Die Grundanforderungen der Kommunikation über Funk sind über die technologischen Weiterentwicklungen vom Grundsatz her gleich geblieben. Zu den Kernaufgaben eines Bahnbetriebes gehören folgende Nutzerforderungen: – Verbesserung der Betriebsführung durch die Übermittlung von Befehlen und Meldungen von Betriebsstellen zu Triebfahrzeugen, – Disposition des Zugbetriebes, – Übermittlung von Unregelmäßigkeiten durch einen Triebfahrzeugführer, – Steuerung von operativen Prozessen (z.B. Rangierbetrieb), – Information der Reisenden (z.B. Anschlusszüge), – Unterstützung bei Montage- und Instandhaltungsarbeiten, – Abgabe von Notrufen in Gefahrensituationen. Bei den beiden deutschen Eisenbahnunternehmen, der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn wurde in Abhängigkeit von den jeweils zur Verfügung stehenden technologischen Möglichkeiten analoger Zug-
722
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
funk im 70-cm-Frequenzband (Duplexkanäle im Bereich von 460 MHz) eingerichtet. Die Zugfunksysteme berücksichtigen die Empfehlungen des UIC-Merkblattes 751-3 VEI und arbeiten frequenzmoduliert. Das Zugfunksystem der ehemaligen DR entstand zusätzlich noch zu den UIC-Festlegungen in enger Koordinierung mit der Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahner der osteuropäischen Länder (OSShD). Durch den Einsatz des Systems Zugfunk sollten wesentliche Transportprozesse optimiert werden. Hier ist besonders auf die Personaleinsparung beim Triebfahrzeugpersonal zu verweisen. Die Zwei-Mann-Besetzung der Triebfahrzeuge war mit Ablösung der Dampflokomotiven durch Diesel- und Elektrolokomotiven für die unmittelbare Bedienung der Lokomotiven nicht mehr erforderlich. Betrieblich wurde aber die Notwendigkeit gesehen, weiterhin zur Unterstützung des Triebfahrzeugführers einen „zweiten Mann“ vorzusehen. Hier konnte der Zugfunk wesentlich dazu beitragen, dass die „Ein-Mann-Besetzung“ möglich wurde. Die Nutzung des Zugfunks führte dank der Möglichkeit einer ständigen Kommunikation zwischen Dispatcher, Fahrdienstleiter und Triebfahrzeugführer zu weiteren Einsparungen bzw. zu wesentlichen Optimierungen wie: – intensive Auslastung des Streckennetzes. – optimale Ausnutzung des Triebfahrzeugparkes, – Beschleunigung/Verbesserung betrieblicher Prozesse (besonders bei Störungen der Leitund Sicherungstechnik), – flexible Gestaltung des Zugverkehrs, – Meldung von Unregelmäßigkeiten und Störungen durch den Triebfahrzeugführer, – energiesparende Fahrweise durch Vorabinformationen an den Triebfahrzeugführer. Ein weiterer Faktor zur Einführung von Zugfunk war die Erhöhung der Sicherheit. Mittels Zugfunk können bei akuten Gefahren Sofortmaßnahmen ausgelöst werden (Halt eines
Zuges bzw. von Zügen eines bestimmten Streckenabschnitts). Aufgrund der hohen Bedeutung des Systems Zugfunk werden die geführten Zugfunkgespräche gesichert (manipulationssicher) aufgezeichnet. Die aufgezeichneten Gespräche werden nach einer bestimmten Zeit (Forderungen der RIL 481.0209 Zugfunkgespräche überwachen) überschrieben. Tritt in der verbleibenden Zeit ein Ereignis auf (Gefährdung des Zugbetriebes bzw. Eisenbahnunfall), so werden die dazu geführten Zugfunkgespräche durch berechtigte Personen gesichert und zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Die Funkversorgung entlang der Strecken wird durch eine Kette von Streckenfunkstellen sichergestellt. Um eine möglichst einwandfreie Kommunikation längs der Strecke zu erreichen, wird eine Funkversorgung zu 95% an allen Orten und in 95% der Zeit gefordert. Da alle Streckenfunkstellen gleichzeitig senden, kann die gleiche Sendefrequenz erst in der drittfolgenden Streckenfunkstelle wiederholt werden. Innerhalb der Frequenzgruppe wird die jeweils richtige Empfangsfrequenz von einem automatischen Frequenzumschalter eingestellt. Der Kanal (Frequenzgruppe) muss bei Einfahrt in den Zuständigkeitsbereich des Dispositionsbereiches einer BZ von Hand auf dem zweistelligen Kanalwähler im Triebfahrzeug eingestellt werden. Der Triebfahrzeugführer wird durch einen entsprechenden Eintrag im Buchfahrplan zum Umschalten aufgefordert. Die Sendeleistung der Streckenfunkstellen sowie der Triebfahrzeuggeräte beträgt einheitlich 6 W. In Abhängigkeit vom Gelände und der Bebauung werden Rundstrahl- bzw. Richtantennen mit Masthöhen von ca. 20 m eingesetzt. Der Abstand der Streckenfunkstellen beträgt damit ca. 5–20 km.
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Analoger Zugfunk am Beispiel der deutschen Bundesbahn Im Zugfunk der Deutschen Bundesbahn, so wie er heute auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesbahn noch benutzt wird, werden vorzugsweise Sprechverbindungen von zentralen Betriebsstellen (Dispatcher; früher in Betriebsleitungen jetzt in Betriebszentralen) zu Triebfahrzeugführern genutzt. Der Dispatcher kann bei Bedarf Gespräche zwischen den Triebfahrzeugführern und anderen Betriebsstellen von Hand vermitteln. Für häufig wiederkehrende Mitteilungen wurden codierte Informationen eingeführt, die durch eine Eintastenbedienung ausgelöst und beim Empfänger durch eine optische Darstellung und einen akustischen Aufmerksamkeitston angezeigt werden. Die Fahrdienstleiter längs der Strecke sind über Betriebsfernmeldeanlagen und spezielle Verbindungsleitungen an die vermittelnde Zugfunkzentrale (alt: Betriebsleitung; neu: Betriebszentrale) angeschaltet. Das sind die Verbindungen FdZü und FdZF, die mit ihren Leistungsmerkmalen die Vermittlung vom bzw. zum Triebfahrzeugführer ermöglichen und zur Disposition der Fahrdienstleiter dienen. Bei der Abgabe eines Notrufes ist zu beachten, dass der Notruf eines Fahrdienstleiters ohne Vermittlung als Sammelruf mit höchster Priorisierungsstufe für den gesamten Zugfunkbereich abgegeben werden kann. Bestehende Verbindungen niedrigerer Priorität werden durch den Notruf beendet. Der Notruf eines Triebfahrzeuggerätes wird nur beim zuständigen Dispatcher und nicht bei den Fahrdienstleitern wirksam. Von der zentralen Betriebsstelle, dem Dispatcher, können Informationen der Reisenden (z.B. Umsteigemöglichkeiten zu Anschlusszügen) über die Zug-Lautsprecheranlage gegeben werden.
723
Analoger Zugfunk am Beispiel der ehemaligen DR Hier werden die Zugfunkgespräche nicht hauptsächlich über den Dispatcher (Zentrale Stelle) abgewickelt, sondern direkt mit dem zuständigen Fdl auf der Strecke. Es wird über die aktive Funkzelle das Gespräch über die FdlTaste direkt zum Triebfahrzeugführer hergestellt. Trotz Zusammenführung der beiden Bahnen DB und DR zur DB AG gab es keine Harmonisierung der Techniken. Somit gibt es die Betriebsart A (DB) mit dem Gesprächsverbindungsaufbau über die Betriebszentrale und Betriebsart E (DR) mit dem Gesprächsverbindungsaufbau über den zuständigen Fdl. Vereinfachter Zugfunk VZF95 Betriebliche Voraussetzungen Auf Bahnstrecken ohne Streckenblock, auf denen Reisezüge oder Züge mit mehr als 60 km/h verkehren, ist Zugfunk (nach § 16 Abs. 4 Nr. 2 EBO vom 27.12.93) erforderlich. Der dazu notwendige Ausleuchtungsgrad und die Verfügbarkeit des gesamten Zugfunksystems ist in einem Sicherheitsgutachten im Jahre 1995 festgestellt worden. Für Zugfunk auf Strecken mit einfachen betrieblichen Verhältnissen sind folgende Vorgaben zu erfüllen: – Die örtlich zuständigen Fahrdienstleiter (özF) in BZ/ESTW, Fahrdienstleiter (Fdl) vor Ort und örtliche Betriebsbeamte (öB) müssen in ihrem Zuständigkeitsbereich Sprechverbindungen über vereinfachten Funk mit den Triebfahrzeugführern (Tf) der Züge herstellen können (SimplexBetrieb). Die Bedienung des VZF95 soll örtlich oder räumlich getrennt von den zu überwachenden Strecken möglich sein und soll von Bedienstellen des Systems oder von TK-Arbeitsplätzen in BZ/ESTW erfolgen. – Auch die Tf müssen in den ausgeleuchteten Streckenabschnitten Sprechverbindungen zu den özF/Fdl und öB herstellen können.
724
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
– Der Verbindungsaufbau kann vom özF/Fdl/ öB oder einem Tf im Funkbereich ausgehen. – Der gewünschte Partner wird mit Sprachanruf über Lautsprecher angesprochen und meldet sich. – Das Gespräch wird abwechselnd (Wechselsprechen) geführt, d. h. die Teilnehmer können entweder hören oder sprechen. – Benachbarte Fdl/öB und Tf im Funkversorgungsbereich können mithören. – Während der Fahrt auf einer Strecke soll keine Kanalumschaltung durch den Tf notwendig werden (Gefahr des Vergessens), d. h. auf einer Strecke benutzen alle Funkstellen den gleichen Kanal. – Störungen verschiedener Funkstellen untereinander sollen ausgeschlossen werden. – Die Sprachaufzeichnung ist bereits als Sprachnachweis vorzusehen. – Die Funktionsbereitschaft muss von einer zuständigen Stelle überwacht werden. Technischer Teil Der Zugfunk auf Strecken mit einfachen betrieblichen Verhältnissen besteht aus – Bedienstelle, – Sende-/Empfangseinrichtung (ortsfeste Funkstelle),
– Antennenanlage, – Sprachaufzeichnung, – Stromversorgung (Netz-/Ersatzstromversorgung). Auf der Fahrzeugseite müssen die in den Triebfahrzeugen und Steuerwagen bereits vorhandenen Zugfunkeinrichtungen (ZBF 70, ZFM 90, Mesa alt, Mesa 2002) in der Simplexbetriebsart C bzw. O (UIC-Merkblatt 751-3 VEI) genutzt werden können. Allgemeine Daten: – Frequenzbereich: 457,425–458,300 MHz 467,425–468,300 MHz – Schaltbandbreite: 20 MHz – Frequenztoleranz: ± 1,35 kHz nach FTZ 17 TR 2049 – Kanalraster: 25 kHz – Kanaleinstellung: einstellbar am S/E-Gerät – Betriebsart: Simplex-Wechselsprechen – Sendeart: FM : F3E, F2D – Ein-/Ausgänge: geeignet für Sprachaufzeichnung im StartStop-Betrieb.
Abb. 15.22 Zugfunk auf Strecken mit einfachen betrieblichen Verhältnissen
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Sender: – Sendeleistung: – Einstellbereich: – Restmodulation: – Klirrfaktor: – Rauschsperre:
6W 1–6 W < –46 dB, unbewertet, 50 Hz–15 kHz < 7% bei Nennhub einstellbar: 8 bis 20 dB SINAD, Werkseinstellung 16 ±3 dB SINAD
– Hub: alte Bundesländer: halber Hub (Betriebsart C) neue Bundesländer: voller Hub (Betriebsart O) Empfänger: – Empfindlichkeit: FM: < 0,75 PV EMK/2 (FTZ) – Nachbarkanaldämpfung: FM: >75 dB (FTZ) – Interkanalmodulationsdämpfung: FM typisch > 78 dB (FTZ) > 95 dB bei t ± 100 kHz – Blocking: Abstand Rangierfunk Allgemeines Rangierfunk-Sprechverbindungen dienen der Verständigung beim Rangieren zwischen den Mitarbeitern des Rangierdienstes (ortsbewegliche Teilnehmer wie Rangierleiter, Triebfahrzeugführer usw.) untereinander und mit Betriebsstellen (ortsfeste Teilnehmer wie Stellwerk, Betriebsüberwachung). Für Gespräche ortsfester Teilnehmer untereinander dürfen Rangierfunksprechverbindungen, wegen
725
des nur vorhandenen einen Gesprächskanals, grundsätzlich nicht benutzt werden, solange andere drahtgebunden Fernsprechverbindungen möglich sind. Die Funkbetriebsart ist Simplex Betrieb Wechselsprechen, abwechselnd auf der derselben Frequenz senden und empfangen. Die Sende- und Empfangsfrequenzen befinden sich im 4-m-Frequenzband und sind in Tabelle 15.1 abgebildet. Rangierfunkgespräche werden geführt über: a) ortsfeste Sprechstellen, z.B. in Stellwerken, b) Rangierfunkanlagen auf Triebfahrzeugen im Rangierdienst, c) tragbare Funkfernsprecher bei den Mitarbeitern im Gleisgeld. In der Regel stellt der Bahnhof einen Rangierfunkbereich dar. Die Bahnhöfe können nach betrieblichen Erfordernissen in mehrere Rangierfunkbereiche aufgeteilt sein. In diesen Fällen umfasst ein Rangierfunkbereich z.B. den Stellbereich eines Fahrdienstleiters oder bestimmte Gleisgruppen; er kann somit den Arbeitsbereich einer oder mehrere Rangierabteilungen umfassen. Zu einem Rangierfunkbereich können auch Bahnanlagen in der Umgebung des Bahnhofs gehören (Knotenpunktbahnhof). Die Bezeichnung des Rangierfunkbereichs dient zur einfachen Kennzeichnung der Rangierfunkkanäle. Jedem Rangierfunkbereich ist ein eigener Rangierfunkkanal in einem bestimmten Wellenbereich zugeordnet. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Teilnehmer verschiedener Rangierfunkbereiche sich nicht gegenseitig stören. Die ver-
Tabelle 15.1 Aufteilung des 4-m-Frequenzbandes Band
Teilbereich
Frequenzumfang (MHz)
Kanalbezeichnung
4m
A B C D
60,630–69,550 70,050–70,890 78,430–78,690 80,050–80,890
1–47 1–43 1–14 1–43
726
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Tabelle 15.2 Aufteilung des 2-m-Frequenzbandes Band
Teilbereich
Frequenzumfang (MHz)
Kanalbezeichnung
2m
E F G
146,370–146,910 166,450–167,170 171,050–171,770
1–28 1–37 1–37
schiedenen Rangierfunkkanäle eines Wellenbereiches werden mit Großbuchstaben bezeichnet. Die Kennzeichnung eines Rangierfunkkanals lautet z.B.: A 09 (Bereich A (4-mBand), Kanal 09 (68,790MHz)). Betriebs- und Instandhaltungsfunk (BiFu) Der Betriebs- und Instandhaltungsfunk ist für die Instandhaltung im Betriebsbereich entwickelt worden. Die tragbaren Funkgeräte benutzt u.a. das Instandhaltungspersonal der Bereiche: LST-Bereich, Telekommunikation, Baudienst, E-Dienst, Weichenreiniger, Schneeräumer. Die Funkbetriebsart ist Wechselsprechen im Simplex-Betrieb, abwechselnd auf derselben Frequenz senden und empfangen. Normalerweise sind nur Bahnhöfe ab mittlerer Größe mit Sendeantennen und einem Sendekanal ausgerüstet. Erst bei größeren Bahnhöfen mit mehr Instandhaltungsaufkommen können 2–3 Sendefrequenzen oder auch mehr vorhanden sein. Der Frequenzbereich befindet sich im 2-m-Frequenzband und ist in Tabelle 15.2 abgebildet. Frequenz-Verwaltungs-System FVS Der Rangierfunk der DB AG wird vorwiegend auf Frequenzen im 4-m-Bereich (DB) oder 2m-Bereich (ehem. DR) abgewickelt. Diese Frequenzen sind knapp und können aufgrund der Struktur nicht immer ökonomisch genutzt werden. Systeme wie Bündelfunk und Chekker erfordern Duplex-Frequenzen und sind im bisherigen Funknetz nicht integrierbar. Das FVS von Bosch bietet folgende Merkmale: – Einsatz von bisherigen vorhandenen Frequenzen (Simplex),
– eine (oder mehrere Frequenz-VerwaltungsZentralen) koordinieren die Frequenzen und teilen sie den Funkgeräten automatisch zu, – statt der Kanaleingabe erfolgt eine Eingabe der Sprechkreisnummern, – automatische Frequenzzuteilung beim erstmaligen Betätigen der Ruf- oder Sendetaste, – der Funkverkehr wird wie bisher im Simplexverkehr abgewickelt, – automatische Rückgabe der Frequenzen an die Zentrale, – das System ist mit bisherigen Netzen kompatibel und kann mit anderen Funkgeräten parallel betrieben werden, – eine Frequenz-Verwaltungs-Zentrale (FVZ) verwaltet bis zu 99 Kanäle, – die Parameter der Anlage werden vor Ort anwenderbezogen an einem Steuer-PC eingestellt.
15.2.9 Digitaler Zugfunk Allgemeines Die DB AG hat mit Letter of Intent (LOI) vom 10. März 1997 ein digitales Betriebsfunknetz nach dem Mobilfunkstandard GSM-R (GSM Phase 2) beauftragt, um die bisherige analoge Mobilfunklandschaft durch ein digitales, auf dem UIC Standard „EIRENE“ basierendes Mobilfunksystem abzulösen. Mit dieser Entscheidung wurde die Möglichkeit geschaffen, das gesamte Telekommunikationssystem der Deutschen Bahn entscheidend zu verbessern. Die Kommunikationsprozesse der Geschäftsbereiche lassen sich optimieren und als virtuelle Systeme auf einer Gesamt-
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
727
Abb. 15.23 Komponentenübersicht
plattform abbilden. Dabei werden die vorhandenen öffentlichen TK-Standards durchgängig genutzt, um ein flexibles benutzerfreundliches Netz zu schaffen, das dem Grundbedürfnis nach Mobilität Rechnung trägt, die Sicherheitsforderungen und Betriebsverfahren der DB AG berücksichtigt, allgemeine und signaltechnische Kommunikationsnetze verbindet und einfach zu administrieren ist. Die Netzarchitektur öffnet aufgrund ihrer modularen Struktur Räume zur raschen und flexiblen Anpassung an sich ändernde Strukturen und Prozesse. Sie integriert als Übertragungsmedium verschiedene Dispositionsund Führungssysteme der DB AG. Zukünftige Änderungen werden ohne grundsätzliche Restrukturierungsmaßnahmen im Telekommunikationsnetz durchführbar sein. Die geplante Organisation der Betriebszentralen und die Abläufe des Bereiches Netz setzen dabei wegen ihrer hohen Sicherheitsanforderungen die Maßstäbe. Davon profitieren die Geschäftsbereiche Fern- und Ballungsnetz, sowie Regionalverkehr, Ladungsverkehr und
Personenbahnhöfe, ohne an Eigenständigkeit zu verlieren. GSM-R als professionelles Betriebsfunksystem für die Bahnen ist gekennzeichnet durch: – sehr hohe Netzverfügbarkeit, – stringente Dienstgüteparameter (z.B. kurze Verbindungsaufbaudauer bei geringen Abbruchsraten), – bahnspezifische Funkversorgung entlang der Bahngleise (> 95%) – zusätzliche „Rail-Features“: – Gruppen- und Sammelrufe, – Notruffunktion mit Prioritätsbehandlung und Verdrängung, – funktionale Adressierung mittels Zugnummer oder mittels Gruppenkennung, – ortsabhängige Adressierung mit automatischem Rufaufbau zum zuständigen Fahrdienstleiter. Zahlreiche, nicht interoperable analoge Funksysteme werden durch eine GSM-R-Plattform ersetzt.
728
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Zugfunk inkl. Nebenbahnfunk
Standarddienste: • Sprache • Daten
BIFunk Kfz-Funk Rangierfunk
10.300 Sendestationen 90.000 Terminals
2.800 Sendestationen 150.000 Terminals
Funknachrichtenschleife u. ÖSRBf Diagnosefunk
GSMGSM-R
Rettungszüge LZB/Linienleiter Datenfunk Sonstige Funkanwendungen
Spezialdienste für: • Rangierfunk Übertragungsdienste für • ETCS • FFB
Abb. 15.24 Systeme zur Nutzung der GSM-R-Plattform
GSM-R-Architektur In der GSM-Spezifikation 1.02 wird das GSMSystem in drei Teilsysteme unterteilt: – Funkteilsystem: Base Station Subsystem (BSS), Mobile Station (MS), – Vermittlungs-Teilsystem: Network and Switching Subsystem (NSS), – Betreiber-Teilsystem: Operation Subsystem (OSS). Die Teilsysteme und deren Komponenten werden in vereinfachter funktionaler Architektur in Abb. 15.30 dargestellt: Funkteilsystem Das Funkteilsystem besteht aus mobilen Endgeräten (Mobile Station – MS) und dem Basisstationssystem (Base Station Subsystem – BSS). Mobile Station (MS) Unter dem Begriff „Mobilstation“ versteht man die physikalische Ausrüstung des PLMN-Teilnehmers (PLMN – Public Land Mobile Network, öffentliches Mobilkommunikationsnetz). Sie enthält das Funkgerät und die Benutzerschnittstelle, die der Teilnehmer für den Zugriff auf die PLMN-Dienste benötigt.
Die GSM-Mobilstation besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil enthält die für die Funkschnittstelle spezifischen Hardware- und Softwarekomponenten, der zweite Teil das Subscriber Identity Module (SIM), alle teilnehmerspezifischen Informationen. Das SIM ist entweder fest eingebaut oder als Smart Card realisiert, die die Funktion eines Schlüssels hat. Ist das SIM aus dem Funkgerät entfernt, kann dieses nur noch, soweit es das Netz erlaubt, für Notrufe genutzt werden. Mit Hilfe des SIM kann sich ein Teilnehmer über jede beliebige Mobilstation im Netz identifizieren. Entsprechend kann ein Funkgerät unabhängig vom jeweiligen Benutzer verwendet werden. Außerdem hat jede Mobilstation ihre weltweit eindeutige Mobilgerätekennungsnummer (International Mobile Equipment Identity – IMEI). Für die Verwaltung einer Mobilstation innerhalb des GSM-Netzes werden ihr folgende Nummern bzw. Identitäten zugeordnet: – International Mobile Station Identity (IMSI), – Temporary Mobile Station Identity (TMSI), – Mobile Station International ISDN Number (MSISDN), – Mobile Station Roaming Number (MSRN).
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
729
Abb. 15.25 Funktionale Architektur des GSM-R-Netzes
Mobilstationen können in Fahrzeugen installiert oder als portable Geräte ausgeführt werden. Sie sind an die Bedingungen für den Einsatz auf Triebfahrzeugen der DB AG anzupassen. Die Installation erfolgt den Betriebsanforderungen entsprechend in einem 19“-Subrack oder bei älteren Triebfahrzeugen in einem speziellen Gehäuse. Die Konstruktion muss modular ausgeführt sein, so dass ggf. bis zu 4 Mobilstationen parallel betrieben werden können. Die Bedienung erfolgt i.d.R. über ein abgesetztes intelligentes Bedien- und Verwaltungsgerät (MMI und RCS), das die 4 Ressourcen im Sinne eines Call-Centers verwaltet und die Applikationen für den Datendienst intelligent unterstützt. Für die Integration des FZBDienstes ist eine Quasi-Durchverdrahtung als Option anzubieten.
Base Station Subsystem (BSS) Das BSS stellt die Verbindung zwischen dem drahtgebundenen Teil des GSM-Netzes und dem Funkteil her. Über die Funkschnittstelle Um können Mobilstationen auf Kanäle des BSS geschaltet werden, während über die ASchnittstelle die Verbindung mit dem Vermittlungsteilsystem hergestellt wird. Jede Basisstation versorgt, entsprechend der örtlichen funktechnischen Gegebenheiten und abhängig von der Teilnehmerdichte, ein bestimmtes geographisches Gebiet, eine „Zelle“. Das Base Station Subsystem umfasst, je nach Hersteller, zwei oder drei funktionale Einheiten: – Die Funkfeststation (Base Transceiver Station – BTS) ist die Funkeinrichtung einer Zelle, die für Senden und Empfangen von Funksignalen, für die Funküberwachung und für die Übertragung der Vermittlungsund Signalisierungssignale zur Feststationssteuerung verantwortlich ist. Eine entsprechend ausgerüstete BTS kann über sektori-
730
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
sierte Antennen auch mehrere Zellen bedienen, z.B. drei 120°-Sektorzellen. – Die Feststationssteuerung (Base Station Controller – BSC) verwaltet i.d.R. mehrere Feststationen, steuert die Kanalzuweisung und die Übergabeprozedur zwischen zwei oder mehreren Zellen, verwaltet Funkkanäle und den Wartepuffer, überwacht die Funkrufe und die vermittlungsbezogene Übertragungsprozedur. Vermittlungsteilsystem (Network & Switching Subsystem – NSS) Vermittlungsorientierte bzw. netzorientierte Funktionen werden im NSS durchgeführt. Das NSS bildet ein Übergangsnetz zwischen dem Funknetz und den Festnetzen. Die Gesamtheit der Elemente eines NSS sind nicht nur rein physikalische Komponenten. Vielmehr stellt das NSS eine Vielzahl von Funktionalitäten bereit, deren Realisierung und Implementierung zwar immer normiert, aber oft als spezifisch angepasste Applikation auf der Grundlage eines Netzentwicklungsplans zwischen Hersteller und Netzbetreiber abgestimmt ist. Bestandteile des NSS sind die Mobilvermittlungsstelle (Mobile Switching Center – MSC), die Heimatdatei (Home Location Register – HLR), die Besucherdatei (Visitor Location Register – VLR), das Authentifikationszentrum (Authentification Center – AuC) und das Geräte-Identifizierungsregister (Equipment Identification Register – EIR). Die Mobilvermittlungsstelle (Mobile Switching Center – MSC) Die MSC ist eine digitale Vermittlungsstelle hoher Leistungsfähigkeit, die sowohl normale Vermittlungsaufgaben ausführt als auch das Netz verwaltet. Jede MSC vermittelt in dem ihr zugeordneten geographischen Bereich die Mobilteilnehmer untereinander und zu anderen angeschlossenen Netzen. Zu den Aufgaben der MSC gehören alle Signalisierungsprozesse, die zum Aufbau, Abbau und zum Verwalten von Verbindungen benötigt werden. Weiterhin steuert sie mobilfunkspezifische Funkti-
onen wie z.B. BSC-übergreifender Zellwechsel (Handover). Weitere Aufgaben der MSC sind die Realisierung der aus dem ISDN bekannten Zusatzdienste Rufweiterleitung, Rufsperre, Konferenzschaltung, geschlossene Benutzergruppe. Heimatdatei (Home Location Register – HLR) In der als HLR bezeichneten Datenbank sind alle für jeden Mobilfunkteilnehmer signifikanten Informationen (quasi-permanente, statische Daten), wie Rufnummer (IMSI), MSISDN, Geräteart, abonnierte Basis- und Zusatzdienste, Zugangsprioritäten, Authentifikationsschlüssel, gespeichert. Darüber hinaus werden auch temporäre dynamische Teilnehmerdaten, z.B. aktueller VLR-Eintrag der Mobilstation (Location Area), die für einen Verbindungsaufbau notwendig sind, gespeichert. Verlässt der Teilnehmer seinen momentanen Standort, erfolgt im HLR eine sofortige Aktualisierung der temporär gehaltenen Daten. Meistens ist das HLR bei einer MSC angeordnet. Jeder Mobilteilnehmer und dessen Daten sind in dem HLR registriert, in dem auch Verwaltungsaufgaben durchgeführt werden. Besucherdatei (Visitor Location Register – VLR) Das VLR ist einer MSC zugeordnet und dient zur Verwaltung der Teilnehmer, die sich im Zuständigkeitsbereich dieser MSC, genauer in einem von eventuell mehreren Aufenthaltsbereichen (Location Area) im Bereich der MSC aufhalten. Gespeichert werden die vom zuständigen HLR übertragenen Informationen (z.B. Authentifikation, IMSI, Rufnummer, vereinbarte Dienste) über die in ihren Zuständigkeitsbereich eintretenden Mobilteilnehmer. Der MSC wird der Verbindungsaufbau mit Hilfe dieser Daten ermöglicht. Das VLR steuert u.a. die Zuordnung der Roaming-Nummer der Mobilfunkstationen (MSRN) sowie der TMSI. Durchquert ein Mobilteilnehmer mehrere Aufenthaltsbereiche der MSC, wird auch das VLR durch einen speziellen Dialog aktualisiert. Entsprechendes gilt beim Wechsel des MSC-Zuständigkeitsbereiches. Durch das
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
VLR wird ermöglicht, dass Teilnehmer fremder Netze (national oder international) über das besuchte GSM-Netz (visited) telefonieren können (roaming). Dazu fordert das VLR die Daten vom Fremd-HLR an. Authentifikationszentrum (Authentification Center – AuC) Im AuC werden alle Informationen gespeichert, die zum Schutz der Teilnehmeridentität, seiner Mobilverbindungen gegen Abhören sowie der Nutzung seiner Berechtigungen über die Funkschnittstelle erforderlich sind. Da die Funkschnittstelle generell für Zugriffe anfällig ist, wurden besondere Maßnahmen wie Authentifikationsschlüssel für jeden Teilnehmer und Verschlüsselung der über die Funkschnittstelle übertragenen Informationen getroffen, um einen Missbrauch von GSM-Verbindungen zu unterbinden. Der Authentifikationsalgorithmus und der Verschlüsselungscode werden im AuC gespeichert und bei Bedarf nach festen Regeln zugänglich gemacht. Geräteidentifizierungsregister (Equipment Identification Register – EIR) Das EIR ist eine zentrale Datenbank, in der die Teilnehmer- und Gerätekennungsnummern (IMEI) gespeichert sind. Die Datenbank enthält eine sog. weiße, eine schwarze und eine graue Liste. Die weiße Liste enthält die IMEI gültiger Mobilstationen, die schwarze Liste enthält die IMEI gestohlener oder gesperrter Mobilstationen. Die graue Liste enthält die IMEI von Geräten mit Funktionsstörungen, weshalb für diese keine Dienste bereitgestellt werden. Betreiberteilsystem (Operation Subsystem – OSS) Das Operation Subsystem (OSS) wird aus den Betriebs- und Wartungszentralen (Operation and Maintenance Center – OMC) gebildet. Das OMC ist eine zentrale Einrichtung zur Steuerung und Überwachung der anderen Netzelemente und zur Kontrolle der Güte der vom Netz insgesamt bereitgestellten Dienste. Es stützt sich auf Dienste, die von den Netzele-
731
menten zugeordneten Verwaltungs- und Steuerungsfunktionen verfügbar gemacht werden. Dabei entsteht ein hierarchisches Netzverwaltungssystem (Telecommunication Management Network, TMN). Über Operator-Kommandos werden Eingriffe in Netzelemente vorgenommen und per Alarm die Netzverwalter über Vorkommnisse im Netz informiert. Das OMC ist über die standardisierte O-Schnittstelle, eine X.25-Schnittstelle, mit allen Netzelementen verbunden. Zu den Verwaltungsfunktionen des OMC gehören u.a. Netzelemente sowie statistische Daten über Zustand und Auslastung der Netzelemente. Das OSS bildet eine wichtige Schnittstelle zwischen Planung und Betrieb. Über diese Schnittstelle wird z.B. die Einspielung der Netzelementeparameter von der Parameterplanung zu den Netzelementen realisiert. Weiterhin stellt diese Schnittstelle die Möglichkeit der Systemdatenrückführung zur Verfügung. Um im Netz stets ausreichend Verkehrskapazitäten vorhalten zu können, benötigt die Verkehrsplanung aktuelle Verkehrsdaten und deren Entwicklung aus dem Wirknetz. Diese Aufgabe wird ebenfalls vom OMC übernommen. In die OSS-Dimensionierung gehen die folgenden Parameter ein: – Anzahl der zu verwaltenden Netzelemente, – Anzahl der überwachenden Operatoren pro Standort und Zeit, – Speicherzeit der Performance-Daten. BTS-BSC-Anbindungsprinzip Im Folgenden werden die möglichen BTSAnschaltemöglichkeiten gezeigt und erläutert. a) Kette Von Ketten spricht man, wenn mehrere BTS logisch hintereinander geschaltet werden. Die BTS sind an dasselbe Port der BSC geschaltet. Die Größe eine Kette hängt von der Anzahl der TRX ab, die über diese Kette geführt werden. Die Zuleitung der zweiten Kette kann aus übertragungstechnischen Gründen physikalisch in den BTS der ersten Kette durchgeschaltet sein.
732
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
Kette BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS BSC
BTS
Stern BTS
BTS
Loop
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
BTS
Abb. 15.26 Anbindungsprinzip von BTS-BSC
Abb. 15.27 Kette
b) Stern Von Sternanbindung spricht man, wenn im Verlauf einer Kette an eine BTS eine zweite BTS angeschaltet wird. In Abhängigkeit vom Systemlieferanten gibt es unterschiedliche technische Möglichkeiten, eine Sternanschaltung zu realisieren.
menden bzw. gehenden Richtung auf die Ports geschaltet. Per Software werden die Parameter der BTS entsprechend der logischen Netzgestaltung konfiguriert, so dass die BTS die Timeslots (TS) der nachfolgenden BTS auf die entsprechende 2 Mbit/s-Verbindungen schaltet.
Variante1: Seitens der Systemtechnik sind mehr als zwei 2 Mbit/s-Ports vorgesehen und die BTS hat Multiplexfunktionen. Die 2 Mbit/s-Verbindungswege werden entsprechend ihrer kom-
Variante 2: Seitens der Systemtechnik ist eine Sternkonfiguration nicht vorgesehen. Zur Realisierung der Sternanschaltung kommt ein Digital Cross Connect (DCC) zum Einsatz. Der DCC wird
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
Abb. 15.28 Stern
Abb. 15.29 Stern mit DCC
Abb. 15.30 Loop
Abb. 15.31 Loop mit Störung
Abb. 15.32 Loop im Backbone
733
734
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
am Ausgangsport der BTS angeschaltet. Die beiden weiterführenden 2 Mbit/s-Leitungen werden ebenfalls an den DCC geschaltet. Der DCC wird so konfiguriert, dass die 64 Kbit/ s-TS der von der ersten BTS kommenden 2 Mbit/s entsprechend der logischen Verschaltung der BTS auf die weiterführenden 2 Mbit/ s-Leitungen geschaltet werden. c) Loop Loopkonfigurationen werden an Bahnstrecken mit höchster Verfügbarkeitsanforderung (z.B. FZB-Strecken) eingesetzt. Als Loop bezeichnet man eine BTS-Kette von deren letzter BTS eine 2 Mbit/s-Verbindung zur BSC zurückgeführt wird. Im Falle eines Leitungsausfalls in der Kette wird über diese Verbindung der Ersatzweg geführt. Von den BTS werden Steuerbits gesandt. Die BSC wertet diese aus. Fehlen ein oder mehrere Steuerbits, errechnet die BSC die Lage des Leitungsausfalls zwischen den BTS und steuert die entsprechenden TS der betroffenen BTS auf den Ersatzweg um. Es muss sichergestellt werden, dass der Loop nicht im gleichen Kabel, sondern in einer baulich getrennt liegenden Trasse zurückgeführt wird. Als Variante bietet sich das Arcor-Backbone-Netz zur Realisierung des Loops an. Rangierfunk GSM-R Die Applikation Rangierfunk ist eine sicherheitsrelevante Applikation, die in Bezug auf die Funkversorgung eine besonders hohe Ortswahrscheinlichkeit fordert. Rangierfunk wird nur für Rangierbahnhöfe konfiguriert. Die Mobilfunkgeräte auf der Lok werden auf Rangiermodus umgestellt und die Kommunikation findet bedienertechnisch genauso wie im Zugbetrieb statt. Folgende Parameter sind für die Funkversorgung notwendig: – Ortswahrscheinlichkeit > 99% bezogen auf 100 m.
Für die Planung der Rangierfunkbahnhöfe sind folgenden Annahmen zu treffen: – Die Empfangsantenne (MS) empfängt das Signal der Basisstation mit einem stärkeren direkten Signalbeitrag als dem indirekten Signalbeitrag. Der Rice-Faktor K ist t 6 dB. – Zielwert für den HO-Schwellwert beträgt mindestens – 80 dBm. – Handover-Overlap sind bei den Geschwindigkeiten und Versorgungspegeln in Rangierfunkbereichen unkritisch. – Die Basisstation soll so positioniert werden, dass sich die zu erwartende Verkehrslast möglichst gleichmäßig auf die Funkzellen der Basisstation aufteilt. Fest eingebaute mobile Funkstationen Tragbare mobile Funkgeräte Das sog. Cap-Radio auf Führerstand gibt es in Single mode (nur GSM-R) oder im Dual mode (analog oder digital Funk). Die Umrüstung bei der DB AG ist abgeschlossen. Normale Handy GPH (General Purpose Handheld) Für die normale Kommunikation wurde das „gewöhnliche Handy“ GPH (General Purpose Handheld) mit folgenden Merkmalen entwickelt: – GSM-R und GSM (z.B. D1, D2), – Gruppen/Sammelruf-Funktion, – Rufpriorisierung/-verdrängung, – Funktionale und ortsabhängige Adressierung, – Notruf im Menü wählbar, – integrierte Freisprechfunktion, – integrierte Datenübertragung, – EBA zugelassen und EBC zertifiziert, – diverses Zubehör verfügbar – Tischladestation – Kfz Kit – portable Freisprecheinrichtung (Headset) – Datenkabel – Ersatzakku – Akku-Kapazität (550 mAh) im normalen Gebrauch für ca. 1 bis 2 Tage.
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
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Abb. 15.33 Cap Radio
Abb. 15.34 Gewöhnliches Handy – General Purpose Handheld
Robustes Handy OPH (Operational Purpose Handheld) Für alle Tätigkeiten im rauen Eisenbahnbetrieb im und am Gleis gibt es das OPH. – Ausstattung und Funktionen wie GPH und zusätzlich: – robustes Design, – Schutzklasse IP 54, – stoßsicheres Gehäuse, – separate Sprechtaste, – separate Notruftaste, – größerer Akku (verlängerte Sprechzeit), – stärkerer Lautsprecher.
Abb. 15.35 Robustes Handy OPH
– Zubehör – Tischladestation – Kfz Kit – portable Freisprecheinrichtung (Headset) – spezielle Gürtel-Ledertasche – Datenkabel – Ersatzakku – Akku-Kapazität (2300 mAh) im normalen Gebrauch für ca. 4 bis 7 Tage.
736
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG Abb. 15.36 Rangierfunkgerät – OPS
Rangierfunkgerät – OPS (Operational Purpose handheld Shunting) – Ausstattung und Funktionen wie OPH und zusätzlich: – Klapphalterung und Tragegurt, – spezielle große Tasten, – Rangierfunkfunktionalität, – zusätzliches Mikrophon, – Verbindungssicherungssignal, – Totmann-Funktion. Festnetzteilnehmer ART (Allgemeiner Rail Teilnehmer) Systemübersicht ART erweitert die vorhandene GSM-R-Mobilfunkplattform um diejenigen technischen Einrichtungen, die notwendig sind, um ortsfeste R-Teilnehmer anzuschließen. Ortsfeste R-Teil-
nehmer sind z.B. Fahrdienstleiter, Disponenten und Betriebsleitung mit Anbindung zur R-VST (Rail-Vermittlungsstelle). Für die ortsfesten R-Teilnehmer sind die besonderen Leistungsmerkmale des GSM-RNetzes erforderlich. Speziell entwickelte Endgeräte mit angepasster Vermittlungstechnik wurden hierzu entwickelt. ART GeFo (GSM-R-Fernsprechteilnehmer ortsfest) Für die Ausrüstung der ART-Bedienteile stehen verschiedene Art GeFo zur Verfügung. Je nach Aufgabenstellung des Bedieners wird eine GeFo-Auswahl für den Bedienplatz vorgenommen. Derzeit stehen zwei ART GeFo-Bauarten der Fa. Frequentis und ein Gerät der Fa. Wenzel zur Auswahl.
15.2 Betriebsfernmeldeanlagen
737
ART-Endgeräte abgesetzter Fahrdienstleiter Fahrdienstleiter
„ISDN-R“ Netz
Disponent
MSC/R-VST
Betriebsleitung Betriebszentrale
BSC
BTS
BTS
Zuglautsprecher
GSM-R Netz Zugbegleiter mit funktionaler Identität (Zugnummer + Kennung)
BTS
Sprechstelle im Zug
Funktionale Adressierung des: - Tfz-Führers - Zuglautsprecher - Zugbegleiter
Ortsabhängige Adressierung der zuständigen Fdl + Disponenten, Betriebsleitung und ZES
GSM-R - Antenne
Führerstand 2 Loop n+1
BTS
Führerstand 1 TKBox UIC-Leitung
Cab Adapter
Loop n+1
Cab Adapter
Abb. 15.37 Systemübersicht des digitalen Zugfunks
ART GeFo DICORA C (Frequentis), bestehend aus: – Audiomodul, – Tastenmodul, – Display und – 16 Direktwahltasten.
ART GeFo DICORA S (Frequentis), bestehend aus: – Audiomodul, – Touch Panel.
Abb. 15.39 DICORA S Abb. 15.38 DICORA C
738
15 Telekommunikationstechnik am Beispiel der DB AG
15.3 Übertragungstechnik Kabel und Leitungen In diesem Abschnitt werden die unterschiedlichen übertragungstechnischen Medien beschrieben. Nicht betrachtet wird die Mehrfachnutzung von Adern oder Fasern.
Abb. 15.40 MACS-GeFo
ART MACS-GeFo (Bauart Wenzel: WM U48 und WM U48A) WM U48 ART GeFo mit integriertem NTBA WM U48A ART GeFo mit integriertem NTBA und Akku. Die Anbindung kann über Uk0 oder S0Schnittstelle erfolgen. Die Auswahl erfolgt über einen Schalter. Zusätzlich ist der Einsatz von Mobilgeräten möglich. Derzeit ist die Anwendung nur bei Schrankenwärtern zugelassen. Weitere betriebliche Anwendungen bedürfen einer gesonderten Zulassung. Hierzu sind die für diese Anwendung zugelassenen Mobilgeräte zu verwenden. Die bestehenden TK-Arbeitsplätze in den Betriebszentralen sowie die GeFo Dicora C und MACS werden weiterentwickelt. Weitere zugelassene GeFo-Bauarten können eingesetzt werden.
Kabel in Bahnhöfen (BF-Kabel) Unter den Kabeln in Bahnhöfen verstehen wir die FB-Kabel oder auch Bahnhofskabel, welche die vorhandenen Systeme im Bahnhof untereinander verbinden. Nicht gemeint sind Streckenkabel (F-Kabel), die am Bahnhof beginnen, jedoch auf die Bahnstrecke führen und die Verbindung zum nächsten Bahnhof herstellen. Die FB-Kabel werden für diverse Kommunikationsverfahren (FIA, EL/WL, Meldesystem im Bf, Beschallung, Telefon, X.25) verwendet und sind durch neuere Übertragungstechniken, wie DSL, auch für eine zukünftige Nutzung interessant – insbesondere dann, wenn dadurch die neue Verlegung von LWL-Kabeln unnötig wird. Über die Bahnhofskabel sind nur Kunden im DB AG Konzern zu erreichen, so dass diese Kabel nur für die DB AG interessant sind. Kabel entlang der Bahnstrecken – Streckenfernmeldekabel Die Streckenkabel liegen oder hängen (in Form von Freileitungen) entlang der DB-Trassen. Erstere sind bei Oberleitungsbetrieb vorgeschrieben. Letztere befinden sich heute nur noch an Nebenstrecken. Über die Streckenkabel (F-Kabel) wird die bahninterne betriebliche Kommunikation abgewickelt. Zusätzlich werden diese F-Kabel zur bahninternen Sprachkommunikation (BASA –Bahnselbstanschluss) zur Übermittlung von Meldungen an zentrale Stellen, zur Steuerung der signaltechnischen Stellwerksrechner und zur Datenkommunikationsverbindung der Bahn-PCRechnerwelt benötigt.
Literatur
739
Abb. 15.41 Anschaltbeispiel der DB-Kabel
F-Kabel können vielpaarige Kupferleitungen oder moderne vielfasrige LWL sein. Erstere sind teilweise in den dreißiger Jahren und meistens Ende sechziger/Anfang siebziger Jahre gelegt worden. Heutzutage werden nur noch in Ausnahmefällen neue Kupferkabel verlegt. Normalerweise kommen LWL-Kabel zum Einsatz.
Literatur 15.1
15.2
Reuther P, Krippendorf M, Schädler H: Beschreibung der Telekommunikationsanlagen der DB AG. Vers. 1.2a, Jahr 2001 Merkblatt: Überblick über die Telekommunikationstechnik bei der DB 129 06 0015, Februar1989
15.3
Merkblatt: Betriebsfernmeldeanlage Dikos210 (BF80) 129/6 41, Juni 1988 15.4 NVIX 4 AG ART Anbindung ortsfester Rail Teilnehmer. Musterordner für bauaufsichtliche Freigabe Vers.1.3 26.04.2005 15.5 NES3 GSM-R Projektteam Realisierung von GSM-R von 1998 15.6 Reuther P: Fernmeldekabel. Schulungsunterlagen 15.7 Fernmeldeanlagengesetz (FAG) 15.8 Verwaltungsvorschrift für die Bauaufsicht über Signal-, Telekommunikation und elektrotechnische Anlagen (VV BauSTE) vom EBA 15.9 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) DS 300 15.10 Müller W: Zugfunkgespräche überwachen. 481.0209 DB Netz AG 01.01.2005
16
Umweltschutz Bernhard Koch
16.1 Umweltmanagement Tobias Herbert, Bernhard Koch
16.1.1 Ziel und Nutzen von Managementsystemen unter besonderer Berücksichtigung des Umweltmanagements Beim Planen, Bauen, Betreiben und Instandhalten von Eisenbahn-Infrastruktur sind Umweltbeeinträchtigungen zu vermeiden und unvermeidbare Umweltbeeinträchtigungen zu minimieren oder auszugleichen. Die materiellen Anforderungen sind in einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien, und sonstigen Norm setzenden Regeln verankert. Bei Verstößen drohen neben straf- und haftungsrechtlichen Sanktionen Risiken für das Image des Unternehmens. Die Beachtung dieser Anforderungen in allen Unternehmensbereichen und -ebenen sicherzustellen, ist für die oberste Leitung von Unternehmen von gleicher Relevanz wie etwa die Gewährleistung der Gebrauchssicherheit von Produktionsmitteln und Produkten. Hierzu muss die permanente Weiterentwicklung des Rechts- und Normensystems verfolgt, bewertet und umgesetzt werden, die Flexibilität struktureller Anpassungsmaßnahmen erhalten bleiben und der arbeitsteiligen Organisation und personellen Fluktuationsgegebenheiten Rechnung getragen werden. Mit tradierten Instrumenten, wie Anweisungen, Vorschriften oder Regelwerk allein ist es unter diesen Rahmenbedingungen heute nicht mehr zu gewährleisten, dass in den Arbeitsprozessen die rechtlichen Standards eingehalten wer-
den. Die Einführung einer durchgängigen Prozessbezogenheit für die strategischen und operativen Funktionen des Unternehmens erhöht die Sicherheit der Unternehmensorganisation und die Qualität der Produkte. Managementsysteme, wie z.B. ein Umweltmanagementsystem nach DIN ISO 14001, bei denen ein Regelkreis aus Vorgabenerarbeitung, Vorgabenumsetzung, Überwachung der Vorgabenerfüllung und Anpassung der Vorgaben zur Verbesserung des Prozesses permanent aufs Neue durchlaufen wird, bietet die benötigten Werkzeuge, um die Einhaltung der externen Anforderungen und internen Vorgaben gewährleisten zu können. Wichtiges Element des Systems ist eine kontinuierliche Beobachtung des Umfeldes, um drohende Negativeffekte auf Kosten oder Erlöse aus politischen, rechtlichen oder gesellschaftlichen Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und die zum Erhalt der Rechtsicherheit notwendigen Maßnahmen rechtzeitig umzusetzen. Die „Verordnung (EG) Nr. 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS II)“ definiert das Umweltmanagementsystem als „den Teil des gesamten Managementsystems, der die Organisationsstruktur, Planungstätigkeiten, Verantwortlichkeiten, Verhaltensweisen, Vorgehensweisen, Verfahren und Mittel für die Festlegung, Durchführung, Verwirklichung, Überprüfung und Fortführung der Umweltpolitik betrifft“ (Art. 2, S. 3). Positive Aspekte der Einführung von Umweltmanagementsystemen sind insbesondere (Müller et al., 2003):
742
16
Umweltschutz
– Einsparung und Schonung von Ressourcen mit den damit verbundenen monetären Effekten, – Erhöhung der Motivation der Mitarbeiter, – Vorteile durch Risikovorsorge, – Verbesserung der Organisation/Dokumentation, – Erhöhung der Prozesssicherheit, Risikominimierung bei umweltrelevanten Prozessen und damit verbunden die Sicherstellung der Rechts- und Nachweissicherheit, – Schaffung von Vertrauen und Akzeptanz gegenüber Kunden, Behörden, Versicherungen und der Öffentlichkeit, – kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes durch geregelte Verfahren und Abläufe sowie – mögliche Vorteile durch Vollzugserleichterungen. Auch auf dem Kapitalmarkt wird honoriert, wenn Unternehmen ein Managementsystem eingeführt haben und es leben. Investoren beziehen zur Beurteilung des Unternehmenswertes diese immateriellen Faktoren in die Unternehmensbewertung mit ein, da unterstellt werden kann, dass diese Unternehmen Chancen nutzen und Risiken besser begegnen können.
16.1.2 Normen im Bereich Umweltmanagement Es existieren verschiedene Standards und Normen, die sich mit dem Umweltmanagement an sich und dem Aufbau von Umweltmanagementsystemen beschäftigen. Für die Bundesrepublik Deutschland sind es vor allem zwei Standards, auf deren Grundlage die meisten Systeme aufgebaut sind: EMAS II und die DIN EN ISO 14001:2004 „Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung (ISO 14001:2004)“. EMAS steht hierbei für die englische Bezeichnung des europäischen Umwelt-Audit-Systems „Eco-Management and Audit Scheme“, auch bekannt unter dem Stichwort „Öko-Audit“.
Tabelle 16.1 zeigt, welche Merkmale die jeweiligen Standards auszeichnen. Andere Normen der ISO-14000-Reihe geben darüber hinaus Hinweise für einzelne Elemente des Umweltmanagements. Die ISO 14001:2004 ist jedoch die einzige Norm, welche als Spezifikation, d.h. als zertifizierungsfähige Norm ausgestaltet ist (Müller et al., 2003). Eine Übersicht ausgewählter Normen der ISO 14000-Reihe gibt Tabelle 16.2. 16.1.2.1 Aufbau eines Umweltmanagementsystems auf Grundlage der DIN EN ISO 14001:2004 Abbildung 16.1 gibt den Regelkreis eines Umweltmanagementsystems, basierend auf der DIN EN ISO 14001:2004, wieder. Die Norm orientiert sich am sog. Deming-Zyklus Plan–Do– Check–Act (Planen–Ausführen–Kontrollieren–Optimieren). Der der ISO 14001:2004 zugrunde liegende Regelkreis ist in 5 Phasen gegliedert, die im Sinne einer ständigen Verbesserung regelmäßig durchlaufen werden sollen und als Anforderungen an das UMS betrachtet werden können (Pischon, 2000). Zunächst ist in Phase 1 „Umweltpolitik“ durch das Unternehmen eine Umweltpolitik zu definieren. Hierbei fordert die Norm, dass sich das Unternehmen zur Einhaltung der relevanten gesetzlichen Vorschriften verpflichtet. Darüber hinaus muss auch die Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung und Verhütung von Umweltbelastungen Bestandteil der Umweltpolitik sein. In Phase 2 „Planung“ ist die Einführung von Verfahren zur Ermittlung der bedeutenden Umweltaspekte und gesetzlichen und andere Anforderungen durch das Unternehmen gefordert. Unter dem Begriff Umweltaspekt versteht die Norm einen „Bestandteil der Tätigkeiten oder Produkte oder Dienstleistungen einer Organisation, der auf die Umwelt einwirken kann“. Darauf aufbauend gilt es für alle Funktionen und Ebenen der Organisationsstruktur möglichst messbare Ziele zu definieren. Zur Umsetzung der definierten Ziele sind Programme festzulegen, die auch Aussagen zu
16.1 Umweltmanagement
743
Tabelle 16.1 Unterschiede EMAS II und DIN EN ISO 14001:2004 (Engelfried, 2004) Merkmal
EMAS II
DIN EN ISO 14001:2004
Normungsart
Europäische Verordnung
Internationale Norm
Geltungs-/ Anwendungsbereich
In Ländern der EU
Weltweit
Systembezug
Gemeinschaftssystem einschließlich Umweltmanagementsystem
Privatwirtschaftliches System
Ziel
Schwerpunkt liegt auf der kontinuierlichen Reduzierung der Umweltauswirkungen und der Information der Öffentlichkeit
Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung des Umweltmanagementsystems, um Reduzierungen der Umweltauswirkungen zu erzielen
Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung
Verpflichtung zu kontinuierlicher Verpflichtung zu kontinuierlicher Verbesserung der Umweltauswirkungen Verbesserung des Umweltmanagement-systems (mit der Folge der Verbesserung der Umweltauswirkungen)
Auditzyklus
Auditzyklus jährlich; externe Validierung dreijährig
Auditzyklus nicht festgelegt; in der Praxis üblich ist jährliches Audit und Zertifizierung fünfjährig
Veröffentlichung
Umwelterklärung muss veröffentlicht werden
Umweltpolitik muss öffentlich zugänglich sein
Zertifizierung
Validierung durch akkreditierten Zertifizierung durch akkreditierte Umweltgutachter bzw. Umweltgutachter- Organisation (= Zertifizierungsorganisation organisation)
Teilnahmebestätigung
Teilnahmeerklärung
Zertifikat
Logo zur Teilnahmeerklärung
Ja
Nein
Registrierung der Standorte
Ja
Nein
Tabelle 16.2 Übersicht ausgewählter Normen der 14000-Serie Norm
Titel
DIN EN ISO 14001
Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung (ISO 14001:2004)
E DIN ISO 14004:2004
Umweltmanagementsysteme – Allgemeiner Leitfaden über Grundsätze, Systeme und Hilfsinstrumente
DIN ISO 14015:2003
Umweltmanagement – Umweltbewertung von Standorten und Organisationen (UBSO)
DIN EN ISO 14020:2002
Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Allgemeine Grundsätze
DIN EN ISO 14031:2000
Umweltmanagement – Umweltleistungsbewertung – Leitlinien
DIN EN ISO 14040
Umweltmanagement – Ökobilanz – Prinzipien und allgemeine Anforderungen
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Umweltschutz Abb. 16.1 Modell des Umweltmanagementsystems nach DIN EN ISO 14001:2004
Verantwortlichkeiten, Mittel und den Zeitrahmen der im Programm aufgenommen Maßnahmen enthalten müssen. Mit der Umsetzung und Durchführung eines Umweltmanagementsystems beschäftigt sich Phase 3 „Verwirklichung und Planung“ unmittelbar nach den vorbereitenden Phasen 1 und 2 (vgl. Pischon, 2000). Zunächst wird hierbei das Thema Ressourcen, Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Befugnisse angesprochen. Unter Ressourcen fallen hierbei die Faktoren Infrastruktur, Personal, Organisation und technische sowie finanzielle Mittel, die durch die oberste Leitung zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch die Bestellung mindestens eines speziellen Beauftragten für Umweltschutz durch die oberste Leitung ist hierbei vorgeschrieben. Im zweiten Teil der Phase 3 wird auf die Aspekte Fähigkeit, Schulung und Bewusstsein eingegangen. Nach den hier beschriebenen Forderungen müssen alle Personen, die als Mitarbeiter des Unternehmens oder in dessen Auftrag Tätigkeiten durchführen, von
denen bedeutende Umweltauswirkungen ausgehen, entsprechend qualifiziert sein. Diese Forderung bedeutet eine deutliche Verschärfung gegenüber der Vorgängernorm DIN EN ISO 14001:1996. Es muss ein Verfahren etabliert werden, mit dem sichergestellt werden kann, dass diese Mitarbeiter sich über die bedeutenden Umweltaspekte im Kontext zu den von ihnen durchgeführten Aufgaben und Folgen einer Nichteinhaltung festgelegter Abläufe bewusst sind. Das Verfahren muss darüber hinaus sicherstellen, dass ihnen die Bedeutsamkeit des Einhaltens der Umweltpolitik und der etablierten dazugehörigen Verfahren und der Anforderungen des Umweltmanagementsystems bewusst ist. Im Bereich der Kommunikation muss eine Vorgehensweise eingeführt werden, intern über die Umweltaspekte und das Managementsystem zu kommunizieren. Besonderen Wert wird hierbei auch auf Beantwortung von Äußerungen externer relevanter Kreise (z.B. Umweltverbände) gelegt. Eine externe Kom-
16.1 Umweltmanagement
munikation zu den bedeutenden Umweltaspekten ist nicht zwingend vorgeschrieben. Weitere Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem werden hinsichtlich der Dokumentation und Lenkung von Dokumenten definiert. Hier ist festgelegt, welche Bestandteile die Dokumentation des Umweltmanagementsystems mindestens beinhalten muss. Darüber hinaus ist ein Verfahren zur Lenkung dieser Dokumente einzuführen, das den unter Punkt 4.4.5 der DIN EN ISO 14001:2004 genannten Anforderungen genügen muss. Des Weiteren fällt unter den Punkt „Verwirklichung und Planung“ der Unterpunkt „Ablauflenkung“. Hiernach muss die Organisation Abläufe ermitteln und planen, die zur Erfüllung der Umweltpolitik, Zielsetzungen und Einzelziele notwendig sind und im Zusammenhang mit den bedeutenden Umweltaspekten des Unternehmens stehen. Es sind dokumentierte Verfahren bspw. in Form von Arbeits- und Verfahrensanweisungen einzuführen. In solche Überlegungen sind auch benutzte Waren und Dienstleistungen einzubeziehen und bestehende Regelungen den Zulieferern und Auftragnehmern bekannt zu geben. Abschließend wird in Phase 3 der Punkt „Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr“ betrachtet. Hiernach muss das Unternehmen Verfahren entwickeln, durch die mögliche Notfallsituationen und deren Auswirkung auf die Umwelt ermittelt werden können. Die Organisation muss bei Eintritt einer solchen Situation reagieren können, um mögliche Umweltbelastungen zu minimieren. Die Regelungen zur Notfallvorsorge und Gefahrenabwehr müssen regelmäßig, aber insbesondere nach Eintreten einer Notfallsituation überprüft werden. Sofern möglich sollten die vorher genannten Regelungen im Rahmen von Übungen erprobt werden. Im Rahmen des beschriebenen Elementes „Planung“ soll sichergestellt werden, dass durch die etablierte Ablauforganisation die Umsetzung der Umweltpolitik und der Umweltziele erfolgt (Müller et al., 2003).
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In Phase 4 „Überprüfung“ ist der Aufbau eines Überwachungs- und Kontrollsystems gefordert. Unter dem Aspekt „Überwachung und Messung“ fordert die Norm die Einführung eines Verfahrens zur Überwachung und Messung der Teile einer Tätigkeit, die eine bedeutende Beeinflussung der Umwelt verursachen können. Als geeignetes Mittel ist hier der Aufbau eines Umweltkennzahlensystems sinnvoll, mit dem Umweltleistungen eines Unternehmens gemessen, gesteuert und verbessert werden können. Darüber hinaus wird gefordert, eine Vorgehensweise zur Prüfung der Einhaltung rechtlicher Vorschriften und von Anforderungen zu etablieren, zu denen sich das Unternehmen selbst verpflichtet hat. Zusätzlich muss eine Regelung getroffen sein, wie mit Nichtkonformität mit den Vorgaben des bestehenden Umweltmanagementsystems umgegangen wird. Hierbei muss beschrieben sein, wie Nichtkonformitäten aufgedeckt, die Ursachen ermittelt, Maßnahmen zur Verringerung möglicher Umweltauswirkungen getroffen und Maßnahmen ergriffen werden, diese in Zukunft zu vermeiden. Abschließend gilt es, Regelungen hinsichtlich der Durchführung von Audits zu treffen. Es muss mindestens ein Verfahren und ein Auditprogramm etabliert werden, um die systematische Durchführung von Audits abzusichern. Ziel der Audits ist es z.B., die Umsetzung der Festlegungen des Umweltmanagementsystems und dessen Normkonformität abzusichern. In der abschließenden Phase 5 „Managementbewertung“ sind Anforderungen an die Bewertung des Managementsystems durch die oberste Leitung definiert. Im Rahmen des auch als Management-Review bezeichneten Prozesses sind bestimmte Inputs vorausgesetzt. So sind dies Ergebnisse Interner Audits, Informationen über Umweltleistungen und erreichte Erfüllungsgrade der Zielsetzungen und Einzelziele. Als Resultat des Management-Reviews muss der Handlungsbedarf hinsichtlich der Anpassung der bestehenden Elemente des Umweltmanagementsystems, z.B. der Umwelt-
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politik, aber auch der Zielsetzungen und Einzelziele, abgeleitet werden. Hierdurch wird das o.g. Ziel der ständigen Verbesserung umgesetzt. Nach dem Aufbau eines Umweltmanagementsystems auf Grundlage der DIN EN ISO 14001 kann sich ein Unternehmen durch eine Zertifizierungsorganisation zertifizieren lassen. Mit Stand April 2005 verfügen etwa 4.440 Unternehmen in der BRD über ein nach der ISO 14001 zertifiziertes Umweltmanagementsystem (Quelle: Peglau Liste). 16.1.2.2 Teilnahme an EMAS II EMAS II ist ein „Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung zur Bewertung und Verbesserung der Umweltleistung von Organisationen und zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und der anderen interessierten Kreise, an dem sich Organisationen freiwillig beteiligen können“ (EMAS II, Art. 1, S. 3). Neben den in Tabelle 16.1 aufgezählten Unterschieden zur DIN EN ISO 14001 existieren weitere Anforderungen, die explizit nur im Rahmen der EMAS II gefordert werden. Das Ablaufschema bei der Teilnahme an EMAS II gibt Abb. 16.2 wieder. Zunächst fordert die EMAS II, abweichend von der DIN EN ISO 14001:2004, die Durchführung einer Umweltprüfung. Die Umweltprüfung beinhaltet eine Definition und Abgrenzung des Unternehmens bzw. des Standortes, eine Erfassung aller umweltrelevanten Unternehmensbereiche und Tätigkeiten sowie eine Ermittlung aller relevanten Umweltauswirkungen am Standort (Engelfried, 2004). Basierend auf dieser Prüfung muss ein Umweltmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001 für den Standort aufgebaut werden. Die DIN EN ISO 14001 und die EMAS II sind also insoweit miteinander verknüpft, als dass die EMAS II für das aufzubauende Umweltmanagementsystem die Anforderungen der DIN EN ISO 14001 heranzieht.
Nach Abschluss der Implementierung des Umweltmanagementsystems ist eine Umweltbetriebsprüfung inklusive der Erstellung eines Umweltprogramms zur Behebung der festgestellten Mängel durchzuführen. Darüber hinaus sind Unternehmen, die sich an EMAS II beteiligen verpflichtet, eine Umwelterklärung zu verfassen, die der Öffentlichkeit und interessierten Kreisen zugänglich gemacht werden muss. Ist dies erfolgt, wird das Unternehmen nach Prüfung durch einen Umweltgutachter in eine Liste aller registrierten Standorte durch die zuständige Stelle eingetragen. Jährlich erfolgt die Veröffentlichung aller registrierten Standorte der Europäischen Gemeinschaft im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft. Das Unternehmen ist nach Eintragung in das Verzeichnis berechtigt, das EMAS-Zeichen eingeschränkt in der produktbezogenen Werbung zu verwenden. Für eine kontinuierliche Teilnahme an EMAS II ist eine dreijährige Wiederholung des beschriebenen Zyklus und eine jährliche Validierung der Umwelterklärung vorgeschrieben. In der BRD beteiligen sich mit Stand April 2005 2.049 Standorte an EMAS II (Quelle: Peglau-Liste).
16.1.3 Delegation von Unternehmer-/ Betreiberpflichten Unter Delegation wird die Übertragung von Entscheidungskompetenzen von einer Instanz (Delegierender) an unterstellte Instanzen/Stellen (Delegationsempfänger) verstanden. Rechtlich sind Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft (z.B. der Vorstand einer Aktiengesellschaft) dazu verpflichtet, Aufgaben wahrzunehmen, die dem Unternehmen als juristischer Person obliegen, (z.B. gemäß § 9 (1) des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) und § 14 Strafgesetzbuch (StGB)). Für Mitglieder dieses Organs ist es normalerweise nicht möglich,
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Abb. 16.2 Ablauf der EMAS-Verordnung (Müller et al., 2003)
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allen nachgeordneten Führungskräften für alle Situationen des Tagesgeschäftes Vorgaben zu machen. Diese müssen daher in einer arbeitsteiligen Organisation mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet werden, um die im Umweltrecht beschriebenen Unternehmerbzw. Betreiberpflichten umzusetzen (Eidam, 2001). Unternehmerpflichten, die Umweltbelange betreffen, sind z.B.: – Pflichten des Anlageninhabers im Sinne von § 22 (2) Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), – Pflichten des Betreibers im Sinne der §§ 5, 22, 38 und § 52a Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), – Verkehrssicherungspflichten im Sinne von § 823 (1) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Um die Organmitglieder vom Erfordernis zu einer ständigen und lückenlosen Überwachung zu entlasten, werden Unternehmerpflichten auf nachgeordnete Mitarbeiter delegiert [z.B. gemäß § 9 (2) OWiG]. Die Gesamtverantwortung des vertretungsberechtigten Organs für die Wahrnehmung von Unternehmerpflichten bleibt hiervon unberührt. Mit der Delegation von Aufgaben werden gleichzeitig auch die Kompetenzen und die sich daraus ergebende Verantwortung für die Wahrnehmung derselben übertragen. Die Delegation von Unternehmerpflichten ist bei der Beauftragung eines Mitarbeiters mit der ganzen oder teilweisen Leitung eines Betriebes mit umfasst [gemäß § 9 (2), Ziffer 1 OWiG]. Sie muss ausdrücklich erfolgen, wenn ein Mitarbeiter, der nicht als Betriebsleiter tätig ist, als sonstiger Beauftragter [gemäß § 9 (2), Ziffer 2 OWiG] Unternehmerpflichten wahrnehmen soll. Die Übertragung von Unternehmerpflichten ist nur dann zulässig und wirksam, wenn der mit der Wahrnehmung von Unternehmerpflichten Beauftragte diese Pflichten eigenverantwortlich erfüllen kann, d.h. der Mitarbeiter fachlich geeignet und geschult ist, der Mitarbeiter berechtigt und in der Lage ist, die ihm übertragenen Pflichten fachlich zu erfüllen
und dem Mitarbeiter die zur Wahrnehmung der übertragenen Pflichten erforderlichen Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse eingeräumt sind (Eidam, 2001). Mit der Delegation können grundsätzlich nur Primärpflichten, sog. Ausführungspflichten, übertragen werden. Dem Delegierenden verbleiben hierbei allerdings die Sekundärpflichten. Ihm verbleiben Auswahlpflichten bezogen auf die Fachkunde und Zuverlässigkeit des Delegationsempfängers und die Pflicht einer eindeutigen, klaren, und lückenlosen Delegation (Instruktionspflicht) (Eidam, 2001). Darüber hinaus muss er den Delegationsempfänger überwachen und sich regelmäßig von dessen Fachkunde und Zuverlässigkeit überzeugen. Des Weiteren treffen ihn Eingriffpflichten bei fehlerhaftem Verhalten des Delegationsempfängers (Nobbe et al., 1993). Auch müssen dem Verpflichteten die notwendigen Ressourcen zur Pflichterfüllung zur Verfügung gestellt werden. Die Verpflichteten (z.B. Leiter von Organisationseinheiten) können delegierte Pflichten bzw. Aufgaben nach Ermächtigung wiederum an nachgeordnete Mitarbeiter übertragen; auch ihnen verbleiben hierbei die beschriebenen Sekundärpflichten (Nobbe et al., 1993).
16.1.4 Beauftragtenwesen Im Bereich des Umweltschutzes besteht für den Unternehmer/Betreiber die Pflicht, unter bestimmten Bedingungen Beauftragte im Bereich Umweltschutz zu bestellen. Die Gesetzgebung unterscheidet hierbei zwischen dem Betriebsbeauftragten für Abfall, dem Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz, dem Betriebsbeauftragten für Gewässerschutz, dem Störfallbeauftragten und dem Gefahrgutbeauftragten. (Nobbe et al., 1993; Eidam, 2001). Betriebsbeauftragter für Abfall Die Bestellung von Betriebsbeauftragten für Abfall nach § 54 (1) des „Kreislaufwirt-
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schafts- und Abfallgesetzes“ (KrW-/AbfG) ist in der „Verordnung über Betriebsbeauftragte für Abfall“ (AbfBetrbV) geregelt. Eine Bestellung ist notwendig, wenn im Zuständigkeitsbereich Anlagen, die in § 1 AbfBetrbV aufgeführt sind, betrieben werden. Allerdings kann die zuständige Behörde nach § 54 (2) (KrW- / AbfG) die Bestellung eines oder mehrerer Betriebsbeauftragter für Abfall auch fordern, wenn die Grundlagen nach der AbfBetrbV dies nicht fordern. Die Aufgaben eines Betriebsbeauftragten für Abfall sind in § 55 KrW-/ AbfG beschrieben. So hat der Beauftragte eine Überwachungsfunktion bei der Entsorgung von Abfällen, angefangen bei der Entstehung bis zur Verwertung oder Beseitigung und bei der Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen im Abfallrecht. Darüber hinaus ist er berechtigt und verpflichtet, bei Anlagen, die nach der 4. BImSchV genehmigungsbedürftig sind, auf die Nutzung abfallarmer und umweltfreundlicher Verfahren und Erzeugnisse und deren Entwicklung und Einführung hinzuwirken. Betriebsbeauftragter für Immissionsschutz Die Bestellung von Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz nach § 53 (1) des BundesImmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist notwendig, wenn eine Anlage betrieben wird, die unter die im Anhang I zur Fünften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte bezeichneten genehmigungsbedürftigen Anlagen fällt. Auch beim Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz kann die zuständige Behörde abweichend von den in o.g. Verordnung festgelegten Grundsätzen nach § 53 (2) BImSchG die Bestellung eines oder mehrerer Betriebsbeauftragter fordern. Zu den Aufgaben des Immissionsschutzbeauftragten gehört nach § 54 BImSchG darauf hinzuwirken, dass umweltfreundliche Verfahren und Erzeugnisse eingeführt und entwickelt werden und auch hierbei mitzuwirken. Darüber hinaus hat er die Betriebsangehörigen aufzuklären über von einer Anlage ausgehende Umweltauswirkungen. Einmal
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jährlich hat er einen Bericht an den Betreiber zum Thema Immissionsschutz anzufertigen. Hinsichtlich der Anforderungen an die Qualifikation eines Immissionsschutzbeauftragten sei hier auf § 7–10 der 5. BImSchV verwiesen. Betriebsbeauftragter für Gewässerschutz Die Pflicht zur Bestellung von Betriebsbeauftragten für Gewässerschutz ist in § 21 (1) des Wasserhaushaltgesetzes (WHG) festgelegt. Hiernach sind ein oder mehrere Beauftragte für Gewässerschutz zu bestellen, wenn mehr als 750 m3 Abwasser pro Tag direkt in ein Gewässer eingeleitet werden. Darüber hinaus kann die zuständige Behörde nach § 21a (2) WHG anordnen, dass Einleiter in Gewässer, für die nach o.g. Vorgaben kein Beauftragter vorgeschrieben ist, und Einleiter von Abwasser in Gewässer oder in Abwasseranlagen und öffentliche Kanalisationen einen oder mehrere Gewässerschutzbeauftragte bestellen müssen. Die Aufgaben des Beauftragten für Gewässerschutz sind in § 21b des WHG aufgezählt. Auch dieser Beauftragte trägt eine Überwachungsfunktion bspw. hinsichtlich einzuhaltender gesetzlicher Vorgaben und Auflagen im Bereich Gewässerschutz. Hieraus abgeleitet ist die Pflicht, den Benutzer über aufgedeckte Mängel zu informieren und Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung vorzuschlagen. Weiterhin hat der Beauftragte auf die Anwendung geeigneter Verfahren im Bereich Gewässerschutz und der Entwicklung und Einführung dieser hinzuwirken. Hinsichtlich weiterer Pflichten sei hier auf den § 21b des WHG hingewiesen. Störfallbeauftragter Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen haben nach § 58a (1) des Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) ggf. einen oder mehrere Störfallbeauftragte zu bestellen. Ein Störfallbeauftragter ist zu bestellen, wenn eine genehmigungsbedürftige Anlage betrieben wird, die Betriebsbereich oder Teil eines solchen nach § 1 (1) oder eines gleichgestellten Betriebsbereiches nach § 1 (2) der 12. BImSchV „Störfall-Verordnung“ ist. Auch hier kann die
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zuständige Behörde nach § 58 (2) die Bestellung einer oder mehrerer Störfallbeauftragter fordern, unabhängig davon, ob o.g. Bedingungen zutreffen. Aufgaben des Störfallbeauftragten sind in § 58b definiert. Er hat z.B. auf eine Anlagenverbesserung hinzuwirken, Störungen und bestimmte Mängel im Bereich vorbeugender Brandschutz und technische Hilfeleistungen dem Betreiber zu melden und für den Betreiber einen Jahresbericht zu erstellen. Über die beschriebenen Grundlagen zur Notwendigkeit der Bestellung eines Betriebsbeauftragten und deren Aufgaben hinaus gibt es weitergehende gesetzliche Regelungen. So darf ein Betriebsbeauftragter nur bestellt werden, wenn er die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche Qualifikation hinsichtlich Fachkunde und Zuverlässigkeit besitzt (siehe hierzu auch § 21c (2) WHG, § 55 (2) BImSchG bzw. § 55 KrW-/AbfG). Die zuständige Behörde ist im Rahmen der genannten gesetzlichen Grundlagen berechtigt, die Bestellung eines anderen Betriebsbeauftragten zu verlangen, wenn Tatsachen bekannt sind, nach denen dieser die erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit nicht besitzt. Die Anforderungen an die Fachkunde von Immissionsschutz- und Störfallbeauftragten sind in der 5. BImSchV sowie explizit in deren Anhängen geregelt. Solche detaillierten Vorgaben existieren für den Bereich Gewässerschutz und Abfall allerdings nicht. Hinsichtlich des festgeschriebenen Benachteilungsverbots und zu den Regelungen zum Kündigungsschutz sei hier auf § 21 WHG, § 58 BImSchG bzw. § 55 KrW-/AbfG hingewiesen. Das Thema Gefahrgutbeauftragte nach § 1 Gefahrgutbeauftragtenverordnung wird im Abschn. 16.6.2 beschrieben.
16.1.5 Integrierte Managementsysteme (IMS) Bis vor wenigen Jahren war die Einführung separat nebeneinander stehender Managementsysteme für Umweltschutz (z.B. nach
DIN EN ISO 14001:1996 oder EMAS l oder II), Qualität (nach DIN EN ISO 9001) und Arbeitsschutz (z.B. OHSAS 18.001) die Normalität. Durch das Führen separater Managementsysteme entstehen leicht Redundanzen, wie doppelte, umfangreiche Dokumentationen und Informationsverluste, unklare Verantwortlichkeiten, Mehrfachaudits und nicht abgestimmte Auditzyklen und -termine (Reuter et al., 2003). Darüber hinaus liegen mögliche Schwachstellen solcher Insellösungen in der mehrfachen Beschreibung identischer Abläufe und Tätigkeiten, sich widersprechender Detailregelungen, verbunden mit einem Identitätsverlust der Mitarbeiter mit dem Unternehmen (Pischon, 2000). Die Effizienz eines Managementsystems wird verbessert, wenn die häufig in Unternehmen noch nebeneinander stehenden Managementsysteme, wie Umwelt-, Qualitäts- und Arbeitsschutzmanagement, zu einem integrierten System gebündelt werden, da aus der Bündelung Synergien und Qualitätsverbesserungen generiert werden können. Das Integrierte Managementsystem fasst die Anforderungen aus verschiedenen Bereichen (z.B. Umweltschutz, Qualität, Arbeitsschutz, Brandschutz, Sicherheit) in einer einheitlichen Struktur zusammen, indem gleichartige Normanforderungen der zu integrierenden Systeme als Klammerfunktion für alle nach einheitlichen Methoden und Standards von einer Stelle wahrgenommen werden. Beispielhaft sein hier die Durchführung integrierter Audits und Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen oder ein geschlossenes Management der Betreiber- und Unternehmerpflichten sowie des Beauftragtenwesens genannt. Die Vorteile der Einführung integrierter Managementsysteme und der Abkehr von Systeminseln liegen hierbei in der (Pischon, 2000; Reuter und Zink, 2003): – Schaffung transparenter Strukturen und Abläufe und Vereinfachung der Kommunikation, – Erhöhung der Rechts- und Prozesssicherheit durch Beschreibung der Schnittstellen,
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– Reduzierung der Dokumentenflut durch integrierte Prozessbeschreibungen, – Vermeidung von Doppelarbeiten und Nutzung von Synergien zwischen den Systemen, – Systemsteuerung aus einer Hand mit einheitlichen Instrumenten und Methoden, – Vernetzung von Kennzahlen, – Erweiterbarkeit und Flexibilität offener Management-Systeme und – Verringerung des Aktualisierungsaufwands. In der Regel lassen sich durch die Einführung eines IMS eine Reduzierung des Zeitaufwands und damit auch eine Minimierung der entstehenden Personal- und Transaktionskosten erreichen. Hinzu kommt eine erhöhte Handlungssicherheit für den Mitarbeiter.
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz Björn Zimmer, Jürgen Kroeter, Markus Hößl, Steffen Jank, Franz Klier, Georg Schell Gewässerschutzbezogene Betriebsanlagen von Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen, wie Abwasserbehandlungsanlagen, Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, Innenreinigungsanlagen, zählen zu den Bahnanlagen nach § 4 Abs. 1 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Für den Bau oder die wesentliche Änderung dieser Anlagen bedarf es einer Planfeststellung oder Plangenehmigung nach § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG). Der Betrieb der Anlagen ist entsprechend den landesrechtlichen Bestimmungen von den Betreibern selbst zu überwachen.
16.2.1 Abwasseranlagen und Abwasserbehandlungsanlagen Unter Abwasseranlagen sind Abwasserkanäle und -leitungen zu verstehen, die als Freispiegelleitungen außerhalb von Gebäuden der
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Ableitung von Niederschlagswasser (RW), Schmutzwasser (SW), Mischwasser (MW) oder industriellem Abwasser (IW) dienen (vgl. Kommunale Abwassersatzungen). Abwasserbehandlungsanlagen sind Einrichtungen, die schädliche Inhaltsstoffe des Abwassers vor der Einleitung oder Wiederverwendung als Brauchwasser reduzieren bzw. beseitigen (nach Abwasserabgabengesetz (AbwAG) § 2). Dabei werden die Inhaltsstoffe, die durch die Produktionsprozesse in das Wasser gelangt sind, abgetrennt und gesondert entsorgt. Werden Abwasseranlagen im Rahmen der Vorschriften der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) als Auffangvorrichtungen genutzt, sind spezielle Anforderungen gemäß der örtlich geltenden VAwS einzuhalten (s. Abschn. 16.2.2). Zu den Abwasserbehandlungsanlagen gehören insbesondere: – Abscheider für Leichtflüssigkeiten und Fette, – Absetzanlagen (z.B. Schlammfänge), – Abwasserhebeanlagen, – Anlagen für die Entsorgung der Fäkalien aus geschlossenen WC-Systemen, – chemische Emulsionsspaltanlagen, Fällungsanlagen, – Kläranlagen/Kleinkläranlagen/biologische Kläranlagen, – Neutralisationsanlagen, – Ultrafiltrationsanlagen, Filtrationsanlagen. Im Rahmen der Wahrnehmung der Betreiberaufgaben sind gesetzliche und technische Bestimmungen für den Betrieb und die Instandhaltung der Anlagen, die Unfallverhütung, den Arbeitsschutz/Gesundheitsschutz, den Brandschutz und den Explosionsschutz zu beachten. Neben den einschlägigen Bundes- und Landesgesetzen gelten die Satzungen der Abwasserverbände. Des Weiteren sind Abwassernormen und -regeln sowie allgemeingültige Regeln (DIN-Normen, Regelwerk der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), des
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Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs e.V. (DVGW)) anzuwenden. Bei eisenbahnspezifischen Prozessen entstehen neben häuslichem Schmutzwasser auch belastete Industrieabwässer, die vor der Einleitung in die öffentliche Kanalisation oder in bahneigene Kläranlagen behandelt werden müssen. Zu behandelnde Abwässer fallen in Innenreinigungsanlagen und Außenreinigungsanlagen für Reisezugwagen, Werkstätten für Schienenfahrzeuge, Tankanlagen sowie Leckageplätzen an. Häusliche Abwässer aus Gebäuden, unbelastetes Oberflächenwasser, Abwasser aus der mobilen WC-Entsorgung von Reisezugwagen und aus geschlossenen WC-Anlagen von Reisezugwagen (Vakuumstation) müssen vor der Einleitung i.d.R. nicht behandelt werden. Die jeweilige Satzung der kommunalen Kanalnetzbetreiber, in anderen Fällen jedoch auch öffentlich-rechtliche Verträge oder privatrechtliche Geschäftsbedingungen, regeln die für die Genehmigungen geltenden Bedingungen hinsichtlich der Art, Menge und Beschaffenheit des einzuleitenden Abwassers, in Abhängigkeit von Kanalnetz und Kläranlage. Bei der Direkteinleitung in einen Vorfluter (ohne Ableitung der Abwässer über eine öffentliche Kläranlage) werden i.Allg. sehr strenge Anforderungen (nach Abwasserverordnung (AbwV)) an die Reinheit des Abwassers gestellt. Die einzuhaltenden Grenzwerte sind der erteilten Erlaubnis (wasserrechtlicher Genehmigungsbescheid nach Landeswassergesetz) zu entnehmen. Für das in Gewässer eingeleitete Abwasser ist gemäß dem Abwasserabgabengesetz eine Abwasserabgabe zu entrichten; die Höhe der Abgabe richtet sich nach der Schädlichkeit des Abwassers (§ 3 AbwAG). Bei Indirekteinleitung sind die einzuhaltenden Grenzwerte der erteilten Genehmigung (gemäß Landeswassergesetz) zu entnehmen. Zusätzlich zu den Auflagen der Indirekteinleiter-Genehmigung sind die Anforderungen der kommunalen Entwässerungssatzungen zu berücksichtigen. Für die Einleitung von
Abwässern in öffentliche Abwasseranlagen ist i.d.R. (nach den Indirekteinleiterverordnungen der Länder) eine Einleitgenehmigung des kommunalen Anlageneigentümers erforderlich. Abwassermengen und Schmutzfracht sind der Behörde im Rahmen der rechtlichen Vorschriften (nach dem kommunalen Satzungsrecht) und den evtl. erteilten Auflagen mitzuteilen. Im Rahmen der Instandhaltung sind regelmäßig geeignete Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des ordnungsgemäßen Zustandes und der Funktionsfähigkeit der gesamten Anlage sowie zur Bewahrung und Wiederherstellung des Sollzustandes der Anlagen durchzuführen. Diese Maßnahmen umfassen die Wartung, die Inspektion und die Instandsetzung. Der Betrieb und die Unterhaltung der Abwasseranlagen sollte nur von entsprechend ausgebildeten und unterwiesenen Personen mit einer beruflichen Qualifikation im Bereich Wasser/Abwasser durchgeführt werden. Auf Grundlage der Eigenüberwachungsverordnungen der einzelnen Bundesländer, der wasserrechtlichen Genehmigung bzw. der kommunalen Entwässerungssatzung ist ein Überwachungsturnus für die Eigenüberwachung festzulegen. Außerdem müssen entsprechend den Vorgaben der Eigenüberwachungsverordnungen bzw. den Vorgaben der Anlagenhersteller die Wartungsintervalle sowie die Inspektionsintervalle schriftlich festgelegt und im Betriebs- und Wartungsbuch dokumentiert werden. In den Eigenüberwachungsverordnungen der einzelnen Bundesländer ist geregelt, in welchen Fällen ein Betriebs- und Wartungsbuch/ Betriebstagebuch für Abwasserbehandlungsanlagen zu führen ist. Fehlt eine entsprechende Regelung für die entsprechende Anlage, ist eine Einzelfallentscheidung (der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde) notwendig. Dem Betriebs- und Wartungsbuch ist die jeweils zugehörige Betriebsanweisung beizulegen. Außerdem ist es sinnvoll, die Anlagenbeschreibung (Beschreibung der Funktionsweise
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der Anlage) einschließlich der Anlagendaten, der Bedienungsanweisung, der Wartungsanweisung und der Überwachungshinweise des Herstellers sowie die Hinweise zur Funktion und Überprüfung der Kontroll-, Alarm-, Sicherheits- und Schalteinrichtungen und der entsprechende Auszug aus dem Kanalnetzlageplan dem Betriebs- und Wartungsbuch beizufügen. Die landesspezifischen Aufbewahrungsfristen sind zu beachten. Probenahmen und Analysen sind im Rahmen der Eigenüberwachung oder aufgrund behördlicher Auflagen durchzuführen. In den Satzungen der Betreiber öffentlicher Abwasseranlagen (Entwässerungsabgabensatzungen) werden die Gebühren und Beiträge für das Einleiten von häuslichen Abwässern (sog. Schmutzwassergebühren) geregelt. Für einzelne Anlagen können auch sog. „Starkverschmutzerzuschläge“ erhoben werden. Die Inspektion von Abwasseranlagen dient dem frühzeitigen Erkennen von Schäden und deren Ursachen zur Vermeidung haftungs-, abgaben-, ordnungs- und strafrechtlich relevanter Konsequenzen und dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Anlage, um nachteilige Auswirkungen auf die abwassererzeugenden Produktionsprozesse zu vermeiden. Sie umfasst die bautechnischen Anlagenteile und die Anlagentechnik sowie Schaltanlagen, Zähl-, Mess- und Prüfeinrichtungen und Stromversorgungsanlagen. Die Inspektion ist nach den vom Hersteller der Anlage angegebenen Aufgaben und Fristen, nach den Festlegungen der Landesgesetzgebung (Eigenkontrollverordnungen) und der ATV durchzuführen bzw. zu beauftragen und zu überwachen. Mit Wartungsarbeiten, die der Betreiber einer § 19g WHG-Anlage nach § 19i WHG auszuführen hat, müssen entweder geeignete, fachkundige Mitarbeiter oder (nach § 19l WHG) zugelassene Fachbetriebe beauftragt werden. Dies betrifft vor allem Abwasseranlagen nach § 19g Abs. 1 und 2 z.B. zur Rückhaltung wassergefährdender Stoffe oder Löschwasser, die Bestandteil von Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Behandeln wassergefährdender Stoffe
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sowie Anlagen zum Verwenden wassergefährdender Stoffe sind. Die Wartung muss entsprechend den Vorgaben der Eigenüberwachungsverordnungen bzw. der Abwassersatzung von einer anerkannten Prüforganisation durchgeführt und dokumentiert werden. Durch die Dokumentation der Durchführung und Abnahme der Arbeiten im Betriebs- und Wartungsbuch kann bei Anfragen durch die Überwachungsbehörde das Auffinden entsprechender Unterlagen sichergestellt werden. Rückstände aus Abwasseranlagen sind, sofern sie nicht verwertet werden können, entsprechend dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) als Abfall zu entsorgen (s. Abschn. 16.6.1). Abwasseranlagen sind so stillzulegen, dass von ihnen keinerlei Gefahr mehr ausgehen kann, weder für den Eisenbahnbetrieb noch für das Grundwasser oder für Personen. Soweit es sich bei den betreffenden Anlagen um Betriebsanlagen einer Eisenbahn handelt, ist vor einem Rückbau bzw. einer Änderung ein Verfahren nach § 18 AEG (Planfeststellung, Plangenehmigung oder Verzicht hierauf) durchzuführen; bei übrigen Anlagen richtet sich die Genehmigung nach Landesrecht bzw. Wasserrecht. Die Stilllegung von Betriebsanlagen ist außerdem dem EBA anzuzeigen.
16.2.2 Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen Beim Betrieb von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen nach § 19g WHG findet die „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (Anlagenverordnung „VAwS“) des jeweiligen Bundeslandes Anwendung. Generell müssen nach dem Besorgnisgrundsatz Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen so beschaffen und betrieben werden, dass wassergefährdende Stoffe nicht austreten können. Um das Gefährdungspotential der Anlage und damit die jeweils einzuhaltenden Vorschriften (den örtlich geltenden VAwS) genau
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Tabelle 16.3 Wassergefährdungsklassen (WGK) mit Beispielen (nach Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe – VwVwS)) WGK 1
schwach wassergefährdend
zum Beispiel bestimmte Säuren oder Laugen, wie sie in einigen Waschmitteln vorkommen
WGK 2
wassergefährdend
zum Beispiel Heizöl, bestimmte Lösungsmittel
WGK 3
stark wassergefährdend
zum Beispiel Lösemittel wie Trichlorethen (Tri) oder Tetrachlorethen (Per), Altöl, Benzin
bestimmen zu können, sind für die Anlagen die Art des Umgangs, die Mengen und jeweiligen Wassergefährdungsklassen der eingesetzten Stoffe zu ermitteln. Welche Stoffe wassergefährdend sind und welches Wassergefährdungspotenzial (Wassergefährdungsklasse – WGK) sie haben, ist dem jeweiligen Sicherheitsdatenblatt (des Herstellers) zu entnehmen. Der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (nach § 2 VAwS) ist definiert als – Herstellen: erzeugen, gewinnen oder schaffen von Stoffen, – Behandeln: auf die Stoffe einwirken, um deren Eigenschaften zu verändern, – Verwenden: anwenden, gebrauchen oder verbrauchen von Stoffen unter Ausnutzung ihrer Eigenschaften, – Lagern: Vorhalten von Stoffen zur weiteren Nutzung, Abgabe oder Entsorgung, – Abfüllen: Befüllen von Behältern oder Verpackungen mit diesen Stoffen, – Umschlagen: Umladen der Stoffe in Behältern oder Verpackungen von einem Transportmittel auf ein anderes. Je nach Art des Umgangs wird eine Einteilung in Anlagen zum Herstellen, Behandeln, Verwenden (HBV-Anlagen) und zum Lagern, Abfüllen, Umschlagen (LAU-Anlagen) von wassergefährdenden Stoffen vorgenommen. Der Betreiber der vorgenannten in den Geltungsbereich des Wasserhaushaltsgesetz (WHG) fallenden Anlagen (nach § 19g WHG) hat die Dichtheit der Anlage und die Funktionsfähigkeit der Sicherheitseinrichtungen ständig zu überwachen.
Anlagen im Eisenbahnbetrieb, an denen mit wassergefährdenden Stoffen umgegangen wird, sind z.B.: – Tankanlagen für Schienen- und Straßenfahrzeuge, – Umfüllstellen, – Abwasseranlagen, – Waschanlagen für Triebfahrzeuge, Reisezug- und Güterwagen, – Arbeitsgruben, Waschplatten und – Lager von wassergefährdenden Stoffen. Mobile Abfüll- und Umschlagstellen, die lediglich kurzzeitig oder an ständig wechselnden Orten eingesetzt werden (z.B. Baustellentankstellen) gelten nicht als Anlagen nach § 19g WHG. Sie werden von der VAwS nicht erfasst, unterliegen jedoch dem Minimierungsgebot und dem allgemeinen Sorgfaltsgrundsatz des § 1a WHG („Jedermann ist verpflichtet, bei Maßnahmen, mit denen Einwirkungen auf ein Gewässer verbunden sein können, die (…) erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um eine (…) nachteilige Veränderung seiner Eigenschaften zu verhüten“). In Bezug auf den Eisenbahnbetrieb der Eisenbahnen des Bundes hat die Zentrale des Eisenbahn-Bundesamtes im Jahr 2003 [Vermerk 11.40 Reb/2181 lub (DB Netz NSU) – Rechtsgrundlage für Anweisungen an DB Netz AG in Sachen „Wildes Betanken“] die regelmäßige Betankung von Schienenfahrzeugen aus Straßentankfahrzeugen untersagt. Begründet wird dies mit dem im Umweltrecht maßgeblichen Vorsorgeprinzip, insbesondere BundesBodenschutzgesetz (BBodSchG, § 4 Vermeidung schädlicher Bodenveränderungen) und Wasserhaushaltsgesetz (WHG, § 1 Sorgfalts-
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
755
Tabelle 16.4 Ermittlung der Gefährdungsstufen A bis D (nach § 6 der VAwS Bayern) Volumen in m3 bzw. Masse in t
Wassergefährdungsklassen 1 2
3
< 0,1 > 0,1 < 1 > 1 < 10 > 10 < 100 > 100 < 1000 > 1000
Stufe A Stufe A Stufe A Stufe A Stufe B Stufe C
Stufe A Stufe B Stufe C Stufe D Stufe D Stufe D
pflicht und § 34 Reinhaltung, Besorgnisgrundsatz). Die Minimierung der Gefahren ist durch baulichen Boden- und Gewässerschutz sicherzustellen. Einzige Ausnahme stellt die Betankung von ortsbeweglichen Arbeitsmaschinen [Technische Regeln für brennbare Flüssigkeiten (TRbF) 30 – Füllstellen, Entleerstellen und Flugbetankungsstellen, Anhang 4, Abs 2] dar. Um die Gefährdungsstufe der Anlage festlegen zu können, ist das maximale Volumen bzw. Masse der Lagermenge und die Wassergefährdungsklassen der gelagerten Stoffe zu ermitteln. Anhand der Menge der wassergefährdenden Stoffe, ihrer Lagermenge und der hydrologischen Beschaffenheit und Schutzbedürftigkeit des Aufstellungsortes erfolgt eine Klassifizierung in die Gefährdungsstufen A, B, C oder D. Aus Betreibersicht ist es sinnvoll zu überprüfen, ob durch Ersatz der Stoffe durch Betriebsmittel mit geringerer WGK oder durch eine Verringerung der Lagermenge, die Einteilung in eine niedrigere Gefährdungsstufe möglich ist. Darüber hinaus ist abzuklären, ob sich die zu betreibende Anlage in einem Wasserschutzgebiet oder einem ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet befindet (erforderlichenfalls sind mit der Behörde Schutzmaßnahmen und Ausnahmeregelungen zu treffen). Die Grundsätze des § 3 VAwS sind einzuhalten. So ist eine Betriebsanweisung mit Überwachungs, Instandhaltungs- und Alarmplan aufzustellen. Den im Anhang 1 der Länder-VAwS fest-
Stufe A Stufe A Stufe B Stufe C Stufe D Stufe D
gelegten Allgemeinen Anforderungen an den Aufbau und die Ausrüstung von Anlagen ist nachzukommen. Es sind die technischen Anforderungen konkretisiert, die sich in Abhängigkeit vom Gefährdungspotenzial (nach § 6) zur Erfüllung der Grundsatzanforderungen (nach § 3) ergeben. Die beschriebenen Schutzmaßnahmen/Schutzanforderungen sind allgemein anerkannte Regeln der Technik (nach § 5 VAwS bzw. § 19g Abs. 3 WHG), die von allen Anlagen, unabhängig vom Gefährdungspotenzial zu erfüllen sind. Hierbei sind die Punkte Standsicherheit, Dichtheit, Brandschutz, Einsehbarkeit und Abstände, Widerstandsfähigkeit und Auffangräume, Auffangwannen und Auffangtassen angesprochen. Auffangräume, Auffangwannen, Auffangtassen Anlagenteile, bei denen Tropfmengen nicht auszuschließen sind, sind mit gesonderten Auffangtassen zu versehen oder in einem sonstigen Auffangraum anzuordnen. Soweit der Anhang 1 der Länder-VAwS keine besonderen oder abweichenden Vorgaben enthält, gelten die Anforderungen an die Größe und Ausgestaltung der Auffangräume, wenn die folgenden Bestimmungen eingehalten werden: – Auffangräume sind grundsätzlich den zugehörigen Anlagen unmittelbar räumlich zuzuordnen. Von den zugehörigen Anlagen räumlich getrennte Auffangräume sind zulässig, wenn ihnen im Schadensfalle die wassergefährdenden Stoffe sicher zugeleitet werden können.
756
16
Umweltschutz
Tabelle 16.5 Lagermengen und notwendige Auffangräume bei Fass- und Gebindelägern Gesamtlagermenge Vges in m3
Auffangraum
≤ 100 > 100 ≤ 1.000 > 1.000
10% von Vges, wenigstens der Rauminhalt des größten Gefäßes 3% von Vges, wenigstens jedoch 10 m3 2% von Vges, wenigstens jedoch 30 m3
– Der Rauminhalt eines Auffangraums muss dem Rauminhalt der in ihm aufgestellten Anlage entsprechen. Befinden sich mehrere Anlagen in einem Auffangraum, ist der Rauminhalt der größten Anlage maßgebend; dabei müssen aber wenigstens 10% des Gesamtvolumens aller im Auffangraum aufgestellten Anlagen zurückgehalten werden. Bei Fass- und Gebindelägern ist die Größe des erforderlichen Auffangraums nach der möglichen Gesamtlagermenge nach Tabelle 16.5 zu staffeln. Abfüll- und Umschlagplätze Die Abfüll- und Umschlagplätze müssen so beschaffen sein, dass auslaufende wassergefährdende Flüssigkeiten nicht in ein oberirdisches Gewässer, eine hierfür nicht geeignete Abwasseranlage oder in das Erdreich gelangen können. Die Bodenfläche muss ausreichend dicht und widerstandfähig gegen die Flüssigkeiten sowie die zu erwartenden mechanischen Beanspruchungen sein. Es sind Vorkehrungen zu treffen, dass beim Abfüll- oder Umschlagvorgang beteiligte Transportmittel gegen Wegrollen, Verschieben oder Abfahren gesichert sind. Im Anhang 2 der Länder-VAwS sind die einzuhaltenden Besonderen Anforderungen festgelegt. Dies sind insbesondere Anforderungen an die Befestigung und Abdichtung von Bodenflächen, das Rückhaltevermögen für austretende wassergefährdende Stoffe und Maßnahmen organisatorischer oder technischer Art. Im Anhang 2 sind nur die besonderen Anforderungen als F-, R- und I-Maßnahmen aufgelistet. Dabei steht F für Fläche (Befestigung und Abdichtung der Bodenfläche), R für Rückhaltevermögen und I für Infrastruktur
(d.h. Anforderungen organisatorischer bzw. technischer Art, wie selbsttätige Störmeldeeinrichtung oder Alarm- und Maßnahmenplan). Sie beschreiben abschließend die jeweils entsprechend ihrem Anwendungsbereich erforderlichen standortunabhängigen Maßnahmen nach den Grundsatzanforderungen (gemäß § 3 Nr. 2, 3, 5 und 6). Weitergehende, standortabhängige Anforderungen (nach § 7) können von den Behörden gestellt werden. Anforderungen an die Fläche Die Schutzmaßnahmen/Schutzanforderungen der F-Maßnahmen beziehen sich auf die Befestigung und Abdichtung von Bodenflächen. Bei der Maßnahme „F0 = keine Anforderung an die Fläche“ werden an die Anlagen über die betrieblichen Anforderungen hinaus aus der Sicht der §§ 19g ff WHG keine weitergehenden Anforderungen an die Aufstellfläche gestellt. Die Anforderungen F1 und F2 sind materiell identisch. Der Nachweis der Stoffundurchlässigkeit liegt bei der Anforderung F1 in der Eigenverantwortung des Betreibers (Betreibererklärung). Bei der Anforderung F2 ist der Nachweis gegenüber der Behörde zu führen, bei HBV-Anlagen im Rahmen des Anlagenkatasters (§ 11 VAwS). Die Anforderungen F1 und F2 sind auch erfüllt, wenn die Anlagen nicht unmittelbar auf der entsprechend gesicherten Fläche ausgestellt, sondern durch bauliche Einrichtungen wie Gitterroste oder Stockwerke darüber angeordnet sind. Wenn bei bestehenden Anlagen und bei Vorhandensein einer Vielzahl unterschiedlicher wassergefährdender Stoffe der für die Maßnahme F2 geforderte Nachweis nicht geführt werden kann, ist die F2-Maßnahme durch
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
die Kombination F1 + I1+ Auffangwannen für Tropfen an Stellen, an deren wassergefährdende Flüssigkeiten austreten können (z.B. unter Pumpen mit Stopfbüchsen) zu ersetzen. Anforderungen an das Rückhaltevermögen Das Rückhaltevermögen beschreibt das Volumen, das tatsächlich als Rückhaltevolumen eingerichtet werden muss. Der Begriff „Rückhaltevermögen“ steht in keiner Verbindung mit dem Begriff „Auffangraum“ in der Definition des § 13 hinsichtlich der Anlagen einfacher oder herkömmlicher Art und dem Begriff des Anlagenvolumens nach § 6. Danach sind Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Umschlagen von wassergefährdenden gasförmigen und flüssigen Stoffen einfacher und herkömmlicher Art, wenn sie den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechen nach der Gefährdungsstufe A eingestuft und die Anforderungen der §§ 3 Nr. 5, 12, 19 und 20 und der Anhänge 1 und 2 eingehalten sind. Bei der Maßnahme „R0 = Kein Rückhaltevermögen“ werden an die Anlagen über die betrieblichen Anforderungen hinaus aus der Sicht der §§ 19g ff WHG keine weitergehenden Anforderungen an das Rückhaltevermögen gestellt. Das Rückhaltevermögen „R1“ bezeichnet das Volumen wassergefährdender Flüssigkeiten, das bis zum Wirksamwerden geeigneter Sicherheitsvorkehrungen (z.B. Absperren des undichten Anlagenteils oder Abdichten des Lecks) auslaufen kann. Mit der Bezeichnung „R2“wird das Rückhaltevermögen für das Volumen wassergefährdender
Flüssigkeiten beschrieben, das bei Betriebsstörungen freigesetzt werden kann, ohne dass Gegenmaßnahmen berücksichtigt werden. Bei „R3“ ist das Rückhaltevermögen ersetzt durch Doppelwandigkeit mit Leckanzeigegerät nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b. Maßnahmen zur Erreichung des Rückhaltevermögens R1 oder R2 nach Abs. 1 setzen immer eine stoffundurchlässige Fläche voraus. Maßnahmen zur Erreichung des Rückhaltevermögens R1, R2 oder R3 erfordern grundsätzlich eine konkrete Betriebsanweisung nach § 3 Nr. 6. Für oberirdische Lageranlagen können die in Tabelle 2.1 des Anhangs für Stoffe der Wassergefährdungsklasse 1 gestellten Anforderungen durch die Maßnahmen F0 + R3 + I0 ersetzt werden, wenn sichergestellt ist, dass aus der Lageranlage keine wassergefährdenden Stoffe austreten können. Anforderungen an die Infrastruktur Die Anforderungen an infrastrukturelle Maßnahmen sind organisatorischer oder technischer Art. Bei der Maßnahme „I0 = keine Anforderung an die Infrastruktur“ ergeben sich keine Forderungen über die betrieblichen hinaus; eine Betriebsanweisung nach § 3 Nr. 6 der Verordnung ist nicht erforderlich. Die Anforderung I1 schreibt die Überwachung durch selbsttätige Störmeldeeinrichtungen in Verbindung mit einer ständig besetzten Betriebsstätte (z.B. Messwarte) oder Überwachung mittels regelmäßiger Kontrollgänge vor. Darüber hinaus ist die Aufzeichnung der
Tabelle 16.6 Anforderungen an HBV-Anlagen und Anlagen zum Lagern (nach VAwS Bayern) Volumen in m3
WGK 1
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WGK 2
WGK 3
<1
-------
-------
F1+R2+I0
>1 < 10
-------
F1+R1+I1
F1+R2+I0
> 10 < 100
-------
F1+R1+I2/ F2+R1+I1
F1+R2+I0
> 100
F1+R1+I2/ F2+R1+I1
F1+R2+I0
F1+R2+I0
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Abweichungen vom bestimmungsmäßigen Betrieb und Veranlassung notwendiger Maßnahmen vorgegeben. Die „I2-Anforderung“ schließlich sieht einen Alarm- und Maßnahmenplan vor, der wirksame Maßnahmen und Vorkehrungen zur Vermeidung von Gewässerschäden beschreibt und mit den in die Maßnahmen einbezogenen Stellen abgestimmt ist. Hydrogeologische Beschaffenheit und Schutzbedürftigkeit des Aufstellungsortes Zu berücksichtigen sind vor allem: – Einzugsgebiete von Wassergewinnungsanlagen und Heilquellen, – oberirdische Gewässer, die für die Wasserversorgung vorgesehen sind, – Gebiete, deren geologische Beschaffenheit die Verunreinigung auch weit entfernt liegender Gewässer, die der Wasserversorgung dienen oder dafür vorgesehen sind, besorgen lässt, – Gebiete mit reichen oder örtlich bedeutsamen Grundwasservorkommen ohne ausreichend dicke und dichte Deckschichten, – oberirdische Gewässer mit ihren Uferbereichen und Überschwemmungsgebieten und – Einzugsgebiete von wasserwirtschaftlich bedeutsamen Seen. In den örtlichen Schutzgebietsverordnungen können jedoch abweichend von der VAwS Verbote ausgesprochen oder Anlagen zugelassen werden. Als Ausgleich für Ausnahmegenehmigungen sind grundsätzlich höherwertige Sicherheitsanforderungen als im Regelfall vorzuschreiben. VAwS-Anlagen unterliegen nach den Vorgaben der Landesgesetzgebung möglicherweise einer Anzeigepflicht. Es ist zu prüfen, ob nach § 9 der VAwS Anforderungen an die Kennzeichnung von Anlagen vorgegeben sind. Des Weiteren sind nach Vorgabe des § 9 (2) Merkblätter gut sichtbar in der Nähe der Anlage anzubringen.
Es ist zu überprüfen, ob die Anlage einer Fachbetriebspflicht nach § 22 VAwS bzw. § 19i WHG unterliegt. Es ist zu überprüfen, ob auf Grundlage der § 19i WHG bzw. 22 VAwS Prüfung durch Sachverständige erforderlich sind. Durch Ersatz von wassergefährdenden Stoffen durch weniger wassergefährdende Stoffe sowie durch Mengenreduzierung lässt sich das Gefährdungspotenzial der Anlage und damit die Anforderungen an die Anlage verringern. Alle VAwS-Anlagen (und -Anlagenteile) müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik ausgeführt sein; dies schließt eine Auffangvorrichtung, mit der austretende Stoffe zurückgehalten werden können, ein. Je nach Art der Anlage, Gefährdungspotenzial der Anlage und anderen Faktoren können des weiteren regelmäßige Prüfungen und die Führung eines Anlagenkatasters verpflichtend sein. Ein Anlagenkataster ist für Anlagen der Gefährdungsstufe D zu erstellen. Die zuständigen Behörden können aber auch für Anlagen niedrigerer Gefährdungsstufen ein Anlagenkataster fordern (§ 11 VAwS). Ziel des Anlagenkatasters ist es sicherzustellen, dass der Anlagenbetreiber alle für den Gewässerschutz wichtigen Informationen über die Anlagen in einer übersichtlichen Form zur Verfügung hat. Eignungsfeststellungen für Anlagen, die nicht einfacher und herkömmlicher Art sind, haben gemäß WHG zu erfolgen. Sind die VAwS-Anlagen allerdings Bestandteile von genehmigten BImSchG-Anlagen, so ist die Eignungsfeststellung in der BImSchG-Genehmigung eingeschlossen. Anzeigepflichten sind den Landeswassergesetzen zu entnehmen. Entsprechend den Anforderungen der VAwS sind die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen (primäre Maßnahmen, mit denen ein Austritt der Stoffe aus den Anlagen verhindert werden soll, und sekundäre Maßnahmen, durch die ein Austritt in die Umwelt verhindert werden soll, falls die primären Maßnahmen nicht greifen) zu treffen.
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
Es ist (nach § 3 Abs. 6 VAwS) eine Betriebsanweisung mit Überwachungs-, Instandhaltungs- und Alarmplan zu erstellen (ausgenommen sind lediglich Anlagen der Gefährdungsstufe A). Die Zusammenfassung aller Dokumente einschließlich der Nachweise über Unterweisungen, Prüfungen, Instandhaltungen etc. sollte in einem Betriebs- und Wartungsbuch erfolgen. Für die Betriebsanweisung (nach MusterVAwS) kommen insbesondere folgende Punkte in Betracht: 1. Überwachungsplan Betriebliche Überwachungsmaßnahmen (§§ 19i Abs. 2, Satz 1 und 19k WHG) und Überprüfung durch Sachverständige (§ 23 VAwS), Terminüberwachung, Mängelbeseitigung. 2. Instandhaltungsplan (§§ 19g und 1 i Abs. 1 WHG) Wartungsmaßnahmen, regelmäßige und besondere Instandhaltungsmaßnahmen. 3. Alarmplan Meldewege und Maßnahmen im Schadensfall (§ 8 VAwS Abs. 1). 4. Sonderregelungen Befüllen von Anlagen (§ 20 VAwS), Beseitigung von Niederschlagswasser und von wassergefährdenden Stoffen aus Auffangräumen und von Auffangflächen, Einleitung wassergefährdender Stoffe in Abwasseranlagen (§ 21 VAwS), Kennzeichnung der Anlagen, Merkblätter (§ 9 VAwS), Fachbetriebspflicht (§§ 19 i Abs. 1 und 19 l WHG, § 24 VAwS) und Sonderanforderungen in Schutzgebieten (§ 10 VAwS, Schutzgebietsverordnung). Generell sind zusätzlich die Anforderungen zur Löschwasser-Rückhaltung zu beachten. Im Brandfall können im Löschwasser wassergefährdende Stoffe, die am Brandort bereits vorhanden oder durch den Brand entstehen sowie wassergefährdende Inhaltsstoffe von Feuerlöschmitteln enthalten sein. Um im Brandfall zu vermeiden, dass Gewässer und/oder Boden durch das Löschwasser geschädigt wer-
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den, ist das Löschwasser kontrolliert zu entsorgen; dazu ist das Löschwasser in geeigneten Anlagen zurückzuhalten. Die Vorgaben zur Bemessung der Löschwasser-Rückhaltung sind in den Löschwasser-Rückhalte-Richtlinien (LöRüRl) der Bundesländer geregelt, die Anforderungen gelten in Abhängigkeit von den Mengen und Wassergefährdungsklassen der gelagerten Stoffe. Bei besonders relevanten Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen müssen ggf. Gewässerschutzbeauftragte auf Anordnung der Behörde (§ 19i Abs. 3 WHG) bestellt werden. Prüfung bei Stilllegung der Anlage Es ist zu prüfen, ob die Anlage einschließlich aller Anlagenteile entleert und gereinigt ist und ob Anhaltspunkte für Boden- oder Grundwasserverunreinigungen vorliegen. Es ist nicht erforderlich, die Anlage abzubauen oder auf andere Weise unbrauchbar zu machen, falls dies nicht aus anderen Gründen, wie aus Gründen des Brand- und Explosionsschutzes oder der Standsicherheit geboten ist. Befüllstutzen sind vorsorglich abzubauen oder gegen irrtümliche Benutzung zu sichern. Nach Durchführung der Prüfung und Beseitigung evtl. Mängel handelt es sich nicht mehr um eine prüfpflichtige Anlage nach § 19i WHG.
16.2.3 Innenreinigungsanlagen In der Ril 880.1040 (alt: 800.0210) der DB AG sind die gesetzlichen und technischen Bestimmungen zum Gewässer- und Bodenschutz und zur Organisation der Reinigung von Fahrzeugen erläutert. Reinigungsarten und zusätzlich erforderliche Behandlungen in Innenreinigungsanlagen (IRA) sind in Tabelle 16.7 aufgeführt. Zusätzliche Behandlungen zu den Reinigungsarten I 0 bis I 4 in IRA können sein: – Bremsprüfung, – Beleuchtung/Zugvorheizung/Klimatisierung,
760
16
Umweltschutz
Tabelle 16.7 Reinigungsarten und -rhythmus (nach Ril 910.0101) Reinigungsart(en)
Bezeichnung der Reinigung
Reinigungsrhythmus bei Rzw und Triebwagen
I0
Zusatzreinigung
Bedarfsorientiert
I 1/I 2
kleine Innenreinigung bzw. Innenreinigung
täglich bzw. bedarfsorientiert (1-2 mal pro Woche)
I 3/I 4
Grundreinigung bzw. Hauptreinigung
sechswöchentlich bzw. halbjährlich
– – – – – –
Desinfektion, manuelle Außenreinigung, Trinkwasserversorgung, Energieversorgung, Abfallsammlung/-entsorgung, Abschlussprüfung.
Die Anforderungen und Ausrüstungen der IRA sind in Abhängigkeit von der Reinigungsart und den hierzu durchzuführenden Arbeiten (Geräte- und Maschineneinsatz, eingesetzte Reinigungsmittel) zu bestimmen. Um bei Einleitungen in öffentliche Mischwassersammler die gesetzlich festgelegten Grenzwerte (Indirekteinleiterverordnung des jeweiligen Bundeslandes) einzuhalten, müssen Abwasseranlagen und ggf. auch Abwasserbehandlungsanlagen vorgesehen werden.
Innenreinigungsanlagen für Arbeiten der Reinigungsart ab I 1 müssen über einen Kanalanschluss verfügen. Da ab Reinigungsart I 2 im Regelfall industriell/gewerbliches Abwasser anfällt, sind die IRA mit einer entsprechenden Behandlungsanlage auszurüsten. Vor der Einleitstelle in den öffentlichen Schmutzoder Mischwasserkanal muss auf jeden Fall ein Übergabeschacht vorhanden sein. Fäkalabwässer aus Sammelbehältern geschlossener WC-Anlagen Die Entsorgung von Fäkalabwässern in Reinigungs- und Behandlungsgleisen erfolgt mittels stationärer (ortsfester) Entsorgungsanlagen. Die Fäkalabwässer sollen kontinuierlich über ein Speicherbecken ohne Vorbehandlung in den öffentlichen Sammelkanal eingeleitet werden.
Abb. 16.3 Abwasserentsorgung bei geschlossenen WC-Anlagen (aus Entwurf Ril 880.1040)
Misch w
Übergabeschacht
öffen tliche r
Vakuumstation
alternativ: biologische. Behandlungsanlage mit Speicherbecken Anschlussleitung für Probenahmehäusliches Schmutzwasser schacht
asser samm ler
Speicherbecken
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
Bei Bedarf (z.B. bei zu erwartender Grenzwertüberschreitung) muss eine Abwasserbehandlung vorgesehen werden. Industrielles/gewerbliches Abwasser (IW) Industrielles/gewerbliches Abwasser entsteht bei Innenreinigungsarbeiten ab Reinigungsart I 2. Diese Abwässer können u.a. mit Schwermetallen (insbesondere Eisen, Zink, Kupfer, teilweise Blei), mit hohen Phosphor-, CSB- und BSB 5 – Gehalten belastet und stark alkalisch sein und enthalten darüber hinaus Schwebund Sinkstoffe. Es fällt in folgenden Bereichen und Stellen an: – Schmutzflotten aus der Reinigung von Glas-, Wand-, Türflächen, Böden und Einbauten der Fahrzeuge. Die Abwässer gelangen aus Eimern oder Nasssaugern und deren Entleerung in die auf den Bühnen befindlichen Einfüllstellen (Ausgüsse) in die Entwässerungsleitung.
761
– Schmutzflotten aus der Reinigung von Böden und Podesten. – Schüttverluste aus Schmutzflotten auf der Bühne und Oberflächenwasser aus dem Bereich unter/auf der Bühne. Geringe Abwassermengen aus vorgenannten Bereichen sollen über eine eigene Sammelleitung für industrielles/gewerbliches Abwasser einem Auffangbecken zugeführt und anschließend geleert und entsorgt werden. Eine Behandlung der Abwässer vor Einleitung in den öffentlichen Kanal zur Einhaltung der Grenzwerte kommunaler Abwassersatzungen umfasst i.d.R. das Entfernen von absetzbaren Stoffen in einem ausreichend bemessenen und dimensionierten Absetzbecken und das Reinigen in einer anschließenden chemischen Abwasserbehandlungsanlage (Flockungs- und Fällungsstufe sowie Neutralisation).
Übergabeschacht
Anschlussleitung für industriell / gewerbliches Abwasser
Probenahmeschacht 26,40 m
öffen tliche r Mis chwa ssers amm ler
Anschlussleitung für häusliches Schmutzwasser
26,40 m Auffangbecken (ohne Kanalanschluß)
alternativ: chemische Behandlungsanlage (Flockung / Fällung / Neutralisation) mit Absetzbecken alternativ: biologische Behandlungsanlage (für IW) mit Absetzbecken Abb. 16.4 Abwasserentsorgung der industriellen/gewerblichen Abwässer (aus Entwurf Ril 880.1040)
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16.2.4 Genehmigungsbedürftige Anlagen nach der 4. BImSchV Das Bundes-Immissionschutzgesetz (BImSchG) unterscheidet zwischen genehmigungsbedürftigen (§ 4) und nicht genehmigungsbedürftigen (§ 22) Anlagen. Genehmigungsbedürftig sind Anlagen, die im Anhang der vierten Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) aufgeführt sind. Die Genehmigung umfasst die Errichtung, den Betrieb sowie die Stilllegung der Anlage. Bei der Einstufung der Anlage in den Geltungsbereich der 4. BImSchV ist zu prüfen, ob die betreffende Anlage im Anhang zur 4. BImSchV (Spalten 1 und 2) aufgeführt ist und ob sie nach Leistungsgrenze oder Anlagengröße die dort angegebenen Werte erreicht bzw. überschreitet. Die Genehmigungspflicht ist gegeben, soweit den Umständen nach zu erwarten ist, dass die Anlage länger als 12 Monate, die auf die Inbetriebnahme folgen, an demselben Ort betrieben wird (§ 1, 4.BImSchV). Eine zeitweise Einstellung des Betriebs unterbricht die Zwölfmonatsfrist nicht. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des § 22 BImSchG sind alle Anlagen, die nicht im Anhang der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) aufgeführt sind oder die die in der 4. BImSchV genannten maßgeblichen Leistungsgrenzen unterschreiten sowie sonstige ortfeste oder ortsveränderliche emissionserzeugende Einrichtungen und Verfahrensprozesse. Für eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage ist keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach dem BImSchG erforderlich, ggf. ist aber eine Genehmigung nach einer anderen Rechtsvorschrift erforderlich – insbesondere etwa nach Baurecht der Länder bzw. bei Betriebsanlagen der Eisenbahn nach § 18 AEG. Nicht genehmigungsbedürftige Druckbehälter, Lageranlagen für Druckgasbehälter
fallen unter das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG). Für genehmigungsbedürftige Anlagen (z.B. Lager für brennbare Gase für Weichenheizungen (WHZ)) ist ein Verfahren zur Erteilung einer Genehmigung (nach § 10 BImSchG) für die Errichtung und zum Betrieb, zur wesentlichen Änderung der Lage oder der Beschaffenheit oder des Betriebes (Änderungsgenehmigung) nach den Bestimmungen der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV) sowie den Richtlinien für die Planfeststellung und Plangenehmigung von Betriebsanlagen der Deutsche Bahn AG (Planfeststellungsrichtlinien) des EisenbahnBundesamtes durchzuführen. Das Gleiche gilt für die Errichtung oder für den Betrieb einer Anlage oder eines Teils einer Anlage (Teilgenehmigung), eines Vorbescheides oder einer Zulassung des vorzeitigen Beginns. Fällt der Betrieb der Anlage unter eine bestehende oder noch zu beantragende Planfeststellung, ist eine gesonderte immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erforderlich. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens werden die materiellen Vorgaben des BImSchG mit berücksichtigt. Der Planfeststellungsbeschluss hat eine sog. Konzentrationswirkung. Genehmigungsverfahren lassen sich unterscheiden in: – das vollständige (förmliche) Genehmigungsverfahren (§ 10 BImSchG), welches unter Beteiligung der Öffentlichkeit für Anlagen nach Spalte 1 des Anhangs 4. BImSchV durchzuführen ist und – das vereinfachte Genehmigungsverfahren (§ 19 BImSchG), welches ohne Beteiligung der Öffentlichkeit für alle anderen Anlagen durchzuführen ist. Die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage sind bei möglichen Auswirkungen auf die in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter mindestens einen Monat, bevor mit der Änderung begonnen werden soll, der
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
zuständigen Behörde schriftlich anzuzeigen (§ 15 BImSchG). Sie bedarf der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung der Betreiberpflichten erheblich sein können (§ 16 BImSchG). Maßgebend für eine wesentliche Änderung ist, ob nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können. Genehmigungsbedürftige wesentliche Änderungen wären beispielsweise der Bau eines neuen Betriebsgebäudes oder die Erweiterung eines Flüssiggaslagers für WHZ. Der Betreiber ist zur Begrenzung der Emissionen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, durch anlagenbezogene Maßnahmen verpflichtet. Hiernach sind alle möglichen und zumutbaren emissionsmindernden Maßnahmen auszuschöpfen. Kriterien zur Bestimmung des Standes der Technik (§ 3 Abs. 6 BImSchG) sind dem Anhang zum BImSchG zu entnehmen. Diese Vorgaben werden in spezifischen Rechtsverordnungen (z.B. 1., 7. oder 31. BImSchV) sowie, soweit vorhanden, in der jeweiligen Genehmigung (Baugenehmigung, Plangenehmigung) festgelegt. Des Weiteren ist der Betreiber verpflichtet, die Immissionen auf ein Mindestmaß (Beschränkungsgebot) zu reduzieren. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die über den Stand der Technik hinausgehen und nicht nur anlagenbezogen sind. Mögliche Maßnahmen können vor allem auch rein immissionsbegrenzende Vorkehrungen sein (Schutzabstände, Bepflanzungen, Wahl des Aufstellortes störender Maschinen oder Anlagenteile etc). Insgesamt sind folgende Betreiberpflichten beim Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen zu berücksichtigen (§ 23 BImSchG): – Umsetzen der Anforderungen, die aufgrund konkreter Rechtsverordnungen (BImSchV) an die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen gestellt werden,
763
– Einhalten sämtlicher Auflagen aus Genehmigungen, behördlichen Anordnungen und deren Dokumentation, – Nachkommen der Anzeigepflichten gegenüber den zuständigen Behörden, soweit dies Vorgaben der Behörde sind oder in der jeweiligen konkreten Verordnung vorgeschrieben wird (z.B. 1. BImSchV, 7.BImSchV), – Beachten der Kriterien des Anhangs BImSchG zur Bestimmung des Standes der Technik – z.B. Ermittlung der „Art, Auswirkungen und Menge der jeweiligen Emissionen“. Mitteilungspflichten gegenüber der Behörde Für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen schreibt § 52a BImSchG (Mitteilungspflichten) für Kapitalgesellschaften, deren vertretungsberechtigtes Organ aus mehreren Mitgliedern besteht, Mitteilungen an die zuständige Behörde mit Benennung des im Organ verantwortlichen Betreibers und Angaben zur Betriebsorganisation vor. Emissionserklärung Für genehmigungsbedürftige Anlagen sind der nach Landesrecht zuständigen Behörde Angaben darüber zu machen, welche Luftverunreinigungen von der Anlage nach – Art, Menge, – räumlichen und zeitlichen Verteilung und – unter welchen Austrittsbedingungen in einem bestimmten Zeitraum ausgegangen sind. Die Emissionserklärung soll die Aufstellung eines Emissionskatasters in den durch Rechtsverordnung festgesetzten Untersuchungsgebieten ermöglichen und dient der Behörde gleichzeitig als Überwachungsinstrument. Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus dem BImSchG; insbesondere § 27 – Emissionserklärung – in Verbindung mit der 4. BImSchV und der Emissionserklärungsverordnung (11. BImSchV). Der Inhalt einer Emissionserklärung ist in den Anhängen 1 und 2 zur 11. BImSchV dargestellt.
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Umweltschutz
Zur Abgabe der Emissionserklärung ist verpflichtet, wer die Anlage im Erklärungszeitraum betrieben hat. Bei einem Betreiberwechsel hat jeder Betreiber für den Teil des Kalenderjahres, in dem die Anlage von ihm betrieben wurde, die Erklärung abzugeben, sofern keine gemeinsame Emissionserklärung abgegeben wird. Für die erklärungspflichtigen Anlagen wurde als Erklärungszeitraum das geradzahlige Kalenderjahr festgelegt (alle 2 Jahre ab 1992). Die Emissionserklärung ist vom Betreiber jeweils bis zum 30. April des dem Erklärungszeitraum folgenden Kalenderjahres abzugeben (jeweils ungerade Jahreszahl). Die Emissionserklärung ist (nach § 5 der 11. BImSchV) alle 4 Jahre nach den Anforderungen der 11. BImSchV zu ergänzen. Verfahren zur Ermittlung der Emissionen sind in der 11. BImSchV genauer dargestellt. Genehmigungsbedürftige Anlage stilllegen Die Einstellung des Betriebs (Stilllegung) einer genehmigungsbedürftigen Anlage ist der zuständigen Behörde unter Angabe des Zeitpunktes der Einstellung unverzüglich anzuzeigen. Hat ein Betreiber die Absicht, den Betrieb einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage einzustellen, so muss er dies unverzüglich der Überwachungsbehörde unter Bekanntgabe des Zeitpunkts der Betriebseinstellung anzeigen (§ 5 Abs. 3 BImSchG). Die Anzeigepflicht betrifft die in der 4. BImSchV genannten Anlagen. Eine Pflicht zur Anzeige besteht auch bei der Stilllegung von Anlagen, die als gemeinsame Anlage gemäß § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV genehmigungsbedürftig sind, sowie von Teilen solcher oder Nebeneinrichtungen, bei denen die gesonderte Genehmigungsbedürftigkeit lediglich aufgrund von § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV entfallen ist. Betriebsbereiche (Störfallverordnung – 12. BImSchV) Ermittelte störfallrelevante Betriebsbereiche sind der zuständigen Behörde durch den
Betreiber schriftlich anzuzeigen. Ein Betriebsbereich ist (nach § 3 Abs. 5a BImSchG) definiert als „der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen und Tätigkeiten einschließlich Lagerung in Mengen tatsächlich vorhanden sind (oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden), soweit davon auszugehen ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei einem außer Kontrolle geratenen industriellen chemischen Verfahren anfallen“. Dieser fällt in den Anwendungsbereich der Störfallverordnung, wenn gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 4 (der 12. BImSchV) genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten. Der Betreiber eines störfallrelevanten Betriebsbereiches hat ein schriftliches Konzept zur Verhinderung von Störfällen sowie Darlegungen zum Sicherheitsmanagement (Sicherheitsbericht) auszuarbeiten, die Umsetzung des Konzeptes sicherzustellen und für die zuständigen Behörden verfügbar zu halten.
16.2.5 Trinkwasserfüllanlagen Die Anforderungen an das Betreiben von ortsfesten Anlagen zur Trinkwasserversorgung von Schienenfahrzeugen im Bereich der Eisenbahnen des Bundes (Trinkwasserfüllanlagen) sind in Anhang I der Verwaltungsrichtlinie des EBA vom 01.07.2004 zur Wahrnehmung der behördlichen Aufsicht gemäß § 72 Infektionsschutzgesetz festgelegt. Demnach ist dem EBA die geplante Errichtung, die erstmalige Inbetriebnahme und die Wiederinbetriebnahme einer Trinkwasserfüllanlage spätestens 4 Wochen vorher anzuzeigen. Des Weiteren sind bauliche Änderungen an wasserführenden Teilen, die eine Auswirkung auf die Wasserbeschaffenheit haben können, und der Übergang des Eigentums oder der Nutzungsrechte auf eine andere Person anzuzeigen.
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
Es ist eine Betriebsanweisung auf Grundlage der VwRili des EBA (Anhang I) zu erstellen. Die mit der Bedienung der Anlage beauftragten Personen sind vor Inbetriebnahme und anschließend jährlich zu unterweisen und die Unterweisung zu dokumentieren. Die Überprüfung der Wasserversorgungsanlagen ist gemäß VwRili des EBA (und bei Anlagen der DB AG auch gemäß Hygieneüberwachungsprogramm der DB) durchzuführen. Es sind mikrobiologische Trinkwasseruntersuchungen bei – WFA bis 5 Trinkwasserfüllstellen: 1 Probe/Trinkwasserfüllstelle/Halbjahr – WFA bis 10 Trinkwasserfüllstellen: je 1 Probe an 5 Trinkwasserfüllstellen/Halbjahr
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– WFA ab 11 Trinkwasserfüllstellen: je 1 Probe an 50% der Füllstellen/Halbjahr. und eine chemische Untersuchung pro Trinkwasserfüllanlage durchzuführen. Bei Inbetriebnahme der Anlage sind die Untersuchungsergebnisse dem EBA vorzulegen. Die Desinfektion der Trinkwasserschläuche ist halbjährlich auf Grundlage der Verwaltungsrichtlinie des EBA durchzuführen (Nachweisführung). Das EBA führt eine Prüfung der Wasserfüllanlage durch. Die Dokumente sind vom Betreiber und vom EBA 10 Jahre aufzubewahren. Bei Nichteinhaltung der mikrobiologischen bzw. chemischen Parameter (s. Tabelle 16.8) ist gemäß dem gesetzlich geforderten Maßnahmeplan (nach §16 (3) TrinkwV), der im Hygi-
Tabelle 16.8 Mikrobiologische und chemische Trinkwasseruntersuchungen bei ortsfesten Trinkwasserfüllanlagen Parameter
Grenzwert (nach TrinkwV 2001) Untersuchungsturnus
I. Routinemäßige Untersuchungen Coliforme Keime
0/100 ml
halbjährlich
Escherichia coli
0/100 ml
halbjährlich
Koloniezahl bei 20 °C
100/1 ml
halbjährlich
Koloniezahl bei 36 °C
100/1 ml
halbjährlich
m-1
Färbung
0,5
Trübung
1,0 NTU (nephelometrische Trübungseinheiten)
halbjährlich
Wasserstoffionen-Konzentration
≥ 6,5 und ≤ 9,5 pH-Einheiten
halbjährlich
Elektrische Leitfähigkeit
2500 µS/cm bei 20 °C
halbjährlich
Enterokokken
0/100 ml
halbjährlich
Eisen
0,2 mg/l
halbjährlich
Benzo-(a)-pyren
0,00001 mg/l
jährlich
Blei
0,01 mg/l
jährlich
Epichlorhydrin
0,0001 mg/l
jährlich
Mangan
0,05 mg/l
jährlich
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
0,0001 mg/l
jährlich
Trihalogenmethane
0,05 mg/l
jährlich
Vinylchlorid
0,0005 mg/l
jährlich
halbjährlich
II. Periodische Untersuchungen
766
16
Umweltschutz
eneüberwachungsprogramm der DB enthalten ist) vorzugehen. Die vollständige oder teilweise Stilllegung einer Wasserversorgungsanlage ist dem EBA innerhalb von 3 Tagen anzuzeigen.
16.2.6 Strahlenschutzrelevante Anlagen Rechtsgrundlagen und Regelwerk Die wesentlichen rechtlichen Grundlagen des Strahlenschutzes sind – Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz – AtG) mit den darauf gründenden Rechtsverordnungen, – Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und – Röntgenverordnung (RöV). Aufbauorganisation des Strahlenschutzes Im Strahlenschutz sind folgende wesentliche Funktionen definiert: Strahlenschutzverantwortlicher (SSV) ist gemäß § 31 StrlSchV, wer einer Genehmigung zum Umgang (u.a. Gewinnung, Erzeugung, Lagerung, sonstige Verwendung und Beseitigung von radioaktiven Stoffen) bedarf oder eine Anzeige zu erstatten hat und gemäß § 13 RöV, wer einer Genehmigung zum Betreiben einer Röntgeneinrichtung bedarf oder eine Anzeige zu erstatten hat. Der SSV ist eine natürliche Person mit Geschäftsführungsbefugnis (Mitglied eines Vorstandes oder einer Geschäftsführung). Der Strahlenschutzbevollmächtigte (SSBv) ist eine vom Strahlenschutzverantwortlichen (SSV) gemäß § 164 BGB schriftlich benannte Person, die mit der Durchführung der Aufgaben des SSV beauftragt ist. Der SSBv besitzt Weisungsrecht, organisiert und kontrolliert den Strahlenschutz. Strahlenschutzbeauftragte (SSBa) sind gemäß § 31 StrlSchV oder § 13 RöV schriftlich vom SSBv bestellte Mitarbeiter, die für den Strahlenschutz im Rahmen ihres betrieblichen Entscheidungsbereiches verantwortlich und weisungsbefugt sind.
Physikalische Grundlagen Die Atomkerne bestimmter chemischer Elemente haben die Eigenschaft, sich von selbst, ohne äußere Einwirkung, umzuwandeln. Dabei wird energiereiche Strahlung ausgesandt. Diese Eigenschaft wird als Radioaktivität und solche chemischen Elemente werden als radioaktiv bezeichnet. Die Geschwindigkeit des Zerfalls sowie die Art und Energie der dabei ausgesandten Strahlung sind für jedes dieser radioaktiven Elemente spezifisch und nicht beeinflussbar. Die Strahlung ist ständig vorhanden; sie lässt sich nicht abschalten; ist nicht direkt wahrnehmbar (außer an ihrer späteren Wirkung), sondern nur mit speziellen Detektoren bzw. Messgeräten nachzuweisen. Energiereiche Strahlung besitzt die Fähigkeit, die Atome der Materie zu ionisieren (elektrisch leitend machen). Bei diesem Ionisierungsvorgang werden Elektronen von der Hülle der getroffenen Atome abgelöst. Diese Elektronen lagern sich an neutrale Atome oder Moleküle an, so dass sich positive und negative Ionen bilden. Die freiwerdende Strahlung wird im Wesentlichen in Alpha (α)-, Beta (β)-, Gamma (γ)und Neutronen (n)- Strahlung unterschieden. Röntgenstrahlung wird in speziellen Einrichtungen (z.B. Röntgenröhre) erzeugt und entsteht, wenn beschleunigte Elektronen hoher Energie auf Materie treffen und abgebremst werden. α-Strahlen bestehen aus beschleunigten Heliumkernen und besitzen eine positive Ladung. Sie haben nur eine geringe Reichweite (z.B. in Luft etwa 40–60 mm). Entsprechend gering ist ihre Durchdringungsfähigkeit bei anderen Stoffen. Bereits die Dicke einer Postkarte genügt zur Abschirmung. β-Strahlen sind schnell bewegte Elektronen und werden beim radioaktiven Zerfall des Atomkerns gebildet. Ihre Reichweite in der freien Luft beträgt bis zu einige Meter. Zur voll-
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
ständigen Abschirmung genügen einige Millimeter Plexiglas oder Aluminium. γ-Strahlen sind elektromagnetische Wellen hoher Energie. Während α- und β-Strahlen ihre Energie längs ihrer Bahn durch sehr viele Ionisierungsvorgänge abgeben, verlieren die γ-Strahlen durch einzelne Elementarprozesse ihre Energie. Die γ-Strahlen haben aus diesem Grund eine sehr große Durchdringungsfähigkeit. Sie lassen sich nur durch Material hoher Dichte (z.B. Blei) ausreichend abschirmen. n-Strahlen entstehen bei Kernprozessen. Sie bestehen aus elektrisch neutralen Teilchen. Beim Durchgang durch Materie treten sie in Wechselwirkung mit den Atomkernen und ionisieren auf indirektem Wege. Neutronenstrahlung hat in der Luft eine Reichweite von einigen hundert Metern. Ihre Durchdringungsfähigkeit des menschlichen Gewebes entspricht etwa der von γ-Strahlung. Röntgenstrahlung ist eine kurzwellige, durchdringende, elektromagnetische Strahlung. Die Durchdringungsfähigkeit des menschlichen Gewebes entspricht etwa der von γ-Strahlung. Umgang mit Ionisationsrauchmeldern Organisationseinheiten der Eisenbahn-Infrastruktur sind in Zusammenhang mit Strahlenschutz im Wesentlichen bei installierten Brandmeldeanlagen mit Ionisationsrauchmeldern (IRM) betroffen. Diese Melder enthalten zur Ionisierung der in ihren Kammern befindlichen Luft einen schwach radioaktiven Stoff (vorwiegend Americium -(Am) 241 oder Radium- (Ra) 226). Bei Eindringen von Rauchaerosolen in die Messkammer wird der elektrische Normwert verändert und ein Alarm ausgelöst. Aufgrund ihrer Detektoreigenschaften (gute Ansprechwahrscheinlichkeit für alle Brände) werden IRM überall dort eingesetzt, wo aufgrund des voraussichtlichen Brandverlaufs keine anderen Detektoren zu empfehlen sind.
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Dies trifft besonders auf Schwelbrände in elektrischen Schalträumen und Kabelkanälen zu, da IRM auch auf unsichtbaren Rauch reagieren. Umgang mit Isotopensonden Isotopensonden dienen der schnellen Qualitätskontrolle insbesondere auf Baustellen zur Überprüfung der Verdichtung von Planumschutzschichten und dem Feuchtigkeitsgehalt im Boden. Bei diesen Sonden handelt es sich um vollautomatische mit einem Mikroprozessor ausgestattete kombinierte Aufsetz- und Einstichsonden. Die radioaktiven Strahlenquelle Cäsium-137 als γ-Strahler zur Messung der Bodendichte ist in der Spitze des ausfahrbaren Sondenstabes untergebracht. Die Americium-241/Beryllium Quelle als Neutronenstrahler zur Bestimmung des Feuchtegehaltes des Bodens ist im Sondengehäuse untergebracht. Das Messprinzip beruht zum einen auf der Absorption von Gamma-Strahlung und zum anderen auf der Moderation und Rückstreuung von Neutronen. Betrieb von Röntgeneinrichtungen Röntgeneinrichtungen werden u.a. zur Grobstrukturanalyse eingesetzt. Mit Hilfe der erzeugten Röntgenstrahlen können Materialfehler in Schweißverbindungen von Bauteilen an Fahrzeugen sowie Brücken bzw. Stahlbauten bestimmt werden.
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16
Umweltschutz
Tabelle 16.9 Anforderungen im Zusammenhang mit IRM Strahlenschutzbeauftragter
Für den Umgang mit IRM ist ein Strahlenschutzbeauftragter (SSBa) zu bestellen. Die erforderliche Fachkunde (Fachkundegruppe S 1.3) wird durch einen 14- stündigen Lehrgang mit Abschlussprüfung erlangt und muss alle 5 Jahre aktualisiert und nachgewiesen werden.
Qualifikation der Mitarbeiter
Tätigkeiten mit IRM dürfen nur von Mitarbeitern durchgeführt werden, die im Strahlenschutz unterwiesen sind und denen für diese Tätigkeit ein Strahlenschutzmerkblatt ausgehändigt wurde.
Bauartzulassung
Es sollten nur solche IRM verwendet werden, für die eine Bauartzulassung gemäß § 25 StrlSchV erteilt wurde. Der Einbau von IRM ohne Bauartzulassung bedarf einer Genehmigung. Installierte IRM, deren Bauartzulassung abgelaufen ist, dürfen aber weiter in der Brandmeldeanlage verwendet werden.
Genehmigung
Für Ein-, Ausbau, Wartung und Lagerung von IRM ist eine Genehmigung nach § 7 StrlSchV erforderlich.
Kennzeichnung
In der Regel erfolgt die Kennzeichnung der IRM mit Strahlenzeichen, dem Wort „Radioaktiv“, der Angabe von Aktivität und Radionuklid durch den Hersteller.
Tätigkeitsverbot
Die IRM dürfen nicht geöffnet und baulich verändert werden, da eine Gefährdung durch Aufnahme von radioaktiven Stoffen über Mund und Atemwege nicht auszuschließen ist.
Beauftragung Dritter
Mit Wartungs- und Instandhaltungstätigkeiten dürfen nur solche Firmen beauftragt werden, die für diese Tätigkeit eine gültige Umgangsgenehmigung nach § 7 StrlSchV vorweisen können.
Nutzung von Räumen mit IRM/Kennzeichnung
Räume, in denen bauartzugelassene IRM bestimmungsgemäß betrieben werden, sind nicht zu kennzeichnen und unterliegen aus Gründen des Strahlenschutzes keiner Nutzungsbeschränkung.
Beförderung
Die Beförderung von IRM ist genehmigungsfrei. Die Bestimmungen des Gefahrgutrechts sind einzuhalten.
Buchführung
Über IRM ist Buch zu führen. Die Buchführung umfasst Erwerb, Abgabe bzw. Übergabe (einschl. Entsorgung) sowie Lagerbestand.
Verhalten bei Vorkommnissen
Bei Vorkommnissen (z.B. Diebstahl, Brand, Wasser oder sonstige Beschädigungen) ist der zuständige Strahlenschutzbeauftragte unverzüglich zu informieren. Beschädigte oder mechanisch zerstörte IRM sind unter Verwendung von Handschuhen in Plastikbeuteln einzusammeln und zusammen mit diesen Handschuhen sicherzustellen.
Entsorgung
IRM, die nicht mehr verwendet werden, sind dem radioaktiven Abfall zuzuführen. Die Abgabe von IRM erfolgt an die Hersteller- oder Lieferfirma oder an die entsprechende Landessammelstelle.
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
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Tabelle 16.10 Anforderungen beim Umgang mit Isotopensonden Strahlenschutzbeauftragter/Qualifikation
Für Umgang und Lagerung von Isotopensonden sind SSBa zu bestellen. Die erforderliche Fachkunde richtet sich nach den verwendeten Nukliden und Aktivitäten. Für die bei der DB AG eingesetzten Sonden sind z.Z. folgende Fachkundegruppen nachzuweisen: Die bisher erworbene Fachkunde (Fkg S2.1–14 Unterrichtsstunden) gilt unbefristet weiter. Durch die, ab dem 01.10.2004 geänderte Fachkunde – Richtlinie – Technik, ist durch einen 39-stündigen Lehrgang die Fachkunde (Fkg S2.3) zu erwerben. Beide Fkg müssen alle 5 Jahre aktualisiert und nachgewiesen werden.
sonst tätige Personen
Mit Isotopensonden dürfen nur Mitarbeiter umgehen, die im Strahlenschutz unterwiesen wurden.
Genehmigung
Für den Umgang und Lagerung ist eine Genehmigung nach § 7 StrlSchV erforderlich.
Kennzeichnung
Die Kennzeichnung erfolgt durch die Herstellerfirma mit dem Strahlenzeichen und dem Wort „Radioaktiv“. Der Zugang zum Lagerraum ist durch ein Blechprägeschild mit Strahlenzeichen und dem Wort „Radioaktiv“ zu versehen.
Beförderung
Der Transport ist bis zum 107-fachen der Freigrenze nicht genehmigungsbedürftig, wenn die Beförderung spätestens zwei Wochen vorher der zuständigen Behörde angezeigt wird. Da diese Anzeigefrist im Baustellenbetrieb nicht immer einzuhalten ist, empfiehlt es sich eine Beförderungsgenehmigung zu beantragen. Das Fahrzeug und die Umpackung (Kiste) sind nach den Vorschriften der Gefahrgutverordnung Straße/Eisenbahn zu kennzeichnen.
Ermittlung der Personendosis
Beim Umgang mit Isotopensonden sind von den Mitarbeitern Film- und Stabdosimeter zu tragen.
Buchführung
Über Messeinsätze und die ermittelte Personendosis ist Buch zu führen
Verhalten bei Vorkommnissen
Bei Vorkommnissen (z.B. Diebstahl, Beschädigung) ist der zuständige Strahlenschutzbeauftragte bzw. die zuständige Aufsichtsbehörde und der Konzernstrahlenschutz der DBAG in Minden unverzüglich zu informieren.
Dichtheitsprüfung
Jährlich ist eine Dichtheitsprüfung von einer behördlich zugelassenen Stelle durchzuführen. Bei Verdacht auf Beschädigungen des Gamma-Strahlers ist vor der Weiterverwendung eine Dichtheitsprüfung zu veranlassen.
Entsorgung
Isotopensonden werden an die Herstellerfirma zurückgegeben.
Verhalten auf der Baustelle
Bei Messeinsätzen auf der Baustelle ist den Anweisungen des Betreibers Folge zu leisten. Der Strahlenschutzbeauftragte muss beim Einsatz (je nach Genehmigungsauflage) anwesend bzw. kurzfristig erreichbar sein.
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16
Umweltschutz
Tabelle 16.11 Anforderungen für den Betrieb von Röntgeneinrichtungen Strahlenschutzbeauftragte
Für den Betrieb von Röntgeneinrichtungen sind SSBa zu bestellen. Die erforderliche Fachkunde (Fkg R1.1 bzw. R1.2) wird durch einen 40-stündigen bzw. 32- stündigen Lehrgang mit Abschlussprüfung erlangt und muss alle 5 Jahre aktualisiert und nachgewiesen werden. SSBa muss bei ortsveränderlichem Röntgen anwesend sein.
sonst tätige Personen (Röntgenprüfer)
Röntgeneinrichtungen dürfen nur von Röntgenprüfer, die im Strahlenschutz unterwiesen wurden, betrieben werden.
Genehmigung
Der Betrieb von Röntgeneinrichtungen bedarf der Genehmigung nach § 3 RöV
Meldungen
Der ortsveränderliche Betrieb ist entsprechend der Meldefrist den zuständigen Aufsichtsbehörden mitzuteilen.
Kontroll- und Der Kontrollbereich (effektive Dosis > 6 mSv im Kalenderjahr) ist mit einem Überwachungsbereiche geeichten Dosisleistungsmessgerät auszumessen, abzugrenzen und mit Strahlenzeichen und den Worten „Kein Zutritt – Röntgen“ zu kennzeichnen; Überwachungsbereich (effektive Dosis > 1 mSv im Kalenderjahr) ist festzulegen. Personendosismessung An Personen, die sich im Kontrollbereich aufhalten ist die Körperdosis zu ermitteln. Es sind amtliche Dosimeter (Filmdosimeter) und zusätzlich Stabdosimeter zu tragen. Buchführung
Über den Betrieb der Röntgeneinrichtung und die ermittelte Personendosis ist Buch zu führen.
Anweisungen
Den Anweisungen des SSBa und der Röntgenprüfer ist Folge zu leisten
16.2.7 Elektromagnetische Verträglichkeit Das Themengebiet „Elektromagnetische Verträglichkeit im Bahnbereich“ lässt sich anhand der zu erfüllenden Schutzziele in mehrere Teilbereiche untergliedern: – Verträglichkeit der Komponenten und Geräte eines Fahrzeuges untereinander, so dass das Fahrzeug bestimmungsgemäß eingesetzt werden kann (Abschn. 16.2.7.1, Schlagwort „EN50121“) – Verträglichkeit der Komponenten, Geräte und Anlagen der Infrastruktur untereinander, so dass die Infrastruktur bestimmungsgemäß arbeiten kann (Abschn. 16.2.7.1, 16.2.7.2, Schlagworte „EN50121“, „Beeinflussung von LST-Anlagen durch Bahnstrom“) – Störaussendung von Fahrzeugen in die Außenwelt (Abschn. 16.2.7.1, Schlagwort „EN50121“) – Störaussendung der Eisenbahn-Infrastruktur in die Außenwelt (Abschn. 16.2.7.1, Schlagwort „EN50121“)
– Sicheres und hochverfügbares internes Zusammenwirken von Fahrzeugen mit der Bahn-Infrastruktur (Abschn. 16.2.7.3, Schlagwort „Beeinflussung von Gleisfreimeldeeinrichtungen“) – Begrenzung der Störauswirkungen der Bahn zum Schutz anderer paralleler Infrastrukturen wie z.B. Telekommunikations- oder Rohrleitungen (Abschn. 16.2.7.2, Schlagwort „Beeinflussung durch Bahnstrom“). Ein weiteres Schutzziel ist der Personenschutz. Einige Auswirkungen des 16,7-Hz-Bahnstromes auf Personen sind im Abschn. 16.2.7.2 aufgeführt. Nicht alle Themen können an dieser Stelle umfassend dargestellt werden, es kann hier nur auf die ganz wesentlichen Grundlagen eingegangen werden. Generell eingeschätzt werden kann, dass durch die Zunahme des Einsatzes – moderner Umrichter für Antrieb und Hilfsenergieversorgung von Fahrzeugen mit immer höheren Taktraten und steileren Schaltflanken,
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
– zusätzlicher Sekundärsysteme, die dem Fahrgastkomfort sowie der Information des Fahrgastes dienen und – der mobilen Kommunikation in der Gesellschaft die Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit in der Zukunft immer mehr an Gewicht gewinnt. 16.2.7.1 EMV im hochfrequenten Bereich Allgemeines Unter Elektromagnetischer Verträglichkeit (EMV) zweier oder mehrerer elektrischer Geräte (oder Einrichtungen) untereinander versteht man die ungewollte Beeinflussung, bzw. Nichtbeeinflussung mittels elektrischeroder magnetischer Felder sowie durch elektrische Spannungen und Ströme. Allgemein kann eine derartige Beeinflussung einer Einrichtung durch alle ihre Anschlüsse, sowie durch ihr Gehäuse selbst erfolgen. Als Anschlüsse der Einrichtung wiederum gelten: 1. Wechselspannungsanschlüsse, 2. Gleichspannungsanschlüsse, 3. Eingänge, 4. Ausgänge, 5. Erdungsanschlüsse. Die gegenseitige Beeinflussung hängt dabei von der Störfestigkeit und der Störaussendung der beteiligten Gerate (oder Einrichtungen) sowie von deren Verkopplung untereinander ab. Um ungewollte Beeinflussungen elektrischer Einrichtungen untereinander zu vermeiden und somit einen störungsfreien Betreib der Geräte (oder Einrichtungen) zu ermöglichen, wird die Mindeststörfestigkeit und die Maximalstöraussendung von Geräten und Einrichtungen durch Normen auf nationaler und internationaler Ebene geregelt. Im nachfolgenden Abschnitt wird näher auf die EMV-Normenreihe für Bahnanwendungen eingegangen.
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EMV-Normen EN 50121 und IEC 62236 Anfang der 90er Jahre wurde begonnen, bei CENELEC auf europäischer Ebene eine EMVNorm für Bahnanwendungen zu entwickeln, die dann modifiziert als Weltnorm bei IEC übernommen wurde. Die europäische Normenreihe trägt die Bezeichnung EN 50121 „Bahnanwendungen Elektromagentische Verträglichkeit“, die Normenreihe auf Weltebene IEC 62236 „Railway Applications – Electromagnetic Compatibility“. Beide Normenreihen bestehen aus sechs Teilen und unterscheiden sich nur geringfügig voneinander. Im Einzelnen besteht die Normenreihe EN 50121 aus folgenden Teilnormen: – EN 50121-1, Teil 1: Allgemeines Dieser Teil enthält eine Beschreibung des elektromagnetischen Verhaltens einer Bahn und legt für die gesamte Norm die Bewertungskriterien für das Betriebsverhalten fest. Ein Planverfahren für die Sicherstellung der EMV an der Schnittstelle der Bahninfrastruktur und den Zügen wird ebenfalls festgelegt. – EN 50121-2, Teil 2: Störaussendungen des gesamten Bahnsystems in die Außenwelt Dieser Teil legt die Grenzwerte für hochfrequente Störaussendungen der Bahn in die Außenwelt fest. Er beschreibt die anzuwendenden Messverfahren und enthält Informationen über typische Feldstärken verschiedener Traktionssysteme (z.B. 15 kV 16,7 Hz; 25 kV 50 Hz). – EN 50121-3-1, Teil 3-1: Bahnfahrzeuge – Zug und gesamtes Fahrzeug Dieser Teil legt die Anforderungen zur Störaussendung und Störfestigkeit für alle Arten von Schienenfahrzeugen fest. Er deckt sowohl Triebfahrzeuge und Züge, als auch unabhängige gezogene Fahrzeuge ab. – EN 50121-3-2, Teil 3-2: Bahnfahrzeuge – Geräte Dieser Teil legt Anforderungen an die Störaussendungen und Störfestigkeit von elektrischen und elektronischen Geräten (Einrichtungen), die zur Verwendung an
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16
Umweltschutz
Bord von Schienenfahrzeugen vorgesehen sind, fest. – EN 50121-4, Teil 4: Störaussendungen und Störfestigkeit von Signal- und Telekommunikationseinrichtungen Dieser Teil legt die Anforderungen an die Störaussendungen und Störfestigkeit von Signal- und Telekommunikationseinrichtungen für den Bahnbetrieb fest. – EN 50121-5, Teil 5: Störaussendungen und Störfestigkeit von ortsfesten Anlagen und Einrichtungen der Bahnenergieversorgung Dieser Teil legt die die Anforderungen an die Störaussendungen und Störfestigkeit von ortsfesten Anlagen und Einrichtungen der Bahnenergieversorgung fest. Neben den Vorschriften dieser Normenreihe sind für einen beeinflussungsfreien Betrieb der einzelnen Einrichtungen weitere Maßnahmen zu beachten, auf die im nachfolgenden Abschnitt näher eingegangen wird. Zusätzliche EMV-Anforderungen Als weitere wichtige Anforderung ist die Funkverträglichkeit zu nennen, die sich aus der Norm EN 50121-3-1 ergibt. Sie betrifft sowohl die Störaussendungen der Geräte und Einrichtungen, die an Bord von Schienenfahrzeugen eingesetzt werden, als auch das Schienenfahrzeug als ganzes selbst. Die Funkverträglichkeit soll den störungsfreien Betrieb der Signal- und Telekommunikationseinrichtungen gewährleisten, d.h. die bahnbetrieblichen Kommunikationsfunkbereiche schützen. Darunter fallen Funkbereiche für den Rangierbetrieb, für die Wartung und Instandhaltung, Lokomotivenfernsteuerung, sowie den analogen- und digitalen Zugfunk. Da die hierfür verwendeten Funkbereiche von Land zu Land variieren, gelten für jedes Land eigene Vorschriften hinsichtlich der Frequenzbereiche und der Messanordnung. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist als Netzzugangskriterium des jeweiligen Landes einzustufen. Bei der Anbringung von Funkantennen an oder in Schienenfahrzeugen ist auf die gegen-
seitige Entkopplung der Antennen zu achten, um einen beeinträchtigungsfreien Betrieb der verschiedenen Funksysteme auf den Schienenfahrzeugen gewährleisten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Fahrzeuge auch gekuppelt in Mehrfachtraktion fahren können. Die Anforderungen an die Entkopplungen der unterschiedlichen Funksysteme zueinander ergeben sich aus den hochfrequenztechnischen Eigenschaften der beteiligten Funksysteme sowie den verwendeten Antennentypen. 16.2.7.2 Beeinflussung von Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik durch Bahnströme Bahnströme können bahneigene Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik sowie Anlagen Dritter, z.B. Telekommunikationsanlagen oder Rohrleitungen, beeinflussen. In diesem Abschnitt beschränken wir uns im Wesentlichen auf die Beeinflussung bahneigener Anlage. Weiterführende Hinweise zur Beeinflussung Dritter finden sich am Ende dieses Abschnittes. Ursache der Beeinflussung Wird ein Verbraucher an eine Spannungsquelle angeschlossen, fließt Strom. Mit dem Stromfluss entsteht ein magnetisches Feld, dessen Feldlinien kreisförmig um den stromdurchflossenen Leiter angeordnet sind. Beim elektrischen Zugbetrieb wird über ein Unterwerk (Uw) oder einen Schaltposten (Sp) Strom in die Oberleitung zum Verbraucher Zug (Lokomotive) eingespeist. Der Rückstrom fließt über die Schienen an das Uw oder den Sp zurück. Durch den Strom in der Oberleitung und den Rückstrom in den Schienen entstehen zwei, aus der unterschiedlichen Stromrichtung resultierende, überlagerte magnetische Felder, s. Abb. 16.5. Diese Magnetfeldlinien greifen auch durch die Fläche, die zwischen einem parallel zur elektrifizierten Bahnstrecke verlegten Signalkabel und Erde aufgespannt ist, s. Abb. 16.6. Dadurch wird zwischen den Enden jeder Signalkabelader eine (Längs-)Spannung
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
773
Abb. 16.5 Felder im Bahnbetrieb (Bild aus dem Internet)
Abb. 16.6 Mögliche Auswirkungen unzulässig hoher Beeinflussungsspannungen
induziert. Wenn an einem Kabelende ein Erdfehler (z.B. Durchschlag gegen Erde) auftritt, dann liegt am anderen Ende die induzierte Spannung in voller Höhe als (Quer-)Span-
nung zwischen der beeinflussten Kabelader und Erde an. Die Beeinflussungsspannung beansprucht die Kabelisolation und die angeschlossenen Geräte und Einrichtungen und kann den Menschen gefährden, wie in den folgenden Abbildungen dargestellt. Bei gleichzeitigem Vorhandensein von einer unbeabsichtigten leitenden Verbindung zwischen beeinflusster Ader und Erde (Erdfehler) einerseits und einer großen Beeinflussungsspannung andererseits kann ein Strom induziert werden, der zu Fehlreaktionen z.B. eines Relais in der Stellwerksanlage führen könnte. Die in Abb. 16.6 dargestellten Fälle müssen verhindert werden, indem bestimmte Grenzwerte der Beeinflussungsspannung eingehalten werden. Die allgemeinen Grundlagen und weiterführende Informationen sind in der VDE 0228 „Maßnahmen bei Beeinflussung von Fernmeldeanlagen durch Starkstromanlagen“
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Umweltschutz
sowie in den „Technischen Empfehlungen“ der von Betreibern von Bahn-, Telekommunikations- und 50-Hz-Energieübertragungsanlagen gegründeten „Schiedsstelle für Beeinflussungsfragen“ beschrieben. Diese Technischen Empfehlungen wurden in den letzten Jahren überarbeitet und können unter www.sfb-emv. de kostenlos abgerufen werden. Die für die Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik (LST) zulässigen Grenzwerte der Beeinflussungsspannungen sowie weitere bahnspezifische Festlegungen sind in der Richtlinie 819.08 „LST-Anlagen planen; Beeinflussung und Schutzmaßnahmen“ festgeschrieben. Die Richtlinie 819.0802 schreibt folgende Nachweispflichten vor: „Ist eine induktive Beeinflussung vorhanden, muss diese bei der Planung einer Anlage der Leit- und Sicherungstechnik grundsätzlich beachtet werden. Dies gilt sowohl bei Neubau und Umbau von LST-Anlagen. An elektrifizierten Bahnstrecken ist dies grundsätzlich notwendig. Wird das beeinflussende System nachgerüstet (z.B. nachträgliche Elektrifizierung einer Strecke), muss für die Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik die induktive Beeinflussung beachtet werden. Es muss sichergestellt werden, dass durch geeignete Beeinflussungsschutzmaßnahmen die zulässigen Beeinflussungsspannungen nicht überschritten werden. Der Nachweis für die Einhaltung der zulässigen Grenzwerte der Beeinflussungsspannung ist Bestandteil der Planunterlagen einer LSTAnlage. Die angewandten Schutzmaßnahmen sind als Bestandteil der Unterlagen aufzuführen. Die Einhaltung der Grenzwerte wird vom Eisenbahn-Bundesamt überprüft.“ Da die Messung der maximalen Beeinflussungsspannung zwar grundsätzlich möglich, aber sehr aufwändig ist, wird vorrangig eine Berechnung durchgeführt. Die Vorgehensweise bei der Berechnung ist in der Richtlinie 819.0803 beschrieben.
Berechnung der Beeinflussungsspannung Die wesentlichen Einflussfaktoren für die Höhe der induzierten Beeinflussungsspannung UB sind: – Amplitude I der beeinflussenden Stromes (z.B. Fahrstrom IF bei der Langzeitbeeinflussung, Kurzschlussstrom IK bei der Kurzzeitbeeinflussung), – Frequenz f des beeinflussenden Stromes, – Abstand a zwischen dem beeinflussenden und dem beeinflussten System, – spezifische Erdleitfähigkeit N (Reziprokwert des spezifischen Erdwiderstandes), – Beeinflussungslänge ℓ, – reduzierende Faktoren r wie – rS – Anzahl der in die Rückstromführung einbezogenen Gleise/Schienen – rK – Kabel mit Induktionsschutz/Reduktionsfaktorkabel – rE – Erd- oder Rückleiterseile – rX – andere benachbarte, geerdete Leiter. Bei der Berechnung der induzierten Spannung ist das beeinflusste Kabel zunächst in Abschnitte zu unterteilen, in denen die oben genannten Einflussfaktoren jeweils als konstant angesehen werden können. Daher führen bei der praktischen Berechnung Änderungen z.B. – des Abstandes a oder – des beeinflussenden Stromes, z.B. an Unterwerksstandorten oder – der Anzahl der Gleise zur Bildung von solchen Abschnitten. Für jeden Abschnitt wird die Beeinflussungsspannung gemäß der folgenden Formel berechnet:
Dabei ist M’ die Gegeninduktivität zwischen beeinflussendem Oberleitungssystem und beeinflusstem Kabel als Funktion des Abstandes a, der spezifischen Erdleitfähigkeit N und der Frequenz f. 'ℓ ist die Abschnittslänge. Der Erwartungsfaktor w (durch diesen Faktor wird berücksichtigt, dass der Berechnung des Kurzschluss-Stromes die ungünstigsten Verhältnisse zugrunde gelegt wurden
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
und dass das gleichzeitige Zusammentreffen aller ungünstigsten Verhältnisse wenig wahrscheinlich ist) ist 0,7 bei Kurzzeitbeeinflussung und 1 bei Langzeitbeeinflussung. Für eine genauere Darstellung der Berechnung sei an dieser Stelle auf die oben genannten Richtlinien, VDE-Normen und Technischen Empfehlungen verwiesen. Zusammenfassend soll dargestellt werden, welches Mindestmaß an Informationen für eine Beeinflussungsberechnung vorhanden sein muss: – Länge ℓ der zu betrachtenden Kabelverbindung. Damit ist die längste galvanisch durchgeschaltete Verbindung gemeint. Typische Endpunkte sind Vorsignale, Weichen und Stellwerke bzw. Riegelstellen. Wenn die zu betrachtende Verbindung im Stellwerk nicht galvanisch getrennt ist, so darf das Stellwerk auch nicht als Endpunkt der zu betrachtenden Kabelverbindung angenommen werden. – Abstand a des beeinflussten Kabels zum Gleis, – Überblick über die Speiseverhältnisse sowie Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagramm für die betrachtete Strecke, siehe auch Abschnitt „Stromdiagramme“, – reduzierende Systeme und deren Faktoren rx. Die Berechnung kann als vereinfachte Überschlagsrechnung, als detaillierte Handrechnung sowie mit Hilfe von speziellen Berechnungsprogrammen durchgeführt werden. Eine Berechnung ist auch in jedem Fall erforderlich, wenn eine Veränderung der Beeinflussungsintensität durch das beeinflussende System (z.B. Stromerhöhung) oder eine Änderung von reduzierenden Faktoren (z.B. Gleisrückbau) zu erwarten ist. Grenzwerte Die Beeinflussungsspannung darf die zulässigen Grenzwerte nicht überschreiten. In der Richtlinie 819.0804 sind die Werte für die verschiedenen LST-Techniken angegeben.
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Bei neueren LST-Anlagen müssen mindestens folgende Beeinflussungsspannungen zulässig sein: – Langzeitbeeinflussung: 250 V, – Kurzzeitbeeinflussung: 1500 V. Diese Grenzwerte sind Anlagenschutzwerte. Die Personenschutzgrenzwerte liegen deutlich niedriger. Bei Arbeiten an beeinflussten Anlagen sind die Vorgaben der Gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften zu beachten (z.B. GUV-V A3 – Elektrische Anlagen und Betriebsmittel). Schutzmaßnahmen Ergeben die Berechnungen eine zu hohe Beeinflussungsspannung, müssen Schutzmaßnahmen gemäß Richtlinie 819.0805 durchgeführt werden. Diese werden in die nochmalige Berechnung einbezogen und müssen die Beeinflussungsspannung auf die zulässigen Grenzwerte reduzieren. Folgende Schutzmaßnahmen sind im Bahnbereich sinnvoll und können angewendet werden: – Verkürzung der Beeinflussungslänge, z.B. durch Einsatz von Wandlern in der Stellwerks-Stromversorgung oder von Trennübertragern, – Einsatz von Kabeln mit Induktionsschutz. Der Metallmantel dieser Kabel muss beidseitig geerdet werden, um wirksam zu sein, – Einsatz oder Berücksichtigung anderer geerdeter Leiter, die eine Reduktionswirkung erzeugen, – Einsatz von Überspannungsableitern unter Beachtung der bahnspezifischen Bedingungen, – Einsatz von anderen Techniken, die eine höhere Beeinflussungsspannungen zulassen, – befristete betriebliche Maßnahmen. Die Schutzmaßnahmen müssen bereits bei der Planung zusätzlich vorgesehen werden. Vorhandene Maßnahmen mit geeigneter Schutzwirkung können bei der Planung einbezogen
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werden. Schutzmaßnahmen sind nach technisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten auszuwählen. Ausreichende Schutzmaßnahmen müssen realisiert sein, bevor die beeinflussende Anlage in Betrieb genommen bzw. bevor eine LST-Anlage unzulässig beeinflusst wird. Stromdiagramme Als Basis für eine Beeinflussungsberechnung dienen die für die verschiedenen elektrifizierten Streckenabschnitte vorzuhaltenden Fahr- und Kurzschluss-Strom-Diagramme. Diese Diagramme sind bereits während der Planungen, also vor dem Bau einer Strecke oder vor einer Elektrifizierung zu erstellen. Für die DB AG werden diese Diagramme für alle elektrifizierten Strecken in Deutschland vom Bereich Technik und Beschaffung, DB Systemtechnik, durch die OE TZF 15 erstellt. Wie diese Diagramme zu erstellen sind, ist in der DIN VDE 0228 mit dem Titel „Maßnahmen bei Beeinflussung von Fernmeldeanlagen durch Starkstromanlagen“ mit den Teilen 1 und 3 geregelt: – DIN VDE 0228 Teil 1 Allgemeine Grundlagen – DIN VDE 0228 Teil 3 Beeinflussung durch Wechselstrom-Bahnanlagen Um ein Diagramm erstellen zu können, ist es erforderlich, die Ströme, die in einem Streckenabschnitt zwischen zwei Einspeisepunkten maximal fließen können, hinreichend genau zu kennen. Dabei ist der Fahrstrom, also der Strom, der von allen im Streckenabschnitt befindlichen Fahrzeugen benötigt wird, zu betrachten und im Weiteren der KurzschlussStrom, der an einem beliebigen Ort im Streckenabschnitt durch eine Störung im System auftreten kann. Durch die Planer einer Baumaßnahme sind für die Diagrammerstellung weitere wichtige Eingangs-Informationen zur Verfügung zu stellen: Die Antworten auf folgende Frage beschreiben die betriebliche Situation:
– Eingleisiger, zweigleisiger, mehrgleisiger Abschnitt? – Welche Triebfahrzeuge und Zuggattungen sind unterwegs (z.B. S-Bahn, Reisezüge, Güterzüge)? – Einfachtraktion, Mehrfachtraktion? – Fahrplantakt? – Gleichzeitige Beschleunigungsvorgänge? Die Antworten auf folgende Fragen beschreiben die technische Situation: – Durch welche Uw bzw. Sp wird der Streckenabschnitt mit Energie versorgt? – An welcher Stelle befindet sich die Einspeisung in die Oberleitung (z.B. Streckenkilometer)? – Oberleitungsbauart, z.B. Rillenfahrdraht (Re 100, Re 160, Re 200) oder eventuell Stromschiene? – Kabel- bzw. Speiseleitungslänge vom Uw/Sp zur Einspeisung (Typ/Querschnitt)? – Existieren weitere Speiseleitungen, Verstärkungsleitungen, Umgehungsleitungen, Rückleitungen (Info zu deren Verlauf, Länge, Typ, Querschnitt)? Zur Erleichterung der Diagrammerstellung dienen verschiedene weitere Unterlagen: – Strecken- und Betriebsstellenkarten, wenn schon existent, – Eintragungen des zukünftigen Streckenverlaufes in einer topografischen Karte, – Streckenspeisepläne/Listen, – Oberleitungspläne (EbsU), Lagepläne, Baupläne, – Planungsnetzplan. Ein aus diesen Daten zu generierendes Fahrund Kurzschluss-Stromdiagramm ist in Abb. 16.7 dargestellt. Wie bleiben diese Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagramme aktuell? Um nun diese Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagramme auf einem aktuellen Stand halten zu können, sind diverse Informationen über die Strombelastung eines Streckenabschnittes
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
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Abb. 16.7 Beispiel für ein Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagramm
erforderlich. Zu diesem Zweck erfasst DB Energie in einem definierten Zeitraum für alle elektrifizierten Strecken, die von einem Uw oder einem Sp auf einen Streckenabschnitt eingespeisten Ströme durch Oberleitungsbeeinflussungs-Messungen (OLBM) und übersendet diese zur weiteren Verwendung an DB Systemtechnik. Hier wird jedes Jahr für alle bestehenden Diagramme ein Vergleich zwischen den in den Diagrammen festgelegten Fahrströmen und den Ergebnissen der OLBM durchgeführt. Weichen die Ströme aus den OLBM um mehr als 10% vom Fahrstrom des Diagramms ab, wird eine Anpassung des entsprechenden Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagrammes vorgenommen. Wer benötigt diese Informationen? Neue oder aktualisierte Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagramme werden grundsätzlich an das Eisenbahn Bundesamt (EBA), die Deutsche Telekom, die DB Telematik, an DB Netz, an DB Projektbau und an DB Energie
verteilt. Dort werden sie als Bezugsdaten für verschiedene Aufgaben und Anfragen vorgehalten und als Grundlage genutzt für Berechnungen der Beeinflussung durch Ströme in der 15-kV-Oberleitungsanlage auf – die LST-Anlagen von DB Netz und die TkAnlagen von DB Telematik gemäß Richtlinie 819.080x, – Anlagen der Deutschen Telekom, – Anlagen von Rohrleitungsbetreibern, – Gebäude und Anlagen im Bereich der Bahnstrecken. Die DB AG als beeinflussende Partei bzw. die beeinflussten DB-Internen und Dritten sind verpflichtet, bestimmte Beeinflussungsgrenzwerte mit den folgenden Schutzzielen einzuhalten: – Magnetfeldgrenzwerte gemäß 26.BImSchV mit dem Ziel „Personenschutz“, – Grenzwerte der induktiven Beeinflussung von DB-eigenen LST- und Tk-Anlagen mit dem Schutzziel Personen- und Anlagenschutz gemäß Ril 819.0802 und 819.0804,
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– Grenzwerte der induktiven Beeinflussung von Telekomleitungen Dritter und von Rohrleitungen mit dem Schutzziel Personen- und Anlagenschutz gemäß VDE 0228 und der Empfehlung Nr. 3 der Arbeitsgemeinschaft für Korrosionsfragen „Maßnahmen beim Bau und Betrieb von Rohrleitungen im Einflussbereich von Hochspannungs-Drehstromanlagen und Wechselstrom-Bahnanlagen“. Zusammenfassende Information für Planer und Instandhalter von LST- und Oberleitungsanlagen Notwendiges Ziel ist es, die Fahr- und Kurzschluss-Stromdiagramme aktuell zu halten und bei Umbaumaßnahmen an der Bahnstromversorgung vorausschauende, vorläufige Diagramme für die LST-Planer zur Verfügung zu stellen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass alle Planer bei relevanten Umbauten, d.h., wenn zu erwarten ist, dass die Strombelastung an den Strecken erheblich zunehmen wird, den Diagrammersteller rechtzeitig und vor den Baumaßnahmen informieren und einbinden. Nur dann ist es möglich, vorläufige Diagramme zu erstellen, die den zu erwartenden Belastungen besser gerecht werden und zu einer angepassten Beeinflussungsberechnung führen. Ohne ausreichende Informationen würden nach Inbetriebnahme einer geänderten Anlage die Diagramme erst nach Vorlage der OLBM jährlich überprüft und ggf. anschließend aktualisiert werden. Als Ansprechpartner für die Diagrammerstellung steht bei der DB AG, Technik und Beschaffung, DB Systemtechnik, Abteilung TZF 15 „Elektromagnetische Verträglichkeit“ in der Völckerstraße 5 in 80939 München zur Verfügung. 16.2.7.3 Beeinflussung von Gleisfreimeldeanlagen durch Eisenbahnfahrzeuge Moderne Stellwerke zeichnen sich durch die selbsttätige Freimeldung von Weichen und Gleisen aus. Hierbei kommen verschiedene Bauarten von Gleisfreimeldeanlagen zur
Anwendung: Gleisstromkreise, TonfrequenzGleisstromkreise und Achszähler. Gleisfreimeldeanlagen können durch Eisenbahnfahrzeuge auf verschiedene Art beeinflusst werden. Es werden die galvanische, kapazitive, induktive, elektromagnetische Beeinflussung und die Beeinflussung durch transiente Vorgänge unterschieden. Mit dem Einsatz von Stromrichtern auf Eisenbahnfahrzeugen treten neben der Grundfrequenz 16,7 Hz auch höherfrequente Anteile (Oberschwingungen) auf, die im Traktionsrückstrom enthalten sind, aber auch in Form von magnetischen Feldern von Fahrzeugen in den Gleisbereich abgestrahlt werden können. Sind Oberschwingungsanteile in ausreichender Größe im Arbeitsfrequenzbereich von Gleisfreimeldeanlagen enthalten, können unzulässige Beeinflussungen auftreten. Gleisstromkreise/Tonfrequenz-Gleisstromkreise Wirkprinzipien Der Wirkbereich eines Gleisstromkreises (Gleisfreimeldeabschnitt) wird über Isolierstöße begrenzt. Dabei können sowohl eine Schiene (einschienige Isolierung) als auch beide Schienen (zweischienige Isolierung) elektrisch gegen die Schienen eines angrenzenden Abschnittes und gegen Erde isoliert sein. Da im Falle der zweischienigen Isolierung die Rückführmöglichkeit des Stromes nicht gegeben ist, wird der Strom mittels Gleisdrosseln über die Isolierstöße geführt. Abbildung 16.8 zeigt den einschienig isolierten Gleisstromkreis. Das Wirkprinzip des Gleisstromkreises ergibt sich dadurch, dass an einer Seite des Gleisstromkreises eine Spannung fester Frequenz (z.B. 100 Hz) an beiden Schienen angelegt wird (vgl. Abb. 16.8 A). Diese Spannung steuert am Ende des Gleisstromkreises ein Gleisrelais an, welches im nicht belegten Zustand (kein Zug befindet sich im Abschnitt) angezogen ist. Fährt ein Eisenbahnfahrzeug in einen überwachten Gleisabschnitt ein, so wird die eingespeiste Spannung über dessen Achsen kurzgeschlossen und das Gleisrelais fällt ab (vgl. Abb. 16.8 B). Die Gleisfreimeldeanlage registriert in diesem Fall eine Besetzung.
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Abb. 16.8 Einschienig isolierter Gleisstromkreis. A im nicht belegten und B im belegten Zustand
Der Gleisstromkreis arbeitet somit nach dem Ruhestromprinzip. Im Fehlerfall, z.B. bei einem Schienenbruch, wird der betroffene Gleisabschnitt automatisch als besetzt gemeldet. Tonfrequenz-Gleisstromkreise (Arbeitsfrequenzen: ca. 4 kHz bis 17 kHz) verfügen im Gegensatz zu niederfrequenten Gleisstromkreisen (Arbeitsfrequenzen: 42 Hz, 50 Hz und 100 Hz) über keine Isolierstöße. Die Trennung der verschiedenen Abschnitte wird durch galvanische Verbindungen der Schienen (z.B. Kurzschlussverbinder, S-Verbinder) realisiert. Ein Sender am Anfang des Gleisabschnittes speist ein Signal fester Frequenz in die Schienen ein, welches von einem Empfänger am Ende des Abschnittes registriert wird. Der Empfänger ist als Schwingkreis konzipiert, dessen auf die Schienenimpedanz abgestimmte Resonanzfrequenz im nicht belegten Zustand gleich der Senderfrequenz ist. Die Abstimmung der Resonanzfrequenz auf die Schienenimpedanz des Abschnittes bewirkt, dass im Falle eines einfahrenden Eisenbahnfahrzeuges eine Reduktion der Schienenimpedanz erfolgt und dies in eine Veränderung der Resonanzfrequenz resultiert. Die Abnahme der Amplitude des Freimeldestromes und der Abfall des Überwachungsrelais (Gleis-Besetzung) sind die Folge.
Beeinflussung durch Eisenbahnfahrzeuge Gleisstromkreise und Tonfrequenz-Gleisstromkreise können von Eisenbahnfahrzeugen galvanisch beeinflusst werden. Es wird in diesem Zusammenhang zwischen der Fernbeeinflussung und der Nahbeeinflussung unterschieden. Bei einer Fernbeeinflussung befindet sich der beeinflusste Gleisstromkreis zwischen dem beeinflussenden Schienenfahrzeug (Verbraucher) und der speisenden Einheit (z.B. Unterwerk). Der Gleisstromkreis wird vom Schienenrückstrom beeinflusst (s. Richtlinie 810.0250). Bei einer Nahbeeinflussung befindet sich der beeinflusste Gleisstromkreis unter dem beeinflussenden Zug oder im Nachbargleis. Der Gleisstromkreis wird durch Rückströme bei zentraler Energieversorgung beeinflusst. Im Falle einer Diesellok mit Reisezugwagen bedeutet dies beispielsweise, dass bei zentraler Speisung die Verbraucher der Reisezugwagen (z.B. Heizung, Klimatechnik, Batterieladung) über die Zugsammelschiene die Rückströme über die Schienen des befahrenen Gleises und bei guter Vermaschung auch über Nachbargleise zurück zur Diesellok fließen und dadurch Gleisstromkreise beeinflusst werden können.
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Abb. 16.9 Oberleitungsstrom INetz eines Nahverkehrstriebzuges
Beeinflussungen sind grundsätzlich deshalb möglich, weil Eisenbahnfahrzeuge aufgrund des Einsatzes von Stromrichtern zur Speisung der Traktionseinheit und aller elektrischen Verbraucher keinen idealen sinusförmigen Strom dem Netz entnehmen. Der nicht ideal sinusförmige Oberleitungsstrom eines Eisenbahnfahrzeuges enthält folglich neben der Grundfrequenz 16,7 Hz auch höherfrequente Anteile, die maßgeblich von den auf dem Zug eingesetzten Stromrichtertechniken mitbestimmt werden. Abbildung 16.9 zeigt exemplarisch den Oberleitungsstrom INetz eines Zuges. Abbildung 16.10 enthält die zugehörige Fourier-Darstellung mittels der sog. „Schnellen Fourier-Transformation (engl. Fast Fourier Transform, FFT)“. Deutlich erkennbar sind die Taktfrequenzen der eingesetzten leistungselektronischen Bauteile bei 4 kHz und geradzahligen Vielfachen von 4 kHz. Würde der Schienenrückstrom neben der Grundschwingung 16,7 Hz auch Oberschwingungsanteile enthalten, die im Bereich der Arbeitsfrequenz von Gleisstromkreisen oder
Tonfrequenz-Gleisstromkreisen liegen und sind einige andere Parameter wie die Mindestbeeinflussungsdauer (niederfrequente Gleisstromkreise: 0,5 s, Tonfrequenz-Gleisstromkreise: 40 ms), ausreichende Amplitude, Phase etc. gegeben, könnte eine unzulässige Beeinflussung auftreten. Dabei wären sowohl die Belegtmeldung eines freien Abschnittes als auch die Freimeldung eines belegten Abschnittes (Betriebsgefährdung!) möglich. Daher sind diese Beeinflussungen durch Störströme zu untersuchen und auszuschließen. Es sei darauf hingewiesen, dass sich das Spektrum des Traktionsstromes von Eisenbahnfahrzeugen in Abhängigkeit von den Betriebzuständen (Geschwindigkeit, Beschleunigung, zugeschaltet Hilfsbetriebe etc.) stark verändern kann. Damit abschließende Aussagen hinsichtlich einer Kompatibilität mit Gleisstromkreisen getätigt werden können, müssen alle üblichen Betriebszustände eines Eisenbahnfahrzeuges vor dem Netzzugang messtechnisch untersucht werden (vergleiche Richtlinie 807.0205). Auch Änderungen an Hard- und Software von Eisenbahnfahrzeugen können das Ober-
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Abb. 16.10 FFT-Darstellung des Netzstromes aus Bild 2 (12 Perioden)
schwingungsverhalten nachteilig beeinflussen. In diesem Falle sind Änderungen an bereits zugelassenen und abgenommenen Fahrzeugen gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt und der DB Netz AG anzeigepflichtig (s. Richtlinie 810.0250). Regelwerke Der Netzzugang von Fahrzeugen ist national in der Richtlinie 810.0250 geregelt. Die Nachweisführung über eine Kompatibilität mit Gleisstromkreisen (Fernbeeinflussung) beinhaltet die Modulreihe 807.020x der Deutschen Bahn AG: Neben einer Übersicht (Richtlinie 807.0200) besteht diese aus den Modulen „Störstromgrenzwerte für Triebfahrzeuge“ (Richtlinie 807.0201) und „Messverfahren für Störströme von Triebfahrzeugen“ (Richtlinie 807.0205). Regelwerke für die Nahbeeinflussung von Gleisstromkreisen befinden sich augenblicklich in Arbeit und werden nach deren Fertigstellung in die Modulreihe 807.020x übernommen. Auf europäischer Ebene werden derzeit die Annahmen, die zur Definition von Störstrom-
grenzwerten führten, die Grenzwerte selbst und das Nachweisverfahren für Fahrzeuge durch die CENELEC SC9XA WGA4-2 harmonisiert. Anschließend sollen die Grenzwerte und Nachweisverfahren in die Technischen Spezifikationen für Interoperabilität (TSI) der Europäischen Union einfließen. Achszähler Wirkprinzipien Achszähler stellen Impulsgeber dar, die am Anfang und am Ende eines zu überwachenden Gleisabschnittes installiert sind und die Anzahl der Achsen eines Zuges an ein Achszählwerk weitermelden. Beim Einfahren eines Zuges in einen durch Achszähler abgesicherten Gleisabschnitt werden zunächst alle Achsen eingezählt und bei der Ausfahrt wieder ausgezählt. Stimmt die Anzahl der ein- und ausgezählten Achsen überein, wird der Gleisabschnitt frei gemeldet, ansonsten erfolgt eine Besetzmeldung. Es lassen sich hauptsächlich zwei verschiedene Ausführungen bei Achszählern unterscheiden: die Sender-/Empfänger-Ausführung und die Ausführung als Näherungsschalter. Bei der Ausführung des Achszählers als Sender-/
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Empfänger-Einheit werden an der einen Schienenseite ein Sender und an der anderen ein Empfänger (Empfangsspule) installiert. Der Sender strahlt ein Feld konstanter Frequenz über den Schienenkopf hinaus aus, welches im Empfänger eine Induktionsspannung erzeugt. Ein in den Wirkbereich des Achszählers einfahrendes Rad verändert die Kopplung zwischen Sender und Empfänger und erzeugt je nach Achszähltyp eine Anhebung (Erhöhung der Kopplung) oder Absenkung (Erniedrigung der Kopplung) der Induktionsspannung vom Ruhewert. Damit die Fahrtrichtung von Zügen erkannt werden kann, besitzen Achszähler grundsätzlich zwei unabhängige Systeme, die im Abstand von wenigen zehn Zentimetern nebeneinander angeordnet sind. Abbildung 16.11 zeigt ein Beispiel für den Einfluss eines vorbeifahrenden Rades auf einen Achszähler bei vorliegender Kopplungserhöhung. Dargestellt sind die gleichgerichteten und auf ihren Ruhespannungswert normierten Empfängerspannungen UGNorm1 und UGNorm2 der Systeme 1 und 2. Der Schwellwert wurde in diesem Beispiel frei gewählt. Bei der Ausführung eines Achszählers als Näherungsschalter reagiert ein Spulensystem
auf das ferromagnetische Material des Spurkranzes und erzeugt ähnliche Ausgangssignale wie sie in Abb. 16.11 dargestellt sind. Die bei der Deutschen Bahn AG eingesetzten Achszähler arbeiten im Frequenzbereich bis etwa 1 MHz. Räder, die den Vorgaben der Eisenbahn Bau- und Betriebsordnung (EBO) entsprechen müssen, werden grundsätzlich von Achszählwerken erst dann als zählfähig akzeptiert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind (vgl. Abb. 16.11): A) ein vordefinierter Schwellwert wird unteroder überschritten, B) die Unter- oder Überschreitung des Schwellwertes erfolgt für eine vordefinierte Mindestdauer td, C) in beiden Kanälen werden die Bedingungen A) und B) eingehalten, D) der vordere und hintere Radversatz sind vorhanden und für beide gilt t > td, E) alle Räder des Zuges betätigen die Systeme des Achszählers zeitlich stets in der gleichen Reihenfolge (z.B. System 1 wird vor System 2 betätigt).
Abb. 16.11 Einfluss eines vorbeifahrenden Rades (Kopplungserhöhung)
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz
Bei Nichteinhaltung einer der o.g. Bedingungen wird ein Rad verworfen und dies mündet in eine Fehlzählung (Besetzmeldung). Abschließend sei noch erwähnt, dass Räder abhängig vom Achszähltyp nur bis zu einer bestimmten Befahrungsgeschwindigkeit detektiert werden können. Deshalb erhalten Achszähler eine geschwindigkeitsabhängige Zulassung. Beeinflussung durch Eisenbahnfahrzeuge Achszähler können durch Felder beeinflusst werden, sofern diese Frequenzanteile im Arbeitsfrequenzbereich von Achszählern besitzen (induktive, kapazitive und elektromagnetische Beeinflussung). Äußere Felder induzieren in den Spulen der Achszähler Spannungen, die sich je nach Phasenlage und Amplitude den Nutzsignalen überlagern. Da in den Empfängersystemen von Achszählern LC-Glieder zur Anwendung kommen, stellen auch impulsförmige Felder mit einer Pulsfolgerate im Kilohertzbereich eine Gefahr der Beeinflussung dar (Beeinflussung durch transiente Vorgänge). Quellen der Beeinflussung können grundsätzlich alle stromführenden Leiter sein, die
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ein Magnetfeld entsprechender Frequenz in den Gleisbereich emittieren. In der Vergangenheit wurden hauptsächlich Felder von Motorkabeln aber auch Motorfelder als Quellen der Beeinflussung erkannt, die aufgrund von Rückwirkungen der eingesetzten Stromrichter höherfrequente Anteile aufwiesen. Abbildung 16.12 zeigt exemplarisch die Beeinflussung eines Achszählers durch das Motorfeld eines Zuges. Da die Anforderungen für ein zählfähiges Rad sehr hoch sind (vgl. Abschnitt „Wirkprinzipien“), ist die Wahrscheinlichkeit für eine Radgenerierung durch eine Stör-Beeinflussung deutlich geringer als für eine Radauslöschung. Die Achszähler zeigen vor allem gegenüber Störungen, die im Bereich des vorderen oder hinteren Radversatzes auftreten (vgl. Abb. 16.11), eine erhöhte Störanfälligkeit. Grundsätzlich wirken sich Stör-Beeinflussungen aufgrund einer Besetzmeldung des betroffenen Gleisabschnittes nur betriebshemmend, nicht jedoch betriebsgefährend aus. Durch zu häufige, unzulässige Störeinkopplungen bei Achszählern und damit verbundenen ständigen Betriebsbehinderungen durch
Abb. 16.12 Beeinflussung eines Achszählers durch ein Motorfeld (Darstellung eines angetriebenen Drehgestells)
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einen bestimmten Fahrzeugtyp oder Reisezug kann ein Gewöhnungseffekt beim Bedienpersonal von Stellwerksanlagen eintreten, d.h. es ist nicht mehr auszuschließen, dass dadurch die bei der Deutschen Bahn AG bestehenden Vorschriften (z.B. Fahrdienstvorschrift/Richtlinie 408) aus Gewohnheit nicht mehr im vollen Umfang beachtet werden. Nach wissenschaftlichen Studien liegen die Fehlhandlungen eines Menschen zwischen 10-3 und 10-4, in Stresssituation ist ein noch wesentlich geringerer Faktor anzunehmen. Daraus leitet sich die Forderung ab, dass bei sicherungstechnischen Einrichtungen ein hohes Maß an Verfügbarkeit gefordert wird. Daraus folgt, dass für dieses Störphänomen Grenzwerte definiert und in die Netzzugangsbedingungen aufgenommen werden müssen. Achszähler können nicht nur durch in den Gleisbereich abgestrahlte Felder, sondern auch durch tief hängende ferromagnetische Materialien beeinflusst werden. Abbildung 16.13 zeigt den Einfluss einer nur wenige Millimeter über der Schienenoberkante in Ruhelage hängenden Magnetschienenbremse (MG). Eine derart tief hängende MG birgt, sofern diese den Schwellwert des Achszählers erreicht,
die Gefahr in sich, dass bei höheren Geschwindigkeiten die Luftspalte zwischen der MG und den Rädern eines Drehgestells eventuell nicht mehr erkannt werden können (tLuftspalt < td). Das gesamte Drehgestell verschmilzt für den Achszähler zu einer einheitlichen ferromagnetischen Masse und die Detektion nur einer einzigen Radeachse ist die Folge. Betriebshemmende Besetzmeldungen erfolgen nun dann, wenn die Achszähler eines Gleisabschnittes mit stark unterschiedlichen Geschwindigkeiten befahren und bei der Ein- und Auszählung voneinander abweichende Achszahlen registriert werden. Regelwerke Grenzwerte und zugehörige Messverfahren zur Untersuchung einer Kompatibilität zwischen Achszählern/Sensoren und Eisenbahnfahrzeugen werden augenblicklich von dem nationalen Arbeitskreis „Messung von elektrischen und magnetischen Feldern im Gleisbereich“ erarbeitet. Dieser setzt sich aus Vertretern der Deutschen Bahn AG und Herstellern von Eisenbahnfahrzeugen und Achszählern/ Sensoren zusammen. Im Rahmen des Arbeitskreises wurden bereits im März 2003 vorläu-
Abb. 16.13 Einfluss einer tief hängenden Magnetschienenbremse
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
fige Grenzwerte und ein zugehöriges Messverfahren veröffentlicht. Die endgültigen Ergebnisse des Arbeitskreises werden die Grundlage sein für Netzzugangsrichtlinien in der Reihe 807.02xx. Auf europäischer Ebene werden derzeit die Aktivitäten zur Festlegung von Grenzwerten und Messverfahren ebenfalls durch die CENELEC SC9XA WGA4-2 koordiniert. Die Ergebnisse sollen in die Technischen Spezifikationen für Interoperabilität (TSI) der Europäischen Union einfließen.
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen Christian Keil, Bernhard Koch, Rüdiger Garburg
16.3.1 Lärm 16.3.1.1 Lärmvorsorge Beim Bau neuer und bei einer wesentlichen Änderung vorhandener Schienenwege besteht ein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen (Lärmvorsorge). Die rechtliche Grundlage hierfür ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in Verbindung mit der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV). Eine wesentliche Änderung ist gegeben, wenn – ein Schienenweg um ein oder mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird, – durch einen erheblichen baulichen Eingriff der von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehende Lärm um mindestens 3 Dezibel (A) steigt, – durch einen erheblichen baulichen Eingriff der von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehende Lärm auf mindestens 70 Dezibel (A) am Tag oder auf mindestens
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60 Dezibel (A) in der Nacht erhöht wird. Gleiches gilt für erhebliche bauliche Eingriffe, die vorhandene Lärmbelastungen von 70 Dezibel (A) und mehr am Tag oder 60 Dezibel (A) und mehr in der Nacht zusätzlich erhöhen, auch wenn eine solche Erhöhung weniger als 3 Dezibel (A) ausmacht (dies gilt nicht in Gewerbegebieten). Das Vorliegen eines erheblichen baulichen Eingriffs ist also ausschlaggebend dafür, ob eine wesentliche Änderung vorliegt. Von einem erheblichen baulichen Eingriff kann z.B. bei einer erheblichen Änderung der Trasse in der Lage (i.d.R. um mehr als 1,00 m) oder in der Höhe (i.d.R. um mehr als 0,5 m) ausgegangen werden. Demgegenüber stellen z.B. das Versetzen von Signalanlagen, das Auswechseln von Schwellen, der Einbau von Weichen und das Ändern der Fahrleitung keine erheblichen baulichen Eingriffe im hier gemeinten Sinne dar. Bei Schienenwegen, die vor Inkrafttreten des BImSchG am 15.03.1974 (in den neuen Bundesländern ist dies der 03. Oktober 1990) errichtet und zwischenzeitlich nicht wesentlich geändert wurden, haben die Anwohner keinen Rechtsanspruch auf Lärmschutzmaßnahmen, auch wenn sich die Lärmbelastung z.B. durch Erhöhung der Geschwindigkeit oder eine stärkere Auslastung der Strecke erhöht hat. Die 16. BImSchV sieht die in Tabelle 16.12 aufgeführten Immissionsgrenzwerte vor. Der maßgebende Immissionsort richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Vor Gebäuden liegt er in Höhe der Geschossdecke (0,2 m über der Fensteroberkante) des zu schützenden Raumes; bei Außenwohnbereichen liegt der Immissionsort 2 m über der Mitte der als Außenwohnbereich genutzten Fläche. Der Beurteilungspegel für Schienenwege (Tagwert) Lr,T ist nach Anlage 2 zur 16. BImSchV gemäß folgender Formel zu berechnen Lr,T = Lm,T(25) + DFz + DI,v + DFb + DsL + DBM + DB + S
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Tabelle 16.12 Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV bei Neubau/wesentlicher Änderung
an Krankenhäusern, Schulen, Kurheimen und Altenheimen in reinen und allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten in Gewerbegebieten
Dabei bedeuten: – Lm,T(25): Mittelungspegel in dB(A) für den Tag (6.00 bis 22.00 Uhr), der gemäß einer in der 16. BImSchV dargestellten Verfahrensweise ermittelt wird. Diesem Wert liegen als Fahrbahnart das Schotterbett (Holzschwelle), eine Zuggeschwindigkeit von 100 km/h, eine Zuglänge von 100 m und eine freie Schallausbreitung zu Grunde. Da diese normierten Bedingungen von der Realität abweichen, werden durch die weiteren Summanden diverse Korrekturen vorgenommen, – DFz: Korrektur zur Berücksichtigung der Fahrzeugart, – DI,v: Korrektur für die Zuglänge und - geschwindigkeit, – DFb: Korrektur zur Berücksichtigung unterschiedlicher Fahrbahnarten, – DsL: Pegeländerung durch unterschiedliche Abstände zwischen dem Emissionsort (Achse des betrachteten Gleises in Höhe der Schienenoberkante) und dem maßgebenden Immissionsort ohne Boden- und Meteorologiedämpfung, – DBM: Pegeländerung durch Boden- und Meteorologiedämpfung,
Tag
Nacht
57 Dezibel (A) 59 Dezibel (A) 64 Dezibel (A) 69 Dezibel (A)
47 Dezibel (A) 49 Dezibel (A) 54 Dezibel (A) 59 Dezibel (A)
– DB: Pegeländerung durch topografische Gegebenheiten, bauliche Maßnahmen und Reflexionen, – S: Korrektur um minus 5 dB(A) zur Berücksichtigung der geringeren Störwirkung des Schienenverkehrslärms. Infrastrukturseitig ist vor allem die schallbezogene Auswirkung unterschiedlicher Fahrbahnarten von Interesse, also die Korrektur DFb. In Anlage 2 zur 16. BImSchV ist per Fußnote die Möglichkeit eröffnet, für Fahrbahnen, bei denen aufgrund besonderer Vorkehrungen eine weitergehende dauerhafte Lärmminderung nachgewiesen ist, zusätzliche Korrekturwerte zu berücksichtigen. Hiervon wird beispielsweise beim „Besonders überwachten Gleis“ (BüG) Gebrauch gemacht (s. hierzu Abschn. 16.3.1.3). Fahrzeugseitig werden Korrekturwerte für verschiedene Fahrzeugarten definiert. Auch bezüglich der Fahrzeuge ist per Fußnote die Möglichkeit eröffnet, für Fahrzeugarten, bei denen aufgrund besonderer Vorkehrungen eine weitergehende dauerhafte Lärmminderung nachgewiesen ist, zusätzliche Korrekturwerte zu berücksichtigen.
Tabelle 16.13 Korrekturwert DFb für unterschiedliche Fahrbahnarten in dB(A)
1 2 3 4
Fahrbahnart
Korrekturwert DFb
Gleiskörper mit Raseneindeckung Schotterbett, Holzschwelle Schotterbett, Betonschwelle Nicht absorbierende feste Fahrbahn und in Straßenfahrbahnen eingebettete Gleise
–2 0 2 5
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
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Tabelle 16.14 Korrekturwert DFz für unterschiedliche Fahrzeugarten in dB(A) Fahrbahnart 1 2 3 4 5
Korrekturwert DFz
–2 Fahrzeuge mit Radscheibenbremsen Fahrzeuge mit zulässigen Geschwindigkeiten v > 100 km/h mit Radabsorbern –4 3 Fahrzeuge von straßenabhängigen Bahnen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BOStrab 2 Fahrzeuge von straßenunabhängigen Zweischienenbahnen nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BOStrab (U-Bahn-Fahrzeuge) 0 alle anderen Fahrzeugarten
Hohen Einfluss auf die Lärmemissionen der Fahrzeuge haben ihre Bremsbauarten. Scheibengebremste Fahrzeuge weisen – je nach Schienenzustand – um 7–10 Dezibel niedrigere Emissionswerte auf als die üblicherweise mit Grauguss-Bremssohlen ausgestatteten Güterwagen. Die erhöhten Emissionswerte sind darin begründet, dass die direkt auf die Radlaufflächen wirkenden Bremsen die Flächen bei jedem Bremsvorgang aufrauen, was zu höheren Rollgeräuschen führt. Abhilfe wird mittelfristig eine neu zugelassene KompositeBremssohle schaffen, bei der dieser Effekt nicht auftritt. Neufahrzeuge der DB AG sind mit diesen Bremsen ausgestattet. Da eine Umrüstung aller in Betrieb befindlichen Fahrzeuge für die Betreiber aufgrund der harten Wettbewerbssituation wirtschaftlich derzeit nicht umsetzbar ist, ist der Lärmminderungseffekt zurzeit nicht signifikant und wird daher bei Berechnungen der Lärmemissionen noch nicht berücksichtigt. Die Vorschrift zur Ermittlung der Beurteilungspegel ist in der „Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen – Ausgabe 1990 – Schall 03“ ausgeführt. Für die Berechnung des Beurteilungspegels von Schienenwegen, auf denen in erheblichem Umfang Güterzüge gebildet oder zerlegt werden, ist die „Richtlinie für schalltechnische Untersuchungen bei der Planung von Rangierund Umschlagbahnhöfen – Ausgabe 1990 – Akustik 04“ heranzuziehen. Die genannten Berechnungsvorschriften befinden sich derzeit in Überarbeitung. Die überarbeiteten Fassungen können nach
Zustimmung des Bundesrates eingeführt werden. 16.3.1.2 Lärmsanierung Lärmschutz an bestehenden Verkehrswegen ist nicht gesetzlich geregelt. Anwohner an bestehenden Schienenstrecken haben demnach keinen rechtlichen Anspruch auf die Durchführung von lärmmindernden Maßnahmen. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die Bundesregierung 1999 ein Programm zur Lärmsanierung an den bestehenden Schienenwegen des Bundes beschlossen (Lärmsanierungsprogramm). Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen (BMVBW) hat eine sog. „Dringlichkeitsliste“ erstellt, in der Ortsdurchfahrten an Streckenabschnitten der Deutschen Bahn AG aufgeführt sind, die durch eine sehr hohe Lärmbelästigung – vor allem durch nachts fahrende Güterzüge – gekennzeichnet sind. In 2005 wurde seitens des BMVBW ein Gesamtkonzept zur Lärmsanierung mit Prioritätensetzung nach Streckenabschnitten eingeführt, in das die Maßnahmen der Dringlichkeitsliste eingebettet sind. Es sind solche Sanierungsabschnitte bevorzugt zu sanieren, bei denen die Wirkung der Maßnahme besonders hoch ist. Diese ist abhängig von der Höhe des vorhandenen Pegels und der Anzahl der Anwohner, die Lärmbelastungen oberhalb der Lärmsanierungsgrenzwerte ausgesetzt sind. Um die Entscheidungsgrundlage für die Reihung der Maßnahmen zu objektivieren, werden Priorisierungskennziffern (PKZ) für alle Streckenabschnitte berechnet, die ein Maß für
788
16
Umweltschutz
Tabelle 16.15 Lärmsanierungsrichtwerte Tag
Nacht
Krankenhäuser, Schulen, Altenheime, reine und allgemeine Wohngebiete sowie Kleinsiedlungsgebiete
70 Dezibel (A)
60 Dezibel (A)
Kerngebiete, Dorfgebiete, Mischgebiete
72 Dezibel (A)
62 Dezibel (A)
Gewerbegebiete
75 Dezibel (A)
65 Dezibel (A)
die Wirksamkeit der Maßnahmen bilden. Den Priorisierungen liegen die tatsächlich heute auftretenden Zugzahlen auf der Basis des aktuellen Fahrplans zugrunde. Die Dimensionierung des Schallschutzes erfolgt gemäß der prognostizierten Entwicklung des Verkehrsaufkommens im jeweils betrachteten Abschnitt. Die Regeln für die Umsetzung sind in der „Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes“ des BMVBW vom 07.03.2005 festgelegt. Die Förderichtlinie sieht die in Tabelle 16.15 aufgeführten Lärmsanierungsrichtwerte vor. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln können finanziert werden: – aktive Schallschutzmaßnahmen, – passive Schallschutzmaßnahmen, – Maßnahmen zur „Entdröhnung“ alter Stahlbrücken und – Maßnahmen gegen das in engen Gleisbögen auftretende Kurvenquietschen. In der Schweiz ist die Lärmsanierung bestehender Eisenbahnstrecken seit April 1987 durch die Lärmschutzverordnung (LSV) geregelt. Diese verpflichtet Besitzer von Anlagen mit erhöhter Lärmabstrahlung zur Sanierung innerhalb von 15 Jahren, d.h. die Sanierung war bis zum Jahr 2002 abzuschließen. Für einzelne Nutzungszonen sind Empfindlichkeitsstufen definiert, die u.a. Immissionsgrenzwerte für bestehende Anlagen enthalten.
16.3.1.3 Lärmschutzmaßnahmen Aktive Lärmschutzmaßnahmen Als aktive Schallschutzmaßnahmen werden solche Maßnahmen bezeichnet, die an der Quelle oder auf dem Ausbreitungsweg zum Immissionsort wirksam werden. Hier wird näher auf Schallschutzwände und das Besonders überwachte Gleis eingegangen. Lärmschutzwände Lärmschutzwände sind grundsätzlich den unten beschriebenen passiven Maßnahmen vorzuziehen, da sie auch den Außenbereich schützen und auch bei geöffneten Fenstern Lärmschutz gewähren. Sie können jedoch in bestimmten Situationen so erheblich in das Stadtbild oder in gewohnte Sichtbeziehungen eingreifen, dass andere Maßnahmen zu bevorzugen sind. Gleiches kann gelten, wenn die Kosten für aktiven Schallschutz die des passiven Schallschutzes erheblich übersteigen. Lärmschutzwände müssen insbesondere – die schalltechnischen Anforderungen erfüllen sowie, – ausreichend standsicher und formbeständig, – alterungs- und korrosionsbeständig oder geschützt, – maßhaltig, – farbtonbeständig sein und geeignet für Anti-Graffiti-Systeme, – feuerresistent, – steinwurfresistent, – wartungsfreundlich sowie – ansprechend gestaltet sein.
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
789
Tabelle 16.16 Mindestwerte der Schalldämmung R für Lärmschutzwände Frequenz f (Hz) Schalldämmmaß R (dB)
125 12
250 18
500 24
1000 30
2000 35
4000 35
500 0,8
1000 0,9
2000 0,9
4000 0,8
Tabelle 16.17 Mindestwerte des Schallabsorptionsgrades Frequenz f (Hz) Schallabsorptionsgrad αS
125 0,3
250 0,5
Tabelle 16.18 Gleisabstände von Lärmschutzwänden auf Erdkörpern Geschwindigkeit v (km/h)
Abstand Lärmschutzwand–Gleisachse (m)
reine S-Bahnstrecken ≤ 160 160 < v ≤ 300
3,2 3,3 3,8
Bei Überhöhungen und Schotterbettgleisen sind die Werte bogenaußenseitig zu erhöhen, soweit der Randweg nicht in Höhe der Schwellenoberkante angelegt wird.
Bei der Errichtung von Wänden mit einer Schallminderung bis zu 15 Dezibel dürfen die Prüfwerte der Schalldämmung R die Mindestwerte in Tabelle 16.16 nicht unterschreiten. Die dem Zug zugewandte Seite der Lärmschutzwand muss i.d.R. hochabsorbierend ausgebildet sein. Die Prüfwerte für den Schallabsorptionsgrad αS dürfen die in Tabelle 16.17 dargestellten Werte nicht unterschreiten. Tabelle 16.18 zeigt die für die Gleisabstände von Lärmschutzwänden geltenden Vorgaben. Die erforderlichen Wandhöhen sind anhand schalltechnischer Berechnungen zu ermitteln. Wegen der Freihaltung des Fensterbandes bei Reisezügen ist eine Höhe von 2,0 m über Schienenoberkante anzustreben. Auf langen Brücken, auf denen der Einsatz des Brückenbesichtigungsfahrzeugs vorgesehen ist, müssen die über 2,5 m Wandhöhe reichenden Teile demontierbar oder absenkbar ausgestaltet sein. In Abhängigkeit vom Brückentyp verhalten sich Schallschutzwände auf Brücken anders als auf freier Strecke. Die Wirkung kann sich
wegen des Schwingungsverhaltens der gesamten Brückenkonstruktion deutlich verringern. Als Baustoffe für Lärmschutzwände kommen in Frage: – Leichtmetall (Aluminium), – Beton, – Transparente Materialien, – Holz, – Kunststoffe und – Stahl. Erdbauwerke als Lärmschutzwall nehmen eine große Grundfläche ein und benötigen eine größere Höhe als Schallschutzwände, weil die obere Beugungskante weiter von der Emissionsquelle entfernt ist. Diese Nachteile werden durch Steilwälle, z.B. hergestellt aus begrünbaren Fertigteilelementen, nur teilweise ausgeglichen. Besonders überwachtes Gleis Das Verfahren „Besonders überwachtes Gleis“ (büG) als Maßnahme zur Lärmreduktion an der Quelle ist ebenfalls eine aktive Maßnahme. Die Schallentstehung direkt an der Quelle, der Kontaktfläche von Rad und Schiene, wird durch besondere Pflege der Fahrflächen der Schienen (akustisches Schleifen) dauerhaft vermindert. Die Überwachung solcher Streckenabschnitte erfolgt in regelmäßigen Abständen (alle 6 Monate) mit einem eigens hierfür entwickelten Schallmesszug, der die Kontaktgeräusche akustisch erfasst und in dB(A) bewertet. Wird der vorgegebene Eingreifwert überschritten, so ist der Gleisabschnitt akustisch zu schleifen. Das Verfahren wurde mit Verfügung
790
16
Umweltschutz
Tabelle 16.19 Daten zum Besonders überwachten Gleis Status des büG
aktive Schallschutzmaßnahme
Anwendungsgebiete
Lärmvorsorge und Lärmsanierung durch Berücksichtigung des Abschlags in den schalltechnischen Gutachten für die Planrechtsverfahren
Gleispflegeabschlag für Streckenabschnitte mit büG
–3 dB(A)
Häufigkeit der akustischen Überwachung durch den Schallmesszug
halbjährlich
Eingriffsschwelle
51 dB (A) (Grundwert nach Schall 03), bezogen auf die Anzeige im Schallmesszug
Veranlassung Schleifen bei Überschreitung der Eingriffsschwelle
innerhalb von 2 Monaten
Zulässige Schleifverfahren*)
– Fräsen oder Hobeln mit anschließendem Schleifen mit Rutschersteinen – Schleifen mit rotierenden Scheiben und anschließendem Schleifen mit dem Bandschleifer
*) Aufgrund der mittlerweile durchgeführten mehrjährigen Befahrung des Streckennetzes mit dem Schallmesszug ist festzustellen, dass die bei der Anwendung des büG geforderte akustische Qualität der Schienenfahrflächen auch durch andere als die hier genannten Schleifverfahren erreicht wird. Die DB AG strebt eine Regelung an, die anstatt bestimmter Schleifverfahren lediglich den zu erreichenden Qualitätsstandard vorschreibt. Die Qualität wird im Anschluss an den Schleifgang durch ein eigens entwickeltes Riffelmessgerät (RMF-büG) nachgewiesen. das durch mechanisches Abtasten der Schienenfahrfläche messtechnisch erfasst, ob der für ein büG erforderliche Fahrflächenzustand vorliegt.
des Eisenbahn-Bundesamtes Pr.1110 Rap/Rau 98 – Lucia K. Pereira Ferraz – vom 16.03.1998 mit einem Pegelabschlag von 3 dB(A) nach Anlage 2 zu § 3 der 16. Bundesimmissionsschutz-Verordnung zugelassen. In Tabelle 16.19 sind die wichtigsten Randbedingungen zusammengestellt. Ein wichtiger Bestandteil des büG ist die zuverlässige Überwachung der akustischen Qualität der Schienenfahrflächen. Für diese Aufgabe wird der von der DB AG entwickelte Schallmesszug eingesetzt. Der Schallmesszug liefert beim Abfahren der Strecken genaue Angaben über die Schallabstrahlung des befahrenen Gleisabschnitts. So können büG-Abschnitte schnell, zuverlässig und kostengünstig überwacht werden. Der Messzug ist so konzipiert, dass der Schall direkt über dem Drehgestell gemessen werden kann. Hierzu ist in einem absorbierend ausgekleideten Abteil ein Mikrofon über einer Öffnung im Wagenboden angebracht, das das Rollge-
räusch direkt misst. Die Messsignale werden über einen Hochpassfilter zu einem Prozessrechner geleitet und dort für ihre weitere Verwendung bzw. Veranschaulichung aufbereitet. Der dargestellte dB(A)-Wert stellt die Abweichung gegenüber einem definierten guten Fahrflächenzustand dar. Positive dB(A)-Werte lassen also auf eine Verriffelung der Fahrflächen schließen. Negative dB(A)-Werte signalisieren einen akustisch sehr guten Zustand der Fahrflächen. Abbildung 16.14 zeigt exemplarisch den Messschrieb einer Befahrung. Passive Lärmschutzmaßnahmen Passive Maßnahmen sind schalltechnische Verbesserungen am Immissionsort, d.h. am Gebäude, z.B. der Einbau von Schallschutzfenstern und -türen, oder die Dämmung von Außenwänden und Dächern. Im Zusammenhang mit der Ausweisung von Maßnahmen an Wohngebäuden zum Schutz gegen Schienenverkehrslärm ist die „Richtlinie für die Schall-
16 14 12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6
791
+ 33 dB dBLinie Linie
Messf. 13.03.02
101,2 101,1 101,0 100,9 100,8 100,7 100,6 100,5 100,4 100,3 100,2 100,1 100,0 99,9 99,8 99,7 99,6 99,5 99,4 99,3 99,2 99,1 99,0 98,9 98,8
Pegel in dB
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
Kilometer Abb. 16.14 Messschrieb einer Befahrung mit dem Schallmesswagen
dämmung von Fenstern beim Schienenverkehrslärm“ (Akustik 23) heranzuziehen. Der für die Ausweisung von Schallschutz maßgebliche Beurteilungszeitraum Tag (06:00– 22:00 Uhr) oder Nacht (22:00–06:00 Uhr) richtet sich nach der Nutzung der zu schützenden Räume: Bei Räumen. die ausschließlich dem Wohnen (z.B. Wohnzimmer, Wohnküche) und der Kommunikation (z.B. Büroräume) dienen, ist der Tageszeitraum, bei Kinderzimmern, Schlafräumen und Krankenzimmern ist der Nachtzeitraum maßgeblich.
Bei der Berechnung des erforderlichen bewerteten Schalldämmmaßes der gesamten Außenfläche des Raumes wird die unterschiedliche Nutzung von Räumen gemäß 24. BImSchV durch den Korrektursummanden D berücksichtigt. Im Korrektursummand D sind zum einen diese Innenraumpegel für die jeweilige Raumart, zum anderen eine Korrektur von 3 dB einbezogen, die berücksichtigt, dass die Dämmwirkung von Außenbauteilen bei gerichtet einfal-
Tabelle 16.20 Korrektursummand D in dB zur Berücksichtigung der Raumnutzung D in dB Räume, die überwiegend zum Schlafen benutzt werden
27
Wohnräume
37
Behandlungs- und Untersuchungsräume in Arztpraxen, Operationsräume, wissenschaftliche Arbeitsräume, Leseräume in Bibliotheken, Unterrichtsräume
37
Konferenz- und Vortragsräume, Büroräume, allgemeine Laborräume
42
Großraumbüros, Schalterräume, Druckerräume von DV-Anlagen, soweit dort ständig Arbeitsplätze vorhanden sind
47
Sonstige Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind
entsprechend der Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Nutzung festzusetzen
792
16
Umweltschutz
Tabelle 16.21 Schallschutzklassen von Fenstern Schallschutzklassen (SSK)
Bewertetes Schalldämm-Maß R’W des am Bau funktionsfähig eingebauten Fensters, gemessen nach DIN 52 210, Teil 5, in dB
Bewertetes Schalldämm-Maß R’W des im Labor funktionsfähig eingebauten Fensters, gemessen nach DIN 52 210, Teil 2, in dB
1 2 3 4 5 6
25–29 30–34 35–39 40–44 45–49 ≥ 50
≥ 27 ≥ 32 ≥ 37 ≥ 42 ≥ 47 ≥ 52
Tabelle 16.22 Erforderliche Schallschutzklassen/Laborschalldämmmaß – Schienenwege allgemein Beurteilungspegel nach 16. BImSchV Lr,N in dB(A)
Lr,T in dB(A)
erforderliche Schallschutzklasse/Schalldämmmaß (Schlaf- und Wohnräume) SSK erf. RW in dB
< 56 56–60 61–65 66–70 > 70
< 63 63–67 68–72 73–77 > 77
– 1 2 3 >3
– ≥ 27 ≥ 32 ≥ 37 ≥ 42
– Schienenwege mit mehr als 60% klotzgebremster Güterzüge < 54 54–58 59–63 64–68 > 68
< 61 61–65 66–70 71–75 > 75
– 1 2 3 >3
– ≥ 27 ≥ 32 ≥ 37 ≥ 42
– 1 2 3 >3
– ≥ 27 ≥ 32 ≥ 37 ≥ 42
– Güter-, Rangierbahnhöfe < 52 52–56 57–61 62–66 > 66
– 60–63 64–68 69–73 > 73
lendem Schall geringer ausfällt als im diffusen Schallfeld. Zur Sicherstellung dieser Innenraumpegel kommen Fenster unterschiedlicher Schallschutzklassen zum Einsatz.
In Abhängigkeit vom maßgeblichen Beurteilungspegel (Lr,N für Schlafräume und Kinderzimmer, Lr,T für Wohnräume) sind die in Tabelle 16.22 genannten Schallschutzklassen (SSK) und das Laborschalldämm-Maß RW erforderlich.
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
16.3.1.4 Baulärm Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind Arbeiten an Baustellen (insbesondere nachts und an Sonn- und Feiertagen) im Hinblick auf den Lärmschutz so durchzuführen, dass – schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und – nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Im Übrigen ist insbesondere 32. BImSchV (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung) anzuwenden. Die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) findet gemäß deren Nr. 1. Abs. 2 Buchstabe f auf Baustellen keine Anwendung. Für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung bei Bauarbeiten während der Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen (ganztägig) gelten die jeweiligen Vorschriften des LandesImmissionsschutzrechts sowie kommunale Satzungen oder Verordnungen. Bei der Beurteilung von Nachtarbeit ist zu beachten, dass der Zeitraum für die „Nacht” im Sinne des jeweiligen Landesrechts unterschiedlich beurteilt wird (i.d.R. von 22:00 bis 06:00 Uhr). Soweit nach dem jeweiligen Landesrecht eine Genehmigung für Nacht- bzw. Sonn- und Feiertagsarbeiten erforderlich ist, sind die entsprechenden Genehmigungen rechtzeitig vor Beginn der Bauarbeiten bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde einzuholen. Soweit eine Anzeigepflicht besteht, ist die Maßnahme entsprechend anzuzeigen. Unabhängig von einer bestehenden Genehmigungs- oder Anzeigepflicht ist es angezeigt, durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Behörden und der Öffentlichkeit Konfliktsituationen zu vermeiden. So sollte den beteiligten Behörden die Nacht- oder Sonn- und Feiertagsarbeiten formlos angezeigt sowie die örtliche Presse/Medien informiert werden.
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16.3.2 Erschütterungen und sekundärer Luftschall 16.3.2.1 Grundlagen und Allgemeines Zusätzlich zu den allgemeinen Schallemissionen (Primärschall oder auch Luftschall) kommen beim Betrieb von Schienenverkehrswegen noch Körperschallemissionen und dessen Wirkungen als Erschütterungen und der eng damit zusammenhängende sekundäre Luftschall hinzu. Dies ist ein besonderes Problem des Schienenverkehrs welches in dieser Form bei den konkurrierenden Verkehrsträgern (z.B. Flugund Straßenverkehr) nicht auftritt. Erschütterungsimmissionen gehören zu den im BImSchG (Bundesimmissionsschutzgesetz) bereits in der Überschrift wie auch in § 3 (2) ausdrücklich genannten Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zuge der Planung des Neubau von oder der Änderungen an Schienenverkehrswegen sind daher in zunehmendem Maße deren Auswirkungen auf belästigende Erschütterungsimmissionen der unmittelbar benachbarten und betroffenen Bebauung abzuschätzen und ggf. genauer zu untersuchen. Begriffsbestimmungen Als Körperschall wird generell die Erzeugung und Weiterleitung von mechanischen Schwingungen in festen Körpern (hier z.B. Erdreich, Gebäudestruktur, aber auch Grundwasser) bezeichnet. Dessen Auswirkungen werden vom Menschen als Erschütterungen oder sekundärer Luftschall wahrgenommen. Körperschalleinwirkungen an einem bestimmten Ort werden üblicherweise durch die Körperschallschnelle (auch Schwingschnelle oder Schwinggeschwindigkeit) in einer oder mehreren Raumrichtungen charakterisiert und oft – ebenso wie der Luftschall – als Pegel LV in „dB“ angegeben. Hierfür gilt die folgende Beziehung:
794
16
LV = 20 lg
Umweltschutz
v v0
[ dB ]
Darin bedeuten: V = Effektivwert der Schwingschnelle [m/s] V0 = 5 · 10-8 [m/s] als Bezugsschnelle Unter Erschütterungen werden die tieffrequenten Anteile des Körperschalls verstanden. Sie bezeichnen mechanische Schwingungen von Gebäudeteilen die vom Menschen mit seinem ganzen Körper fühlbar wahrgenommen werden. Sie umfassen für den Schienenverkehr nach DIN 4150-2 (Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf den Menschen in Gebäuden) den Frequenzbereich von 4–80 Hz. Für die Beurteilung der Erschütterungswirkungen werden im deutschsprachigen Raum üblicherweise sog. KBF-Werte verwendet. Diese werden durch eine Zeit- und Frequenzbewertung aus den am Immissonsort gemessenen Schwinggeschwindigkeitssignalen der jeweiligen Zugvorbeifahrt gebildet. Feste Körper, welche nicht durch eigene Schwingungsquellen, sondern durch eine Körperschallausbreitung zu Schwingungen angeregt werden (z.B. Wand- und Deckenflächen, aber auch Brückenkonstruktionen), strahlen ebenfalls Luftschall ab, der wiederum über die Luft und das Gehör wahrgenommen wird. Dies wird als sekundärer oder auch abgestrahlter Luftschall bezeichnet (manchmal auch nur Sekundärschall). Es ist ein relativ tieffrequentes Geräusch und da es von mehreren Begrenzungsflächen eines Raumes abgestrahlt wird kann es meistens nicht einer eindeutigen Schalleinfallsrichtung zugeordnet werden. Der sekundäre Luftschall wird i.d.R. wie der primäre Luftschall als Schalldruckpegel in dB angegeben. Der zu betrachtende Frequenzbereich kann hier bis zu 315 Hz betragen, liegt aber in den meisten Fällen deutlich darunter. (Hinweis: In Österreich und der Schweiz ist der Begriff Sekundärschall i.d.R. nicht gebräuchlich, sondern die Auswirkungen werden ebenfalls als Körperschall bezeichnet.) Bei oberirdischem Schienenverkehr wird der
Sekundärschall in den Räumen auf der Seite der Schienenverkehrswege meistens durch den primären Luftschalleintrag über die Fenster überlagert, so dass er nicht als eigenständige Immission wahrgenommen oder weniger störend empfunden wird. Er lässt sich dadurch auch nur mit sehr hohem Aufwand messtechnisch ermitteln. Im Gegensatz dazu fehlt bei Tunnelstrecken der primäre Luftschalleintrag durch den vorbeifahrenden Zug völlig. Dieser wird hier nur durch den sekundären Luftschall als dumpfes Grollen wahrgenommen. Der Grad der Belästigung mit der der sekundäre Luftschall von den betroffenen Bewohnern wahrgenommen wird, ist stark subjektiv und z.B. wesentlich von der Gewöhnung aber auch vom übrigen Umfeld abhängig. Zusätzlich kann es noch zu weiteren Auswirkungen einer Körperschallanregung kommen, wie sie z.B. als Klirren von Gläsern oder Fensterscheiben auftreten. Diese werden als Sekundäreffekte bezeichnet. Sie sind nur schwer zu prognostizieren und reproduzierbar zu messen und sehr stark von den Bedingungen am einzelnen Immissionsort abhängig. In den meisten Fällen sind sehr einfache Abhilfemaßnahmen, z.B. geringfügiges Umstellen von Gegenständen möglich, weswegen hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll. Ursachen, Entstehung, Weiterleitung Erschütterungsimmissionen entstehen aufgrund von Einwirkungen zeitabhängiger Kräfte auf fester Materie. Sie können sowohl periodischer als auch nichtperiodischer Art sein. Maßgebende Anregungsursachen beim Schienenverkehr sind die durch die überrollenden Fahrzeuge auf den Oberbau einwirkenden Kontaktkräfte, deren Ursachen vor allem in einer Unwucht der rotierenden Radsatzmassen, Abweichungen der Schienen- und Radlaufflächen von der Idealform und insbesondere in einer örtlich variierenden Steifigkeit des Fahrwegs (z.B. durch den ständigen Steifigkeitswechsel zwischen dem Schienenlager und dem Schwellenfach) liegen. Es kommt hierbei auch zu deutlichen Wechselwirkungen
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
zwischen Fahrzeug, Fahrweg und Untergrund, weswegen die Emission nicht nur vom Fahrzeugtyp und der gefahrenen Geschwindigkeit sondern auch sehr stark von der Fahrbahnart und den örtlichen Verhältnissen im Untergrund abhängt. Ein Vergleich der Emissionen zwischen zwei verschiedenen Örtlichkeiten ist trotz gleichem Fahrzeugmaterial daher nur sehr bedingt möglich. Zusätzlich können noch lokale impulsartige Einzelanregungen, wie sie z.B. beim Überfahren eines Schienenstoßes oder der Herzstücklücke in Weichen auftreten, hinzukommen. Sie werden dann durch den Unterbau in den Untergrund als Schwingungen (Körperschall) eingeleitet. Diese pflanzen sich an der Geländeoberfläche in Form von Rayleigh-Wellen (Oberflächenwellen) und im Untergrund in Form von Druck- und Schwerwellen (Raumwellen) fort. Über den Kontaktbereich zwischen Baugrund und Fundament werden sie in die Gebäudestruktur eingeleitet und dort entweder direkt
795
als mechanische und fühlbare Schwingungen (Erschütterungen) wahrgenommen oder von den Raumbegrenzungsflächen als sekundärer Luftschall abgestrahlt. Während die Schwingungen i. Allg. im Baugrund mit zunehmender Entfernung vom Immissionsort durch Dämpfungsmechanismen gemindert werden, kommt es innerhalb eines Gebäudes aufgrund von Resonanzeffekten wieder zu einer deutlichen Verstärkung. Im Allgemeinen treten die größten Schwingungen in der Mitte der Stockwerksdecken auf, wobei dies je nach Gebäudestruktur in den einzelnen Etagen sehr unterschiedlich sein kann. Einen wesentlichen Einfluss auf die Größe der tatsächlich vom Bewohner wahrnehmbaren Immission hat vor allem die Konstruktion der Geschossdecken, deren Bauweise und Abmessungen die Eigenfrequenz der Decken ganz wesentlich bestimmen. Da vielfach wesentliche Anteile im Frequenzspektrum der Emission mit Eigenresonanzen von Gebäudestrukturen insbesondere
Abb. 16.15 Übertragungswege
796
16
Umweltschutz
(Geschossdecken) übereinstimmen kann es hier zu deutlichen Verstärkungen kommen. Dementsprechend lässt sich also die Schwingungsübertragung auf die 3 wesentlichen Einflussbereiche (Teilsysteme) aufteilen (vgl. Abb. 16.15): – Emissionsbereich, – Transmissionsweg, – Immissionsbereich. 16.3.2.2 Erschütterungsmessungen und -prognosen In Analogie zur Beurteilung des Schienenverkehrslärms nach den Regelungen der 16. BImSchV ist eine Prognose und anschließende Beurteilung zu den Auswirkungen auf Erschütterungsimmissionen nur für solche Streckenabschnitte erforderlich, an denen „ein erheblicher baulicher Eingriff “ vorliegt. Hierbei sind nur die rein baulichen Veränderungen zu berücksichtigen, bei denen von Auswirkungen auf die Erschütterungsemissionen auszugehen ist (z.B. „Gleislageveränderungen“). Reine Instandhaltungsmaßnahmen ohne Veränderung der Lage oder der Trasse des Gleiskörpers fallen ebenso wie betrieblichsicherungstechnische Veränderungen nicht hierunter. Hier ist von einem Bestandsschutz auszugehen. Der Einwirkungsbereich einer Gleis- und insbesondere Tunneltrasse in dem mit relevanten Immissionen aus Erschütterungen und sekundärem Luftschall zu rechnen ist, hängt neben den Betriebsdaten vor allem von den örtlich vorliegenden Übertragungseigenschaften des Baugrundes ab. Da der zu betrachtende Immissionspunkt die Raummitte von Wohnund Schlafräumen – und damit innerhalb der Gebäude und nicht wie beim Verkehrslärm ein Vergleichspunkt vor der Gebäudefassade – darstellt, ist auch die Erschütterungsempfindlichkeit des jeweiligen Gebäudes von großem Einfluss. Hierdurch kommt es z.B. regelmäßig dazu, dass in dem einen Gebäude die Immissionsrichtwerte gut eingehalten werden, während in dem unmittelbar benachbarten Gebäude mit gleichem oder sogar größerem Abstand
zur Bahntrasse die Werte überschritten werden. Es ist daher nur sehr bedingt möglich, allgemeine und fest abgegrenzte Einwirkungsbereiche anzugeben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen gerechnet werden muss. In der Richtlinie VDI 3837 werden die nachstehenden Abstände von Gebäuden zur oberirdischen Gleistrasse genannt, in denen spürbare Erschütterungswirkungen möglich sind und für die genauere Untersuchungen durchgeführt werden sollten: 1. Vollbahnen mit Massengütertransporten, extrem weichen Böden und Holzbalkendecken: 200 m, 2. Vollbahn, „normale“ Verhältnisse: 60 m, 3. S-Bahnen: 40 m, 4. Stadt- und Straßenbahnen (oberirdisch): 25 m. Bei Tunnelstrecken kommt als wesentlicher Einflussparameter die Überdeckungshöhe zwischen Tunnel und Gebäudefundament, die Tunnelbauweise sowie die Gebirgsstruktur hinzu. Anders als beim Verkehrslärm existiert für die Erschütterungsprognose kein gesetzlich vorgeschriebenes Prognoseverfahren. Ebenso existieren bisher auch nur in Ansätzen und bedingt brauchbare und praxistaugliche Verfahren, mit denen die Erschütterungswirkung ausgehend von der Bestimmung der Emissionsgrößen, über die Weiterleitung im Baugrund bis zur Einleitung ins Gebäude auf ausschließlich physikalische Größen beruhende und in sich geschlossene Rechenverfahren, womit die Immissionen berechnet oder simuliert werden können. Ursache hierfür ist neben den komplexen und noch nicht restlos bekannten oder schwierig zu beschreibenden physikalischen Beziehungen vor allem die Vielzahl von erforderlichen und i.d.R. nicht ausreichend bekannten Materialparametern. In der Regel werden daher aus Teilfunktionen zusammengesetzte, kombinierte analytisch empirische Prognoseverfahren verwendet. Grundlegende Hinweise hierzu können der Richtlinie VDI 3837 sowie den Ver-
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
öffentlichungen von (Krüger et. al. 2001; Wettschureck et. al. 2003 und Melke 1995) entnommen werden. Für Erschütterungsmessungen sind die Regelungen nach DIN 45672 zu beachten. Bei der Erschütterungsmessung und -prognose kommt es immer sehr stark auf die Frequenzzusammensetzung der Mess- und Prognosegrößen an. Es sind daher alle Größen und Zusammenhänge spektral, also als Funktion über die Frequenz, anzugeben. Die Darstellung und Berechnung erfolgt i.d.R. als Terzfrequenzspektren, meistens über ein Terzband von 4–315 Hz. Die i. Allg. praktizierte Verfahrensweise unterteilt die Schwingungsübertragung auf die drei wesentlichen Übertragungsbereiche als entkoppelte Teilsysteme und addiert diese zu einer Gesamtfunktion: 1. Emissionssystem: Beschreibung der Erschütterungsquelle, bezogen auf einen Referenzpunkt im Freifeld in 8 m des nächsten zu betrachtenden Gleis, im Tunnel ca. 1,5 m über SO an der Tunnelinnenwand, getrennt nach den jeweiligen Zuggattungen und Geschwindigkeitsklassen, 2. Transmissionssystem: Bodenspezifische und entfernungsbedingte Minderung der Erschütterungsübertragung auf dem Übertragungsweg vom Emissionspunkt bis vor das Gebäude, 3. Immissionssystem: Einleitung der Schwingungen vom Gelände auf die Fundamente und Übertragung innerhalb des Gebäudes bis auf die Wohnungsdecken. Da normalerweise dem Grundsatz nach eine Vielzahl von Immissionsorten (Gebäude + jeweils noch unterschiedliche Stockwerke mit wiederum mehreren Räumen) untersucht werden müsste, aber eine genaue Ermittlung der einzelnen Größen sehr aufwändig ist, kann im Rahmen von Immissionsprognosen beim Streckenneu oder -ausbau keine exakte Aussage für alle möglicherweise betroffenen Immissionsorte erfolgen. In der Regel kann man daher nur einige exemplarische und für ein betroffenes Bebauungsgebiet möglichst repräsenta-
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tive Immissionsorte auswählen, für die dann eine genaue Prognose durchgeführt wird. Anschließend muss dann ggf. unter Einbeziehung von statistischen Methoden eine Extrapolation und Abschätzung der Betroffenheit auf das gesamte Bebauungsgebiet erfolgen. Bei der Erschütterungsprognose im Rahmen von Untersuchungen als Grundlage für das Planfeststellungsverfahren ist es vorteilhaft, phasenweise vorzugehen und dabei jeweils den Detaillierungsgrad der Untersuchung zu erhöhen: 1. Phase: Konfliktabschätzung, – Auflistung aller für die Veränderung der Erschütterungsemission und -immission relevanten baulichen Eingriffe – Überschlägige Ermittlung der im Einwirkungsbereich vorhandenen Bebauung, einschl. deren wesentlicher Nutzung (Wohngebäude oder reine Nutzung als Geschäfts- und Industriegebäude) – Einstufung der Bebauung nach Baunutzungsverordnung oder Flächenutzungsbzw. Bebauungsplan – Zusammenstellung der erforderlichen projektspezifischen einzuhaltenden Anspruchskriterien (Anhaltswerte für Erschütterungen sowie Immissionsrichtwerte für sekundären Luftschall) – Zusammenstellung der betrieblichen Angaben wie Streckenbelastung nach Zuggattung, Geschwindigkeiten u.ä. 2. Phase: Grundlagenermittlung, Bestimmung von Korridorgrenzen – Ermittlung von Emissionsspektren für die nach dem Betriebsprogramm zu untersuchenden Züge aus vorhandenen Ergebnissen in einer Datenbank oder durch Messungen vor Ort – Ermittlung von baugrundspezifischen sowie abstandsabhängigen Übertragungsfunktionen (i.d.R. durch Messung vor Ort) – Eingrenzung der Betroffenheitsbereiche und Angabe von Korridorbreiten durch Ausnutzung der projektspezifischen Emissionsspektren und geländeabhän-
798
16
Umweltschutz
gigen sowie gebäudespezifischen Übertragungsfunktionen, differenziert nach Holzbalkendecken und Massivdecken für unterschiedliche Deckeneigenfrequenzen – Auswahl exemplarischer und für das Projekt möglichst repräsentativer Gebäude (Immissionsorte) 3. Phase: Detailuntersuchung und Extrapolation – messtechnische Ermittlung der gebäudespezifischen Übertragungsfunktionen für die in Phase 2 ausgewählten exemplarischen Immissionsorte – Bei Umbau- oder Ausbaumaßnahmen, Durchführung von Beweissicherungsmessungen zur Ermittlung und Dokumentation der Immissionssituation vor Beginn der Umbaumaßnahme (IstZustand) – Ermittlung der genauen Immissionsgrößen und Beurteilung anhand der Beurteilungskenngrößen – ggf. Ermittlung und Prognose der Höhe der Anhaltswertüberschreitung nach Durchführung der Baumaßnahme – ggf. Ermittlung der Schwingungsübertragungseigenschaften innerhalb der Gebäude von zusätzlichen möglicherweise betroffenen Immissionsorten durch Kurzmessung der Übertragungsfunktion unter Zuhilfenahme von künstlichen Anregungsquellen – Abschätzung der Gesamtbetroffenheit des Bebauungsbereichs innerhalb der Korridorgrenzen durch Extrapolation der Ergebnisse auf die Übrigen nicht im Detail untersuchten Gebäude 4. Phase: Bestimmung von Schutzmaßnahmen – Ermittlung von geeigneten Schutzmaßnahmen unter Angabe von konkreten Einfügedämmungen – Auswirkung und Verringerung der Betroffenheit des gesamten Bebauungsgebiets bei Einsatz der spezifischen Schutzmaßnahme
– grobe Kostenabschätzung, falls möglich Kosten/Nutzenanalyse – Abwägung zwischen den verschiedenen Maßnahmen, Empfehlung einer Vorzugsvariante. Sollen zur weiteren Ermittlung von möglichen Betroffenheiten noch für zusätzliche Gebäude exakte Aussagen getroffen werden, so kann dies durch Messung der jeweiligen Gebäudeübertragungseigenschaften erfolgen. Steht keine natürliche Erschütterungsquelle als Anregung zur Verfügung (z.B. weil auf der Strecke noch keine Züge fahren oder in einer zu großen Taktfolge) kann dies auch unter Hinzuziehung von externen Anregungsquellen erfolgen. Hierfür können z.B. herkömmliche Rüttelplatten verwendet werden, um die Schwingungsübertragung vom Baugrund in das Gebäude und innerhalb des Gebäudes zu ermitteln. Soweit möglich sollte versucht werden, bei fortschreitender Baumaßnahme die Annahmen die der Erschütterungsprognose zugrunde gelegt wurden noch einmal vor Ort zu überprüfen. Insbesondere bei Tunnelneubaumaßnahmen können im Vorfeld das Schwingungsverhalten des Tunnels selbst, wie auch die Übertragungsfunktion vom Tunnel zu den betroffenen Bauwerken nicht messtechnisch ermittelt, sondern nur durch theoretische Rechenmodelle, Annahmen und Erfahrungswerte abgeschätzt werden. Diese Annahmen enthalten i.d.R. entsprechende Reserven, die vom Fachplaner normalerweise immer zugunsten der betroffenen Anwohner abgeschätzt werden. Hier hat es sich bewährt, nach Fertigstellung des Tunnelrohbaus diese Annahmen durch Messung der Schwingungsübertragungsfunktion von der Tunnelsohle zur Geländeoberfläche bzw. in die Gebäude unter Zuhilfenahme einer künstlichen Erschütterungsanregung zu überprüfen und erst danach die endgültige Dimensionierung der Minderungsmaßnahmen vorzunehmen. Hierdurch konnten schon erhebliche Einsparungen gegenüber der ursprünglichen Planung erzielt werden.
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
Da insgesamt die Erschütterungsprognose mit gewissen, nicht zu vermeidenden Unsicherheiten versehen ist, wird in vielen Fällen im Planfeststellungsbeschluss ein entsprechender Vorbehalt aufgenommen, der den Vorhabensträger dazu verpflichtet, nach Inbetriebnahme die Prognose zu überprüfen und ggf. durch Nachmessung der tatsächlich auf das Gebäude einwirkenden Erschütterungsimmissionen eine erneute Beurteilung vorzunehmen. Aufgrund der dargestellten Komplexität sind mit Erschütterungsprognosen nur ausreichend und nachweislich erfahrene Fachplaner zu beauftragen. Auch wenn nicht unbedingt eine zwingende Verpflichtung für eine ausführliche Erschütterungsprognose besteht, ist es sinnvoll, durch eine einfache Beweissicherungsmessung die vorhandene Erschütterungsbelastung vor Beginn einer Baumaßnahme messtechnisch zu erfassen, um möglichen Einwendungen oder Beschwerden nach der Durchführung objektiv entgegnen zu können. Dies muss nicht zwangsläufig innerhalb von Gebäuden stattfinden, häufig eignen sich dazu auch Messpunkte im Gelände, die von der Baumaßnahme nicht betroffen sind. Prognose des sekundären Luftschalls Auch eine exakte Ermittlung des sekundären Luftschalls aufgrund physikalischer Modelle ist außerordentlich kompliziert und erfordert eine Vielzahl von i.d.R. nicht bekannten oder nur sehr aufwändig zu ermittelnden Eingangsparametern. In ausführlichen Untersuchungen konnte für die typischerweise an Eisenbahnstrecken geltenden Randbedingungen eine gewisse Abhängigkeit in der Größenordnung zwischen der Schwingung des Fußbodens in dem betrachteten Raum und dem von den Raumbegrenzungsflächen abgestrahlten sekundären Luftschallimmissionen festgestellt werden. Ein praxistaugliches Verfahren zur Ermittlung des sekundären Luftschalls mit Hilfe von Korrelationsfunktionen ist in (Said et. al. 2006) vorgestellt. Ausgangsgröße hierzu ist der über die geometrische Vorbeifahrzeit
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des Zuges gemittelte, mit der Zeitbewertung Fast (125 ms) ausgewertete Schwingschnellepegel einschl. der A-Bewertung LvA. Demnach gilt für: – Holzbalkendecken: LsekA = 19,9 + 0,47 LvA LsekA = 15,8 + 0,60 LvA. – Massivdecken: 16.3.2.3 Beurteilung von Erschütterungen und sekundärem Luftschall Allgemeine Beurteilungsgrundlagen Erschütterungsimmissionen gehören – wie eingangs erwähnt – zu den im BImSchG ausdrücklich genannten Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Der Bau oder die Änderung von Schienenwegen von Eisenbahnen einschließlich der für den Betrieb der Schienenwege notwendigen Anlagen ist im § 18 AEG (Allgemeines Eisenbahngesetz) grundsätzlich geregelt. Demnach dürfen diese nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan zuvor festgestellt oder genehmigt worden ist. Dabei sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Einzelheiten hierzu sind im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) näher ausgeführt. Hier wird darauf hingewiesen, dass die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen hat, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld (§ 74, (2) VwVfG). Trotz dieser gesetzlich vorgeschriebenen durchzuführenden Beurteilung gibt es derzeit keine – anders als z.B. für den Luftschall – über diese allgemeinen Grundsätze hinausgehenden verbindlichen Rechtsverordnungen,
800
16
Umweltschutz
die Immissionsgrenzwerte oder konkrete Prognose- und Beurteilungsverfahren für Immissionen infolge Erschütterungen oder sekundärem Luftschall festlegen. Die für den Bau öffentlicher Straßen sowie Eisenbahnen und Straßenbahnen geltenden §§ 41–43 BImSchG sowie die 16. BImSchV beziehen sich ausschließlich auf Verkehrsgeräusche (Primärschall). Somit können aus dem BImSchG keine direkten Vorgaben zum Umgang mit Erschütterungen und sekundärem Luftschall abgeleitet werden. Für die Prognose und die Beurteilung dieser Immissionen muss daher auf antizipierte Sachverständigenäußerungen, wie sie z.B. in allgemein anerkannten technischen Regelwerken dokumentiert sind, sowie auf allgemeine Grundsätze des Immissionsschutzes und der Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Beurteilung der Erschütterungseinwirkungen Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Erschütterungen werden drei verschiedene Wirkungen unterschieden: Einwirkungen auf bauliche Anlagen: In der Regel ist davon auszugehen, dass die aus dem Schienenverkehr herrührenden Erschütterungen deutlich unterhalb der für ein Bauwerk als schädlich einzustufenden Schwingungsgrößen liegen. Dies gilt auch bei unmittelbar an einer Eisenbahntrasse stehenden Gebäuden. Im Regelfall sind hier keine ausführlichen weiteren Untersuchungen erforderlich, da davon ausgegangen werden kann, dass die Gebäudesubstanz nicht von Erschütterungseinwirkungen aus dem Eisenbahnbetrieb nachhaltig beeinträchtigt wird. Ist trotzdem eine etwas detailliertere Beurteilung erforderlich, können diese nach DIN 4150-3 „Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf bauliche Anlagen“ beurteilt werden. Einwirkungen auf empfindliche technische Geräte und Einrichtungen: Bei erschütterungsempfindlichen Geräten und Einrichtungen können in Einzelfällen Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit auftreten oder besondere Schutzvorkehrungen (z.B. schwin-
gungsisolierte Aufstellung) erforderlich werden, wenn die Erschütterungsimmissionen die am Aufstellort der Geräte oder innerhalb der Einrichtungen geforderten Spezifikationen überschreiten. Eine Beurteilung hinsichtlich der Zumutbarkeit hat unter strenger Berücksichtigung des Einzelfalls zu erfolgen. Hierbei ist neben der historischen Entwicklung der Nachbarschaftssituation, den Duldungspflichten nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme insbesondere auch die ortsübliche Vorbelastung aus anderen bereits in der Umgebung vorhandenen Schwingungsquellen (z.B. aus Lieferanten- und Ladungsverkehr, Personenbewegungen, haustechnischen Anlagen) zu berücksichtigen. Diese können in jedem Fall als zumutbar angesehen werden und sind ggf. vorab durch Bestandsmessungen am Aufstellort zu ermitteln. Reale oder geldwerte Ausgleichsansprüche können nur insofern geltend gemacht werden, als die durch den Schienenverkehr auf die technischen Einrichtungen einwirkenden Immissionen deutlich oberhalb der vorhandenen liegen und durch die neu hinzukommenden Einwirkungen der Betrieb der Anlagen und Geräte unzumutbar beeinträchtigt wird. Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden: Hierunter ist die Beurteilung der Erschütterungseinwirkungen zu verstehen, wie sie vom Menschen beim Aufenthalt in Gebäuden, insbesondere Wohngebäuden als belästigend wahrgenommen werden. Für Planungsvorhaben der DB AG ist i.d.R. eine Beurteilung nach DIN 4150 „Erschütterungen im Bauwesen“ mit Teil 2 „Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden“ als einschlägiges technisches Regelwerk durchzuführen. Dort werden Anforderungen und Anhaltswerte differenziert nach Gebietsnutzung und Tages- und Nachtzeitraum genannt, bei deren Einhaltung erwartet werden kann, dass i.d.R. erhebliche Belästigungen von Menschen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen vermieden werden. Die Verwendung des Begriffs „Anhaltswert“ macht deutlich, dass es sich bei diesen Werten in Verbindung mit dem Beurteilungsverfahren nicht
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
um gesicherte Grenzwerte, sondern um empfohlene Werte handelt. Eine Unterschreitung ist auch nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme in jedem Fall als dem Anwohner zumutbar zu bezeichnen. Andererseits ist bei einer Überschreitung zwar von zunehmenden Belästigungen auszugehen, keinesfalls kann aber im Umkehrschluss hieraus gefolgert werden, dass die Situation damit für die Betroffenen automatisch als unzumutbar zu bezeichnen sei; vielmehr kommt es gerade für diesen Fall auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Die Beurteilung der Erschütterungswirkungen wird anhand von KB-Werten durchgeführt. Dies sind dimensionslose Größen zur Beschreibung der Schwingstärke des Fußbodens in Raummitte, die aus der am Immissionspunkt gemessenen oder prognostizierten unbewerteten Schwingschnelle durch eine Zeit- und Frequenzbewertung (Filterung nach DIN 45669-1) ermittelt werden. Hierbei werden zwei Beurteilungsgrößen unterschieden: – KBFmax: die maximale zeit- und frequenzbewertete Schwingstärke, welche während der jeweiligen Beurteilungszeit einmalig oder wiederholt auftritt, – KBFTr: die Beurteilungsschwingstärke, die neben der Höhe der Einzelsignale vor allem auch die Dauer und die Häufigkeit des Auftretens der einzelnen Einwirkungen innerhalb des Beurteilungszeitraums am Immissionsort berücksichtigt. Beide Beurteilungsgrößen sind getrennt für die drei Richtungskomponenten X, Y (horizontal) und Z (vertikal) zu ermitteln. Die jeweils größte der drei ist der Beurteilung zugrunde zu legen. In üblichen Wohn- und Bürogebäuden und bei typischen Verhältnissen wird sich i.d.R. die vertikale Raumrichtung als maßgebend herausstellen, sodass die anderen Raumrichtungen dann vernachlässigbar sind. Die Kenngröße KBFmax liefert einen Hinweis auf die Fühlbarkeit von Erschütterungseinwirkungen des Einzelereignisses in Gebäuden. Die Fühlschwelle liegt bei den meisten Menschen
801
zwischen KB = 0,1 und KB = 0,2. Erschütterungseinwirkungen um KB = 0,3 werden beim ruhigen Aufenthalt in Wohnungen überwiegend bereits als gut spürbar wahrgenommen. Beurteilung beim Neubau von Strecken Für den Neubau von Strecken (d.h. Einwirkungsorte ohne nennenswerte Vorbelastungen aus dem Schienenverkehr) wird i. Allg. eine Beurteilung in enger Anlehnung an die DIN 4150-2 durchgeführt. Die DIN unterscheidet hierbei zwei für den Schienenverkehr wesentliche Anhaltswerte: – Au: unterer Anhaltswert d.h. untere Grenze, bei deren Unterschreitung mit dem KBFmax keine erheblichen Belästigungen zu erwarten sind, – Ar: Anhaltswert für den Vergleich mit der Beurteilungsschwingstärke KBFTr. Liegt hierbei die ermittelte maximale Schwingstärke KBFmax unterhalb des unteren Anhaltswerts Au, so sind die Anforderungen eingehalten und es braucht keine weitere Beurteilung zu erfolgen. Bei einer Überschreitung wird zunächst die Beurteilungsschwingstärke KBFTr gebildet und mit dem entsprechenden Anhaltswert Ar verglichen. Hier wird vor allem die Einwirkungsdauer und -häufigkeit der Belästigung berücksichtigt. Beurteilung bei Änderungen von Bahnanlagen (Strecken mit Vorbelastung) Wird eine bestehende Bahnstrecke baulich erheblich verändert oder ausgebaut, unterliegen die anliegenden Gebäude bereits einer Immissionsvorbelastung aus dem schon bisher vorhandenen Schienenverkehr. Für die Beurteilung der Änderung oder des Ausbaus von Schienenverkehrswegen mit einer bereits vorhandenen Vorbelastung enthält die DIN 4150 keine konkreten Regelungen oder Anhaltswerte, sondern stellt fest, dass den Anwohnern an bestehenden Schienenverkehrsstrecken häufig Erschütterungsimmissionen zugemutet werden müssen, die oberhalb des Niveaus liegen, ab dem mit zunehmender Wahrschein-
802
16
Umweltschutz
Tabelle 16.23 Anhaltswerte für Erschütterungseinwirkungen aus dem Schienenverkehr für Wohn- und Schlafräume nach DIN 4150-2, einschließlich der für den oberirdischen ÖPNV (öffentlicher Personennahverkehr) geltenden Werte Einwirkungsorte
Tags
Nachts
ÖPNV (oberirdisch) Tags Nachts Ar Au Ar Au
Au
Ar
Au
Ar
1
0,4 Einwirkungsorte in deren Umgebung nur gewerbliche Anlagen und ggf. ausnahmsweise Wohnungen für Inhaber und Leiter der Betriebe sowie für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen untergebracht sind (vergleichbar Industriegebiete BauNVO, § 9)
0,2
0,3
0,15
0,6
0,3
0,45 0,23
2
Einwirkungsorte, in deren Umgebung vorwie- 0,3 gend gewerbliche Anlagen untergebracht sind (vergleiche Gewerbegebiete BauNVO, § 8)
0,15
0,2
0,1
0,45
0,23
0,3
3
Einwirkungsorte, in deren Umgebung weder 0,2 vorwiegend gewerbliche Anlagen noch vorwiegend Wohnungen untergebracht sind (vergleiche Kerngebiete BauNVO, § /, Mischgebiete BauNVO, § 6, Dorfgebiete BauNVO, § 5)
0,1
0,15
0,07
0,3
0,15
0,23 0,11
4
Einwirkungsorte, in deren Umgebung vorwie- 0,15 gend oder ausschließlich Wohnungen untergebracht sind (vergleiche reines Wohngebiet BauNVO, 3 §, allgemeine Wohngebiete BauNVO, § 4, Kleinsiedlungsgebiete BauNVO, § 2)
0,07
0,1
0,05
0,23
0,11
0,2
0,08
5
Besonders schutzbedürftige Einwirkungsorte, 0,1 z.B. in Krankenhäusern, Kurkliniken, soweit sie in dafür ausgewiesenen Sondergebiete liegen
0,05
0,1
0,05
0,15
0,08
0,2
0,08
lichkeit erhebliche Belästigungen auftreten können. Die Grenze der Zumutbarkeit kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festgelegt werden. Von Ausbaumaßnahmen betroffene Anwohner können lediglich verlangen, dass durch das Hinzutreten neuer Erschütterungsimmissionen die bereits vorhandene Vorbelastung nicht wesentlich erhöht wird. Bis zum Erreichen einer allgemeinen Erheblichkeitsschwelle ist jede Erhöhung zulässig. Eine generelle Erheblichkeitsschwelle, bis zu der an bestehenden Strecken Erschütterungsimmissionen in jedem Fall, unabhängig von der Größenordnung der auftretenden Veränderung, als zumutbar anzusehen sind, wird in der DIN nicht genannt. Es kann jedoch in jedem Fall angenommen werden, dass die beim Neubau von oberirdischen Schienenverkehrs-
0,15
wegen des ÖPNV um 50% höheren Anhaltswerte Au und Ar noch als zumutbar angesehen werden können. Es kommt also bei der erschütterungstechnischen Untersuchung im Rahmen der Planfeststellung von auszubauenden oder zu ändernden Schienenverkehrsanlagen zunächst weniger darauf an, die Absolutwerte einer erschütterungstechnischen Belastung zu bestimmen, sondern zu ermitteln, inwieweit es durch die baulichen Eingriffe zu zusätzlichen Belastungen kommt und ob gerade in diesen zusätzlichen Belastungen eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt. Aus durchgeführten umfangreichen Untersuchungen (Said et al. 2001) ist zu entnehmen, dass ein Unterschied zwischen zwei Schwingungsereignissen von weniger als 25% von dem Betroffenen nicht wahrgenommen wird. Demzufolge kann
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
also eine Zunahme um 25% gar nicht eindeutig festgestellt werden. Eine Zunahme in dieser Größenordnung kann somit in jedem Fall als zumutbar angesehen werden. Es sind die nach Fertigstellung der Baumaßnahmen zu erwartenden Immissionswerte zu ermitteln und anhand folgender beiden Kriterien zu überprüfen: 1. Überprüfung auf Überschreitung der allgemeinen Erheblichkeitsschwelle: Liegen die ermittelten Werte für KBFmax < Au (ÖPNV) bzw. KBFTr < Ar, (ÖPNV), so sind die erschütterungstechnischen Anforderungen eingehalten und keine weiteren Beurteilungsschritte erforderlich, 2. Überprüfung auf wesentliche Änderung/spürbare Erhöhung: Erhöhen sich die Erschütterungsimmissionen um ≤ 25% gegenüber der Bestandssituation, liegt keine spürbare oder wesentliche Änderung vor und die Anforderungen sind eingehalten. Erhöhen sich die Belastungen im Vergleich zur plangegebenen oder Bestandssituation um mehr als 25%, liegt ggf. eine spürbare Erhöhung vor. Nur wenn sich die bestehende oder plangegebene Vorbelastung aus dem Schienenverkehr nach dem baulichen Eingriff wesentlich erhöht und gleichzeitig die prognostizierten Erschütterungen die relevante Erheblichkeitsschwelle übersteigen, müssen Maßnahmen zur Minimierung der Erschütterungsimmissionen in Betracht gezogen werden. Bei der Abwägung sind aber auch zusätzlich die in der DIN 4150- 2 genannten Kriterien wie historische Entwicklung der Belastungssituation, Höhe und Häufigkeit der Anhaltswertüberschreitung oder auch die grundsätzlichen technischen Möglichkeiten zur Vermeidbarkeit der Anhaltswertüberschreitung zu berücksichtigen. Beurteilung des sekundären Luftschalls Ähnlich wie auch schon bei der Beurteilung der Erschütterungsimmissionen angemerkt, gibt es bisher auch zu dem sekundären Luftschall keine über die allgemeinen immissions-
803
schutz- und planungsrechtlichenrechtlichen Grundsätze hinausgehenden konkrete Rechtsverordnungen o.ä., die ein Beurteilungsverfahren oder bestimmte einzuhaltende Grenzoder Richtwerte vorgeben. Ebenso gibt es derzeit kein einschlägiges technisches Regelwerk, welches direkt für die Beurteilung von sekundärem Luftschall aus Schienenverkehr anwendbar ist. Demzufolge kommt es hier bei der Prognose und Beurteilung häufig zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen verschiedenen Fachplanern oder auch den Aufsichtsund Genehmigungsbehörden. Sekundärer Luftschall ist eine Sonderform von verkehrsinduzierten Geräuschen. Die Beurteilungsgrundsätze müssen daher insbesondere aus Regelungen und Grundsätzen, wie sie auch sonst im Bereich des Verkehrslärms Anwendung finden, abgeleitet werden. Ein Anhaltspunkt für die Bestimmung von zulässigen Innenraumpegeln von verkehrsindizierten Immissionen kann aus der 24. BImSchV (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung) abgeleitet werden. Dort werden Angaben über das erforderliche Schalldämmmaß der Außenbauteile (Wände, Fenster) in Abhängigkeit vom Außenpegel gemacht. Aus dem dort genannten Korrektursummanden D sowie einem weiteren Korrekturwert von 3 dB (Korrekturwert der die unterschiedliche Dämmwirkung von Außenbauteilen bei gerichtetem Schall gegenüber dem diffusen Schallfeld berücksichtigt), können die nachstehenden zumutbaren Innenraumpegel (vgl. Tabelle 16.24) entsprechend der unterschiedlichen Nutzung abgeleitet werden. Wie auch sonst bei der Beurteilung von Verkehrslärm und insbesondere Schienenverkehrslärm allgemein üblich, werden somit nur Beurteilungspegel und keine Spitzenpegel betrachtet. Entsprechend den obigen Ausführungen betragen die höchstzulässigen Innengeräuschpegel (Mittelungspegel) somit – Wohnräume 40 dB (A), tags – Schlafräume 30 dB (A), nachts.
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Tabelle 16.24 Aus der 24. BImSchV ableitbare zumutbare Innenraumpegel für unterschiedliche Raumnutzung Immissionsrichtwerte (Beurteilungspegel) für zumutbare Innenraumpegel Li in Anlehnung an 24. BImSchV Li,T [dB(A)] tags 6–22 Uhr
Raumnutzung
Li,N [db(A)] nachts 22–6 Uhr
1
Räume, die überwiegend zum Schlafen genutzt werden
2
Wohnräume
3
Behandlungs- und Untersuchungsräume in Arztpraxen, 40 Operationsräume, wissenschaftliche Arbeitsräume, Leseräume in Bibliotheken, Unterrichtsräume
4
Konferenz- und Vortragsräume, Büroräume, allgemeine Laborräume
45
5
Großraumbüros, Schalterräume, Druckerräume von DVAnlagen, soweit dort ständige Arbeitsplätze vorhanden sind
50
6
Sonstige Räume, die nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt Entsprechend der Schutzbedürftigvon Menschen bestimmt sind. keit der jeweiligen Nutzung festzusetzen
Dies entspricht auch der Zumutbarkeitsschwelle, wie sie von der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bereits in der Zeit vor Inkrafttreten der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) als Maßstab angesetzt und vom Verordnungsgeber offensichtlich bei der Abfassung der 24. BImSchV als Grundlage genommen wurden. Diese aus der 24. BImSchV abgeleiteten zumutbaren Innenraumpegel gelten für alle Arten von Verkehrslärm. Dieser wird jedoch von den Betroffenen je nach Emissionsart als unterschiedlich lästig wahrgenommen. Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Lästigkeit zwischen verschiedenen Verkehrsträgern ist nach Auffassung der Bahn der Ansatz eines Lästigkeitsunterschieds, ähnlich dem „Schienenbonus“ bei der Ermittlung des Primärschalls, in Höhe von 5 dB(A) anzusetzen. Dieser ist von den ermittelten Sekundären-Luftschallpegeln vor dem Vergleich mit den höchstzulässigen Innengeräuschpegeln abzuziehen. Allerdings ist die hier vorgestellte Beurteilungsgrundlage nicht ganz unumstritten. Vielfach wird von Einwendern, wie auch den Landesumweltbehörden, gefordert, eine Beurteilung in Anlehnung an die eigentlich nicht
30 40
für den Verkehrslärm einschlägige Verwaltungsvorschrift TA-Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BundesImmissionsschutzgesetz) vorzunehmen. Für den sekundären Luftschall gilt gleichermaßen der Grundsatz, dass bei Änderungen an bestehenden Verkehrsanlagen eine vorhandene Belastung schutzmindernd anzurechnen ist, und dass bei Überschreitung der oben dargelegten Richtwerte zu überprüfen ist, ob es durch die Baumaßnahme zu einer erheblichen Verschlechterung kommt. Als Grundlage ist hier wie bei Schallimmissionen allgemein üblich eine Pegelerhöhung in Höhe der Wahrnehmbarkeitsschwelle von 3 dB(A) als wesentlich anzusehen. Beurteilung von Erschütterungen und sekundärem Luftschall in der Schweiz und Österreich Für die Schweiz wurde vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) eine spezielle Weisung für die Beurteilung von Erschütterungen und Körperschall bei Schienenverkehrsanlagen (BUWAL, BEKS 1999) herausgegeben. Die Beurteilung der Erschütterungsimmissionen beim Neubau hat dem-
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
805
Tabelle 16.25 Innenraumpegel für den sekundären Luftschall nach der BEKS für die Schweiz Planungsrichtwerte Innenraumpegel Leq [db(A)] Nacht Tag 1 Std. Leq 16 Std. Leq
Immissionsrichtwerte Innenraumpegel Leq [db(A)] Tag Nacht 16 Std. Leq 1 Std. Leq
reine Wohnnutzung und öffentliche Nutzung (Schulen u. Krankenhäuser)
35
25
40
30
Mischzonen, städtische Kernzonen, ländliche Dorfzonen, Landwirtschaftszonen, vorbelastete reine Wohnzonen
40
30
45
35
nach nach der DIN 4150-2 zu erfolgen. Werden die dort genannten Anhaltswerte überschritten, sind Minderungsmaßnahmen nach dem Vorsorgeprinzip vorzusehen. Bei Änderungen an bestehenden Bahnanlagen müssen Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, soweit durch die bauliche oder betriebliche Veränderung eine Zunahme der Vorbelastung um mindestens 40% der Beurteilungsschwingstärke KBFTr zu erwarten sind. Für den sekundären Luftschall (in der Schweiz als Körperschall bezeichnet) werden einzuhaltende Innenraumpegel Leq als energieäquivalente Mittelungspegel über den Beurteilungszeitraum nach Tabelle 16.25 angegeben. Die „Planungsrichtwerte“ gelten für neu zu bauende Schienenverkehrswege, die „Immissionsrichtwerte“ gelten für Um- oder Ausbauten von bestehenden Anlagen. Für den Nachtzeitraum gilt jeweils der auf die lauteste Stunde zwischen 22:00 und 06:00 bezogene Pegel. In Österreich erfolgt die Ermittlung und Beurteilung sowohl von Erschütterungsimmissionen als auch sekundärem Luftschall nach den Regelungen der ÖNORM S 9012. Für die Erschütterungswirkungen wird ein der deutschen DIN 4150 zwar ähnliches, aber nicht direkt vergleichbares Beurteilungsverfahren vorgestellt. Es werden dort Anhaltswerte für den mittleren Schwingstärke-Scheitelwert KB,S der stärksten Zuggattung, angegeben. Die Beurteilungsschwingstärke Kr wird in einem zweistufigen Verfahren ermittelt. Zunächst werden die mittleren Schwingstärke-Scheitelwerte getrennt nach den zu berücksichtigenden Zug-
typen gebildet. Im Anschluss daran wird dann die zulässige Beurteilungsschwingstärke ermittelt. Einzelheiten hierzu sind der ÖNORM zu entnehmen. Die Anhaltswerte werden jeweils für einen „ausreichenden Erschütterungsschutz“ und für Anforderungen an „guten Erschütterungsschutz“ jeweils nochmals nach unterschiedlichen Gebietseinstufungen unterteilt angegeben. Für den sekundären Luftschall ist nach der genannten ÖNORM zunächst der mittlere A-bewertete energieäquivalente Dauerschallpegel (LAeq) des gesamten Zugverkehrs zu ermitteln. Zusätzlich ist noch der mittlere A-bewertete Maximalpegel (LA,max,m) der lautesten Zugtype zu bilden. Für den mittleren Abewerteten Maximalpegel werden dort nach Tageszeit und Gebietseinstufung, sowie zwischen „guten“ und „ausreichenden Schallschutz“ unterschiedene Anhaltswerte zwischen 30 und 50 dB(A) genannt. Der zulässige energieäquivalente Dauerschallpegel des gesamten Zugverkehrs ist für „guten Schallschutz“ anhand des am Immissionsort vorhandenen Grundgeräuschpegels zu orientieren, bzw. darf diesen bei „ausreichendem Schallschutz“ um nicht mehr als 10 dB überschreiten. (Hinweis: im Unterschied zur in Deutschland üblichen „FAST“-Bewertung (125 ms), wird in Österreich i.d.R. die Zeitbewertung „SLOW“ verwendet. Die Werte sind daher nicht direkt vergleichbar und liegen erfahrungsgemäß beim Schienenverkehr ca. 3–4 dB unter denen der FAST-Bewertung.)
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Umweltschutz
16.3.2.4 Minderung von Erschütterungsimmissionen (Schutzmaßnahmen) Allgemeine Grundlagen Wird im Rahmen der zu erstellenden Prognosen für Erschütterungen und sekundären Luftschall eine Überschreitung der Anspruchskriterien für einen oder mehrere Immissionsorte festgestellt, so ist der Vorhabensträger planungsrechtlich dazu verpflichtet, geeignete Maßnahmen vorzusehen um die Immissionen unterhalb der gültigen Anspruchskriterien zu vermindern. Dies begründet für den betroffenen Anlieger „einen Anspruch dem Grunde nach“ auf entsprechende Schutzmaßnahmen. Einzelheiten über deren Umsetzung werden im laufenden Planfeststellungsverfahren geregelt und als Auflage im Planfeststellungsbeschluss festgehalten. Neben der technischen Realisierbarkeit müssen entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Immissionsschutzrechts die Aufwendungen für Schutzmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum Schutzzweck stehen. Es ist daher für jeden Einzelfall eine sorgfältige Abwägung zwischen der technischen Machbarkeit, den Kosten und dem zu erzielenden Nutzen durchzuführen. Eine Pauschalierung der möglichen Maßnahmen ist daher nicht möglich. Die Beschreibung der Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit einer Maßnahme und der Berücksichtigung in Prognoserechnungen ist über den Begriff der Einfügedämmung üblich. Hierunter versteht man die relative Wirkung einer Minderungsmaßnahme gegenüber einer Referenzsituation (z.B. Oberbauvariante I – Oberbauvariante II). Auch die Dämmwirkung ist im Verlauf des Frequenzspektrums unterschiedlich ausgeprägt und muss daher spektral (frequenzabhängig) angegeben werden. In vielen Fällen ist die Wirkung auch nicht über das gesamte Frequenzspektrum gegeben, sondern es kommt häufig in einzelnen Frequenzbändern zu einer verminderten Wirksamkeit oder sogar zu einer Verstärkung. Die Einfügedämmung kann aus vergleichenden Messungen
zweier Einbausituationen, aus Messungen an einem Prüfaufbau im Labor oder auch durch rechnerische Simulationsrechnungen gewonnen werden. Einzelheiten hierzu enthält die DIN 45673. Immissionsschutzrechtlich besteht zunächst die Verpflichtung, vorrangig eine Verminderung der Entstehung und Ausbreitung der störenden Emissionswirkungen zu erzielen. Diese werden oft als „aktive Minderungsmaßnahmen“ bezeichnet. Erst wenn diese technisch nicht möglich oder nicht in einem angemessenen Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen zu realisieren sind, kann auf Minderungsmaßnahmen am Immissionsort (passive Minderungsmaßnahmen) ausgewichen werden. Falls keine entsprechenden Maßnahmen möglich sind oder nicht in einem ausreichenden Maß zur Verfügung stehen, ist ggf. eine angemessene Entschädigung zu leisten. Hierdurch wird jedoch das eigentliche Problem in keiner Weise gemindert oder gelöst, weswegen diese auch nicht als Minderungsmaßnahmen einzustufen sind. Emissionsmindernde Maßnahmen (aktive Maßnahmen) Hierunter fallen alle Maßnahmen, die zur Verminderung der Entstehung oder der Einleitung und Ausbreitung der Erschütterungen in den Baugrund beitragen. Grundsätzlich sind hierzu auch Maßnahmen am Fahrzeug zu zählen, die jedoch vom Vorhabensträger einer Infrastrukturbaumaßnahme nur sehr bedingt zu beeinflussen sind. Bei den Fahrzeugen ist ein guter Unterhaltungszustand der Fahrwerke und insbesondere der Räder (Beseitigung von Unrundheiten, Unwuchten Flachstellen usw.) von Bedeutung. Im Bezug auf den Fahrweg ist in erschütterungssensiblen Abschnitten besonders auf eine gute Gleislage sowie auf die Vermeidung von Schwellenhohllagen und starker Schienenverriffelung oder Schlupfwellenbildung zu achten. Da der zu beurteilende Immissionspunkt bei Erschütterungen immer innerhalb eines Gebäudes – und nicht wie beim Luftschall
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
unabhängig vom Gebäude – ist, kann die Wirkung nicht ganz losgelöst von der zu schützenden Bebauung betrachtet werden. Hinzu kommt die starke spektrale Ausprägung in der Wirksamkeit der verschiedenen Schutzmaßnahmen. Dies macht die Auswahl und Bestimmung der geeigneten Schutzmaßnahme ungleich schwieriger als beim Luftschall. Die Maßnahmen müssen daher sehr speziell projektspezifisch auf den vorhandenen Anwendungsfall ausgewählt und konkret geplant werden. Es ist daher auch nur sehr bedingt möglich, erfolgreich ausgeführte Maßnahmen von einem Anwendungsfall auf einen anderen zu übertragen. Eine allgemeine Zusammenstellung verschiedener ausgeführter Beispiele findet sich in der Literatur (Melke 1995; Krüger et al. 2001; Wettschureck et al. 2003) zusätzlich zu einer Vielzahl projektspezifischer Berichte in Zeitschriften. Die Realisierung von Erschütterungsminderungsmaßnahmen ist in vielen Fällen mit hohen zusätzlichen Kosten verbunden. Zu den primären Kosten der Schutzmaßnahme an sich kommen vielfach weitere sekundäre Kosten, z.B. Anpassungen im Aufbau des Untergrundes, zusätzlicher Platzbedarf im Regelprofil und Folgekosten bei der Unterhaltung. Bei einer Zusage zur Realisierung von Schutzmaßnahmen sind daher strenge Kriterien anzulegen. Maßnahmen im Bereich des Fahrwegs zielen in vielen Fällen darauf ab, durch Einfügen zusätzlicher elastischer Komponenten zum einen die Einleitung der dynamischen Kräfte in den Untergrund zu verringern sowie zum anderen die schwingungsdynamischen Eigenschaften des Oberbaus gezielt zu verändern. Hochelastische Schienenstützpunkte Im Bereich des innerstädtischen Schienenverkehrs (Straßenbahnen, U-Bahnen u.ä.) wurde eine Vielzahl von Sonderkonstruktionen entwickelt, um durch hochelastische Schienenstützpunkte die Eintragung von Schwingungen wirksam zu verringern. Hierbei konnte vor allem eine gute Minderung des sekun-
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dären Luftschalls erzielt werden. Aufgrund der höheren Lasten und gefahrenen Geschwindigkeiten sind im Bereich der Vollbahnen der zulässigen Elastizität und den daraus resultierenden Einfederungen enge Grenzen gesetzt. Es sind daher auch nur geringe Minderungen möglich. Eine echte Erschütterungsminderung ist damit nicht zu erreichen. Elastische Schwellenbesohlung Hier wird eine zusätzliche elastische Schicht am Kontaktbereich zwischen Schwelle und Schotter eingefügt. Je nach der zulässigen Elastizität (z.B. in Abhängigkeit der Geschwindigkeit) kann hier eine schwingungsmindernde Wirkung ab ca. 40 Hz erzielt werden. Im Bereich der Deutschen Bahn sind nach BN 918 145 zugelassene Produkte zu verwenden. Unterschottermatten Unterschottermatten werden als elastisches Flächenlager an der Kontaktstelle Schotter/ Untergrund verwendet. Sie werden seit vielen Jahren erfolgreich zur Verminderung von Erschütterungen und sekundärem Luftschall vor allem in Tunneln eingesetzt. Die wichtigste Kenngröße zur Unterscheidung der Wirksamkeit ist die Elastizität, die i.d.R. als Bettungsmodul angegeben wird. Für die schwingungsmindernde Wirkung entscheidend ist dabei die Elastizität unter dynamischer Belastung (dynamischer Bettungsmodul, cdyn [N/mm3]) im Vergleich zur statischen Steifigkeit. Die Einsatzbereiche und zulässigen Steifigkeiten im Netz der DB AG sind in Bahnnormen (BN) (ehemals Technische Lieferbedigungen, TL) geregelt. Die im Bereich der Deutschen Bahn zugelassenen Steifigkeiten können Tabelle 16.26 entnommen werden. Vorraussetzung für eine gute Wirksamkeit der Unterschottermatte ist ein ausreichend steifer Untergrund (Eingangsimpedanz). Im Gegensatz zum Tunnel mit der steifen Sohlenkonstruktion ist dies auf dem Erdplanum der oberirdischen Strecke i.d.R. nicht gegeben. Hier muss daher erst durch die Ausbildung einer steifen Unterkonstruktion, z.B. durch
808
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Umweltschutz
Tabelle 16.26 Zulässige Steifigkeiten für Unterschottermatten in Abhängigkeit von Radsatzlast und Geschwindigkeitsbereich nach TL-918071 Geschwindigkeit v [km/h]
Radsatzlast [kN]
stat. Bettungsmodul cstat [N/mm3]
d 120
d 160 > 160
t 0,02 t 0,03
120 < v < 200
–
t 0,06
t 200
–
t 0,10
einen Betontrog, die entsprechende Voraussetzung geschaffen werden. Dies macht die Maßnahme vergleichsweise aufwändig und beschränkt den Einsatzbereich auf Sonderfälle. Einen beispielhaften Aufbau zeigt Abb. 16.16. Über ein anderes Beispiel wird z.B. bei Müller-Boruttau et al. 2001 berichtet. An weiteren Lösungen wird gearbeitet, jedoch sind den Möglichkeiten für effektive Erschütterungsminderung an oberirdischen Strecken Grenzen gesetzt. Masse-Feder-Systeme Als Masse-Feder-System (MFS) werden Bauweisen bezeichnet, bei denen zusätzlich zu dem elastischen Element und der eigentlichen Fahrwegkonstruktion noch eine Zusatzmasse (meistens als Ortbetongleistragplatte oder -trog ausgebildet) angeordnet wird. Durch die hohe abgefederte Eigengewichtsmasse und die aufgrund der lastverteilenden Wirkung der Platte zulässigen Verformungen (Einfederungen im
elastischen Lager) können auch Lagerungseigenfrequenzen deutlich unter 10 Hz erzielt werden. Damit lässt sich selbst bei Gebäuden mit sehr tiefen Deckeneigenfrequenzen eine gute Einfügedämmleistung erreichen. Es werden leichte, mittlere und schwere Masse-Feder-Systeme unterschieden. Die leichten Masse-Feder-Systeme haben dabei meistens eine flächige Auflagerung, bei den mittleren und schweren Masse-Feder-Systemen sind die Elastomerlager als Einzelstützpunkt ausgebildet. Der generelle Aufbau eines flächig gelagerten Masse-Feder-Systems ist aus Abb. 16.17 ersichtlich. Masse-Feder-Systeme erfordern eine deutlich größere Konstruktionshöhe als der übliche Oberbau. Entsprechende Abschnitte müssen daher bereits frühzeitig bei der Planung berücksichtigt werden, um die übrigen Abmessungen (z.B. Tunnelquerschnitt) daraufhin anzupassen.
Abb. 16.16 In Ortbetongleistrog eingespannter Schotteroberbau und integrierte Unterschottermatte
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen
809
Abb. 16.17 Leichtes Masse-Feder-System. 1 Oberbau als Feste Fahrbahn, 2 Gleistragmasseplatte mit längsverschieblichen Querkraftdübeln, 3 elastische Matte 50 mm, 4 Ausgleichs- und Sohlbeton
Ähnlich wie bei den Unterschottermatten ist auch hier eine Anwendung auf Tunnel beschränkt. Abschirmende Maßnahmen im Transmissionsweg Es wurden bisher die verschiedensten Maßnahmen versucht, um durch schwere Abschirmwände oder leichte mit einem weichen Medium gestützte Schlitze die Ausbreitung der Schwingungen auf dem Weg vom Gleis zu den Gebäuden zu verhindern. Eine nennenswerte abschirmende Wirkung war dabei nur in unmittelbarer Nähe hinter den Wänden festzustellen. Eine großräumige Abschirmung der der dahinter liegenden Bebauung (vergleichbar mit Schallschutzwänden) ist daher nicht möglich, so dass sich diese Lösungen bisher nicht durchsetzen konnten. Passive Maßnahmen am Immissionsort Wird ein Gebäude neu in unmittelbarer Nähe eines Schienenverkehrswegs oder über einen Eisenbahntunnel gebaut, so kann mit einer elastischen Lagerung des Gebäudes auf Elastomerlager oder Stahlfederelementen eine sehr gute Schwingungsminderung erzielt werden. Bei bestehenden Gebäuden kann in Einzelfällen eine seitliche Abschirmung mit elastischen Matten eine Minderung der eingetragenen Schwingungen am Übergang zwischen Baugrund und Gebäudefundamente bewir-
ken. Theoretisch könnte auch durch eine Veränderung der Deckenkonstruktion versucht werden, die Decke zu „verstimmen“ und damit die Resonanzfrequenzen außerhalb der pegelbestimmenden Anteile des Erschütterungssignals zu legen. In der Praxis wird dies aber nicht ohne erhebliche Eingriffe in den Grundriss und die Konstruktion des Gebäudes möglich sein, so dass dies normalerweise ausscheidet. Abschließende Hinweise und Abwägung Eine wirksame und praktikable Vermeidung von tieffrequenten Erschütterungen ist daher in den meisten Fällen nur in Tunneln durch Einbau von Unterschottermatten und vor allem als Masse-Feder-Systeme ausgebildete Oberbauformen möglich. Nur insofern zwischen den Kosten der aktiven Schutzmaßnahmen und dem Nutzen für die zu schützende Bebauung (wenn beispielsweise nur für ein Gebäude ein Anspruch besteht) ein offensichtliches Missverhältnis besteht, kann auf andere Maßnahmen oder notfalls Entschädigungen zurückgegriffen werden. Dies ist bei der Abwägung und Entscheidung über die Durchführung von Schutzmaßnahmen zu beachten. In den frühen Planungsphasen werden die Erschütterungswirkungen augrund der verschiedenen, nicht zu vermeidenden Unsicherheiten in den Prognoseansätzen etwas überschätzt. Soweit
810
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Umweltschutz
möglich, sollten z.B. durch überprüfende Messungen der Übertragungswege nach Fertigstellung des Rohbaus diese noch einmal verifiziert werden, um einen zu hohen Aufwand zu vermeiden.
16.4 Vegetationskontrolle Gerhard Hetzel
16.4.1 Grundlagen und Definitionen In Kulturlandschaften wie in Deutschland unterliegen praktisch alle Lebensräume menschlichen Eingriffen und haben zumindest indirekt mehrere Funktionen für die Gesellschaft. Neben tendenziell multifunktional wirkenden Lebensräumen (z.B. Wald) kommt anderen Lebensräumen eine eher spezifische Nutzfunktion zu (z.B. Bahntrassen und deren Randbereiche). Am Beispiel der Bahntrassen der DB AG erfordern die sehr spezifischen Funktionen der Trassenbegleitvegetation zum Schutz von Oberleitungen, Gleisbett und Schienen und dem Zugverkehr entsprechend durchdachte, spezifische und auf die zu
erzielende oder zu vermeidende Vegetation differenziert ausgerichtete Pflegemaßnahmen. Der Flächenumfang der DB AG beträgt ca. 1.600 km2 und ist damit fast doppelt so groß wie Berlin. Der Fahrweg mit Gleisbett, Randweg und Böschungen nimmt mit ca. 1.100 km2 den größten Flächenanteil ein. Die Gleisflächen mit Schotterkörper und Randweg umfassen davon ca. 400 km2, die verbleibenden Böschungsflächen ca. 700 km2 (Tabelle 16.27). Die Schienenwege der Deutschen Bahn liegen demnach in einem durchschnittlich ca. 20 Meter breiten Korridor. Wahrscheinlich führte die durch Dampflokbetrieb notwendige Anlage von Brandschutzstreifen entlang der Gleise zu diesem hohen Flächenbedarf. Der Waldanteil an der Bahn dürfte über dem bundesdurchschnittlichen Bewaldungsanteil von ca. 30% liegen, da selbst in den gehölzarmen städtisch oder agrarisch geprägten Landschaftsbereichen die Bahnböschungen noch mit Gehölzen bestockt sind. Ziel einer Trassenpflege ist deshalb in erster Linie die Offenhaltung von störenden und die Betriebssicherheit gefährdenden Gehölzen. Zur Gewährleistung eines sicheren Bahnbetriebs hat die DB AG einen Sicherheitsrelevanten Bereich (Abb. 16.18) definiert, in dem Pflanzen den Bahnbetrieb beeinflussen kön-
Tabelle 16.27 Flächennutzungen der DB AG, teilweise näherungsweise hergeleitet Gesamtfläche der DB AG in km2 Gesamtfläche der DB Netz AG in km2 Gebäudeflächen der DB Netz AG in km2
1.642 1.112 1
Rechnerische Herleitung der (Rest)Flächendaten
Länge in km
Durchschnittliche Breite in Meter
Fläche in km2
eingleisige Strecke zweigleisige Strecke Bahnhofsgleise Gesamt-Gleisfläche
19.000 18.000 14.000
6 11 7
114 198 98 410
Verbleibende Rest(Böschungs-)Fläche in km2 Waldanteil im Bundesdurchschnitt in % Abgeleitet: Waldfläche in km2 Abgeleitet: Waldfläche in ha
701 30 ca. 210 ca. 21.000
16.4 Vegetationskontrolle
Gleismitte
811
Randweg
Im Gleis
Chemische
Am Gleis
Mechanische Verfahren
Verfahren
Rückschnittzone
Stabilisierungszone
~3-25 m (bis Bestandesgrenze)
einfache Baumlänge bis (Baum)Bestandesgrenze
Abb. 16.18 Sicherheitsrelevanter Einflussbereich der Vegetation, Art der Vegetationskontrolle sowie Ausdehnung der Rückschnittzone und der Stabilisierungszone
nen. Dieser Bereich umfasst sowohl den Gleisbereich als auch außerhalb gelegene Flächen von variabler Ausdehnung. Im sicherheitsrelevanten Bereich hat die Sicherheit des Eisenbahnbetriebs Vorrang vor den Belangen des Naturschutzes (Abschn. 16.5). Innerhalb des sicherheitsrelevanten Bereichs unterscheidet man den Bereich im Gleis, der den gesamten Bereich des Oberbaus mit Schienen, Schotterkörper und Randwegen umfasst und den Bereich am Gleis, der die an den Gleisbereich angrenzende Zone mit variabler Ausdehnung umspannt. Während im Bereich im Gleis überwiegend chemische Verfahren zur Reduzierung des Pflanzenbewuchses angewendet werden, um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, kommen im Bereich am Gleis ausschließlich mechanische Verfahren zur Anwendung. Der sicherheitsrelevante Bereich am Gleis ist in eine Rückschnittzone und eine Stabi-
lisierungszone eingeteilt. Die Rückschnittzone grenzt direkt an den Gleisbereich. Sie stellt einen Bereich intensiver Vegetationsbearbeitung dar. Zur Gewährleistung der Betriebssicherheit wird hier die Vegetation i.d.R. in einem ein- bis zehnjährigen Turnus zurückgeschnitten, abhängig von den örtlichen Anforderung und der Wuchsleistung der Vegetation. Selektive Maßnahmen sind hier die Ausnahme. Die Rückschnittschnittzone ist deshalb weitgehend frei von älterem Baumbewuchs. Die Ausdehnung der Rückschnittzone ist variabel und reicht von der Gleismitte mindestens 6 Meter bis – in Abhängigkeit von Morphologie, Bewuchs und Erfordernissen aus dem Betrieb – zur (Wald)Bestandesgrenze (Abb. 16.10). Die Rückschnittzone liegt i.d.R. auf Grundeigentum der Bahn. Die Stabilisierungszone ist eine gehölzreiche Zone, die sich an die Rückschnittzone anschließt. Hier kommen waldbauliche Ver-
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Umweltschutz
fahren zur Anwendung. Die Gehölzbestände sind überwiegend älter als 10 Jahre. Rückschnittmaßnahmen erfolgen im mehrjährigen Turnus. Grenzt an die Rückschnittzone gehölzfreies Gelände an, entfällt die Stabilisierungszone. Die Stabilisierungszone kann auch über das Grundeigentum der Bahn hinaus reichen. Auch in der Schweiz wird im Bereich der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) ein „Sicherheitsstreifen“ definiert, der in verschiedenen Zonen eingeteilt ist. Eine gehölzfreie Zone („intensive Unterhaltungszone“) definiert den minimalen Abstand und die maximale Höhe der Gehölze zur Gleisachse. Es schließt eine „Niederhaltezone“, eine „stabile Waldzone“ und eine „Kontrollzone“ an. In der „Niederhaltezone“ wird der Aufwuchs nur bis zu einer definierten Größe toleriert. Die „Intensive Unterhaltungszone“ und „Niederhaltezone“, entsprechen der Rückschnittzone bei der Deutschen Bahn. Die Ausdehnung der „Niederhaltezone“ hängt bei der SBB von Zugfrequenz und -geschwindigkeit ab, bei der Deutschen Bahn von den örtlichen Anforderungen (Abb. 16.10). Zielsetzungen der „Stabilen Waldzone“ und „Kontrollzone“ der SBB entsprechen weitgehend auch der in der Stabilisierungszone der Deutschen Bahn.
16.4.2 Vegetationskontrolle für den Bereich im Gleis Der technische Zustand des Oberbaus kann durch Pflanzenbewuchs in vielerlei Hinsicht beeinträchtigt werden. Durch Abrieb entstandenes und über andere Einträge eingebrachtes Feinmaterial bindet zusammen mit den Verrottungsprodukten der Pflanzen Wasser im Schotterbett, so dass es zu unkontrollierten Kraftableitungen kommen kann. Dadurch kann die Lagestabilität des Schotteroberbaus beeinträchtigt werden. Auch der natürliche Alterungsprozess des Schotteroberbaus kann durch Pflanzen im Schotter verstärkt bzw. beschleunigt werden. Dies führt zu deutlich verkürzter Lebensdauer des Oberbaus oder deutlich
erhöhten Instandhaltungsaufwendungen. Als Folgen sind vorzeitiger Umbau oder häufigere Bettungsreinigungen notwendig. Zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit muss der Gefahrenbereich der Gleise sicher verlassen und der Sicherheitsraum aufgesucht werden können. Bewachsene Arbeitswege und verdeckte technische Einrichtungen erhöhen die Unfallgefahren. Pflanzenwuchs behindert zudem Wartungsarbeiten und kann die Sicht auf bodennahe Signaleinrichtungen beeinträchtigen. Insbesondere bei längeranhaltenden Trockenperioden führt eine ausgeprägte Vegetationsbedeckung zu erhöhter Brandgefahr. Bei der Inspektion der Gleisanlagen kann Pflanzenbewuchs die Sichtbarkeit auf Konstruktionselemente einschränken. Auch elektrische Signaleinrichtungen, die mit ihren Stromkreisen über die Schienen als Leiter funktionieren, können durch Vegetation beeinflusst werden. Die Schienen müssen gegeneinander einen definierten elektrischen Widerstand aufweisen, der mindestens 2,5 Ohm u km Gleis betragen muss (Bettungswiderstand). Die Werte können jedoch durch Aufwuchs oder Verschmutzung herabgesetzt werden und so zu Signalstörungen führen. Die im Gleisbereich eingesetzten Methoden zur Beseitigung unerwünschter Vegetation werden in chemische und nicht-chemische Verfahren unterschieden. Aufgrund der besseren Wirkung und der höheren Effizienz hinsichtlich Kosten und Arbeitsgeschwindigkeit gegenüber den nicht-chemischen Verfahren werden im Gleisbereich chemische Verfahren eingesetzt. Bei den chemischen Verfahren werden Herbizide eingesetzt. Dies sind chemische Verbindungen, die Pflanzen zum Absterben bringen (Blattherbizide) oder Pflanzensamen an der Keimung hindern (Bodenherbizide). Herbizide müssen speziell für den Anwendungsbereich Gleis zugelassen sein und dürfen auf Gleisanlagen nur mit behördlicher Genehmigung nach § 6 (3) Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) ausgebracht werden. Für die Geneh-
16.4 Vegetationskontrolle
813
Tabelle 16.28 Seit 2000 eingesetzte Herbizide und Aufwandsmengen Jahr
Behandelte Gleislänge in km
Wirkstoffe
Wirkstoffverbrauch in kg insgesamt
Wirkstoffverbrauch in kg pro ha
2000
20.425
Glyphosat, Glyphosat-Trimesium
37.611
3,30
2001
40.830
Dimefuron, Glyphosat, Glyphosat- 79.352 Trimesium
3,46
2002
43.747
Dimefuron, Glyphosat, Glyphosat- 85.842 Trimesium
3,49
2003
36.118
Dimefuron, Flumioxazin, Glyphosat, Glyphosat-Trimesium
70.879
3,49
2004
34.041
Flumioxazin, Glyphosat
67.029
3,26
migung zuständige Behörde ist das EisenbahnBundesamt. Der Umfang der chemischen Behandlung schwankt seit 2003 zwischen 30 und 60% der Gesamt-Gleisflächen (Tabelle 16.28). Da der Behandlungserfolg bei zunehmender Verkrautung der Gleise nachlässt, sollte eine Behandlung spätestens alle zwei Jahre erfolgen. Die Aufwandsmengen an Herbiziden betragen zwischen 37 und 86 t pro Jahr für den Bereich der Deutschen Bahn. Die Gesamtaufwandsmenge in Deutschland im Jahr 2003 beträgt nach Angabe des Industrie-Verbandes Agrar ca. 15.000 t. Die Bahn hat demnach in 2003 ca. 0,5% der Gesamtaufwandmenge an Herbiziden in Deutschland ausgebracht. Bei der Ausbringung unterscheidet man zwischen gleisgebundenen Spritzzügen und Zweiwegefahrzeugen. Die Spritzzüge werden auf den Streckengleisen eingesetzt, da sie aufgrund ihrer Arbeitsgeschwindigkeit von ca. 40 km/h (mit der entsprechenden Applikationstechnik) und der großen Wasservorräte für längere Strecken am besten geeignet sind. In den Bahnhofsgleisen werden hingegen Zweiwegefahrzeuge eingesetzt, da sie mit einer Arbeitsgeschwindigkeit von ca. 20 km/h und kleineren Tankvolumina für diesen Einsatzbereich ausreichend sind. Darüber hinaus sind sie flexibel einsetzbar, weil sie über die Straße an ihre jeweiligen Einsatzorte gelangen können.
Die Deutsche Bahn AG hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Versuche mit nicht-chemischen Verfahren durchgeführt. Die Versuche haben gezeigt, dass nicht-chemische Verfahren im Vergleich zu chemischen Verfahren eine niedrigere Arbeitsgeschwindigkeit, deutlich geringere Effizienz sowie deutlich höhere Kosten aufweisen. Aus diesen Gründen ist ein flächendeckender Einsatz dieser Verfahren nicht möglich. Nicht-chemische Verfahren, z.B. die Heißdampftechnik, sollten sinnvollerweise nur in Bereichen mit Einsatzverbot bzw. -einschränkungen der Herbzidbehandlung eingesetzt werden, wie im Bereich von Wasserschutzgebieten.
16.4.3 Vegetationskontrolle für den Bereich am Gleis Gehölze und große krautige Pflanzen können ab einer gewissen Höhe und einem gewissen Alter eine Gefahr für den sicheren Bahnbetrieb und seine baulichen und technischen Anlagen darstellen. Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an die Vegetation lassen sich zwei Bereiche am Gleis abgrenzen. Die Rückschnittzone ist durch zahlreiche Vorschriften aus dem Eisenbahnbetrieb charakterisiert, die Stabilisierungszone ist gekennzeichnet durch Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit von (Baum)Bewuchs.
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In der Rückschnittzone muss verhindert werden, dass die Pflanzen gefährdende Höhen und Ausdehnungen erreichen. Regelmäßige Rückschnitte sind notwendig, damit die Mitarbeiter den Gefahrenbereich der Gleise sicher verlassen können. Die Ausdehnung von Gefahrenbereich und Sicherheitsraum kann bis zu 4,20 Meter von der Gleisachse betragen. Die Gleisentwässerung durch die Bahnseitengräben darf nicht durch Pflanzenbewuchs behindert werden. In der Nähe von elektrischen Anlagen dürfen Vegetationsbestände zum Schutz vor Überschlägen bestimmte Mindestabstände nicht unterschreiten. Der einzuhaltende Mindestabstand von Oberleitungsanlagen zur Vegetation beträgt mindestens 2,5 Meter. Der Abstand von Speiseleitungen und anderen Leitungen (z.B. Verbindungsleitungen, Umgehungsleitungen, Bahnstromleitungen) zu Bäumen über 4 Meter Höhe muss auf 5 Meter vergrößert werden. Zur Bedienung mechanisch bedienter Signale müssen Stellleitungen und Spannwerke regelmäßig freigeschnitten werden. Die freie Sicht auf Signalanlagen muss gewährleistet sein. In Abhängigkeit von Gleisbogenradien ergeben sich dabei unterschiedliche Ausprägungen der Rückschnittzone (Pfeilhöhen) zur Herstellung der Sichten (Abb. 16.19). Die Pfeilhöhe ist abhängig u.a. vom Bogenradius und der erforderlichen Mindestsichtbarkeit. In der Praxis werden auf der freien Strecke Pfeilhöhen bis zu 25 Meter angetroffen. Ingenieurbauwerke müssen vom Wurzeldruck der Pflanzen freigehalten werden. Stei-
le, flachgründige Hänge mit brüchigen Gesteinen im Untergrund bieten Bäumen nur eingeschränkt Verankerungsmöglichkeiten. Um die positive Wirkung des jungen Baumbewuchses als Hangsicherungsmaßnahme zu erhalten, sind kurze Umtriebszeiten (Zeitraum der Verjüngung bis zur Fällung) notwendig. Um den Turnus der Maßnahmen in der Rückschnittzone wirtschaftlich gestalten zu können, muss das jährliche, seitliche Pflanzenwachstum berücksichtigt werden. Der Wachstumszuschlag (Wachstumslänge) richtet sich nach der vorhandenen Vegetation und deren individuellen Wuchsdynamik sowie dem Zeitpunkt der nächsten geplanten Maßnahme. Im Allgemeinen werden ca. 3 m angenommen. Spätestens beim Erreichen der erforderlichen Abstände (Abb. 16.20) müssen Rückschnittmaßnahmen erfolgen. Die Stabilisierungszone stellt den mit Einzelbäumen oder Baumbeständen geprägten Bereich entlang der Bahn dar. Hier erfolgen Pflege- und Hiebsmaßnahmen seltener als in der Rückschnittzone. Die planmäßigen Eingriffe werden i.Allg. frühestens alle fünf Jahre durchgeführt. Die Einzelbäume und Baumbestände in der Stabilisierungszone sollen durch fachgerechte und regelmäßige Bewirtschaftung gegenüber den Belastungen durch Wind, Schnee und Eis eine hohe Standfestigkeit aufweisen und verkehrssicher sein. Stabile Bäume und Bestände sollen erhalten und gefördert werden. Nadelbaumbestände ab mittlerem Alter und alte Laubbaumbestände weisen in aller Regel Durchforstungsrückstän-
Pfeilhöhe Mindestsichtbarkeit auf Signalanlage
Signalanlage
Abb. 16.19 Beispielhafte Darstellung der Pfeilhöhe. Der Triebfahrzeugführer muss auch in Kurven das Signal ununterbrochen erkennen können. Die Ausprägung der Rückschnittzone zur Herstellung der Signalsicht lässt sich durch die Pfeilhöhe berechnen
16.4 Vegetationskontrolle
815
WZ= Wachstumszuschlag Gleismitte
1.) Gefahrenbereich und Sicherheitsraum
max. 4,2 m
2.) Entwässerung 3.) Elektr. Betriebsanlage 4.) Elektr. BA mit Speiseleitung 5.) Signalsicht 6.) Ing.-, Erdbauwerk 7.) Morphologie
Randweg
BS= Bahnseitengraben BA= Betriebsanlage
~3 m WZ
FB= Freibereich 1,5 m BS
~3 m WZ
2,5 m FB Mast
~3 m WZ
(bei Bäumen > 4mHöhe , 5m ab SL) 6m
WZ Abhängig von Vmax und Bogenradius
Abhängig von Ausprägung der Ingenieur- und Erdbauwerke Abhängig von Geologie und Hangneigung
Abb. 16.20 Übersicht der anforderungsbedingten unterschiedlichen Ausmaße der Rückschnittzone
de auf. Hier sind nur schwache Eingriffe möglich, um den Bestand nicht weiter zu destabilisieren. Ist dies nicht mehr möglich, kann ein flächiger Abtrieb (Fällung) notwendig werden, um den labilen Bestand in einen stabilen Folgebestand umzubauen. Junge Nadelbaumbestände und bis mittelalte Laubbaumbestände sind noch formbar. Sie sind durch Auslesedurchforstung (Auswahl geeigneter vitaler Bäume, die auf der Fläche stehen bleiben, z.B. Eichen), zu stabilen Beständen zu erziehen. Leitbild sind park- oder mittelwaldartige Bestände mit Solitärbäumen, also stabile Bäume mit großen Kronen und niedrigem Höhen/Durchmesser-Verhältnis (H:D Wert 50–70). Auf labilen Standorten (z.B. rutschgefährdete Hänge oder vernässte Standorte) mit durchgewachsenen Stockausschlägen führt die Wiedereinführung der Niederwaldwirtschaft mit Umtriebszeiten von 10–15 Jahren zu einer dauerhaften Stabilisierung. Die Standfestigkeit von Bäumen gegenüber Belastungen ist am Erscheinungsbild von Stamm und Krone erkennbar (Burschel und Huss, 1997). Je großkroniger ein Baum, desto stabiler ist er gegenüber Sturm- und Schneebelastung. Der völlig frei aufwachsende Baum
(Solitär) gilt als die stabilste Erscheinungsform. Je kleinkroniger der Baum ist, desto mehr ist er auf das Stützgefüge des umgebenden Bestandes angewiesen. Waldbauliche Eingriffe in solche Bestände dürfen daher nur vorsichtig vorgenommen werden. Je höher der Bestand ist, umso stärker gilt dies. Die Stabilität des Schaftes nimmt bei gegebener Höhe grundsätzlich mit dem Durchmesser zu. Als Maß für die Stabilität von Bäumen hat sich der Quotient aus Höhe (in Meter) und Durchmesser (in cm) bewährt (Schlankheitsgrad oder H/D-Wert). Für Nadelbäume gilt folgende Werteskala (Laubbäume sind bei gleichen Werten deutlich stabiler): – H:D >100 sehr instabil – H:D 80-100 instabil – H:D <80 stabil (im geschlossenen Waldbestand) – H:D < 50 sehr stabile Solitärbäume. Entscheidend für die Sturmfestigkeit von Bäumen sind das Gewicht des Wurzelballens und die Stützfläche, die die Wurzelschicht bildet. Je tiefer das Wurzelgeflecht reichen kann und je größer die so durchwurzelte Fläche ist, umso widerstandsfähiger ist ein Baum gegen-
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Umweltschutz
über Belastungen. Alle Baumarten sind umso gefährdeter, je flacher sie wurzeln. An Standorten mit geringer Durchwurzelbarkeit sind stabilitätssichernde Maßnahmen wichtig: Zu bevorzugen sind Baumarten mit hoher Wurzelenergie. Das sind vor allem Eichen, Kiefer, Tanne, Esche und Schwarzerle. Unter ungünstigen Bedingungen kann die vorzeitige Ernte (Fällen) der Bäume oder Bestände notwendig sein, bevor kritische Höhen erreicht werden können. Als Fazit lässt sich zusammenfassen, dass Pflegemaßnahmen von Baumreihen und Baumbeständen von Jugend an auf stabilitätsfördernde zunehmende Vergrößerung des Standraumes und auf die Auslese geeigneter Baumarten hin ausgerichtet werden sollen. Bei Pflanzungen ist auf die Auswahl standortgerechter Baumarten und Herkünfte zu achten. 16.4.3.1 Übersicht über Baumarten an der Bahn Es bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Baumarten hinsichtlich ihrer Belastungsfähigkeit. Die Unterschiede verstärken sich durch die waldbauliche Behandlung, die ganze Bestände oder einzelne Bäume darin erfahren. In Tabelle 16.29 sind die häufigsten an der Bahn vorkommenden Baumarten aufgelistet (Angaben zur Ökologie stammen aus Burschel und Huss, 1997). Die Pflegeziele sind baumartenspezifisch aufgeführt und richten sich insbesondere nach Standsicherheit und Lebensspanne der Bäume. Die Niederwaldwirtschaft, bei der in regelmäßigen Abständen von 2–20 Jahren der Baumbewuchs komplett zurückgeschnitten (auf den Stock gesetzt) wird, eignet sich für Baumarten mit kurzer Lebensspanne oder auf Problemstandorten, auf denen eine Erziehung älterer stabiler Bestände nicht möglich ist. Für die wichtigsten Belastungsgrößen Sturm und Schnee lässt sich nach Burschel und Huss (1997, verändert) folgende Reihung abnehmender Gefährdung vornehmen:
Sturm: Fichte, Tanne, Birke, Aspe, Pappel, Douglasie, Kiefer, Kirsche, Roteiche, Lärche, Buche, Eiche, Hainbuche, Erle, Esche. Schnee: Kiefer, Fichte, Tanne, Douglasie, Birke, Lärche, Aspe, Esche, Erle, Buche, Hainbuche, Roteiche, Eiche, Bergahorn. 16.4.3.2 Leitbilder für die Baumbestände an der Bahn Boden, Klima und menschliche Eingriffe prägen die Entwicklung der Vegetation (Ellenberg, 1996). Mit zunehmender Intensität der Nutzung werden die menschlichen Einflüsse vorherrschend und steuern Artenzusammensetzung, Struktur, Stabilität und Regenerationsfähigkeit der entstehenden Lebensgemeinschaften. Umgekehrt erfordert eine lokal unerwünschte, doch natürlich sich vollziehende Entwicklung der Vegetation teilweise aufwändige Pflegeeingriffe zu ihrer Steuerung. Prinzipiell lassen sich stabilisierende Eingriffe zum Erhalt eines bestehenden Zustandes und verändernde Eingriffe zur Einleitung von Vegetationsveränderungen unterscheiden: (1) In regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen erfolgende Eingriffe (z.B. Pflegemaßnahmen) können bestehende Zustände stabilisieren. Bei mehrjährigen Intervallen zwischen den Eingriffen werden zyklische Entwicklungsvorgänge (Phasen) eingeleitet, beispielsweise der Auflichtung und des anschließend erfolgenden Kronenschlusses. (2) Qualitativ und/oder quantitativ sich ändernde Pflege- oder Bewirtschaftungsmaßnahmen führen zu Sukzessionen, also zu langfristigen Veränderungen der Vegetation. Bis vor ca. 30 Jahren wurden die Böschungen überwiegend nieder- bis mittelwaldartig bewirtschaftet. Bei der mittelwaldartigen Bewirtschaftung verblieben im Gegensatz zur Niederwaldwirtschaft einzelne Bäume (überwiegend Eichen) über einen längeren Zeitraum auf den Flächen, die dann über die umgebenden jüngeren Stockausschläge herausragten. Für den Baumbewuchs in der Stabilisierungszone an der Bahn werden deshalb im Folgenden beispielhaft zwei Leitbilder vorge-
16.4 Vegetationskontrolle
817
Tabelle 16.29 Baumarten an der Bahn – Ökologie, Pflege, Eignung1 Baumart
Ökologie und Pflegeziel
Eignung2
Eiche (Quercus spec.)
Besonders hohe Standsicherheit, geringes Wachstum, Lebensspanne bis über 400 Jahre, gute Hangsicherungseigenschaften, besonders widerstandsfähiges Holz gegen Fäule und Pilze. Pflegeziel: Anteile an vitalen standortgerechten Eichen halten und erweitern. Erziehung lichter Eichen-Bestände.
sehr geeignet
Roterle (Alnus glutinosa)
Hohe Standsicherheit. Stabile Baumart feuchter bis nasser Standorte. Pflegeziel: erhalten, Erziehung stabiler Einzelbäume.
sehr geeignet
Tanne (Abies alba)
Hohe Standsicherheit (Tiefwurzler), langsames Wachstum, Lebensspanne ca. 300 Jahre. Pflegeziel: Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände.
sehr geeignet
Berg-/Spitzahorn Hohe Standsicherheit, Lebensspanne bei Bergahorn ca. 300 geeignet (Acer pseudoplatanus/ Jahre, bei Spitzahorn 80 Jahre, schnelles Jugendwachstum, - platanoides) hohes Stockausschlagsvermögen. Pflegeziel bei Stockausschlägen: Niederwald, bei BergahornKernwüchsen (aus Samen entstandene Einzelbäume): Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände. Esche (Fraxinus excelsior)
Hohe Standsicherheit, Lebensspanne ca. 150 Jahre, schnelles geeignet Jugendwachstum. Pflegeziel: bei Stockausschlägen: Niederwald, bei Kernwüchsen: Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände.
Buche (Fagus sylvatica)
Hohe Standsicherheit bis 100 Jahre, weniger geeignet in Einschnitten (anfällig gegen Rindenschäden und Fäule). Pflegeziel: Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände.
geeignet
Linde (Tilia spec.)
Hohe Standsicherheit, hohes Stockausschlagsvermögen, Lebensspanne ca. 400 Jahre. Pflegeziel: bei Stockausschlägen: Niederwald, bei Kernwüchsen: Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände.
geeignet
Ulme (Ulmus spec)
Hohe Standsicherheit, Totastverlierer (überwachungsintensiv), geringe Bedeutung, da seltenes Vorkommen. Pflegeziel: erhalten, Erziehung stabiler Einzelbäume.
geeignet
Hainbuche (Carpinus betulus)
Mäßige Standsicherheit im Alter, Lebensspanne ca. 100 Jahre, anfällig gegen Fäule. Pflegeziel: als Begleitbaumart v.a. für Eiche und Buche geeignet.
geeignet
Sonstiges Wildobst und Nussbäume
Hohe Standsicherheit, geringes Höhenwachstum, Lebensspanne ca. 80 Jahre Pflegeziel: Obstbäume erhalten.
geeignet
Kiefer (Pinus sylvestris)
Hohe Standsicherheit (Tiefwurzler), schneebruchgefährdet, schnelles Jugendwachstum, Lebensspanne ca. 150 Jahre. Pflegeziel: Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände.
geeignet
Robinie (Robinia pseudoacacia)
nur in NiederwaldGeringe Standsicherheit durch frühzeitig auftretende Stammfäule, gute Hangsicherungseigenschaft in der Jugend, wirtschaft geeignet hohes Stockausschlagsvermögen. Pflegeziel: Niederwaldwirtschaft (alle 2 bis 20 Jahre auf den Stock setzen). Beigemischte Baumarten in robiniengeprägten Beständen fördern.
818
16
Umweltschutz
Tabelle 16.29 (Fortsetzung) Baumart
Ökologie und Pflegeziel
Eignung2
Lärche (Larix spec.)
Mäßige Standsicherheit, Lebensspanne ca. 200 Jahre. Pflegeziel: Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände.
bedingt geeignet
Fichte (Picea abies)
Geringe Standsicherheit (Flachwurzler), Lebensspanne ca. 80–120 Jahre. Pflegeziel: Anteile an Problemstandorten zurücknehmen (z.B. Kalk, Keuper, feuchte Lagen), ansonsten Erziehung stabiler Einzelbäume und Bestände, Erhöhung der Laubbaumanteile in fichtengeprägten Beständen.
bedingt geeignet
Douglasie (Pseudotsuga menziesii)
Mäßige Standsicherheit, extrem schnelles Wachstum, erreicht große Höhen, Lebensspanne ca. 200 Jahre. Pflegeziel: Anteile zurücknehmen.
nicht geeignet
Hyprid-Pappel Pyramiden-Pappel (Populus spec).
Geringe Standsicherheit (sehr wurf- und bruchgefährdet), Lebensspanne ca. 80 Jahre, große Wuchshöhe, hohes Stockausschlagsvermögen. Pflegeziel: Anteile zurücknehmen.
nicht geeignet
Birke (Betula pendula) Aspe (Populus tremula)
Geringe Standsicherheit, stark schneebruchgefährdet, v.a. im nicht geeignet Jugendstadium, Lebensspanne ca. 80 Jahre. Pflegeziel: Anteile zurücknehmen.
Kirsche (Prunus avium)
Geringe Standsicherheit im Alter, Lebensspanne ca. 80 Jahre. nicht geeignet Pflegeziel: rechtzeitige Entnahme oder gezielte Förderung außerhalb sicherheitsrelevanten Bereiches.
Sal-Weide (Salix caprea)
Geringe Standsicherheit (sehr wurf- und bruchgefährdet). nicht geeignet Lebensspanne ca. 50 Jahre, hohes Stockausschlagsvermögen, starkes Jugendwachstum, hohe Pflegeintensität. Pflegeziel: Rechtzeitiger Rückschnitt.
1
Grundsatz: Schaffung und Erhaltung standortgerechter Baumartenvielfalt unter Berücksichtigung von Standfestigkeit und Pflegeaufwand. 2 Beurteilt wird die Eignung bei bestehenden Beständen. Für die (Neu)Begründung von Baumbeständen sind differenzierte Betrachtungen mit stärkerer Berücksichtigung von Standorteigenschaft en (Boden, Klima, lokale Besonderheiten) notwendig.
stellt, die Behandlungs- und Entwicklungsziele für typische Bewuchssituationen an der Bahn darstellen. 16.4.3.2.1 Leitbild Ebene bis schwach geneigte Lagen, laubbaumreich Nach Aufgabe der Niederwald- und Mittelwaldwirtschaft an den Bahntrassen wachsen in den ebenen bis geneigten Lagen heute vielerorts sog. „Bündelbäume“ heran, die eine geringere Stabilität als Einzelbäume besitzen. Aus der mittelwaldartigen Bewirtschaftung verbliebene stabile Eichen werden dabei
von diesen weniger stabilen Stockausschlägen der sonstigen Laubbäume bedrängt und überwachsen. Diese Baumbestände stellen die am weitesten verbreitete Bewuchssituationen an den Strecken der Deutschen Bahn dar. Bei der Bewirtschaftung und Pflege dieser Bestände soll durch Förderung geeigneter Baumarten (Tabelle 16.29) die Stabilität erhöht werden (2). Dazu werden nach Möglichkeit vorhandene Kernwüchse geeigneter Baumarten frühzeitig freigestellt und dadurch zu einem ausgeglichenem Kronenhabitus und guten H/D-Werten erzogen. Sind unzureichend Kernwüchse geeigneter Baumarten auf
16.4 Vegetationskontrolle
819
Abb. 16.21 Beispiel für das „Leitbild ebene bis schwach geneigte Lagen, laubbaumreich“. In der rechten Bildhälfte ist die ungünstige Ausgangslage erkennbar. Durch Vorhänger sind die Abstände zur Oberleitung unterschritten. Der dichte Aufwuchs führt zu schlechten H/ D-Verhältnissen. In der linken Bildhälfte ist das Pflegeziel verwirklicht. Die stabilen Eichen mit ausgeglichenem Kronenhabitus und gutem H/D-Verhältnis sind freigestellt
der Fläche vorhanden, sollte die Niederwaldwirtschaft (1) fortgesetzt werden. 16.4.3.2.2 Leitbild steile Lagen mit überwiegender Robinien-Bestockung Die steilen Böschungen an den Strecken der Deutschen Bahn, die häufig durch felsigen Untergrund geprägt sind, sind überwiegend mit dichten Robinienbeständen bestockt. Andere Baumarten sind dort seltener anzutreffen. Die dichten Bestände wurden früher als ingenieurbiologische Maßnahme zur Hangsicherung angelegt. Durch den dichten Auf-
wuchs ist die Bestandesstabilität aber schon im jungen Bestandesalter geringer als bei weiträumig bestockten Baumbeständen. Das Pflegeziel in solchen Bestände ist die junge, niedriggehaltene Laubbaumbestockung (1). Die Hangsicherungseigenschaften bleiben durch die nachhaltige Baumbestockung erhalten und der mit zunehmender Höhe verringerten Bestandesstabilität wird durch den frühzeitigen Hieb entgegengewirkt. Auf Flächen mit sehr kurzer Umtriebszeit von 1–3 Jahren können Kosten durch Belassen des Schlagabraums auf der Fläche eingespart werden. Der Schlagabraum darf dabei nicht in Abb. 16.22 Ungünstige Ausgangslage für das Leitbild „steile Lagen mit Robinienbestockung“: der dichte Robinienbestand stockt zum Teil auf felsiger Böschung. Die Bestandesstabilität ist aufgrund der geringen Durchwurzelungstiefe und der hohen Stammzahl gering
820
16
Umweltschutz Abb. 16.23 Das Pflegeziel des Leitbildes für steile Lagen mit Robinienbestockung ist hier erreicht: Durch die junge, niedrige Bestockung ist der Hang gesichert, der instabile ältere Bewuchs ist auf Stock gesetzt
Gräben, Durchlässe oder in den Gleisbereich geraten. Die Rückschnittmaßnahmen und -zeitpunkte richten sich nach den Anforderungen aus dem Eisenbahnbetrieb und der örtlichen Bewuchssituation unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen. In der Stabilisierungszone kommen bislang ausschließlich gleisungebundene Verfahren zum Einsatz. Bei Stangenholz bis geringem Baumholz von 8–35 cm Brusthöhendurchmesser (BHD) wird im motormanuellen Verfahren mit Motorsägen und ggf. mit Seilsicherung gefällt. Bei zusammenhängenden größeren Flächen eignen sich maschinelle Verfahren mit Forstfräsen, Mulcher, hydraulischen Schneidewerkzeugen und Vollerntern. Mittleres bis starkes Baumholz (BHD < 35 cm) wird überwiegend durch seilgesicherte motormanuelle Verfahren entnommen.
16.4.4 Positive Aspekte für den Naturschutz Die spezifische Nutzung der Flächen durch die Bahn führt zur Ausprägung besonderer Lebensraumbedingungen für Flora und Fauna. In der Rückschnittzone werden aufgrund der Anforderungen des Betriebes regelmäßige Schnittmaßnahmen mit unterschiedlicher zeitlicher Abfolge und verschiedenartiger seitlicher Ausdehnung und Häufigkeit durch-
geführt. Auf diese Weise werden Saum- und Heckenstrukturen gefördert. In den Bereichen des Sicherheitsraumes unmittelbar am Randweg der Gleise erfolgen die Rückschnittmaßnahmen am häufigsten. In der Regel wird dort in einem ein- bis mehrjährigem Abstand gemäht bzw. gemulcht. Dadurch werden staudenreiche, lichtbedürftige Saumstrukturen begünstigt. In den Bereichen zur Aufrechterhaltung der Signalsichten, Entwässerungen des Gleisbettes und an spannungsführenden Teilen erfolgen die Rückschnittmaßnahmen häufig in längeren Intervallen als in den Sicherheitsräumen. Hierdurch können sich Heckenstrukturen gut etablieren, da eine Überalterung und Verdrängung der Sträucher durch Bäume durch regelmäßig notwendigen Schnitt vermieden wird. In der Stabilisierungszone werden standortgerechte heimische Bäume gefördert, insbesondere Eiche und Edellaubbäume wie beispielsweise Ahorn-Arten und Esche. Durch die an den Bahnböschungen ehemals stark verbreitete Nieder- bzw. Mittelwaldwirtschaft haben diese Baumarten bereits einen außerordentlich hohen Anteil. Die Nachhaltigkeit der Gehölzbestockung an den Bahnböschungen wird durch die Pflegeziele gewährleistet. Da die Holzproduktion von qualitativ hochwertigem Holz zweitrangig ist, existieren auch urige Baumexemplare und skurrile Baumfor-
16.5 Schutz von Natur und Landschaft
men an der Bahn, sofern die Verkehrssicherheit nicht gefährdet ist. Die Erziehung von lichten Beständen und die enge Verzahnung von unterschiedlichen Pflegeintensitäten führen zu den für die Bahnböschungen charakteristischen ungleichaltrigen und strukturreichen Vegetationsbeständen. In städtischen Bereichen schafft die Bahn mit ihrer Trasse grüne Schneisen mit überwiegend mehrjähriger Pioniervegetation, die in den intensiv gepflegten Grünanlagen der Städte sonst kaum anzutreffen ist. Insbesondere in den stark versiegelten Bereichen der Städte erfüllen die Bahnböschungen wertvolle Biotopvernetzungsfunktionen.
16.5 Schutz von Natur und Landschaft Martina Lüttmann
16.5.1 Grundlagen Bau und wesentliche Änderung von Verkehrswegen werden in Deutschland in einem gestuften Planungsverfahren umgesetzt. Im Rahmen der einzelnen Planungsstufen finden die umweltplanerischen Instrumente der Strategischen Umweltprüfung (SUP) und der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG), der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung nach §§ 18ff. Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sowie der Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP) nach §§ 34ff. BNatSchG als unselbständige Teile des Planrechtsverfahrens nach § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) Anwendung (s. Abb. 16.24). Ziel der Instrumente ist die frühzeitige Erkennung von Umweltfolgen von im Genehmigungsstadium befindlichen Maßnahmen, wie z.B. der Bau von Verkehrswegen, um Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu vermeiden und die Vorhaben umweltschonend
821
zu verwirklichen. UVP, Eingriffsregelung und FFH-VP weisen Überschneidungen hinsichtlich der Prüfinhalte auf. Unterschiede bestehen jedoch im Hinblick auf Anwendungsbereich, Prüfumfang und -maßstab sowie Rechtsfolgen (s. Tabelle 16.31).
16.5.2 Strategische Umweltprüfung Mit der Novellierung des „Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung“ (UVPG) im Juni 2005 wurde die europäische Richtlinie 2001/42/EG in deutsches Recht umgesetzt. Inhalt des Gesetzes ist die Einführung eines systematischen Prüfungsverfahrens, durch welches die Umweltaspekte bei strategischen Planungsüberlegungen frühzeitig bedacht und berücksichtigt werden sollen – gleichberechtigt mit ökonomischen und sozialen Belangen. Die Strategische Umweltprüfung ist auch in der Verkehrsplanung anzuwenden. Der Nutzen einer frühzeitigen Umweltprüfung in der Verkehrsplanung ist nach Gerlach, 2002 zu sehen in: „a) der inhaltlichen Verbesserung von Verkehrswegeplanungsprozessen durch eine frühzeitige und umfassende Berücksichtigung von Umweltbelangen; b) der Berücksichtigung von Umwelteffekten, die in der Projektebene nicht oder nur unzureichend Beachtung finden können; c) der Verwirklichung des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung im Verkehrssektor; d) der Möglichkeit zur Verfolgung angemessener Strategien zur Minderung steigender Umweltbelastungen im Verkehrssektor; e) der Beschleunigung des Planungsprozesses und der verbesserten Akzeptanz der Ergebnisse“.
Die Struktur der SUP lehnt sich an die (Projekt- )Umweltverträglichkeitsprüfung (s. Abschnitt Umweltverträglichkeitsprüfung) an:
822
16
Umweltschutz
Abb. 16.24 Verfahrensstufen bei Schienenwegen/Instrumenten der vorhabensbezogenen Umweltplanung (aus: Köppel et al. 2004, verändert)
– Bestimmung der SUP-Pflichtigkeit und der einzubeziehenden Stellen („Screening“ von engl. „to screen“ = überprüfen) Für den Bundesverkehrswegeplan und die daraus abzuleitende Bedarfsplanung ist eine SUP zwingend vorgeschrieben. In Bezug auf die Verkehrsplanungen der Länder wird es eigene Ländergesetze geben. – Festlegen der inhaltlichen Abgrenzung und Randbedingungen („Scoping“ von engl. „scope“ = Reichweite, Umfang, Rahmen) Hiermit ist neben der Einigung über die Detaillierungstiefe auch der Umfang der Untersuchungen gemeint. Zudem werden die anzuwendenden Methoden und die zu untersuchenden Alternativen festgelegt. Um Mehrfachprüfungen auf den nachfolgenden Ebenen der Verkehrsplanung zu vermeiden, dient das Scoping auch der Klärung, welche Inhalte in der SUP abgehandelt werden und welche der Projekt-Umweltverträglichkeitsprüfung vorbehalten bleiben (Abschichtung).
– Erstellen eines Umweltberichtes Der Umweltbericht bildet den zentralen Kern der SUP. Die für seine Erstellung notwendigen Informationen werden begleitend zur Planentwurfserstellung in folgenden Schritten erarbeitet: 1. Entwicklung eines Zielsystems, 2. Erhebung des IST-Zustandes und Mängelanalyse (Umweltbelastung), 3. Festlegen von Projekten, Alternativenprüfungen, 4. Wirkungsanalyse Projekt- und Netzebene. – Abwägung, Konsultation und Entscheidungsfindung Die SUP sieht eine Beteiligung von betroffenen Behörden und der Öffentlichkeit vor, die gegebenenfalls auch grenzüberschreitend erfolgen muss. Die Abwägung und die daran anschließende Entscheidungsfindung ist ein primär politischer Prozess, der möglichst methodisch nachvollziehbar und transparent gestaltet werden soll.
16.5 Schutz von Natur und Landschaft
– Überprüfung der Auswirkung der Pläne und Programme nach deren Umsetzung (Monitoring) Die Überwachung des Verkehrsplans hat im Wesentlichen zwei Ziele: zum einen die Feststellung, ob die Planungsprognosen zutreffend waren und zum anderen, ob die vereinbarten Umweltziele erreicht wurden oder ob ggf. Bedarf zur Nachsteuerung besteht.
16.5.3 Umweltverträglichkeitsprüfung Rechtliche Grundlage der Umweltverträglichkeitsprüfung ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) vom 12. Februar 1990 (zuletzt geändert am 25.07.2005). Zweck des Gesetzes ist es sicherzustellen, dass bei bestimmten öffentlichen und privaten Vorhaben zur wirksamen Umweltvorsorge die Auswirkungen auf die Umwelt nach einheitlichen Grundsätzen frühzeitig und umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet werden. Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung soll dabei so früh wie möglich bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit berücksichtigt werden (§ 1 UVPG). Die UVP ist ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren und dient als Grundlage bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben (s. Abb. 16.25). Die Umweltverträglichkeitsprüfung umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf: 1. Menschen, 2. Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, 3. Kultur und sonstige Sachgüter sowie 4. die Wechselwirkung zwischen den vorgenannten Schutzgütern. Sie wird unter Einbeziehung der Öffentlichkeit durchgeführt.
823
Screening In § 3 UVPG sind die Kriterien hinterlegt, nach denen ein Vorhaben UVP-pflichtig ist. Anlage 1 des UVPG enthält darüber hinaus eine Liste prinzipiell UVP-pflichtiger Vorhaben. Das UVPG sieht eine gestufte UVP-Pflicht vor: Einige Vorhaben bedürfen immer der UVP (z.B. der Bau eines Schienenweges von Eisenbahnen mit den dazugehörigen Betriebsanlagen einschließlich Bahnfernstromleitungen), einige Vorhaben bedürfen nur dann der UVP, wenn die durchzuführende Vorprüfung im Einzelfall nach § 3c UVPG ergibt, dass das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Für einige Vorhaben regeln die Länder nach § 3d die UVP-Pflicht. Das Screening im Bereich Schienenverkehr ist Aufgabe des Eisenbahn-Bundesamtes als zuständige Behörde für den Schienenverkehr. Der Vorhabensträger hat dabei Mitwirkungspflichten. Ein Screening ist bei allen nach § 18 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) beim Eisenbahn-Bundesamt beantragten Verfahren durchzuführen, sofern nicht ohnehin eine UVP-Pflicht besteht. Dazu muss vom Vorhabensträger ein vom Eisenbahn-Bundesamt erstellter Fragebogen, die sog. Umwelterklärung ausgefüllt werden, welche dann gemeinsam mit dem Antrag auf Genehmigung/Planfeststellung oder Planänderung nach § 18 AEG beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht wird. Dieses entscheidet dann, ob eine UVP durchzuführen ist oder nicht. Scoping Das Scoping-Verfahren dient der Festlegung des vorläufigen Untersuchungsrahmens der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) nach § 5 UVPG. Es ist vorgeschrieben, wenn eine UVP notwendig ist und ein Antrag des Vorhabensträgers vorliegt oder das EisenbahnBundesamt ein Scoping für erforderlich hält. Die Durchführung erfolgt durch das Eisenbahn-Bundesamt in Form eines oder mehrerer Besprechungstermine. Sie finden vor Beginn
824
16
Umweltschutz
Abb. 16.25 Beschreibung des Ablaufs einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren
von detaillierten Untersuchungen statt. Bei Neubaustrecken ist der Scoping-Prozess zur Berücksichtigung von Trassenalternativen zu Beginn des Planungsprozesses durchzuführen, bei Ausbauvorhaben, bei denen der Streckenverlauf meist feststeht, und es sich somit vorrangig um technische Alternativen und Fragen der Feintrassierung handelt, kann er auch später erfolgen. Generell ist aber eine Durchführung möglichst früh im Verfahren empfehlenswert.
Erstellung der Unterlagen Die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) ist das sachlich-inhaltliche Kernstück, das eigentliche ökologische Fachgutachten des UVPVerfahrens. Das Ergebnis der UVS geht als Information in den Entscheidungsprozess über die Zulässigkeit eines Vorhabens ein und wird dort mit anderen Interessen abgewogen. Die UVS besteht aus Erläuterungsbericht und Planunterlagen. Der Erläuterungsbericht zur UVS beginnt mit einer Einleitung, in welcher der Planungsanlass und das Ergebnis des Sco-
16.5 Schutz von Natur und Landschaft
ping-Prozesses darzustellen sind. Ebenso ist das methodische Vorgehen kurz zu erläutern und die gesetzlichen Grundlagen darzustellen. Danach folgt die Beschreibung des Vorhabens, welche Angaben über den Standort, Art und Umfang sowie Bedarf an Grund und Boden enthält. Sinnvolle Bestandteile sind außerdem die Beschreibung der technischen Gesamtkonzeption, der verkehrstechnischen Erfordernisse, der Anforderungen an den Standort sowie die Erläuterung allgemeiner betrieblicher Erfordernisse, der baulichen Merkmale (Lage, Bedarf an Grund und Boden, Lage- und Höhenpläne usw.) und der vorgesehenen Bauverfahren, ggf. auch des baubedingten Flächenbedarfs, der Bausstelleneinrichtung etc., die Beschreibung der Massenbilanzen, ggf. auch der auftretenden Differenzen und der Herkunft sowie der Verbleib der entsprechenden Mengen. Diese Planungsdaten geben Aufschluss über Art und Umfang des Vorhabens. Eine zusammenfassende Beschreibung des Untersuchungsraumes, der – wie beschrieben – im Scoping festgelegt wurde, ist der Einstieg in die umweltrelevanten Fragestellungen. Diese beginnen i.d.R. mit einer schutzgutbezogenen Raumanalyse, d.h. einer Bestandsaufnahme und Bewertung des Ist-Zustandes im Untersuchungsraum. Hierzu werden die zur Einschätzung der Umweltauswirkungen erforderlichen Daten erfasst, eventuell fehlende Daten werden durch Erhebungen vor Ort ergänzt. Auf Grundlage der schutzgutbezogenen Raumanalyse wird eine Beschreibung der zu erwartenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen vorgenommen (Risikoeinschätzung oder Risikoanalyse). Sie dient zur Einschätzung der Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Schutzgüter des UVPG, wobei in der Praxis zwischen bau-, anlageund betriebsbedingten Auswirkungen unterschieden wird. Ziel ist die Ableitung von Planungsempfehlungen für die Realisierung des Vorhabens.
825
Anhörungs- bzw. Erörterungstermin Die vom Vorhabensträger erstellten Planungsunterlagen inklusive der Unterlagen für die Umweltverträglichkeitsprüfung werden beim Eisenbahn-Bundesamt mit der Bitte um Durchführung des Planfeststellungsverfahrens eingereicht. Das Eisenbahn-Bundesamt überprüft die Unterlagen zunächst auf Vollständigkeit und leitet sie an die zuständige Landesbehörde (Anhörungsbehörde) weiter, in deren Bereich das Vorhaben realisiert werden soll. Diese führt das Anhörungsverfahren mit dem Erörterungstermin durch. Es beinhaltet die Einholung der Stellungnahmen der vom Verfahren betroffenen Behörden. Zudem werden die UVP-Unterlagen auf Veranlassung der Anhörungsbehörde in den vom Vorhaben betroffenen Gemeinden i.d.R. einen Monat zur Einsicht ausgelegt. Auf der Grundlage dieser ausgelegten Unterlagen hört die Anhörungsbehörde dann die Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen des Vorhabens an (Anhörungsverfahren). Jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, kann bis zwei Wochen nach Ablauf dieser Auslegungsfrist Einwendungen gegen den Plan erheben. Einwendungen, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, sind ausgeschlossen. Nach Ablauf der Einwendungsfrist erörtert dann die Anhörungsbehörde die rechtzeitig erhobenen Einwände gegen den Plan sowie die Stellungnahmen der Behörden mit dem Vorhabensträger, den Behörden, den Betroffenen sowie den Personen, die Einwendungen erhoben haben. Dies wird als Erörterungstermin bezeichnet. Zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens gibt die Anhörungsbehörde eine Stellungnahme ab und übersendet diese an das Eisenbahn-Bundesamt. Entscheidung über Zulässigkeit des Vorhabens Das Eisenbahn-Bundesamt erarbeitet abschließend eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen. Diese ist Grundlage für die sich anschließende Bewertung nach § 12 UVPG. Mögliche Ergebnisse dieser Bewer-
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16
Umweltschutz
tung, und somit auch der UVP könnten lauten (vgl. hierzu EBA, 2005): 1. Das Vorhaben ist nicht oder nur mit geringfügigen und daher nicht erheblichen Beeinträchtigungen der Schutzgüter (einschließlich deren Wechselwirkungen) verbunden. 2. Es werden erhebliche Beeinträchtigungen festgestellt, denen jedoch durch Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen begegnet werden kann. 3. Es werden Beeinträchtigungen der Schutzgüter festgestellt, die oberhalb der fachgesetzlichen Zulässigkeits- oder Zumutbarkeitsschwellen liegen, im Rahmen der planerischen Abwägung aber zulässig sein können. 4. Es werden Beeinträchtigungen der Schutzgüter festgestellt, für die keine speziellen fachgesetzlichen Vorgaben existieren, die aber unter Hinzuziehung sonstiger untergesetzlicher Bewertungsmaßstäbe als erheblich einzustufen sind und insofern als entgegenstehende Belange in die Abwägungsentscheidung einzustellen sind. Dieses Bewertungsergebnis ist das Ende der UVP und geht in den Entscheidungsprozess über die Zulassung des Vorhabens ein. Zwingende Verpflichtungen ergeben sich daraus aber weder für den Vorhabensträger noch für die Behörden. Die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens ist eine Abwägungsentscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes. Die Umweltauswirkungen werden als ein Belang in die Gesamtabwägung und die Entscheidung über das Vorhaben gestellt und dort mit anderen Belangen (z.B. verkehrlichen, raumordnerischen, wirtschaftlichen) gleichwertig abgewogen. So kann die Entscheidung von der nach § 12 UVPG vorgenommenen Bewertung der Umweltauswirkungen (deren Ergebnis z.B. die Umweltunverträglichkeit des Vorhabens sein kann), aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls abweichen. Das Ergebnis des Abwägungsvorgangs geht in den rechtsgültigen Beschluss des Eisenbahn-Bundesamtes ein.
16.5.4 Naturschutzfachliche Eingriffsregelung Ziel der Naturschutzfachlichen Eingriffsregelung nach §§ 18 ff. BNatSchG ist der StatusQuo-Erhalt der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes. Alle Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes (Boden, Wasser, Luft, Klima, Pflanzen- und Tierwelt) oder das Landschaftsbild „als Lebensgrundlage des Menschen“ beeinträchtigen können, gelten als Eingriff nach § 18 BNatSchG. Das Vorliegen eines Eingriffstatbestandes ist von drei Voraussetzungen abhängig (Köppel et al. 2004): 1. Mit dem Vorhaben sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen bzw. des oberflächennahen Grundwasserspiegels verbunden und 2. diese Veränderungen führen zu einer erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder des Landschaftsbildes und 3. das Vorhaben bedarf einer behördlichen Entscheidung oder einer Anzeige an eine Behörde. Liegen die Merkmale eines Eingriffs vor, sollen zuerst die Möglichkeiten zur Vermeidung geprüft werden. Kann der Eingriff nicht vermieden werden, erfolgt Ausgleich oder Ersatz. Bei Ausgleichsmaßnahmen muss ein enger zeitlicher und räumlicher Bezug vorhanden sein. Ein Eingriff gilt als ausgeglichen, wenn die Funktionen des Naturhaushaltes bzw. das Landschaftsbild wieder gleichartig hergestellt oder landschaftsgerecht neu gestaltet wurden. Ist ein Ausgleich nicht möglich, sind Ersatzmaßnahmen erforderlich. Ersatzmaßnahmen müssen keinen so ausgeprägten funktionalen Bezug aufweisen wie Ausgleichmaßnahmen. Je nach Ländergesetzgebung ist auch die Möglichkeit einer Ersatzzahlung gegeben. Die Eingriffsregelung ist immer mit einer Abwägung der verschiedenen Belange verbunden. Vor
16.5 Schutz von Natur und Landschaft
diesem Hintergrund kann ein Eingriff auch untersagt werden, wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege anderen Belangen im Range vorgehen. Das planerische Instrument der Eingriffsregelung ist der Landschaftspflegerische Begleitplan (LBP), er ist Bestandteil der rechtsverbindlichen Genehmigungsunterlagen (Planfeststellung, Plangenehmigung) und ist gemäß § 20 Abs. 4 BNatSchG vom Träger des Vorhabens vorzulegen. Im LBP müssen Vermeidungs-, Verminderungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen mit gestalterischen, bau- und verkehrstechnischen Funktionen dargestellt und begründet werden. Im Vergleich der Rechtsfolgen von UVP und Eingriffsregelung geht die der Eingriffsregelung über die der UVP hinaus. Während aus den Ergebnissen der UVP keine zwingenden Verpflichtungen für den Vorhabensträger und die Behörden resultieren, sondern diese „nur“ als Entscheidungsgrundlage bei der Vorhabenszulassung dienen, werden die Ergebnisse der Eingriffsregelung zu rechtsverbindlichen Bestandteilen des Vorhabens.
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16.5.5 Flora-Fauna-HabitatVerträglichkeitsprüfung Zum Erhalt von Natur und biologischer Vielfalt hat die EU zwei Richtlinien erlassen: 1. Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, zuletzt geändert durch Richtlinie 97/49/EG (Vogelschutzrichtlinie, VSchRL) 2. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, zuletzt geändert durch Richtlinie 97/43/EG (Flora-FaunaHabitat-Richtlinie, FFH-RL). Neben dem unmittelbaren Artenschutz hat die FFH-RL die Errichtung des kohärenten, europaweiten ökologischen Netzes „Natura2000“ zum Ziel. In das Netz integriert werden sowohl Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung
Tabelle 16.30 Vereinfachter Ablauf einer FFH-Verträglichkeitsprüfung I. FFH-Vorprüfung
(Überschlägige Prüfung gemäß §§ 10 Abs. 1 Nrn. 11 und 12 i.V.m. 34 und 35 BNatSchG) Können erhebliche Beeinträchtigungen der Schutzziele eines NATURA 2000Gebiets mit Sicherheit ausgeschlossen werden? Ja > Das Vorhaben (Maßnahme, Eingriff, Anlage) ist nicht geeignet, ein Gebiet erheblich zu beeinträchtigen: Zulassung des Vorhabens ohne FFHVP Nein > Eine FFH-VP ist erforderlich
II. FFH-VP Kernprüfung
(gemäß §§ 34 Abs. 1 und 2, 35 BNatSchG) Kann ein Projekt oder Plan zu erheblichen Beeinträchtigungen eines NATURA 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen? Ja > Unzulässigkeit des Projekts oder Plans, ggf. Ausnahmeprüfung (siehe III.) Nein > Zulassung des Projekts oder Plans
III. Ausnahmeprüfung
(gemäß §§ 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG) Liegen die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmungen (keine Möglichkeit von weniger beeinträchtigenden Alternativen, Vorliegen von zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses) vor? Ja > Zulassung des Projekts oder Plans möglich. Es sind Kohärenzsicherungsmaßnahmen durchzuführen. Nein > Unzulässigkeit des Projekts oder Plans
828
Tabelle 16.31 Gegenüberstellung der Anwendungsbereiche der UVP, der Eingriffsregelung und der FFH-VP (aus BMVBW 2004, verändert) Umweltverträglichkeitsprüfung
Eingriffsregelung
FFH-Verträglichkeitsprüfung
Rechtsgrundlage
UVPG, UVP-Änderungs-Richtlinie
§§ 18 bis 20 BNatSchG
§ 34 BNatSchG, FFH-Richtlinie
16
Ziele
Frühzeitige und umfassende Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens sowie frühestmögliche Berücksichtigung bei allen behördlichen Zulassungsentscheidungen
Schutz, Pflege und Entwicklung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes
Aufbau und Schutz eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes Natura 2000 von Schutzgebieten zum Erhalt der biologischen Vielfalt in der EU
Umweltschutz
Schutzgegenstand
Mensch, Tiere, Pflanzen, Boden, Was- Leistungs- und Funktionsfähigkeit des ser, Luft, Klima, Sach- und Kulturgüter Naturhaushaltes und das Landschaftseinschließlich der Wechselwirkungen bild zwischen denselben
Günstiger Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen nach den Anhängen I und II der FFH-RL sowie von Arten nach Anhang I und Artikel 4, Absatz 2 der VSchRL und ihrer Lebensräume
Auslöser der Prüfpflicht
Vorhaben, die in der Anlage zu § 3 UVPG aufgeführt sind
Veränderungen der Gestalt oder der Nutzung von Grundflächen, durch welche die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigt werden können
Pläne oder Projekte, die (einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten) ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können
Prüfungsbezug
Projektbezogene Prüfung
Projektbezogene Prüfung
Gebietsbezogene Prüfung
Untersuchungsraum
Vorhabens-, wirkungs- und schutzgutbezogene Abgrenzung. Bereiche für Kompensationsmaßnahmen
Vorhabens-, wirkungs- und schutzgut- Natura 2000-Gebiet (einschließlich seibezogene Abgrenzung. Bereiche für ner Bedeutung im Europäischen ökoloKompensationsmaßnahmen gischen Netz Natura 2000), ggf. Umgebung des Natura 2000-Gebietes, ggf. Bereiche für Maßnahmen zur Kohärenzsicherung und Alternativen
Rechtsfolgen
Das Ergebnis der UVP ist so früh wie möglich bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit zu berücksichtigen. Keine eigenständigen Rechtsfolgen.
Pflichten: 1. Vermeidung und Minimierung, 2. Ausgleich 3. Sonstige Kompensation (Ersatz) 4. Naturschutzrechtliche Abwägung (§ 19 Abs. 3 BNatSchG)
Unzulässigkeit von Plänen oder Projekten die (einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten) ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können; eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3–5 ist möglich
Tabelle 16.31 (Fortsetzung) Umweltverträglichkeitsprüfung
Eingriffsregelung
FFH-Verträglichkeitsprüfung
Alternativen/ Vermeidung
Übersicht über die wichtigsten, vom Träger des Vorhabens geprüften Vorhabensalternativen und Angabe der wesentlichen Auswahlgründe unter besonderer Berücksichtigung der Umweltauswirkungen des Vorhabens
Vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind zu unterlassen, wenn dadurch das Vorhaben (am vorgesehenen Standort) nicht in Frage gestellt wird
Prüfung zumutbarer Alternativen, die den mit dem Plan oder Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen erreichen
Kompensationsmaßnahmen
Beschreibung der Maßnahmen, mit denen erhebliche Beeinträchtigungen der Umwelt, soweit möglich, ausgeglichen werden, sowie der Ersatzmaßnahmen bei nicht ausgleichbaren aber vorrangigen Eingriffen in Natur und Landschaft
Wenn ein funktionaler Ausgleich nicht möglich ist, erfolgen Ersatzmaßnahmen bzw. wenn dies ebenfalls nicht möglich ist, ggf. die Zahlung von Ersatzgeld
Maßnahmen zur Sicherung des Zusammenhangs des Europäischen ökologischen Netzes Natura 2000 (Maßnahmen zur Kohärenzsicherung)
16.5 Schutz von Natur und Landschaft 829
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Umweltschutz
nach FFH-RL als auch Vogelschutzgebiete nach VSchRL. Die o.g. EU-Richtlinien wurden mit den Novellierungen des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) in den Jahren 1998 und 2002 schrittweise in deutsches Recht umgesetzt. Vorhaben, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu erheblichen Beeinträchtigungen von Natura 2000-Gebieten in ihren für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, sind gemäß §§ 34ff. BNatSchG vor ihrer behördlichen Genehmigung auf ihre Verträglichkeit zu überprüfen (s. Tabelle 16.30). Ergibt die Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung (FFH-VP), dass durch das Vorhaben eine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, dann ist das Vorhaben unzulässig. Ausnahmen sind nur zulässig, wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses (einschließlich wirtschaftliche und soziale Gründe) bestehen und keine zumutbaren Alternativen erkennbar sind. In diesem Fall sind jedoch geeignete Maßnahmen zur Sicherstellung des funktionalen Zusammenhangs des Natura 2000-Gebietsnetzes (Maßnahmen zur Kohärenzsicherung) zu ergreifen. Zudem ist die EU-Kommission zu unterrichten. Sind prioritäre Lebensräume und/oder Arten betroffen, werden die Ausnahmetatbestände noch stärker eingeschränkt. Hierbei handelt es sich um Arten bzw. natürliche Lebensräume, deren Erhaltung in der Europäischen Gemeinschaft eine besondere Bedeutung zukommt. Sie sind im Anhang I bzw. II der FFH-Richtlinie vermerkt und mit einem * gekennzeichnet. Werden prioritäre Lebensräume und/oder Arten durch ein Vorhaben erheblich beeinträchtigt, können laut § 34 Abs. 4 BNatSchG als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur solche im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit oder den maßgebend günstigen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt geltend gemacht werden. Son-
stige Gründe können nur berücksichtigt werden, wenn zuvor eine Stellungnahme der Kommission eingeholt wurde.
16.5.6 Artenschutz Der Artenschutz in Deutschland unterliegt nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) einem mehrstufigen Schutzsystem. Generell wird zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Artenschutz unterschieden. Innerhalb des besonderen Artenschutzes existieren besonders geschützte und streng geschützte Arten, wobei letztere einem besonders intensiven Schutz unterliegen. Aufgrund des rahmenrechtlichen Charakters des BNatSchG werden detaillierte Regelungen durch die jeweiligen Ländergesetze ausgeführt. Bei eisenbahnrechtlichen Vorhaben ergeben sich häufig artenschutzrechtliche Fragestellungen, da auch der technisch geprägte Teil von Bahnanlagen häufig von besonders oder streng geschützten Arten (u.a. Stechimmen, Heuschrecken, Reptilien und Fledermäuse) besiedelt ist (vgl. EBA 2005). Allgemeiner Artenschutz Der Allgemeine Artenschutz ist im § 41 BNatSchG geregelt. Verboten ist unter anderem die mutwillige Beeinträchtigung von Tieren und deren Fang, Tötung oder Verletzung ohne vernünftigen Grund. Ferner ist es untersagt, Pflanzen ohne vernünftigen Grund von ihrem Standort zu entnehmen bzw. Bestände zu nutzen oder zu zerstören. In der Verkehrsplanung spielen diese Verbote jedoch keine Rolle, da die Planung in der rechtlichen Auslegung immer als vernünftiger Grund gilt (vgl. Louis 2004). Der Großteil der Landesnaturschutzgesetze enthält zudem Verbotszeiträume für das Schneiden von Hecken und Bäumen in der freien Landschaft während der Nist- und Brutzeiten, die auch beim Vegetationsrückschnitt am Gleis zu berücksichtigen sind (s. Abschn. 16.4.3).
16.5 Schutz von Natur und Landschaft
Besonderer Artenschutz Der besondere Artenschutz ist in § 42 BNatSchG geregelt. Es wird zwischen zwei Schutzkategorien – den besonders und den streng geschützten Arten – unterschieden. Besonders geschützte Arten Die besonders geschützten Arten sind in § 10 Abs. 2 Nr. 10 BNatSchG genannt. Für diese Arten besteht ein generelles Zugriffsverbot, sie dürfen also weder gefangen oder verletzt noch getötet werden. Darüber hinaus ist es untersagt, ihre Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten zu beschädigen oder zu beseitigen. Für besonders geschützte Pflanzen besteht ein Beeinträchtigungs- und Zerstörungsverbot. Einen Sonderfall unter den besonders geschützten Arten bilden die europäischen Vogelarten, für die zusätzlich das Störungsverbot nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG gilt, welches ansonsten nur bei streng geschützten Arten Anwendung findet. Streng geschützte Arten Alle streng geschützten Arten sind auch besonders geschützt, d.h. für sie gelten die o.g. Zugriffsverbote. Darüber hinaus gelten nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 BNatSchG zusätzliche Störungsverbote (z.B. Störung durch Aufsuchen und Fotografieren). Ausnahmen vom besonderen und strengen Artenschutz § 43 BNatSchG regelt die Ausnahmen vom besonderen und strengen Artenschutz. Von besonderer Bedeutung für die Verkehrsplanung sind vor allem die in Absatz 4 unter Ziffer 2 und 3 genannten Ausnahmetatbestände. Demnach entfallen die Zugriffs- und Störungsverbote bei der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung sowie bei der Ausübung eines nach § 19 BNatSchG zugelassenen
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Eingriffs.1 In der derzeit vorliegenden Fassung des Umweltleitfadens des Eisenbahn-Bundesamtes (Stand: Juni 2005) wurden im „Teil V – Artenschutz in der Planfeststellung“ detaillierte Vorgaben zur Abarbeitung des Artenschutzes in der Planung festgesetzt. Sofern ein Vorhaben UVP-pflichtig ist oder die Eingriffsregelung zur Anwendung kommt, muss seit Juni 2005 eine Artenschutztabelle erstellt werden. In dieser müssen für alle vom Vorhaben betroffenen Arten nähere Angaben zum Bestand und zum Schutzstatus sowie zur Art der Betroffenheit gemacht werden. Zudem sind die populationsökologischen Folgen des Vorhabens, gegebenenfalls geplante Kompensationsmaßnahmen zur Vermeidung und Kompensation von Beeinträchtigungen und die Rechtsfolgen darzustellen. Befreiung vom besonderen und strengen Artenschutz Von den Verboten des besonderen und strengen Artenschutzes kann im Einzelfall eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erteilt werden, wenn z.B. überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Befreiung erfordern. Eisenbahninfrastrukturplanungen können sich i.d.R. auf Gründe des Gemeinwohls stützen. Ob diese Gründe überwiegen muss jedoch im Einzelfall entschieden werden. Eine weitere Stärkung der verkehrlichen Belange in der artenschutzrechtlichen Abwägung bildet darüber hinaus § 63 BNatSchG. Er besagt unter anderem, dass auf Flächen, die überwiegend oder ausschließlich Zwecken des öffentlichen Verkehrs dienen, eine bestimmungsgemäße Nutzung zu gewährleisten ist. Die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege müssen jedoch berücksichtigt werden (s. Abschn. 16.4.1).
1 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH v. 10.01.2006, C-98/03) stellt diese Regelung jedoch in Frage und mahnt Änderungen an. Dies wird entsprechende Änderungen beim Bundesnaturschutzgesetz nach sich ziehen.
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Umweltschutz
Sofern besondere oder streng geschützte Arten bei einem nach § 18 AEG genehmigten Vorhaben betroffen sind, ist laut Umwelt-Leitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes meist eine Befreiung nach § 62 BNatSchG erforderlich.
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungs- und Instandhaltungsprozesse Björn Zimmer, Christian Keil
16.6.1 Entsorgung Bei Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen fallen bei der Instandhaltung und bei Bauprojekten unterschiedliche Abfallarten, wie Altschotter und Altholzschwellen, an. Bevor im Weiteren auf diese spezifische Abfallarten eingegangen wird, werden einige gesetzliche Grundlagen erläutert, die Allgemeingültigkeit für alle Abfallarten besitzen. 16.6.1.1 Gesetzliche Grundlagen Im Mittelpunkt des Abfallrechts in der BRD steht das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG). Unter Entsorgung im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes wird die Verwertung und Beseitigung von Abfällen verstanden. Abfälle sind hierbei nach § 3 KrW- /AbfG „alle bewegliche Sachen, die unter die in Anhang I (des KrW-/AbfG) aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle zur Verwertung sind Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur Beseitigung“. Die Abfälle werden nach Grad der Überwachungsbedürftigkeit in nicht überwachungsbedürftige, überwachungsbedürftige und besonders überwachungsbedürftige Abfälle unterteilt. In der auf Grundlage des KrW-/ AbfG erlassenen Abfallverzeichnisverordnung (AVV) ist allen Abfallarten ein Abfallschlüssel (6-stel-
liger AVV-Schlüssel) zugeordnet. Besonders überwachungsbedürftige Abfälle sind all die Abfallarten, deren Abfallschlüssel mit einem Stern versehen ist. Alle Abfälle zur Beseitigung sind mindestens überwachungsbedürftig. Abfälle zur Verwertung sind überwachungsbedürftig, wenn dies in der Verordnung zur Bestimmung von überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung (BestüVAbfV) festgelegt ist. Der Entsorgungsvorgang wird mit einer Vorab- und/oder Verbleibskontrolle im Nachweisverfahren (in Abhängigkeit vom Grad der Überwachungsbedürftigkeit) begleitet und abschließend im Nachweisbuch dokumentiert. Fallen beim Abfallerzeuger jährlich mehr als 5 t überwachungsbedürftiger Abfall je Abfallschlüssel an, ist, der Nachweis über die Zulässigkeit der Entsorgung mittels Vereinfachtem Nachweis zu erbringen (fakultatives Verfahren nach §§ 42, 45 KrW-/AbfG i.V.m. § 25 (1) Nachweisverordnung (NachwV)). Fallen weniger als 5 t überwachungsbedürftiger Abfall je Abfallschlüssel an, besteht für den Abfallerzeuger keine formalisierte Nachweispflicht über die Zulässigkeit der Entsorgung. Der Nachweis über die durchgeführte Entsorgung erfolgt hier nach § 25 (3) NachwV mittels Übernahmeschein (Verbleibskontrolle). Davon abweichend kann der Durchführungsnachweis auch über Liefer- oder Wiegescheine erfolgen, wenn diese die Informationen beinhalten, die durch den Übernahmeschein abgedeckt werden. Beim Anfall von weniger als 5 t überwachungsbedürftiger Abfall je Abfallschlüssel sind die Behörden in eingeschränktem Maße befugt, das Führen von Nachweisen im Rahmen des fakultativen Verfahrens anzuordnen. Das gilt auch grundsätzlich für nicht überwachungsbedürftigen Abfall zur Verwertung. Fallen beim Abfallerzeuger jährlich mehr als 20 t besonders überwachungsbedürftiger Abfall je Abfallschlüssel an, ist der Nachweis über die Zulässigkeit der Entsorgung nach § 3 NachwV mittels Entsorgungsnachweis zu führen. Der Entsorgungsnachweis besteht aus Deckblatt,
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungs- und Instandhaltungsprozesse
verantwortlicher Erklärung des Abfallerzeugers einschließlich Deklarationsanalyse, der Annahmeerklärung des Abfallentsorgers und der Bestätigung der für die Entsorgungsanlage zuständigen Behörde. Der Abfallerzeuger hat dem Entsorger das Deckblatt, die verantwortliche Erklärung und die Deklarationsanalyse zu übersenden, wobei die Deklarationsanalyse des Abfalls der chemisch/physikalischen Abfallcharakterisierung (insbesondere Art und Konzentration gefährlicher Stoffe) dient. Der Abfallerzeuger füllt die Annahmeerklärung aus und leitet alles gemeinsam an seine zuständige Behörde weiter. Im Grundverfahren leitet diese das Original einschließlich Behördenbestätigung an den Abfallerzeuger, der die Unterlagen seiner zuständigen Erzeugerbehörde 10 Tage nach Eingang der Originale vorzulegen hat. Der Entsorgungsnachweis ist längstens 5 Jahre gültig und ist im Abfallnachweisbuch aufzubewahren. Die Verbleibskontrolle erfolgt hier mittels Begleitscheinverfahren nach § 15–17 NachwV. Fallen weniger als 20 t besonders überwachungsbedürftiger Abfall an, und sind die weiteren Anforderungen des § 8 Abs. 1 der NachwV erfüllt, ist die Möglichkeit der Nachweisführung mittels Sammelentsorgungsnachweises gegeben. Bei der Entsorgung mittels Sammelentsorgungsnachweis erfolgt der Nachweis über die durchgeführte Entsorgung nach § 18 NachwV für den Abfallerzeuger mittels Übernahmescheinverfahren. Es besteht die Möglichkeit eines privilegierten Nachweisverfahrens (nach Abschnitt 2 (§ 10 ff ) der NachwV), wenn der Abfallentsorger eine hierfür nötige Freistellung durch die zuständige Behörde besitzt. Im Rahmen des privilegierten Nachweisverfahrens wird keine behördliche Bestätigung des Entsorgungsnachweises benötigt. Der Erzeuger hat lediglich seiner zuständigen Behörde die Entsorgung 10 Tage vor deren Beginn durch Vorlage einer Kopie der Nachweiserklärungen anzuzeigen. Eine Verkürzung dieser Frist ist mit Zustimmung der zuständigen Behörde möglich.
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Bei der Planung von Baustellen ist zu beachten, dass Flächen, auf denen Abfälle vor ihrer Entsorgung gesammelt werden, unter bestimmten Umständen unter eine Genehmigungspflicht nach 4. BImSchV fallen können (bei Lagerungen unter 12 Monaten: bei besonders überwachungsbedürftigen Abfällen bei einer Aufnahmekapazität > 1 t/Tag oder einer Gesamtlagerungsmenge > 30 t, bei nicht überwachungsbedürftigen und überwachungsbedürftigen Abfällen bei einer Aufnahmekapazität > 10 t/Tag oder einer Gesamtlagerungsmenge > 100 t, bei einer Lagerungsdauer über 12 Monaten generell), soweit die entsprechende Genehmigung nicht bereits im Rahmen der Entscheidung nach § 18 AEG erteilt wird. Darüber hinaus finden beim Zwischenlagern von Abfällen die wasserrechtlichen Grundsätze des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und der länderspezifischen Verordnungen über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (VAwS) Anwendung. Die beim Transport gefährlicher Güter anzuwendenden Vorschriften (z.B. die Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn – GGVSE) besitzen auch beim Transport von Abfällen Gültigkeit. 16.6.1.2 Umgang mit Holzschwellen Neben den vorab beschriebenen allgemeinen Grundsätzen des Abfallrechts existieren bei der Entsorgung von Altholzschwellen weitere spezielle rechtliche Vorgaben. Auf Grundlage der Verordnung über Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz (AltholzV) wird Altholz nach § 2 (4) in Abhängigkeit von der chemischen Belastung in die Kategorien A I (naturbelassenes oder lediglich mechanisch bearbeitetes Holz) bis A IV (mit Holzschutzmitteln behandeltes Holz, das aufgrund seiner Belastung nicht den niedrigeren Klassen zugeordnet werden kann, ausgenommen PCB-Holz (PCB-Polychlorierte Biphenyle) eingeteilt. Für gängige Altholzsortimente enthält die Altholzverordnung in Anhang III
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eine Regelvermutung. Danach sind Bahnschwellen der Kategorie A IV zugeordnet. Ausnahmen liegen bei ungetränkten Hartholzschwellen vor. Altholz darf nach § 8 der AltholzV nur zur stofflichen und energetischen Verwertung in einer Altholzbehandlungsanlage in Verkehr gebracht werden. Nach § 10 haben Abfallbesitzer bzw. -erzeuger mit einer täglich anfallenden Altholzmenge von 1 m3 losem Schüttvolumen oder 0,3 Tonnen dieses getrennt zu erfassen, zu sammeln, bereitzustellen und zu überlassen. Der Nachweis über die Zulässigkeit der vorgesehenen Entsorgung und die durchgeführte Entsorgung hat auf Grundlage der Nachweisverordnung zu erfolgen. Bei der Entsorgung von Altholz ist hierbei zusätzlich nach § 11 AltholzV ein Anlieferungsschein zu erstellen. Darüber hinaus finden beim Umgang mit Altholzschwellen die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sowie die Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) Anwendung. So sind zur Imprägnierung von Holzschwellen nur Holzschutzmittel zugelassen, die einen Massegehalt von weniger als 50 mg/kg Benzo(a)pyren (BaP) aufweisen (vgl. Anhang zu § 1 ChemVerbotsVO, Abschnitt 17, Spalte 3, Abs.1). Holzschwellen, die mit Holzschutzmitteln behandelt wurden, die einen Massengehalt von mehr als 50 mg/kg BaP aufweisen, dürfen nur noch als Eisenbahnschwelle gemäß dem ursprünglichen Herstellungszweck wiederverwendet werden. Einen weiteren Verwertungsweg stellt die energetische Verwertung dar. Hierzu ist anzumerken, dass in der DB AG bis ca. 2001 u.a. solche Imprägniermittel mit einem Massengehalt von mehr als 50 mg/kg B(a)P eingesetzt wurden. Daher können aus heutiger Sicht ausgebaute Holzschwellen nur als Eisenbahnschwellen in Verkehr gebracht werden und nicht für sonstige Verwendungszwecke an Dritte abgegeben werden (vgl. Anhang zu § 1 ChemVerbotsVO, Abschnitt 17, Spalte 3, Abs. 2 Ziff. 2).
16.6.1.3 Umgang mit Altschotter Auch beim Umgang mit Altschotter sind die allgemeinen Vorgaben des Abfallrechtes der BRD zu beachten. Um bei der DB Netz AG eine einheitliche, wirtschaftliche, ökologisch und technisch sinnvolle Entsorgung des Altschotters unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben sicherzustellen, ist die Richtlinie „Bautechnik; Verwertung von Altschotter“ (Ril 880.4010) eingeführt worden. Diese orientiert sich an den „Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20: Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln“ (vom 06.11.1997) sowie an dem Entwurf „Technische Regeln (TR) für die Verwertung – TR Altschotter“ der LAGA (Stand vom 13.11.2000, unveröffentlicht) In der Schweiz entspricht die Regelung der Richtlinie 880.4010 der Gleisaushubrichtlinie des Bundesamtes für Verkehr (BAV) und Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) vom September 2002. Die Vorgehensweise der Entsorgung von Altschotter auf Grundlage o.g. Altschotterrichtlinie wird nun im Folgenden beschrieben. Altschotterentsorgung im Bauablauf Bereits in der Maßnahmenplanung werden eine Mengenermittlung sowie die Abfalldeklaration veranlasst. Außerdem wird, soweit notwendig, frühzeitig das Entsorgungsnachweisverfahren durchgeführt. In der Phase Arbeitsvorbereitung werden die Logistik innerhalb und außerhalb der Baustelle, also auch der Transport zur Entsorgungsanlage, geplant und abgestimmt. Die Baudurchführung führt schließlich zur eigentlichen Entstehung von Altschotter. Dabei sind verschiedene Fälle zu unterscheiden: a) Altschotter wird als Gesamtschotter (Körnung 0–63 mm) ausgebaut und als solcher einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt. Bei einigen Baustellen wird der Gesamtschotter vor Ort mittels stationärer Aufbereitungsanlage aufgearbeitet. Die Sieb-
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rückstände (0–22,4 mm) werden dann der Entsorgung zugeführt, wohingegen der aufgearbeitete Schotter (22,4–63 mm), soweit möglich, im Gleisbett wieder eingebaut wird und seine Abfalleigenschaft verliert. b) Im Rahmen einer Bettungsreinigung wird der Schotter von einer schienengebundenen Baumaschine aufgenommen und in der Maschine gesiebt. Der so aufgearbeitete Schotter (22,4–63 mm) wird von der Baumaschine unmittelbar im Gleis wiedereingebaut. Nur die Siebrückstände (0 bis 22,4 mm) unterliegen dem Abfallrecht und werden anschließend der ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt. Die Dokumentation der Entsorgung erfolgt über das bereits beschriebene gesetzlich festgelegte Nachweisverfahren oder, soweit dies nicht erforderlich ist, über andere, im Geschäftsverkehr übliche Belege. Vorerhebung und Klassifikation des Gleisabschnitts Im Rahmen der Begehung zur Planung von Gleis- und Weichenbaustellen wird zur Planung der Verwertungs- und Beseitigungswege eine Vorerhebung durchgeführt. Aus den Ergebnissen der Vorerhebung werden der Umfang der Probenahme sowie der analytische Untersuchungsumfang abgeleitet. Die Vorerhebung umfasst die Ortsbesichtigung mit augenscheinlicher Untersuchung (Begehung), die Auswertung vorhandener Unterlagen, z.B. über die Schwellenart, Havarien, sowie die Festlegung der Probenahmen und des Untersuchungsumfangs. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus der Vorerhebung wird dann entschieden, ob es sich um einen offensichtlich unbelasteten Gleisabschnitt oder um einen erkennbar belasteten Gleisabschnitt handelt. Diese Unterteilung dient dazu die Abstände der Probenahme im Gleis und die spätere Bewertung der Untersuchungsergebnisse für eine repräsentative Untersuchung des Altschotters festzulegen. Ein offensichtlich unbelasteter Gleisabschnitt liegt vor, wenn der Schotter nach Augenschein keine erkennbaren Belastungen aufweist (organoleptischer Befund: z.B. keine
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auffällige Farbe, kein auffälliger Geruch, frei von Verkrustungen) und sich durch die historische Erkundung keine Hinweise auf außergewöhnliche Ereignisse, z.B. Havarien, ergeben. Gleisabschnitte der freien Strecke sind i.d.R. offensichtlich unbelastet. Ein erkennbar belasteter Gleisabschnitt liegt vor, wenn der Schotter Belastungen (nach organoleptischem Befund) aufweist. Erkennbare Belastungen können insbesondere vorliegen im Zungenbereich von Weichen (nicht bei Weichen neuer Bauart, da sie ohne Schmierung arbeiten), in Gleisabschnitten mit Schmiervorrichtungen oder hydraulischen Bremsen, in Lokabstellgleisen, Haltebereichen vor Signalen und an Bahnsteigen, in Wartungs- und Betankungsgleisen, in Verladestellen, Umschlaganlagen und in Gleisabschnitten, in denen Treibstoffe oder andere wassergefährdende Stoffe infolge eines Unfalls oder anderer Einwirkungen ausgelaufen oder freigesetzt worden sind. Hier ist eine Verdichtung der Probenahmepunkte erforderlich. In beiden Fällen, dem offensichtlich unbelasteten und dem erkennbar belasteten Gleisbereich, werden Proben genommen und untersucht. Probenahme und Analytik Beprobt werden der später beim Ausbau anfallende Schotter, die anfallenden Bettungsrückstände und Planumsschutzschichten und die anfallenden Bodenmassen. Ziel der Probenahmen ist die Bestimmung der chemischen Belastungen. Die Proben sind im Wesentlichen auf die in Tabelle 16.32 genannten bahnspezifischen Parameter im Feststoff und Eluat zu untersuchen. Sie werden durch das Absieben des Gesamtschotters gewonnen und umfassen somit nur den Schotter-Feinanteil. Die Untersuchungen werden nach den anerkannten Verfahren nach den „Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20: Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln“ (vom 06.11.1997 bzw. 06.11.2003), Kapitel III „Probenahme und
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Umweltschutz
Tabelle 16.32 Untersuchungsparameter Altschotter Parameter
Feststoff
Eluat
Organoleptische Prüfung pH-Wert Elektrische Leitfähigkeit Mineralölkohlenwasserstoffe Polyzyklisch aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) Arsen (As) Blei (Pb) Cadmium (Cd) Chrom (Cr) gesamt Kupfer (Cu) Nickel (Ni) Quecksilber (Hg) Zink (Zn)
X
X X X
Analytik“ bzw. nach den DIN-Analyseverfahren durchgeführt. Bewertung der Untersuchungsergebnisse, Ermittlung der Einbauklassen und Zuordnung eines Abfallschlüssels Vom Prüflabor wird ein Prüfbericht (gem. DIN EN 45001) erstellt, der die Prüfergebnisse zu jeder Probe und alle wichtigen Informationen enthält. Untersucht wird die Feinfraktion. Soll die Gesamtfraktion als solche entsorgt werden, werden die aus der Feinfraktion ermittelten Analysenergebnisse auf die Gesamtfraktion umgerechnet. Hierbei wird von einem Feinkornanteil von i.d.R. 25% ausgegangen, der von der „TR Altschotter“ der LAGA übernommen wurde und in dem ein Sicherheitsfaktor enthalten ist, da der Feinanteil auf den Strecken der DB AG bei durchschnittlich 10–15 Massen-% liegt. Bei erkennbar belasteten Gleisabschnitten sind die aus der Feinfraktion ermittelten Analysenergebnisse i.d.R. direkt zur Einstufung der Gesamtfraktion heranzuziehen. Dies gilt auch für die bei der Bettungsreinigung anfallende Feinfraktion. Anhand der bewerteten Analyseergebnisse werden die anfallenden Abfälle in die Zuordnungsklassen Z 0 bis Z 5 nach
X X X X X X X X X X
X X X X X X X X
LAGA 20 eingestuft und einem Abfallschlüssel nach der Abfallverzeichnisverordnung (= 6-stelliger AVV-Schlüssel) zugeordnet (s. auch Abschn. 16.6.1.1). Gleisschotter muss korrekt als Gleisschotter, der gefährliche Stoffe enthält (170507*) oder als ungefährlicher Gleisschotter (170508) geschlüsselt werden. Der Stern (*) zeigt hierbei an, das es sich um einen Abfall aus der Liste der stets gefährlichen (= besonders überwachungsbedürftigen) Abfälle (der AVV) handelt. Zusätzlich wurden die Vorgaben der AVV länderspezifisch in z.B. Arbeitsbzw. Handlungshilfen der Behörden umgesetzt. Die Bewertung von Gleisschotter wird, wie bereits oben angeführt nach den Technischen Regeln der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen“ vom 06.11.1997 (bzw. 06.11.2003) eingestuft. Es werden fünf Zuordnungsklassen unterschieden: – Z 0: Uneingeschränkter Einbau, – Z 1 (Z 1.1 und Z 1.2): bei offenem Einbau unter Berücksichtigung bestimmter Nutzungseinschränkungen, – Z 2: Eingeschränkter Einbau mit definierten technischen Sicherheitsmaßnahmen,
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungs- und Instandhaltungsprozesse
– Z 3 und Z 4: Deponieklasse I und II (TA Siedlungsabfall), – Z 5: Sonderabfalldeponie (TA Abfall). Planen und Durchführen der Entsorgung Im Rahmen der Entsorgungsplanung wird ein Entsorgungskonzept erstellt. In Abhängigkeit vom Abfallschlüssel und den ermittelten Zuordnungswerten werden die zu verwertenden Altschotterfraktionen einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung bzw. einer gemeinwohlverträglichen Beseitigung zugeführt. Dabei werden länderspezifische Andienungs- und Überlassungspflichten, besonders die in einigen Bundesländern für besonders überwachungsbedürftige Abfälle zur Beseitigung (in Rheinland-Pfalz auch für bü-Abfälle zur Verwertung) festgelegten Andienungspflichten an die sog. Andienungsgesellschaften beachtet. Die mit der Verwertung oder Beseitigung des Altschotters beauftragten Firmen sind als Entsorgungsfachbetrieb (§ 52 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) zugelassen. Ebenso wird sichergestellt, dass die Vertragsfirmen über eine gültige Genehmigung für die vorgesehene Entsorgungsanlage bzw. Verwertungsmaßnahme verfügen. Materialkreislauf Die Grobfraktion des ausgebauten Schotters aus offensichtlich unbelasteten Gleisbereichen ist i.d.R. nach der Aufbereitung bei einer dafür zugelassenen Anlage als aufbereiteter Schotter (Recyclingschotter) wiederverwendbar, da sie weitgehend schadstofffrei – Z 0 bis Z 1.1. – ist. Beim Wiedereinsatz von aufbereitetem Schotter im Schienenwegebau wird die Qualität durch kontinuierliche Eigen- und Fremdüberwachung (geregelt in entsprechenden DBRichtlinien für die Verwendung von aufbereitetem Schotter (DS 820 01 06 und BN 918 061) und Korngemischen (BN 918 062)) sichergestellt. Die Güte von Recyclingschotter bzw. aufbereitetem Schotter bzw. des Korngemisches wird regelmäßig auf technische Eig-
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nung und Umweltverträglichkeit untersucht und die Ergebnisse dokumentiert. Durchführung und Dokumentation der Entsorgung Bei der Entsorgung des Altschotters finden die Vorgaben der eingangs beschriebenen Nachweisverordnung (s. auch Abschn. 16.6.1.1) Anwendung. Soweit Altschotter im Rahmen des Materialkreislaufes nach Aufbereitung im Gleisbereich als nicht überwachungsbedürftiger Altschotter zur Verwertung wieder eingebaut wird, erfolgt zusätzlich eine Dokumentation gemäß Tabelle 16.33. 16.6.1.4 Umgang mit Boden Um einem unzulässigen Einbau von schadstoffbelastetem Erdbaumaterial bei Baumaßnahmen zu begegnen und Risiken im Hinblick auf Schadensersatzforderungen und Verzögerungen bei der Projektabwicklung zu vermeiden, werden bei der DB AG bei fremdgeliefertem Erdbaumaterial Kontrollprüfungen im Hinblick auf Schadstoffgehalte durchgeführt. Das angelieferte Erdbaumaterial wird zunächst fortlaufend organoleptisch auf Schadstoffgehalte überprüft. Unter fremdgeliefertem Erdbaumaterial ist natürlicher Boden oder mineralische Korngemische mit oder ohne Veränderungen oder Beimischungen zu verstehen, der nicht im Zuge einer Baumaßnahme bzw. Baufeldfreimachung im Bereich der DB AG anfällt bzw. gewonnen wird und von anderweitigen Lieferorten kommt. Im Fall eines spezifischen Verdachts auf überhöhte Schadstoffgehalte wird eine chemische Schadstoffanalyse durchgeführt. Bei Probenahme und analytischen Verfahren wird gemäß den Technischen Regeln für die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen (LAGA 20, Kapitel III) verfahren. Zusätzlich wird je 5.000 t, jedoch mindestens einmal je Baumaßnahme, eine Probe genommen und eine chemische Schadstoffanalyse durchgeführt. Das Mindestuntersuchungsprogramm und die Einbaugrenzwerte sind aus
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Tabelle 16.33 Notwendige Angaben bei der Dokumentation der Altschotterverwertung Angaben zu
Verwertung ohne Aufbereitung
Art und Herkunft des Altschotters Menge (ausgeliefert, transportiert) Analysenergebnisse Einbauklasse Transporteur Aufbereiter Güteklasse Ort des Einbaus (genaue Lage, Flurbezeichnung, Bahnhof, Strecke) Art der Verwertung bei der Baumaßnahme Hydrogeologische Verhältnisse (z.B. Abstand zum höchsten Grundwasserstand, Ausbildung der Deckschicht) bei Einbauklasse Z 2 die Art der technischen Sicherungsmaßnahme Einbaufirma Träger der Baumaßnahme
Tabelle 16.34 ersichtlich. Bei spezifischem Verdacht ist das Untersuchungsprogramm entsprechend zu erweitern. Die LAGA-Mitteilung 20 ist seit 1997 fortgeschrieben worden, so dass derzeit die Teile I „Allgemeiner Teil“ (Stand: 06.11.2003), der Teil II.1.2 „Bodenmaterial“ (Technische Regel Boden, Stand: 05.11.2004) und die Kapitel III.1 und III.2 des Teils „Probenahme und Analytik“ (Stand: 05.11.2004) in aktualisierter Form vorliegen. Allerdings sind diese nur von einigen Bundesländern veröffentlicht und in den Vollzug übernommen worden. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit strebt derzeit an, eine verbindliche Rechtsverordnung zur Verwertung mineralischer Abfälle (Bundesverwertungsverordnung) zu erlassen. Im Jahr 2006 soll ein Konzept für die gesetzliche Regelung erörtert und erstellt und in 2007 das formelle Gesetzgebungsverfahren durchgeführt werden. Folgerungen für den Einbau Werden die Z0-Werte der Tabelle nicht überschritten, ist i. Allg. ein uneingeschränkter
X X X X X
mit Aufbereitung X X X X X X
X X X X X X X
Einbau des Bodenmaterials möglich, d.h. es bestehen grundsätzlich keine Beschränkungen hinsichtlich der Einbauörtlichkeiten. Aus Vorsorgegründen sollte jedoch i.d.R. in der Nähe von besonders sensiblen Flächen (z.B. Kinderspielplätze, Kleingärten) auf den Einbau von Boden aus der Bodenbehandlung und der Altlastensanierung verzichtet werden. Werden die Z1.1-Werte der Tabelle nicht überschritten, ist ein eingeschränkter offener Einbau des Bodenmaterials möglich. Ein Einbau bei besonders sensiblen Gebieten bzw. Nutzungen ist nicht zulässig (z.B. Trinkwasserschutzgebiete I–III A, Heilquellenschutzgebiete I–III). Werden die Z1.2-Werte der Tabelle nicht überschritten, ist ein Einbau in hydrogeologisch günstigen Gebieten möglich. Dies gilt bei Bodenaustausch und -ersatz nur für Flächen, die bereits eine Vorbelastung des Bodens > Z1.1 aufweisen (Verschlechterungsverbot (nach LAGA M 20)). Hydrogeologisch günstig sind u.a. Standorte, bei denen der Grundwasserleiter nach oben durch flächig verbreitete, ausreichend mächtige Bodenschichten mit
Tabelle 16.34 Mindestuntersuchungsprogramm und Einbaugrenzwerte bei Bodenmaterial (nach TR Boden (LAGA 20, 06.11.1997)) Parameter
Organolept. Prüfung pH-Wert 1) el. Leitfähigkeit (µS/cm) Phenolindex 2) EOX Kohlenwasserstoffe Σ BTEX Σ LHKW Σ PAK nach EPA Σ PCB (n. DIN 51527) Chlorid Sulfat Arsen Blei Cadmium Chrom (ges.) Kupfer Nickel Quecksilber Thallium Zink Cyanide (ges.) HCl-Test (10%)
Einbaugrenzwert Feststoff (mg/kg) Z0 Z1.1 Z1.2
Z2
5,5–8
–
1 100 <1 <1 1 0,02
20 100 0,6 50 40 40 0,3 0,5 120 1
5–9
3 300 1 1 5 5) 0,1
30 200 1 100 100 100 1 1 300 10
10 500 3 3 15 6) 0,5
50 300 3 200 200 200 3 3 500 30
Einbaugrenzwert Eluat (µg/l) Z0 Z1.1 Z1.2
Z2
6,5–9 500 < 10
500 10
6–12 1.000 50
5,5–12 1.500 100
10.000 50.000 10 20 2 15 50 40 0,2 <1 100 < 10
10.000 50.000 10 40 2 30 50 50 0,2 1 100 10
20.000 100.000 40 100 5 75 150 150 1 3 300 50
30.000 150.000 60 200 10 150 300 200 2 5 600 100 7)
15 1.000 5 5 20 1
150 1000 10 600 600 600 10 10 1500 100
839
1) Niedrigere pH-Werte stellen allein kein Ausschlusskriterium dar. Bei Überschreitungen ist die Ursache zu prüfen. 2) Bei Überschreitungen ist die Ursache zu prüfen. Höhere Gehalte, die auf Huminstoffe zurückzuführen sind, stellen kein Ausschlusskriterium dar. 3) In begr. Einzelfällen (Belastungen aufgrund Herkunft o. Nutzung unter atypischen Umgebungsbedingungen) evtl. erforderlich , den verfügbaren (mobilen) Anteil zu untersuchen. 4) Wenn Feststoff > Z 0 oder pH-Wert < 5. 5) Einzelwerte für Naphthalin und Benzo-[a]-Pyren jeweils kleiner als 0,5. 6) Einzelwerte für Naphthalin und Benzo-[a]-Pyren jeweils kleiner als 1,0. 7) Verwendung für Z 2 > 100 µg/l ist zulässig, wenn Z 2 Cyanid (leicht freisetzbar) < 50 µg/l
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungs- und Instandhaltungsprozesse
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Mindestuntersuchungsprogramm Feststoff Eluat 3) X X X4) X X X X X X X X X X X X4) X X4) X X4) X X4) X X4) X X4) X X4) X X X X4) X X X
840
16
Umweltschutz
hohem Rückhaltevermögen (Deckschichten) gegenüber Schadstoffen überdeckt ist. Dieses Rückhaltevermögen ist i.d.R. bei mindestens 2 m mächtigen Deckschichten aus Ton, Schluffen oder Lehmen gegeben. Sofern diese hydrogeologisch günstigen Gebiete durch die zuständigen Behörden nicht verbindlich festgelegt sind, müssen der Genehmigungsbehörde die geforderten Standorteigenschaften durch ein Gutachten nachgewiesen werden. Werden die Z2-Werte der Tabelle (s. Tabelle 16.34) nicht überschritten, ist ein Einbau unter definierten technischen Sicherungsmaßnahmen möglich. Die in Frage kommenden Maßnahmen sowie die Ausschlüsse sind definiert in den Mitteilungen der LAGA Nr. 20 (Kap. 1.2.3.3). Dazu gehört z.B. die Verwertung bei Erdbaumaßnahmen (kontrollierten Großbaumaßnahmen) als Lärmschutzwall mit mineralischer Oberflächenabdichtung oder als Straßendamm (Unterbau) mit wasserundurchlässiger Fahrbahndecke. Der Abstand zwischen der Schüttkörperbasis und dem höchsten zu erwartenden Grundwasserstand soll mindestens 1 m betragen. Beim Einbau von Bodenmaterial, dessen Schadstoffbelastung über den Z2-Werten liegt, ist in jedem Fall die Zustimmung der zuständigen Behörde einzuholen. Der Einbau ist zu dokumentieren, d.h. folgende Daten sind aktenkundig festzuhalten: Art und Herkunft des Bodens, Lieferant des Bodens, Analysenergebnisse, Menge des eingebauten Bodens, Einbauort (Strecke, km) und Einbaudatum, hydrogeologische Verhältnisse (Flurabstand, Ausbildung der Deckschichten), ggf. Art der definierten technischen Sicherungsmaßnahme. Der Einbau von Bodenmaterial in sensiblen Gebieten wie z.B. festgesetzte bzw. fachbehördlich geplante Trinkwasserschutzgebiete (Zone I–III A), Heilquellenschutzgebiete (Zone I– III) oder Gebiete mit häufigen Überschwemmungen ist nur bei Einhaltung der Z0-Werte zulässig.
Bodenverwertungs- und Entsorgungskonzept (BoVEK) Um bei der Entsorgung von Bauabfällen die Rechts- und Planungssicherheit zu gewährleisten und eine Kostenminimierung zu realisieren, wurde bei der DB AG das BoVEK (Bodenverwertungs- und Entsorgungskonzept) als Unterstützungsprozess für die Planung und Durchführung von Tief- und Ingenieurbautechnischen Maßnahmen sowie Rückbaumaßnahmen eingeführt. Die Durchführung des BoVEK-Prozesses ist als Konzernrichtlinie (137.0101) festgelegt und auch in der DB AGRichtlinie „Infrastrukturmaßnahmen Planen, Durchführen, Abnehmen, Dokumentieren und Abschließen“ (Ril 809) festgeschrieben. Der BoVEK- Prozess dient dabei zur Steuerung der Entsorgung von Abfällen (insbesondere von Bodenmassen) bzw. der Lenkung von Abfallströmen als integraler Bestandteil bei der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf dem Grundsatz „Verwertung vor Beseitigung“. Die anfallenden Abfälle werden dabei nach Art und Menge erfasst, quantitativ und qualitativ bewertet sowie die dafür optimalen Entsorgungsmöglichkeiten aufgezeigt.
16.6.2 Transport gefährlicher Güter Rechtsgrundlagen Im Rahmen der Instandhaltung der Eisenbahninfrastruktur ist es notwendig, gefährliche Güter zu transportieren. Hierbei sind die Vorschriften des Gefahrguttransportrechts zu beachten. Hierzu zählen insbesondere – das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBefG) und die darauf basierenden Verordnungen, – Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) und – Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn (GGVSE) sowie die internationalen Regelwerke – Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) und
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungs- und Instandhaltungsprozesse
– Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR). Gefahrgutrechtsvorschriften befassen sich unter anderem mit den Pflichten der am Transport gefährlicher Güter beteiligten Unternehmen und den Themenbereichen Verpackung, Dokumentation, Schulung, Kennzeichnung und Sicherung. Gesetzlich bestimmte Funktionen nach Gefahrguttransportrecht Gemäß GbV sind folgende Funktionen zu benennen und zu bestellen: Gefahrgutbeauftragte Unternehmer und Inhaber eines Betriebes, die an der Beförderung gefährlicher Güter mit Eisenbahn-, Straßen-, Wasser- oder Luftfahrzeugen beteiligt sind, müssen gemäß § 1 GbV mindestens einen Gefahrgutbeauftragten schriftlich bestellen. Der Gefahrgutbeauftragte hat gemäß § 1c GbV unter der Verantwortung des Unternehmers oder Inhabers eines Betriebes im Wesentlichen die Aufgabe, im Rahmen der betroffenen Tätigkeit des Unternehmens oder Betriebes nach Mitteln und Wegen zu suchen und Maßnahmen zu veranlassen, die die Einhaltung der Vorschriften zur Beförderung gefährlicher Güter für den jeweiligen Verkehrsträger erleichtern. Der Gefahrgutbeauftragte ist unter anderem verpflichtet, Aufzeichnungen über seine Überwachungstätigkeit unter Angabe des Zeitpunktes der Überwachung, der Namen der überwachten Personen und der überwachten Geschäftsvorgänge zu führen. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre aufzubewahren und der zuständigen Überwachungsbehörde auf Verlangen in Schriftform zur Prüfung vorzulegen. Beauftragte Personen Beauftragte Personen (b.P.) nach § 1a Nr. 5 GbV sind solche, „die im Auftrag des Unternehmers oder Inhabers eines Betriebes in eige-
841
ner Verantwortung deren Pflichten nach den Gefahrgutrechtsvorschriften zu erfüllen haben“. Die Festlegung, wer als beauftragte Person zu gelten hat, liegt im Ermessen des jeweiligen Unternehmens und ist für die jeweils geltende Organisationsstruktur z.B. anhand von Funktions- und Stellenbeschreibungen zu analysieren und zu dokumentieren. Es wird sich hierbei in aller Regel um Mitarbeiter handeln, die in Führungsfunktion anweisungsbefugt sind. Sonstige verantwortliche Personen Sonstige verantwortliche Personen (s.v.P.) nach § 1a Nr. 6 GbV sind Mitarbeiter, „denen nach den Vorschriften für die Beförderung gefährlicher Güter unmittelbar Aufgaben zur eigenverantwortlichen Erledigung übertragen worden sind, insbesondere Fahrzeugführer…“. Die Festlegung, wer darüber hinaus dem Kreis der sonstigen verantwortlichen Personen, die ausschließlich auf Anweisung tätig werden, zuzuordnen ist, liegt ebenfalls im Ermessen des jeweiligen Unternehmens. Schulung von beauftragten und sonstigen verantwortlichen Personen Nach § 6 GbV müssen die „beauftragten Personen“ und „sonstigen verantwortlichen Personen“ ausreichende Kenntnisse über die für ihren Aufgabenbereich maßgebenden Gefahrgutrechtsvorschriften haben. Diese Kenntnisse müssen durch zu wiederholende Schulungen vermittelt werden. Die Schulung bei der Deutschen Bahn AG z.B. erfolgt im Rahmen von Grund- und Wiederholungsschulungen. Die Wiederholungsschulungen sind nach derzeitiger DB Netz-interner Festlegung alle 2 Jahre durchzuführen. Materielle Vorgaben zum innerbetrieblichen Transport gefährlicher Güter Als innerbetrieblich gelten Transporte, die durch das Infrastrukturunternehmen im Rahmen der Instandhaltung bzw. Instandsetzung durchgeführt werden. Hierunter kann auch der Transport von Abfällen fallen. Gefährliche Güter sind i.d.R. mit den in ADR und RID
842
16
Umweltschutz
Tabelle 16.35 Klasseneinteilung gefährlicher Stoffe und Gegenstände Klasse
Bezeichnung
Beispiele
1
Explosive Stoffe und Gegenstände mit Explosivstoff
UN 0432 Pyrotechnische Gegenstände (z.B. Thermitanzünder)
2
Gase
UN 1001 Acetylen, Gelöst; UN 1013 Kohlendioxid
3
Entzündbare flüssige Stoffe
UN 1202 Dieselkraftstoff; UN 1203 Benzin
4.1
Entzündbare feste Stoffe, selbstzersetzliche Stoffe und desensibilisierte explosive feste Stoffe
UN 1944 Sicherheitszünd-Hölzer
4.2
Selbstentzündliche Stoffe
UN 1373 Fasern oder Gewebe, Tierischen oder Pflanzlichen oder Synthetischen Ursprungs, NAG, (imprägniert mit Öl)
4.3
Stoffe, die in Berührung mit Wasser entzündbare Gase entwickeln
UN 1402 Calciumcarbid
5.1
Entzündend (oxidierend) wirkende Stoffe
UN 2015 Wasserstoff-peroxyd
5.2
Organische Peroxyde
UN 3103 Organisches Peroxyd TYP C, Flüssig
6.1
Giftige Stoffe
UN 1051 CYANWASSER-STOFF, STABILISIERT
6.2
Ansteckungsgefährliche Stoffe
–
7
Radioaktive Stoffe
UN 3332 RADIOAKTIVE STOFFE; TYP A-VERSAND-STÜCK; IN BESONDERER FORM (z.B. Troxlersonde)
8
Ätzende Stoffe
UN 2797 Batterieflüssigkeit, ALKALIsch
9
Verschiedene gefährliche Stoffe und Gegenstände
UN 3082 Umweltgefährlicher Stoff, flüssig n.a.g. (z.B. Epoxidharz)
Gefahrzettel
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungs- und Instandhaltungsprozesse
843
Tabelle 16.36 Zu beachtende Bestimmungen beim Transport gefährlicher Güter zu beachtende Bestimmungen
ADR/RID ADR/RID verantwortliche Person Gesamtmenge Gesamtmenge (Die Verteilung der Aufgaben <1000 !1000 und Pflichten ist in einer örtlichen Regelung vom Leiter der OE festzulegen.)
Hinweispflicht Verpackung Kennzeichnung von Versandstücken Bezettelung von Versandstücken Beförderungspapier Begrenzte Mengen (LQ) Zustand der Verpackung Zusammenladung Handhabung, Verstauung, Ladungssicherung Handhabung, Verstauung und Verladeweise von (Gas)Flaschen Beleuchtungsgeräte Verbot von Feuer und offenem Licht Rauchverbot Betrieb des Motors Reinigung der Fahrzeuge nach dem Entladen Maßnahmen bei Unfällen/Zwischenfällen Belüftung beim Transport von Gasen Anforderungen an die Fahrzeuge Schriftliche Weisungen (Unfallmerkblätter) Feuerlöschausrüstung Sonstige Ausrüstung Geschwindigkeitsbegrenzer orangefarbene Tafeln Anbringen von Großzetteln (Placards) am Fahrzeug, Containern und Tanks Personenbeförderung Besondere Ausbildung der Fahrer Vorschriften für die Sicherung
X X X X X X X X X
X X X X X X X X X
Absender/Verlader Absender/Verpacker Absender/Verpacker/Verlader Absender/Verpacker/Verlader Absender/Verlader/Fz.-Führer Absender/Verpacker/Verlader Verlader/Fz.-Führer Verlader/Fz.-Führer Verlader/Fz.-Führer
X
X
Verlader/Fz.-Führer
X X X X X
X X X X X
Fz.-Führer Verlader/Fz.-Führer/Empfänger Verlader/Fz.-Führer Fz.-Führer Fz.-Führer/Empfänger
X
X
Beförderer/Fz.-Führer
X X X)
X X X
Halter/Fz.-Führer Halter/Fz.-Führer/Verlader Absender/Verlader/Fz.-Führer
X
X X X X X
Halter/Fz.-Führer Halter/Fz.-Führer Halter Fz.-Führer Fz.-Führer
X X X
Fz.-Führer Beförderer Absender/Verlader/Beförderer
X) = nur RID Anmerkung: Die Tabelle unterscheidet Anforderungen, die beim Überschreiten bzw. Unterschreiten der Gesamtmenge von 1.000 zu erfüllen sind. Dies bezieht sich auf die sog. 1000-Punkte-Regelung, die beim gemeinsamen Transport verschiedener Gefahrgüter angewendet wird. Hierbei wird die Menge des einzelnen Gefahrgutes mit einem definierten Faktor multipliziert und die sich ergebenden Werte über alle transportierten Gefahrgüter summiert. Je nachdem, ob die sich ergebende Summe den Wert 1.000 über- oder unterschreitet, sind die in der betreffenden Tabellenspalte genannten Anforderungen zu beachten.
844
16
Umweltschutz
vorgeschriebenen Gefahrzetteln sowie der 4stelligen stoffspezifischen UN-Nummer auf der Verpackung gekennzeichnet. Die gefährlichen Güter werden in die in Tabelle 16.35 aufgeführten Klassen eingeteilt. Dabei sind die in Tabelle 16.36 zusammengestellten Bestimmungen bei der Beförderung gefährlicher Güter zu beachten. Bei Fragen zum Transport gefährlicher Güter können sich die Mitarbeiter des Infrastrukturunternehmens an die jeweils benannten Funktionsträger (z.B. Gefahrgutbeauftragter/beauftragte Person) wenden. Rechtsgrundlagen – GGBefG Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz) – ADR Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par route) – RID Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (Règlement concernant le transport international ferroviaire des marchandises dangereuses) – GGVSE Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit Eisenbahnen (Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn – GbV Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten und die Schulung der beauftragten Personen in Unternehmen und Betrieben (Gefahrgutbeauftragtenverordnung)
Literatur 16.1 Umweltmanagement 1
Eidam, G. (2001): Unternehmen und Strafe. 2. Aufl., Carl Heymanns Verlag KG Köln, Berlin, Bonn, München.
2
3
4
5
6
Engelfried, J. (2004): Nachhaltiges Umweltmanagement, 1. Aufl., Oldenbourg Wissenschaftsverlag München. Pischon, A. (1999), Liesegang, Dietfried G. (Hrsg.): Integrierte Managementsysteme für Qualität, Umweltschutz und Arbeitssicherheit, Springer-Verlag Berlin. Müller, M.; Kupp, M.; Bültmann, A. (2003): Standardisierungs- und Zertifizierungsansätze vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Entwicklung, In: Baumast, A.; Pape, J. (HRSG.): Betriebliches Umweltmanagement, 1. Aufl., Eugen Ulmer GmbH & Co Stuttgart (Hohenheim). Nobbe, U.; Pinther, J.; Vögele P. (1993): Verantwortung im Unternehmen, 1. Aufl. Hermann Luchterhand Verlag GmbH & Co. KG Neuwied, Kriftel, Berlin. Reuter, A. Y.; Zink, K. J. (2003): Der Weg zum integrierten Managementsystem, Universität Kaiserslautern.
Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
3 4
5
6
7
DIN EN ISO 14001 Umweltmanagementsysteme – Anforderungen mit Anleitung zur Anwendung (ISO 14001:2004) DIN EN ISO 14020:2002 Umweltkennzeichnungen und -deklarationen – Allgemeine Grundsätze DIN EN ISO 14031:2000 Umweltmanagement – Umweltleistungsbewertung –Leitlinien DIN EN ISO 14040 Umweltmanagement – Ökobilanz – Prinzipien und allgemeine Anforderungen DIN ISO 14015:2003 Umweltmanagement – Umweltbewertung von Standorten und Organisationen (UBSO) E DIN ISO 14004:2004 Umweltmanagementsysteme - Allgemeiner Leitfaden über Grundsätze, Systeme und Hilfsinstrumente Fünfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (5. BImSchV) „Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte“ vom 30. Juli 1993 (BGBl. I Nr. 42 vom 07.08.1993 S. 1433) zuletzt geändert am 9. September 2001 durch Artikel 2 des Gesetzes zur Umstellung der umweltrechtlichen Vorschriften auf den Euro (Siebtes Euro-Einführungsgesetz) (BGBl. I Nr. 47 vom 12.09.2001 S. 2331)
Literatur 8
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I Nr. 71 vom 04.10.2002 S. 3830) zuletzt geändert am 25. Juni 2005 durch Artikel 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen 9 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl. I Nr. 66 vom 06.10.1994 S. 2705) zuletzt geändert am 21. Juni 2005 durch Artikel 2 des Gesetzes zur Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieabbau und Deregulierung aus den Regionen 10 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBl. I Nr. 59 vom 23.08.2002 S. 3245) zuletzt geändert am 25. Juni 2005 durch Artikel 2 des Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/ EG (SUPG) (BGBl. I Nr. 37 vom 28.06.2005 S. 1746) 11 Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten und die Schulung der beauftragten Personen in Unternehmen und Betrieben (GbV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. März 1998 (BGBl. I Nr. 20 vom 02.04.1998 S. 648) zuletzt geändert am 11. Dezember 2001 durch Artikel 3 der Verordnung zur Änderung gefahrgutrechtlicher Verordnungen (GefÄndV2001) (BGBl. I Nr. 67 vom 17.12.2001 S. 3529) 12 Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) „Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I Nr. 17 vom 20.03.1997 S. 504) zuletzt geändert am 20. Juni 2005 durch Artikel 1 der Verordnung zur Änderung der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen und zur Änderung der Anlage 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung
845
13 Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (12. BImSchV) „Störfall-Verordnung“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 33 vom 16.06.2005 S. 1598)
16.2 Anlagenbezogener Umweltschutz 16.2.1 Abwasseranlagen und Abwasserbehandlungsanlagen Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
3
4
5
6
7
Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) vom 27.12. 1993 (BGBl I S. 2396, 1994 I S. 2439), zuletzt geändert am 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) Eisenbahn- Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967, verkündet am 12. Mai 1967 (BGBl. II S. 1563), zuletzt geändert am 21. Juni 2005 (BGBl. I S. 1818, 1836) Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (AbwAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2005 (BGBl. I Nr. 5 vom 25.01.2005 S. 114) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 2002 (BGBl. I Nr. 59 vom 23.08.2002 S. 3245) zuletzt geändert am 25. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 37 vom 28.06.2005 S. 1746) Eigenkontrollverordnungen der Länder, z.B. Verordnung zur Eigenüberwachung von Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen (EÜV) vom 20. September 1995 (GVBl. Bayern Nr. 25 vom 15.11.1995, S. 769) zuletzt geändert am 19. November 2003 (GVBl. Bayern Nr. 28 vom 15.12.2003, S. 885) Indirekteinleiter-Verordnungen der Bundesländer, z.B. Verordnung des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über das Einleiten von Abwasser in öffentliche Abwasseranlagen (IndVO) vom 19. April 1999 (GBl. Baden-Württemberg Nr. 9 vom 21.05.1999, S. 181) zuletzt geändert am 1. Juli 2004 (GBl. Baden-Württemberg Nr. 10 vom 13.07.2004, S. 469) Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in Gewässer (AbwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2004 (BGBl. I Nr. 28 vom 22.06.2004 S. 1108)
846
8
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Umweltschutz
zuletzt geändert am 14. Oktober 2004 (BGBl. I Nr. 55 vom 27.10.2004 S. 2625) Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 80/68/EWG des Rates vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (GrwV) vom 18. März 1997 (BGBl. I Nr. 18 vom 21.03.1997 S. 542)
16.2.3 Innenreinigungsanlagen Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
DB AG KoRil 880.1040 „Schutzanlagen in Innenreinigungsanlagen (IRA) für Eisenbahnfahrzeuge zur Personenbeförderung planen und gestalten“ DB AG KoRil 910.0101”Reinigung planen und überwachen”
16.2.2 Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen Rechtsvorgaben und Regelwerk
16.2.4 Genehmigungsbedürftige Anlagen nach 4. BImSchV Rechtsvorgaben und Regelwerk
1
1
2
3
4
Anlagenverordnungen wassergefährdende Stoffe der Länder (VAwS), z.B. Verordnung des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (VAwS) vom 11. Februar 1994 (GBl. Baden-Württemberg Nr. 8 vom 31.03.1994, S. 182) zuletzt geändert am 20. März 2005 (GBl. Baden-Württemberg Nr. 6 vom 04.05.2005, S. 298) Technische Regeln für brennbare Flüssigkeiten (TRbF) 30 -Füllstellen, Entleerstellen und Flugbetankungsstellen- Ausgabe Februar 2002 (BArbBl. 2/2002, S. 66) zuletzt geändert am 15. Mai 2002 durch Bekanntmachung des BMA (BArbBl. 6/2002, S. 62 (68)) Muster-Verwaltungsvorschrift zur VAwS Muster-Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) (Muster-VVAwS) Stand 24. August 1993 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Wasserhaushaltsgesetz über die Einstufung wassergefährdender Stoffe in Wassergefährdungsklassen (Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe (VwVwS)) vom 17. Mai 1999 (BAnz. Nr. 98a vom 29.05.1999) zuletzt geändert am 27. Juli 2005 durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe (BAnz. Nr. 142a vom 30.07.2005)
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Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (GPSG) vom 6. Januar 2004 (BGBl. I Nr. 1 vom 09.01.2004 S. 2) zuletzt geändert am 7. Juli 2005 (BGBl. I Nr. 42 vom 12.07.2005 S. 1970) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I Nr. 71 vom 04.10.2002 S. 3830) zuletzt geändert am 25. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 39 vom 30.06.2005 S. 1865) Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen) (1. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I Nr. 17 vom 20.03.1997 S. 490) zuletzt geändert am 14. August 2003 (BGBl. I Nr. 41 vom 19.08.2003 S. 1614) Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen) (4. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. März 1997 (BGBl. I Nr. 17 vom 20.03.1997 S. 504) zuletzt geändert am 20. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 35 vom 24.06.2005 S. 1687) Siebente Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Auswurfbegrenzung von Holzstaub) (7. BImSchV) vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I Nr. 145 vom 23.12.1975 S. 3133) Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren) (9. BImSchV) in der Fassung der Bekanntma-
Literatur chung vom 29. Mai 1992 (BGBl. I Nr. 25 vom 11.06.1992 S. 1001) zuletzt geändert am 21. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 35 vom 24.06.2005 S. 1666) 7 Elfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Emissionserklärungen und Emissionsberichte) (11. BImSchV) 8 vom 29. April 2004 (BGBl. I Nr. 20 vom 05.05.2004 S. 694) 9 Zwölfte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (StörfallVerordnung) (12. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 33 vom 16.06.2005 S. 1598) 10 Zweiundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes/ Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe i. d. Luft (22. BImSchV) vom 11. September 2002 (BGBl. I Nr. 66 vom 17.09.2002 S. 3626) zuletzt geändert am 13. Juli 2004 (BGBl. I Nr. 36 vom 20.07.2004 S. 1612)
16.2.5 Trinkwasserfüllanlagen Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
3
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I Nr. 33 vom 25.07.2000 S. 1045) zuletzt geändert am 1. September 2005 (BGBl. I Nr. 55 vom 06.09.2005 S. 2618) Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (TrinkwV 2001) vom 21. Mai 2001 (BGBl. I Nr. 24 vom 28.05.2001 S. 959) zuletzt geändert am 25. November 2003 (BGBl. I Nr. 56 vom 27.11.2003 S. 2304) Verwaltungsrichtlinie des Eisenbahn-Bundesamtes zur „Wahrnehmung der behördlichen Aufsicht gemäß § 72 Infektionsschutzgesetz im Bereich der Eisenbahnen des Bundes in Trinkwasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen in Schienenfahrzeugen und ortsfesten Anlagen zu deren Befüllung und Entsorgung“ (Stand 01.01.2003) Anhang I: Anforderungen an das Betreiben von ortsfesten Anlagen zur Trinkwasserversorgung von Schienenfahrzeugen im Bereich der Eisenbahnen des Bundes (Trinkwasserfüllanlagen) (Stand 01.07.2004)
847
Anhang II: Reinigung und Desinfektion von metallischen und nichtmetallischen Trinkwasserverteilungs- und Trinkwasserspeichersystemen in Schienenfahrzeugen und ortsfesten Trinkwasserfüllanlagen im Bereich der Eisenbahnen des Bundes(Stand 01.03.2004) Anhang III: Entsorgung der fäkalen Abwässer von Vakuum-WC-Anlagen sowie der Grauwässer aus Schienenfahrzeugen im Bereich der Eisenbahnen des Bundes (Abwasserbeseitigungsanlagen) (Stand 01.01.2004)
16.2.6 Strahlenschutzrelevante Anlagen Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
3
Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) (AtG)vom 23.12.1959 (BGBl I 1959, 814), Stand: Neugefasst durch Bek. v. 15.7.1985 I 1565; zuletzt geändert durch Art. 8 G v. 6. 1.2004 I 2. Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung) (StrlSchV) vom 20.07.2001 (BGBl I 2001, 1714, (2002, 1459)), Stand: Geändert durch Art. 2 V v. 18. 6.2002 I 1869 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung) (RöV) vom 08.01.1987 (BGBl I 1987, 114), Stand: Neugefasst durch Bek. v. 30. 4.2003 I 604.
16.2.7 Elektromagnetische Verträglichkeit Rechtsvorgaben und Regelwerk 1 2 3 4 5
6
EN 50121-1, Teil 1: Allgemeines EN 50121-2, Teil 2: Störaussendungen des gesamten Bahnsystems in die Außenwelt EN 50121-3-1, Teil 3-1: Bahnfahrzeuge – Zug und gesamtes Fahrzeug EN 50121-3-2, Teil 3-2: Bahnfahrzeuge - Geräte EN 50121-4, Teil 4: Störaussendungen und Störfestigkeit von Signal- und Telekommunikationseinrichtungen EN 50121-5, Teil 5: Störaussendungen und Störfestigkeit von ortsfesten Anlagen und Einrichtungen der Bahnenergieversorgung
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Umweltschutz
VDE 0228 „Maßnahmen bei Beeinflussung von Fernmeldeanlagen durch Starkstromanlagen“ Technische Empfehlungen der Schiedsstelle für Beeinflussungsfragen Richtlinie 819.0801 „Beeinflussung und Schutzmaßnahmen; Übersicht“ Richtlinie 819.0802 „Beeinflussung und Schutzmaßnahmen; Starkstrombeeinflussung, Induktive Beeinflussung; Übersicht“ Richtlinie 819.0803 „Beeinflussung und Schutzmaßnahmen; Starkstrombeeinflussung durch das Bahnsystem, Induktive Beeinflussung, Berechnung“ Richtlinie 819.0804 „Beeinflussung und Schutzmaßnahmen; Grenzwerte der Beeinflussungsspannung“ Richtlinie 819.0805 „Beeinflussung und Schutzmaßnahmen; Schutzmaßnahmen“ Empfehlung Nr. 3 der Arbeitsgemeinschaft für Korrosionsfragen „Maßnahmen beim Bau und Betrieb von Rohrleitungen im Einflussbereich von Hochspannungs-Drehstromanlagen und Wechselstrom-Bahnanlagen“ Richtlinie 810.0250 Technischer Netzzugang für Fahrzeuge; Kompatibilität mit den Anforderungen des Netzes – Elektromagnetische Verträglichkeit – Richtlinie 807.0200 Ausgewählte Maßnahmen und Anforderungen an das System Fahrweg/ Fahrzeug; Elektromagnetische Verträglichkeit; Übersicht Richtlinie 807.0201 Ausgewählte Maßnahmen und Anforderungen an das System Fahrweg/ Fahrzeug; Elektromagnetische Verträglichkeit; Störstromgrenzwerte für Triebfahrzeuge Richtlinie 807.0205 Ausgewählte Maßnahmen und Anforderungen an das System Fahrweg/ Fahrzeug; Elektromagnetische Verträglichkeit; Messverfahren für Störströme von Triebfahrzeugen Initial Results of the German Working Group „Measurement of Trackside Electric and Magnetic Fields”, Interference Limits and Tests on Wheel Sensors and Axle Counters, März 2003, S. Jank
16.3 Schutz vor Lärm und Erschütterungen 1
2
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4
5
6
Krüger F et al. (2001) Schall- und Erschütterungsschutz im Schienenverkehr. expert Verlag, Renningen Melke J (1995) Erschütterungen und Körperschall des landgebundenen Verkehrs – Prognose und Schutzmaßnahmen. Landesamt für Immissionsschutz Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Materialien Nr. 22 Müller-Boruttau F; Rosenthal V; Breitsamter N (2001) So trägt das Schotterbett Lasten ab – Messungen am Oberbau Systeme Grötz BSO/ MK. ETR Eisenbahntechnische Rundschau, Jahrgang 50, Heft 11 Said A; Fleischer D; Kilcher H; Fastl H; Grütz H-P (2001) Zur Bewertung von Erschütterungsimmissionen aus dem Schienenverkehr. Zeitschrift für Lärmbekämpfung (ZfL), Jahrgang 48, Heft Nr. 6, November Said A; Grütz H-P; Garburg R (2006) Ermittlung des sekundären Luftschall aus dem Schienenverkehr. Zeitschrift für Lärmbekämpfung (ZfL), Jahrgang 53, Heft Nr. 1, Januar Wettschureck R; Hauck G; Diehl R; Willenbrink L (2003) Geräusche und Erschütterungen aus dem Schienenverkehr. In: Müller, G.; Möser, M. (Hrsg.) Taschenbuch der Technischen Akustik. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York
Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
3
Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) (BImSchG) vom 15.03.1974 (BGBl I 1974, 721, 1193), Stand: Neugefasst durch Bek. v. 26. 9.2002 I 3830; zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 25. 6.2005 I 1865. Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung) (16. BImSchV) vom 12.06.1990 (BGBl I 1990, 1036). Vierundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung) (24. BImSchV)vom 4. Februar 1997 (BGBl. I S. 172), berichtigt am 16. Mai
Literatur
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11
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1997 (BGBl. I S. 1253), zuletzt geändert am 23. September 1997 (BGBl. I S. 2329). Schall03 Richtlinie zur Berechnung von Schallimissionen von Schienenwegen, Ausgabe 1990. Akustik04 Richtlinie für schalltechnische Untersuchungen bei der Planung von Rangierund Umschlagbahnhöfen, Ausgabe 1990. Akustik 23 Richtlinie für die Schalldämmung von Fenstern beim Schienenverkehrslärm, Ausgabe 1997. Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes“ vom 07.03.2005, EW 15/14.86.02/6 BM 00. DIN 4150: „Erschütterungen m Bauwesen“ – Teil 1: Grundsätze, Vorermittlung und Messung von Schwingungsgrößen – Teil 2: Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden – Teil 3: Einwirkungen auf bauliche Anlagen DIN 45669: „Messung von Schwingungsemissionen“ – Teil 1: Schwingungsmesser; Anordnungen, Prüfung – Teil 2: Messverfahren DIN 45672: „Schwingungsmessung in der Umgebung von Schienenverkehrswegen“ – Teil 1: Messverfahren – Teil 2: Auswerteverfahren DIN 45673: Mechanische Schwingungen – Elastische Elemente im Oberbaubereich von Schienenbahnen – Teil 1: Ermittlung statischer und dynamischer Kennwerte im Labor – Teil 2: Ermittlung statischer und dynamischer Kennwerte im Betriebsgleis – Teil 3 (Vornorm): Messtechnische Ermittlung der Einfügungsdämmung in eingebautem Zustand (Prüfaufbau und Betriebsgleis) bei Ersatzanregung – Beiblatt 2 (Entwurf): Rechnerische Ermittlung der Einfügungsdämmung in eingebautem Zustand VDI 3837 (Entwurf): Erschütterungen durch oberirdische Schienenbahnen, Spektrales Prognoseverfahren Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern: Weisung für die Beurteilung von Erschütterungen und Körperschall bei Schienenverkehrsanlagen (BEKS), Bern 20. Dezember 1999
849
14 ÖNORM S 9012: Beurteilung der Einwirkung von Schienenverkehrsimmissionen auf Menschen in Gebäuden, Schwingungen und sekundärer Luftschall; Österreichisches Normungsinstitut, 1. August 1996 15 BN 918 071: Bahn-Norm, Technische Lieferbedingungen Unterschottermatten – Teil 1: Unterschottermatten zur Minderung der Schotterbeanspruchung – Teil 2: Unterschottermatten zur Minderung der Körperschallemissionen (in Vorbereitung), es gilt derzeit noch die TL-918071-2 16 BN 918 145: Bahn-Norm, Technische Lieferbedingungen, Spannbetonschwellen mit elastischer Sohle – Teil 1: Elastische Schwellensohlen – Teil 2: Verbundsystem Spannbetonschwelle – elastische Schwellensohle
16.4 Vegetationskontrolle 1
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Burschel P, Huss J (1996) Grundriß des Waldbaus. 2. Aufl., Pareys Studientexte 49: 487 S. Berlin. Ellenberg H. (1996) Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. 5. Aufl., 1095 S., Ulmer, Stuttgart. Industrieverband Agrar e.V. (2004) Jahresbericht 2003/2004, 32 S. Bintz Offenbach. Schweizer Bundesbahn SBB (2003) Weisung IAM 13/01: Unterhalt der Grünflächen: Wald und Einzelbäume
Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Mai 1998 (BGBl. I S. 971), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 19. August 2004 (BGBl. II S. 1154)
16.5 Schutz von Natur und Landschaft 1
Barsch H, Bork H.-R, Söllner R (Hrsg.) (2003) Landschaftsplanung, Umweltverträglichkeitsprüfung, Eingriffsregelung. Klett-Perthes, Gotha
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Umweltschutz
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) (2004) Leitfaden zur FFH-Verträglichkeitsprüfung im Bundesfernstraßenbau. Bonn Eisenbahn-Bundesamt (Hrsg.) (2005) UmweltLeitfaden des Eisenbahn-Bundesamtes Gassner E (2004) Die Zulassung von Eingriffen trotz artenschutzrechtlicher Verbote. Natur und Recht 9/2004, S. 560–564 Gerlach J (2002) Strategische Umweltprüfung von Plänen und Programmen im Verkehrssektor – Eine Einführung in die Thematik. Vortrag auf dem Workshop „Strategische Umweltprüfung von Plänen und Programmen im Verkehrssektor“ in Wuppertal 2002 Köppel J, Peters W, Wende W (2004) Eingriffsregelung, Umweltverträglichkeitsprüfung, FFH-Verträglichkeitsprüfung. Eugen Ulmer, Berlin Louis H W (2004) Artenschutz in der Fachplanung. Natur und Recht 9/2004, S. 557–559 Stein W () Entwurf eines Merkblattes zur Strategischen Umweltprüfung von Plänen und Programmen im Verkehrssektor. UVP-Report 1/2005, S. 38–40
16.6 Umweltschutzanforderungen an Planungsund Instandhaltungsprozesse 16.6.1 Entsorgung 16.6.1.1 Grundlagen Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
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Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
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5
Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl. L 103 vom 25.04.1979, S. 1 Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABl. L 197 vom 21.07.2001, S. 30 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 25.3.2002, Bundesgesetzblatt I, S. 1193, zuletzt geändert am 21.06.2005, Bundesgesetzblatt I, S. 1818 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 25.06.2005, Bundesgesetzblatt I, S. 1757, zuletzt geändert am 24.06.2005, Bundesgesetzblatt I, S. 1794
5
6
Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (KrW-/AbfG) vom 27. September 1994 (BGBl. I Nr. 66 vom 06.10.1994 S. 2705) zuletzt geändert am 1. September 2005 (BGBl. I Nr. 55 vom 06.09.2005 S. 2618) Verordnung über Abfallwirtschaftskonzepte und Abfallbilanzen (AbfKoBiV) vom 13. September 1996 (BGBl. I Nr. 47 vom 20.09.1996 S. 1447; BGBl. I Nr. 81 vom 11.12.1997 S. 2862) zuletzt geändert am 24. Juni 2002 (BGBl. I Nr. 41 vom 28.06.2002 S. 2247) Verordnung über Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz (AltholzV) vom 15. August 2002 (BGBl. I Nr. 59 vom 23.08.2002 S. 3302) Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (AVV) vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I Nr. 65 vom 12.12.2001 S. 3379) zuletzt geändert am 24. Juli 2002 (BGBl. I Nr. 52 vom 29.07.2002 S. 2833) Verordnung über Verwertungs- und Beseitigungsnachweise (NachwV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Juni 2002 (BGBl. I Nr. 44 vom 03.07.2002 S. 2374) zuletzt geändert am 15. August 2002 (BGBl. I Nr. 59 vom 23.08.2002 S. 3302) Verordnung zur Bestimmung von überwachungsbedürftigen Abfällen zur Verwertung (BestüVAbfV) vom 10. September 1996 (BGBl. I Nr. 47 vom 20.09.1996 S. 1377) zuletzt geändert am 10. Dezember 2001 (BGBl. I Nr. 65 vom 12.12.2001 S. 3379)
16.6.1.2 Umgang mit Holzschwellen Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem (ChemVerbotsV) in der Fassung der Bekannt-
Literatur
2
machung vom 13. Juni 2003 (BGBl. I Nr. 26 vom 25.06.2003 S. 867) zuletzt geändert am 21. Juni 2005 (BGBl. I Nr. 35 vom 24.06.2005 S. 1666) Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (GefStoffV) vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I Nr. 74 vom 29.12.2004 S. 3758 (3759)) zuletzt geändert am 23. Dezember 2004 (BGBl. I Nr. 76 vom 31.12.2004 S. 3855)
16.6.1.3 Umgang mit Altschotter Rechtsvorgaben und Regelwerk 1
2
Mitteilung der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20 „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln“ vom 06.11.1997 (bzw. 06.11.2003) DB Netz AG Ril 880.4010 „Bautechnik; Verwertung von Altschotter“ – Altschotterrichtlinie
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DB AG KoRil 137.0101 Handbuch „Bodenverwertungs- und Entsorgungskonzept“ (BoVEK) der DB AG DB AG KoRil 809 „Infrastrukturmaßnahmen Planen, Durchführen, Abnehmen, Dokumentieren und Abschließen“ DB AG KoRil 820 01 06 „Grundlagen des Oberbaus; Bettung“ Technische Lieferbedingungen für Gleisschotter (BN 918 061), DB Systemtechnik, März 2005 Technische Lieferbedingungen für Korngemische (BN 918 062), DB Systemtechnik März 2000
16.6.2 Transport gefährlicher Güter Rechtsvorgaben und Regelwerk
16.6.1.4 Umgang mit Boden Rechtsvorgaben und Regelwerk Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) vom 12. Juli 1999 (BGBl. I Nr. 36 vom 16.07.1999 S. 1554) zuletzt geändert am 23. Dezember 2004 (BGBl. I Nr. 74 vom 29.12.2004 S. 3758) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. I Nr. 16 vom 24.03.1998 S. 502) zuletzt geändert am 9. Dezember 2004 ((BGBl. I Nr. 66 vom 14.12.2004 S. 3214)
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ADR Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par route) GbV Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten und die Schulung der beauftragten Personen in Unternehmen und Betrieben (Gefahrgutbeauftragtenverordnung) GGBefG Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter (Gefahrgutbeförderungsgesetz) GGVSE Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit Eisenbahnen (Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn) RID Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (Règlement concernant le transport international ferroviaire des marchandises dangereuses)
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge Walter Mittmann
17.1 Vorgaben der Europäischen Gemeinschaft 17.1.1 Interoperabilität Die in mehr als hundert Jahren in den europäischen Einzelstaaten unterschiedlich verlaufenen technischen Entwicklungen bei Infrastruktur und Fahrzeugen sowie von deren Ausrüstung waren für die Entstehung eines interoperablen Eisenbahnverkehrs, der den Zugang zu allen Netzen nach einheitlichen technischen Kriterien ermöglichen würde, hinderlich. Auch heute noch ist der Infrastrukturzugang von Fahrzeugen zu den europäischen Eisenbahnnetzen aufgrund von unzureichender technischer Kompatibilität mit den Anforderungen der Netze oft nur bedingt oder mit Kompromissen möglich [17.1]. Erst in jüngster Zeit wurden für die Eisenbahnunternehmen im Bereich der Europäischen Gemeinschaft in Interoperabilitätsrichtlinien die grundlegenden Anforderungen an den Zugang zu einem transeuropäischen Eisenbahnnetz (TEN) für den Hochgeschwindigkeitsverkehr [17.7] sowie für den konventionellen Verkehr [17.8] festgelegt. Die Richtlinien sind durch das AEG [17.10] und Rechtsverordnungen [17.14, 17.15] in nationales Recht umgesetzt worden und werden in den technischen Bereichen durch TSI (Technische Spezifikationen für die Interoperabilität) – u.a. für Fahrzeuge, Infrastruktur, Energieversorgung sowie Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung – ausgefüllt. In diesen finden sich insbesondere die durch die Europä-
ischen Normungsgremien (CEN, CENELEC) erarbeiteten Euronormen wieder.
17.1.2 Diskriminierungsfreier Netzzugang Die Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaft für den Infrastrukturzugang der Fahrzeuge [17.5] garantiert mit der Umsetzung der entsprechenden Richtlinien in nationales Recht – in Deutschland z.B. im AEG (§ 14 ff.) und in der EIBV [17.13] – allen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) mit Sitz im Inland und in bestimmten Sachverhalten weiteren Unternehmen (vgl. AEG) das Recht auf diskriminierungsfreie Benutzung der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur [17.3]. Damit die Diskriminierungsfreiheit möglichst umfassend gewährleistet wird, sind die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) verpflichtet, u.a. ihre betrieblich-technischen Anforderungen an Fahrzeuge so festzulegen, dass sie nicht nur von einem einzigen oder von wenigen EVU erfüllt werden können. Umgekehrt haben diese Unternehmen keinen Anspruch auf Infrastrukturzugang mit einem Fahrzeug, das konstruktiv oder ausrüstungstechnisch nicht mit den vorhandenen Infrastrukturvoraussetzungen kompatibel ist. Die Entscheidungsbefugnis über Fragen des diskriminierungsfreien Infrastrukturzugangs obliegt gemäß § 4 Abs. 1 BEVVG [17.10] der seit dem 1. Januar 2006 nun auch für die Regulierungsaufgaben im Bereich Eisenbahnen zuständigen Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA). Bis zum 31. Dezember 2005 wurden diese Aufgaben vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) wahrgenommen.
854
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
17.2 Technische Zugangsvoraussetzungen Die technisch und betrieblich sichere Nutzung der Eisenbahninfrastruktur setzt für alle eingesetzten Fahrzeuge voraus, dass sie die nach Gemeinschaftsrecht notwendigen Zertifikate oder die nach § 32 Abs. 1 EBO notwendige Abnahme [17.4] erhalten haben (s. Abschn. 17.3). Fahrzeuge mit Inbetriebnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 5 KonVEIV [17.15] bedürfen keiner Abnahme nach § 32 Abs. 1 der EBO, wenn sie nur auf dem konventionellen interoperablen Netz eingesetzt werden; für das übrige Netz ist daneben zurzeit noch eine Abnahme nach § 32 Abs. 1 EBO erforderlich. Für Fahrzeuge mit Inbetriebnahmegenehmigung nach § 2 Nr. 1 EIV [17.14] besteht eine derartige, die nationalen Vorschriften ersetzende Regelung nicht, so dass b.a.w. zusätzlich eine Abnahme nach § 32 Abs. 1 EBO verlangt wird. Außerdem bedarf es vor der ersten Inbetriebnahme einer Genehmigung, die rechtzeitig durch die Eisenbahnen bzw. die Halter oder Hersteller von Eisenbahnfahrzeugen bei der Genehmigungsbehörde beantragt werden muss; diese haben dann sicherzustellen, dass die Voraussetzungen, die für die Erteilung der Inbetriebnahmegenehmigung gegolten haben, auch späterhin erfüllt bleiben. EVU dürfen nur am öffentlichen Eisenbahnbetrieb teilnehmen, wenn sie eine Sicherheitsbescheinigung nach § 14 Abs. 7 AEG haben. Weitere Einzelheiten des Netzzugangs regelt die EIBV. Für Versuchs- und Probefahrten, d.h. für Fahrten zur praktischen Erprobung neuer technischer oder betrieblicher Parameter, gelten besondere Regelungen der KonVEIV (s. Abschn. 17.8). Bei Fahrzeugen, die bauartliche Besonderheiten aufweisen, ist zusätzlich erforderlich, dass der Infrastrukturbetreiber den vorgesehenen Einsatzbereich hinsichtlich eines sicheren und störungsfreien Verkehrens vor dem ersten Einsatz geprüft hat. Entspricht ein Fahrzeug aufgrund der Fortentwicklung des Standes der Technik den
Anforderungen des Netzes, auf dem es weiterhin verkehren soll, nicht mehr, kann aus Gründen der Systemsicherheit eine Nachoder Umrüstung erforderlich werden. Maßnahmen, die – zu Änderungen der Fahrzeugparameter führen, – das Fahrzeuggesamtgewicht verändern oder – die Radsatzlast erhöhen bzw. bei denen – sich die Konzepte für Notausstieg und Rettung, für Brand-, Arbeits- und Umweltschutz sowie für die Fahrzeugleittechnik einschließlich der entsprechenden Software verändern, – neue Sicherheitssysteme (wie Zugbeeinflussung) installiert werden oder z.B. Zugfunk nachgerüstet wird, bedürfen i.d.R. ebenfalls einer Inbetriebnahmegenehmigung durch die Genehmigungsbehörde. Bei Änderungen im sicherheitsrelevanten Bereich eines Fahrzeuges ist erneut nachzuweisen, dass die Anforderungen des Einsatzbereichs eingehalten werden. Um spätere unwirtschaftliche oder kostenintensive Maßnahmen am Fahrzeug oder am Fahrweg zu vermeiden, sollten die EIU, auf deren Eisenbahninfrastruktur der Einsatz geplant ist, schon frühzeitig durch den Fahrzeughersteller in die Fahrzeugneu- und -weiterentwicklung eingebunden werden, spätestens aber bei der Festlegung der Anforderungen des jeweiligen Netzes an das Fahrzeug im Rahmen der Erstellung des Lastenheftes. Das Innehaben der nach europäischem Recht erforderlichen Zertifikate sowie der nach innerstaatlichem Recht erforderlichen Abnahme sind notwendige, aber nicht in jedem Fall ausreichende Voraussetzung für den Netzzugang. Dies bedeutet, dass der Infrastrukturbetreiber trotz vorhandener Zertifikate und Abnahmen den Netzzugang nicht gestatten wird, wenn das Fahrzeug z.B. nicht über eine für die Betriebssicherheit unverzichtbare Ausrüstung verfügt [17.12]. Im Übrigen hat ein EVU keinen Rechtsanspruch zur Beibehaltung einer technisch über-
17.4 Feststellung der Kompatibilität
holten Fahrzeugausrüstung. Der Netzbetreiber kann daher aus seiner Sicht gebotene Modernisierungen des Netzes vornehmen und die Netzzugangskriterien anpassen, sofern es alle Netznutzer gleichermaßen trifft und nicht bestimmte Unternehmen gegenüber anderen unangemessen bevorzugt oder benachteiligt werden. Im Zweifel oder Streitfall unterliegt die Entscheidung des EIU der Überprüfung der Regulierungsbehörde.
17.3 Abnahme von Fahrzeugen oder Komponenten Die Abnahme ist eine umfassende Prüfung auf Einhaltung der technischen Vorgaben aus dem gesamten öffentlichen Recht und dient der behördlichen Feststellung und Bestätigung, dass ein Fahrzeug (Regelfahrzeug, Nebenfahrzeug) den Bestimmungen der EBO, den Regeln der Technik und den gesamten übrigen öffentlich-rechtlichen Regeln, die die Sicherheit und Ordnung im Bereich der Eisenbahnen beschreiben, genügt. Fahrzeuge mit Inbetriebnahmegenehmigung bedürfen nur in bestimmten Fällen (vgl. Abschn. 17.2) keiner Abnahme nach § 32 Abs. 1 EBO. Einzelheiten des Abnahmeverfahrens sind weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung geregelt; die EBO bestimmt lediglich, dass neue Fahrzeuge vor der ersten Inbetriebnahme abgenommen sein müssen [17.4]. Um jedoch ein einheitliches Verwaltungshandeln in der Praxis sicherzustellen, hat das EBA in einer Verwaltungsvorschrift (VwV Abnahme § 32, [17.16]) die Verfahrensregeln für die Abnahme von Fahrzeugen festgelegt, insbesondere über – den Geltungsbereich, – Grundsätze der Abnahme, – die Abnahme von neuen Fahrzeugen, – Änderungen an abgenommenen Fahrzeugen, – Tätigkeiten von Prüfstellen, Gutachtern und Konformitätserklärungsstellen,
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– Überführungs-, Inbetriebsetzungs-, Probe-, Mess- und Versuchsfahrten, – den Abnahmebescheid und – das Aufheben der Abnahme. Die Vorschrift enthält ferner Regelungen über die Aufgaben der Hersteller und Halter, die Prozessabläufe bei Abnahme- und Konformitätsverfahren sowie Hinweise für genehmigungspflichtige Tatbestände bei Fahrzeugumbauten. Bestandteil sind aber auch Regeln der Technik, UIC-Merkblätter und sonstige im Zusammenhang mit der Abnahme stehende Normen. Prüfungsumfang und Prüfungstiefe sind je nach Sachverhalt unterschiedlich (Tabelle 17.1). Weicht ein Fahrzeug konstruktions- oder ausrüstungsbedingt von den Vorschriften der EBO ab, bedarf es im Zusammenhang mit der Abnahme der Zulassung einer Ausnahme bzw. Erteilung einer Genehmigung nach § 3 EBO. Abnahmebehörde für die Eisenbahnen des Bundes ist das EBA, während die Abnahme der in den Fahrzeugbestand der nichtbundeseigenen Eisenbahnen aufzunehmenden Fahrzeuge durch die Eisenbahnaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes erfolgt.
17.4 Feststellung der Kompatibilität Das Beurteilen der Kompatibilität eines abgenommenen Fahrzeuges mit den technischen, betrieblichen und sicherheitlichen Anforderungen des Netzes ist Aufgabe der beiden am Netzzugang beteiligten Unternehmen. Das EIU hat einen Wissensvorsprung hinsichtlich der Infrastruktur, das EVU hinsichtlich der Fahrzeuge. Im Übrigen verpflichten die Richtlinie 2001/14/EG [17.8] und das innerstaatliche Recht (AEG, EIBV) den Infrastrukturunternehmer, in großem Umfang die EVU über das Netz zu informieren. Auch dies ist ein unübersehbares Indiz für eine auf beiden Schultern ruhende Aufgabenstellung.
856
Tabelle 17.1 Abnahme von Eisenbahnfahrzeugen gemäß § 32 Abs. 1 EBO Sachverhalt
Abnahme mit vollem Prüfumfang für das erste Fahrzeug einer neuen Bauart
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf)
Lediglich Prüfung der Produktgleichheit (Konformitätsprüfung durch Konformitätserklärungsstelle)
Anhang 6 VwV Abnahme (Prozessablauf)
Abnahme mit eingeschränktem Prüfumfang (von Umbauten betroffene Fahrzeugbereiche)
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf); Anhang 8 VwV Abnahme (Kriterienkatalog; dieser entspricht Anlage zu § 8 Abs. 2 Nr. 3 der KonVEIV)
Abnahme mit vollem Prüfumfang
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf)
Abnahme mit eingeschränktem Prüfumfang (ggf. nur von Umbauten betroffene Fahrzeugbereiche)
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf); ggf. Anhang 8 VwV Abnahme (Kriterienkatalog; wie vor)
Abnahme mit eingeschränktem Prüfumfang (entsprechend der vorgesehenen Nutzung)
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf); ggf. Anhang 8 VwV Abnahme (Kriterienkatalog; wie vor)
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
2. Fahrzeuge, die wie neue zu behandeln sind 2.1 Umgebaute Fahrzeuge Fahrzeuge, die vormals im Inland zugelassen worden sind, jedoch infolge baulicher Veränderungen (Umbauten) die technischen Parameter der Bauart verlassen haben, soweit der Umbau bestimmte Kriterien erfüllt 2.2 Importierte Fahrzeuge Fahrzeuge, die in einem anderen Staat hergestellt oder zugelassen oder betrieben worden sind und auf einer inländischen Eisenbahninfrastruktur betrieben werden sollen 2.3 Re-importierte Fahrzeuge Fahrzeuge, die vormals im Inland zugelassen worden sind und nach Nutzung im Ausland wieder auf einer inländischen Eisenbahninfrastruktur betrieben werden sollen 2.4 Re-aktivierte Fahrzeuge Fahrzeuge, die vormals im Inland zugelassen worden sind und nach erkennbarer dauerhafter Aufgabe des Nutzungswillens wieder in Betrieb genommen werden sollen
Prüfmaßstab 17
1. Neue Fahrzeuge und Nachbauten 1.1 Neue Fahrzeuge Fahrzeuge, die nach der erstmaligen Herstellung (im Inoder Ausland) als 1. Fahrzeug einer Serie oder als Einzelfahrzeug zum Betreiben auf einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur im Inland bestimmt sind 1.2 Nachbauten Fahrzeuge, die nach denselben Plänen eines bereits im Inland abgenommenen Fahrzeugs hergestellt worden sind
Verfahren
Tabelle 17.1 (Fortsetzung) Verfahren
Prüfmaßstab
2.5 (E)BOA-Fahrzeuge Fahrzeuge, die über eine Betriebserlaubnis nach landesgesetzlichen Regelungen der jeweiligen (E)BOA verfügen und nicht nur ausnahmsweise eine dem öffentlichen Verkehr dienende Infrastruktur befahren, sondern auf dieser bestimmungsgemäß betrieben werden sollen 2.6 EU-Fahrzeuge Fahrzeuge, die von einer ausländischen Zulassungsbehörde zum öffentlichen Eisenbahnbetrieb zugelassen oder aufgrund solch einer Zulassung im Ausland betrieben worden sind und auf einer inländischen Eisenbahninfrastruktur betrieben werden sollen
Abnahme mit eingeschränktem Prüfumfang (Verwendung im Geltungsbereich der EBO)
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf)
Abnahme mit eingeschränktem Prüfumfang (nationale Besonderheiten; Feststellung der Gleichwertigkeit durchgeführter Prüfungen, Übereinstimmung mit inländischen Vorschriften/Infrastruktur)
Anhang 5 VwV Abnahme (Prozessablauf)
Abnahme durch die jeweilige Landesbehörde behält ihre Gültigkeit
Dokumentierte Abnahme der Landesbehörde
–
Dokumentierte Prüfungen; Verantwortung des Eisenbahnunternehmers
–
Lauffähigkeitsprüfung zum Zweck der einmaligen Überführung in eine Werkstatt auf direktem Weg; Mitteilung an die Aufsichtsbehörde; Aufbewahren der Nachweise Bei Besonderheiten allenfalls Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze
3. Fahrzeuge, die keiner erneuten Abnahme bedürfen 3.1 Fahrzeuge einer NE des öffentlichen Verkehrs Fahrzeuge mit einer Abnahme durch die jeweilige Landesbehörde, die in den Regelungsbereich der EBO fallen und auf dem Schienennetz der Eisenbahnen des Bundes betrieben werden sollen 3.2 RIC/RIV-Fahrzeuge Wagen, die von einer ausländischen Zulassungsbehörde zugelassen worden sind, das RIC/RIV-Kennzeichen tragen und nach Auslandsverwendung innerhalb des Geltungsbereichs der EBO durch ein EVU mit Sitz im Inland betrieben werden sollen 3.3 Fahrzeuge mit abgelaufener Untersuchungsfrist Fahrzeuge, deren Untersuchung gem. § 32 Abs. 2 und 3 EBO abgelaufen ist und die im Inland weiterhin betrieben werden sollen 3.4 „Historische“ Fahrzeuge Fahrzeuge, die z.B. von Museumsbahnen betrieben werden
–
17.4 Feststellung der Kompatibilität
Sachverhalt
857
858
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
Insbesondere bei Fahrzeugen mit technischen Besonderheiten müssen vor dem Befahren bestimmter Netzbereiche sowohl die technischen Gegebenheiten von Fahrzeug und Fahrweg als auch die örtlichen betrieblichen Möglichkeiten bekannt sein und hinsichtlich der Kompatibilität beurteilt werden. Dies kann in erster Linie auf der Grundlage der durch den Betreiber des Schienenweges erstellten Dokumentation des Schienennetzes erfolgen; in weiteren Fällen kann dies aufgrund einer Befahrbarkeitsuntersuchung geschehen oder auch durch Versuchs- und Probefahrten, mit denen Fahrzeuge auf ihre systemtechnische Eignung sowie auf das betriebssichere und störungsfreie Verhalten überprüft werden (s. Abschn. 17.8). Die zuständige Benannte Stelle (in Deutschland gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d) AEG das Eisenbahn-Cert – EBC beim EBA) hat in der Zertifizierung nach dem Gemeinschaftsrecht oder die Genehmigungsbehörde in der Abnahme gemäß § 32 Abs. 1 EBO die besonderen Anforderungen betrieblicher und technischer Art an die Kompatibilität von Fahrzeug und Fahrweg festzulegen; sie betreffen fahrzeug- und infrastrukturbezogene Komponenten bzw. Teilsysteme in gleicher Weise. Zur Feststellung, ob und ggf. unter welchen Bedingungen ein Fahrzeug eingesetzt werden kann, müssen die besonderen Eigenschaften der einzelnen Fahrzeugarten mit den für das zu prüfende Fahrzeug relevanten Fahrwegkomponenten abgeglichen werden. Diese lassen sich zu folgenden Hauptmerkmalen zusammenfassen (Tabelle 17.2): – Planungsparameter (Trassierungsverhältnisse), – Fahrweg und benachbarte bauliche Anlagen, – Streckenausrüstung, – Umweltverträglichkeit und – Sicherheitsvorkehrungen. Allerdings betrifft nur ein Teil dieser Komponenten Anforderungen, die im Hinblick auf die betriebliche bzw. technische Sicherheit zwin-
gend erfüllt sein müssen. Solche Kriterien sind streckenbezogen u.a. – die Lichtraumverhältnisse (Lichtraumengstellen), – die Bremsanforderungen (z.B. Steilstrecke, Verwendung der Wirbelstrombremse), – die elektromagnetische Verträglichkeit des Fahrzeuges mit Gleisschaltmitteln oder Anlagen in Gleisnähe, – die Ausrüstung mit Zugfunk (z.B. GSM-R), – die Art der Zugsicherung (z.B. PZB, LZB, ETCS), – Beschränkungen der Radsatzlast (Lastgrenzen/Streckenklasse), – aerodynamische Einwirkungen (z.B. Seitenwindempfindlichkeit), – Bahnsteiglängen und -höhen, – Einrichtungen zur Notbremsüberbrückung beim Befahren langer Tunnel, – die Ausrüstung neuer elektrischer Triebfahrzeuge mit automatischer Stromabnehmer-Senkeinrichtung, – die Ausrüstung des Fahrweges für das Verkehren von Zügen mit Neigetechnik. Ein Fahrzeug, das den sicherheitlichen Anforderungen an einen freizügigen Einsatz nicht entspricht, darf dennoch unter bestimmten Bedingungen in einem festgelegten Einsatzbereich verkehren. Bedingung ist, dass durch das jeweilige EIU nach Abgleich der besonderen Fahrzeugparameter bzw. -eigenschaften mit den spezifischen Infrastrukturverhältnissen die hinreichende Kompatibilität nachgewiesen ist. In strittigen Fällen (vgl. § 14 AEG [17.10]) entscheidet die Regulierungsbehörde (BNetzA), die ihre Entscheidung auf externen technischen Sachverstand gründet. Zur Feststellung der technischen Kompatibilität bedarf es folgender Schritte: – Erarbeiten der systembedingten Anforderungen der Infrastruktur an den speziellen Fahrzeugeinsatz, – Untersuchen und Beurteilen der Komponenten an der jeweiligen Nahtstelle Fahrzeug/Fahrweg (z.B. Fahrzeugbegrenzung/
17.4 Feststellung der Kompatibilität
859
Elektr. Streckenlok Diesel-Streckenlok Rangierlokomotiven Kleinlokomotiven El. Triebwagen SPFV El. NeiTech-Tw SPFV Diesel-Triebwg SPFV El. Triebwagen SPNV El. NeiTech-Tw SPNV Diesel-Triebwg SPNV Wechselstr-S-Bahnen Gleichstrom-S-Bahnen Diesel-S-Bahnen Elektr. LNT Diesel-LNT Steuerwagen SPFV Reisezugwagen SPFV Steuerwagen SPNV Reisezugwagen SPNV Güterwagen Nebenfz Verk.-Einsatz
Spurkranzschmierung
Schallschutz
Bahnsteiglänge
Bahnsteigkante
Stabilität unter Seitenwind
Bug- und Heckwelle
Sonic Boom
Aerodynamik im Tunnel
Zug- und Bremskräfte
Belastung Fahrweg
Bremsleistung
zulässige Achsfahrmasse
Gleisabstand
Fahrweg und bauliche Anlagen
Lichtraum bei Oberleitung
Lichtraum
Ausrundungsbogen
Übergangsbogen
Gleisbogen
Fahrzeugart
Planungsparameter
Streckenneigung
Technische Kompatibilität Fahrzeug/Fahrweg
Infrastrukturbezog. Komponenten
Tabelle 17.2 Prüfkriterien für die Systemverträglichkeit von Fahrzeugen mit den relevanten infrastrukturbezogenen Komponenten Triebwagen (Tw) = auch Triebzüge und Triebwagenzüge, LNT = Leichte Nahverkehrstriebwagen, SPFV = Schienenpersonenfernverkehr, SPNV = Schienenpersonennahverkehr
Technische Kompatibilität Fahrzeug/ Fahrweg
Fahrzeugart
Elektr.eStreckenlok
Diesel-Streckenlok
Rangierlokomotiven
Kleinlokomotiven
El. Triebwagen SPFV
El. NeiTech-Tw SPFV
Diesel-Triebwg SPFV
El. Triebwagen SPNV
El. NeiTech-Tw SPNV
Diesel-Triebwg SPNV
Wechselstr-S-Bahnen
Gleichstrom-S-Bahnen
Diesel-S-Bahnen
Elektr. LNT
Diesel-LNT
Steuerwagen SPFV
Reisezugwagen SPFV
Steuerwagen SPNV
Reisezugwagen SPNV
Güterwagen
Nebenfz Verk.-Einsatz Rekuperative Netzbremse
Betriebsf. elek. Fz-Einricht.
Energieversorgung
Elektrischer Schutz
Physik. Oberleitungsschutz
Fahrdraht/Fzg. bei NeiTech
Mechan. Fahrdrahtschutz
Zahl/Abst. Stromabnehmer
Anpresskr, Fahrdrahtanhub
Wippengeometrie und -spiel
Geometrie der Oberleitung
Bauart der Oberleitung
Arbeitshöhe Stromabnehmer
Gefahrenmeldeanlagen
Erkennbarkeit opt. Signale
BÜ-Sich, aut. Rottenwarng
Achszähler,Gleisstromkreise
Funkeinrichtungen
Fernmeldeanlagen
Sig-,Zugsi-,Zugst-Systeme
17
Infrastrukturbezog. Komponenten
860 Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
Tabelle 17.2 (Fortsetzung) Streckenausrüstung
17.4 Feststellung der Kompatibilität
861
Elektr. Streckenlok Diesel-Streckenlok Rangierlokomotiven Kleinlokomotiven El. Triebwagen SPFV El. NeiTech-Tw SPFV Diesel-Triebwg SPFV El. Triebwagen SPNV El. NeiTech-Tw SPNV Diesel-Triebwg SPNV Wechselstr-S-Bahnen Gleichstrom-S-Bahnen Diesel-S-Bahnen Elektr. LNT Diesel-LNT Steuerwagen SPFV Reisezugwagen SPFV Steuerwagen SPNV Reisezugwagen SPNV Güterwagen Nebenfz Verk.-Einsatz
Rettungskonzept
Hitzebestd., Verform.-resist.
Rauchentwicklung, Toxizität
Schwingungsübertragung
EMV und Störaussendung
Gefahrgut
Abfälle
Geschlossene WC-Systeme
Gewässer- und Bodenschutz
Abstellflächen
Station. Zugvorheizanlagen
Ölabscheider, Klärbecken
Trinkwasserfüllanlagen
Brauchwasserfüllanlagen
Tankstellen
Fahrzeugart
Umweltverträglichkeit und Sicherheitsvorkehrungen
Reinigungsanlagen
Technische Kompatibilität Fahrzeug/Fahrweg
Infrastrukturbezog. Komponenten
Tabelle 17.2 (Fortsetzung)
862
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
Lichtraumumgrenzung, Rad/Schiene, Stromabnehmer/Oberleitung), – ggf. Veranlassen und Auswerten von Befahrbarkeitsprüfungen im vorgesehenen Einsatzbereich, – Entscheiden über fahrzeugspezifische Einsatzbedingungen (strecken- bzw. verwendungsbezogen). So sind z.B. grundsätzlich bei allen Fahrzeugen, die die Bezugslinien nach § 22 EBO überschreiten („übergroße Fahrzeuge“ [17.2]), detaillierte lichtraumtechnische Untersuchungen durchzuführen, wobei für jede einzelne Strecken- bzw. Gleisnutzung ein Abgleich mit den örtlichen Infrastrukturdaten vorzunehmen ist. Grundlage hierfür ist eine Einschränkungsberechnung für die Fahrzeugmaße (vgl. Anlage 9 zu § 22 EBO), die voraussetzt, dass alle relevanten geometrischen Daten des Fahrzeuges, wie – die Abmessungen in den maßgebenden Querschnitten, – die Anordnung der Radsätze (Drehgestelle), – die Anordnung der Einstiegsbereiche und – die Raumbeanspruchung fester bzw. beweglicher Trittstufen,
vorliegen. Darüber hinaus müssen aber auch spezielle Fahrzeugkenndaten, wie – der Neigungskoeffizient, – die Wankpolhöhe und – die Spiele beweglicher Teile (z.B. an Drehzapfen und Achslagern), bekannt sein. Mit einem durch die DB Netz AG erstellten Anwendungsprogramm können auf der Grundlage der Infrastruktur-Datenbank der DB Netz AG die örtlichen Lichtraumverhältnisse von Strecken- und Bahnhofsgleisen aufgerufen werden. Bei Kenntnis der relevanten Fahrzeugkennwerte und der kinematischen Fahrzeugbegrenzung ermöglicht das Programm WINLUE, Fahrzeuge mit Profilüberschreitungen am Bildschirm mit den Lichtraumbedingungen im Einsatzbereich abzugleichen. Dadurch kann EVU kurzfristig Auskunft über die Einsatzmöglichkeiten ihrer übergroßen Fahrzeuge erteilt werden [17.1]. Die Freigabe für die Nutzung der Infrastruktur durch Fahrzeuge mit Besonderheiten ist zu dokumentieren. So kann z.B. durch die DB Netz AG der in Tabelle 17.3 dargestellte Streckenabschnitt gleich für mehrere Bauarten übergroßer Fahrzeuge ohne einschränkende Bedingungen freigegeben werden.
Seelze Pbf, Weiche 73
0,000
10,623
1
0,000
10,623
Hannover Hbf
Seelze Rbf, Weiche 73
0,000
10,623
2
0,000
10,623
03-06-24
–
03-06-24
98-04-28
Hannover Hbf
Seelze Pbf, Weiche 73
0,000
10,623
0
10,623 11,528
–
03-06-24
98-04-28
98-04-28
03-06-24
–
03-06-24
Dosto
Hannover Hbf
NZ-T
Richtung Freigabe (km) von … bis
ICE-T
Anf.-km End-km
ICE-A
Streckenanfang Streckenende
03-06-24
Tabelle 17.3 Fahrzeugbezogene Streckenfreigaben für übergroße Fahrzeuge (Strecke 1705) Dosto = Doppelstockfahrzeuge, ICE-A = ICE 1/2, ICE-T = ICE mit Neigetechnik, NZ-T = Talgo Hotelzug
17.5 Bekanntgabe der Anforderungen
Je nach dem Ergebnis der Prüfung kann einem EVU die fahrzeugbezogene Streckenfreigabe aber auch mit betrieblichen Einschränkungen erteilt werden, wie dem – Befahren ganz bestimmter Bahnhofsgleise, – Verbot des Ausklappens bzw. Ausfahrens beweglicher Trittstufen an hohen Bahnsteigen oder – Verbot des Einsatzes der Wirbelstrombremse. Sollte eine Einigung zwischen EIU und EVU nicht zustande kommen, entscheidet die Regulierungsbehörde (BNetzA).
17.5 Bekanntgabe der Anforderungen 17.5.1 Schienennetz-Nutzungsbedingungen Zur Sicherstellung der Kompatibilität zwischen Fahrzeug und Fahrweg und somit des sicheren Betriebes auf dem Schienennetz, aber auch vor dem Hintergrund der Gleichbehandlung ihrer Kunden (Diskriminierungsfreiheit), müssen die EIU ihre technischen Bedingungen für den Netzzugang, soweit diese für die Anmeldung von Fahrplantrassen erforderlich sind, öffentlich bekannt machen. Grundlage hierfür sind die Richtlinie 2001/14/EG der Europäischen Gemeinschaft [17.8] und das innerstaatliche Recht in AEG und EIBV. Eingeschlossen sind das Vorliegen der rechtlichen (Genehmigung nach § 6 AEG, Infrastrukturnutzungsvertrag) und ggf. von betrieblichtechnischen Nutzungsbedingungen (u.a. zur optimalen Nutzung der verfügbaren Streckenkapazität) für das EVU. Ihrer Verpflichtung zur Veröffentlichung ist u.a. die DB Netz AG als größter deutscher Netzbetreiber durch Einstellen ihrer SchienennetzNutzungsbedingungen (SNB) in das Internet sowie das Veröffentlichen im Bundesanzeiger gemäß § 4 Abs. 1 EIBV nachgekommen. Um das Schienennetz und die Leistungen der DB
863
Netz AG – unter Beachtung ihrer Geschäftsbedingungen – nutzen zu können, enthält der im Internet zur Verfügung gestellte Leitfaden alle notwendigen Informationen, wie – die Anforderungen an das EVU (rechtliche, technische und betrieblich-technische Bedingungen sowie Bedingungen der Genehmigungsbehörde und des Infrastrukturbetreibers), – die allgemeinen Zugangsbedingungen ABN (z.B. Infrastrukturnutzungsvertrag, Anforderungen an Fahrzeuge), – Informationen über technische Netzzugangskriterien (z.B. digitaler Zugfunk auf der Basis von GSM-R), – die relevanten betrieblich-technischen Regelwerksmodule, – generalisierte, unverbindliche Infrastrukturinformationen für eine erste Orientierung (graphische Darstellungen der Infrastruktur, Beschreibung von definierten Infrastrukturmerkmalen, verkehrliche Einschränkungen) sowie – Informationen über die Anmeldung von nationalen und internationalen Fahrplantrassen. Auf der technischen Basis der Internet-Anwendung SNB hat das Infrastrukturdatenmanagement der DB Netz AG wichtige Streckenmerkmale in einem Anwendungsprogramm erfasst. Für jedes Streckensegment können die Infrastrukturinformationen aufgerufen werden, wie die – Anzahl der Streckengleise, – Traktionsart, – größte Streckenneigung, – Kodifizierung für den kombinierten Ladungsverkehr, – Belastbarkeit des Fahrwegs (Streckenklasse), – Einschränkungen des Lichtraumprofils, – Ausrüstung und Art der Zugbeeinflussung, – Ausrüstung und Art des Zugfunks, – Ausrüstung für den Einsatz von Fahrzeugen mit Neigetechnik.
864
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
Abb. 17.1 Visualisierte Infrastrukturinformationen für einen Streckenabschnitt
Abbildung 17.1 zeigt die Visualisierung bestimmter Streckenmerkmale am Beispiel der Netzzugehörigkeit und gibt Auskunft über die für einen Streckenabschnitt der DB Netz AG hinterlegten Infrastrukturdaten.
17.5.2 Infrastruktur- und Fahrzeugregister Die Europäische Gemeinschaft hat in den Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnungen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr [17.14] und für den konventionellen Verkehr [17.15] im Hinblick auf den interoperablen Infrastrukturzugang der Fahrzeuge allen Eisenbahninfrastrukturbetreibern und Haltern von Eisenbahnfahrzeugen aufgegeben, sowohl ein Infrastruktur- als auch ein Fahrzeugregister zu erstellen. Beide Register müssen im Internet veröffentlicht und jährlich aktualisiert werden; ihre Fundstellen werden im Bundesanzeiger bekannt gegeben (§ 7 KonVEIV). Für das jeweilige Teilsystem oder Teile davon sind die Hauptmerkmale (z.B. die Eckwerte) und deren Übereinstimmung mit den in den anzuwendenden TSI vorgeschriebenen Merk-
malen enthalten. So sind u.a. auch die in einem Anhang aufgelisteten spezifischen technischen Merkmale der Infrastruktur und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die fahrzeugseitige Ausrüstung in das Infrastrukturregister aufzunehmen, mithin sämtliche für die Implementierung auf einer Strecke relevanten Infrastruktur- und Fahrzeugdaten. Tabelle 17.4 gibt einen Überblick über die in das Infrastrukturregister der DB Netz AG aufgenommenen Merkmale gemäß den TSI. Mit dem Infrastrukturregister gewährleistet der Infrastrukturbetreiber die Kohärenz zwischen dem System und dem in seiner Verantwortung liegenden Regelwerk.
17.6 Regelwerk für den Infrastrukturzugang Die Europäische Gemeinschaft mit ihren in nationales Recht umzusetzenden Richtlinien sowie der deutsche Verordnungsgeber haben lediglich die technischen und betrieblichen Rahmenbedingungen für den Infrastrukturzugang der Fahrzeuge festgelegt. Vor allem die
17.6 Regelwerk für den Infrastrukturzugang
865
Tabelle 17.4 Angaben zu einer Strecke im Infrastrukturregister Teil
Inhalt
Merkmale
1
Allgemeine Angaben zum Infrastrukturbetreiber
z.B. kurze Beschreibung der Strecke, allgemeine Betriebsregeln und -vorschriften
2
Karten und systematische Darstellungen
2.1
Lagepläne
z.B. Streckenpläne, Betriebsstellen
2.2
Systematische Streckendarstellung
z.B. Entfernungsangaben, Überleitverbindungen, Signalstandorte
2.3
Systematische Darstellungen der Personenbahnhöfe, Rangierbahnhöfe, Betriebswerke (interoperabler Verkehr)
z.B. Bezeichnung und Art der Betriebsstelle, Kennzeichnung und Art der Gleise, Abmessungen der Bahnsteige, Zugangsmöglichkeiten für Personen mit eingeschränkter Mobilität, elektrische Energieversorgung
3
Angaben zu einzelnen Streckenabschnitten
3.1
Allgemeine Angaben
z.B. Staat, Streckennummer, Art des Verkehrs, zulässige Höchstgeschwindigkeit, besondere örtliche Bedingungen und Einschränkungen
3.2
Spezifische technische Merkmale
z.B. Spurweite, Schienenneigung, Lichtraum, Radsatzund Meterlast, kleinster Gleisbogenradius, Neigungsverhältnisse, Kunstbauten, Notfallangaben
3.3
Teilsystem Energie
z.B. Frequenz, Spannung, Fahrdrahthöhe, Stromabnehmertypen, Kontaktkräfte
3.4
Teilsystem Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung
z.B. Abweichungen von der TSI, besondere Bedingungen für das Umschalten zwischen verschiedenen Systemen (einschließlich Funksystemen), Heißläuferund Festbremsortungsanlagen
3.5
Teilsystem Verkehrsbetrieb und Verkehrssteuerung
z.B. Sonderfälle, Abweichungen von der TSI, Sprache für die Verständigung der Personale in sicherheitskritischen Situationen, klimatische Bedingungen (Vorkehrungen)
Abschnitte „Bahnanlagen“, „Fahrzeuge“ und „Bahnbetrieb“ in der EBO enthalten grundlegende Vorschriften [17.4]. Neben den gesetzlichen Vorgaben sind daher zahlreiche Normen, Richtlinien, Technische Mitteilungen, Merkblätter usw. zu beachten. Zur sicheren, störungsfreien und reibungslosen Betriebsführung haben die Eisenbahnen darüber hinaus eigene Regelwerke vorzuhalten. Eine Zusammenfassung aller technischer Zugangsbedingungen stellt z.B. die größte deutsche Netzbetreiberin, die DB Netz AG, mit der Richtlinie 810 „Technischer Netzzugang für Fahrzeuge; Kompatibilität mit den Anforderungen des Netzes“ ihren Kunden seit
dem Jahr 2003 schrittweise im Internet zur Verfügung; sie wird auch für andere öffentliche Eisenbahninfrastrukturbetreiber wegweisend sein. Diese Richtlinie ist auf die Bedürfnisse der Fahrzeughalter bzw. -hersteller auf den Strecken der DB Netz AG zugeschnitten, indem sie für fahrzeug- und infrastrukturseitige Teilsysteme und Komponenten den notwendigen Überblick gibt und aufzeigt, wo welche Bestimmungen im Einzelnen zu finden sind. Außerdem stellt sie die festgelegten Ordnungsgrundsätze (z.B. Abnahmebedingungen oder Nachweispflichten) im Zusammenhang dar. Den Aufbau der Richtlinie 810 zeigt Tabelle 17.5.
866
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
Tabelle 17.5 Gliederung der Richtlinie 810 der DB Netz AG Modul-Nr. Modul-Bezeichnung 810.0100 810.0200 810.0201 810.0203 810.0204 810.0211 810.0212 810.0213 810.0216
Zugangsvoraussetzungen Besondere Anforderungen und Ausrüstungsstandards Lichtraum und Fahrzeugbegrenzung Fahrverhalten, Fahrwegbeanspruchung Streckenklassen, Lastgrenzen Zugbeeinflussung Neigetechnik Funkfernsteuerung Zugfunk
Modul-Nr. Modul-Bezeichnung 810.0222 810.0231 810.0241 810.0242 810.0243 810.0250 810.0300 810.0400
Bremse Aerodynamik Elektrotechnische Kriterien Zusammenwirken Stromabnehmer – Oberleitung Energiemessverfahren und - einrichtungen Elektromagnetische Verträglichkeit Innovative Techniken auf Fahrzeugen Versuchs- und Probefahrten; Überführungsfahrten und Messfahrten
Tabelle 17.6 Übersicht ausgewählter Techniken auf Fahrzeugen (Anhänge zum Modul 810.0300 der Richtlinie 810 der DB Netz AG)
Tabelle 17.7 Gliederung der Richtlinie 807 der DB Netz AG
Nr.
Anhang-Bezeichnung
A01 A02 A03 A04 A05 A06 A07
Punktförmige Zugbeeinflussung PZB 90 Linienzugbeeinflussung LZB Gleisbogenabhängige Neigetechnik GNT Europäisches Zugsicherungssystem ETCS Notbremsüberbrückung NBÜ Digitales Zugfunksystem GSM-R Automatische Senkeinrichtung für Stromabnehmer AS Automatische Oberstrombegrenzung AOB Zähler für Energieverbrauch TEMA Heißläufer- und Festbremsortung (fahrzeugseitig) HOA/FBOA
807.01xx 807.02xx 807.0200 807.0201 807.0203
A08 A09 A10
Zum besseren Überblick beschreiben die Anhänge zum Modul 810.0300 (Tabelle 17.6) in Kurzform für ausgewählte Techniken auf Fahrzeugen – das Einsatzziel, – die besonderen technischen Merkmale und – die speziellen Anforderungen an das Fahrzeug hinsichtlich der Notwendigkeit zur Anwendung dieser Techniken sowie zum Zeitpunkt, ab dem die Ausrüstung verlangt wird (ggf. mit Nach- oder Umrüstzeitraum).
Modul-Nr. Modul-Bezeichnung
807.0205 807.03xx 807.04xx 807.05xx 807.06xx 807.07xx 807.08xx 807.09xx
– noch offen – Elektromagnetische Verträglichkeit EMV; Übersicht Triebfahrzeug-Störstromgrenzwerte EMV; Störstromgrenzwerte für Fahrzeuge mit Anschlussmöglichkeiten an eine zentrale Energieversorgung (ZEV) Messverfahren für Triebfahrzeug-Störströme Fahren und Bremsen Aerodynamik (Seitenwind) Aufbau des Fahrzeugs Energieversorgung Ausrüstung und Anbauteile Zugleittechnik – noch offen –
Eine Basis für die normativen Verweise der Richtlinie 810 ist die Richtlinie 807 der DB Netz AG „Ausgewählte Maßnahmen und Anforderungen an das System Fahrweg/Fahrzeug“. Diese Richtlinie ist offen für technische Netzzugangsanforderungen, die (noch) nicht in einem Regelwerk erfasst waren; sie werden anschließend durch die Richtlinie 810 zu Netzzugangskriterien erhoben (Tabelle 17.7).
17.7 Verfahrensabläufe
17.7 Verfahrensabläufe
zeuges für den Zugang zur öffentlichen Eisenbahninfrastruktur dargestellt. Die Prozessschritte machen das Erfordernis des engen Zusammenwirkens zwischen dem Netzbetreiber und dem beantragenden EVU deutlich. Ein verkürzter Prüfablauf ist denkbar, wenn der Fahrzeugdokumentation zu entnehmen ist, dass für das Fahrzeug bereits ein nach dem Gemeinschaftsrecht notwendiges Zertifi-
Ein Fahrzeug darf erst in Verkehr gebracht werden kann, wenn das zwischen der Aufsichtsbehörde und dem EIU abgestimmte Verfahren erfolgreich durchlaufen wurde. In Abb. 17.2 sind die wesentlichen Schritte zur Feststellung der technischen Kompatibilität eines Fahr-
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) wünscht für ein Fahrzeug den Zugang zur öffentlichen Eisenbahninfrastruktur eines
Eisenbahninfrastrukturunternehmens (EIU) EVU beantragt bei dem EIU für den gewünschten Einsatzbereich die Bestätigung der technischen Kompatibilität für den Netzzugang unter Vorlage der Fahrzeugdokumentation
EIU und EVU prüfen anhand der eingereichten Fahrzeugunterlagen die technische Kompatibilität mit den Anforderungen des Einsatzbereichs einschließlich der Ausweich- und Umleitungsstrecken
EIU oder EVU
EIU
stellt Inkompatibilitäten fest und erarbeitet Vorschläge über fahrzeug- bzw. infrastrukturseitig erforderliche Maßnahmen zur Herstellung der technischen Kompatibilität; ggf. informiert das EIU das EVU
stellt fest, dass der freizügige Verkehr im geplanten Einsatzbereich möglich ist
EIU
EVU
veranlasst infrastrukturseitige Maßnahmen, ggf. besondere betriebliche Regelungen
veranlasst fahrzeugseitige Maßnahmen, ggf. auch Probe- bzw. Messfahrten
EIU bestätigt dem EVU – nach Vorliegen aller Voraussetzungen – die technische Kompatibilität des Fahrzeuges mit den Anforderungen des Netzes
EVU ist mit den erforderlichen Maßnahmen NICHT einverstanden und zieht seinen Antrag zurück oder / und sucht Entscheidung durch die Regulierungsbehörde
867
EVU kann im geprüften Einsatzbereich – ggf. nach (erneuter) Abnahme nach § 32 Abs. 1 EBO – den Verkehr aufnehmen
Abb. 17.2 Verfahrensablauf zur Feststellung der technischen Kompatibilität eines Fahrzeuges mit den Anforderungen der öffentlichen Eisenbahninfrastruktur
868
17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
kat oder eine nach innerstaatlichem Recht notwendige Abnahme nach § 32 Abs. 1 vorliegt. Auf die Aufnahme interner Prüfvorgänge beim EIU wurde verzichtet, um die Darstellung überschaubar zu halten. Auch das bei noch nicht abgenommenen Fahrzeugen eventuell vorab erforderliche Erwirken bestimmter Ausnahmen und Genehmigungen für Fahrzeuge oder Fahrzeugkomponenten, die nicht den Vorschriften der EBO entsprechen, beim Verordnungsgeber oder der Aufsichtsbehörde, wurde nicht als eigener Schritt in den Verfahrensablauf aufgenommen. In solchen Fällen (z.B. Überschreiten der Fahrzeugbegrenzung) sollten Fahrzeughersteller und bestellende Eisenbahnverkehrsunternehmen schon in der Konzeptionsphase für ein neues Fahrzeug mit den Behörden abklären, ob Aussicht auf Akzeptanz der Abweichungen besteht. Unmittelbarer Ansprechpartner für Kunden der DB Netz AG ist die dem Internet zu entnehmende regionale Niederlassung Marketing/Vertrieb, in deren Zuständigkeitsbereich das EVU seinen Sitz hat. Diese schließt den Infrastrukturnutzungsvertrag ab und teilt nach Möglichkeit die gewünschten Fahrplantrassen zu (s. Abschn. 17.5.1). Um bei Störungen des Betriebsablaufs Ausweichmöglichkeiten anbieten zu können, legt die Betriebsführung fest, über welche ebenfalls geprüften Strecken oder über welche anderen Bahnhofsgleise im Bedarfsfall Umleitungen mit diesen Fahrzeugen zugelassen werden dürfen. Hierbei kann für bestimmte technische Anforderungen, die für den Fahrzeugzugang auf dem Regellaufweg zwingend gefordert werden müssen, die Prüfung entfallen. Dies betrifft z.B. die Einstiegsverhältnisse an Bahnsteigen, wenn sich auf der Umleitungsstrecke keine planmäßigen Verkehrshalte befinden oder für bewegliche Trittstufen die Lichtraumfreiheit nicht nachgewiesen werden muss.
17.8 Versuchs- und Probefahrten 17.8.1 Zweck und Umfang Die systemtechnische Eignung sowie das störungsfreie Verhalten eines Fahrzeuges, das auf einer öffentlichen Eisenbahninfrastruktur verkehren soll, muss durch Versuchs- und Probefahrten nachgewiesen werden. Die Genehmigung hierfür erteilt die zuständige Aufsichtsbehörde aufgrund eines Antrages gemäß § 4 Abs. 6 KonVEIV bzw. § 40 Abs. 8 EBO (s. Abschn. 17.8.3), der – den Versuchszeitraum, – den genauen Netzbereich, in dem die Fahrten durchgeführt werden sollen, – der Prüfumfang und – eine Beschreibung der Mess- und Versuchsprogramme (z.B. zur Lauftechnik, zum Bremsverhalten, zur Entgleisungssicherheit, Betriebsleittechnik, Traktion, Fahrleitungstechnik, elektromagnetischen Verträglichkeit, Akustik, Aerodynamik und Klimatechnik) enthalten muss. Mit Versuchszügen werden aber nicht nur Fahrzeuge und Fahrzeugverbände, sondern auch Teilsysteme und Komponenten von Fahrzeugen bzw. von deren Ausrüstung im praktischen Betriebseinsatz getestet. Die Versuchsphase bietet insbesondere auch die Möglichkeit, innovative Techniken noch zu modifizieren oder zu optimieren. Bei der Erprobung neuer Schienenfahrzeuge auf dem Netz der Eisenbahnen des Bundes lassen sich je nach Vorliegen der rechtlichen Rahmenbedingungen, d.h. – Sitz des EVU im Geltungsbereich des AEG, – Einhalten der auf den Eisenbahnen des Bundes geltenden gesetzlichen Vorgaben und technischen Standards, verschiedene Fälle unterscheiden. Während bei Vorliegen dieser Kriterien das Durchlaufen des normalen Mess- und Versuchsprogramms genügt (Fall 1), bedarf es in den anderen Fäl-
17.8 Versuchs- und Probefahrten
869
Tabelle 17.8 Ergänzende Maßnahmen zum Mess- und Versuchsprogramm für Versuchszüge BMVBS = Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Fall
Künftiger EinEBOAusnahmen bzw. Genehsatz im Geltungs- Konformität migungen erforderlich für bereich des AEG ist gewährVersuchs- Regeleinsatz leistet züge (EBA) (BMVBS bzw. EBA)
Zusätzlich zum erfolgreichen Durchlaufen der Mess- und Versuchsprogramme erforderliche Maßnahmen
1
ja
ja
ja
nein
keine
2
ja
nein
ja
ja
Durchführung von streckenspezifischen Untersuchungen vor Beginn der Mess- und Versuchsprogramme
3
nein
ja
ja
entfällt
wie Fall 2; EBA kann nach Gemeinschaftsrecht gültige Zertifikate anerkennen und auf entsprechende deutsche Prüfnachweise verzichten
4
nein
nein
ja
entfällt
wie Fall 2; EBA erkennt nach Gemeinschaftsrecht gültige Zertifikate nur für Komponenten an, die den maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen und anerkannten Regeln der Technik im Geltungsbereich der EBO entsprechen
len streckenspezifischer Untersuchungen bzw. der Anerkennung von ausländischen Zertifikaten durch das EBA, um auf die diesbezüglichen deutschen Prüfnachweise verzichten zu können (Tabelle 17.8).
17.8.2 Ausnahmeregelungen Das Ausloten von Grenzwerten (z.B. maximal zulässige Kräfteeinwirkungen auf Oberbau und Bauwerke) oder Reaktionen (z.B. Ansprechen von Gleisschaltmitteln oder Feststellen der Wirkungsweise der Zugbeeinflussung) erfordert bei Versuchs- und Probefahrten Abweichungen von den Vorschriften der EBO. So lässt § 40 Abs. 8 EBO zur Durchführung erforderlicher Geschwindigkeitstests Ausnahmen von bestimmten Vorschriften dieses Paragraphen durch die zuständige Behörde nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 EBO zu. Darüber hinaus
ist für Eisenbahnen des Bundes durch Erlass des Bundesministers für Verkehr (BMV) die Befugnis auf eine Reihe weiterer Einzeltatbestände der EBO ausgeweitet worden, für die im Rahmen von Versuchs- und Probefahrten Ausnahmen durch das EBA zugelassen werden können (Tabelle 17.9). Daneben kann von Maßgaben des jeweiligen Infrastrukturbetreibers abgewichen werden, wenn die gleiche Sicherheit gewährleistet ist.
17.8.3 Vorgehensweise Als Veranlasser für Versuchs- und Probefahrten können auftreten 1. der Hersteller – eines neuen Fahrzeuges, – eines Fahrzeuges, das für Leistungsbereiche außerhalb der gesetzlich geregelten Grenzwerte eingesetzt werden soll
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17
Infrastrukturzugang für Fahrzeuge
Tabelle 17.9 Zulässige Ausnahmen von den Vorschriften der EBO für Versuchs- und Probefahrten EBO-Fundstelle Abschnitt/§ Bahnanlagen § 13 Abs. 3 § 13 Abs. 4, 2. Satz § 14 Abs. 11, 2. Satz § 15 Abs. 2 und 3 § 16 Abs. 4 § 16 Abs. 5 Fahrzeuge § 19 Abs. 1 § 21 Abs. 1 § 21 Abs. 2 § 22 Abs. 1, 1. Satz § 22 Abs. 1, 2. Satz § 22 Abs. 2 § 22 Abs. 4 § 22 Abs. 5 § 22 Abs. 8 § 23 Abs. 1, 3 bis 5 § 24 Abs. 1 § 24 Abs. 2 § 24 Abs. 3 § 25 Abs. 1 bis 4 § 28 Abs. 1 bis 14 Bahnbetrieb § 34 Abs. 5 § 34 Abs. 6 § 34 Abs. 8 § 35 Abs. 1 § 35 Abs. 2 § 35 Abs. 6 § 40 Abs. 1 bis 5, 7 § 45 Abs. 1 bis 7
Ausnahmetatbestand nach BMV-Erlass vom 14.05.1997 – E 15/32.31.01/62 EBA 97 (56) – Durchfahrten an Bahnsteigen mit v > 160 km/h Zulässigkeit von Übergängen bei v > 160 km/h Flankenschutz für Gleise mit v > 160 km/h Ausrüstung von Strecken mit Zugbeeinflussung Ausrüstung von Strecken mit Zugfunkeinrichtungen Ausrüstung von Bahnsteigen mit Lautsprecheranlagen Radsatzlasten und Fahrzeuggewichte je Längeneinheit Auf der Radsatzwelle verschiebbare Räder Abweichende Maße für Räder und Radsätze Größere Fahrzeugabmessungen Anwendung der Bezugslinie nach Anlage 8 Bild 3 Überschreiten der Bezugslinien in besonderen Fällen Einhalten der Grenzlinie bei Oberleitung Überschreiten der Fahrzeugbreite durch Anbauteile Herabreichen von entkuppelten Kupplungen Bauart und Wirkungsweise von Bremsen Zug- und Stoßeinrichtungen an den Fahrzeugenden Zwischenschaltung federnder Zug- und Stoßeinrichtungen Zug- und Stoßeinrichtungen für besondere Zwecke Freie Räume und Bauteile an den Fahrzeugenden Ausrüstung und Anschriften bei Fahrzeugen Kuppeln nachschiebender Triebfahrzeuge Führen des Schlusssignals Überschreiten der größten zulässigen Zuglänge Keine durchgehende Bremse bei Zügen mit v > 50 km/h Überschreiten des zulässigen Bremsweges Keine wirkende Bremse im letzten oder vorletzten Fahrzeug Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit Besetzen der Triebfahrzeuge und Züge
(z.B. oberhalb der bisher zugelassenen Geschwindigkeit oder Lastgrenze), – einer innovativen Technik, – eines neuen Sicherheitskonzepts, – eines neuen Werkstoffs oder eines neuen Fügeverfahrens (Verbinden zweier Werkstoffe) im Fahrzeugbau, 2. das für das Fahrzeug zuständige EVU (Halter bzw. Betreiber), 3. eine durch eine Aufsichtsbehörde anerkannte beauftragte Prüfstelle, 4. eine Aufsichtsbehörde oder die Regulierungsbehörde selbst.
Der Veranlasser ist in den Fällen 1 bis 3 auch Antragsteller bei der nach § 3 EBO zuständigen Genehmigungsbehörde zum Einholen – der Zustimmung zur Durchführung von Versuchs- und Probefahrten und der damit zusammenhängenden Überführungsfahrten, sobald die notwendigen Ausnahmen nach § 40 Abs. 8 EBO und ggf. zu den in Tabelle 17.9 aufgeführten weiteren Tatbeständen bei der nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 zuständigen Behörde erwirkt sind, sowie – der Zusicherung des Verzichts auf aufsichtsrechtliche Maßnahmen nach § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes.
Literatur
Durch den Veranlasser ist der Genehmigungsbehörde der Nachweis der Kompatibilität mit den Anforderungen des Netzes bzw. die Feststellung zu den Bedingungen der netzverträglichen, sicheren Versuchsdurchführung vorzulegen. Auch hat er dafür zu sorgen, dass die Anforderungen der DIN 27201-3 „Zustand der Eisenbahnfahrzeuge; Grundlagen und Fertigungstechnologien, Teil 3: Probefahrten“ eingehalten werden. Mit dieser Vorgehensweise ist sichergestellt, dass Versuchs- und Probefahrten trotz der Abweichungen von Einzelvorschriften mit der gleichen Sicherheit durchgeführt werden, wie dies bei Beachtung von § 2 Abs. 1 EBO für den technischen Netzzugang von abgenommenen Fahrzeugen verlangt wird.
Literatur 17.1 Mittmann W (2004) Infrastrukturzugang für Fahrzeuge – Technische Kompatibilität mit den Anforderungen des Netzes. In: Heinisch R, Keppel A, Klumpp D, Siegmann J (Hrsg) ETR – Eisenbahntechnische Rundschau, Heft 9-2004. Eurailpress Tetzlaff-Hestra, Hamburg, S 558–572 17.2 Mittmann W, Zehme I (1998) Verkehren von überbreiten Eisenbahnfahrzeugen. In: Eisenbahn Ingenieur Kalender ’99. Tetzlaff Verlag, Hamburg, S 85–112 17.3 Wittenberg KD, Heinrichs HP, Mittmann W, Zwanziger F (2004) Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG). Eurailpress Tetzlaff-Hestra, Hamburg 17.4 Wittenberg KD, Heinrichs HP, Mittmann W, Mallikat J (2006) Kommentar zur EisenbahnBau- und Betriebsordnung (EBO). 5. Aufl. Eurailpress Tetzlaff-Hestra, Hamburg 17.5 Europäisches Eisenbahnrecht, Interoperabilität (2006). In: [17.4] S 42–50 17.6 Suckale M (Hrsg.) (2006) Kompendium Eisenbahngesetze, 14. Aufl. Eurailpress Tetzlaff-Hestra, Hamburg 17.7 Richtlinie 96/48/EG des Rates vom 23. Juli 1996 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (1996). In: [17.6] S 759–792
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17.8 Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, der Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (2001). In: [17.6] S 650–675 17.9 Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems (2001). In: [17.6] S 793–833 17.10 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) vom 27. Dezember 1993, i.d.F. vom 3. August 2005 (2005). In: [17.6] S 36–66 17.11 Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz – BEVVG) vom 27. Dezember 1993, i.d.F. vom 7. Juli 2005 (2005). In: [17.6] S 111–113 17.12 Verordnung über die Bestellung und Bestätigung sowie die Aufgaben und Befugnisse von Betriebsleitern für Eisenbahnen (Eisenbahnbetriebsleiterverordnung – EBV) vom 7. Juli 2000 mit amtlicher Begründung und mit Erläuterungen (2000). In: [17.4] S 415–438 17.13 Verordnung über die diskriminierungsfreie Benutzung der Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur (Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung – EIBV) vom 3. Juni 2005 (2005). In: [17.6] S 67–81 17.14 Verordnung über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung – EIV) vom 20. Mai 1999 (1999). In: [17.6] S 82–86 17.15 Verordnung über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems (Konventioneller-VerkehrEisenbahn-Interoperabilitätsverordnung – KonVEIV) vom 9. Juni 2005 (2005). In: [17.6] S 87–95 17.16 Verwaltungsvorschrift für die Abnahme von Eisenbahnfahrzeugen gemäß § 32 Abs. 1 EBO im Zuständigkeitsbereich des Eisenbahn-Bundesamtes (VwV Abnahme § 32) vom 1. September 2004, i.d.F. vom Oktober 2005 (2005)
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Instandhaltung und Anlagenmanagement Peter Veit
Anlagenmanagement versucht bei Produktionsanlagen den gesamten Lebenszyklus, beginnend mit der Planung und Beschaffung, dem anschließenden Betrieb und der begleitenden Instandhaltung bis zum Ende der Nutzungsdauer der Anlage zu optimieren. Damit sind integrierte Instandhaltungskonzepte im Sinn von „Total Productive Maintenance“ sowie Qualitätsmanagement im Sinn von „Total Quality Management“ notwendige Bestandteile des Anlagenmanagements. Anlagenmanagement beschäftigt sich mit der Frage, welche Anlagenausprägung zu wählen sei. Daraus folgt, dass neben der Instandhaltung auch die Auswahl des Anlagentyps ein integraler Teil des Anlagenmanagements ist. Auf Lebenszykluskosten (LCC) basierende Investitionsentscheidungen und nachfolgende ebenso LCC basierte Instandhaltungsstrategien entsprechen damit weitgehend den Anforderungen des Anlagenmanagements, wobei Lebenszykluskostenbetrachtungen auf RAMSAnalysen aufbauen. Erst die Beantwortung der Fragen nach Reliability (Häufigkeit und Art der Fehler), Availability (Verfügbarkeit unter Berücksichtigung der auftretenden Fehler und der Instandhaltbarkeit), Maintainability (Optionen zur Instandhaltung) und Safety (Konsequenzen der Fehler) erlauben das Verhalten einer Anlage und die erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen für die gesamte Nutzungsdauer abzuschätzen und in Form der Lebenszykluskosten zu bewerten. Das Eisenbahnwesen weist dabei eine erschwerende Besonderheit auf: Es ist durch sehr lange Nutzungsdauern seiner Anlagen gekennzeichnet. So ist eine Nutzungsdauer – im Bereich des Oberbaus oft als Liegedauer bezeichnet – von 30 Jahren bereits kurz, Nut-
zungsdauern von doppelten oder dreifachen Werten, somit von bis zu 100 Jahren, sind keine Seltenheit. Diese extrem hohen Nutzungsdauern geben dem Anlagenmanagement und hier wiederum der Instandhaltung hohe Bedeutung. Im historischen Rückblick wurde der Optimierung der Instandhaltung sehr früh große Bedeutung zugemessen. Die ersten großen Erfolge ergaben sich durch die Mechanisierung vor allem der Gleisinstandhaltung. So kam bereits 1949 in Deutschland die erste Gleisstopfmaschine zum Einsatz, 1962 wurden die erste Nivellier-, Stopf- und Richtmaschine und die erste Weichenstopfmaschine entwickelt. Eine Gegenüberstellung der Kosten je Laufmeter über der jährlichen Arbeitslänge von Stopfmaschinen findet sich in Abb. 18.1 [18.1]. Der Erfolg des Einsatzes mechanisierter Instandhaltungsmethoden zeigt sich in einer Verminderung des Personalbedarfs für Instandsetzungsarbeiten seit 1950 um mehr als 90%, womit die beeindruckenden Kostenreduktionen erst möglich wurden. Dennoch sind auch heute weitere Optimierungspotenziale gegeben. Die Zielrichtung ist jedoch nicht mehr allein die durch weitere Entwicklungen der Instandhaltungsmaschinen gegebene Optimierung der einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen. Vielmehr tritt das Anlagenmanagement in den Vordergrund mit der Zielsetzung, die einzelnen Anlagen über Qualitätsmanagement, d.h. ihre Ausgangsqualität, das anzustrebende Instandhaltungsniveau und die sich damit unter jeweiligen betrieblichen Anforderungen ergebende technischwirtschaftliche Nutzungsdauer zu optimieren. Zur Realisierung der Optimierungspotentiale ist eine technisch-wirtschaftliche Optimierung
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement Abb. 18.1 Historische Entwicklung der Oberbauinstandhaltung [18.1]
erforderlich, eine rein technische Optimierung greift zu kurz, eine ausschließliche wirtschaftliche läuft Gefahr, den Realitätsbezug zu verlieren. Schlagworte, die die aktuellen Diskussionen prägen, sind: proaktive statt reaktive Instandhaltung, Langfristoptimierung anstelle Kurzzeitoptimierung, zustandsabhängige Instandhaltung statt zeitlich definierter Instandhaltung, wissensbasierte Konzepte statt erfahrungsbasierte Strategien, den Nutzungsbedingungen angepasste Investitionsstrategien statt der Suche nach „der optimalen Infrastruktur“. Das Anlagenmanagement ersetzt dabei keineswegs die Optimierung der einzelnen Instandhaltungsmaßnahmen, vielmehr geht es darüber hinaus und setzt eine permanente Optimierung der Einzelmaßnahmen (z.B. der einzelnen Gleisinstandhaltungsmaßnahmen) voraus. Diese weitere, weltweit zu beobachtende Optimierung des Umgangs mit den Komponenten der Eisenbahninfrastruktur trifft zumindest in großen Teilen Europas auf grundsätzlich veränderte Strukturen der Eisenbahnen, die auch eine Konsequenz der EUGesetzgebung sind. Die grundlegenden Änderungen der Organisationsstrukturen haben
großen Einfluss auf das Anlagenmanagement, werden doch Finanzierungsströme aber auch Zuständigkeiten und Kompetenzen im Bereich der Eisenbahninfrastruktur maßgeblich verändert. Damit werden die Diskussionen des Anlagenmanagements und der Instandhaltungsoptimierung mit Fragestellungen, wie die des optimalen Ausmaßes an Outsourcing oder der Sicherstellung technisch-betrieblichen Know-hows überlagert. Gleichzeitig finden sich verschiedene für das Anlagenmanagement bedeutende Kernkompetenzen oftmals in verschiedenen Organisationseinheiten oder verschiedenen Unternehmen wieder. Trotz dieser neuen Strukturen, oder gerade wegen dieser neuen Strukturen, muss ein fundiertes Anlagenmanagement aufgebaut werden, um eine weitere Optimierung des Systems Eisenbahn als Ganzes zu ermöglichen und damit das Streben nach Suboptima verschiedener organisatorischer Einheiten innerhalb des Systems Eisenbahn zu Lasten des Gesamtoptimums zu konterkarieren. Gleichzeitig kann nur ein fundiertes, in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen darstellbares Anlagenmanagement, technisch erforderliche Maßnahmen zur Instandhaltung von Anlagen
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
mit den bereits angesprochenen langen Nutzungsdauern auch wirtschaftlich nachweisen – Nachweise, denen in einem sich immer schneller ändernden Umfeld – dessen Ausrichtung tendenziell auf kurzfristige Optimierungen abzielt (Shareholder Value) – essentielle Bedeutung zukommt. Diese Nachweise erlauben auch langfristige Auswirkungen von Strategien zur Hebung des Qualitätsniveaus bzw. Strategien zur Reduktion von Instandhaltung in ihren Konsequenzen, d.h. über die gesamte Nutzungsdauer der Anlagen, darzustellen. Anlagenmanagement von Eisenbahninfrastruktur soll dabei im Wesentlichen nur eine einzige grundlegende Frage nachweisbar beantworten können: „Welche Eisenbahninfrastruktur genügt der spezifischen Situation am besten?“ Nachweisbar bedeutet im heutigen Umfeld technisch und wirtschaftlich nachweisbar, da neben dem technischen Nachweis, der allzu oft als selbstverständlich angesehen wird, ein wirtschaftlicher Nachweis meist Umsetzungsvoraussetzung für Strategien bzw. Einzelmaßnahmen ist. Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass die spezifische Situation bekannt ist, d.h. die technisch und damit wirtschaftlich relevanten spezifischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Eisenbahninfrastruktur müssen erfasst werden. Derartige Rahmenbedingungen sind beispielsweise für den Oberbau Verkehrsbelastung, Geschwindigkeit, Unterbausituation, Klimaverhältnisse, geplante Einsatzzeit, der Instandhaltung zur Verfügung stehende Zeiten, aber auch Qualität der Arbeiten und Maschinen und vieles mehr. Allein dies zeigt, dass eine spezifische Situation nur beschrieben werden kann, wenn einerseits sämtliche technisch relevanten Einflussgrößen, andererseits auch alle wirtschaftlich bedeutenden Einflussgrößen, die sog. Kostentreiber, identifiziert werden können. Da die Reaktionen der Eisenbahninfrastruktur stark von ihrem jeweiligen Qualitätsniveau abhängen, sind die Wechselwirkungen zwischen den Rahmenbedingungen und verschiedenen Qualitätsniveaus ebenfalls zu
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berücksichtigen. Eine Eisenbahninfrastruktur genügt einer spezifischen Situation nur dann, wenn sie diese Anforderungen zumindest über ihre gesamte Nutzungsdauer hinweg erfüllt, womit auch die spezifischen Randbedingungen mit ihren Einflüssen auf die Qualität idealer Weise für die gesamte Nutzung bekannt sein sollten („Total Quality Management“). Bei Vorhandensein dieser Informationen muss weiters die Reaktion der Eisenbahninfrastruktur auf diese spezifischen Randbedingungen abschätzbar sein, ebenfalls über die gesamte Nutzungsdauer der Eisenbahninfrastruktur. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Anlagenmanagement der Eisenbahninfrastruktur das geschlossene funktionale Wissen in technischer und damit resultierender wirtschaftlicher Hinsicht der jeweils betrachteten Infrastrukturkomponenten und ihrer Belastungen über ihre gesamten Nutzungsdauern voraussetzt, und zwar inklusive der Einflüsse verschiedener sich im Zuge der Nutzung bzw. der zufolge der Ausführungsqualität und Instandhaltungskonzeption ergebenden und sich ständig ändernden Qualitätsniveaus. Dieses Wissen ist in einer geschlossenen Form heute noch nicht verfügbar, womit Forschungen erforderlich werden und gleichzeitig „Total Quality Management“ im oben beschriebenen Sinn erst nach Abschluss dieser Arbeiten möglich wird. Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) wurde 1996 beschlossen, die Arbeiten des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der Technischen Universität Graz betreffend wirtschaftliche Optimierung der Oberbauinstandhaltung in Form des Projekts „Strategie Fahrweg“ umzusetzen, um erste Schritte in Richtung „Total Quality Management“ einzuleiten. Das Ziel ist wesentliche Trends und ihre wirtschaftlichen Konsequenzen frühzeitig zu erkennen und auch in das Anlagenmanagement einfließen zu lassen. Entsprechend dem fortschreitenden Wissenstand, werden die generellen Aussagen weiter spezifiziert, um so dem „Total Quality Manage-
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
ment“ zu jedem Zeitpunkt so nahe zu kommen, wie es der jeweils aktuelle Wissenstand erlaubt. Das Projekt „Strategie Fahrweg“ der ÖBB, und dabei vor allem die Anlagengruppe Oberbau wird daher in Abschn. 18.3 als Umsetzungsbeispiel für ein schrittweise optimiertes Anlagemanagement von Infrastrukturanlagen herangezogen. Dieses Umsetzungsbeispiel, welches – nicht von der gesamten sofortigen Umsetzung der theoretischen Zielvorstellung ausgeht, – sondern einen Weg zur Optimierung des Anlagemanagements bzw. von Investitionsund Instandhaltungsstrategien beschreibt, – der damit keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit oder Einzigartigkeit erhebt, – jedoch eine schrittweise Annäherung an die theoretische Zielvorstellung erlaubt, – wobei „schrittweise“ sowohl die Betrachtung einzelner Komponenten der Eisenbahninfrastruktur als auch ihre schrittweise Optimierung meint, – im Zuge derer jeder, oder zumindest die meisten der einzelnen Schritte für sich umsetzbar sind, – und im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der Technischen Universität Graz mit den ÖBB auch tatsächlich umgesetzt werden konnten, – wobei die Einbettung dieser einzelnen Schritte in eine Gesamtkonzeption sicherstellt, dass die Zielsetzung eines optimalen Anlagemanagements nicht durch die Zielsetzung eines optimierten Anlagemanagements ersetzt wird. Das Motto des im Folgenden beschriebenen Modells lautet: Das Ziel ist ein optimales Anlagemanagement, der Weg dazu sind optimierte Investitions- und Instandhaltungsstrategien. Dabei wird die Konvergenz von Weg und Ziel durch sowohl technisch als auch wirtschaftlich die gesamte Nutzungsdauer berücksichtigende Bewertungsverfahren
von Investitions- und Instandhaltungsstrategien sichergestellt.
18.1 Anlagenmanagement für den Fahrweg von Eisenbahnen Anlagenmanagement muss die gesamten Auswirkungen einer Anlage, von der Investition bis zum Ende der Nutzungsdauer unter realen Betriebsbedingungen berücksichtigen. Unter Auswirkungen sind dabei sowohl technische als auch wirtschaftliche zu verstehen. Anlagemanagement nimmt für sich in Anspruch, eine Optimierung bisheriger Instandhaltungsstrategien darzustellen. Um diesen Anspruch objektiv erfüllen zu können, ist ein wirtschaftlicher Nachweis erforderlich. Dieser Nachweis muss in der Lage sein, die bisherige Situation mit der neuen, optimierten Situation zu vergleichen, und so den postulierten Fortschritt zu belegen. Für den Fahrweg der Eisenbahnen bedeutet dies, die Wirtschaftlichkeit neuer Investitions- und Instandhaltungsstrategien ist nachzuweisen. Diese Forderung inkludiert die Notwendigkeit sich mit den Lebenszykluskosten der Anlagen auseinander zu setzen, da bei Anlagen mit 30 und mehr Jahren Nutzungsdauer die Instandhaltung eine nicht vernachlässigbare Größe darstellt. Nur damit kann dem Grundprinzip jeder wirtschaftlichen Bewertung, dem Erfassen und Bewerten sämtlicher Auswirkungen, unabhängig vom Ort und Zeitpunkt ihrer Kostenwirksamkeit, entsprochen werden. Für den Fahrweg von Eisenbahnen gibt es über diese wirtschaftlichen Erfordernisse hinaus noch einen fundamentalen technischen Zusammenhang, der die Notwendigkeit der Betrachtung der Lebenszykluskosten unterstreicht. Eine generelle Erfahrung für Fahrwege besagt, dass sich ein qualitativ guter Fahrweg besser verhält, d.h. geringeren Verschleißerscheinungen unterliegt, als ein qualitativ geringwertiger. Damit wird die aktuelle Ver-
18.2 Modell zur wirtschaftlichen Bewertung von Fahrwegstrategien
schlechterungsrate eines Fahrwegs von seiner aktuellen Qualität bestimmt. Dieser Zusammenhang lässt sich mit der einfachen Differentialgleichung (18.1) beschreiben. Die Lösung dieser Gleichung zeigt den allgemeinen Qualitätsverlauf (18.2) mit: Q = aktuelle Qualität Q0 = Qualität zum Zeitpunkt t = 0 (entspricht der Ausgangsqualität nach Abklingen der Anfangssetzungen) b = Verschlechterungsrate t = Zeit Anfangssetzungen werden dabei als Reaktion des Oberbaus auf eine Gleisneulage verstanden, die Ausgangsqualität selbst beschreibt jedoch einen konsolidierten Ausgangszustand nach der Neulage. Anfangssetzungen können durch dynamische Gleisstabilisation kontrolliert und vergleichmäßigt werden, was zu höheren Anfangsqualitäten führt. Der generelle Qualitätsverlauf erklärt gleichzeitig die Notwendigkeit der Betrachtung der Lebenszykluskosten, da der Term Q0 die technische Auswirkung der Investition beschreibt und e-bt die technischen Auswirkungen der Instandhaltungsmaßnahmen. Damit ist dieser einfache Zusammenhang die Basis für das technische Verhalten eines Fahrwegs über seine gesamte Nutzungsdauer. Da es das Ziel eines wirtschaftlichen Nachweises von Anlagemanagement bzw. Investitions- und Instandhaltungsstrategien ist, die technischen Auswirkungen der Anlage monetär zu bewerten, ergibt sich auch aus dieser Sichtweise die Notwendigkeit der Betrachtung der Lebenszykluskosten der Anlagen. Investitions- und Instandhaltungsstrategien sind einander bedingende, zusammengehörende Strategien, weswegen im Folgenden Investitions- und Instandhaltungsstrategien
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des Fahrwegs der Eisenbahn generell als Fahrwegstrategien bezeichnet werden. Der strikte und nicht auflösbare Zusammenhang zwischen Investition und Instandhaltung findet, wie bereits erwähnt, in vielen Organisationsstrukturen von Eisenbahnen keine Entsprechung. Auch in der Umsetzung gibt es Lösungen, die Märkte vorsehen, die sich ausschließlich mit Investition oder Instandhaltung beschäftigen. Aus der Sicht des oben beschriebenen Zusammenhangs widersprechen derartige Organisationsstrukturen den grundlegenden technischen Wirkungsweisen von Fahrwegen, um nicht zu sagen der Eisenbahninfrastruktur als Ganzes, wobei dieser Widerspruch durch die langen Nutzungsdauern noch verschärft wird. Eine detaillierte Kenntnis der technisch wirtschaftlichen Zusammenhänge zur optimalen Ausgestaltung der sich so ergebenden organisatorischen Schnittstellen wird damit zu einer der Voraussetzungen des Funktionierens derartiger Strukturen.
18.2 Modell zur wirtschaftlichen Bewertung von Fahrwegstrategien Es ist ein Grundsatz wirtschaftlicher Bewertungen alle durch ein Projekt verursachten kostenrelevanten Auswirkungen zu berücksichtigen. Dazu werden alle vom Projekt induzierten Zahlungen in Form eines Zahlungsstrombildes (Abb. 18.2) über den zu betrachtenden Zeitraum dargestellt. Ein Zahlungsstrom gibt damit nicht nur die Höhe der Zahlungen sondern auch ihren Zeitpunkt an. Zur wirtschaftlichen Bewertung von Investitionen existieren verschiedene Verfahren, wobei grundsätzlich statische und dynamische Bewertungsmodelle unterschieden werden. Statische Wirtschaftlichkeitsrechnungen behandeln Kosten und Preise als zeitlich konstant und berücksichtigen die Kapitalbindung nicht. Für statische Bewertungen ist damit der Zahlungszeitpunkt nicht relevant. Dies stellt jedoch für Eisenbahnoberbau, mit
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.2 Zahlungsstrombild einer Investition
Nutzungsdauern von 30 Jahren und mehr, eine unrealistische Annahme dar. Lange Nutzungsdauern erfordern damit die Anwendung dynamischer Wirtschaftlichkeitsrechnungen, die den Zahlungszeitpunkt durch Auf- und Abzinsen der Zahlungen auf einen Bezugszeitpunkt berücksichtigen. Dabei stehen die Kapitalwertmethode (Abb. 18.3), die Methode des Internen Zinssatzes (Abb. 18.4) sowie die Annuitätenmethode zur Verfügung. Dynamische Investitionsrechnungen berücksichtigen die Kapitalbindung, da die Zahlungszeitpunkte berücksichtigt werden, indem die Zeitwerte
Abb. 18.3 Kapitalwertmethode
der Zahlungen (ZW) mit Hilfe der Zinseszinsformel in der Regel auf das Jahr der Investition abgezinst werden. Die Summe der so erhaltenen Barwerte (BW = ZW (1+i)-t) wird als Kapitalwert (C) bezeichnet, der damit einen dynamisch bewerteten Gewinn darstellt (C = ∑BW). Zur Bestimmung dieses Kapitalwerts ist ein kalkulatorischer Zinssatz i festzulegen, mit dem künftige Zahlungen auf den Betrachtungszeitpunkt abgezinst werden. Die Methode des Internen Zinssatzes geht einen Schritt weiter, indem eine dynamische Rentabilität einer Investition bestimmt wird.
18.2 Modell zur wirtschaftlichen Bewertung von Fahrwegstrategien
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Abb. 18.4 Methode des Internen Zinssatzes
Dies geschieht durch die Bestimmung des Nulldurchgangs der Kapitalwertfunktion, wobei die Kapitalwertfunktion die Kapitalwerte für beliebige kalkulatorische Zinssätze beschreibt. C = 0 o i = IRR
(18.4) mit: A = Annuität
(18.3)
mit: C = Kapitalwert i = kalkulatorischer Zinssatz IRR = Interner Zinssatz Der Nulldurchgang der Kapitalwertfunktion bestimmt damit jene Verzinsung, mit der sich die untersuchte Investition verzinst. Dieser Zinssatz wird als Interner Zinssatz (IRR, internal rate of return) bezeichnet und muss den kalkulatorischen Zinssatz, der in der Regel 3% bis 7% real, d.h. exklusive Inflation beträgt, übersteigen, um das Projekt wirtschaftlich zu rechtfertigen. Die Annuitätenmethode baut ebenfalls auf dem Kapitalwert auf, indem durch Zuhilfenahme einer finanztechnischen Formel der Kapitalwert mittels dem Kapitalwiedergewinnungsfaktor (KWF) in die Annuität (A), den durchschnittlichen dynamischen Jahresgewinn umgerechnet wird.
(18.5) i = kalkulatorischer Zinssatz t = Zeit [Jahre] C = Kapitalwert Es besteht bei allen dynamischen Methoden grundsätzlich auch die Möglichkeit, die Inflation im Zeitwert durch Aufzinsen der heutigen Kosten auf den Zeitpunkt der Ausgabewirksamkeit zu berücksichtigen. Dazu sollte jedoch die Inflation für eine ganze Nutzungsdauer bekannt sein. Zur Unsicherheit der Inflationsrate ergibt sich das Rechnen mit Geldeinheiten unterschiedlichen Wertes, was die Deutung von Gewinngrößen erschwert. Bei der Bestimmung des Internen Zinssatzes ohne Berücksichtigung der Inflation ergibt sich der reale Zinssatz, bei Berücksichtigung der Inflation statt der realen Verzinsung ein um die Inflationsrate erhöhter Wert und damit nomineller Wert, von dem zur Bestimmung der realen Verzinsung die Inflation wieder abge-
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
zogen werden muss. Aus diesen Gründen wird keine Inflationsrate angesetzt; damit werden Realverzinsungen bzw. Annuitäten auf Basis des aktuellen Geldwerts bestimmt. Die drei beschriebenen Methoden eignen sich jedoch nur unter spezifischen Randbedingungen zum Vergleich verschiedener Alternativen: die Anwendung der Kapitalwertmethode ist nur zulässig, wenn Investition und Nutzungsdauer der zu vergleichenden Investitionsvorhaben gleich sind, da ein Gewinn nur dann als Entscheidungsgrundlage zum Vergleich von zwei Handlungsalternativen herangezogen werden kann, wenn die dazu erforderliche Investition und der Zeitraum der Refinanzierung vergleichbar sind. Die Anwendung der Methode des Internen Zinssatzes erfordert gleiche Nutzungsdauern, eine Rentabilität ist dann ein geeignetes Auswahlkriterium, wenn die Zeiträume vergleichbar sind, während die Annuitätenmethode keinerlei derartige Voraussetzungen aufweist, da die Annuität den dynamisch bestimmten durchschnittlichen Jahresgewinn beschreibt, und somit Zeitraum und Investitionshöhe berücksichtigt sind. Die Methode des Internen Zinssatzes kann für unterschiedliche Nutzungsdauern durch (wiederholtes) Ansetzen von Reinvestitionen der Strategie mit der kürzeren Nutzungsdauer und Berücksichtigung der sich damit zum Zeitpunkt des Ablaufs der Strategie mit der längeren Nutzungsdauer verbleibenden Restwerte ertüchtigt werden. Bei Investitionen in einen Fahrweg im Sinn des Anlagenmanagements handelt es sich jedoch um interne Rationalisierungsinvestition, denen keine direkten Erlöse zugeordnet werden können. Damit kann in diesem Fall sinnvollerweise nur die Annuitätenmethode angewendet werden, wobei das Ergebnis dann die jeweiligen durchschnittlichen Jahreskosten beschreibt. Zielführender als die Einzelbewertung von Strategien mit anschließendem Vergleich ist hingegen der Vergleich zweier Strategien bereits innerhalb der Investitionsrechnung. Die Bewertung erfolgt auf Basis eines als Dif-
ferenz zweier Zahlungsströme gebildeten Differenzzahlungsstromes, wobei die Mehrausgaben der einen Strategie im Vergleich zur anderen als „Kosten“, die Minderausgaben als „Erlöse“ definiert werden. Auf Basis dieses Differenzzahlungsstromes können sowohl die Kapitalwertfunktion und damit der Interne Zinssatz, als auch die Annuität bestimmt werden. Der Interne Zinssatz gibt dabei die Verzinsung des zusätzlich gebundenen Kapitals der einen Fahrwegstrategie im Vergleich zur anderen an, eine Größe die für Entscheidungsträger immer stärker an Bedeutung gewinnt. Die Differenzialannuität wiederum zeigt die durchschnittliche jährliche Ergebnisverbesserung oder -verschlechterung, die sich durch einen Strategiewechsel ergibt. Beide Ergebnisgrößen beschreiben damit Rationalisierungspotentiale durch Strategiewechsel, wobei zur korrekten Beurteilung eines auf Basis eines Differentialzahlungsstroms bestimmten Internen Zinssatzes auch die Kapitalwertfunktion herangezogen werden muss. Ein grundlegendes Problem der wirtschaftlichen Bewertung von Lebenszykluskosten sei noch angesprochen: die Unsicherheit künftiger Daten, vor allem angesichts langer Nutzungsdauern. Argumentationen, die auf Lebenszykluskosten einer Anlage aufbauen, sind daher notwendiger Weise mit großen Unsicherheiten behaftet. Genau aus diesem Grund, wurde die Methode der Differential-Lebenszykluskosten entwickelt, die immer zwei Strategieansätze in ihren finanziellen Auswirkungen miteinander vergleicht und als Hauptergebnis die Frage beantwortet, welche der beiden Strategien vorzuziehen sei. Diese Aussage ist, im Unterschied zu den Lebenszykluskosten selbst, sehr stabil. Steigen beispielsweise die Lohnkosten unerwartet an, wirkt sich dies massiv auf die Lebenszykluskosten aus, während die Kostendifferenzen (Differential-Lebenszykluskosten) der beiden Strategien weitgehend unberührt bleiben, da sich die Lohnkosten unabhängig von der Fahrwegstrategie bei beiden zu vergleichenden Strategien ändern.
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
Obwohl Lebenszykluskosten per se nicht stabil sind, liefern auf Differenzen von Lebenszykluskosten basierende Auswertungen sehr stabile Entscheidungen.
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“ Unter Verwendung des oben beschriebenen wirtschaftlichen Bewertungsmodells wurden beginnend mit 1996 bei den ÖBB Fahrwegstrategien erarbeitet und seit 1998 schrittweise umgesetzt. Der Oberbau wird als erstes Anwendungsbeispiel für die beschriebene Optimierung des Anlagenmanagements verstanden, wobei die Vorgehensweise grundsätzlich für die anderen Bereiche der Infrastruktur angewendet werden kann – eine Berücksichtigung der jeweiligen Bereichsspezifika vorausgesetzt. Die Vision für das optimale Anlagenmanagement weist als Kernstück technisch abgesicherte und wirtschaftlich auf Basis von Lebenszykluskosten optimierte Strategien auf, die für alle Fahrwegkomponenten sowohl Investitionsals auch Instandhaltungsstrategien umfassen.
Abb. 18.5 Kreislauf der Fahrweginstandhaltung
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Durch Einsatz des Messwagens, Auswertung der Messdaten und darauf aufbauender Aktualisierung der Qualitäts-, Instandhaltungs- und Nutzungsdauerprognosen werden die Grundlagen für ein sich den aktuellen Bedingungen anpassendes und damit laufend optimierbares Anlagenmanagement gelegt, wie in Abb. 18.5 skizziert. Führt die Aktualisierung der Daten durch eine neuerliche Messwagenfahrt zu keinen wesentlichen Änderungen der Prognosen und liegen auch keine neuen optimierten Komponenten oder Instandhaltungsmethoden vor, besteht kein Grund die bis dahin bestehenden sowohl technisch als auch wirtschaftlich bereits nachgewiesenen Fahrwegstrategien zu ändern. Zeigen die aktuellen Messwerte jedoch relevante Abweichungen von den prognostizierten Werten, wird eine Aktualisierung der Instandhaltungsstrategien überprüft. Dabei werden aus den neuen Prognosedaten neue Lebenszyklen und daraus wiederum neue Fahrwegstrategien abgeleitet und mit den bestehenden verglichen. Durch die vergleichende Bewertung wird damit die Wirtschaftlichkeit eines Strategiewechsels überprüft, womit grundsätzlich die Möglichkeit einer Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Strategien nach jeder Auswertung neuer
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Messdaten besteht. Nach Umsetzung der für den aktuellen Fall auf Basis von Lebenszykluskosten als wirtschaftlich erkannten Maßnahmen, beginnt der Kreislauf mit der nächsten geplanten Messwagenfahrt von neuem. In diesem Kreislauf stellt die Reinvestition lediglich einen Spezialfall der erforderlichen Maßnahmen dar. Um diese Vision verwirklichen zu können, sind längere Zeitreihen von Messdaten bzw. Statusdaten unverzichtbar. Damit sind Anforderungen an Messdaten und Auswertesysteme zu stellen: – hohe Positionierungsgenauigkeit im Messwagen, um tatsächlich die einander entsprechenden Daten in eine Zeitreihe stellen zu können, – Erfassen der selben Daten über längere Zeiträume, was in vielen Fällen praktisch der Forderung nach Anwendung einund desselben Messsystems über längere Zeiträume entspricht, – bei Änderungen im Messsystem ist zumindest eine Umrechenbarkeit der Daten sicherzustellen, – neben der Konstanz der Datenerhebung ist auch eine Konstanz der Auswertungsmethoden zu fordern, oder als Minimalforderung die Möglichkeit von Paralellauswertungen zu eröffnen. Diese Vision ist auch bei Erfüllen aller Voraussetzungen keinesfalls in einem Schritt umsetzbar. Im Sinn einer raschen Wirksamkeit neuer Fahrwegstrategien und damit einer rascher Realisierung von Einsparungspotentialen wurde ein zweistufiges Verfahren gewählt. Stufe 1 basiert auf Erfahrungen, sei es aus dem Betrieb oder auch aus Versuchen, und formuliert für Standardsituationen Basisstrategien. Gleichzeitig wurde der Fahrweg in seine Komponenten unterteilt, die, soweit möglich, einzeln behandelt werden. Die folgenden Fahrwegkomponenten wurden bisher untersucht, wobei für alle hier genannten Fahrwegkomponenten die Stufe 1 des Projekts Strategie Fahrweg bereits abgeschossen ist:
– – – – – –
Oberbau Gleise [18.2, 18.3], Weichen [18.4], Brücken [18.5], Eisenbahnkreuzungen [18.6], Bahnsteige [18.7] und Komponenten [18.8, 18.9].
Da in der Stufe 1 Fahrwegstrategien für Standardsituationen formuliert werden, sind für das Netz charakteristische Standardsituationen zu identifizieren. Für Brücken wurden daher Strategien für die große Anzahl von Brücken mit relativ kleinen Spannweiten erarbeitet, nicht jedoch für die geringe Anzahl langer Donauquerungen, da jede dieser Brücken einen charakteristischen Einzelfall darstellt und daher die Formulierung von allgemeinen Basisstrategien nicht sinnvoll ist. Generell wird es immer besondere Situationen geben, beispielsweise bei Weichen auf Grund ihrer betrieblichen oder anderer außergewöhnlicher Randbedingungen, die spezifische Lösungen erfordern und daher nicht Gegenstand der Basisstrategien sein können. Es hat sich gezeigt, dass mit den untersuchten Standardsituationen jeweils rund 80% der realen Fälle abgedeckt werden können, für die restlichen Fälle sind spezifische Auswertungen erforderlich, die in Stufe 1 jedoch nicht vorgesehen sind. In Stufe 2 werden die Basisstrategien für reale Situationen spezifiziert, was nur durch den Umstieg von erfahrungsbasierten Strategien auf wissensbasierte Strategien gelingt. Um nach Abschluss der Stufe 1 möglichst rasch die Stufe 2 beginnen zu können, wurden zeitgleich mit der Stufe 1 jene Forschungsarbeiten gestartet, die die Voraussetzungen für wissensbasierte Fahrwegstrategien schaffen. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die Erforschung des funktionalen Gleisverhaltens auf Basis weiterentwickelter Messdatenanalysen. Dies wiederum ist Voraussetzung für Prognosen, die schlussendlich die Erfahrung als Basis für die Lebenszyklusbetrachtungen ablösen sollen. Die nachstehende Tabelle fasst die Vorgangsweise des Gesamtprojekts in Schlagworten zusammen.
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
883
Tabelle 18.1 2-Stufenplan zur Optimierung des Anlagenmanagements –
Stufe 1
Forschung
Stufe 2
Zeitachse
Projektstart
mit Projektstart
nach Abschluss der Stufe 1
Voraussetzung
Fachwissen der Arbeitsgruppen
Messwagendaten, Betriebsdaten, Statusdaten
Vorliegen erster Ergebnisse aus dem Bereich Forschung
Bereich
Fahrwegkomponente Adaption der Analyse der Messwagendaten auf die Erfordernisse der Stufe 2 Entwicklung von Prognosemodellen zur Beschreibung des Qualitätsverhalten der Fahrwegkomponenten
Fahrwegkomponente
Basis
Erfahrung
–
funktionales Wissen
Optimierungsziel
Wirtschaftliche Reihung der bekannten Fahrwegstrategien
–
Formulierung der wirtschaftlich optimalen Fahrwegstrategie
Anwendung
Standardsituation
–
reale Situation
Dieses Ablaufschema soll für die im Hinblick auf erwartbare Einsparungspotentiale relevante Fahrwegkomponenten durchlaufen werden, wobei abschließend die einzelnen Strategien für die einzelnen Fahrwegkomponenten, dort wo technisch wirtschaftlich relevante Wechselwirkungen bestehen, abgestimmt werden (z.B. Abstimmung der Schienenprofile für Gleise und Weichen). Aus Gründen der aus dem Anlagevermögen zu erwartenden Optimierungspotentiale wurde mit den Infrastrukturkomponenten „Oberbau Gleise“ und „Oberbau Weichen“ begonnen. Damit ist für diese beiden Komponenten die Optimierung am weitesten fortgeschritten, es liegen neben den Ergebnissen der Stufe 1 bereits erste Ergebnisse aus dem Bereich Forschung und Teilergebnisse aus der Stufe 2 vor. Es wird im Folgenden daher auf diese beiden Komponenten eingegangen. Im Unterschied zur Konzeption und der Vorgangsweise der Optimierung beruhen die Ergebnisse auf den in Österreich herrschenden technischen und wirtschaftlichen Randbedingungen und sind daher nicht notwendiger Weise auf andere Staaten übertragbar. Das Instrumentarium der Sensitivitätsanalysen erlaubt es
jedoch, aus Einzelergebnissen grundsätzliche und damit generelle Trends abzuleiten. Zudem müssen in jedem erfahrungsbasierten Modell, besonders aber bei erfahrungsbasierten Lebenszyklusbetrachtungen mit immensen Nutzungsdauern aus Gründen der Datensicherheit, Sensitivitätsuntersuchungen integrale Bestandteile der Ergebnisanalysen sein. Im Rahmen dieser intensiven Beschäftigung mit dem Fahrweg ergeben sich Erkenntnisse, die Optimierungen in Bereichen erlauben, die über die ursprüngliche Zielsetzung der Definition von Fahrwegstrategien hinausgehen.
18.3.1 Strategie Fahrweg – Stufe 1 Die Erarbeitung von Fahrwegstrategien für Standardsituationen erfordert die Schritte – Definition der Standardsituationen (Normelemente), – Erfassung der für Fahrwegstrategien relevanten Kosten, – Erarbeitung der Arbeitszyklen für die jeweiligen Standardsituationen (Normelemente),
884
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
– Verifizierung der Arbeitszyklen, – Auswertung der Ist-Daten, – Erarbeitung grundlegender Fahrwegstrategien auf Basis der Auswertung der IstDaten sowie alternativer Arbeitszyklen (abgeleitet aus Versuchen, spezifischen Erfahrungen aber auch Ideen) und deren – wirtschaftliche Überprüfung auf Basis der Lebenszykluskosten. 18.3.1.1 Festlegung der Normelemente Bereits die Festlegung der Standardsituationen, so genannter Normkilometer oder Normweichen bedarf der Erfahrung der fachlich für die jeweiligen Bereiche Zuständigen, d.h. bereits von Beginn der Arbeiten an wurde auf das Wissen der Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen durch spezifisch zusammengesetzte Arbeitsgruppen zurückgegriffen. Diese Arbeitsgruppen umfassten für das Fahrwegelement „Oberbau Gleise“ sowohl vor Ort für das Gleis verantwortliche Bahnmeister und Regionalleiter als auch Techniker und Forscher aus dem Bereich der Fahrwegentwicklung, Fachleute der Baubetriebsplanung wie Spezialisten für die Kostenstrukturen von Investition und Instandhaltung. Die breite fachliche Streuung der Mitglieder der Arbeitsgruppe verfolgt zwei Zielsetzungen, einerseits das Abdecken verschiedener Aspekte der Instandhaltung, andererseits einen Multiplikatoreffekt durch das bewusste Hinaustragen der Diskussionen in die Regionen. Durch diese Arbeitsgruppen, jeweils eine für eine Fahrwegkomponente, gelingt es, Normelemente festzulegen, mit denen sich rund 80% des betrachteten Netzes abbilden lassen. Nicht abbildbar sind damit jene Bereiche, die im betrachteten Netz in nicht ausreichendem Umfang oder zeitlich noch nicht lange genug vorliegen, wie für Österreich artreine Güter- oder Personenverkehrsstrecken sowie Strecken mit zulässigen Geschwindigkeiten über 200 km/h. Im Bereich „Oberbau Gleise“ wurden die Normkilometer nach folgenden Gesichtspunkten unterteilt:
– – – – –
Unterbausituation, Trassierungsradien, Verkehrsbelastung, Oberbauform und Gleisanzahl.
Die ursprünglich vorgesehene Unterteilung nach verschiedenen Längsneigungen wurde im Laufe der Arbeiten nicht weiterverfolgt, die ursprüngliche Unterteilung in nur zwei Unterbauklassen wurde wegen der hohen Bedeutung des Unterbauzustandes für das Verhalten des Oberbaus auf vier Unterbauklassen verfeinert. Dabei zeigt sich, dass Unterbaukennzahlen immer nur den Aggregatzustand des Unterbaus beschreiben, dieser aber keine direkten Rückschlüsse auf das Verhalten des Gleises zulässt. Das Verhalten des Gleises resultiert neben dem Aggregatzustand des Unterbaus aus der dynamischen Anregung d.h. der Verkehrsbelastung, sodass aus den Unterbaukennzahlen allein keine Rückschlüsse auf das Verhalten der Gleise gezogen werden können. Um dennoch den Unterbauzustand als wichtigen Parameter in die Untersuchungen aufnehmen zu können, wurde der umgekehrte Weg gegangen und aus dem Verhalten des Oberbaus die Unterbauklassifizierung vorgenommen. Dazu wurden folgende Festelegungen getroffen: Ein sehr guter Unterbau liegt vor, wenn Instandhaltungsmaßnahmen aus den auf die Verkehrsbelastung zurückzuführenden Verschleißerscheinungen (Verschleiß im engeren Sinn aber auch Gleislagefehler) resultieren. Diese Festlegung inkludiert, dass für Strecken mit geringer Verkehrsbelastung ein Unterbau mit geringeren Qualitäten als sehr gut qualifiziert wird, wenn er den gegebenen Anforderungen genügt. Für die Beschreibung der Unterbauzustände „3“, „4“ und „5“ wurden typische auch auf den Unterbau zurückzuführende Instandhaltungserfordernisse definiert, wobei es bis zur Unterbauklasse „4“ gelingt, durch Intensivierung der Instandhaltungsmaßnahmen die Nutzungsdauer des Oberbaus im Niveau des sehr guten Unterbaus zu halten,
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
bei der Unterbauklasse „5“ jedoch trotz (oder bereits wegen) der sehr intensiven Instandhaltung die für den jeweiligen Normkilometer im Standardfall erreichbare Nutzungsdauer wesentlich unterschritten wird. Ein derartiger Fall liegt beispielsweise bei massivem Auftreten von Spritzstößen oder Frostaufzügen vor. Die Einteilung der Verkehrsbelastungen resultiert aus typischen Verkehrsbelastungen im betrachteten Netz, die Einteilung in Radienklassen in im Bereich der Instandhaltungsintensität noch klar unterscheidbare Bereiche. So ergibt sich der Bereich der Radien zwischen 250 m und 400 m aus dem Anlaufen des Spurkranzes, die Abgrenzung der Radien unter 250 m durch die in diesen Bereichen nicht durchgehend verschweißten Schienen. Andererseits dominieren im Bereich über 600 m andere Effekte als die Krümmung den Instandhaltungsbedarf und die Nutzungsdauer, sodass auf eine weitere Unterteilung verzichtet wird. In Tabelle 18.2 sind die bisher untersuchten Normkilometer zusammengefasst. Im Bereich „Weichen“ wurden Einfache Weichen als Normweichen auf denselben Normkilometern nach denselben Gesichtspunkten definiert, wobei ein Befahren in die Ablenkung von maximal 20% der Züge als typisch
885
für die Normweichen angesetzt wird, da primär Weichen auf durchgehenden Hauptgleisen untersucht werden. Dies ist nicht zuletzt auf die vorliegende Datenbasis der Verkehrsbelastung zurückzuführen. Die Einteilung nach Radienklassen wurde durch eine Einteilung in Weichen in Geraden Gleisabschnitten, Innenbogenweichen und extrem verbogene Innenbogenweichen ersetzt. Doppelte Kreuzungsweichen werden exemplarisch in die Untersuchung aufgenommen, Sonderkonstruktionen jedoch nicht. Generell beschreiben die Normelemente im vorliegenden Beispiel damit die Situation in Österreich, für die längere Erfahrungen und längere Streckenabschnitte die Formulierung der Arbeitszyklen erlaubt. Damit weisen die Normkilometer eine wesentliche Einschränkung auf: der Gültigkeitsbereich ist nur für Geschwindigkeiten bis 160 km/h abgesichert. 18.3.1.2 Erfassung der für Fahrwegstrategien relevanten Kosten Neben den Investitions- und Instandhaltungskosten fallen auch Kosten für Inspektion an, die jedoch im Unterschied zu den beiden erstgenannten in der Regel für die Formulierung von
Tabelle 18.2 Normkilometer und Normweichen tägliche Gleisbelastung [Bt]
ein- oder zweigleisig
guter Unterbau R>600 400
250
R<250
80.000 55.000 33.000 18.000 75.000 70.000 33.000 8.000 2.000 1.000 2.000
2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 (Schmalspur)
× × × × × × ×
× × × × × × ×
× × × × × × ×
×*) für die typische Radienverteilung
× × × × × × × ×*) ×*) ×*) ×*)
U3 U4 R>600
U5
× × × × × × × × × × ×
× × × × × × × × × × ×
× × × × × × × × × × ×
886
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Fahrwegstrategien nicht relevant sind, da sie sich bei unterschiedlichen Fahrwegstrategien nicht unterscheiden. Die Kosten der Inspektionstätigkeiten wurden daher nur in begründeten Fällen berücksichtigt, wie beispielsweise beim Vergleich verschiedener Brückenbauarten, wenn sie tatsächlich unterschiedlichen Inspektionsbedarf aufweisen. Im Rahmen der Beschreibung der erforderlichen Arbeiten werden Kosten von planbaren Instandhaltungsmaßnahmen spezifisch erhoben, die nicht planbare „kleine“ Instandhaltung, im Projekt als Mängelbehebung bezeichnet, wird mittels eines jährlichen Kostensatzes berücksichtigt, wobei dieser Kostensatz mit dem Alter der Anlagen steigt. Dazu wurde der aus Statistiken stammende Kostensatz näherungsweise mit 50% seines Durchschnittswerts im ersten Drittel der Nutzungsdauer, mit dem vollen Wert im zweiten Drittel und dem eineinhalb fachen Wert im letzten Drittel der Nutzungsdauer angesetzt. Bei Überschreiten der Nutzungsdauer werden die Mängelbehebungskosten mit 10% pa. erhöht. Kosten für Winterdienst und Katastrophen werden nicht angesetzt. Sehr wohl berücksichtigt wurden jedoch die betrieblichen Folgekosten von (Re-)Investition und Instandhaltung, da sie ursächlich mit diesen Maßnahmen in Zusammenhang stehen und durch die Berücksichtigung ein Optimieren der Infrastruktur auf Kosten des Betriebs verhindert werden soll. Betriebserschwerniskosten können aber auch anfallen, wenn unzureichende Instandhaltung oder Überschreiten der Nutzungsdauer einzelner Komponenten zu Dauerlangsamfahrstellen führt. Für sämtliche Kosten wurden dabei Durchschnittswerte der Arbeiten für die typische Situationen beschreibende Normelemente angesetzt. Dies erlaubt die Formulierung genereller Fahrwegstrategien, zeigt aber auch die Grenzen der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Spezialfälle (z.B. zentrale Weiche eines Großverschiebebahnhofs) auf.
Das Bewertungsmodell für Betriebserschwerniskosten basiert auf folgenden – auf eine Baustelle zurückzuführenden – Faktoren: – Zugverspätungen, unter den vorherrschenden Randbedingungen, wie Überleitstellenabstand, Blockabstand, Bahnhofsabstand, Fahrzeitreserven, – erforderliche Umwegfahrten und daraus resultierende Zugverspätungen, – erhöhter Energiebedarf durch Geschwindigkeitsreduktion und Wiederbeschleunigen bzw. zusätzliche Zuganhaltungen, – erforderlichenfalls die Kosten für Schienenersatzverkehre, wobei die Auswertung getrennt für die Zuggattungen Personenfernverkehrszug, Regionalpersonenzug, Güterzug und Dienstzug durchgeführt wird. Die Weitergabe der Verspätungen an Knoten wird in diesem sehr vereinfachenden Modell durch erhöhte Kostensätze nur sehr unzureichend widergespiegelt, marktseitige Auswirkungen von Verspätungen, Kosten der Disposition und sich ändernder Umlaufpläne finden keinen Eingang. Die Basisdaten zur Bestimmung der Betriebserschwerniskosten für verschiedene Baumaßnahmen in den unterschiedlichen Normkilometers konnten ebenfalls aus dem Erfahrungsschatz der Baubetriebsplaner abgeleitet werden und stammen nicht aus Betriebssimulationen. Eine spätere Überprüfung der Daten durch Betriebssimulationen für die stark belasteten Normkilometer zeigte sehr gute Übereinstimmungen, auf eine Verifikation der Daten für schwach belastete Strecken wurde wegen der dort geringen Bedeutung der Betriebserschwerniskosten verzichtet. Die kurze Beschreibung der berücksichtigten und vor allem nicht berücksichtigten betrieblichen Folgekosten zeigt, dass die Betriebserschwerniskosten keinesfalls in ihrem vollen Umfang angesetzt werden, ein Faktum, das in der Interpretation der Ergebnisse nicht aus den Augen verloren werden soll. Im Jahr 2006 wird bei den ÖBB ein neues Bewertungsmodell für betriebliche Behinderungen implementiert,
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
das die genannten Nachteile nicht mehr aufweist und auf Simulationen beruht [18.10] Sämtliche Kosten der verschiedenen Arbeiten werden dabei für ihre typische Bauloslänge erhoben und anschließend auf eine Bauloslänge von einem Kilometer (Oberbau Gleise) bzw. einem Stück (Oberbau Weichen) umgerechnet, um die erforderlichen Rüstzeiten etc. korrekt zu behandeln. 18.3.1.3 Erarbeitung der Arbeitszyklen für die jeweiligen Normelemente Am Beginn der Erarbeitung der Arbeitszyklen standen Arbeitshypothesen, die erst im späteren Verlauf der Arbeiten auf ihre Richtigkeit überprüft werden konnten: – Es wird von Fahrwegstrategien ausgegangen, bei denen nach einer Investition (Gleis- oder Weichenneulage) Instandhaltungsmaßnahmen folgen, bis das Erreichen der wirtschaftlichen Liegedauer eine weitere Neulage erfordert. Damit wird die Strategie des permanenten Einzelteilewechselns nicht als Standardfall angesehen. Die wirtschaftliche Liegedauer ist kürzer, als die technische Liegedauer, da es gelingt, beispielsweise mit sehr hoher Instandhaltungsintensität oder dem Einrichten von Dauerlangsamfahrstellen die technische Liegedauer über das wirtschaftlich sinnvolle Maß zu verlängern. – Die Liegedauer des Oberbaus wird bei gutem Unterbau durch Verschmutzung und Verschleiß des Schotterbetts limitiert. Diese Festlegung wird mit den Nutzungsdauern und den Möglichkeiten des Austauschs der
Abb. 18.6 Arbeitszyklus Oberbau
887
einzelnen Oberbaukomponenten begründet. Aufbauend auf diesen Arbeitshypothesen werden Arbeitszyklen erarbeitet, wobei der Begriff Arbeitszyklus einiger Erläuterungen bedarf. Ein Arbeitszyklus, ein Beispiel für einen stark belasteten Abschnitt in einem Bogen mit einem Radius zwischen 400 m und 600 m ist in Abb. 18.6 dargestellt, beschreibt für die gesamte Nutzungsdauer einer Anlage den Instandhaltungsplan. Die Arbeitszyklen der verschiedenen Normelemente stellen die Basis der wirtschaftlichen Auswertungen dar. Damit hängt die Richtigkeit sämtlicher Schlussfolgerungen von der Qualität der Arbeitszyklen ab. Diese werden, wie erwähnt, im Rahmen der Arbeitsgruppen erarbeitet, bedürfen aber wegen ihrer Bedeutung eine Verifizierung. 18.3.1.4 Verifizierung der Arbeitszyklen Die Verifizierung der Arbeitszyklen stellt sich als sehr aufwendig heraus – das Erarbeiten und Verifizieren der Arbeitszyklen hat für alle Normelemente mehr als 50% der Bearbeitungsdauer der gesamten Stufe 1 erfordert, und war nur möglich, da neben dem Fachwissen der Mitarbeiter der Arbeitsgruppen Betriebsstatistiken sowie aktuelle Fahrwegdaten im „gläsernen Fahrweg“ vorliegen. Dieser umfasst netzweit Daten wie Oberbauform, Einbaudatum, Trassierungselemente und vieles mehr. Die Verifizierung erfolgt, für die verschiedenen Normelemente jeweils leicht angepasst, in drei Schritten. Nach Vorliegen aller Arbeits-
888
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
zyklen wird die technische Logik im Quervergleich überprüft und erforderlichenfalls die Zyklen neuerdings überarbeitet (weitere Datenerhebung, Diskussion der Daten, Überprüfung der Randbedingungen etc.). In diesem ersten Schritt können vor allem Fehler der Zuordnung zu verschiedenen Randbedingungen und Missverständnisse in Bezug auf Definitionen ausgeräumt werden. Ob hingegen die exakte Instandhaltungsintensität sowie realistische Nutzungsdauern beschrieben werden, kann durch diese Überprüfung nicht sichergestellt werden. Dazu wurde in einem zweiten Schritt, dem zeitintensivsten, das betrachtete Netz den entsprechenden Normkilometern zugeordnet, was durch die Daten des Gläsernen Fahrwegs und die Betriebsstatistiken möglich wurde. Diese Zuteilung erlaubt Hochrechnungen der laut Zyklen erforderlichen Arbeiten für einzelne Regionen und schlussendlich das gesamte Netz. Diese sich aus den Arbeitszyklen ergebenden Arbeitsmengen je Instandhaltungstätigkeit können den tatsächlich durchgeführten Arbeiten gegenübergestellt werden; nur wenn dieser Vergleich eine Übereinstimmung zeigt, kann davon ausgegangen werden, dass die vorliegenden Zyklen tatsächlich die reale Situation beschreiben. Bei dieser Überprüfung zeigt sich, dass die Arbeitszyklen, und zwar bei allen Normelementen, anfangs fast ausnahmslos eine etwas zu hohe Instandhaltungsintensität darstellen, und zwar aus einem sehr einfachen Grund: Überlegt ein für ein Gleis oder eine Weiche Verantwortlicher das Instandhaltungserfordernis denkt er automatisch eher an Problembereiche, die ihn häufig beschäftigen als an die vielen Abschnitte, die problemlos funktionieren. Diese Abweichungen konnten beispielsweise durch Gegenüberstellung der Zahlen des Einkaufs verschiedener Ersatzteile mit jenen laut den Auswertungen der Zyklen eingebauten Teilen diskutiert und eliminiert werden. In einem dritten Schritt wurden dieselben Hochrechnungen wiederholt, allerdings nicht auf Basis des Umfangs der einzelnen Arbeiten sondern aus Basis der dazu erforderlichen Budgets, die mit den realen Budgets verglichen
wurden. Diese Schritt verifiziert damit die den weiteren Berechnungen zu Grunde gelegten Kostendaten. Da die Kostendaten gut dokumentiert vorlagen, waren in diesem Fall Korrekturen nicht erforderlich. Insgesamt konnten für den Oberbau Gleise Abweichungen für das Gesamtnetz von wenigen Prozent bezogen auf den kritischen Wert der Arbeitsumfänge erreicht werden, wobei die Genauigkeit der Daten mit der Verkehrsbelastung steigt. Fragen nach Instandhaltungsintensität für eine Strecke mit 150 Zügen täglich je Gleis sind wesentlich exakter zu beantworten als für Strecken mit 10 Zügen pro Tag. Da die Verifikation der Arbeitszyklen auf Hochrechnungen von Normelementen beruht, müssen auch bei den schlussendlich bestätigten Arbeitszyklen bei realen Fällen Abweichungen in gewissen Bandbreiten auftreten. Die Notwendigkeit von Sensitivitätsanalysen der damit noch immer „unsicheren“ Eingangsdaten bleibt damit trotz der Verifikation der Daten der Normkilometer zur Beantwortung der Frage der Übertragbarkeit bzw. der Grenzen der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf reale Abschnitte unbeeinflusst. Am Schluss dieser Überprüfungen und Adaptionen liegen damit Daten vor, die das aktuelle Anlagenmanagement für die untersuchten Normelemente gut beschreiben, die jedoch noch keine Antwort auf die Frage gegeben können, ob ein wirtschaftlich günstigeres Anlagenmanagement möglich wäre. Dennoch werden, vor der Diskussion alternativer Arbeitszyklen und damit neuer Fahrwegstrategien, diese Ist-Daten einer Analyse und auch einer vergleichenden Bewertung unterzogen. 18.3.1.5 Auswertung der Ist-Daten Ziel der Auswertung der Ist-Daten ist das Identifizieren der wesentlichen Kostentreiber um im Zuge der Erarbeitung alternativer Arbeitszyklen und damit Fahrwegstrategien „an den richtigen Schrauben zu drehen“. Da erste Vergleiche die immense Bedeutung der Unterbauqualität für die Lebenszykluskosten zei-
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
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Abb. 18.7 Verteilung der normalisierten Jahreskosten
gen, wird die Analyse der Ist-Daten vorerst für Normkilometer auf gutem Unterbau durchgeführt und die Frage des Unterbaus später gesondert untersucht. Bereits die Ergebnisse dieser Analyse erlaubten sehr konkrete Aussagen und führten zu sofortigen netzweiten Maßnahmen. Die erste Auswertung und gleichzeitig einzige statische Auswertung betrifft die Verteilung der Lebenszykluskosten in Form ihrer normalisierten Jahreskosten (Abb. 18.7) für Gleise auf gutem Unterbau. Die Abbildung zeigt die durchschnittlichen Jahreskosten des Oberbaus für verschieden belastete Normkilometer. Die Jahreskosten setzen sich aus der kalkulatorischen Abschreibung, der durchschnittlichen jährlichen Instandhaltung sowie den durch die Arbeiten verursachten Betriebserschwerniskosten zusammensetzen. Eine analoge Auswertung für Weichen ergibt, bei größeren Streuungen, grundsätzlich dieselben Aussagen. Die Kosten des Oberbaus sinken erwartungsgemäß mit sinkender Verkehrsbelastung. Interessanter ist jedoch die Aufteilung der einzelnen Kostenpositionen. Dabei zeichnet die Kostenposition kalkulatorische Abschreibung – Kapitalbindungskosten sind in dieser Auswertung nicht angesetzt – für den dominanten Teil der Kosten verantwortlich.
Die Dominanz der Abschreibung bedeutet eine wesentliche Weichenstellung für die Zielrichtung aller folgenden Strategieüberlegungen. Die Gesamtkosten des Oberbaus lassen sich durch eine Verlängerung der Liegedauer signifikant senken. Die technische Voraussetzung zur Verlängerung der Liegedauer ist wiederum eine hohe Ausgangsqualität, die sich damit bereits sehr früh als der Schlüssel für erfolgreiche Fahrwegstrategien herausstellt. Neben der Ausgangsqualität ist auch auf die Qualität der Instandhaltung zu achten, weil nur eine adäquate Instandhaltung in der Lage ist, hohe Ausgangsqualitäten tatsächlich in hohe Nutzungsdauern zu übersetzen. Gleichzeitig zeigt die Auswertung, dass eine Reduktion der Instandhaltung nur geringe Einsparungspotenziale erwarten lässt und immer die Gefahr besteht, bei einer zu starken Reduktion der Instandhaltung die Liegedauer negativ zu beeinflussen und damit die Gesamtkosten wesentlich zu erhöhen. Groß ist auch die Bedeutung der Betriebserschwerniskosten, die bei sehr stark belasteten Strecken bis zu einem Drittel der Gesamtkosten erreichen können, aber auch unter günstigen Bedingungen 15% der Gesamtkosten nicht unterschreiten. Damit erreichen Betriebserschwerniskosten auf stark belasteten Strecken, trotz vorsichtiger Bewertung im Maximum das doppelte Niveau der
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
eigentlichen Instandhaltungskosten (exklusive Inspektion), zumindest jedoch Kosten, die denen der Instandhaltung entsprechen. Diese Auswertung war Beweggrund zur kritischen Hinterfragung von Oberbau bedingten Dauerlangsamfahrstellen. Eine entsprechende Auswertung zeigte die Unwirtschaftlichkeit von Dauerlangsamfahrstellen, da die sich dabei ergebenden Betriebserschwerniskosten die erzielbaren Einsparungen durch Verschieben von Instandhaltungsmaßnahmen bei weitem übertreffen, und zwar sowohl auf Hauptstrecken als auch auf Ergänzungsstrecken. Dieses Ergebnis führte zu einem Programm zur Beseitigung von Langsamfahrstellen, in Zuge dessen zwischen 1996 und 1999 rund die Hälfte der Dauerlangsamfahrstellen beseitigt werden konnten. In einzelnen Fällen, haben sich diese Maßnahmen in weniger als zwei Jahren amortisiert. Betriebserschwerniskosten stellen sich damit für das Anlagenmanagement als entscheidungsrelevant heraus und dürfen daher im Sinn der Zielsetzung der Systemoptimierung keineswegs außer Acht gelassen werden. Dass der Anteil der Betriebserschwerniskosten mit sinkender Verkehrsbelastung stark abfällt und bei Nebenbahnen tatsächlich vernachlässigbare Größenordnungen erreichen, liegt in der Natur der Sache. Mittels Gegenüberstellungen verschiedener Arbeitszyklen lassen sich auch die wesentlichen Kostentreiber identifizieren. Es sind dies, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung – die Unterbauqualität, – die Ausgangsqualität, – die Weichendichte, – die Trassierungsradien, – die Betriebserschwerniskosten, – die Verkehrsbelastung und – die Qualität des Rollenden Materials [18.11]. Der Längsneigung der Strecken kommt bei den im Eisenbahnwesen generell geringen zulässigen Werten relativ geringe Bedeutung zu. Bei Bergstrecken sind in Österreich i.d.R. die Krümmungsverhältnisse, also die Trassie-
rungsradien, trotz Neigungen von rund 25‰ und mehr für die Oberbaukosten kritischer als die Längsneigung. 18.3.1.5.1 Unterbauqualität Gegenüberstellungen von Normkilometern auf verschiedenen Unterbauqualitäten zeigen eine immense Bedeutung der Unterbauqualität (wie bereits beschrieben, werden darunter nicht nur Materialkennwerte verstanden, sondern es wird auch der Frage einer geregelten Wasserableitung besondere Gewichtung zugesprochen). Die beiden Eckwerte der Vergleiche liefern zum einen Normkilometer schwach belasteter Nebenbahnen (Gleisbelastung 2000 Bt/Tag), zum anderen Normkilometer einer stark belasteten Hauptstrecke (Gleisbelastung 80.000 Bt/Tag). In beiden Fällen liegen Normkilometer für alle Unterbauqualitäten vor. Für schwach belastete Normkilometer zeigt der Vergleich für den Normkilometer auf sehr schlechtem Unterbau die 2,3 fachen Lebenszykluskosten jenes auf gutem Unterbau. Dieser Wert ist umso bemerkenswerter, als er sich nicht auf die Instandhaltungskosten, sondern die gesamten Lebenszykluskosten, also inklusive Investition, bezieht. Dennoch wird dieser Wert beim analogen Vergleich innerhalb stark belasteter Normkilometern noch bei weitem übertroffen: der stark belastete Normkilometer führt auf sehr schlechtem Unterbau im Vergleich zum selben Normkilometer bei derselben Belastung aber auf gutem Unterbau zu den 8 (!) fachen Lebenszykluskosten. Da Weichen in ihrer Lagegenauigkeit kritischer als freie Streckengleise sind, ist der Einfluss der Unterbauqualität bei Weichen sogar noch etwas höher als bei Gleisen. Diese dramatischen Ergebnisse erzwingen detaillierte Untersuchungen der Wirtschaftlichkeit von Unterbausanierungen. Dazu werden die Arbeitszyklen von Normkilometern auf Unterbau verschiedenen Qualitätsniveaus gegenübergestellt. Da der gute Unterbau jedoch erst erstellt werden muss, wird im Arbeitszyklus des Normkilometers auf gutem
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
891
Tabelle 18.3 Interne Zinssätze von Unterbausanierungen Bt/Tag 80.000 50.000 35.000 18.000 10.000
Weiche EW 500, Schiene
Unterbauqualität sehr schlecht („5“)
schlecht („4“)
ausreichend („3“)
60E1 60E1 54E2 54E2 49E1
42,6% 38,4% 37,6% 20,1% 16,0%
23,8% 27,2% 30,8% 18,4% 14,3%
6,6% 9,3% 10,4% 3,2% 3,1%
Unterbau eine Unterbausanierung eingeführt. Anschließend werden sämtliche Arbeiten der Zyklen inklusive der durch sie verursachten Betrieberschwernisse sowie der Mängelbehebung in ihren Kosten ausgedrückt und damit der Arbeitszyklus in Zahlungsströme übergeführt und anschließend die Differenz der Zahlungsströme der beiden zu vergleichenden Normkilometer gebildet. Mittels Reinvestition und Restwertberücksichtigung kann nun der Interne Zinssatz für diesen Differenzzahlungsstrom bestimmt werden. Dieser Interne Zinssatz gibt damit an, mit welchem Zinssatz sich die für die Unterbausanierung eingesetzten Mittel durch die positiven Auswirkungen auf Liegedauer und Instandhaltungsintensität refinanzieren. Beispielhaft sind diese Internen Zinssätze für Unterbausanierungen von Weichen, durchgeführt zum Zeitpunkt der Weichenneulage, angegeben. Die Ergebnisse für Gleise lieferten ähnlich hohe Werte, womit sich die Sanierung unzureichender Unterbauqualitäten als die ökonomisch mit Abstand wirtschaftlichste Maßnahme herausstellt. Die Konsequenz war eine Intensivierung der Unterbausanierungen im Zuge von Reinvestitionen beginnend mit dem Ende der 1990er Jahre. Die Eindeutigkeit der Ergebnisse führt auch zu einer weiteren wesentlichen Grundsatzentscheidung: Für Strecken auf nicht zufrieden stellendem Unterbau werden keine Instandhaltungsstrategien erarbeitet, da diese keinesfalls geeignet sein können, die durch schlechten Unterbau resultierenden Mehrkosten auszugleichen, allerdings die Gefahr in sich bergen
würden, wirtschaftlich sinnvolle Unterbausanierungen zu konterkarieren. Aus diesem Grund beschäftigen sich alle weiteren Arbeiten für Fahrwegstrategien mit Strecken auf gutem Unterbau, ist dieser nicht vorhanden, so ist er im Zuge der nächsten planmäßigen Reinvestition herzustellen. In besonderen Fällen (sehr schlechter Unterbau, starke Verkehrsbelastung) ist es anzustreben, die Reinvestition mit gleichzeitiger Unterbausanierung vorzuziehen. Es ist in diesem Zusammenhang nochmals auf die Definition der Unterbauqualitäten hinzuweisen, die das Gesamtverhalten des Unterbaus als Basis hat, und damit zu einem gewichtigen Teil die Aspekte der Wasserableitung im Bahnkörper inkludiert. Die obigen Aussagen zeigen damit, dass Instandhaltungsarbeiten wie Drainagepflege oder Randwegpflege, also Maßnahmen, die einer geordnete Wasserableitung dienen, eine sehr hohe Bedeutung beigemessen werden sollte, da ein Vernachlässigen dieser Arbeiten zu schlechten Unterbauverhältnissen führt und bei längerfristigen Vernachlässigen diese Verschlechterung des Unterbaus irreversibel ist, d.h. durch eine spätere Drainagepflege nicht saniert werden kann. 18.3.1.5.2 Ausgangsqualität Der bereits erläuterte strikte Zusammenhang zwischen Ausgangsqualität und Instandhaltungsintensität sowie Liegedauer kann sowohl durch die Normkilometer als auch durch die Daten des Gleismesswagens bestätigt werden. Damit liegt ein weiteres sehr starkes Indiz für
892
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.8 Kritische Investitionskosten Oberbau
ein Anlagenmanagement vor, dass die technisch wirtschaftliche Optimierung durch hohe Qualitätsniveaus zu erreichen versucht. Vergleiche von Normkilometern mit schwererem oder innovativem Oberbau zeigen, dass ein nennenswerter wirtschaftlicher Spielraum für derartige Oberbauformen besteht. Die entsprechenden Grenzwerte, die kritischen Investitionskoten sind in Abb. 18.8 in Abhängigkeit der erreichbaren Verlängerungen der Liegedauer dargestellt. Es zeigt sich, dass qualitativere Oberbauformen höhere Investitionskosten rechtfertigen, wenn ihr Einsatz zu einer Verlängerung der Liegedauer führt. Die Auswertung der kritischen Zusatzkosten für den Oberbau in Abhängigkeit der dadurch erwartbaren Liegedauerverlängerung bestätigt die vorigen Aussagen. Gelingt es nicht die Liegedauer zu verlängern, sondern nur Instandhaltungskosten zu reduzieren, bleibt der wirt-
schaftliche Spielraum mit 4% gering. Andererseits steigen die kritischen Werte mit steigender Liegedauerverlängerung überproportional. Auf zwei reale Auswirkungen dieser Erkenntnisse wird in Stufe 2 näher eingegangen. 18.3.1.5.3 Weichendichte Weichen sind teuer – eine Aussage ohne Neuigkeitswert, die Schärfe der Daten allerdings doch: 1 m Weiche im durchgehenden Hauptgleis verursacht dieselben durchschnittlichen jährlichen Lebenszykluskosten wie 11 m Gleis. Dieser Wert basiert auf Standardweichen in der Geraden, wobei er mit dem Abzweigradius der Weiche leicht variiert, generell gilt, je größer die Weiche desto günstiger im Vergleich. Diese Vergleichszahlen sind von Normkilometer und damit Streckenbelastung weitgehend unabhängig.
Tabelle 18.4 Vergleich der Lebenszykluskosten Gleis–Weiche Weiche
entspricht auf Basis LCC m Gleis
Länge im Hauptgleis
Faktor
EW 190, 1 : 9 EW 300, 1 : 9 EW 500, 1 : 12 EW 1200, 1 : 18,5
340 m 380 m 450 m 650 m
27 m 34 m 42 m 66 m
12,6 11,2 10,7 9,8
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
18.3.1.5.4 Trassierungsradius Durch die Unterteilung der Normkilometer in Radienklassen, kann der Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Oberbaus und dem Trassierungsparameter Radius dargestellt werden. Allein die Arbeitszyklen (Abb. 18.9) zeigen die Abhängigkeit der Liegedauer des Oberbaus, der erforderlichen Instandhaltungsintensität für die Gleislagekorrektur und Schienenschleifen von den Krümmungsverhältnissen, bei engen Radien die Notwendigkeit zusätzlichen Schienenwechselns und Zwischenlagenwechselns sowie bei sehr engen Radien die sich wegen des Stoßlückengleises ergebenden spezifischen Instandhaltungserfordernisse. Diese Abhängigkeiten spiegeln sich in den Kostenzusammenhängen (Abb. 18.10) wider, wobei sich der Radienbereich von 300 m bis 400 m als jener Grenzbereich herausstellt,
893
bei dessen Unterschreiten die Kosten massiv ansteigen, während größere Radien als 600 m praktisch keine Auswirkungen auf das Kostenbild haben. Dazu ist zu sagen, dass das Phänomen der Oberflächenschäden, mit einer Häufung bei Radien von rund 1500 m in Österreich noch kein typisches Schadensbild darstellt [18.12]. Dies dürfte auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein, wie – konsequentes Schleifen von Neuschienen mit Herstellen einer günstigen Berührgeometrie, – konstant gute Gleislagequalität auch durch den standardisierten Einsatz des Dynamischen Gleisstabilisators, – intensives Schleifprogramm in engen Bögen, teilweise asymmetrisches Schleifen, teilweise Herstellen der „balligen Schiene“ und damit positiver Beeinflussung der Berührgeometrie,
Abb. 18.9 Arbeitszyklen Oberbau in Abhängigkeit der Trassierungsradien
894
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.10 Lebenszykluskosten Oberbau in Abhängigkeit der Trassierungsradien
– elastischer Oberbau mit relativ hohen Einsenkungswerten unter dem Rad, – praktisch keine Langzeiterfahrung mit Geschwindigkeiten über 200 km/h, – Ausrüstung aller Triebfahrzeuge mit Spurkranzschmierung, – Einsatz von Triebfahrzeugen mit sehr hohen Antriebsleistungen und entsprechenden Schlupfwerten erst seit wenigen Jahren, – Einbau von kopfgehärteten Schienen in Radien unter 300 m und als kritisch erkannten Bereichen. Welche dieser Faktoren nun tatsächlich ausschlaggebend sind, die Konsequenz ist, dass Oberflächenschäden mit dem erfahrungsbasiertem Modell derzeit nicht abgebildet werden können. 18.3.1.5.5 Betriebserschwerniskosten Da, wie bereits diskutiert, die Betriebserschwerniskosten bei hohen Streckenbelastungen auf zweigleisigen Strecken bis zu einem Drittel der Jahreskosten ausmachen können, 15% jedoch auch unter günstigen Bedingungen auf derartigen Normkilometern nicht unterschreiten,
sind sie jedenfalls ein relevanter Kostentreiber und daher in der Baustellenplanung zu berücksichtigen. 18.3.1.5.6 Verkehrsbelastung Die Oberbaukosten steigen mit der Verkehrsbelastung an, der Anstieg ist jedoch moderat, wie bereits die Abbildung der Oberbaukosten für verschiedene Radienklassen zeigt. Erst bei kleineren Radien gewinnt die Verkehrsbelastung an Bedeutung. Dieser Zusammenhang setzt jedoch voraus, dass der vorliegende Oberbau für die steigende Verkehrsbelastung grundsätzlich technisch geeignet ist; andernfalls ergeben sich sprungfixe Kosten zufolge einer erforderlichen Reinvestition, die bestenfalls durch hohe Instandhaltungsintensität auf der Zeitachse verschoben werden kann. 18.3.1.5.7 Qualität des rollenden Materials Untersuchungen zur Kostenrelevanz unterschiedlicher Konstruktionsprinzipien von Triebfahrzeugen bestätigen mit einem Einfluss der Lebenszykluskosten von ± 5% die Bedeutung der Qualität des rollenden Materials auf
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
895
Abb. 18.11 Lebenszykluskosten Oberbau in Abhängigkeit verschiedener Triebfahrzeuge
die Kosten des Oberbaus. In Abb. 18.11 sind die Abweichungen bezogen auf das Triebfahrzeug E1044 der ÖBB dargestellt. Dieser Einfluss ist umso bemerkenswerter als hier nur unterschiedliche Qualitätsniveaus von neuen Triebfahrzeugen bewertet wurden und damit Zusatzbelastungen beispielsweise durch Flachstellen noch gar nicht in die Beurteilung eingehen. Dieser Zusammenhang hat mit 1. 1. 2005 Eingang in das Infrastrukturbenützungsentgelt der ÖBB gefunden, das in Abhängigkeit der Rad-Schiene Kräfte von Triebfahrzeugen im Neuzustand die Triebfahrzeuge klassifiziert und im Rahmen eines aufwandsneutralen Bonus-Malus-Systems für Triebfahrzeuge mit günstigen Laufeigenschaften (geringe Achslast aber auch geringe ungefederte Massen und damit geringere dynamische Belastung des Oberbaus, Qualität der Radialeinstellbarkeit der Achsen in Kurven und damit gute Kurvenlauffähigkeit) die Benützungsgebühr reduziert, für Fahrzeuge mit ungünstigen Laufeigenschaften jedoch erhöht. Die Berechnungsformel für die Bewertungsziffer sowie die Kostensätze des Bonus-Malus-Systems sind dem aktuellen Network Statement der ÖBB [18.13] zu entnehmen.
18.3.1.6 Erarbeitung von Fahrwegstrategien Die Ergebnisse der Analyse der Kostentreiber können für Gleise und Weichen in sehr einfacher Weise zusammengefasst werden: – Eine hohe Ausgangsqualität des Oberund Unterbaus ist der Schlüssel zum Erfolg. – Fahrwegstrategien sollten auf eine Verlängerung der Liegedauer abzielen. Damit ist Qualitätssteigerung als die wirtschaftlich Erfolg versprechende Stoßrichtung von Fahrwegstrategien identifiziert. Im Rahmen der wirtschaftlichen Bewertungen wurden diese noch sehr generellen Aussagen für die verschiedenen Normkilometer und Normweichen sowohl im Bereich Investition als auch Instandhaltung spezifiziert. Dazu wurden die Arbeitszyklen der Normkilometer für verschiedene Oberbauvarianten, wie Schienenprofile (Abb. 18.12), Schienengüten und Schwellenarten erarbeitet und wirtschaftlich gegenübergestellt. Die Bestimmung der Annuitäten kann auf Basis der sich aus den Zyklen ergebenden Zahlungsströme direkt erfolgen. Für die Berechnung des Internen Zinssatzes der Zusatzinve-
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.12 Arbeitszyklen Oberbau für verschiedene Schienenprofile
stition ist der kürzere Zyklus durch Ansetzen einer weiteren Neulage und Berücksichtigung des Restwerts auf die größere Liegedauer auszudehnen. Die beiden dargestellten Arbeitszyklen wurden für einen Normkilometer erarbeitet, der durch folgende Angaben charakterisiert werden kann: es handelt sich um eine 2-gleisige Strecke mit Radien zwischen 400 m und 600 m und einer täglichen Gleisbelastung von 80.000 Bt, wobei in einem Fall Schienen des Profils 60E1, im anderen Schienen des Profils 49E1 eingebaut sind. Dieser Unterschied wirkt sich in unterschiedlichem Stopfbedarf und abweichender Liegedauer aus, zudem ist wegen Erreichen der Grenzwerte der Dauerfestigkeit der Schiene 49E1 ein zusätzlicher Schienenwechsel einzuplanen. Die Gegenüberstellung der verschiedenen Optionen für die verschiedenen Normkilometer bzw. Normweichen erlaubt die Bestimmung der für die verschiedenen Randbedingungen günstigsten Option, womit die Investitionsstrategie formuliert werden kann. Dass sowohl im Zug der Investitionsstrategien als auch der Instandhaltungsstrategien in keinem Fall sicherheitskritische Strategien in die Untersuchung Eingang gefunden haben, sei als Selbstverständlichkeit nur am Rande erwähnt.
Auf einen Widerspruch der Arbeitszyklen, sei noch hingewiesen. Nach Aussagen der Instandhaltungsverantwortlichen werden Gleise und Weichen zuständigkeitsabhängig gewartet. Gleichzeitig ist das nicht lineare Qualitätsverhalten unumstritten. Diese beiden Aussagen müssten zu sich stetig verkürzenden Eingriffsintervallen führen, die Analysen zeigen jedoch generell oder zumindest über weite Zeiträume konstante Zeitabstände zwischen Instandhaltungsmaßnahmen gleicher Art. Damit muss die effektive Zustandsabhängigkeit der gegenwärtig praktizierten Instandhaltung angezweifelt werden, Zweifel die erst im Rahmen der Arbeiten zur Entwicklung der Gleislagequalität ausgeräumt werden konnten. 18.3.1.6.1 Ergebnisse: grundlegende Investitionsstrategien Im Hauptnetz (Gleisbelastungen > 6,5 Millionen Jahrestonnen) bei Radien größer 250 m sprechen alle Ergebnisse für den Einsatz eines Oberbaus mit durchgehend verschweißten Schienen des Profils 60E1 auf Betonschwellen. Für Radien kleiner 250 m sprechen die Ergebnisse tendenziell für den Einsatz eines Oberbaus mit leichteren Schienen der Profile 54E2 oder 49E1 auf Holzschwellen.
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
Bei Radien unter 350 m bzw. Abschnitten mit massivem Seitenverschleiß und/oder Oberflächenschäden kommen kopfgehärtete Schienen zum Einsatz, eine Erweiterung des Einsatzgebiets auf Radien unter 500 m wird angestrebt. Die Strategien im Ergänzungsnetz entsprechen bei Verkehrsbelastungen über 10 Millionen Jahrestonnen jenen den Hauptnetzes, bei Gleisbelastungen zwischen 3 und 10 Millionen Jahrestonnen erfolgt der Übergang auf altbrauchbare Schienen aber neue Schwellen, bei Gleisbelastungen unter 3 Millionen Jahrestonnen werden altbrauchbare Schienen und altbrauchbare Betonschwellen oder neue Holzschwellen eingebaut. Bei Nebenbahnen ist das Ziel durch Ausbau und Austausch exotischer Formen als Standard Altstoffe einzubauen, wobei primär Schienen der Form 49E1 zum Einsatz kommen. Weichen werden grundsätzlich in den analogen Schienenformen und jedenfalls auf den entsprechenden Schwellen verlegt, wobei bei neuen Weichen generell Mangangussherz-
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stücke (Ausnahme Weichen mit Schienen der Form 49E1) und kopfgehärtete Zungenvorrichtungen eingesetzt werden. Die Auswertungen unterstützen die Entwicklung von Betonschwellen für Weichen der Schienenform 54E2. Die Ergebnisse hängen weder vom Niveau der Lohnkosten oder der Betriebserschwerniskosten, noch vom realen kalkulatorischen Zinssatz ab und sind daher auf Bahnen mit gleichen technischen Randbedingungen auch bei unterschiedlichen Kostenstrukturen übertragbar. Die weitgehende Unabhängigkeit vom Lohnkostenniveau wurde durch die Variation der Lohnkosten von 15% des österreichischen Niveaus auf 200% nachgewiesen, die Unabhängigkeit von den angesetzten Betriebserschwerniskosten wurde sogar für eine Variationsbreite von 0% bis 500% überprüft. Für die kalkulatorischen Zinssätze wurde die Stabilität der Ergebnisse bei einem Zinssatz von 0% nachgewiesen, der kritische Wert für hohe Zinssätze mit real 20% als irrelevant identifiziert. Die
Tabelle 18.5 Investitionsstrategie ÖBB [18.13] Netzkategorie A (Hauptnetz)
Netzkategorie B (Ergänzungsnetz)
Netzkategorie C (Nebenbahnen)
Gleisränge a und b Schwellenabstand 600 mm Neustoffe R t 250 m Schiene 60E1 auf Betonschwellen Weichen 60E1 auf Betonschwellen bei V > 200 km/h mit beweglichem Herz R < 250 m Schiene 54E2, (49E1) auf Holzschwellen für Radien < 350 m und Bereiche mit massivem Seitenverschleiß und/oder Oberflächenschäden kopfgehärtete Schienen
Gleisränge a und b Schwellenabstand 600 mm
Gleisränge a, b und c Schwellenabstand 650 mm Altstoffe Schienen 49E1 (54E2) Weichen analog
Gleisrang c Schwellenabstand 650 mm Altstoffe Schiene 54E2, (49E1) Weichen analog
Belastung > 10 Millionen Jahrestonnen analog Hauptnetz Belastung zwischen 3 und 10 Millionen Jahrestonnen Schiene 60E1 vorzugsweise altbrauchbar auf Betonschwellen oder Schiene 54E2 bzw. 49E1 neu Weichen analog Belastung < 3 Millionen Jahrestonnen Schiene 54E2 (49E1) alt, Schwellen Beton alt oder Holz neu Weichen analog Gleisrang c Schwellenabstand 650 mm Altstoffe Schiene 54E2, (49E1) Weichen analog
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Unabhängigkeit von Lohnkosten, Betriebserschwerniskosten und kalkulatorischen Zinssätzen gilt für den Vergleich verschiedener Arbeitszyklen untereinander und damit für die Auswahl der anzuwendenden Strategie, d.h. in diesem Fall der einzusetzenden Stoffe. Bei der Bestimmung optimierter Arbeitszyklen wirken sich die angesprochenen Einflussgrößen natürlich aus: die Lohnkosten in Bezug auf den anzustrebenden Grad an Mechanisierung der Oberbauarbeiten, die Betriebserschwerniskosten auf die Leistungsfähigkeit der einzusetzenden Maschinen und die kalkulatorischen Zinsen vor allem auf die akzeptablen Kosten der Gleisneulage, das alles jedoch ohne die aus wirtschaftlicher Sicht zu bevorzugenden Stoffe zu beeinflussen. Der Forderung nach hoher Ausgangsqualität wird bei Strecken mit hoher Verkehrsbelastung (Haupt- und Teile des Ergänzungsnetzes) erforderlichenfalls durch eine schienengebunden durchgeführte Unterbausanierung sowie grundsätzlich den Einsatz von kontinuierlich arbeitenden Gleisumbaumaschinen, den standardisierten Einsatz des Dynamischen Gleisstabilisators nach dem Stopfen, dem Verschweißen und Schleifen der Neuschienen als Teil der Neulage, sowie einem nach einem halben Jahr bis einem Jahr nach Neulage durchgeführten Stabilisierungsstopfen entsprochen. Beim bei geringeren Verkehrbelastungen vorgesehenen Einsatz von Schienen und Schwellen in Zweitlage wird die hohe Ausgangsqualität durch eine zentrale Qualitätskontrolle der altbrauchbaren Stoffe sichergestellt. Bei Weichen wird dem Unterbau eine noch verstärkte Bedeutung beigemessen, indem bei Weichenneulagen Unterbausanierungen grundsätzlich vorzusehen sind, außer sie sind nachweislich nicht erforderlich. Auf neue Entwicklungen zur weiteren Steigerung der Ausgangsqualität durch neue Schwellen bzw. Schwellenbesohlungen wird später eingegangen. Eine banal klingende, aber durch Betriebsbedingungen nicht immer einfach umsetzbare Strategie ist es, nur Streckeabschnitte in denen
die Arbeiten zur Gänze abgeschlossen sind, in Betrieb zu nehmen und damit Provisorien auf Zeit zu verhindern. Mittels Messschrieben kann eindrücklich gezeigt werden, dass z.B. eine grundsätzlich hohe erreichbare Ausgangsqualität durch das in Betrieb nehmen der Strecke mit verlaschten Schienen und erst späterem Verschweißen eine deutlich reduzierte Ausgangsqualität zur Folge hat, die sich über die gesamte Liegedauer in immer wieder auftretenden Einzelfehlern an den Schweißstellen äußert. 18.3.1.6.2 Ergebnisse: grundlegende Instandhaltungsstrategien Vor Definition neuer Instandhaltungsstrategien sind die bei der Erarbeitung der Zyklen angesetzten Arbeitshypothesen zu überprüfen. Zur Überprüfung der Philosophie einer Gleisneulage mit anschließender Instandhaltung im Gegensatz zu einem permanenten Einzelteilewechsel werden diese beiden Strategieansätze miteinander verglichen. Da für stark belastete Strecken zufolge der erreichbaren Qualitäten permanenter Teilewechsel nicht in Frage kommt, wurde der Vergleich für eine schwach belastete eingleisige Nebenbahn mit nur 2000 Bruttotonnen täglicher Gleisbelastung durchgeführt. Auch für diese Situation stellt sich eine zyklische Instandhaltung als die wirtschaftlichere Option heraus, mit der einen Einschränkung, dass sich die Gleisneulage von den untersuchten Normkilometern abhängig erst nach 15 bis 20 Jahren amortisiert, eine Dauer die deutlich kürzer ist als die Liegedauer des Oberbaus in derartigen Normkilometern. Dennoch birgt dieses Ergebnis eine Unsicherheit, nämlich die Frage, ob die Nebenbahn in 20 Jahren überhaupt noch existent sein wird. Aus dieser Überlegung ergibt sich die einzige Anwendung für die Strategie des permanenten Einzelteilewechsels, nämlich das Überbrücken einer Zeitspanne bis zur endgültigen Einstellung eines betrachteten Streckenabschnitts. Damit kann jedoch gleichzeitig die grundlegende Strategie einer auf Investition und anschließender Instand-
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
haltung basierenden Fahrwegstrategie bestätigt werden. Die zweite zu überprüfende Hypothese besagt, dass die wirtschaftliche Liegedauer bei Strecken auf gutem Unterbau durch das Schotterbett bestimmt wird. Zur Überprüfung dieser Hypothese werden Zyklen diskutiert, bei denen am Ende der so definierten Liegedauer eine Schotterbettreinigung vorsehen ist, wodurch eine Verlängerung der Liegedauer erreicht werden kann. Die Frage ist nun, ob die Verlängerung der Liegedauer ausreicht, um die Schotterbettreinigung wirtschaftlich zu rechtfertigen. Die Abschätzung der Fachleute, wonach durch eine Schotterbettreinigung mit einer Verlängerung der Liegedauer des Oberbaus um 25% zu rechnen sei, stellt sich als nicht ausreichend heraus, die Kosten einer Schotterbettreinigung zu rechtfertigen. Daher wurde im Rahmen einer Sensitivitätsanalyse mittels der Methode der kritischen Werte jene Liegedauerverlängerung bestimmt, die zu einem wirtschaftlich stabil positiven Ergebnis (Basis: IRR = 5%) führt. Diese zu fordernde Verlängerung der Liegedauer beträgt 50%, ein Wert der als nicht realistisch angesehen wird und gleichzeitig einen zusätzlichen Schienenwechsel erfordern würde, der den kritischen Wert über die 50% hinaus anwachsen lässt. Für Weichen ergab die Überprüfung dieser Hypothese zwar geringere erforderliche, auf die Schotterbettreinigung zurückzuführende Verlängerungen der Liegedauer, die jedoch mit Werten von zumindest 32% ebenfalls als unrealistisch eingestuft werden müssen. Damit kann sowohl für Gleise als auch für Weichen die Hypothese der Limitierung der Liegedauer durch das Schotterbett beim Einsatz guter Schotterqualitäten und für Strecken auf gutem Unterbau bestätigt werden. Diese Auswertung führte zu zwei Konsequenzen. Zum einen wurde die Schotterbettreinigung auf Ausnahmefälle, wie Abschnitte mit Unterbauproblemen oder Sonderfälle (erhöhte Verschmutzung des Schotterbetts durch Windfracht etc.) reduziert, ohne jedoch die Schotterbettreinigung als integralen Bestandteil der
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Gleis- bzw. Weichenneulage in Frage zu stellen. Zum anderen wurden die Forschungsaktivitäten zur Entwicklung von Schotterbett schonenden Oberbautypen verstärkt. Für schwach belastete Strecken wurde untersucht, ob ein konzentrierter Einzelschwellenwechsel zur Verlängerung der Liegedauer geeignet sein kann. Für diesen Ansatz konnte ein Einsatzbereich bei Strecken mit einer Verkehrsbelastung unter 5000 Tonnen pro Tag identifiziert werden, wenn bei derartigen Strecken beispielsweise die Schwellen in engen Bögen getauscht werden, um damit die Liegedauer des Oberbaus in größeren Abschnitten zu verlängern. Für stärker belastete Strecken sollte Einzelschwellenwechsel ein in Einzelfällen notwendiges Übel bleiben und keineswegs eine Strategie darstellen. Für Weichen in stark belasteten Strecken kann der Wechsel des Schwellensatzes nicht vorgeschlagen werden, da die Fahrbahn der Weiche bei starker Verkehrsbelastung zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Wechsel des Schwellensatzes erforderlich wird, keine ausreichenden Verschleißreserven mehr aufweist. Bei Weichen in schwach belasteten Strecken auf Holzschwellen stehen diese Verschleißreserven jedoch zur Verfügung, womit sich der Wechsel des Schwellensatzes in diesen Fällen als eine die Liegedauer verlängernde und damit wirtschaftliche Maßnahme herausstellt. Das grundsätzliche Ziel, von längeren zusammenhängend zu bearbeitenden Abschnitten folgt allein aus der damit erreichbaren Effizienzsteigerung des Maschineneinsatzes, wobei das monetäre Bewerten von Betriebserschwerniskosten hier eine streckenspezifische Optimierung erlaubt. Als Negativszenario wurde auch das Szenario einer deutlichen Instandhaltungsreduktion, sowohl für Weichen als auch für Gleise, untersucht. Beide Fälle stellen sich als extrem unwirtschaftlich dar, da die Reaktion des Oberbaus bzw. der Weiche auf eine unzureichende Instandhaltung nur eine Reduktion der Liegedauer sein kann. Wenn die Alarmsignale, wie eine deutlich beschleunigte Verfallskurve nach
900
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
den Instandhaltungsmaßnahmen erkannt werden, ist es jedoch meist nicht mehr möglich, die Liegedauerreduktion durch dann wieder intensivierte Instandhaltungsmaßnahmen zu verhindern. In den einfach erzielbaren Einsparungen und dem langsamen, anfangs kaum merkbaren Reagieren des Oberbaus auf unzureichende Instandhaltung gleichzeitig aber dem unwiderruflichen Verlust an Liegedauer („Gedächtnis des Gleises“), liegt die Gefahr der Strategie der Reduktion der Instandhaltung. Das Herantasten an die gerade noch akzeptable Reduktion der Instandhaltung in der Praxis und damit das Identifizieren der eigentlich nicht erforderlichen Instandhaltung, die bei Wegfall nicht automatisch zu einer Verkürzung der Liegedauer führt, ist auch ohne Unterschreiten erforderlicher Sicherheitsstandards mit einem hohem wirtschaftlichem Risiko verbunden und kann daher nicht empfohlen werden. Verschiedene Analysen und Diskussionen erlaubten bereits in der Stufe 1 die Formulierung grundsätzlicher Fahrwegstrategien, zeigen aber gleichzeitig die Grenzen dieser Methodik auf. So zeigt der Vergleich verschiedener Handlungsalternativen, dass das Instandhalten eines Gleises nahe den sicherheitsrelevanten Grenzwerten zu häufigen, schwer abstimmbaren Instandhaltungsmaßnahmen führt und allein aus diesem Grund nicht wirtschaftlich ist. Die Eingriffsschwelle stellt damit offensichtlich eine für eine weitergehende Optimierung von Fahrwegstrategien bedeutende Stellschraube dar. Diese kann jedoch durch Auswertungen der Erfahrung allein nicht exakt genug gefasst werden. Durch den Vergleich der Instandhaltungsintensitäten verschiedener Normkilometer konnten die Stopfintervalle in Teilen des Netzes reduziert werden, ohne Gefahr zu laufen, die Liegedauer zu verkürzen. Gleichzeitig legen verschiedene Beobachten nahe, die Stopfintensität weiter zu reduzieren, jene für das Schienenschleifen aber zu erhöhen. Ein optimaler Stopfzyklus oder Schleifzyklus kann
jedoch auf Basis der Vergleiche verschiedener Zyklen nicht eruiert werden. Die Identifikation nicht der wirtschaftlicheren sondern der wirtschaftlichen Instandhaltungszyklen ist der maßgebliche Grund für den Versuch einer mathematischen Beschreibung und damit Prognose des Gleisverhaltens, die praktisch zeitgleich mit der Stufe 1 des Projekts Strategie Fahrweg gestartet wurde.
18.3.2 Forschungen zum Qualitätsverhalten des Oberbaus Forschungen zum Qualitätsverhalten stehen am Anfang vor der Frage, was eigentlich wirklich unter Qualität des Oberbaus zu verstehen ist und später, welches Qualitätsniveau anzustreben sei. Aus Kundensicht sind der Fahrkomfort und damit die Gleislagequalität das wesentliche Qualitätskriterium, aus Sicht der Verantwortlichen ist die Einhaltung von sicherheitsrelevanten Grenzwerten, wie denen für Verwindung und Spurweite, oberstes Gebot. Die Arbeiten zur Optimierung der Fahrwegstrategien beschäftigen sich grundsätzlich nicht mit sicherheitsrelevanten Grenzwerten, da bei deren Überschreiten nicht Strategien sondern das rasche Setzen von Maßnahmen erforderlich ist. Da das Bekämpfen von kritischen Zuständen allein wegen der geringen Planbarkeit der Maßnahmen nicht das Ziel der Optimierung von Fahrwegstrategien sein kann, vielmehr alle bisherigen Auswertungen die Bedeutung eines stabilen hohen Qualitätsniveaus unterstreichen, schließt bei einer ideale Anwendung optimierter Fahrwegstrategien das Überschreiten von sicherheitsrelevanten Zuständen aus. Da Idealzustände aber die unangenehme Eigenschaft haben, zumindest nicht zur Gänze real zu sein, darf die Implementierung von verbesserten Fahrwegstrategien keinen negativen Einfluss auf die Messung und Auswertung sicherheitsrelevanter Gleisdaten haben.
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
Für die Beschäftigung mit Fahrwegstrategien bleibt damit die Gleislagequalität der relevante Qualitätsbegriff. 18.3.2.1 Gleislagequalität Die Identifikation der Gleislagequalität als wesentliche Einflussgröße muss sofort die Frage nach dem Messen der Gleislagequalität nach sich ziehen, und diese wiederum die Frage nach der Analyse der Messdaten und deren sinnvolle Aufbereitung. Fehler in der Gleislage werden nicht in jedem Fall als störend empfunden, z.B. wenn das Gleis parallel zu einer Solllage liegt. Sie werden erst empfunden, wenn das Fahrzeug waagrechte, senkrechte oder drehende Lageveränderungen mitmachen muss, wobei diese in einem schnell fahrenden Fahrzeug stärker empfunden werden als in einem langsam fahrenden, weil im ersteren die Lageveränderungen rascher vor sich gehen, die Beschleunigungen daher größer sind. Die Beschleunigungen selbst sind dennoch als Maß zur Beschreibung der Qualität nicht verwendbar, da auch im idealen Gleis im Bogen Beschleunigungen zufolge des Überhöhungsfehlbetrags auftreten, ohne dass es sich dabei um einen Lagefehler im Bogen handelt. Aus diesem Grund wird die Differenz der Beschleunigungen als Bewertungsgröße herangezogen. In Österreich ist die entsprechende Qualitätsziffer die MDZ-Ziffer, die ursprünglich zur Einsatzplanung mechanisierter Durcharbeitungszüge entwickelt wurde. Das Gleisanalysesystem verfolgt dazu die räumlichen Beschleunigungsdifferenzen am Fahrzeugschwerpunkt, wobei ein weitgehend vereinfachtes Fahrzeugmodell verwendet wird. Aus der berührungslos vermessenen Gleisgeometrie wird mathematisch durch Einbeziehung der Fahrgeschwindigkeit in Form der zulässigen Streckenhöchstgeschwindigkeit ein Beschleunigungsgeschehen dargestellt, wobei der Messpunktabstand zur Bestimmung der Gleisgeometrie 25 cm beträgt. Berechnungen aus Eigenschaften von Federn und Dämpfern zeigen einen unter-
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proportionalen Einfluss der Geschwindigkeit der Funktion (V2/V1)0,65 [18.15]. Später erfolgte Berechnungen auf Basis von Leistungsdichtespektren der Gleislage bestätigten diesen Zusammenhang [18.15]. Die Beschleunigungsdifferenzen werden räumlich, d.h. vektoriell für eine bestimmte Gleislänge in Form eines Mittelwerts, des MDZ-Werts beschrieben. Traditionell wurde als Länge dabei 500 m gewählt. Die Größe „Beschleunigungsdifferenzen“ zur Beschreibung der Gleislagequalität zeigt auch deutlich, dass die Kontinuität der Gleislage ein wesentliches Qualitätskriterium ist, auf dessen Realisierung schon in der Investition Bedacht genommen werden soll, indem Unstetigkeitsstellen (beispielsweise in den Steifigkeiten) möglichst verhindert oder über eine gewisse Länge ausgeglichen werden sollten (z.B. Brückenwiderlager, Übergang von Schotteroberbau auf Feste Fahrbahn, Übergang Tunnel – Erddamm), da diese Punkte anderenfalls eingebaute Punkte erhöhten Instandhaltungsbedarfs durch die Ausbildung von Einzelfehlern darstellen. Der Bedeutung der Gleichmäßigkeit wird zusätzlich durch den Einsatz kontinuierlich arbeitender Maschinen im Zuge der Investition wie auch der Instandhaltung Rechnung getragen. Eine wesentliche Anforderung an Qualitätsmesswerte ist die Wiederholgenauigkeit, die neben dem Messsystem selbst stark von der Genauigkeit der Positionsbestimmung abhängt. Der Messwagen EM250 stellt eine hohe Positionierungsgenauigkeit sicher, womit eine Verkürzung des betrachteten Gleisabschnittes von 500 m möglich wird. Die Vorteile der Qualitätsziffer „MDZ“ sind damit: – Die Qualitätsziffer beschreibt die Änderungen der Beschleunigungen im Fahrzeugschwerpunkt, womit die Anteile der Höhenfehler, Lagefehler und Verwindungsfehler auf physikalischer Basis zu einer Auswirkung, der räumlichen Änderung der Beschleunigungen zusammengefasst wer-
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
den. Eine Gewichtung verschiedener Gleislagefehler ist daher nicht erforderlich. Durch das Erfassen von aus Gleislagefehlern resultierenden Beschleunigungen werden unterschiedliche Fehlergrößen nicht durch die Quadratbildung im Rahmen der Bestimmung von Standardabweichungen in ihrem Einfluss verzerrt. Die zulässige Geschwindigkeit ist integraler Bestandteil der Auswertung, idente Gleislagefehler auf Strecken mit unterschiedlichen Streckenhöchstgeschwindigkeiten führen zu unterschiedlichen Beschleunigungen, damit zu unterschiedlichen Beschleunigungsdifferenzen und unterschiedlichen MDZ-Werten. Damit berücksichtigt die MDZ-Ziffer durch Berücksichtigung der Streckenhöchstgeschwindigkeit die Tatsache, dass ein langsam befahrener Gleislagefehler für den Komfort unkritisch, in einer Strecke mit einer hohen zulässigen Geschwindigkeit jedoch bereits inakzeptabel sein kann. Durch den funktionalen Eingang der Geschwindigkeit in der Form (V2/V1)0,65 ist die Messgeschwindigkeit nicht relevant, da alle Messergebnisse für verschiedene Geschwindigkeiten umgerechnet werden können. Dies ist eine Voraussetzung für den wirtschaftlichen Einsatz des Messwagens, der damit in Züge mit unterschiedlichen Fahrgeschwindigkeiten eingeordnet werden kann. Die Möglichkeit die Qualitätsziffer für beliebige Geschwindigkeitsniveaus umrechnen zu können, kann auch dazu verwendet werden, zur Frage etwaiger Erhöhungen der Streckenhöchstgeschwindigkeit aus Sicht der Gleislagequalität Stellung zu nehmen oder bei unzureichenden Qualitätsniveaus jene Geschwindigkeit zu bestimmen, mit der der entsprechende Streckenabschnitt mit ausreichendem Fahrkomfort noch befahren werden kann.
MDZ-Werte sind negative Zahlen, der MDZWert Null beschreibt eine Situation ohne im Fahrzeug wirksam werdende Beschleuni-
gungsdifferenzen und damit ein fehlerfreies ideales Gleis. Reale Gleise werden durch negative MDZ-Werte charakterisiert, wobei ein MDZ-Wert von –5 bis –7 Qualitäten einer exzellenten Gleisneulage beschreibt. 18.3.2.2 Entwicklung der Gleislagequalität Ziel der Forschungen im Bereich Gleislagequalität ist die Prognostizierbarkeit der Entwicklung der Gleislagequalität unter Betriebsbedingungen, wobei der Verlauf der Form (18.5) mit: Q = aktuelle Qualität Q0 = Qualität zum Zeitpunkt t = 0 (entspricht der Ausgangsqualität) b = Verschlechterungsrate t = Zeit folgt. Eine Analyse dieser Qualitätsziffern für das betrachtete Netz für die Jahre 1992 bis 1999 [18.16] bestätigt den theoretischen Ansatz, wonach die Abnahme der Gleislagequalität der aktuellen Qualität proportional ist. Es ist jedoch zu beobachten, dass die Verschlechterungsrate „b“ sehr starken Schwankungen unterliegt. Bei sehr guten Gleisen nimmt „b“ derart geringe Werte an, dass der Verlauf der Verschlechterung anfangs durch eine lineare Verschlechterung angenähert werden kann. Es konnte trotz der Vielzahl der untersuchten Daten kein ein einziges Mal beobachtet werden, dass durch eine Instandhaltungsmaßnahme die Ausgangsqualität Q0 überschritten werden konnte. Dies zeigt, dass auch durch Instandhaltungsmaßnahmen dieser Zusammenhang nicht aufgelöst werden kann und bestätigt damit die zwingende Notwendigkeit der Berücksichtigung der gesamten Liegedauer. Das Herausschneiden von Zeitscheiben mit anschließender singulärer wirtschaftlicher Bewertung ist nicht möglich. Gleichzeitig haben sich aber auch die, einer tiefer gehenden Analyse im Wege stehenden
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Probleme der zur Verfügung stehenden Qualitätsdaten und sonstigen Daten gezeigt. So – erscheint die Betrachtungslänge von 500 m oft zu groß, – die Mittelwertbildung erlaubt eine getrennte Analyse von Einzelfehlern und der generellen Gleislagequalität nicht, – die Mittelwertbildung der Beschleunigungsdifferenzen für einen gewissen Abschnitt ergibt einen diskreten Wert für den Abschnitt anstatt einen Verlauf, – der Analyse der zeitlichen Veränderung der Messdaten wird zu geringe Bedeutung zugemessen, die Analyse der zeitliche Veränderungen von Messdaten wurde nicht unterstützt, – das Erstellen von Zeitreihen wurde vom Datensystem nicht unterstützt, – die Datenbank des Gläsernen Fahrwegs liefert mit den wesentlichen Statusdaten des Fahrwegs wie Art des Oberbaus, Einbauzeitpunkt, Lage von Weichen, Bahnhöfen, Brücken und Durchlässen die Voraussetzungen für integrative Analysen, diese Daten werden jedoch nicht automatisch in die Analyse der Messdaten übernommen, – Datensätze betreffend die durchgeführten Instandhaltungsmaßnahmen existierten nur rudimentär und sind nicht automatisiert mit den Messdaten verknüpfbar, – es gibt keine Datensätze, die Auskunft über das Maß der durch verschiedene Instandhaltungsmaßnahmen erzielten Verbesserungen der Gleislagequalität geben, – womit die Verbesserungen auch nicht mit den jeweils vorliegenden Randbedingungen verknüpft werden können. Im Zuge der in Österreich seit 2002 maßgeblich betriebenen Weiterentwicklung der Messdatenanalyse mit der Zielsetzung der Schaffung von Voraussetzungen zur Beschreibung des Gleislageverhaltens, konnten die Mehrzahl der angesprochenen Probleme gelöst werden. Der wichtigste Unterschied der aktuellen Messdatenanalyse im Vergleich zur ursprünglichen ist der Umstieg von diskreten für 500 m
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Abschnitte gültigen Qualitätswerten auf einen Verlauf (Abb. 18.13). Dies wurde dadurch erreicht, dass nicht mehr der Mittelwert der Beschleunigungsdifferenzen für eine bestimmte Abschnittslänge bestimmt wird, sondern ein Einflusswert für jeden Messpunkt. Damit ist auch die Länge der in die Bestimmung des Einflusswertes eingehenden Messwerte frei wählbar, womit beliebig viele MDZWerte berechnet werden können [18.17]. Als Standardlänge etabliert sich derzeit eine Einflusslänge von 200 m bzw. 100 m. Eine weitere Reduktion der Einflusslänge für die Berechnung der MDZ-Werte erlaubt eine Separierung von auf Einzelfehler zurückzuführende Beschleunigungsdifferenzen und von der generellen Gleislage bedingten. Dazu kann bei beliebigen Abschnitten die Einflusslänge reduziert werden, in Abb. 18.14 sind die Auswertungen des Abschnitts der Abb. 18.13 für Einflusslängen von 200 m, 100 m, 50 m und 10 m ausgewertet. Der MDZ10 Verlauf weist bereist periodisch wiederkehrende Zacken auf, die sich als die Schweißstöße herausgestellt haben. Dieser reale Messschrieb zeigt den Einfluss des Einzelfehlers bei km 281,1 und schafft auch die Voraussetzung in der Instandhaltung neue Wege zu gehen. Spezifische Einzelfehlerbehebungen, maschinenseitig möglich, können exakt geplant werden und lassen sich getrennt von den generellen, den gesamten Abschnitt betreffenden Durcharbeitungen, argumentieren. Gleichzeitig kann der Einsatz der mit dem Mechanisierten Durcharbeitungszug zu bearbeitenden Streckenabschnitte präziser festgelegt werden. Die Auswahl der adäquaten Instandhaltungsmaßnahme hängt damit nur mehr von der Dichte der Einzelfehler bzw. der grundsätzlichen Gleislagequalität ohne Berücksichtigung der Einzelfehler ab. Für die Instandhaltungsplanung ist neben dem eigentlichen Messwert die zeitliche Entwicklung dieses Messwertes von zumindest gleicher Bedeutung. Die Angabe einer Standardabweichung bzw. eines MDZ-Wertes als
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.13 Gleislagequalität – diskrete versus gleitende Werte Basis 500 m
Abb. 18.14 Gleislagequalität – gleitende Werte mit verschiedener Basis [18.2]
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
einzelne Zahl sagt nur aus, ob der Wert einen definierten Grenzwert überschreitet oder nicht. Liegt nun beispielsweise ein noch akzeptabler MDZ-Wert von -25 vor ist für die Instandhaltungsplanung von wesentlicher Bedeutung, wie sich dieser Wert entwickelt hat. War der Vorjahreswert -24 verhält sich das Gleis moderat, eine Instandhaltungsnotwendigkeit liegt nicht vor. Betrug der Vorjahreswert jedoch -15 liegt ein sich sehr rasch verschlechternder Gleisabschnitt vor, der in kurzer Zeit Grenzwerte überschreiten wird, Instandhaltungsbedarf ist gegeben. In den aktuellen Analysen lassen sich die Werte vergangener Messfahrten mit dem Datum der jeweiligen Messungen abrufen und werden als Entwicklung farblich dargestellt. Diese Möglichkeit erfüllt auch die Voraussetzungen zur funktionalen Analyse der Gleislageentwicklung, da damit an jeder Stelle der Strecke die spezifische Verschlechterungsfunktion bestimmt werden kann (Abb. 18.15).
Abb. 18.15 Entwicklung der Gleislagequalität unter Betrieb
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Gleichzeitig bestätigen diese Analysen die Richtigkeit der nicht linearen, vom aktuellen Zustand abhängigen Verschlechterungsfunktion. Die massive Streuung der Verschlechterungsrate b wird ebenfalls augenscheinlich. Die Auswertung der Messdaten zeigt das günstige Verhalten des Oberbaus bei hohen Ausgangsqualitäten von km 276,18 bis 276,88, während die anschließende geringere Ausgangsqualität eindeutlich schlechteres Gleislageverhalten zur Folge hat. Diese Graphik unterstreicht die Bedeutung der Ausgangsqualität indem sie den direkten Einfluss der Ausgangsqualität auf die Instandhaltungsintensität offen legt. Es sei erwähnt, dass es sich bei den gezeigten Messdaten um einen Abschnitt der Westbahn (Verbindung Wien–München) handelt, wobei im gesamten Bereich von km 276,18 bis 277,80 zeitgleich eine Gleisneulage durchgeführt wurde und die Unterbauverhältnisse sich ebenfalls nicht unterscheiden.
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Zur weiteren Analyse bedarf es nun der Erklärung der Streuungen der Verschlechterungsrate b. Die Verschlechterungsrate b hängt zumindest von jenen Parametern ab, die zur Definition der Normkilometer herangezogen wurden, also dem Unterbauzustand, dem Oberbautyp, der Verkehrsbelastung, dem Alter des Oberbaus und dem vorliegenden Radius. Zudem weisen Einzelfehler besonders hohe Verschlechterungsraten auf, sodass die Messdaten durch Informationen aus dem Gläsernen Fahrweg ergänzt werden müssen. Dies ist möglich, da sämtliche Statusdaten des Gläsernen Fahrwegs [18.18] verfügbar sind. Die damit möglich werdenden Multiregressionsanalysen werden den Kern der Forschungen der kommenden Jahre bilden, wobei diese Forschung von der Hoffnung getragen wird, dass nicht wesentlich mehr als die bisher bekannten Einflussgrößen zur Beschreibung der Verschlechterungsrate b herangezogen werden müssen. Erst wenn damit das Verhalten der Gleislagequalität bekannt ist, kann in analoger Weise mit einer fundierten Analy-
se der unter verschiedenen Randbedingungen durch verschiedene Instandhaltungsmaßnahmen erzielbaren Verbesserungen begonnen werden. Neben diesen auf den Messdaten basierenden Auswertungen ist auch das Prognosemodell zur Bestimmung künftiger Gleislagequalitäten auf theoretischer Basis zu entwickeln. Das entsprechende theoretische Modell für das Gleislageverhalten bis zum Erreichen der ersten die Gleislage beeinflussenden Instandhaltungsmaßnahme ist dabei trivial, es handelt sich um eine e-Funktion, die durch die beiden Werte „Ausgangsqualität“ sowie „Verschlechterungsrate“ beschrieben wird. Dennoch lohnt es sich einige Gedanken über dieses Verhalten anzustellen und mit den bisherigen Ergebnissen zu überprüfen. Da sich das Gleis immer entsprechend seiner aktuellen Qualität verhält, führt eine reduzierte Anfangsqualität Q0-2 zwar nicht zu einem notwendigerweise erhöhten Wert „b“, jedoch sehr wohl zu einer rascheren Verschlechterung. In
Abb. 18.16 Einfluss der Ausgangsqualität auf die Entwicklung der Gleislagequalität
18.3 Schrittweise optimiertes Anlagemanagement am Beispiel des Projekts „Strategie Fahrweg“
der graphischen Darstellung verschiebt sich die Funktion der sich bei der Ausgangsqualität Q0-1 ergebenden Gleislagequalität nach links, bis die Kurve durch die neue Ausgangsqualität Q0-2 geht, womit sichergestellt wird, dass die erste Ableitung, also die aktuelle Verschlechterung von der aktuellen Qualität abhängt. Durch dieses Verschieben wird jedoch eine Eingriffschwelle rascher erreicht, die Instandhaltungsintensität nimmt zu. Dieser einfache, in Abb. 18.16 gezeigte Zusammenhang erklärt damit die hohe Bedeutung der Ausgangsqualität. Nach Erreichen einer – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr akzeptablen Qualität (= Eingriffsschwelle), erfolgt eine Instandhaltungsmaßnahme. Damit wird die Gleislagequalität verbessert. Die Analyse der Messdaten zeigt, dass es mit keiner Instandhaltungsmaßnahme gelingt, die Ausgangsqualität Q0 wieder zu erreichen, geschweige denn zu übertreffen. Dies ist dadurch zu erklären, dass in die Betrachtungen immer nur Messungen nach Abklingen der Anfangssetzungen eingegangen sind. Instandhaltungsmaßnahmen können daher die aktuelle Gleislagequalität nach Abklingen der Anfangssetzungen immer nur mehr oder weniger in die Nähe der Ausgangsqualität heben.
Abb. 18.17 Gesamtqualitätsfunktion
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Nach erfolgter Instandhaltungsmaßnahme beginnt von neuem eine gebrauchsbedingte Verschlechterung der Gleislagequalität. Damit kann die Gesamtfunktion aus hintereinander durchlaufenen Basisfunktionen und Verbesserungen durch Instandhaltungsmaßnahmen zusammengesetzt werden. Der sich ergebende Verlauf ist wiederum nicht linear und lässt die These zu, dass die Gesamtfunktion einer eFunktion der Form QG = Q0 egt folgt. Analysen der durch Instandhaltungsarbeiten erzielbaren Verbesserungen werden zeigen, ob die Gesamtfunktion dieser e-Funktion gehorcht, bzw. welche Form diese Funktion annehmen muss, um das mögliche Verhalten des Gleises nach getätigter Instandhaltungsmaßnahme beschreiben zu können. Die Qualitäten entsprechend der Gesamtfunktion sind keine am Gleis messbaren, da nur die Qualitäten nach der Instandhaltungstätigkeit (wiederum nach Abklingen der Anfangssetzungen) tatsächlich auftreten. Die Kenntnis dieser Funktion ist jedoch für Prognosemodelle erforderlich. Entsprechend dem in Abb. 18.17 dargestellten Verlauf ist die technische Nutzungsdauer genau dann erreicht, wenn die Anfangssetzungen nach der Instandhaltungsmaßnahme die Verbesserung durch die Instandhaltungsmaßnahme zur Gänze kompensieren. Prak-
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tisch bedeutet das, dass das Gleis nicht mehr in einen stabilen Zustand, der besser als die Eingriffsschwelle ist, gebracht werden kann. Diese technische Nutzungsdauer ist die für ein definiertes Qualitätsniveau maximal erreichbare Liegedauer, und ist jedenfalls länger als die wirtschaftlich angestrebte Nutzungsdauer. Die aus wirtschaftlichen Gründen anzustrebende Liegedauer kann nur durch Berechnungen des optimalen Ersatzzeitpunkts (Zeitpunkt der Reinvestition) bestimmt werden, in denen der immer geringer werdende positive Effekt der Verlängerung der Liegedauer durch weitere Instandhaltungsmaßnahmen den Kosten der Instandhaltungsmaßnahmen und der von ihr verursachten betrieblichen Zusatzkosten innerhalb einer dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnung gegenübergestellt werden. Eine Analyse des Verhaltens des Gleises nach einer Instandhaltungsmaßnahme zeigt ein weites Spektrum an möglichem Verhalten (Abb. 18.18). Die Auswertungen haben gemeinsam, dass sich die Verschlechterungsrate b nach jeder
Abb. 18.18 Gleislageverhalten nach Instandhaltung
durchgeführten Instandhaltungsmaßnahme ändern kann. Für die Änderung der Verschlechterungsrate b existieren zwei Grenzwerte. Der eine positive theoretische Grenzwert basiert auf der Annahme, dass sich das Gleis nach der Instandhaltungsmaßnahme so verhält, wie es sich bei demselben Qualitätsniveau vor der Instandhaltungsmaßnahme verhalten hat, die Ableitung der Qualitätsfunktion für die nach der Instandhaltung erreichte Qualität QI ist ident mit der Ableitung der Qualitätsfunktion an der Stelle Q = QI im ursprünglichen Verlauf. Damit würde das Gleis um die Zeit t verjüngt, es würde einen Teil seiner Geschichte „vergessen“, die Verschlechterungsrate b der Basisfunktion würde die gesamte Liegedauer hindurch konstant bleiben. Dieser Situation entspricht das horizontale Verschieben der Basisfunktion, wobei dieser Fall nur ein theoretischer Grenzfall sein kann, der auch bei höchster Qualität der Instandhaltung wegen des unter Betrieb (Schotterbett und Schiene) aber auch durch die Instandhaltungsmaßnahme selbst (Schwelle und Schot-
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ter) auftretenden Verschleißes das Gleis nicht zur Gänze verjüngt werden kann. Das andere Extrem geht von der Annahme aus, dass sich das Gleis nach der Instandhaltung so verhält wie vorher, jedoch von einem höheren Qualitätsniveau ausgehend. In diesem Fall entspricht die Neigung der Tangente (1. Ableitung) im Punkt QI jener in QE, was zu eine Änderung der Verschlechterungsrate b führt, wobei gilt: bneu > b. Diese theoretischen Überlegungen zeigen die Bandbreite der Werte für bneu auf und erlauben, bei gegebener Eingriffschwelle, eine Abschätzung des frühest- bzw. spätestmöglichen Zeitpunkts des neuerlichen Erreichens dieses Interventionswerts. In der Praxis finden sich leider beide Fälle, sowohl Abschnitte bei denen sich die Verschlechterungsfunktion fast horizontal verschiebt, als auch Fälle in denen sie sich fast vertikal verschiebt. Die Ursache für dieses Verhalten muss daher in der Instandhaltungsmaßnahme selbst liegen. Bevor auf mögliche Ursachen eingegangen wird soll jedoch nochmals auf diese Situation hingewiesen werden: Es existieren Gleise mit derselben Qualitätsziffer der Gleislage jedoch komplett unterschiedlicher Entwicklung dieser Qualität über die Zeit. Diese Tatsache zwingt zu einer Neuformulierung der Gleislagequalität. Zur Beschreibung der Gleislagequalität ist die Angabe des aktuellen Zustands in Form einer Qualitätsziffer sowie das Verhalten dieser Qualitätsziffer über der Zeit erforderlich. Die Ursache für das Vorliegen der beiden Fälle muss in der Instandhaltungsarbeit und dem Schädigungsmechanismus, bzw. der Wechselwirkung der Instandhaltungsmaßnahme und dem Schädigungsmechanismus begründet sein. Wird durch eine Instandhaltungsmaßnahme das aufgetretene Qualitätsproblem zwar behoben, die Ursachen für das Auftreten des Qualitätsproblems jedoch nicht, führt die Instandhaltungsmaßnahme zwar zu einer Verbesserung der Qualitätsziffer, die Instandhaltungsmaßnahme verbessert die Qualität
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jedoch nicht nachhaltig. Als praktisch zu beobachtendes Beispiel sei das Stopfen von Spritzstößen erwähnt, das rasche Wiederkehren des Spritzstoßes, und zwar an der selben Stelle und noch dazu schneller als ursprünglich entstanden, ist ein für jeden Praktiker bekanntes Phänomen. Wird jedoch mit der Instandhaltungsmaßnahme die Ursache des Schadens eliminiert, ist die Instandhaltung nachhaltig. Auch hier kann das Stopfen als Beispiel dienen, und zwar das Stopfen eines Gleisabschnittes, der zufolge der Verkehrsbelastung und eben nicht zufolge von Unterbauproblemen in seiner Lage korrigiert werden muss. Diese Überlegungen erklären auch aus dieser Sicht die überwältigende Bedeutung eines guten Unterbaus für ein Gleis, und zeigen, dass das Instandhalten eines Gleises auf einem schlechten Unterbau immer eine sehr teure und letztlich nur mäßig erfolgreiche Sisyphusarbeit bleiben muss. Die Beobachtung der Zeitreihen erlaubt es eine These zu formulieren, nämlich dass die Verschlechterungsrate b selbst ebenfalls einer nicht linearen Funktion gehorcht. Diese Theorie würde die Schotterschädigung durch das Stopfen gut beschreiben, ist jedoch auf Basis der bis dato (2005) vorliegenden Daten nicht beweisbar. Weitere theoretische Überlegungen betreffen die mittels Instandhaltungsmaßnahmen erreichbaren Verbesserungen der Gleislagequalität. Die Analysen der Zeitreihen zeigen (Abb. 18.19), dass die Ausgangsqualität Q0 nie mehr erreicht werden kann (ΔQi > 0). Dementsprechend muss die Verbesserung von einem höheren Qualitätsniveau ausgehend geringer sein, als von einem niedrigeren (I1 < I2). Andererseits nähert sich die durch eine Instandhaltung erreichbare Qualität bei Durchführung der Instandhaltung bei einem höheren Qualitätswert der Ausgangsqualität Q0 besser an, als nach einer späteren und damit bei einem schlechteren Qualitätswert durchgeführten Instandhaltungsmaßnahme (ΔQ1 < ΔQ2). Alle diese Zusammenhänge haben Einfluss auf die Gesamtfunktion, die für ein
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Abb. 18.19 Einfluss der Eingriffschwelle auf Gesamtqualitätsfunktion
theoretisches Prognosemodell bedeutend ist. Sobald es gelingt, die Einflussgrößen auf die Verschlechterungsrate zu fassen, wird dieses Modell an hand der Messdaten verschiedener Streckenabschnitte getestet. Zur Zeit kann das Modell nur eingeschränkt, zur Prognose der Entwicklung der Gleislagequalität bis zu einer Instandhaltungsmaßnahme verwendet werden, ohne jedoch in der Lage zu sein, dieses messbare Verhalten zu erklären. In den aktuellsten Messschrieben sind damit bereits neben den Daten aus vergangenen Messungen auch Prognosedaten für die Zukunft eingetragen, um dem Instandhaltungsverantwortlichen auf den prognostizierten Zeitpunkt des Erreichens eines kritischen Wertes aufmerksam zu machen. Zur Vereinfachung dieser derzeit möglichen Prognose, wird sie zwar auf Basis der aktuellen Qualität, aber mit linearer Trendrechnung durchgeführt. Damit wird derzeit die Tangente an die e-Funktion als Prognosefunktion [18.19] gewählt (Abb. 18.20). Erst wenn die Verschlechterungsrate in einer angemessenen Genauigkeit aus den vorliegenden Randbedingungen prognostiziert werden kann, kann auch die Prognose der Gesamtnutzungsdauer erfolgen, der zur Optimierung auf Basis der Lebenszykluskosten wegen des
großen Einflusses der Fixkosten große Bedeutung zukommt. Bei Prognosen über verschiedene Instandhaltungszyklen hinweg, ist jedenfalls auf das nichtlineare Verhalten Rücksicht zu nehmen, ob durch stückweises Linearisieren oder Einsetzen der jeweiligen e-Funktion selbst werden die erreichbaren sowie die erforderlichen Genauigkeiten definieren. Die große Bedeutung der Eingriffschwelle ergibt sich auch aus den erreichbaren Verbesserungen, die von der Vorschädigung abhängen. Zwar sind bei schlechterem Ausgangsniveau, also größeren Schädigungen, größere absolute Verbesserungen zu erreichen, jedoch erreicht die Qualität nach der Instandhaltungsmaßnahme geringere Werte, als es bei einem früheren Eingreifen der Fall wäre. Ob das „Erinnerungsvermögen“, also Vorschädigungen des Gleises zudem zu unterschiedlichen Verschlechterungen führt, ist zwar aus den bisherigen Beobachtungen anzunehmen, derzeit jedoch Gegenstand von Auswertungen. Unabhängig davon, führt eine möglichst nahe an die Ausgangsqualität herankommende Qualität nach einer Instandhaltungsmaßnahme zu einem flachen Gesamtverlauf, und damit einer hohen Liegedauer. Die Lage der Eingriffschwel-
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Abb. 18.20 Prognose der Gleislagequalität [18.7]
le wirkt dabei in zweierlei Hinsicht, zum einen verlängert eine Eingriffschwelle bei geringen Verschlechterungen tendenziell die Liegedauer, zum anderen erhöht sich durch das in diesem Fall raschere Erreichen der Eingriffschwelle der Instandhaltungsbedarf. Damit ist die Eingriffschwelle als eine für die Feinabstimmung von Strategien gut geeignete Stellschraube identifiziert, die allerdings die Kenntnis der realen Verschlechterungsfunktion sowie der Gesamtfunktion voraussetzt. Die Wirkungsweise dieser Effekte kann durch eine vom Alter der Anlage abhängigen Festlegung der Eingriffschwelle ausgenutzt werden. Die Idee ist, dass eine Eingriffschwelle nicht notwendigerweise ein fixer Wert sein muss. Es ist genau so vorstellbar, dass die Eingriffschwelle bei neuen Gleisen bei relativ guten Qualitätsniveaus angesetzt wird, und mit dem Alter der Anlage sinkt – natürlich nicht unter sicherheitsrelevante Grenzwerte. Mit einer derartigen konformen Eingriffschwelle (konform zum Qualitätsniveau der Gesamtfunktion) kann erreicht werden, dass das Gleis vor den ersten Instandhaltungsmaßnahmen relativ geringe Vorschädigungen erreicht, die Verbesserung daher gute Ergebnisse zeigt, die sich positiv auf die Nutzungsdauer auswirken,
während gegen Ende der Nutzungsdauer die qualitativen Anforderungen reduziert werden, um dadurch das Gleis noch länger befahren zu können. Gleichzeitig ist auch eine gegenläufige Eingriffschwelle vorstellbar, die durch anfangs geringe geforderte Qualitätsniveaus nach der Neulage hohe Verfügbarkeiten erreicht, um dann mit steigender Instandhaltungsintensität dennoch eine akzeptable Liegedauer zu erreichen. Da alle theoretischen Überlegungen gegen eine gegenläufige Eingriffschwelle sprechen, wurde diese nicht weiter verfolgt. Zur Überprüfung der konformen Eingriffschwelle (Abb. 18.21) werden Zyklen basierend auf einer konformen bzw. einer konstanten Eingriffschwelle gegenübergestellt. Zyklen auf Basis von konstanten Eingriffschwellen konnten bei Abschnitten für Geschwindigkeiten über 160 km/h gefunden werden. Erstaunlicher verlief die Suche nach Zyklen, die auf konformen Eingriffschwellen basierten. Eine Analyse der Qualitätswerte vor der Instandhaltungsmaßnahme hat gezeigt, dass die Instandhaltungsverantwortlichen im Rahmen ihrer Verantwortung bei jungen Gleisen und Weichen verhältnismäßig früh eingriffen, bei älteren jedoch später. Dies löst auch den
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.21 Konforme Eingriffschwelle
Widerspruch von zustandabhängiger Instandhaltung bei nicht linearem Gleisverhalten und trotzdem konstanten Zeitintervallen zwischen den Instandhaltungsmaßnahmen auf. Dieser Fall tritt dann auf, wenn die Eingriffschwelle annähernd parallel zur Gesamtfunktion liegt, eine Verdichtung der Instandhaltungszyklen ergibt sich erst gegen Ende der Liegedauer, wenn aus Gründen absoluter Grenzwerte die Eingriffschwelle wieder einen konstanten Wert annimmt (Abb. 18.21). Damit können für die verschiedenen Normkilometer Zyklen für verschiedene Festlegungen der Eingriffschwelle dargestellt und miteinander verglichen werden. Das Hauptergebnis war, dass die Verlängerung der Liegedauer bei konformer Eingriffschwelle bestätigt werden konnte, womit sich die konforme Eingriffschwelle als unabhängig vom Normkilometer und damit der Verkehrsbelastung als wirtschaftlicher darstellt, als die konstante Eingriffschwelle. Diese Tatsache wurde durch eine erste, noch zaghafte Umsetzung Rechnung getragen, indem die Eingriffschwelle für junge Gleise etwas strikter angesetzt wird, als für ältere Abschnitte.
Gleichzeitig zeigt die Analyse, dass zwar ein günstiger Verlauf der Eingriffschwelle allgemein gültig formuliert werden kann, der absolute Wert der Eingriffschwelle am Beginn der Nutzungsdauer jedoch nicht, obwohl dies theoretisch kein Problem darstellt. Zur Umsetzung fehlen allerdings die realen Verschlechterungsraten b sowie die Kenntnis der durch Instandhaltungsmaßnahmen erreichbaren Verbesserungen, ohne die die Gesamtfunktion nicht dargestellt werden kann. Die Bestimmung wirtschaftlich optimaler Eingriffschwellen stellt damit ein wesentliches Etappenziel der aktuellen Forschungen dar. Abhängigkeiten von allen die Verschlechterungsrate b beeinflussenden Randbedingungen wie Unterbauzustand, Oberbautyp, Radienklasse und Verkehrsbelastung liegen auf der Hand und sind darstellbar, inwieweit zusätzliche Parameter erforderlich sind sowie die Zusammenhänge betreffend erreichbare Verbesserungen, sind Gegenstand aktueller Analysen. Die aktuellen Forschungen basieren auf einer Datenbank, die Qualitätswerte des Gleismesswagens mit den Status- und Verkehrsdaten des Gleises und den Informationen über Instand-
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haltungsmaßnahmen verknüpft. Auf diese Weise ist die zeitliche Entwicklung der Qualitätsdaten (MDZ, Standardabweichungen) seit 2001 darstellbar. Die Verknüpfung dieser Daten erlaubt Abhängigkeiten darzustellen und stellt die Voraussetzung für eine geplante Multiregressionsanalyse dar. Mit Hilfe dieser Multiregressionsanalyse sollen – die Verschlechterungsrate b sowie – die erreichbaren Verbesserungen durch Instandhaltungsmaßnahmen für verschiedene Randbedingungen erklärt werden. Sind diese Werte auf die Wirkungsweisen der einzelnen Randbedingungen zurückzuführen, sind sie auch prognostizierbar, womit das Ziel der Forschungsanstrengungen, die Voraussetzungen für ein Prognosemodell zu schaffen, erfüllt wäre. Trotz dieser klaren Vorstellungen betreffend die nächsten Schritte, werden auch dabei Kompromisse erforderlich sein, Kompromisse zwischen erreichbaren Genauigkeiten und realen Umsetzungserfordernissen. Hohen erreichbaren Genauigkeiten steht eine große Zahl an zu berücksichtigenden Parametern gegenüber, die netzweit bekannt sein müssen. Eine hohe Anzahl an Parametern wiederum ergibt kurze Abschnitte mit gleichen Parametern, die konsequenterweise zu spezifischen Eingriffschwellen und Instandhaltungsstrategien führen. Sind diese Abschnitte kurz, lassen sich aus wirtschaftlichen Gründen unterschiedliche Fahrwegstrategien nicht umsetzen. In diesem Fall wäre die hohe Genauigkeit zwar in der Lage, den erforderlichen Aufwand in der Forschung und der Datenerhebung deutlich zu steigern, ohne jedoch zu umsetzbaren Ergebnissen zu führen. Die Festlegung der damit erforderlichen Abstriche bei der Prognosegenauigkeit wird, entsprechend der bisherigen Vorgangsweise, wiederum im engen Kontakt mit „der Praxis“ erfolgen. Am Ende der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten soll ein geschlossenes Instandhaltungsmodell stehen, das auf Basis der Prognostizierbarkeit des Gleisverhaltens den derzeitig dominierenden Erfolgsfaktor „Erfah-
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rung“ durch mathematisch formuliertes „Wissen“ ersetzen wird. Damit soll in ferner Zukunft der Messwagen nur noch zur Überprüfung und zum rechtzeitigen Erkennen von Abweichungen der Realität von der Prognose dienen, um eine entsprechend rasche Korrektur der Instandhaltungsstrategie vornehmen zu können. Zu diesem Zeitpunkt müssen die dazu erforderlichen Schritte erfolgen können, wie Feststellen der Abweichung, Erarbeitung alternativer Zyklen, Bestimmung des optimalen Zeitpunkts der Setzung von Maßnahmen auf Basis eines einheitlichen EDV-Tools, wobei die Bearbeitung mit den spezifischen Daten des entsprechenden Abschnitts vom Abschnittsverantwortlichen vor Ort erfolgen muss. Aus dieser Zielsetzung können Anforderungen an ein Tool zur streckenspezifischen Bewertung von Investitions- und Instandhaltungsmaßnahmen formuliert werden: – Das Tool greift auf eine Datenbank zurück, die sich mit jeder Messfahrt aktualisiert. – Auf Basis funktionaler Zusammenhänge werden Qualitätsprognosen erstellt. – Auf Grundlage des so aktualisierten Qualitätsverlaufs wird ein aktualisierter Arbeitszyklus erstellt. – Dieser neue Arbeitszyklus wird mittels Wirtschaftlichkeitsanalysen mit dem ursprünglich geplanten verglichen, um die Wirtschaftlichkeit einer Änderung der bestehenden Strategie zu überprüfen. Auf diese Art und Weise kann sichergestellt werden, dass eine einmal technisch-wirtschaftlich optimierte Strategie ebenfalls technisch wirtschaftlich optimiert an den aktuellen Zustand angepasst wird. Reine Trendanalysen, die den Zeitpunkt des Erreichens von Eingriffsschwellen bestimmen, und daraus Maßnahmen ableiten entsprechen jedoch nicht dem oben beschriebenen Modell eines Lebenszykluskosten-optimierten Anlagenmanagements.
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18.3.3 Strategie Fahrweg – Stufe 2 Die bisherigen Erkenntnisse aus der Stufe 1 des Projekts „Strategie Fahrweg“ sowie das wachsende Verstehen des Verhaltens des Gleises erlaubt durch gezielte Auswertung von Versuchen in Verbindung mit bekannten Trends weitere Optimierungsmaßnahmen umzusetzen. Dabei wird bereits dem in der oben beschriebenen Vision gezeigten Weg gefolgt, mittels spezifischer Messdaten und deren zeitlicher Entwicklung spezifische Strategien zu erarbeiten, den bisherigen gegenüberzustellen und so eine technisch wirtschaftliche Weiterentwicklung zu erreichen. Diese Methodik wird derzeit angewendet um – funktionales Wissen in bestehende Strategien einfließen zu lassen, – bestehende Strategien an besondere Randbedingungen anzupassen, – auf spezifisches Qualitätsverhalten spezifisch reagieren zu können und nicht zuletzt – um technische Innovationen frühzeitig bewerten und umsetzen zu können.
So wurde der Zusammenhang zwischen Stopfintervall und Liegedauer erkannt, womit Versuche bereits nach relativ kurzer Beobachtungszeit auswertbar sind und Schlüsse auf das Verhalten während der restlichen Nutzungsdauer erlauben. Diese Möglichkeit wurde bisher in Untersuchungen zu folgenden aktuellen Entwicklungen genutzt: – Design Tamping [18.17], – Integrierten Instandhaltung [18.20], – Schwellenbesohlung [18.20], – Rahmenschwelle [18.21] sowie die – Rahmenschwellenweiche [18.22]. 18.3.3.1 Design Tamping Eine weitere, 2003 aufgegriffene Innovation in der Oberbauinstandhaltung ist das Design Tamping. Beim konventionellen Stopfen wird die angestrebte Gleislage nach der Instandhaltungsmaßnahme erreicht. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass nach Abklingen der Anfangssetzungen die Gleislagefehler sich wieder an denselben Stellen ausbilden, wo sie vor der
Abb. 18.22 Entwicklung von Einzelfehlern nach konventionellem Stopfen [18.7]
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Instandhaltungsmaßnahme beobachtet werden konnten, womit durch das Stopfen im Gleis eine Qualitätsreserve ausgebildet wird, die eine Zeitreserve bis zum nächsten Stopfen darstellt, wie die in Abb. 18.22 dargestellte Auswertung bestätigt. Die Idee des Design Tamping ist diese Zeitreserve dadurch zu verlängern, dass das Gleis die optimale Lage erst nach Abklingen der Anfangssetzungen aufweist. Dazu ist es lediglich erforderlich, Gleisfehler um ein gewisses Maß zu überheben, da auch die Anfangssetzungen bereits den Fehlertrends des Gleises vor der Lagekorrektur folgen. Gelingt dies, ist die Gleislage im Betrieb anfangs sehr gut, d.h. die dynamischen Kräfte sind gering (Abb. 18.23). Diese geringeren dynamischen Kräfte können zwar das Entstehen neuerlicher Gleisfehler nicht verhindern, sind jedoch in der Lage, Geschwindigkeit und den Zeitpunkt des Entstehens neuer Gleislagefehler positiv zu beeinflussen und damit die Zeitspanne bis zum nächsten erforderlichen Durcharbeiten des Gleises deutlich zu verlängern. Diese Verlängerung des Stopf-
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zyklus, die keine Reduktion der Qualität darstellt, schont das Schotterbett, also jenes Element des Oberbaus, das die Liegedauer begrenzt. Damit verlängert sich die Liegedauer als Folgewirkung der Verlängerung des Stopfzyklus. Eine wirtschaftliche Bewertung des Design Tamping ist nicht erforderlich, da den positiven Effekten bis auf geringfügig steigenden Schottermehrverbrauch keine Zusatzkosten gegenüberstehen. Versuche mit Design Tamping werden durchgeführt, wobei die positiven Auswirkungen mit den bisherigen Versuchen bereits bestätigt werden konnten. Die derzeitigen Versuche dienen der Identifikation des optimalen Maßes der Überhebung, wobei die Ergebnisse auf ein etwa 50%iges Überheben hindeuten. Inwieweit dieser Wert von verschiedenen Randbedingungen abhängig ist, ist noch zu klären. 18.3.3.2 Schwellenbesohlung Betonschwellen sind nach heutigem Stand der Technik auf Hauptstrecken für Radien, die ein
Abb. 18.23 Entwicklung von Einzelfehlern nach Design Tamping [18.7]
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
durchgehend verschweißtes Gleis erlauben, der Standardschwellentyp des Schottergleises. Zu den wesentlichen Vorteilen von Betonschwellen zählen: – Unempfindlichkeit gegen Witterungseinflüsse, – exakte und einfache Formgebung, – hohe Lebensdauer und – gute Lagestabilität aufgrund der hohen Masse. Zudem sind Betonschwellen kostengünstiger als Holzschwellen. Dem stehen aber auch Nachteile gegenüber: – durch die große Masse ist eine händische Verlegung nicht möglich, – empfindlich gegen Schläge und Stöße (daher bei Stoßlückengleis Einbau von Holzschwellen), – Notwendigkeit spezieller Schienenbefestigungen,
– geringe Elastizität, daher hohe Schotterbeanspruchung und – geringe Kontaktflächen mit dem Schotter, was zu großen und ungleichmäßigen Schotterpressungen führt. Eine elastische Bettung von Betonschwellen erhöht die Nachgiebigkeit und Dämpfung, vergrößert die Kontaktflächen Schwelle–Schotter, womit die Spitzenbelastung des Schotters reduziert und eine breitflächigere Abtragung der Lasten ermöglicht wird. Die Schwellenbesohlung entlastet somit vor allem das Schotterbett in seiner statischen und dynamischen Belastung, was wiederum zu geringerer Schotterzerstörung und damit höherer Lagestabilität des Gleises führt. Diese Schonung des Schotterbetts reduziert die erforderliche Instandhaltungsintensität, vor allem die des MDZ-Einsatzes.
Abb. 18.24 Vergleich der Qualitätsentwicklung konventioneller Oberbau zu Oberbau mit besohlten Schwellen [18.2]
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Die Besohlung von Betonschwellen kombiniert den größten Vorteil der Holzschwelle mit den Vorteilen der Betonschwelle. Abbildung 18.24 zeigt die Messschriebe eines Abschnitts der Westbahn, bei dem eine Teilstrecke bei der Neulage mit besohlten Schwellen ausgestattet wurde, der Rest zeitgleich mit konventionellen Betonschwellen. Die Ausgangsqualität bei dem Abschnitt mit Schwellenbesohlung ist höher als jene des konventionellen Bereichs und die Verschlechterung des besohlten Abschnittes mit 3 MDZPunkten in 14 Monaten ist deutlich günstiger als jene des konventionellen Abschnitts mit 8 MDZ-Punkten im selben Zeitraum. Dieses günstigere Verhalten führt zu einer Verlängerung des Stopfzyklus bei der untersuchten Strecke von 4 Jahren beim konventionellen Abschnitt auf zumindest 6 Jahren beim Abschnitt mit besohlten Schwellen. Diese 50%ige Verlängerung des Stopfzyklus führt zu einer zumindest 12%igen Verlängerung der Liegedauer des Oberbaus. Zudem ist durch die geringeren Verschlechterungsraten des Gleises mit einer moderaten Reduktion der Kosten der nicht planbaren Instandhaltung (Mängelbehebungskosten) zu rechnen. Bisher haben die hohen Investitionskosten einen vermehrten Einsatz von Schwellenbesohlungen verhindert, womit sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit von Schwellenbesohlungen stellt. In der Wirtschaftlichkeitsrechnung wird die bereits nachweisbare Verlängerung der Stopfintervalle von 4 auf 6 Jahre, im Sinne einer vorsichtigen Bewertung jedoch eine Verlängerung der Liegedauer von nur 7% angesetzt. Das bedeutet im vorliegenden Fall eine Verlängerung der Liegedauer des Oberbaus von 28 Jahren beim konventionellen Oberbau auf 30 Jahre bei Einsatz besohlter Schwellen. Positive Effekte der weiteren Nutzung von altbrauchbaren Stoffen nach Ablauf der Liegedauer von 30 Jahren wie Schienen und Schwellen wurden in der wirtschaftlichen Berechnung nicht angesetzt.
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Tabelle 18.6 Wirtschaftlichkeit besohlter Schwellen Zusatzkosten Reduktion der Interner Zinssatz pro Schwelle Annuität (real) der Zusatzinvestition € 30,– € 26,– € 20,– € 14,–
€ 1.439,– /km € 1.661,– /km € 1.995,– /km € 2.328,– /km
4,7% 5,9% 8,2% 12,3%
In Abb. 18.25 sind die Rechenergebnisse mit und ohne Berücksichtigung der Verlängerung der Nutzungsdauer des Oberbaus gegenübergestellt, um den bedeutenden Einfluss derselben aufzuzeigen. Diese Bedeutung resultiert aus der dominierenden Bedeutung der Abschreibung innerhalb der Gesamtkosten eines Oberbaus. Die Auswertung zeigt die Wirtschaftlichkeit des Einbaus besohlter Schwellen, die Zusatzinvestition refinanziert sich mit attraktiven Zinssätzen. In dieser Auswertung ist noch unberücksichtigt, dass der besohlte Abschnitt sich in einem Kreisbogen mit einem Radius von 425 m befindet, während der Vergleichsabschnitt mit konventionellen Betonschwellen in einem geraden Streckenabschnitt liegt. Aus den Analysen der Kostenstrukturen des Oberbaus ist jedoch die Kostenrelevanz des Trassierungsparameters Krümmung bekannt. Aus Abb. 18.10 erkennt man, dass ein Abschnitt mit einem Radius von 425 m um rund 20% höhere durchschnittliche Jahreskosten aufweisen sollte als ein gerader Abschnitt. Unter Berücksichtigung dieses Kostenzusammenhangs ergibt sich bereits bei Zusatzkosten von 26,– € pro Schwelle eine Verzinsung der Zusatzinvestition von rund 10%. Die heutige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass die positiven Effekte von Schwellenbesohlungen weitgehend unbestritten sind, die Besohlung jedoch oft als zu teuer angesehen wird. Berücksichtigt man jedoch die sich aus der Besohlung ergebenden Vorteile, kann gezeigt werden, dass bereits beim derzeit aktuellen Preisniveau die Besohlung von Schwellen
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Abb. 18.25 Wirtschaftlichkeit besohlter Schwellen
als eine sehr wirtschaftliche Maßnahme angesehen werden muss. Ein stärkeres Verwenden dieses Oberbauelements würde zudem zu sinkenden Preisen führen, was die bereits heute günstigen wirtschaftlichen Effekte weiter verstärken würde. Derzeit ist versuchsweise eine Überleitstelle auf der Südbahn bei Baden eingerichtet, bei dem zwei Weichen mit Schwellenbesohlungen ausgestattet sind. Die bisherigen Messergebnisse zeigen auch bei diesem Versuch deutlich geringere Setzungen (Abb. 18.26) [18.23] als bei den zeitgleich eingebauten Weichen ohne Schwellenbesohlungen und bestätigen damit die erwarteten positiven Auswirkungen der Besohlung von Weichenschwellen. Nach einem entsprechenden Beobachtungszeitraum, der eine abgesicherte Analyse des Verhaltens erlaubt, ist eine entsprechende wirtschaftliche Evaluierung geplant.
18.3.3.3 Integrierte Instandhaltung Unter Integrierter Instandhaltung wird bei den Österreichischen Bundesbahnen die Kombination der Arbeit des Mechanisierten Durcharbeitungszuges (MDZ) mit dem Schienenschleifen in ein und derselben Sperrpause verstanden. Es arbeiten bei der Integrierten Instandhaltung innerhalb einer Sperrpause in der Reihenfolge der Aufzählung eine StopfRicht-Nivelliermaschine, ein Schotterpflug, ein Dynamischer Gleisstabilisator sowie ein Schienenschleifzug. Folgende Zielsetzungen sind mit der Einführung der Integrierten Gleiserhaltung verbunden: – Steigerung der Qualität, im Sinn reduzierter Verschlechterungsraten, die sich aus der zum Zeitpunkt der Herstellung der korrigierten Lage ebenfalls optimierten Schienenoberflächen und damit reduzierten dynamischen Belastungen ergibt – Verbesserung der Nutzung der Sperrpause,
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
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Abb. 18.26 Setzungsverhalten bei besohlten Weichenschwellen [18.23]
– Intensivierung der Schleifarbeiten und eine – Erhöhung der Wirtschaftlichkeit. Eine durch Schienenschleifen erreichte hohe Oberflächenebenheit der Schienen stellt zwar zweifelsfrei ein Qualitätsmerkmal des Gleises dar, spiegelt sich jedoch in den generellen Qualitätsziffern wie MDZ-Ziffer oder Standardabweichung nicht wider, da die durch Schleifen bearbeiteten Fehler Wellenlängen betreffen,
die in diese Qualitätsziffern nicht eingehen. Damit ist zu erwarten, dass sich die bei Integrierter Instandhaltung erreichbaren Standardabweichungen der Längshöhe nicht von jenen eines konventionell Instand gehaltenen Gleises unterscheiden. Durch das direkt nach Herstellung der korrigierten Gleislage durchgeführte Schienenschleifen werden die aus dem Rad-Schiene Kontakt resultierenden dynamischen Kräf-
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement Abb. 18.27 Auswirkung Integrierter Instandhaltung [18.17]
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
te jedoch von Beginn an reduziert, womit zu erwarten ist, dass sich die Verschlechterung der Qualitätsziffern unter Betrieb verlangsamt. Die Integrierte Gleiserhaltung wird seit 2002 eingesetzt, sodass den folgenden Auswertungen bereits 120 Abschnitte mit jeweils 100 m Länge in entsprechenden Zeitreihen zur Verfügung stehen, die 499 Abschnitten à 100 m Länge mit konventionellem MDZ-Einsatz gegenübergestellt werden können (Abb. 18.27) [18.17]. Die wegen des hohen Qualitätsniveaus linearisierte Auswertung der Daten zeigt eine durchschnittliche Verbesserung der Standardabweichung der Längshöhe bei konventionellem MDZ-Einsatz von 0,51 mm, sowie bei integrierter Instandhaltung von 0,49 mm, ein Unterschied ist damit nicht erkennbar. Die Auswertung der Verschlechterungsrate zeigt erwartungsgemäß ein anderes Bild, nämlich eine durchschnittliche Veränderung der Standardabweichung der Längshöhe bei einer Verkehrsbelastung von 20 Mio. Jahrestonnen bei konventionellem MDZ-Einsatz von 1,14 mm/ Jahr, bei integrierter Instandhaltung jedoch von 0,94 mm/Jahr. Abschnitte, die mittels Integrierter Instandhaltung bearbeitet wurden, zeigen (im statistischen Schnitt) ein besseres Gleislageverhalten nach der Instandhaltungsarbeit als Vergleichsstrecken mit konventionellem MDZ-Einsatz (ohne Schleifen). Die verlangsamte Gleislageverschlechterung erlaubt eine Verlängerung der Stopfintervalle. Wirtschaftliche Auswertungen für eine stark belastete Strecke zeigen, dass eine Verlängerung der Stopfintervalle von 2,5 auf 3 Jahre und eine damit verbundene Verlängerung der Liegedauer um 7% bereits zur Wirtschaftlichkeit Integrierten Instandhaltung führt; die Annuität bei einem kalkulatorischem Zinssatz von 5% liegt bei den mittels Integrierter Instandhaltung bearbeiteten Abschnitte trotz der zusätzlichen Schleifkosten bereits um 5% unter jenen bei konventionellem MDZ-Einsatz, ohne Berücksichtigung der Verlängerung der Liegedauer wäre die Maßnahme kostenneutral.
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18.3.3.4 Rahmenschwelle Die von Prof. Dr. Klaus Rießberger entwickelte Rahmenschwelle [18.24] stellt eine Weiterentwicklung des Oberbaus dar, indem zwei Querschwellen mit je einem Längsträger unter den beiden Schienen zu einem Rahmen verbunden werden (Abb. 18.28). Ein Rahmenschwellenoberbau weist einen extrem hohen Querverschiebewiderstand auf, das Gleis ist kontinuierlich unterstützt und die Kontaktfläche zwischen Schwelle und Schotter ist vergrößert. Diese Effekte führten auf den Versuchsstrecken zu sehr stabilen Gleislagen, auch im durchgehend verschweißten Bogen mit einem Radius von nur 190 m, die sich auch in massiv reduzierten und damit auch wesentlich gleichmäßigeren Anfangssetzungen niederschlagen und eine deutliche Verlängerung des Stopfintervalls erlauben. Die Versuchsergebnisse las-
Abb. 18.28 Rahmenschwellengleis im 190-m-Bogen [18.4]
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
sen auch deutlich gesteigerte Liegedauern erwarten. Die wirtschaftlichen Ergebnisse zeigen sehr günstige Interne Zinssätze (Abb. 18.29), da es mit diesem Oberbau gelingt die Liegedauer zu verlängern und gleichzeitig die Instand-
haltungsintensität zu reduzieren. Die internen Zinssätze der Zusatzinvestition betragen bei stark belasteten Strecken zwischen real 6% und real 10%. Damit ergeben sich durch den Einbau von Rahmenschwellen entsprechend hohe Einsparungspotentiale (Abb. 18.30).
Abb. 18.29 Wirtschaftlichkeit von Rahmenschwellen in Abhängigkeit der Verkehrsbelastung
Abb. 18.30 Einsparungspotenzial durch Rahmenschwellen in Abhängigkeit der Verkehrsbelastung
18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Bei der Versuchsstrecke am Semmering, einer Strecke mit einer täglichen Gleisbelastung von 50.000 Bt, Neigungen von 25‰ und Radien bis 178 m erlaubt nur dieser Oberbau die Herstellung eines langverschweißten Gleises. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass eine Veränderung der Gleislage nach bisher drei Jahren nicht auftritt, obwohl in diesem Abschnitt mit konventionellem Oberbau jährlich eine Durcharbeitung erforderlich war. Zudem entfällt mit der Stoßpflege ein wesentlicher Kostenfaktor. Obwohl in der wirtschaftlichen Bewertung eine Intensivierung des Schienenschleifens angesetzt wurde, ergibt sich für diesen Spezialfall ein Interner Zinssatz von 24,3%. Sensitivitätsuntersuchungen zeigen dass – die positiven wirtschaftlichen Ergebnisse sehr stabil sind, – bei Strecken mit erhöhten Instandhaltungskosten die Wirtschaftlichkeit des Rahmenoberbaus steigt, – die Wirtschaftlichkeit der Rahmenschwelle mit zunehmender Streckenbelastung steigt, und sich massive Einsparungen im Bereich der Instandhaltungskosten ergeben. 18.3.3.5 Rahmenschwelleweiche Auf Basis der durch die Versuchsstrecken in Österreich, der Schweiz und Italien bestärkten hohen Erwartungshaltung werden derzeit Rahmenschwellen für Weichen (RSW) entwickelt. Vor Beginn der eigentlichen Entwicklung, wurden Abschätzungen der wirtschaftlichen Effizienz eines derartigen neuen Oberbauelements angestellt. Die Unterschiede der Zyklen und Kosten wurden aufbauend auf den Erfahrungen mit dem Rahmenschwellengleis im Vergleich zum konventionellen Oberbau und dem Wissen über das Verhalten konventioneller Weichen abgeleitet. Neben den Zyklen wurden in die Bewertung folgende Ansätze berücksichtigt: – für den Einbau der RSW wird eine Verlängerung der Sperrpause um 2 Stunden angesetzt,
923
– die Erfahrungen mit der Rahmenschwellenweiche in Streckengleis lassen auch für die Weiche einen zumindest Verdreifachung des Stopfzyklus erwarten, – die Stopfarbeiten erfordern wegen der Notwendigkeit der Unterstopfung der Längsund Querschwellen eine 20%ige Verlängerung der Sperrpause, – die Kosten des Stopfens für die RSW werden um 20% erhöht, – auf Basis der verlängerten Stopfzyklen wird mit einer Verdoppelung der Liegedauer gerechnet, aus Gründen der vorsichtigen Bewertung wird eine Verlängerung der Liegedauer von nur 67% angesetzt, – da das Langzeitverhalten der neuartigen Schienenbefestigungen nur auf Basis theoretischer Überlegungen abgeschätzt werden kann, werden für die Befestigungselemente zusätzliche Instandhaltungskosten angesetzt, – Erhaltungsschleifen, Herzstückwechsel, HZV-Wechsel, Radlenkerwechsel, Reparaturschweißen und Entgraten werden durch die neue Schwellenform in erster Näherung nicht beeinflusst und nur unter Berücksichtigung der Liegedauerverlängerung adaptiert, – die Mängelbehebungskosten werden zufolge der verbesserten Lagestabilität um 20% abgemindert. Aus diesen Angaben kann unter Abschätzung der Investitionskosten der RWS die Annuität abgeschätzt werden und den bekannten Werten konventioneller Weichen gegenübergestellt werden. Da im derzeitigen Entwicklungsstadium die Abschätzung der Investitionskosten noch mit hohen Unsicherheiten behaftet ist, tritt die Bestimmung der kritischen Investitionskosten den Vordergrund, also jener Investitionskosten, die die RSW bei einer geforderten Verzinsung des zusätzlich eingesetzten Kapitals von 5% nicht übersteigen darf. Diese kritischen Zusatzkosten betragen auf Basis aktueller Auswertungen (2005) über 71.000,– € pro
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18 Instandhaltung und Anlagenmanagement
Weiche, und liegen damit über den aus heutiger Sicht erwarteten Zusatzkosten. Das wesentliche Ergebnis der Untersuchung ist genau dieser kritische Wert der Zusatzkosten für eine Rahmenschwellenweiche (EW 1200, 1 : 18,5), und zwar die Größenordnung dieses Wertes. Eine in einem derart frühen Stadium der Produktentwicklung durchgeführte Wirtschaftlichkeitsanalyse kann keine Detailfragen beantworten, sie kann aber aufzeigen, dass für die Grundkonzeption „Rahmenschwellenweiche“ ein nennenswerter wirtschaftlicher Spielraum besteht und die Entwicklung daher vorangetrieben werden sollte. Mit diesen aktuellen Ergebnissen möchte ich die Darstellung des im Rahmen des Projekts Strategie Fahrweg der ÖBB optimierten Anlagemanagements abschließen, nicht jedoch ohne jenen zu danken, die das Projekt ermöglichten, allen voran der damalige Geschäftsbereichsleiter Fahrweg der ÖBB Herr Dipl.Ing. Michael Zuzic. Die Umsetzung wurde durch die Mitarbeit und das Einbringen von Fachwissen zahlreicher ÖBB-Mitarbeiter in den Arbeitsgruppen möglich, als Mitstreiter seit der ersten Stunde seien stellvertretend für alle den Herrn Dipl.-Ing. Dr. Rudolf Schilder sowie Ing. Michael Wogowitsch gedankt. Auf Seiten des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der Technischen Universität Graz konnten Detailfragen durch Diplomarbeiten und Dissertationen bearbeitet und beantwortet werden. Damit komme ich zum wichtigsten Unterstützer dieser Arbeiten und meiner Person überhaupt, den Vorstand des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtsaft, o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Klaus Rießberger, der in dreifacher Weise, durch sein Wissen, seine Unterstützung und seinen Führungsstil das Umsetzen eines derart umfangreichen Projekts unter den engen personellen Restriktionen eines Universitätsinstituts ermöglichte. Abschließend möchte noch auf meine im Projekt bestätigte Überzeugung hinweisen: Technische Erfordernisse und wirtschaftliche Sinnhaftigkeit standen in keinem einzigen
Fall im Gegensatz zueinander, vielmehr hat sich bei allen bisherigen Ergebnissen gezeigt, dass nur technisch funktionierende und damit sinnvolle Lösungen auch wirtschaftlich günstig sein können (jedoch nicht müssen), und damit hinter jeder als wirtschaftlich sinnvoll erkannten Strategie eine technisch sinnvolle Lösung stehen muss. Wäre das nicht der Fall, wäre entweder die wirtschaftliche Bewertung oder die technische Beurteilung unvollständig und damit falsch.
Literatur 18.1 18.2 18.3 18.4 18.5 18.6
18.7 18.8 18.9 18.10
18.11 18.12
18.13 18.14 18.15
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18.21 Veit P (2000) Projekt „Strategie Fahrweg“, Rahmenoberbau. TU Graz 18.22 Veit P, Marschnig St (2005) Rahmenschwellenweichen. TU Graz 18.23 Schilder R (2003) Erfahrungen mit besohlten Schwellen inklusive Weichenschwellen bei den Österreichischen Bundesbahnen. Symposium Feldkirch 18.24 Rießberger K (2002) Feste Fahrbahn auf Schotter. ETR Eisenbahntechnische Rundschau 4/2002
19
Anlagenmanagement Ulrich Erdmann
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme Modernes Anlagenmanagement ist ohne geeignete Datenverarbeitungssysteme heute nicht mehr denkbar. In diesem Zusammenhang findet man auch häufig den Begriff „Infrastrukturmanagementsystem“. Die Aufgabenstellung geht jedoch weit über das Verwalten von Anlagedaten hinaus. Zielstellung ist es, letztendlich eine vom DV-System gestützte optimierte Instandhaltungsstrategie zu realisieren. Grundvoraussetzung dafür ist, den Fahrweg als komplexes Ganzes zu betrachten. Es ist erforderlich, das gesamte Spektrum aller Inspektionsund Stammdaten in einem einzigen System zu speichern und dies über einen historisch gesehen möglichst langen Zeitraum. Die Praxis zeigt, dass gerade die Verwaltung von Massendaten im Bereich Eisenbahninfrastruktur ein häufig unterschätztes Problem darstellt. Die Grenzen sind nicht durch fehlende Speicher- oder Rechnerkapazität gegeben, sondern vielmehr fehlt es an geeigneten Datenbankmodellen und Softwarelösungen, die die Spezifika der Eisenbahninfrastruktur berücksichtigen. Das „System Bahn“ ist ein sehr komplexes Gebilde. Ziel der Softwareindustrie ist es naturgemäß, Standardlösungen für Infrastrukturmanagementsysteme bereitzustellen, die für einen breiten Anwenderkreis nutzbar sind und somit auch einen großen Absatzmarkt sichern. Der Versuch diese Standardlösungen an die Gegebenheiten der Eisenbahninfrastruktur anzupassen, scheitert spätestens dann, wenn Inspektionsdaten zu linearen Objekten, wie Gleise, Oberleitungen, Weichen, zu verwalten sind.
Diese Situation führte Mitte der 90er Jahre dazu, dass sich eine Reihe von Bahnverwaltungen dazu entschlossen hat, teure Eigenentwicklungen zu realisieren. Eine Bündelung der Entwicklungskapazitäten blieb aus. Hinzu kommt, dass jede Bahnverwaltung ihre eigenen „Gesetze“ hat, welche natürlich in diesen Entwicklungen ihren Niederschlag fanden. Eine Wiederverwendbarkeit war damit nahezu ausgeschlossen. Diese Situation wurde durch die Softwareindustrie Anfang 2000 erkannt. Es war zwingend erforderlich ein Standardsystem zu entwickeln, welches die Spezifika der Eisenbahninfrastruktur berücksichtigt. Seit Anfang des Jahres 2003 ist eine erste Standardsoftware am Markt verfügbar. Das System IRISSYS (International Railway Services System) verfügt über geeignete Modelle und Verfahren, um eine schnelle Adaptierbarkeit auf jede Bahnverwaltung zu ermöglichen. Darüber hinaus können die Systeme unter Einhaltung von konfigurierbaren Sicherheitsmechanismen miteinander verbunden werden und würden somit einen Überblick über ganze Korridore ermöglichen. Eine internationale Zusammenarbeit und der Austausch von Forschungsergebnissen wären ein unschätzbarer Effekt, der zukünftig genutzt werden sollte.
19.1.1 Systemarchitektur Um eine Standardlösung für diesen Bereich entwickeln zu können, sind für die Softwareindustrie umfangreiche Kenntnisse über den Aufbau und das Verhalten des Fahrwegs zwingend erforderlich. Im Gegenzug ist es für den Eisenbahningenieur wichtig, grundlegende
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19 Anlagenmanagement
Kenntnisse über die Architektur eines Infrastrukturmanagementsystems zu besitzen. Dies ist ein Vorraussetzung, um auch die Möglichkeiten zu erkennen, die diese Systeme bieten können. Nachfolgend sind einige grundlegende Zusammenhänge dargestellt. 19.1.1.1 Logische und physikalische Objekte des Fahrweges Das System Fahrweg besteht aus verschiedensten Objekten (Gleis, Weiche, Oberleitung, Tunnel, Bahnübergang usw.), die darüber hinaus noch in einem räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang stehen. Art und Umfang dieser Objekte und der zu speichernden Daten sind von Bahnverwaltung zu Bahnverwaltung unterschiedlich. Das System muss flexibel genug sein, beliebige Objekttypen verwalten zu können. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen Objekten, die eine Längenausprägung besitzen und Punktobjekten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die eineindeutige Bezeichnung der Objekte. Die Vorgaben zur Einteilung und Strukturierung dieser Objekte ist die grundlegende Basis, um einen eindeutigen Zugriff zu realisieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem Ordnungsrahmen. Beispielsweise muss das gesamte Streckennetz eindeutig beschrieben sein. Dazu werden Streckenbezeichnungen bzw. Streckennummerierungen festgelegt und Richtlinien für die Kilometrierung. Dieser Ordnungsrahmen ist in Europa nicht standardisiert. Jede Bahnverwaltung hat eigene Vorschriften und Regeln für diesen Ordnungsrahmen entwickelt. Mitunter werden sogar verschiedene Ordnungsrahmen für ein und dasselbe Objekt verwendet. Das sind gegebene Tatsachen, auf die ein System reagie-
ren muss. Datenverarbeitungssysteme benötigen für jedes Objekt eine eindeutige Bezeichnung (Primärschlüssel). Unter diesem Primärschlüssel werden die Informationen zu dem Objekt in der Datenbank gespeichert. Es bietet sich an, den durch die Bahnverwaltung vorgegebenen Ordnungsrahmen als Primärschlüssel zu verwenden. Somit wäre sichergestellt, dass der entsprechende Streckenabschnitt auch in der Datenbank eindeutig identifiziert werden kann. Eine Änderung des Ordnungsrahmens würde jedoch ein neues Datenbankmodell erfordern. Auf Grund der Tatsache, dass diese Objektbezeichnungen von Bahnverwaltung zu Bahnverwaltung unterschiedlich sind, wäre eine Adaptierbarkeit nicht mehr gegeben. Es ist erforderlich eine klare Trennung zwischen dem physikalischen Objekt und der Bezeichnung vorzunehmen. Jedes Fahrwegobjekt erhält einen eineindeutigen Schlüssel, der vom System automatisch generiert wird. Das ist das eigentliche physikalische Objekt. Auf dieses Objekt können verschiedene Bezeichnungen (logisches Objekt) angewendet werden. Die Physik ist überall gleich! Nur die Logik, sprich die Beschreibung, ist unterschiedlich. Es muss also zwischen einem physikalischen und logischen Modell unterschieden werden. Wie in Abb. 19.2 dargestellt, bildet die Grundlage ein physikalisches Objekt mit einem eigenen internen abstrakten Schlüssel, welcher die Grundlage für die gesamte Speicherung der Daten zu diesem Objekt bildet. Dieser Schlüssel muss darüber hinaus weltweit eineindeutig sein. Dies gestattet später eine Verbindung verschiedener Systeme. Bei der Abbildung der physikalischen Objekte im Datenbanksystem ist ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Bestimmte physiAbb. 19.1 Einfaches Modell
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme
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Abb. 19.2 Logisch physikalisches Modell
kalische Objekte stehen in einer räumlichen oder logischen Beziehung. Es muss also möglich sein, diese Beziehungen abbilden zu können. Ein klassischer Fall ist zum Beispiel der Zusammenhang zwischen Oberleitung und Gleis. Dies wird als Ortsbeziehung bezeichnet. Dieses Modell gestattet nun aus verschiedenen Sichten eine integrierte Betrachtung des Fahrweges. Beispielsweise kann der Fachmann
aus der Sicht der Oberleitungssegmente auch Daten zum Oberbau abrufen. Das System stellt diese automatisch über die Ortsbeziehung zur Verfügung. 19.1.1.2 Flexible Datenstrukturen Um Daten speichern zu können, ist es erforderlich die Struktur dieser Daten zu beschreiben. Diese Struktur bezeichnet man als Datensatz Abb. 19.3 Komplettes Modell Fahrweg
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19 Anlagenmanagement
und die Bestandteile eines Datensatzes sind Attribute. Ein einfaches Beispiel dafür ist eine Tabelle. Jede Zeile repräsentiert einen Datensatz und jede Spalte ein Attribut. Der Aufbau der Tabelle muss festgelegt werden und wird in einem Datenbankschema implementiert. Diese vom Grundsatz her übliche Verfahrensweise hat zur Konsequenz, dass bei neuen Datenstrukturen auch ein neues Datenbankschema erforderlich ist und dies somit Softwareänderungen nach sich zieht. Eingangs wurde darauf hingewiesen, dass gerade im Bereich Eisenbahninfrastruktur die Anforderungen von Bahn zu Bahn sehr unterschiedlich sein können. Das liegt schon in der Tatsache begründet, dass unterschiedliche Messtechnik zum Einsatz kommt und somit Art und Detaillierungsgrad der gewonnenen Daten unterschiedlich sind. Der Lösungsweg sind generische Datenbankmodelle. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass ohne Softwareänderungen die Struktur der Daten vom Anwender verändert bzw. neu definiert werden kann. Der Fachmann besitzt quasi einen Baukasten verschiedener Attribute, aus denen er jederzeit eine neue Struktur erstellen kann.
19.1.2 Datenimport/Schnittstellen In den beiden vorangegangenen Abschnitten wurde erläutert, wie die Struktur des Datenbanksystems entsteht. Im nächsten Schritt müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, die den Datenaustausch zwischen verschiedenen Messsystemen und anderen Datenbanksystemen ermöglichen. Die grundsätzliche Verfahrensweise besteht darin, dass eine Schnittstelle definiert werden muss. Auf Basis dieser Schnittstellendefinition muss das Importprogramm des Infrastrukturmanagementsystems angepasst werden. Wie häufig in der Vergangenheit anzutreffen, wurden auf Grundlage dieser Schnittstellendefinitionen spezielle Importprogramme entwickelt. Tatsache ist jedoch, dass eine Vielzahl ver-
schiedener Messsysteme und anderer Datenquellen existieren und somit diese Technologie nicht mehr vertretbar ist. Aktuell gibt es Bemühungen im Bereich Eisenbahn, Schnittstellen zu standardisieren. Mit der Initiative RailML wurde ein Schema entwickelt, auf dessen Basis Daten zwischen verschiedenen Systemen ausgetauscht werden könnten. Der Standard ist nicht verbindlich und basiert auf der freiwilligen Mitwirkung. Diese Initiative ist grundsätzlich zu begrüßen, jedoch wird es auch auf lange Sicht nicht möglich sein, alle Systeme diesem Standard anzupassen. Es ist erforderlich ein flexibles System bereitzustellen, das ohne Programmierung den Datenimport beliebiger Quellen gestattet. Das Prinzip beruht darauf, dass mit Hilfe eines Interfacedesigners der Aufbau einer externen Datenquelle beschrieben werden kann und das Importprogramm auf Basis dieser Informationen automatisch angepasst wird. Somit entfallen aufwendige Programmierarbeiten. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die ortsgenaue Speicherung der Daten. Die Ortsgenauigkeit der gewonnenen Messdaten ist je nach System heutzutage noch recht unterschiedlich. Spitzenwerte liegen bei einer Genauigkeit von 0,5 m. Die Praxis zeigt aber auch, dass Abweichungen von 100 m und mehr keine Seltenheit sind. Für einen möglichst ortsgenauen Datenimport bietet das System Referenzdaten an. Dies können GPS-Informationen sein aber auch Daten aus vorangegangenen Messungen. Mit diesen Referenzdaten werden die zu importierenden Daten verglichen und über geeignete Korrelationsverfahren automatisch korrigiert.
19.1.3 Das Analysesystem Letztendlich entscheidend für den Anwender sind die Möglichkeiten, den vorhandenen Datenbestand auswerten zu können und in geeigneter Form zu präsentieren. Berücksichtigt man alleine die verschiedenen Vorschriften in Europa nach denen die Werte der Gleisge-
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme
931
Abb. 19.4 Interfacedesigner
ometrie ausgewertet werden und das gesamte Regelwerk der Eisenbahnverwaltungen, ergibt sich eine unüberschaubare Anzahl von möglichen Recherchen, Berechnungen und Auswertungen. Natürlich ist es unmöglich, diese im Vorfeld zu programmieren. Demzufolge muss ein modernes Infrastrukturmanagementsystem Werkzeuge bereitstellen, mit dem diese Analysen flexibel und möglichst einfach erstellt werden können. Eine komplette Analyse besteht aus folgenden drei Funktionalitäten: – Formulierung der Lesefunktion, – Berechnungsfunktionen, – Präsentation der Ergebnisse. Dabei muss das Gesamtsystem für den Eisenbahningenieur beherrschbar bleiben. Lösungsansätze wie eine spezielle Programmiersprache für den Bereich Eisenbahn haben sich nicht bewährt, vielmehr dagegen grafische Benutzeroberflächen. Es besteht dort die Möglichkeit, verschiedene Operatoren anzuordnen und diese miteinander zu verknüpfen. So bleibt der logische Informationsfluss auch visuell erhalten.
Das System IRISSYS verfügt über ein universelles Programminterface, das es gestattet externe Tools anzubinden. Es ist unter anderem möglich, so leistungsfähige Standardwerkzeuge wie LabVIEW zu verwenden. LabVIEW verfügt im Bereich der Datenanalyse über einen Funktionsumfang von ca. 450 Analysefunktionen. Diese umspannen unter anderem die Fachbereiche Lineare Algebra, Statistik, Optimierung, Interpolation, Extrapolation, Regression, Korrelation, Fensterung, Digitale Filter, Signalvermessung, Signalaufbereitung und Signalgenerierung. Durch zusätzliche Komponenten lässt sich der Funktionsumfang von LabVIEW erweitern. Darüber hinaus ist eine Anbindung des Konstruktionsprogramms Autodesk Map möglich. Dies ist gerade in dem Bereich nützlich, wo Auswertungen an grafischen Objekten wie Weichen, Computerkarten oder anderen Bauwerken dargestellt werden sollen. Die Grafiken können mit Autodesk Map auch aus Fremdformaten importiert oder direkt in Autodesk Map erstellt werden. In einem zweiten Schritt werden sie mit den physikalischen Objekten in der Datenbank verbunden.
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19 Anlagenmanagement
Abb. 19.5 Korrelationsverfahren
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme
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Abb. 19.6 Grafische Operatoren
Des Weiteren steht die Anbindung von NeuroSolutions zur Verfügung. Das ist eine leistungsfähige Entwicklungsumgebung zum grafischen Design von Künstlichen Neuronalen Netzen (KNN). Dieses Werkzeug umfasst elf verschiedene Netzwerktopologien, acht verschiedene Transferfunktionen und fünf verschiedene Lernverfahren. Mit diesen Baustei-
Abb. 19.7 Kopplung externer Tools
nen lassen sich Anwendungen für nahezu alle möglichen Einsatzgebiete für KNN realisieren. Es ist grundsätzlich möglich, weitere Werkzeuge an das System anzuschließen. Das hat den großen Vorteil, dass bereits entwickelte Lösungen nicht noch einmal nachempfunden werden müssen und bringt einen erheblichen Effektivitätsgewinn.
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19 Anlagenmanagement
19.1.4 Anforderungen und Grundformen der Darstellung Eine wesentliche Anforderung an die Datendarstellung in Infrastrukturmanagementsystemen ist die Skalierbarkeit. Abhängig von der durchzuführenden Analyse muss die Betrachtung von Einzelmesswerten über die Ansicht von Streckenabschnitten bis hin zur komprimierten Darstellung des gesamten Streckennetzes möglich sein. In jedem Detailgrad der Anzeige ist dabei auf eine ortsgenaue Datendarstellung zu achten. Weiterhin spielt die zeitlich historische Orientierung eine wichtige Rolle. Sie bildet die Grundlage für die Darstellung von Zustandshistorien bzw. Entwicklungstendenzen. Somit ist der Anwender in der Lage, Trendanalysen durchzuführen.
Abb. 19.8 Die zweidimensionale Darstellungsform
Es gelten folgende generelle Grundsätze für die Datendarstellung in Infrastrukturmanagementsystemen. Dazu gehören unter anderem: – Übersichtlichkeit und hoher Informationsgehalt, – Benutzerfreundlichkeit und Ergonomie, – Anpassbarkeit an Nutzeranforderungen, – geringe Wartezeiten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Datendarstellung ist die Speicherung bzw. Ausgabemöglichkeit von Ansichten in beliebige Fremdformate. Darunter fällt im einfachsten Fall der Ausdruck einer Ansicht. Viel bedeutender ist jedoch, dass Darstellungen in Formate anderer DV-Systeme überführt werden können. Nachfolgend sollen konkrete Darstellungsformen betrachtet werden, die sich in der Praxis bewährt haben. Der Begriff der Darstellungsform kennzeichnet die Art und Weise,
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme
wie Daten in einem System visualisiert werden. Die wohl wichtigste Darstellungsform ist die zweidimensionale Ansicht. Sie ist durch einen hohen Informationsgehalt, Übersichtlichkeit und gute Skalierbarkeit gekennzeichnet. In einer Dimension wird dabei die Ausdehnung des Fahrwegs bzw. die Kilometrierung dargestellt. Die zweite Dimension bildet den Wertebereich der anzuzeigenden Daten ab. Den prinzipiellen Aufbau soll Abb. 19.8 verdeutlichen. Üblicherweise werden in der Praxis mehrere zweidimensionale Ansichten miteinander kombiniert, um alle wesentlichen Zustandsparameter im Blickfeld zu haben. Die zweidimensionale Darstellungsform eignet sich aufgrund ihrer Eigenschaften vor allem für die detaillierte Analyse von Einzelmesswerten bis hin zur Auswertung einzelner Streckenabschnitte bzw. ganzer Strecken.
Abb. 19.9 Die dreidimensionale Darstellungsform
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Eine Erweiterung der zweidimensionalen Ansicht stellt die dreidimensionale Form dar. Sie bietet einen ähnlichen Informationsgehalt wie die vorhergehende Variante. Im Gegensatz dazu werden der Wertebereich und der Fahrwegverlauf in den dreidimensionalen Raum verlegt. Zusätzlich werden Objekte, wie beispielsweise Elemente des Oberbaus, Brücken oder Übergänge abgebildet. Dadurch entsteht eine weniger abstrakte und realitätsnahe Darstellung. Zwar wirkt die dreidimensionale Ansicht optisch deutlich ansprechender, jedoch verringert der modellhafte Charakter die Menge der darstellbaren Informationen. Hinzu kommt, dass derzeitig keine Auswertungen existieren, die sich durch die Anwendung dreidimensionaler Darstellungen effizienter gestalten lassen. Aus diesen Gründen ist die dreidimensionale Darstellungsform für die Praxis nicht relevant.
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19 Anlagenmanagement
Für einen netzweiten Überblick bietet sich die Kartenform an. Dazu wird das zu analysierende Streckennetz digital abgebildet. Entlang der gezeichneten Strecken erfolgt die Datendarstellung. Der Informationsgehalt ist im Vergleich zur zwei- oder dreidimensionalen Darstellung deutlich geringer, da die Kartendarstellung nur die Anzeige weniger Informationen zulässt. Doch durch die Möglichkeit komprimiert Informationen zum gesamten Streckennetz anzuzeigen, hat sich diese Darstellungsform im praktischen Einsatz bewährt. Eine besondere Form der Karten stellt die Abbildung von Weichen und Bahnhofsplänen dar. Die drei beschriebenen Darstellungsformen bilden die grundlegenden Visualisierungsmöglichkeiten im Bereich der Zustandsanalyse. Darüber hinaus werden in der Praxis Bildund Videoaufnahmen angeboten. Sie besitzen nach derzeitigem Stand der Technik lediglich einen ergänzen Charakter. Ein wesentlich höherer Informationsgehalt könnte gewonnen werden, wenn digitale Bildbearbeitungssysteme eine zuverlässige automatische Fehlerklassifizierung dieser Aufnahmen durch-
Abb. 19.10 Formen der Kartendarstellung
führen würden. Es existieren bereits solche Lösungen. Aufgrund ihrer aktuellen Funktionalität sind sie jedoch für die Zustandsdiagnose nicht von Bedeutung. Ein weiteres Format der Datendarstellung stellen sog. „Reports“ (Berichte) dar. Dabei handelt es sich um dynamisch generierbare Dokumente. Sie können äußerst vielfältig angewandt werden. Beginnend von tabellarischen Übersichten ausgewählter Zustandsgrößen über Protokolle geplanter und ausgeführter Instandsetzungsmaßnahmen bis hin zur Abbildung von Übersichtskarten oder Graphen. Reports bieten damit die Möglichkeit, sowohl komprimierte Informationen, als auch zusammenfassende Statistiken wiederzugeben. Ein Infrastrukturmanagementsystem sollte dem Anwender nicht nur die einzelnen Darstellungsformen bereitstellen, sondern sollte diese auch miteinander kombinieren, um einen möglichst effizienten Arbeitsablauf bei der Datenanalyse zu gewährleisten. Das bedeutet einerseits, dass alle Darstellungsformen und Medien gleichzeitig betrachtet werden können und andererseits muss eine einfache Navigation von komprimierten Informationen, wie
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme
937
Abb. 19.11 Integration der Bildanzeige in die Zustandsanalyse
Kartendarstellungen bis hin zu detaillierten Ansichten, garantiert sein.
19.1.5 Fachübergreifende Grundlagen für weitergehende Analysen In diesem Abschnitt sollen kurz theoretische Grundlagen erläutert werden, die über das Gebiet der Fahrweginstandhaltung hinausgehen. Im Mittelpunkt steht die einführende Darstellung wesentlicher praxiserprobter Techniken und Verfahren der Mathematik und Informatik, die über gegenwärtig angewandte Analysemethoden hinausgehen. Um zukünftig für den Umgang mit solchen Verfahren vorbereitet zu sein, ist es für den Eisenbahningenieur wichtig, die Grundlagen dieser Ansätze zu verstehen. Die fachliche Vollständigkeit der Ausführungen ist an dieser Stelle nicht erreichbar.
19.1.5.1 Digitale Signalverarbeitung Die Digitale Signalverarbeitung, kurz DSV, beschäftigt sich mit der Verarbeitung von diskreten Signalen, das heißt Folgen digitaler Daten, mit Hilfe digitaler Systeme. Diese Folge von Daten entsteht im Bereich der Instandhaltung durch die Erfassung mit Hilfe von Messzügen und Handmessgeräten in einem zeit- bzw. ortsperiodischen Messprozess. Die Bearbeitung digitaler Signale erfolgt durch sog. Signalprozessoren, die in der Regel aus programmierbaren Universalprozessoren, wie der CPU eines Computers, bestehen. Während viele Verfahren der digitalen Signalverarbeitung mit analogen Systemen nicht umsetzbar wären, ist mit Hilfe von DSV-Verfahren praktisch alles realisierbar, was sich mathematisch beschreiben lässt. Das theoretische Modell des digitalen Systems wird auch als Algorithmus bezeichnet. Die DSV bietet unter anderem Algorith-
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19 Anlagenmanagement
Abb. 19.12 Beispiele für Reports
men zur Signalgenerierung, Fensterung, Filterung, Diskreten Fourier-Transformation, PIDRegelung sowie für die Datenverarbeitung im Bereich der Kurvenanpassung, Statistik und linearen Algebra. Praktische Anwendung findet die DSV im Bereich der Verarbeitung und Analyse von Daten für die Instandhaltung des Fahrwegs Eisenbahn. Hier reicht der Einsatz der DSV von einfachen Verfahren aus der Statistik bis hin zu komplexen Verfahren wie der reaktionsbezogenen Bewertung des Fahrweges, mit der es möglich ist, die Fahrzeugreaktion bei gegebener Gleisgeometrie zu berechnen. 19.1.5.2 Künstliche Intelligenz Mit dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ wird ein fachübergreifender Bereich der Informatik bezeichnet. Neben der Kerninformatik flossen unter anderem die Gebiete der Mathematik, Logik, Neurologie, Kommunikationswis-
senschaften, Philosophie und Psychologie in Ergebnisse dieses Fachbereichs ein. Die primäre Zielstellung besteht in der Lösung komplexer Anwendungsprobleme. Mit Mitteln der Informatik und Mathematik wird dazu intelligentes Verhalten simuliert. Expertensysteme Expertensysteme werden erfolgreich in den Bereichen der medizinischen Diagnose, in der Technik und für Beratungsfragen eingesetzt. Es existieren zudem Ansätze für die Anwendung in der Fahrweginstandhaltung. Diese Klasse der Software-Systeme verwendet menschliches Expertenwissen um gegebene Problemstellungen zu lösen oder zu bewerten. Zunächst wird dabei versucht vorhandenes Wissen über die sog. „Wissenserwerbskomponente“ zu formalisieren und abzubilden. Die Speicherung des formalisierten Wissens erfolgt in der „Wissensbasis“. Die „Problem-
19.1 Anforderungen an Infrastrukturmanagementsysteme
lösungskomponente“ verarbeit unter Anwendung von Ableitungsregeln das gespeicherte Wissen. Dabei wird nicht nur das bestehende Wissen wiedergegeben, sondern das System kann auch zu neuen Schlussfolgerungen kommen. Die „Dialogkomponente“ dient dem Anwender als Benutzerschnittstelle zur Einund Ausgabe von Informationen. Sie beinhaltet Funktionen, die jede Regelanwendung protokolliert und dem Anwender erklärt. Der Einsatz von Expertensystemen in der Fahrweginstandhaltung ist problematisch, da sich die Wissensakquisition für diesen Bereich sehr schwierig gestaltet. Zwar existieren genügend Instandhaltungsexperten, die über umfangreiches Wissen verfügen, jedoch ist die Formalisierung der komplexen Zusammenhänge, die bei der Abnutzung des Fahrwegs auftreten, fast unmöglich. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Großteil des Wissens nur in Fallbeispielen oder in unpräziser Form vorhanden ist. Die Bildung einer Wissensbasis setzt jedoch klare Fakten voraus. Weiterhin sind nicht alle Gesetzmäßigkeiten der Fahrwegabnutzung vollständig erforscht. Künstliche Neuronale Netzwerke Künstliche Neuronale Netze, kurz KNN, sind dem Aufbau und der Funktionsweise des
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menschlichen Gehirns nachempfunden. Wie das menschliche Gehirn besteht ein KNN aus einer Vielzahl informationsverarbeitender Einheiten, den Neuronen. Die Neuronen sind über gerichtete Verbindungen miteinander verknüpft. Sie sind meist schichtweise angeordnet. Im Gegensatz zum menschlichen Gehirn werden statt elektrochemischer Reize, digitale Signale verarbeitet. Neben den Verbindungen zwischen den Neuronen gibt es Leitungen zur Informationsaufnahme bzw. -abgabe. Die Informationsverarbeitung innerhalb der Neuronen basiert auf der Anwendung spezifischer mathematischer Modelle und Formeln. Künstliche Neuronale Netzwerke haben sich aufgrund ihrer Eigenschaften als effektiver Lösungsansatz für viele praktische Probleme erwiesen. Die wohl wichtigsten Eigenschaften sind die Lern- und Generalisierungsfähigkeit. Durch die Anwendung spezieller Lernverfahren kann ein KNN Zusammenhänge zwischen Beispieldaten erlernen. Viele Lernverfahren basieren dabei auf einem Frage-Anwort-Prinzip, d.h. dem Netzwerk wird sozusagen eine Frage gestellt und gleichzeitig die zugehörige richtige Antwort vorgegeben. Nach der Lernphase ist das Netzwerk in der Lage, beim „Stellen einer Frage“ selbständig die richtige Antwort zu geben. Diesen Effekt bezeichnet man
Abb. 19.13 Aufbau eines Expertensystems
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als Lernfähigkeit. Das Erlernen dieser Zusammenhänge geschieht dabei durch die Gewichtung der Verbindungen zwischen den Neuronen. Ein einfaches Beispiel für diese Eigenschaft ist das Erlernen von Mischfarben. So kann man unter Anwendung eines Lernverfahrens zwei Farben in digital kodierter Form an ein Netzwerk anlegen und es so „trainieren“, dass es die zugehörige Mischfarbe dieser beiden Farben erlernt und später wieder ausgibt. Die Generalisierungsfähigkeit ist eine Erweiterung des Erlernens von Sachverhalten. Dabei passen sich die Gewichte des Netzwerks während der Lernphase so an, dass es nicht nur die gelernten Beispieldaten wiedergeben kann. Stattdessen hat es den Sachverhalt soweit verallgemeinert, dass es neben den erlernten Daten auch ähnliche Informationen verarbeiten kann. Ein Beispiel hierfür ist die Verallgemeinerung einer mathematischen Funktion. So kann ein KNN durch das Anlegen weniger Beispielwertepaare den funktionalen Zusammenhang zwischen den Daten erkennen und speichern, so dass es auch andere nicht gelern-
te Wertepaare der Funktion richtig zuordnen kann. Je nach Neuronenanzahl bzw. -anordnung, Lernverfahren sowie Art und Richtung der Verbindungen zwischen den Neuronen werden verschiedene KNN-Typen unterschieden. Künstliche Neuronale Netzwerke werden vor allem für die Zuordnung von Daten zu definierten Klassen, beispielsweise bei der Schrifterkennung, für das eigenständige Erfassen von Musterklassen in Datenbeständen, wie in der Datenkompression oder für Prognosezwecke verwendet. Aber auch bei der Lösung wirtschaftlicher Optimierungsprobleme oder Steuerung und Regelung technischer Abläufe finden sie Anwendung. Genetische Algorithmen Genetische Algorithmen gehören zu den Näherungsverfahren. Sie werden vor allem für die Lösung von Optimierungsproblemen, wie z.B. das Ermitteln eines Kostenminimums eingesetzt. Die Grundidee der Genetischen Algorithmen stammt aus der biologischen Evolutions-
Abb. 19.14 Vereinfachter Aufbau von Künstlichen Neuronalen Netzwerken
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
theorie und besteht darin, solange eine Anzahl von Lösungskandidaten zufällig zu erzeugen und nach bestimmten Kriterien auszuwählen, bis Kandidaten gefunden wurden, die gestellten Anforderungen entsprechen. Während dieser schrittweisen Evolution werden bestimmte Eigenschaften der selektierten Kandidaten kombiniert und verändert, um sozusagen die genetische Vielfalt zu erhalten und möglichst viele Lösungsvarianten zu bewerten. Genetische Algorithmen werden insbesondere für Problemstellungen eingesetzt, die analytisch nicht innerhalb eines akzeptablen Zeitraums lösbar sind. Einen Großteil solcher Aufgabenstellungen bilden Optimierungsprobleme, die unter Berücksichtigung zahlreicher Randbedingungen ein Minimum oder Maximum suchen. Die Anzahl der theoretisch möglichen Varianten ist dabei so hoch, dass eine iterative Lösung durch Bewertung aller Kandidaten zeitlich unmöglich ist. Genetische Algorithmen finden aufgrund ihrer heuristischen Ansatzweise häufig eine gute Lösung innerhalb eines annehmbaren Zeitbereichs. Die Heuristik liegt dabei in der gezielten Auswahl von Lösungskandidaten entsprechend einer Bewertungsfunktion bzw. den gestellten Anforderungen. Somit arbeitet sich der Algorithmus gezielt zu einer Lösung in der Nähe des Optimums hin. Der Nachteil solcher Verfahren liegt jedoch darin, dass das absolute Optimum selten erreicht wird.
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen Die Instandhaltung besteht aus einer dreiteiligen Prozesskette. Ihre Elemente sind die Inspektion, die Analyse und die Instandsetzung. Im Bereich der Instandhaltung des Fahrwegs Eisenbahn ist diese Prozesskette durch eine klare Trennung der einzelnen Abläufe geprägt. So tritt in der Praxis häufig der Fall auf, dass die erfassten Zustandsdaten in unterschiedlichen Datenbanksystemen gespeichert werden. Für
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die Analyse und die darauf basierende Instandsetzungsplanung existieren zahlreiche Instandhaltungsstrategien, die stellenweise auch teilautomatisierte Verfahren beinhalten. Jedoch werten Fachleute oder Streckenbeauftragte die Zustandsdaten vielfach manuell aus. Basierend auf ihren Erfahrungen und ihrer Qualifikation planen sie nachfolgend Instandsetzungen. Dieser Mangel der strikten Trennung von Instandhaltungsprozessen wird durch den Einsatz von Infrastrukturmanagementsystemen beseitigt. Ein Infrastrukturmanagementsystem unterstützt durchgehend alle Instandhaltungsprozesse. Alle Funktionen, beginnend vom Inspektionsdatenmanagement über die Analyse bis hin zur Instandsetzung, sind in einem System integriert. Basierend auf den bereitzustellenden Inspektions- und Stammdaten einer Eisenbahninfrastruktur muss ein Infrastrukturmanagementsystem die zentralen Anwendungsbereiche der Instandhaltung abdecken. Dazu gehören vor allem die Ist-Zustandsanalyse, d.h. die Auswertung der erfassten Messdaten, als auch die Planung von Instandsetzungs- bzw. Wartungsmaßnahmen. Wie diese Anwendungsbereiche konkret in einem Infrastrukturmanagementsystem umgesetzt und welchen Anforderungen sie gerecht werden müssen, ist das zentrale Thema dieses Kapitels. Durch das breite Angebot an Werkzeugen und Instrumenten stellen Infrastrukturmanagementsysteme eine ideale Forschungsgrundlage dar. Gleichzeitig garantiert ihr Einsatz in Forschung und Praxis die sofortige, flächendeckende Umsetzung der entwickelten Verfahren. Somit bilden Infrastrukturmanagementsysteme eine wesentliche Basis für die Entwicklung neuer Instandhaltungsstrategien. Damit ein Infrastrukturmanagementsystem die Funktionen der genannten Anwendungsbereiche umsetzten kann, muss es folgenden Anforderungen gerecht werden: – zentrale Datenhaltung, – Bereitstellung effektiver Analyseinstrumente, – Bereitstellung umfassender integrierter Projektmanagement- und Planungsfunktionen,
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– Zusammenarbeit aller am Instandhaltungsprozess beteiligten Instanzen an einem System, – Bereitstellung offener und standardisierter Schnittstellen für die Anbindung anderer Softwaresysteme.
19.2.1 Ist-Zustandsanalyse Um eine effektive Instandhaltungsplanung zu realisieren, ist einerseits eine exakte Erfassung und andererseits eine umfassende Auswertung der Zustandsdaten unumgänglich. Die drei grundlegenden Bereiche der Zustandsanalyse bilden die Darstellung, die Aufbereitung und die Bewertung der erfassten Daten. 19.2.1.1 Darstellung der Daten Die Datendarstellung beschäftigt sich mit der Anzeige der erfassten Zustandsdaten. Sie bildet eine wesentliche Grundlage für ein schnelles Erkennen von Fehlern und Schwachstellen. Für die Zustandsanalyse sind die in Abschn. 19.1.4 beschriebenen Darstellungsformen besonders geeignet. Die Datendarstellung ermöglicht die einfachste Form der Zustandsanalyse. Sie besteht in der manuellen Auswertung der betrachteten Inspektionsdaten. Die Feststellung des IstZustands und die Bewertung der Daten erfolgen dabei durch den Anwender und unterliegen somit subjektiven Einschätzungen. Ein Infrastrukturmanagementsystem muss in der Lage sein, alle Daten der einzelnen Fahrwegbereiche in geeigneter Form grafisch anzuzeigen, um eine Diagnose des Ist-Zustandes aller Fahrwegbereiche zu gewährleisteten. Die Qualität der Diagnose hängt dabei wesentlich von der Qualifikation und der Erfahrung des Anwenders ab. Deshalb bieten leistungsfähige Infrastrukturmanagementsysteme weitere Instrumente und Hilfsmittel an, die eine systemgestützte Zustandsanalyse ermöglichen. So wird die Diagnose des Ist-Zustands erleichtert und der Einfluss subjektiver Eindrücke gemindert.
19.2.1.2 Aufbereitung der Daten Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Aufbereitung der erfassten Inspektionsdaten. Durch entsprechende Verfahren werden zum einen der Informationsgehalt und damit die Aussagefähigkeit der Daten erhöht und zum anderen die Daten für die Weiterverarbeitung in komplexeren Verfahren aufbereitet. Zu den komplexeren Verfahren zählen unter anderem die Integrierte Ist-Zustandsanalyse sowie die systemgestützte Prognose und Instandhaltungsplanung. Die Aufbereitung der Inspektionsdaten erfolgt fast ausschließlich mit Hilfe der Digitalen Signalverarbeitung, die ein breites Spektrum an Algorithmen bzw. Verfahren zur Verfügung stellt. Die nachfolgende Aufzählung stellt eine Möglichkeit zur Klassifizierung dieser Verfahren dar. Sie erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt lediglich die für die Aufbereitung der Inspektionsdaten des Fahrwegs relevanten Verfahren übersichtlich dar. Filter – Anwendung der verschiedensten Filtertypen und Filterarten Statistik – Median und Mittelwert – Varianz und Standardabweichung – Verteilungsfunktionen – Varianzanalysen – Mittlerer Quadratischer Fehler – Approximationsverfahren – Regressionsanalysen – Interpolations- und Extrapolationsfunktionen Signalanalyse – Signalmessung und Pulsmessung – Signalaufbereitung – Amplituden- und Phasenspektrum – Transfer- und Übertragungsfunktionen – Leistungsspektrumsanalyse – Signalspitzenvermessung
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
– Auto- und Kreuzkorrelation – Faltung und Entfaltung Fensterung – Fensterung zur Periodisierung nichtperiodischer Signale – Generierung endlicher Signale aus unendlichen Folgen Lineare Algebra – Vektoren und Matrizen – Eigenwerte und Eigenvektoren – Faktorisierung und komplexe Faktorisierung – Inverse Matrix und Determinanten Im Folgenden sollen nun Beispiele aus den Bereichen Filter, Statistik und Signalanalyse dargestellt und beschrieben werden, um die Funktionsweise der Digitalen Signalverarbei-
Abb. 19.15 Funktionsweise von Filtern
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tung (DSV) im Bereich der Fahrwegsinstandhaltung genauer zu erläutern. Mit der Hilfe von Filtern können die Signalanteile der Rohdaten aus der Inspektion voneinander getrennt werden. Mit Hochpass-Filtern kann der dynamische Anteil und mit TiefpassFiltern der statische Anteil aus einem Signal extrahiert werden. Genauso kann auch ein bestimmter Frequenzbereich in einem Signal mit Hilfe von Bandpässen selektiert bzw. mit Hilfe von Bandsperren unterdrückt werden. In Abb. 19.15 ist die Funktionsweise der verschiedenen Filtertypen am Beispiel der Gegenseitigen Höhenlage dargestellt. Der erste Kanal in Abb. 19.15 stellt die Rohdaten der Gegenseitigen Höhenlage dar. Der zweite Kanal zeigt nun den statischen Anteil des Signals mit einer Wellenlänge größer als 60 m und der dritte Kanal den dynamischen
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Anteil mit einer Wellenlänge kleiner als 60 m. Im vierten Kanal ist schließlich das Gesamtsignal mit einem Bandpass-Filter und im fünften Kanal mit einem Bandsperren-Filter bearbeitet. Hier wurde als untere Grenzwellenlänge 40 m und als obere Grenzwellenlänge 160 m verwendet. Sinn und Zweck der Filterung ist es, die verschiedenen Signalanteile voneinander zu trennen, um diese gesondert zu behandeln. Nach der Trennung der Signalanteile können zum Beispiel auf den statischen Anteil Verfahren zur Ermittlung der Lage der Bögen und auf den dynamischen Anteil, der den Zustand des Fahrwegs darstellt, Verfahren zur genaueren Analyse des Zustands angewendet werden. So können die Daten mit Hilfe von Verfahren aus der Statistik, wie zum Beispiel der Berechnung des Mittelwertes, der Standardabweichung oder der Ermittlung von
Abb. 19.16 Statistische Verfahren
Maxima und Minima, genauer analysiert werden. Hierbei handelt es sich um eine sog. Analyse im Amplitudenbereich. Abbildung 19.16 zeigt nun die Analyse des dynamischen Anteils der Gegenseitigen Höhenlage mit Hilfe statistischer Verfahren. Der erste Kanal zeigt hier, wie in der vorhergehenden Abbildung, das Gesamtsignal der Gegenseitigen Höhenlage. Der zweite Kanal stellt den mit Hilfe von Filtern gewonnenen dynamischen Anteil des Gesamtsignals dar. Die Kanäle drei, fünf und sieben zeigen die Berechnung des absoluten Maximums, des absoluten Mittelwertes und der Standardabweichung über eine Abschnittslänge von 250 m. Die Kanäle vier, sechs und acht zeigen hingegen das absolute Maximum, den absoluten Mittelwert und die Standardabweichung als gleitende Verfahren mit einem sog. Del-
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
ta von 25 Metern. Bei den gleitenden Verfahren wird über eine bestimmbare bzw. parametrisierbare Abschnittslänge, das sog. Delta, ein Wert berechnet und als Ergebnis die Mitte des Deltas auf diesen Wert gesetzt. Der große Vorteil der gleitenden Verfahren ist, wie in der obigen Abbildung ersichtlich, eine weitaus bessere Ortsgenauigkeit der Ergebnisse. Weitere für ein Infrastrukturmanagementsystem relevante Verfahren der DSV aus dem Bereich der Statistik sind Verfahren zur Ermittlung der Verteilung bzw. der Klassenhäufigkeit. Abbildung 19.17 zeigt die prozentuale Verteilung der Amplitude des dynamischen Anteils der Gegenseitigen Höhenlage in fünf Klassen. Auch dieses Verfahren ist als gleitendes Verfahren realisiert worden. Wie auch im vorhergehenden Beispiel zeigen die Kanäle eins und zwei der Abb. 19.17 das
Abb. 19.17 Klassenhäufigkeit
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Gesamtsignal und den dynamischen Anteil der Gegenseitigen Höhenlage. Die Kanäle drei bis sieben stellen den prozentualen Anteil der Amplitudenbereiche 0 bis 0,5; 0,5 bis 1; 1 bis 2; 2 bis 5 und 5 bis unendlich dar. Der Kanal acht zeigt die prozentual dominierende Klasse in ihrer entsprechenden Farbe. Mit Hilfe dieses Verfahrens kann ermittelt werden, welche Amplitude und damit welche Fehlerklasse für welchen Bereich dominierend ist. Als nächstes soll ein Beispiel für eine Analyse im Frequenzbereich erläutert werden. Viele Verfahren zur Analyse des Signals im Frequenzbereich basieren auf der Diskreten Fourier-Transformation oder kurz DFT. Sie ist die Fourier-Transformation eines zeitdiskreten endlichen oder periodischen Signals. Die Fourier-Transformation dient der sog. harmonischen Analyse, bei der ein periodisches bzw.
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quasiperiodisches Signal in eine Summe von Winkelfunktionen aufgespalten wird. Die DFT ist das wichtigste Werkzeug in der Praxis der digitalen Signalverarbeitung, da sich mit ihr schnelle Algorithmen zur Transformation der Daten realisieren lassen. Am bekanntesten ist die FFT (Fast-Fourier-Transformation), die auch als schnelle Fourier-Transformation bezeichnet wird. Hierzu zählt unter anderem auch die Leistungsspektrum-Analyse, die eine genauere Aussage darüber ermöglicht, aus welchem Frequenz- bzw. Wellenlängenspektrum sich ein Signalabschnitt zusammensetzt. Damit kann der Wellenlängenbereich und somit auch die Art eines Fehlers genauer spezifiziert werden. Abbildung 19.18 zeigt die Einteilung des Leistungsspektrums der Gegenseitigen Höhenlage in fünf Klassen. Auch dieses Verfahren wurde als gleitendes Verfahren realisiert.
Abb. 19.18 Leistungsspektrumsanalyse
Die Kanäle eins und zwei der Abb. 19.18 zeigen wieder das Gesamtsignal und den dynamischen Anteil der Gegenseitigen Höhenlage. Kanal drei zeigt den auf den halben Abtastabstand, also 0,125 m, interpolierten dynamischen Anteil. Dabei wird zwischen je zwei Werten ein zusätzlicher Wert berechnet, um die Anzahl von Werten je Abschnitt zu verdoppeln. Die Interpolation des Signals ist nicht unbedingt notwendig, erlaubt aber eine zuverlässige Analyse des Leistungsspektrums über ein Delta von 125 statt 250 m. Die Kanäle vier bis acht stellen nun die Fläche der Gleichrichtwerte der fünf Wellenlängenbereiche 0,5 bis 10; 10 bis 20; 20 bis 30; 30 bis 55 und 55 bis 125 m dar. Kanal neun zeigt das Wellenlängenspektrum des Signals, indem für jeden Messpunkt die Wellenlänge, deren Leistung am größten ist,
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
in der entsprechenden Farbe als Vollbalken dargestellt wird. Weitere für die Instandhaltung des Fahrwegs relevante Verfahren der DSV, die aus Platzgründen hier nicht weiter beschrieben und dargestellt werden können, sind Interpolations- und Extrapolationsverfahren sowie diverse Korrelations- und Approximations-Verfahren. Als Beispiel für einen praktischen Anwendungsfall für Interpolationsverfahren sei auf die Halbierung des Abtastabstands des dynamischen Anteils für die Leistungsspektrumsanalyse verwiesen. Eine mögliche Anwendung von Extrapolationsverfahren wird hingegen im Abschnitt „Prognose der Zustandsdaten“ beschrieben. Korrelationsverfahren werden vor allem bei der Ermittlung und Beseitigung von Ungenauigkeiten der Daten im Wegbereich eingesetzt. Außerdem sollten in einem Infrastrukturmanagementsystem mit Hilfe der DSV alle als mathematische Funktionen definierbaren Verfahren, wie zum Beispiel die Berechnung des Überhöhungsfehlbetrags, aber auch selbst entwickelte Verfahren, wie zum Beispiel landesspezifische Bewertungsverfahren, vom Anwender ohne Programmieraufwand realisierbar sein. Als letztes Beispiel soll nun noch der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Bereich der Datenaufbereitung erläutert werden. So können zum Beispiel mit Hilfe von Selbstorganisierenden Karten, die auch als SOM (self organizing maps) bezeichnet werden und zu den Künstlichen Neuronalen Netzen zählen, Daten klassifiziert werden. Die SOM bilden dabei in einem n-dimensionalen Raum, auf Basis der mathematischen Nähe, Cluster. Diese Cluster repräsentieren die Zusammengehörigkeit der Daten. Die Clustergrenzen sind dabei nicht wie bei den meisten gängigen Klassifizierungsverfahren von vornherein festgelegt, sondern werden aufgrund der Problemstellung gebildet. Die Anzahl der Cluster, die vom SOM gebildet werden soll, kann vom Anwender festgelegt werden. Somit können auch sehr komplexe Zusammenhänge vieler verschiedener Größen mit Hilfe eines SOM in wenige und damit
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überschaubare, aber nicht weniger mathematisch begründete Cluster klassifiziert werden. SOM sind damit in der Lage, vollkommen automatisiert, sehr komplexe kausale Zusammenhänge in den Zustandsdaten des Fahrwegs zu finden. Welche Größen sinnvollerweise an das SOM angelegt werden, hängt von der Problemstellung ab. Dazu sollte zuvor genau analysiert werden, welche Größen für die jeweilige Problemstellung relevant sind und anschließend mit geeigneten Verfahren geprüft werden, welche Größen vorverarbeitet, zusammengefasst oder weggelassen werden müssen. Die folgende Abbildung zeigt die Anwendung eines SOM auf verschiedene Daten der Gleisgeometrie. Für dieses Beispiel wurde das SOM so parametrisiert, dass es neun Cluster zu finden hat. Die Kanäle eins, fünf und neun der Abb. 19.19 zeigen den dynamischen Anteil der Gegenseitigen Höhenlage, der Längshöhe und der Pfeilhöhe. Auf diese Größen sind Gleitende Verfahren zur Berechnung des absoluten Maximums, des absoluten Mittelwerts und der Standardabweichung mit einem Delta von 25 Metern angewendet worden. Diese Größen sind jeweils unter dem zugehörigen dynamischen Anteil dargestellt und an das SOM angelegt worden. Die gefundenen Cluster sind im untersten Kanal dargestellt. Um aufzuzeigen, dass dieses Verfahren prinzipiell funktioniert, wurde zum Vergleich das in Deutschland gängige Bewertungsverfahren W3 für die gegebenen Daten über 250 und 25 Meter berechnet. Die W3-Klassen sind in den Kanälen 13 und 14 dargestellt. Hier ist deutlich zu erkennen, dass selbst bei diesem einfachen Beispiel, das SOM verschiedene dem W3-Verfahren nicht unähnliche Fehlerklassen gefunden hat. Außerdem ist zu erkennen, dass die Klassifizierung des SOM nicht wie das W3-Verfahren an eine bestimmte Abschnittslänge gebunden ist, das heißt dass ein SOM homogene Klassen bildet und nicht wie die Bewertungsverfahren Klassen in Abhängigkeit der Durchschnittswerte der festen Abschnitte.
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Abb. 19.19 Klassifizierung mit Hilfe von SOM
19.2.1.3 Bewertung der Daten Unter dem Begriff der „Datenbewertung“ wird generell die Einschätzung eines Wertes hinsichtlich seiner Bedeutung verstanden. Im Kontext der Instandhaltung ist darunter die Interpretation von Messwerten zu verstehen. In einer Bahnverwaltung existieren Regelwerke, die beschreiben wie die Bewertung von Zustandsdaten erfolgt. Der einfachste Fall sind festgeschriebene Grenzwerte, die für bestimmte Messgrößen definiert wurden. Eine weitere Variante besteht in der Anwendung von Bewertungsverfahren. Sie dienen zur Berechnung neuer Kenngrößen, die eine Aussage zur Gesamtqualität eines Fahrwegbereichs zulassen sollen. Dazu werden verschiedene Messgrößen nach vorgeschriebenen Regeln miteinander verrechnet.
Die beiden genannten Ansätze zur Datenbewertung sind für alle Elemente des Fahrwegs in Infrastrukturmanagementsystemen umsetzbar. In Verbindung mit der Datendarstellung und der Aufbereitung von Zustandsdaten ist es für den Anwender möglich, eine umfassendere sowie objektivere Analyse und Diagnose des Ist-Zustandes vorzunehmen, als die reine Anzeige von Zustandsdaten zulässt. Die farbliche Zuordnung der Grenzwertstufen erleichtert das Erkennen von kritischen Bereichen und Schwachstellen und ist in allen Darstellungsformen einsetzbar. Die Anwendung von Bewertungsverfahren stellt komprimierte Informationen über den Ist-Zustand zur Verfügung, die sich vor allem für einen netzweiten Überblick in einer Computerkarte eignen. Jedoch beinhalten beide Verfahren wesentliche Nachteile. Grenzwerte und Bewertungsverfah-
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Abb. 19.20 Oberleitungsanalyse unter Anwendung von Grenzwerten
ren werden in der Praxis meist sehr fachbezogen angewandt, d.h. sie beziehen sich nur auf einzelne Fahrwegbereiche. Die Ursachen für vorliegende Abnutzungserscheinungen liegen im Zusammenwirken der Fahrwegelemente begründet. Die komplexen Zusammenhänge zwischen diesen Elementen sind durch fachbezogene Herangehensweisen nicht erkennbar. Deshalb sind neue Ansätze für die Zustandsanalyse notwendig. Auch bei der Bewertung der Daten findet die DSV ihre Einsatzmöglichkeiten. Zum Beispiel können alle gängigen Bewertungsverfahren der verschiedenen Länder mit Hilfe der DSV einfach und flexibel realisiert werden. Somit ist es mit einem Infrastrukturmanagementsystem zum einen möglich, in jedem Land individuell die gängigen Bewertungsverfahren einzusetzen und zum anderen mit relativ geringem Aufwand mehrere Bewertungsverfahren gegenüberzustellen.
Bis heute wird der Begriff der Zustandsanalyse sehr fachbezogen aufgefasst. Das hat zur Konsequenz, dass die Datenauswertung oft für jeden Bereich des Fahrwegs einzeln durchgeführt wird. Um Ursachen für vorliegende Zustandsentwicklungen zu erkennen und somit planmäßig vorbeugend, anstatt kurzfristig ausgerichtet und symptombezogen, instand zu halten, ist eine Erweiterung der IstZustandsanalyse notwendig. 19.2.1.4 Integrierte Ist-Zustandsanalyse Die integrierte Zustandsanalyse beschäftigt sich mit der Auswertung aller Fahrwegbereiche im Komplex. Dieser Ansatz liegt darin begründet, dass sich der Fahrweg aus wissenschaftlicher Sicht als technisches System mit zahlreichen Elementen definieren lässt. Zwischen diesen Elementen existieren wechselseitige Zusammenhänge, wodurch sich Abnutzungserschei-
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Abb. 19.21 Netzkarte mit Bewertungsverfahren
nungen einzelner Fahrwegbereiche erklären lassen. Die integrierte Zustandsanalyse versucht nun Ursache-Wirkungsprinzipien am Fahrweg aufzudecken. Ein Beispiel dafür ist die Auswirkung einer Untergrundbeschaffenheit auf den Zustand des Oberbaus. Neben der gemeinsamen Auswertung mehrerer Fahrwegbereiche können auch andere Datenarten in die Analyse einbezogen werden, beispielsweise Stammdaten oder durchgeführte Instandsetzungen. Dadurch ist es dem Anwender möglich, kausale Zusammenhänge zu erkennen und somit eine langfristige Instandsetzungsplanung vorzunehmen. Da die kausalen Zusammenhänge der Daten aus den verschiedenen Bereichen des Fahrwegs sehr umfangreich und komplex sind, finden hier die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Selbstorganisierenden Karten, kurz SOM, eine weitere sinnvolle Einsatzmöglichkeit. So können vollautomatisiert, und damit
frei von subjektiven Betrachtungen, mathematisch begründete kausale Zusammenhänge in den Daten der verschiedenen Fahrwegbereiche ermittelt werden. Damit das SOM alle Zusammenhänge erlernen kann, muss für dieses Verfahren ein Infrastrukturmanagementsystem in der Lage sein, eine solche Analyse flächendeckend durchführen zu können. Nur so ist das SOM in der Lage alle vorkommenden Fälle zu berücksichtigen und damit eine sinnvolle Klassifizierung vornehmen zu können. 19.2.1.5 Plausibilitätsprüfungen Ein weiteres großes Einsatzgebiet der Zustandsanalyse sind die Plausibilitätsprüfungen. Diese Verfahren dienen dazu, Unplausibilitäten, das heißt falsche Informationen, in den Daten aufzufinden und wenn möglich zu minimieren. Diese falschen Informationen sind
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Abb. 19.22 Auswertung der Gleisgeometrie in Verbindung mit der Untergrundbeschaffenheit
teilweise begründbar, teilweise aber auch unbegründbar. Außerdem gibt es unplausible Daten im Wegbereich und unplausible Daten im Amplitudenbereich. Die folgende Aufzählung zeigt eine Zusammenfassung möglicher Ursachen für unplausible Daten. Unplausible Daten im Wegbereich: – Versatz im Wegbereich beim Messen – Versatz im Wegbereich beim Importieren – fehlende Informationen über Änderungen an der Kilometrierung Unplausible Daten im Amplitudenbereich: – einzelne Messfehler – falsch kalibrierte Messsysteme – Ausfall der Messsysteme Weitere Ursachen scheinbar unplausibler Daten sind fehlende Informationen über durchgeführte Instandsetzungsmaßnahmen. Da diese
Maßnahmen den Zustand verbessern, würde dies zu immensen Fehlern bei der Berechnung von Trends und der Prognose führen. Zusammengefasst führen unplausible Daten zu Fehlern bei der Analyse, Prognose und Instandhaltungsplanung und müssen daher erkannt und wenn möglich korrigiert werden. Abbildung 19.24 zeigt ein Verfahren, dass mit Hilfe der Quadratsumme der Gegenseitigen Höhenlage unplausible Daten im Wegbereich sowie fehlende Daten erkennt. Die Kanäle mit der Bezeichnung „Gegenseitige Höhenlage SSC“ der Abb. 19.24 zeigen die Gegenseitige Höhenlage aus Messungen vier verschiedener Zeitbereiche. Im ersten Schritt wird bei diesem Verfahren die Quadratsumme aus der Gegenseitigen Höhenlage über eine Abschnittslänge von 250 m gebildet. Die Ergebnisse sind in den Kanälen mit der Bezeichnung „GH SSC SquareSum“ dargestellt. Im zweiten Schritt wird der Mittelwert über die Quadrat-
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Abb. 19.23 Auswertung der Gleisgeometrie in Verbindung mit den Schieneneigenschaften
summen der verschiedenen Zeitbereiche gebildet, der hier im letzten Kanal mit der Bezeichnung „GH SSC SquareSumMean“ dargestellt ist. Im letzten Schritt werden für jeden Zeitbereich einzeln die absoluten und prozentualen Abweichungen der Quadratsummen zum Mittelwert ermittelt und in eine Bewertungszahl, hier als Quantification Number bezeichnet, umgerechnet. Die Bewertungszahl ist in den Kanälen mit der Bezeichnung „GH SSC Quantification Number“ dargestellt. Es ist deutlich zu erkennen, dass die erste Messung einen Versatz aufweist. Mit Hilfe dieses Verfahrens ist es somit möglich, die Daten flächendeckend und vollautomatisiert auf einen Versatz im Wegbereich sowie fehlende Daten zu untersuchen und die gefundenen unplausiblen Bereiche z.B. in einem Report aufzulisten. Eine weitere Lösung zum Erkennen von Ungenauigkeiten in der Ortszuordnung bieten die Korrelationsverfahren, die hier aus
Platz- und Komplexitätsgründen nicht weiter beschrieben und dargestellt werden können. So können zum Beispiel mit Hilfe der normierten Kreuzkorrelation Wegbereichs-Offsets in den Daten verschiedener Zeitbereiche gefunden, mathematisch definiert und anschließend beseitigt werden. Der große Nachteil dieser Verfahren ist jedoch, dass sie nur funktionieren, wenn in den zu vergleichenden Datenbereichen keine Daten fehlen. Während die in den vorhergehenden Absätzen beschriebenen Plausibilitätsprüfungen des Wegbereichs noch relativ einfach realisierbar sind, ist eine Plausibilitätsprüfung des Amplitudenbereichs weitaus schwieriger. Während im Wegbereich jeder Offset als ein Fehler in den Daten bezeichnet werden kann, so ist ein Amplituden-Offset nicht zwangsläufig ein Fehler, sondern sehr oft eine durchgeführte Instandsetzungsmaßnahme. In diesem Bereich gibt es bisher zwei grundsätzliche
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
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Abb. 19.24 Plausibilitätsprüfung im Wegbereich
Lösungsmöglichkeiten, um auf fehlerhafte Daten zu reagieren. Beim ersten Ansatz wird mit Hilfe von Regeln versucht die durchgeführten Instandsetzungen von den Messfehlern zu trennen. Auch dieses Verfahren arbeitet nicht zuverlässig, wenn Daten in den zu prüfenden Abschnitten fehlen. Abbildung 19.25 zeigt den ersten Ansatz am Beispiel der Standardabweichung des dynamischen Anteils der Gegenseitigen Höhenlage. Die Kanäle mit der Bezeichnung „Plausibilität GH Std“ der Abb. 19.25 zeigen die Standardabweichung des dynamischen Anteils der Gegenseitigen Höhenlage über eine Abschnittslänge von 250 Metern aus sechs verschiedenen Zeitbereichen. Die Kanäle mit der Bezeichnung „Plausibilität GH Std Diff.“ zeigen die Entwicklung der Standardabweichung von einem Zeitbereich zum nächsten. Dabei sind
Anstiege der Standardabweichung grün und Abfälle rot dargestellt. Die Plausibilitätsprüfung bewertet nun, je nach Parametrisierung, Abfälle von einem Zeitbereich zum nächsten als Instandsetzungsmaßnahme oder Messfehler. Die Messfehler sind in den Kanälen „Plausibilität GH Pl.-Bool“ dargestellt, wobei rot für unplausibles Datenverhalten steht. Die gefundenen Instandsetzungsmaßnahmenen sind in den Kanälen mit der Bezeichnung „Plausibilität GH IM-Bool“ dargestellt, wobei schwarz für durchgeführte Instandsetzungsmaßnahmen steht. Der unterste Kanal dieser Ansicht zeigt den Grad der Plausibilität über alle sechs Messungen hinweg. Mit diesem Verfahren können nun Instandsetzungsmaßnahmen und Messfehler erkannt und voneinander getrennt behandelt werden.
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Abb. 19.25 Plausibilitätsprüfung im Amplitudenbereich
Der zweite Ansatz der Plausibilitätsprüfungen im Amplitudenbereich versucht hingegen nicht mehr Instandsetzungsmaßnahmen von Messfehlern zu trennen, sondern verwendet nur plausible Daten. Die Vorteile dieser Plausibilitätsprüfungen sind, dass sie keine Regeln benötigen, um Messfehler von Instandsetzungen zu trennen und auch bei fehlenden Daten zuverlässig funktionieren. Der Nachteil dieser Verfahren ist jedoch, dass weitaus weniger verwendbare Daten am Ende übrig bleiben. Eingesetzt werden diese Verfahren zum Beispiel bei der, für die Prognose wichtigen, Trendberechnung. Hier wird der jeweilige Trend entweder nur über alle plausiblen Zeitbereiche oder nur über die letzten plausiblen Zeitbereiche berechnet. Das zuletzt genannte Verfahren beginnt dabei mit den aktuellsten Daten, prüft in Richtung der älteren Daten und
stoppt sofort, wenn eine unplausible Entwicklung gefunden wurde.
19.2.2 Zustandsprognose Während sich die vorhergehenden Abschnitte mit der Darstellung, Aufbereitung und Analyse des Ist-Zustandes beschäftigen, behandelt dieser Abschnitt die Möglichkeiten zur Abschätzung des Zustandes der Daten in einem anderen Zeitbereich, i.d.R. in der Zukunft. Für eine langfristig angelegte Planung von Instandsetzungsmaßnahmen ist die Vorhersage, d.h., die Prognose des Zustands des Fahrwegs Eisenbahn unabdingbar. Entscheidungen, welche die Zukunft betreffen, wie die Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen, sind risikobelastet, da die Entscheider nur unvollkom-
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
mene Informationen besitzen. Daher sollten solche Entscheidungen stets auf Prognosen oder prognostischen Erwartungen beruhen. Je genauer und zuverlässiger diese Vorhersagen sind, umso besser und umfangreicher sind auch die entscheidungsrelevanten Informationen und umso geringer das Risiko falsche oder uneffektive Entscheidungen zu treffen. Allgemein formuliert ist eine Prognose ein Wahrscheinlichkeitsurteil über das Auftreten von Ereignissen bzw. das Erreichen eines Zustandes in der Zukunft, das auf Beobachtungen der Vergangenheit, einer gering ausgeprägten Erklärungstheorie und der Annahme über die Fortsetzung der Beobachtung beruht. Somit sind für eine Prognose Beobachtungen von Vergangenheitswerten nötig und diese sind mit einer möglichst gut begründeten Theorie in die Zukunft fortzuschreiben. Zu den Prognosen zählt außerdem die Extrapolation von Trends über die Zustandsentwicklung der Vergangenheit in die Zukunft. Die Basis für eine Prognose bilden formalisierte Methoden, die auf der Grundlage von zeitlich gegliederten Messungen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit einen Zustand für die Zukunft vorhersagen. Die Grenzen der Prognose liegen bei den zugrunde gelegten Theorien, der Genauigkeit der Vergangenheitsbeobachtung und den eingesetzten statistischen Verfahren. Hier ist ein umfangreiches Know-how an Analyseverfahren, Plausibilitätsprüfungen und Prognoseverfahren unabdingbar. 19.2.2.1 Manuelle Zustandsprognose Die einfachste Form einer Prognose ist das intuitive Abschätzen der Daten in der Zukunft auf der Basis der beobachtbaren Entwicklung in der Vergangenheit. Dazu muss ein Infrastrukturmanagementsystem in der Lage sein, die Daten zeitlich gegliedert darstellen und die in den vorangegangenen Abschnitten beschriebene Ist-Zustandsanalyse durchführen zu können. Ein großer Nachteil bei dieser Art der Prognose ist, dass das manuelle Abschätzen des
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Zustands in der Zukunft nach rein subjektiven Gesichtspunkten geschieht. Somit können verschiedene Betrachter trotz gleicher Darstellung der Ergebnisse des Ist-Zustands zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Ein zweiter großer Nachteil ist, dass bei diesem Vorgehen eine flächendeckende Prognose nur schwer denkbar ist. 19.2.2.2 Extrapolationsverfahren Eine weitaus bessere Lösung zur Abschätzung von Zustandsdaten in der Zukunft bieten Extrapolationsverfahren. Unter Extrapolation wird die Berechnung bzw. Abschätzung einer in der Regel mathematischen Entwicklung über den sog. gesicherten, d.h. bekannten, Bereich hinaus verstanden. Hier muss deutlich unterschieden werden zwischen Extrapolationsverfahren, welche die sog. Abschnittsindividualität, die unterschiedliche Entwicklung der Abschnitte berücksichtigen und solchen Extrapolationsverfahren, die das nicht können. Bei den an zweiter Stelle genannten Extrapolationsverfahren wird von einem gleichartigen Verhalten bzw. gleichartigen Verschleiß der Abschnitte ausgegangen. Dies hat sich jedoch nicht bewährt, da i.d.R. selbst direkt nebeneinander liegende Abschnitte ein ganz unterschiedliches und nicht auf einfachem Wege begründbares Verhalten aufweisen. Abbildung 19.26 zeigt die Entwicklung dreier Abschnitte. Die durchgezogenen Linien zeigen jeweils die Vergangenheitswerte und die gestrichelten Linien die zukünftigen Werte. Über diese Entwicklungen wurde ein durchschnittlicher Trend berechnet, der den Verschleiß aller Abschnitte repräsentieren soll. Abbildung 19.27 zeigt, was passiert, wenn die Werte mithilfe eines allgemeinen Trends extrapoliert werden. Da die Entwicklung der verschiedenen Abschnitte stark voneinander abweicht, kommt es zu größeren Abweichungen zwischen extrapolierten Werten und den tatsächlich eingetretenen Werten.
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Abb. 19.26 Trendberechnung ohne Abschnittsindividualität
Abb. 19.27 Extrapolation ohne Abschnittsindividualität
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Abb. 19.28 Extrapolation mit Abschnittsindividualität
Abbildung 19.28 zeigt die abschnittsindividuelle Extrapolation, bei der für jeden Abschnitt getrennt ein Trend berechnet wird. Hier erfolgt die Prognose der Zustandsdaten in Abhängigkeit der abschnittsindividuellen Entwicklungstendenz. Eine abschnittsindividuelle Extrapolation ist flächendeckend im holländischen Streckennetz getestet worden. Dieses Verfahren prognostizierte die Entwicklung der Standardabweichung des dynamischen Anteils der Gegenseitigen Höhenlage über ein Jahr mit einer Abweichung von ca. 5% und über zwei Jahre mit einer Abweichung von ca. 8% vom tatsächlich eingetretenen Zustand. Dieses bemerkenswerte Ergebnis basiert darauf, dass das Verfahren so gestaltet wurde, dass es flexibel parametrisierbar ist und auf unplausibles Datenverhalten in der Vergangenheit reagieren kann. Das Verfahren wurde bisher nur im Rahmen der Gleisgeometrie getestet. Die Forschungsergebnisse in diesem Bereich ergaben außerdem, dass bis zu 2,5 Jahren die Ent-
wicklung der Daten mit Hilfe der Linearextrapolation am besten fortgeschrieben werden kann. Die Ergebnisse der getesteten adäquaten Extrapolationsverfahren, die auf anderen Funktionstypen basieren, wie die Exponential- und Spline-Extrapolation waren im Ergebnis geringfügig schlechter. Extrapolationsverfahren weiterer Funktionstypen waren im Ergebnis sogar deutlich schlechter. Das liegt daran, dass sich nicht nur der Verschlechterungsgrad, sondern auch der Funktionstyp der Abschnitte voneinander unterscheidet. Dadurch liegt die Linearextrapolation durchschnittlich am nächsten am eigentlichen Verlauf. Denkbar wäre hier ein Verfahren, dass im ersten Schritt den am besten passenden Funktionstypen ermittelt und im zweiten Schritt dann mit diesem die Extrapolation durchführt. Ein großer Nachteil dieser Verfahren ist, dass sie nur mit einem einzigen Datentyp arbeiten können und somit kausale Zusammenhänge in den Daten, die sich auf die Entwicklung in
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der Zukunft auswirken, nicht erkennen können. Hier bietet die im nächsten Abschnitt beschriebene Prognose mit Hilfe von Künstlichen Neuronalen Netzen weitaus flexiblere Möglichkeiten. 19.2.2.3 Zustandsprognose mit Hilfe von KNN Bei der Prognose mit Hilfe von Künstlichen Neuronalen Netzen, kurz KNN, geht es darum, das Verhalten der Daten in der Vergangenheit zu erlernen, um eine Aussage über das Verhalten der Daten in der Zukunft prognostizieren zu können. Werden an das KNN nur Informationen über Zustand, Folgezustand und Zeitdifferenz zwischen den Zuständen gelegt, so generalisiert das KNN den funktionalen Zusammenhang zu einer einzigen Funktion für das gesamte Streckennetz. Dadurch weichen die Prognoseergebnisse, aufgrund der beschriebenen Abschnittsindividualität, teilweise gravierend vom eigentlich eingetretenen Zustand ab. Abbildung 19.29 zeigt die allgemeine Funktionsweise eines
KNN ohne Berücksichtigung der Abschnittsindividualität. Wie Abb. 19.29 zeigt, werden in der Lernphase als Eingangswerte an das KNN der Ausgangszustand und die Zeitdifferenz gelegt und als Soll-Ausgangswert der nach der Zeitdifferenz eingetretene Zustand. In der Rechenphase werden nur der Ausgangswert und die Zeitdifferenz angelegt. Der Zielwert ist vom KNN zu berechnen. Bei dieser Vorgehensweise kann das KNN die Abschnittsindividualität nicht miterlernen. Das Ergebnis wird somit, adäquat der Extrapolation ohne Abschnittsindividualität, mehr oder weniger stark vom eigentlich eingetretenen Zustand abweichen. Damit das KNN das Verhalten der Abschnitte genauer erlernen kann, braucht es zusätzliche Informationen, welche die Ursache für die Individualität der Abschnitte repräsentieren. Denkbar wären hier Daten anderer Größen des gleichen Bereiches des Fahrwegs, die Aufschluss über die Ursache des Verhaltens geben können oder zumindest dem KNN ermöglichen unplausibles Verhalten der Daten besser zu
Abb. 19.29 Arbeitsweise des KNN ohne Abschnittsindividualität
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
erkennen. Sinnvoller wäre jedoch im Rahmen einer Integrierten Prognose des Zustandes auch Größen aus der Integrierten Zustandsanalyse zu verwenden, damit das KNN die kausalen Zusammenhänge der Größen der verschiedenen Fahrwegbereiche erlernen und somit genauer den Zustand in die Zukunft prognostizieren kann. In einem Infrastrukturmanagementsystem sollte es also möglich sein alle Daten aus sämtlichen Fahrwegsbereichen sowie Stammdaten und Daten zu Instandsetzungsmaßnahmen zu erfassen und vorzuhalten, um eine zuverlässige Prognose zu gewährleisten. Die folgende Abbildung zeigt die Funktionsweise eines KNN mit Berücksichtigung der Abschnittsindividualität. Das KNN soll hier durch Anlegen von Zusatzinformationen die kausalen Zusammenhänge in den Daten und damit mögliche Ursachen für die Abschnittsindividualität miterlernen. Wie die Abb. 19.30 zeigt, lernt und prognostiziert das KNN den Zustand in Abhängigkeit der Zusatzinformationen. Diese Form der Prognose wurde flächendeckend im hol-
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ländischen Netz anhand von Geometriedaten getestet. Als zusätzliche Größe wurde die um unplausibles Datenverhalten bereinigte Entwicklungstendenz verwendet. Die Ermittlung dieser Größe wurde im Abschnitt über Plausibilitätsprüfungen kurz angerissen. Die hier verwendete Entwicklungstendenz wird für jeden Abschnitt individuell berechnet und repräsentiert die aktuelle und plausible Entwicklung eines jeden Abschnitts. Bei der Prognose unter Berücksichtigung dieser Größe waren die Ergebnisse um ca. 3 bis 4% schlechter als die Ergebnisse der Extrapolationsverfahren. Ein großer Nachteil der KNN gegenüber den Extrapolationsverfahren ist der technologisch begründete Netzwerkfehler der KNN, der das Ergebnis von vorn herein um mindestens 1% verschlechtert. Ein weiterer Nachteil ist die schlechtere Performance, d.h. Rechendauer, gegenüber den Extrapolationsverfahren. Getestet werden konnte nicht, wie sich das Ergebnis bei vorliegenden Daten der anderen Bereiche des Fahrweges, also im Rahmen einer
Abb. 19.30 Arbeitsweise des KNN mit Abschnittsindividualität
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19 Anlagenmanagement
Integrierten Zustandsanalyse, verhält. Die Tatsache, dass KNN mit nahezu beliebig vielen Informationen „gefüttert“ werden können und die Möglichkeit kausale Zusammenhänge in diesen Informationen zu erlernen, stellt den größten Vorteil der KNN gegenüber den Extrapolationsverfahren dar.
19.2.3 Instandhaltungsplanung Ein Infrastrukturmanagementsystem hat die Aufgabe Möglichkeiten zu liefern, den aktuellen Zustand des Fahrwegs möglichst genau einschätzen und den zukünftigen Zustand relativ genau vorhersagen zu können. Genauso sollte ein solches System aber auch dabei Hilfestellung geben, die richtigen Entscheidungen aufgrund der vorliegenden Informationen treffen zu können. Das heißt, für eine planmäßig vorbeugende Instandhaltung muss ein Infrastrukturmanagementsystem den Verantwortlichen Möglichkeiten zum vorausschauenden Planen entsprechender Instandsetzungsmaßnahmen geben. Eine langfristige Planung beinhaltet zwar ein enormes Einsparungspotential aber auch ein enormes Risiko. Diese steigen und fallen mit der Qualität und auch Quantität der vorliegenden Informationen. Nur eine umfangreiche Aufbereitung und Analyse der Daten sowie eine aussagekräftige Darstellung dieser Ergebnisse, wie es in den vorhergehenden Abschnitten beschrieben worden ist, ermöglicht eine vernünftige und vorausschauende Planung der Instandsetzungsmaßnahmen. 19.2.3.1 Manuelle Instandhaltungsplanung Die einfachste Form der Instandhaltungsplanung ist die manuelle Festlegung, welche Instandsetzungsmaßnahmen wo durchzuführen sind. Dazu muss das Infrastrukturmanagementsystem entsprechende Möglichkeiten zur Erfassung der einzelnen Maßnahmen liefern. Abbildung 19.31 zeigt eine Möglichkeit zur Erfassung und Darstellung von Instandsetzungs-
verfahren mit Hilfe eines Infrastrukturmanagementsystems. Abbildung 19.31 zeigt die Ansicht eines Infrastrukturmanagementsystems zur manuellen Instandhaltungsplanung und einen Dialog zur Erfassung von Instandsetzungsmaßnahmen. Mit diesen Hilfsmitteln ist es möglich, bestimmte instandsetzungsrelevante Kriterien zu betrachten und relativ flexibel Instandsetzungsmaßnahmen zu planen. Der größte Nachteil der manuellen Instandhaltungsplanung ist, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit und Art der durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahme nach rein subjektiven Gesichtspunkten geschieht. Außerdem kann der Planer nicht erkennen, wie sich die getroffenen Entscheidungen, auf den Zustand des Fahrwegs in der Zukunft auswirken. Hierzu liefert die im folgenden Abschnitt beschriebene systemgestützte Instandhaltungsplanung Hilfestellung. 19.2.3.2 Systemgestützte Instandhaltungsplanung Weiterreichende Hilfestellung für die langfristige Planung von Instandsetzungsmaßnahmen in einem Infrastrukturmanagementsystem bietet die systemgestützte Instandhaltungsplanung, die in der Lage ist, aufgrund der Entscheidungen über durchzuführende Instandsetzungsmaßnahmen, den Zustand des Fahrwegs in der Zukunft abzuschätzen. Die Vorhersage der derzeit eingesetzten integrierten Planungswerkzeuge basieren auf der Annahme eines linearen Verschleißes. Diese werden in naher Zukunft auch in der Lage sein, mit Hilfe von Informationen über den vorliegenden Funktionstypen eines jeden Abschnitts, noch genauere Vorhersagen, in Abhängigkeit der durchzuführenden Maßnahmen, zu treffen. Abbildung 19.32 zeigt die mit Hilfe eines integrierten Werkzeugs vorgenommene systemgestützte Instandhaltungsplanung. Die Kanäle „IHO Zustandsdaten“ der Abb. 19.32 zeigen die Standardabweichung der Gegenseitigen Höhenlage. Bewertet wur-
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
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Abb. 19.31 Erfassung und Darstellung von Instandsetzungsmaßnahmen
de der Zustand mit einem Grenzwert von 1,5 Millimetern. Dabei zeigt der erste dieser Kanäle den Ist-Zustand und die folgenden Kanäle dieser Art die vom Planungswerkzeug berechneten Folgezustände. Die Kanäle „IHO DAveAbf “ und „IHO DAnlAbf “ zeigen die ursprüngliche und aktuelle Entwicklungstendenz der Zustandsdaten, bewertet mit den Grenzwerten 0,2 und 0,4 mm. Die Kanäle „IHO IM“ und „IHO Kosten“ zeigen die ausgewählte Instandsetzungsmaßnahme und die Kosten der Strecke für diesen Optimierungszeitraum. Im vorletzten Kanal „IHO GesamtKosten“ sind die Gesamtkosten der Strecke für die betrachteten fünf Optimierungszeiträume dargestellt. Somit ist es mit diesem Werkzeug nicht nur möglich die Instandsetzungsmaßnahmen zu planen und zu erfassen, sondern darüber hinaus die Auswirkungen der Ent-
scheidungen auf den Gleiszustand abschätzen zu lassen. Nachteil der systemgestützten Instandhaltungsplanung ist, dass nicht jede Variante von Art und Zeitpunkt der durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahmen getestet werden kann und somit die optimale Lösung durch den Entscheider unter Umständen nicht gefunden wird. Hierfür liefert die im folgenden Abschnitt beschriebene Instandhaltungsoptimierung eine akzeptable Lösung. 19.2.3.3 Instandhaltungsoptimierung Die Instandhaltungsoptimierung ist der vielleicht interessanteste Teil eines Infrastrukturmanagementsystems. Hier laufen die wichtigsten Informationen zusammen, um mit Hilfe verschiedener Verfahren das Kosten-
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19 Anlagenmanagement
Abb. 19.32 Systemgestützte Instandhaltungsplanung
optimum bei der Instandhaltung eines Streckennetzes zu ermitteln. Ein Problem bei der Instandhaltungsoptimierung ist, dass für die Optimierung der Kosten eines Streckennetzes oder Teilnetzes eine flächendeckende Aufbereitung, Analyse und Prognose der Zustandsdaten unabdingbar ist. Ein weiteres großes Problem ist die Vielzahl an Parametern, die dafür notwendig sind. So sind an das Verfahren die analysierten und aufbereiteten Zustandsdaten sowie die Entwicklungstendenzen aller zu betrachtenden Abschnitte einer Strecke zu übergeben. Weiter sind der Optimierungszeitraum, die zu betrachtende Abschnittslänge, das minimale Instandsetzungsintervall und die Kosten der Stilllegung der zu betrachtenden Strecke zu parametrisieren. Am schwierigsten erweisen sich die Ermittlung und Erfassung instandsetzungs-
maßnahmenspezifischer Parameter. So gibt es hier die Fixkosten, die variablen Kosten, die Kosten der Maschineneinrichtung, die Fixdauer, die variable Dauer, die Maschinenrüstzeiten, das minimale Intervall, die minimale Abschnittslänge einer Instandsetzungsmaßnahme und schließlich die Auswirkung der Maßnahme auf die zu betrachtenden Parameter. Das Problem bei der Ermittlung des Optimums ist die Rechenzeit, die aus einer enormen Anzahl an möglichen Varianten resultiert. Unter einer Variante wird in diesem Zusammenhang verstanden, wann, wo und welche Instandsetzungen auf einer betrachteten Strecke durchgeführt werden können. Wie Abb. 19.33 zeigt, gibt es bei drei möglichen Instandsetzungsmaßnahmen, wobei Nichtstun eine davon ist, und zwei möglichen Eingriffszeitpunkten bereits 32, also neun Varian-
19.2 Anwendung von Infrastrukturmanagementsystemen
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Abb. 19.33 Varianten der Instandhaltung
ten, diesen einen Abschnitt über den betrachteten Zeitraum instand zu halten. Sinnvoll ist die Instandhaltungsoptimierung jedoch nur, wenn die Optimierung über mehrere Jahre erfolgt und nicht jeder Abschnitt getrennt, sondern mehrere Abschnitte gleichzeitig betrachtet werden. So ergeben sich für einen Abschnitt über fünf Jahre, sofern zwei-
mal pro Jahr Maßnahmen auf dieser Strecke durchgeführt werden dürfen, eine Anzahl von 310 Varianten. Werden mehrere Abschnitte betrachtet, so können bei zwei Abschnitten alle Varianten des einen Abschnitts mit allen Varianten des anderen Abschnitts kombiniert werden. Folglich ergeben sich 310 · 310, also 320 mögliche Varianten diese beiden Abschnitte
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instand zu halten. Wird eine Optimierung über mehrere Eingriffszeitpunkte und mehrere Abschnitte durchgeführt, ergibt sich die gesamte Anzahl möglicher Varianten mit folgender Formel:
GV = Gesamte Anzahl möglicher Varianten IM = Anzahl möglicher Instandsetzungsverfahren OZ = Anzahl betrachteter Optimierungszeiträume AA = Anzahl betrachteter Abschnitte Es gibt drei Ansätze, das Optimum systemgestützt zu ermitteln. Die erste Möglichkeit besteht darin, mithilfe eines kompletten Variantenvergleichs alle Kombinationen zu berechnen. Der große Vorteil dieser Lösung ist, dass hier als Ergebnis immer das tatsächliche Optimum ermittelt wird. Der Nachteil ist, dass es sehr rechenintensiv ist. Entsprechende Versuche ergaben bei drei möglichen Maßnahmen, vier Optimierungszeiträumen und vier betrachteten Abschnitten eine Rechendauer von ca. zwei Minuten. Die Erhöhung der Anzahl der Optimierungszeiträume auf fünf erforderte dann bereits eine Rechendauer von fast vier Stunden. Das bedeutet, dass dieses Verfahren bereits sehr schnell in punkto Rechenzeit an seine Grenzen stößt. Eine deutliche Reduzierung der Rechenzeit bei gegebenem Optimierungsproblem liefern Genetische Algorithmen, die nicht alle
möglichen Varianten miteinander vergleichen. Nach initialer zufälliger Auswahl einer bestimmten Anzahl an Varianten, werden in folgenden Schritten nur die Varianten verglichen, die mit Hilfe der genetischen Methoden, Selektion, Kreuzung und Mutation entstehen. Dadurch ist die notwendige Rechenzeit um ein Vielfaches geringer. Der Nachteil dieser Verfahren ist, dass das Ergebnis, je nach Grad der Reduzierung der Rechenzeit, mehr oder weniger stark vom eigentlichen Optimum abweicht. Somit können mit Hilfe von Genetischen Algorithmen, auch bei der gleichzeitigen Betrachtung mehrerer Abschnitte, mit einer akzeptablen Rechenzeit Ergebnisse erzielt werden, die nur geringfügig vom eigentlichen Optimum abweichen. Weitere mögliche Lösungen des Optimierungsproblems liefern verschiedene mathematische Optimierungsverfahren. In diesem Bereich gibt es eine enorme Vielfalt an möglichen Lösungen, die noch nicht weiter in diesem Zusammenhang getestet wurden. Derzeit gibt es Überlegungen, an das Infrastrukturmanagementsystem der ERDMANN Softwaregesellschaft mbH ein Werkzeug anzubinden, mit dem diverse mathematische Optimierungen realisierbar wären. Der derzeitige Forschungsstand erlaubt noch keine Angaben über Verwendbarkeit und Zeitverhalten sowie darüber, ob es sich bei entsprechenden Ergebnissen um exakte oder nur angenäherte Lösungen handelt.
Sachverzeichnis
A Abbau des Porenwasserdrucks 174 Abbrennstumpfschweißen 318 Abdichtung 239 Abfall 832 – besonders überwachungsbedürftiger 832, 833 – nicht überwachungsbedürftiger 832, 833 – überwachungsbedürftiger 832, 833 Abfallerzeuger 832, 833 Abfallschlüssel 832 Abfließen der Böschungsoberfläche 126 Abfüllen 754 Abfüllplatz 756 Abgleiten 169 Abgrenzung von Gleisstromkreisen 606 Abhebewelle 304 – der Schiene 267 Abhebung 270 Ablauflenkung 745 Abnahme 854–858, 865, 867, 868 Abnahmekriterium – geometrisches, für Baustellenverbindungsschweißungen 332 – geometrisches, für Werkverbindungsschweißungen 333 Abnahmeverfahren 855 Abrückmaß 14, 17 Absackung, bruchartige 182 Abschreibung, kalkulatorische 889 Abstand 60, 755 – fester Anlagen 54–56 Absturzsicherheit 70 Absturzsicherung 55, 70 Abtrag der zeitweiligen Überschüttung 193 Abwasseranlage 751 Abwasserbehandlungsanlage 751 Achslast 895 Achsnebenschlusswiderstand 605 Achszähler 608, 778, 781, 783 Achszählwerk 781 ADR 841 Alarmplan 759
ALARP 662 Allgemeine Grundsätze für Vortrieb, Sicherung und Ausbau 238 Altholzschwelle 832 Altholzverordnung 833 Altschotter 832, 834 – -entsorgung 834 Altstoff 897 Aluminiumleiter 525, 533, 541 Analytik 836 Änderung – vorhandener Schienenwege, wesentliche 785 – wesentliche 763, 803 – des Überhöhungsfehlbetrags, zeitliche 15 Andienungspflicht 837 Andreaskreuz 339 Anfahren 304 Anfahrkraft 288 Anfangssetzung 877, 907 Anfangsstandsicherheit 186 Anforderungsklasse 651 Anhörungsbehörde 825 Anker 127 Ankündigen von Eisenbahnfahrzeugen 339 Anlage – der Leit- und Sicherungstechnik 772 – elektrische 814 – feste 54 – genehmigungsbedürftige 762 – genehmigungspflichtige 764 – nicht genehmigungsbedürftige 762 – signalgesteuerte 344 – strahlenschutzrelevante 766 – wärterbediente 344 – zuggesteuerte 344 – zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen 753 – zur Trinkwasserversorgung 764 Anlagenkataster 758 Anlagenmanagement 873 Anlaufhorn 447 Annahmeerklärung 833 Annuitätenmethode 878
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Sachverzeichnis
Anode 130 Anordnung von Bahnsteigen 67 Anpassen des Straßenverlaufs 353 Anprall von Schienenfahrzeugen 223 Anpralllast 223 Anregung – des Porenwasserdrucks 189 – dynamische 161 – dynamische, des Zugbetriebes 147 Anschüttung 106 – eines zweigleisigen Bahnkörpers 187 Anzeigepflicht 758 Äquivalente Konizität 363 Äquivalenztheorie nach Odemark 293 Arbeitsebene für Baugrundbohrungen 156 Arbeitsfolge beim Spannungsausgleich 336 Arbeitsgemeinschaft für Korrosionsfragen 778 Arbeitshöhe des Stromabnehmers 47 Arbeitsschicht 148, 153, 212 Arbeitsschutz 53, 60, 70, 71, 750 Arbeitssicherheit 812 Arbeitszyklus 884 Art – besonders geschützte 831 – streng geschützte 831 ART GeFo 736 Artenschutz 830 – allgemeiner 830 – besonderer 831 Artenschutztabelle 831 Audit 745 Aufbereitungsanlage 834 Auffahren 611 Auffangraum 755 Auffangtasse 755 Auffangwanne 755 Auflast, seitliche 195 Auflastschüttung 169, 185 Auflockerung der Bodenstruktur 145 Auflockerungserscheinung 144 Auflösung des Durchrutschweges 628 Aufnahmekapazität 833 Aufschüttung seitlich des Bahnkörpers 185 Aufsichtsbehörde 857, 867, 868, 870 Aufstellbereich 219 Aufstellungsort 758 Auftragsschweißverfahren 318 Auftrieb 138 Aufwölbung 157 – der Moorfläche 190 Ausbau mit Ortbeton 238
Ausbauquerschnitt 244 Ausfällen der Kalkanteile 142 Ausführungspflicht 748 Ausgangsqualität 877, 905 Ausgleichslänge bei einteiligen Brücken 226 Ausgleichsschicht 196 Aushub 176 – -planum 143 Ausladung 43 Ausleger – mehrgleisiger 417 – zweigleisiger 417 Ausrundung in der Längsneigung 3 Ausschreibung, funktionale 147 Außenverschluss 611 Ausspülung 124, 125, 182 Austauschverfahren 169 Axialkraft 285, 304, 306 Axialspannung 283, 284
B Badewannen-Kurve 656 Baggerarbeiten am Dammfuß 177 Bagger-Schütt-Verfahren 171 Bahnachse 158 Bahnanwendung 398 Bahnenergieabnahme 395 Bahnenergieerzeugung 395 Bahnenergiekabel 551 Bahnenergieleitung 527 Bahnenergierückführung 395 Bahnenergieübertragung 395 Bahnenergieversorgung 395 – dezentrale 396 – zentrale 396 Bahnenergieverteilung 395 Bahnenergiezuführung 395 Bahnerdung 454 Bahnhof 50, 52–55, 57, 58, 60, 66, 562 Bahnkörper, zweigleisiger 187 Bahnsteig 45, 48, 54, 61, 64–70, 219 – Anordnung 67 – Mittelbahnsteig 68 Bahnsteigbreite 65, 67, 68 Bahnsteigdach 46, 70 Bahnsteiggeländer 67, 70 Bahnsteiggleis 66, 67 Bahnsteighöhe 66, 67 Bahnsteigkante 43, 44, 48, 65–70 Bahnsteigkonstruktion 69, 70 Bahnsteigquerschnitt 67
Sachverzeichnis Bahnsteigüberdachung 70 Bahnsteigzugang 64–67, 70 Bahnstromsystem 395 Bahnübergang 625, 702 – Sicherung 339, 341 – Überwachung der Sicherungstechnik 341 – Zufahrt 356 Bahnübergangsbelag 351 Bahnübergangsbereich 351 – bautechnische Gestaltung 349 Bake 356 Balise 643 – Euro- 645 – Infill- 645 Barwert 878 Bauartbesonderheit 854, 856 Bauartenkurzzeichen 527, 528, 530, 531 Baugleis 594 Baugrube, tiefe 143 Baugrubensohle 144 Baugrund – -bohrung 156 – geneigter tragfähiger 169 – -gutachten 78 – labiler 169 – -schichtung 150 – -struktur 144 – -untersuchung 150 Baulärm 793 Baumbestand 814 Baustellenverbindungsschweißung 332 Baustoffprüfer 94 Bauverfahren für den Brückenneubau 231 Bauweise – bergmännische 243 – Berliner 246 – geschlossene 243, 244 – offene 239, 245 Bauwerkshöhe, lichte 57, 58 Bauwerksquerschnitt 58, 59 Bauzustand 164, 194 – kritischer 147, 165 Beanspruchung 537–539 – horizontale 205 Beanspruchungsmodell 658 Beauftragtenwesen 748 Beauftragter für Umweltschutz 744 Beeinflussung, elektromagnetische 434 Beeinflussungslänge 774, 775 Beeinflussungsspannung 773 Befahrbarkeit des nicht gesperrten Gleises 196
Befahrbarkeitsprüfung 862 Befahrbarkeitsuntersuchung 858 Begleitplan, landschaftspflegerischer 827 Begrenzung der Durchbiegung 218 Begrenzungslinie 43, 44 – GC 49 – kinematische 44 Begrenzungsmaß des Fahrzeugs 60 Beispiel – Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) 247 – Neuer Gotthard-Basistunnel 247 Belassen der weichen Schichten 169 Belastung 193 – horizontale 270–272 – vertikale exzentrische 270–272 Belastungswirkung, horizontale 168 Belastungs-Zeit-Setzungsdiagramm 195 Beleuchtungsmast 52 Bemessung, elektrische 432 Bemessungskonzept 240 Bemessungslast 255, 256 Bemessungsmoment 255, 256 Bemessungsvorschrift 217 Benachteiligungsverbot 750 Berechnung – kinematische 43, 44, 46 – zu Anlagen der technischen Sicherung 346 Bereich – am Gleis, sicherheitsrelevanter 811 – im Gleis, sicherheitsrelevanter 810 Berliner Verbau 196, 197 Berme 129 Bermenschüttung 146 Berührgeometrie 893 Berührungsbreite 256, 257 Beschallungsanlage 707 Beschilderung 356 – mit Baken 356 Beschleunigung der Setzungen 182 Beschleunigungsdifferenz 901 Besonderheiten 857 Bestandteil – topologischer, einer Fahrstraße 618 – umweltschädigender 110 Betätigungssystem 447 Beton „WIB“ 229 Betonbrücke 227 Betonschwelle 255 Betontrog 212 Betreiberpflicht 746, 763
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Sachverzeichnis
Betrieb von Röntgeneinrichtungen 767 Betriebs- und Bauanweisung (Betra) 596 Betriebs- und Instandhaltungsfunk (BiFu) 726 Betriebs- und Wartungsbuch 752 Betriebsanweisung 752, 759 Betriebsbeauftragter – für Abfall 748 – für Gewässerschutz 749 – für Immissionsschutz 749 Betriebsbereich 764 Betriebserlaubnis 857 Betriebserschwerniskosten 886 Betriebsfernmeldeanlage 701 Betriebssimulation 886 Betriebsstelle 562 Betriebssteuerzentrale 632 Betriebsverfahren 561 Betriebszentrale 632, 702 Bettung – elastische 260, 261 – nicht stabilisierte 300 – stabilisierte 300 Bettungskiesschicht 157 Bettungsreinigung 835 Bettungswiderstand 605 Bettungszahl 257–260 – fiktive 294, 295 Beurteilung, geotechnische 168 Beurteilungspegel 785, 792 Beurteilungsschwingstärke 801 Bewehrung der Torfschicht 149 Beweissicherungsverfahren 157 Bewertung von Gleisschotter 836 Bezugslinie 43–45, 48–50 Bezugszeitpunkt 878 Biegelinie – im Bogen 300 – in der Geraden 300 Biegemoment 262 Biegeradius 542, 552 Biegesteifigkeit eines Drehgestelles 369 Biegewiderstand der Schienen 296 Biegezugspannung 291 Biegung, horizontale 274 Bildfahrplan 568 Biotopvernetzungsfunktion 821 Blattherbizid 812 Blindenleitstreifen 70 Blockabschnitt 567 Blockfundament 430 Blockinformation 615, 628
Blum’sche Grundsätze 36 Boden – frostempfindlicher 128 – mit organischen Anteilen 201 Bodenaustausch 178 – mit Stahlrohren 182 Bodenerweichung 128 Bodenherbizid 812 Boden-Kalkgemisch 109 Bodenstruktur 145 Bodenverdrängung 210 Bodenverwertungskonzept 840 Bogen – mit Radius 8 – ohne Übergangsbogen 18 Bogenabzug 427 Bogenatmung 304, 306 Bogenlauf 378 Bogenradius 10 Bogenwiderstand 2 Bohren 189 Bohrgerät, schweres 148 Bohrkern, durchgängiger 150 Bohrpfahl 206 Bohrverfahren 210 – mit durchgängigen Bohrkernen 150 Bonus-Malus-System 895 Böschungsausbruch 128 Böschungsbereich 102 Böschungserosion 128 Böschungsfuß 138 – weniger konsolidierter 174 Böschungsneigung 124 Böschungsoberfläche 126 Brandfall 530, 530 Brandgefahr 812 Brandschutz 755 Branntkalk 93, 107 Branntkalkbehandlung 142 Brechkorn-Kies-Sandgemisch 113 Breitenzuschlag 169 Bremsen 304 Bremshundertstel 565 Bremskraft 288 Bremsverhältnis 565 Brennstoffzelle 471 Bruch, hydraulischer 182 Brucherscheinung, am Erdkörper 202 Bruchfigur 147, 161 Bruchzentrum 135
Sachverzeichnis Brücke 215 – Aquädukt 215 – einteilige 226 – Enztalviadukt 216 – Göltzschtalbrücke 215 – Marienbrücke 236 – Rombachtalbrücke 234 Brückendurchbiegung 288 Brückenneubau 231 Brückensystem 224 Bündelband 547 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) 762, 785 Bundesnetzagentur 853 Bussinesq 147, 161
C Cash Flow 879 CENELEC-Norm 653 – EN 50126 652 – EN 50129 652, 654 Chemikalien-Verbotsverordnung 834 Common-Cause-Failure-Analyse (CCF) 677, 679 Coulomb 163
D Damm 169 – schwimmender 146, 158, 183 Dammfuß 171, 177 Dammrutschung 131 Dammverbreiterung 198 Dauerbiegezugfestigkeit, zulässige in Schienenfußmitte 291–293 Dauerfestigkeit 281, 282 Dauerfestigkeitsnachweis 277 – für die Biegezugspannung in Schienenfußmitte 291 Dauerfestigkeitsschaubild 292 Dauerlangsamfahrstelle 890 Deadlock 630 Dehnlänge 289 Dehnung, elastische 409 Dehnungsstoß 439 Deklarationsanalyse 833 Delegation von Unternehmer-/Betreiberpflichten 746 Deming-Zyklus 742 Design Tamping 914 Desinfektion 765 Detektor – flächenförmiger 603
– linienförmiger 603 – punktförmiger 602 – räumlicher 604 Dichtheit 755 Differenzialannuität 880 Dilatation 439 Direkteinleitung 752 Diskriminierungsfreiheit 863 Dokumentation 841 Doppelherzstück 28 Doppelherzstückspitze, bewegliche 28 Doppelte Fahrwege 37 Doppel-T-Profil 429 Drainabstand 189, 190 Drainage 107 Drainagepflege 891 Drainagestrang 140 Draindurchmesser 189 Drainstandort 189 Drehgestell 368, 369 – mechatronisches 370 – selbstlenkendes 369 – zwangsgesteuertes 369 Drehscheibe 615 Drehung, freie 285 Drosselstoßtransformator 607 Druckausbreitungslinie 175 Druckausgleich 144, 149 Druckluftschild 244 Drucktastenstellwerk 632 Druckwelle 795 Dumpern, mit Niederdruckbereifung 156 Dünensand 144 Durcharbeitung 304, 306 Durcharbeitungszug, mechanisierter 903 Durchbiegung 218 Durchfahrt 625 Durchfahrtsbreite 354 Durchlass 216 Durchlässigkeit 188 – 10-fache 133 Durchrutschweg 39, 622, 623, 628 – hinter Einfahrsignalen 629 Durchschubwiderstand 282–284, 291 Dynamikfaktor 254, 256, 293
E EBO-Konformität 869 Eigenfrequenz 167, 218, 266 Eigenschaft – des Schienenstahls 310
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Sachverzeichnis
– elastische 201 Eigenspannung 291 Eigenüberwachung 837 Eigenüberwachungsverordnungen 752 Eignungsfeststellung 758 Eignungsprüfung 110 Einabschnittssignalisierung 570 Einfachoberleitung 400 Einfahrsignal 629 Einfeldträgerkette 234 Einflusslinie 262, 263 Einflusszahl 264 Einfügedämmung 806 Eingriff 826 – erheblicher baulicher 785, 796 – gegenläufige 910 – konforme 910 – konstante 910 Eingriffsschwelle 907 Eingriffspflicht 748 Eingriffsregelung, naturschutzfachliche 826 Einkoppeln von Längskräften 288–290, 304 Einphasenwechselstromsystem 397 Einragung 44, 45, 50, 55 Einrichtung – rangiertechnische 61 – signaltechnische 50 Einschluss, zulässiger 174 Einsehbarkeit 755 Einsenkung 263 – elastische 163, 203 Einspülen 189 Einstellung des Betriebs 764 Einstiegshilfe 66 Eintragung der Rammenergie, zulässige 189 Eintreibung des Rohrs 206 Eintrittsöffnung bei Plastikdrainage 141 Einwirkung 222 – längsgerichtete 256 Einwirkungsbereich 796 Einwirkungskombination 241 Einzelbaum 814 Einzelfehlerbehebung 903 Einzelriss 176 Einzelschicht 114 Eisberg-Modell 649 Eisenbahnaufsichtsbehörde 855 Eisenbahnbetrieb 202, 854, 857 Eisenbahnbrücke 216, 217, 223 Eisenbahn-Bundesamt (EBA) 853 Eisenbahnen-Cert-EBC 858
Eisenbahninfrastruktur 854, 856, 857, 867 – öffentliche 853, 856, 867, 868 – -betreiber 864, 865 – -unternehmen (EiU) 560, 853–855, 858, 863, 867, 868 Eisenbahnsicherungstechnik 599–648 Eisenbahntunnel 237, 238 Eisenbahnüberführung 216 Eisenbahnunternehmen 853 Eisenbahnunternehmer 857 Eisenbahnverkehr, interoperabler 853 Eisenbahnverkehrsunternehmen 560, 853, 867, 868 Elastizität 112 Elastizitätsanforderung der Einzelschichten 114 Elastizitätsunterschied 213 Elastizitätsverhalten der Tragschichten 113 Elektrant 508 Elektrisch Ortsbediente Weiche 612 Elektronisches Stellwerk 632 EMAS II 741, 746 Emission 795 Emissionsbereich 796 Emissionserklärung 763 Emissionswert 787 Endstandsicherheit 163 Endtangentenwinkel 218 Endverschluss 532, 534, 552 Energieeintragung 167 Energiekabel 526, 539, 542, 545 Energiemethode 300, 302 Energiequelle 469 Energieversorgung 395, 505, 507 Enteisenungsanlage 142 Entgleisungsvorrichtung 614 Entgraten 923 Entmischung des Materials 110 Entsorgung von Altholzschwellen 833 Entsorgungsfachbetrieb 837 Entsorgungskonzept 837, 840 Entsorgungsnachweis 832 Entsorgungsplanung 837 Entspannungsdom 149 Entwässerung 349 – elektroosmotische 127 – zweiseitige 189 Entwässerungselement 138 Entwässerungsfähigkeit 140 Entwurfsgeschwindigkeit 54, 55, 58 Entwurfsgrundlage 238, 239 – von Eisenbahnbrücken 217
Sachverzeichnis Erdbau, disziplinierter 150 Erdbaumaterial 837 Erdbauwerk 167, 175 – schwimmendes 146 Erddruckschild 244 Erdfehler 773 Erdkörper 202 – geogitter-bewehrter auf Pfählen 202 Erdleitfähigkeit, spezifische 774 Erdplanum 196 Erdung 496 Ereignisanalyse 690 Ereignisbaumanalyse 667 Ergänzungspfahl 212 Erhaltungsschleife 923 Erheblichkeitsschwelle 802 Erhöhung – der Scherfestigkeit 188 – der Tragfähigkeit 196 – spürbare 803 – der Standsicherheit, systematische 186 Erkundungsraster 148, 150 Erläuterungsbericht 824 Erosionsrinne 125 Ersatzdicke 294, 295 Ersatzkräfte 302, 303 Ersatzlast Oberbau, zeitweilige 195 Ersatzmasse 176 Ersatzmethode 95 Ersatzträgheitsmoment 296, 297, 304, 305 Ersatzzeitpunkt, optimaler 908 Erschütterung 793, 794 Erschütterungsimmission 796, 799 Erschütterungsmessung 797 Erschütterungsprognose 796, 797 Erschütterungsquelle 798 Ertüchtigung 157, 187 Ertüchtigungsmaßnahme 171 Eurobalise 645, 646 Eurocab 646 Euroloop 646 Europäische Gemeinschaft 853, 863, 864 European Rail Traffic Management System (ERTMS) 646 European Train Control System (ETCS) 646 Euroradio 646 EVU 853–855, 857, 862, 863, 867, 868, 870 Exponentialverteilung 657
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F Fahrbahn, feste 55, 57–59, 73, 112, 162, 254, 259, 283, 290, 295 Fahrbahnbreite 53–55, 55, 57, 58 Fahrbahnhöhe 221 Fahrbahnwanne 232 Fahrdienstfernsprechverbindung für die elektrische Zugförderung (Fde) 703 Fahrdienstfernsprechverbindung für die Zugüberwachung (FdZü) 703 Fahrdienstleiter 564 Fahrdienstleitung 561 Fahrdraht 399 Fahrdrahtseitenlage 409 Fahren auf dem Gegengleis mit Hauptsignalen 35 Fahren auf Sicht 615 Fahren im festen Raumabstand 615 Fahrleitung 399 Fahrplantrasse 560, 568 Fahrrichtung 630 Fahrsperre 639 Fahrstraße 615, 617, 618, 626 – feindliche 617 Fahrstraßenauflösung 627 Fahrstraßenausschluss 617 Fahrstraßenfestlegung 617, 625 Fahrstraßenhilfsauflösung 628 Fahrstraßenverschluss 619 Fahrstraßenzugschlussstelle 617 Fahrstrom 776 Fahrweg 617, 854, 858–861, 863, 866 – doppelter 37 – gläserner 903 Fahrwegelement, bewegliches 609 Fahrwegkomponente 858, 881 Fahrwegstrategie 877 Fahrzeitverkürzung, Maßnahmen zur 31 Fahrzeug 854 – (E)BOA- 857 – einer Serie 856 – mehrachsiges 265 – mit Besonderheiten 858, 862 – mit Neigetechnik 50, 57 – RIC/RIV- 857 – übergroßes 49, 61, 862 – umgebautes 856 Fahrzeugabmessung 43 Fahrzeugänderung 855 Fahrzeugausrüstung 855, 868 Fahrzeugbauart 856 Fahrzeugbegrenzung 43, 44, 50, 858, 862, 866, 868
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Sachverzeichnis
Fahrzeugentwicklung 854 Fahrzeughalter 865 Fahrzeughersteller 854, 865, 868 Fahrzeuglauf 373 Fahrzeugmasse – abgefederte 264 – unabgefederte 263 Fahrzeugnachbauten 856 Fahrzeugregister 864 Fahrzeugumbau 855 Fallgewichtsgerät 96, 97 – leichtes 99 Faulschlamm 189, 201 FDVK 95, 121 Fehlerbaumanalyse (FTA) 677 Fehlerstelle 545, 553, 556 Fehlkorn 116 Fehlzählung 783 Feinfraktion 836 Feinkorntransport 167 Fellenius 147, 161 Fernbeeinflussung 779 Fernmeldekabel 536, 551 Fernüberwachen und Steuern technischer Einrichtungen FPSTE 90 716 Fertigungsanforderung Schiene 310 Festbremsortungsanlage (FBOA) 718 Feste Fahrbahn siehe „Fahrbahn, feste“ Festigkeitshypothese der konstanten Gestaltänderungsarbeit 281 Festlegen von Gleisen 43 Festpunkt 412 Filterberechnung 138 Filterregel 141 Filterschicht 153, 186 Filterstabilität 95, 110, 112, 167, 189, 196 Flächenlast, vertikal wirkende 202 Flachmoor 149 Flanke, aufsteigende 148 Flankenschutz 589, 599, 618 Flankenschutzraum 618 Flankschutzweiche 38, 39 Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 827 Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung 830 Fluchtraum 590 Fluchtstange 176 FMEA 665, 689 FMI-Verfahren 169 Folgefahrschutz 629 Folgenanalyse 666
Folgeschutz 599 Fräs-, Misch- und Injektionsverfahren (FMI) 169, 201 Freihaltung der Sichtflächen 347 Freimeldung, grenzzeichenfreie 621 Fremdbeeinflussung 606 Fremdüberwachung 110, 837 Frequenz-Verwaltungs-System FVS 726 Frostaufzug 885 Frosteinwirkung 127 Frosthebung 110, 138 Frostlinsenbildung 124 Frostschutzschicht 112 Frostsicherheit 112 Frostsicherung 106 Frühhaltanzeiger 587 Frühwarnsystem 193 FTA 689 Funktionale Sicherheit 649 Funkverträglichkeit 772 Fußdrainage 128 Fußzehe 131
G GAMAB 662 Garnitur 532, 552 Gaspressschweißen 322 Gebäudeübertragungseigenschaft 798 Gebrauchstauglichkeit 240 Gefahr des Abgleitens bei geneigtem tragfähigem Baugrund 169 Gefährdung 652, 654 Gefährdungsanalyse 655, 676, 689, 697 Gefährdungsidentifikation 665, 696 Gefährdungsrate 655, 656 Gefährdungsstufe 755 Gefahrenabwehr 745 Gefahrenbereich 52–57, 59, 60, 67, 68, 70–73, 590 – der Gleise 814 Gefahrgutbeauftragtenverordnung 840 Gefahrgutbeauftragter 841 Gefahrmeldeanlage, betriebliche 718 Gefahrpunkt 622 Gefahrpunktabstand 39, 629 Gefahrstoffverordnung 834 Gefährungsanalyse 654 Gefahrzettel 844 Gefügestruktur 210 Gegenbogen mit kleinen Radien 21 Gegenfahrschutz 599, 630 Gegengewichtsberme 182
Sachverzeichnis Gegengleis 35, 588 Gegeninduktivität 775 Gehspur 68 Gehspurbreite 67, 68 Geländer 70 Gemeinschaftsrecht 854, 858, 867, 869 Genehmigung, immissionsschutzrechtliche 793 Genehmigungsbehörde 854, 858, 863, 870, 871 Genehmigungspflicht 762 – nach 4. BImSchV 833 Genehmigungsverfahren 762 – unvollständiges 762 – vollständiges 762 General Purpose Handheld (GPH) 734 Geo-Drain 189 Geokunststoffbewehrung 169 Geotechniker, erfahrener 176 Geothermie 471 Gesamtfraktion 836 Gesamtkonzept zur Lärmsanierung 787 Gesamtlagerungsmenge 833 Gesamtschotter 834 Geschwindigkeit 5, 864, 865, 869, 870 – Aufrunden der zulässigen 32 – kritische 373 – zulässige 7, 32 Geschwindigkeitsprüfabschnitt (GPA) 643 Geschwindigkeitssignalisierung, abgestufte 579 Geschwindigkeitsüberwachung 599 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung 821 Gesetzliche Grundlagen zur Sicherung von Bahnübergängen 340 Gestaltänderungsarbeit, konstante 281 Gestaltung – bauliche, des Kreuzungsstücks 350 – bautechnische 349 – verkehrstechnische des Bahnübergangsbereichs 351 Gestell 447 Gewährleistung der Arbeitssicherheit 812 Gewölbebrücke 231, 232 Gewölbewirkung 202 Gießschmelzschweißen, aluminothermisches 323 Gleichgewichtszustand, labiler 303 Gleichstromsystem 397 Gleichung – Biegelinie 262 – charakteristische 367 – Momentlinie 262 – von Hertz 277
Gleis – Anordnung 35 – besonders überwachtes 789 – elektrifiziertes 58 – Fahren auf dem Gegen35 – festgelegtes 43, 48 – in Ruhe 203 – lückenloses 282, 291, 333 – nicht gesperrtes 196 – nicht stabilisiertes 304 – Nutzlänge 39 – stabilisiertes 304 Gleisabschnitt – erkennbar belasteter 835 – offensichtlich unbelasteter 835 Gleisabstand 50–55, 58–60, 62 Gleisachse 270 Gleisbildstellwerk 632 Gleisdruckkraft, kritische 304, 305 Gleisfehler, angenommener 305 Gleisfestlegung 43 Gleisfreimeldeanlage 778 Gleisfreimeldung 618 Gleislagefehler 884 – angenommener 304 – kritischer 304, 305 Gleislagequalität 901 Gleislagestabilität 296 Gleislageveränderung 50 Gleislänge 39 – nutzbare 636 Gleismagnet 641 Gleismesswagen 203, 891 Gleisrelais 605 Gleisrückbau 775 Gleisschotter 836 Gleissperre 614 Gleissperrung 592 Gleisstabilisator, dynamischer 898, 918 Gleisstromkreis 604, 778 – Abgrenzung 606 – Fremdbeeinflussung 606 Gleisverbindung 29 Gleisverdrückung 296 Gleisverschiebewiderstand 297, 300 Gleisverschiebung 296 Gleisverwerfung 296 Gleisverwindung 218 Gleisverziehung 5, 11 Gleiswechselbetrieb 50 Gleitfläche 193
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Sachverzeichnis
Gleitkreis, klassischer 193 Gleitlinie 131, 135, 176 – kritische 161 Glühverlust 150 GNT 645 Goal Structure Notation (GSN) 682 Goal Structuring Notation (GSN) 683 Graben 138 – verrohrter 139 Grabenausbau 139 Grauer Talsand 175 Grenzen der Biegbarkeit bei Innenbogenweichen 26 Grenzlinie 43, 44, 46, 47, 50, 52, 53, 61 – bei Oberleitung 46, 48 Grenzlinienberechnung 51 Grenzmarke 584, 621 Grenzwert – maximal zulässiger des Porenwasserdrucks 169 – nach Prud’homme 297, 300 Grenzzeichen 53, 60, 584, 621 grenzzeichenfrei 621 Grenzzustand – der Gebrauchstauglichkeit 240 – der Tragfähigkeit 240 Grenzzyklus 374 Grobplanum 92 Grundbruch 187, 198, 208 – eines schwimmenden Dammes 183 – klassischer 133 – wegen Materialversagens 209 Grundregel – für die übrigen Haupt- und Nebengleise 5 – für durchgehende Hauptgleise 4 Gründung 429 – Bohr- 430 – Felsbohr- 430 – Großrohrbohr- 430 – Ortbeton- 430 – Ramm- 429 – Rammpfahl- 429 – Rammrohr- 430 Grundwasserabsenkung 143 GSM-R 646 GSM-R-Fernsprechteilnehmer ortsfest 736
H H/V-System 39 Häcksel 140 Halbraum – elastisch-isotroper
147, 161, 175, 193
– nicht elastisch isotroper 168 Halbraumtheorie 278, 293 Halbregelabstand 579 Halter 854, 855, 864, 870 Haltfallabschnitt 627 Haltstellung des Signals 627 Handlauf 517 Handverschluss 613 Hangdrainage 128 Hänger 415 Hanggraben 128 Hangrigolen 140 Haupt-/Vorsignal-Signalsystem 39 Hauptbahn 162 Hauptgleise 5, 563 – durchgehende 4, 35 – übrige 35 Hauptrinne 147 Hauptsignal 35, 575 Havarie 176 HBV-Anlage 754 Head Cheks 282 Hebung 144, 195, 196 Heißdampftechnik 813 Heißläuferortungsanlage (HOA) 467, 718 Heizstab 492 – Backenschienenheizung 494 – Herzstückheizung 494 – Verschlussfachheizung 494 – Zungenheizung 495 Herstellen 754 – lückenloser Gleise und Weichen 333 Hersteller 854, 855, 869 Herstellung des Erdplanums 196 Herzstück 23 – gebogenes 23 – gerades 23 Herzstückwechsel 923 Hilfsbetriebsstelle 595 Hindernis 60–61 Hinterfüllung 219 Hochdrücken der Sohle 138 Hochgeschwindigkeitsverkehr 853, 864 Hochmoor 149 Hochspannung 223 Höhe – lichte 58 – lichte, unter Überführungsbauten 58 – lichte, von Bauwerken 431 – unter Unterführungsbauten 57 Höhenfehler 901
Sachverzeichnis Hohlkastenquerschnitt 227 Hohllage 258 – für Schwellen 254 Holzpfahlgründung 143 Horizont – geneigter tragfähiger 158 – tragfähiger 147 Horizontlast, charakteristische Werte Huckepack-Verkehr 49 Hüllrohr 189 Huminsäure, aktive 201 HV 73 614 Hydroschild 245 HZW-Wechsel 923
256
I Immissionsbereich 796 Immissionsort 785, 795 Immissionsrichtwert 805 Imprägnierung von Holzschwellen 834 Inbetriebnahme 855 Inbetriebnahmegenehmigung 854–855 Indirekteinleitung 752 Indusi 641 Infrastrukturbenützungsentgelt 895 Infrastrukturbetreiber 854, 863–865, 869 Infrastrukturdaten 862–864 Infrastrukturinformation 863, 864 Infrastrukturmanagementsystem 927, 941 Infrastrukturnutzungsvertrag 863, 868 Infrastrukturregister 864, 865 Infrastrukturunternehmer 855 Infrastrukturzugang 853, 864 – diskriminierungsfreier 853 – interoperabler 864 Ingenieurbauwerk 814 Initialsetzung 212 Injektion 127 Innengeräuschpegel 803 Innenraumpegel 803 Innenverschluss 611 Inspektion 213, 753, 886 – der Gleisanlagen 812 Instandhaltung 553, 554, 873 – integrierte 914 – kleine 886 – proaktive 874 – reaktive 874 – von Eisenbahnbrücken 231 – zustandsabhängige 874 – zyklische 898
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Instandhaltungsintensität 888, 900 Instandhaltungsmaßnahme, planbare 886 Instandhaltungsoptimierung 961 Instandhaltungsplan 759 Instandhaltungsplanung 960 Instandhaltungsstrategie 876 Instandhaltungszyklus 900 Instandsetzung von Eisenbahnbrücken 231 Instruktionspflicht 748 Integrierte Managementsysteme (IMS) 750 Intelligenz, künstliche 938 Interoperabilität 853, 864, 865 Interoperabilitätsrichtlinie 853 Investitionskosten, kritische 892 Investitionsrechnung, dynamische 878 Investitionsstrategie 876 Ionisationsrauchmelder 767 Isolierstoß 606 Isolierung – einschienige 607 – zweischienige 607 Isolierzeichen 584 Isotopensonde 767
J Jahreskosten 889 Joche 427
K K/S-Signalsystem 40 Kabel 523–557 – -anschluss 534, 535 – -aufbau 526, 527 – Bauart 523 – -führung 542, 548 – -graben 542 – -grabenquerschnitt 543 – -kanal 545 – -legung 542, 548 – mit Induktionsschutz 774, 775 – -muffe 532 – -rohrtrasse 544 – -schacht 546, 552 – -schelle 524, 546, 547 – -schild 551 – -spule 548 – -trasse 536, 537, 541, 542, 546, 547, 552–555 – -trog 537, 544–546, 551 – -überwachung 554 – -verlegung 542 Kalkablagerung 142
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Sachverzeichnis
Kalkanteil 142 Kalker-Gleichung 361 Kalkfahne 142 Kalkhydrat 107 Kalksäule 202 Kalkstabilisierung 107 Kaltverfestigung 282 Kapillarität 105 Kapillarsaum 158, 174 Kapitalwert 878 Kapitalwertfunktion 879 Kapitalwertmethode 878 Kapitalwiedergewinnungsfaktor 879 Karte, geologische 150 Kaskade 127, 129 Katode 130 KBFmax 801 KBFTr 801 KB-Wert 801 Kennrille 401 Kennzeichnung 552, 841 – des Bahnübergangs 339 Kernwuchs 818 Kettenoberleitung 400 Kiesfilterschicht 139 Kieskeil 126 Kiespolster 146 – filterstabiles 145 Kiessandfilter 138 Kiessandgemisch 113 Kiessäule – geokunststoff-ummantelte 202 – ummantelte 208 Kinematik 53 Klammerspitzenverschluss 611 Klasseneinteilung gefährlicher Stoffe und Gegenstände 842 Klei 148 Klothoide 12 – als Regelform des Übergangsbogens 4 Klotzverfahren 106 Knicklänge 303 Kohäsion 193 Kompatibilität 853, 855, 858–861, 863, 865, 867, 871 Konformität 855, 856 Konizität, äquivalente 363 Konsistenz, flüssige 208 Konsistenzveränderung 191 Konsolidation 189, 195 Konsolidierung 198
Konsolidierungsgrad 160 Konsolidierungssetzung 167 Konstruktionssystem 69 – für Bahnsteige 69 Kontaktfläche Rad/Schiene 277 Kontaktkraft 794 Kontaktmatte 603 Kontrolle, visuelle 153 Kontrollingenieur 203 Kontrollprüfung 110, 837 Kontrollsystem 745 – beim Bodenaustausch 178 – funktionstüchtiges 147 Kontrollwert, messtechnischer 211 KonVEIV 854, 864, 868 konventionell interoperabel 854 Konzept 764 Kopfauslenkung 224 Kopfhärtung 282 Korndichte 150 Kornfestigkeit 110 Kornverteilung 122 Kornverteilungslinie 155 Körperschall 793 Korrosionsschutz 231 Kostentreiber 875 Kostenwirksamkeit 876 Kraft, vertikale 205 Kreisbogen 11 Kreuzung 28 – Flachkreuzung 28 – niveaugleiche 599 – Regelneigung 28 – Steilkreuzung 28 Kreuzungsbereich, Umgestaltung 351 Kreuzungsstück 350 Kriterienkatalog 856 Krümmungsverhältnis 893 Krümmungswechsel 18 KSG 113 Kubische Parabel 13 Kulturboden 91 Künstliche Intelligenz 938 Kupfer 525 Kupferleiter 541 Kurvenfahrt 378 Kurvenlauffähigkeit 895 Kurzschluss-Strom 776 Kurzzeichen 531 Kurzzeitbeeinflussung 774, 775 Kurzzeitmodul Ecm 218
Sachverzeichnis
L Ladegleisschaltung 436 Lademaß 61 Ladungsverkehr, kombinierter 46, 48 Lagefehler 901 Lagegenauigkeit 890 Lageplan 541 Lagerungsdauer 833 Lagestabilität des Schotteroberbaus 812 Landesbehörde 857 Länge – der Bahnsteige 66 – der Geraden 11 – der Kreisbögen 11 – der Zwischenbögen 20 – der Zwischengeraden 20 – von Durchrutschwegen 623 Längenänderung 285 – bei freier Drehung 285 – Stauchung 285 – Verschiebung 285 Langfristoptimierung 874 Langsamfahrt 594 Längsbrücke 217 Längskettenwerk 399 Längskraft 288–290, 304 Längskraftspitze 284 Längskraftübertragung 223 Längsneigung 1, 890 – der Streckengleise 1 – in Bahnhöfen 3 Längsspannweite 402 Längsträger, elastisch gelagerter 257, 260, 261, 263, 270 Längsträgerbreite 259, 261 Längsverschiebewiderstand 282–284, 291 Längsverschiebung 284, 286, 287, 289, 290 Langzeitbeeinflussung 774, 775 Lärmemission 787 Lärmsanierung 787 Lärmsanierungsprogramm 787 Lärmschutzmaßnahme 788 – aktive 788 – passive 790 Lärmschutzwand 55–57, 63, 64, 788 Lärmvorsorge 785 Lastangriff am Schienenkopf 256 Lastmodell 222 – 71 223, 253 – LM 71 222 – SW/0 222, 223
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LAU-Anlage 754 Laufeigenschaft 895 Lebend-Faschinen 128 Lebensraum, prioritärer 830 Lebensraumbedingungen für Flora und Fauna 820 Lebenszykluskosten (LCC) 873 Legung 548, 551 Leichtbauseitenhalter 426 Leistungsdichtespektrum 901 Leit- und Sicherungstechnik (LST) 633 Leitbild 816 Leiter 525, 533, 534, 554 Leiterisolation 526 Leiterwerkstoff 525 Leiterwiderstand 525 Leittechnik 633 Leitung 523–526, 529, 530 – flexible 525 Lenkplan 634 Lenkziffer 634 Leuchte 510 – Rettungszeichen 511 – sonstige 511 – Tunnel- 510 Lichtbogenschweißen 324 lichte Höhe 431 lichter Raum 43, 46 Lichtraum 47, 48, 55, 219, 858, 859, 862–866, 868 – GC 71, 72 – mit größeren Abmessungen 46 – -bedarf 43, 67 – -breite 48, 49 Lichtraumprofil 43, 44, 48, 50, 54, 57, 58, 70 – für S-Bahnen 47 – GC 46, 50, 68 Lichtraumumgrenzung 44 Lichtwellenleiter 531, 532 Liegezeit 170, 195 Linienbetrieb 34, 36 Linienkorrektur 31 Linienlast 253 Linienverbesserung 31 Linienzugbeeinflussung (LZB) 645 Linse, organische 107 Logik von Sicherheitsnachweisen 681 Löschabschnitt 627 Luftschall 793 – abgestrahlter 794 – sekundärer 793, 794 Luftströmungsmeldeanlage (LSMA) 719
978
Sachverzeichnis
M Magnetschienenbremse (MG) 784 Managementbewertung 745 Managementsystem 741 – integriertes 750 Mangangussherzstück 897 Mängelbehebung 886 Markierung der Zufahrten zum Bahnübergang 356 Masse, ungefederte 895 Masse-Feder-System 808 Maßnahme – infrastrukturelle 757 – verkehrstechnische im Räumstreckenbereich 352 Maßnahmeplan 765 Mast 50, 52, 54, 62, 64, 70, 219, 427 – Abspann- 427 – Aufsetz- 428 – Beleuchtungs- 52 – Beton- 427, 429 – Einsetz- 428 – Flach- 428 – Gitter- 428 – Oberleitungs- 52 – Rahmenflach- 428 – Schleuderbeton- 429 – Signal- 52 – Stahl- 427 – Stahl- aus Doppel-T-Profilen 429 – Trag- 427 – Überstülp- 428 – Winkel- 428 Mastfundament 54 Mastgasse 53, 58 Material – -anforderung 155 – -auswahl 169 – -kreislauf 837 – rollendes 890 – -veränderung 211 – -versagen 127, 209 Matte, tragende 149 MDZ-Ziffer 901 Mehlsand 144 Mehrabschnitts-Achszähler 609 Mehrabschnittssignalisierung 570 Mehrschichtsystem 295 Meldeanlagensystem 90 (MAS 90) 710 Meldesystem 710 MEM 663
Messdaten 881 Messfahrt 855, 866, 867 Messstation 189 Messung des Porenwasserdrucks 206 Messwagen 881, 902 Methode – Annuitäten- 878 – der zerstörungsfreien Prüfung 333, 334 – des Internen Zinssatzes 878 – M 3 96 MGS 662 Minderung der Porenwasserdrücke 188 Minderungsmaßnahme – aktive 806 – passive 806 Mindestabstand 57, 60–62, 64, 70 – elektrischer 58 Mindestanforderungen 341 – an die Sicherung von Bahnübergängen 340 Mindestfahrdrahthöhe 409 Mindestgleisabstand 50, 51, 53 Mindestlichtraum 44, 48–50 – -bedarf 44, 49 – GC 48, 49 Mindestüberdeckung 202, 205 Mindestüberhöhung 7 Mindestwert für Unterbausteifigkeiten 224 Mischbetrieb 48, 50 Mitnahmesetzung 157 Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20 834 Mitteilungspegel 786 Mitteilungspflicht 763 Mittelelement 619 Mittelverbau 197 Mittelweiche 619 Mittenverbau 196 Mohrscher Spannungskreis 279, 281 Moment der freien Torsion 271 Monitoring 823 Montage 534, 548 Mooraustausch 179 Moorbrücke 169, 211 Moorfeld 161 Moorfläche 153, 190 Moorrinne 157 Moos 147 Mudde 148, 188, 189, 191, 201, 210, 212 Muffe 533, 552, 556 Multiregressionsanalyse 913 Mutterboden 91
Sachverzeichnis
N Nachbauten 856 Nachhaltigkeit der Gehölzbestockung 820 Nachrichtenkabel 531, 533, 541 Nachrüstung 854, 866 Nachspannlänge 412 Nachspannung 412 Nachtarbeit 793 Nachweis – der Standsicherheit 165 – der Tragfähigkeit 96 Nachweisverfahren, privilegiertes 833 Nahbedienbereich 628 Nahbeeinflussung 779 Nahstellbereich 628 Nahverkehr 495 Nassbaggerung 169, 175 Nass-Bagger-Verfahren 143 Nasssiebung 122 Natura 2000 830 Naturstein-Bogenbrücke 231 Natursteinmauerwerk 232 NE 857 Nebenbahn 162 Nebenfahrt 566 Nebengleis 5, 35, 52, 53, 563 Nebenrinne 148 Neigetechnik 54, 858–864, 866 Neigetechnikfahrzeug 48, 50 – Einsatz von 32 Neigung der Überhöhungsrampe 12 Neigungswiderstand 2 Nennfestigkeit 281, 282 Nennspannung für Bahnanwendungen 398 Netzbetreiber 855, 863, 865, 867 Netzzugang 853–855, 863, 865, 867, 871 – -anforderungen 866 – diskriminierungsfreier 853 – -kriterium 855, 863, 866 Neuschienenschleifen 326 Niederdruckbereifung 156 Niederflurfahrzeug 66 Niedermoor 148 Niederwaldwirtschaft 819 Normale Handy GPH 734 Normalspannung – aus horizontaler Biegung an den Rändern von Schienenkopf und Schienenfuß 274 – aus Wölbkrafttorsion 273 Normalverteilung 659 Normelement 883
Normkilometer 884 Notfallvorsorge 745 Notlichtversorgungsgerät (NVG) 511 Nutzlänge eines Gleises 39 Nutzung 856, 863 – der Eisenbahninfrastruktur 854 Nutzungsbedingungen 863 Nutzungsdauer 873
O Oberbau Gleise 882 Oberbauform 884, 892 Oberboden 128 Oberflächenschaden 893, 897 Oberleitung 46–48, 58, 64, 399, 469 Oberleitungsanlage 58, 63 Oberleitungsbeeinflussungs-Messung (OLBM) 777 Oberleitungsbereich 456 Oberleitungskonstruktion 57 Oberleitungslageplan 458 Oberleitungsmast 52, 59 – Fundament 44 Oberleitungsnähe 70 Oberleitungsschalter 467 Odemark 293 Operational Purpose Handheld Shunting (OPS) 735, 736 Ortsbedienung 612 Ortssteuereinrichtung 467 Ortung 601
P Parabel, kubische 13 Parallelfeld 412 Parallelführung von Schiene und Straße 63 Personenschutz 770 Pfahlkonstruktion mit Geokunststoffbewehrung 169 Pflanzenschutzgesetz 812 Pflanzmulde 126, 129 Phase, überwachte 165 Phasentrennstelle 451 Pilgerschrittverfahren 206, 212 Planfeststellung 762 Planfeststellungsbeschluss 799 Planfeststellungsverfahren 797 Planumschutzschicht 112 Planumsverbesserungsmaschine (PVM) 123 Planung 535, 542 – der Unterbauten 219
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Sachverzeichnis
Planungsrichtwert 805 Plastdrainage 141 Plattenbalkenquerschnitt 227 Plattendruckgerät 97 Plattendruckversuch 96 – dynamischer 96 – statischer 96 Porenwasserdruck 163, 169, 174, 188, 189, 198, 206, 211 – -anstieg 182 – -entwicklung 150, 192 – höchst zulässiger 191 – kritischer 146, 166, 189 – -messung 148, 167, 191 – relativer 163, 191 Porenwasserüberdruck 209 – gemessener 211 – kritischer 180, 211 – wirksamer 210 Potenzialausgleich 454 Pressung, örtliche 277 Primärschall 793 Priorisierungskennziffer 787 Probefahrt 854, 855, 858, 866–871 Probenahme 835 Proctor 116 Proctorkurve 93 Proctorversuch 120 Profilfreiheit 621 Profilfunktion – φx 363 – λ 363 – tan δ1 – tan δ2 363 Profilgrenzmaß 331 Prognosemodell 883, 907 Prozessablauf 855–857 Prud’homme 297, 300 Prüfablauf 867 Prüfen – von Schienen 330 – von Schienenschweißungen 330 Prüfkriterium 859 Prüfmoment 256 Prüfschritt 685 Prüfstelle 855 Prüfumfang 855–857, 868 Prüfung 548, 552, 553, 555, 855–857, 863, 868–870 – fahrtechnische 256, 297 – zerstörungsfreie 333, 334 PVM 123 PZB 90 641
Q Qualität 211, 750 Qualitätsanforderung 101 Qualitätskontrolle 898 Qualitätsniveau 875 Qualitätsüberwachung 111 Qualitätsvereinbarung 101 Qualitätsverhalten 883 Querkraftverlauf 260, 261 Querneigung 69, 70 – bei Bahnsteigen 70 Querschnitt 68 Querschnittsabmessung 60, 64 Querschnittsgestaltung 43, 44, 219, 239 Querschnittskennwert von Schienenprofilen 273 Quertrageinrichtung 416 Quertragwerk 424 – mit abgesetztem unteren Richtseil 427 – mit geerdetem oberen Richtseil 426 – mit spannungsführendem oberen Richtseil (SPOR) 426 Querverschiebewiderstand 297–299, 304, 305, 921
R Rad 254 Radarscanner 603 Radaufstandspunkt 359 Raddrehfrequenz 255 Radialeinstellbarkeit 895 Radius 5, 8 – kleiner 21 – -klasse 885 Radlast, statische 261, 266, 293 Radlastverlagerung 255, 279, 293 Radlenkerwechsel 923 Radprofil 363 Radrückenentfernung 363 Radsatz 263, 359 Radsatzlast 222, 253, 254 Rad-Schiene-Kontakt 359 Rad-Schiene-Kontaktspannung 277 Rahmenbauwerk 219 Rahmenplanung 234 Rahmenschwelle 914 Rahmenschwellenoberbau 921 Rahmenschwellenweiche 914 Rammarbeit 212 Rammen 189 Rammenergie 189 Rammvorgang 148 Rampe 45, 54, 61, 219
Sachverzeichnis – geschwungene 16 Rampenlänge 15 RAMS-Analyse 873 Rand – von Schienenfuß 274 – von Schienenkopf 274 Randbedingungen, technologische 210, 211 Randweg 54–60, 73 Randwegpflege 891 Rangiereinrichtung 45 Rangieren 565 Rangierfunk 725 – -gerät OPS 736 – GSM-R 736 Rangierhalttafel 583 Rangierstraße 617 Rangierzone 628 Rasterplan 190 Raum, lichter 43, 46, 63 Raumabstand 567 Raumbedarf, kinematischer 43 Räumstreckenbereich 352 Raumwelle 795 Rayleigh-Welle 795 Reaktionskraft an einem Stützpunkt, horizontale 270 Reaktionsmoment an einem Stützpunkt 270 Rechenregel, kinematische 43 Recht 853–855, 857, 863, 864, 868, 871 Rechtsgrundlagen 766 Rechtsverordnung 559 Recyclingschotter 837 Reduktionsfaktor 225, 540 Regel – der Technik 758, 855, 869 – für die Umsetzung 788 Regelfahrdrahthöhe 409 Regelfahrzeug 222 Regelform des Übergangsbogens 4 Regelkreis der Eisenbahnsicherungstechnik 600 Regellichtraum 44–46, 50, 219 – bei Oberleitung 45, 47, 48 – für normale Strecken 220 – für S-Bahn-Strecken 221 Regeloberleitung der DB AG 402 Regelstellungsweiche 623 Regelwerk 863–866 – betriebliches 559 Regelzeichen für Oberleitungslagepläne 458 Regulierungsbehörde 855, 858, 863, 867, 870 Reibung 193
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Reibungsfuß 169, 171, 174–176, 178, 179, 181 Reibungsgesetze 360 Reibungsschluss 146, 147, 158, 171, 174 Reibungswinkel 150 Reinigungsart 759 Reinvestition 891 Relaisstellwerk 632 Reparaturschweißen 923 Repeaterstation 465 Resonanzgefährdung 266 Resonanzrisiko 218 Restnutzungsdauer 231 Restporenwasserdruck 192 Restwertberücksichtigung 891 RIC/RIV-Fahrzeug 857 Richtlinie 853, 863–866 – Bautechnik; Verwertung von Altschotter 834 – für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung 788 Richtseil – abgesetztes unteres 427 – geerdetes oberes 426 – spannungsführendes oberes 426 Richtungsbetrieb 34, 35 RID 840 Riegelhandschloss 613 Ril 853 „Eisenbahntunnel planen, bauen und instand halten“ 238 Risiko – tolerierbares 652, 653 Risikoakzeptanz 661 – ALARP 662 – GAMAB 662 – MGS 662 Risikoanalyse 653, 669, 696 – probabilistische (PRA) 669 – semi-quantitatives Verfahren 675 Risikoanalyse-Prozess 654 Risikobewertung 654, 668 Risikoformel 669 Risikograph 674, 696 Risikomatrix 670, 671 Risikoprioritätszahl 672 Risikoreduktion 653 Rissbildung 153, 213 Risstiefe, zulässige 282 Robustes Handy OPH 735 Rohr 540, 552 Rohrleitung 772, 778 Rohrschwenkausleger 416 Rohrseitenhalter 426
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Sachverzeichnis
Rohrzug 544, 546, 551, 553, 554 Rollkontakt 277 Röntgeneinrichtung 767 Ruck 22 Rückblock 630 Rückhaltevermögen 757 Rückleiter 536 Rückleiteranschluss 456 Rückleitung 529, 551, 554 Rückleitungsseil 454 Rückschnitt, regelmäßiger 814 Rückschnittmaßnahme 820 Rückschnittzeitpunkt 820 Rückschnittzone 811, 813, 814 Rückstellsteifigkeit 365 Rückstromführung 454 Ruhestromprinzip 605 Rüttelenergie 206
S Sachverständiger, geotechnischer 86, 88 Safe Integrity Level (SIL) 660 Sandbad 176 Sanddrain 182, 186, 188 – -gründung mit Auflastschüttung 169, 185 – -verfahren 169, 185 Sandsäule, geokunststoff-ummantelte 202 Sanduhr-Modell 654 Sanierung 157, 198 – des Tragschichtsystems 193 – eines Grundbruches 187 Sanierungsmaßnahme 176 Sattel, steil aufragender 148 Sauger 140 Sauger-Sammler 128 Sauger-Sammler-System 140 Säule, durchgängige 189 S-Bahn 47, 50, 56, 58, 59 S-Bahn-Bahnsteig 70 S-Bahnbetrieb 48 S-Bahnfahrzeug 46, 66 S-Bahngleis 52 S-Bahn-Lichtraumprofil 47 S-Bahnstrecke 58 S-Bahnverkehr 54 Schacht 546, 551–553 Schadensanalyse 668 Schallmessung 789 Schallpegelmaximum 267 Schallschutzklasse 792 Schaltabschnitt 434
Schaltung 434 Scherenstromabnehmer 447 – Einholm- 447 – Halb- 447 Scherfestigkeit 188 – undrainierte 206 Scherparameter 133 Schicht – organische 189 – weiche 169 Schichtenstruktur 146 Schichtenwasser 140 Schiebebühne 615 Schiedsstelle für Beeinflussungsfragen 774 Schiene 63 – 3. 400 – ballige 366, 893 – kopfgehärtete 310, 313, 894 – prüfen 330 Schienenauftragsschweißung 317 Schienenauszug 224, 288 Schienenbruch 293 Schieneneinbauneigung 363 Schienenfehler – Beschreibung 327 – Übersicht 327 Schienenform 314 Schienenfuß 270, 274 Schienenfußmitte 291 Schienenfußverschiebung, horizontale 271, 272, 273 Schienengüte 895 Schienenkopf 256, 274, 278 Schienenkopfauslenkung 273 Schienenlängskraft 283, 284, 291 Schienenlängsspannung – zulässige zusätzliche aus Temperaturänderungen 288 – zusätzliche aus Temperaturänderungen der Tragwerke 289 Schienenlängswiderstand 605 Schienennetz-Nutzungsbedingungen 863, 864 Schienenprofil 273 Schienenquerprofil 363 Schienenrückstrom 779 Schienenschleife 893 Schienenschleifen 325 – asymmetrisches 379 Schienenschleifzug 918 Schienenschweißung 317 – Bedeutung 318
Sachverzeichnis – prüfen 330 Schienenspannung 224, 262 Schienenstahl 310 Schienenstützpunkt, hochelastischer 807 Schienenverbindungsschweißen, Anwendung 317 Schienenwechsel 893, 899 Schienenweg, vorhandener 785 Schildvortrieb 244 Schirm 526, 533, 546, 554 Schlagtaster 613 Schlamm, schwebender 145 Schlämmanalyse 122 Schlankheit 227 Schlauchkernverfahren 144 Schleifen – akustisches 789 – von Schweißungen 326 Schleifleiste 447 Schleifzyklus 900 Schleppkurve 356 Schleppplatte 213 Schlitzweite 141 Schlupf 361 – Bohrschlupf 361 – Längsschlupf 361 – Querschlupf 361 Schlupfwert 894 Schmalmast 50 Schnellfahrstrecke 162 Schotter 293 Schotterabfangung 197 – ohne „statische Wirkung“ 196 Schotterbett 55–57, 71, 899 – -reinigung 899 Schotteroberbau 53, 55, 58, 59, 71, 72, 254, 257, 283, 812 Schotterpflug 918 Schotterpressung 263 Schotterrigolen 141 Schottersack 106, 195, 196 Schottersäule 202 Schranke 341 – bedienen 343 – Halbschranke 341 – Halbschranke einsetzen 344 – Vollschranke 341 Schubbeanspruchung im Inneren des Schienenkopfes 278 Schubkraft, horizontale 203 Schubmittelpunkt der Schiene 270
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Schubspannung, zulässige 281, 282 Schubsteifigkeit eines Drehgestelles 369 Schubwelle 168 Schubwirkung, horizontale 205 Schubzahl 270, 271 Schüttlage 184 Schüttplanum 105 Schüttschema 153, 155, 170, 184, 195 Schüttsprengverfahren 169, 171 Schüttstoff unter Wasser 156 Schüttzeit 170 Schutz 70 – an niveaugleichen Kreuzungen 599 – vor übrigen Hindernissen 599 Schutzbedürftigkeit des Aufstellungsortes 758 Schutzeinrichtung 61, 63, 64, 497 Schutzfunktion 70, 599 Schutzgut 823, 825 Schutzmaßnahme 70, 242, 806 – bei Eisenbahnbrücken 223 Schutzschicht 293 Schutzstrecke 451 Schutztransportweiche 620 Schutzvorkehrung 64 Schutzweg 622 Schutzweiche 589 Schwanenhals 32 Schwebezustand 144 Schweißverfahren, zugelassenes 319 Schwelle 254 – durchgehende 29 Schwellenart 895 Schwellenbesohlung 898, 914 – elastische 807 Schwellenfachfrequenz 267 Schwellensatz 899 Schwimmbaggereinsatz 171 Schwimmender Damm 158 schwingempfindlich 148 Schwinggeschwindigkeit 267–269 Schwingschnellepegel 799, 801 Schwingstabilität 158, 166, 167, 175, 198, 202, 211 Schwingungssystem Radsatz/Gleis 263, 265 Schwingungsübertragung 797 Schwingungsübertragungsfunktion 798 Schwingverhalten 106, 188 Schwingweg der Spannmittel 273 Schwungfahren 2 Scoping 822, 823, 824, 825 Screening 822, 823 Seeton 148, 191, 201, 207
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Sachverzeichnis
– flüssiger Konsistenz 208 Seile 402 Seitenbeschleunigung 6 Seitenneigung, quasistatische 43 Seitenversatz in Kurvenfahrten 378 Seitenverschleiß 897 Seitenwind 44 Sekundärdurchbiegung 268, 269 – der Schiene 266, 267 Sekundäreffekt 794 Sekundärschall 794 Sekundärsetzung 167 Sendung – außergewöhnliche 44 – Lademaß überschreitende 61 Senkung, starke 202 Setzung 106, 112, 131, 150, 158, 182, 196, 203, 211 – relative 161, 162, 193 – schleichende 176 – zulässige 191, 193 – zulässige relative 164, 194 Setzungsdifferenz 162 Setzungsfließen 158, 166 Setzungsgeschwindigkeit 184, 193, 195 Setzungsmessung 176, 198 Setzungsmulde 157 Setzungsprognose 193 Setzungsunterschied 169, 196, 213 Setzungsverlauf 186 Sicherheit 652, 750, 854, 855, 858, 861, 869–871 – aktive 655 – des Eisenbahnbetriebs 202 – elektrische 70 – funktionale 649, 651 – passive 655 – Sicherheitsanforderung 655 – technische 211 – Ursachenanalyse 655 Sicherheitsabstand 304 – elektrischer 70 – seitlicher 60–62 Sicherheitsanforderung 855 Sicherheitsanforderungsstufe 655, 660 Sicherheitsargument 682 Sicherheitsauftritt 70 Sicherheitsbeiwert 282, 293 Sicherheitsbescheinigung 854 Sicherheitsdispositiv 596 Sicherheitselement 69 – bei Bahnsteigen 70
Sicherheitsklasse bei Widerständen 241 Sicherheitskonzept, probalistisches 240 Sicherheitskultur 649, 650, 693 – Indikator 694 Sicherheitsmanagement 650, 686, 687, 764 – -audit 686 – Elemente des –s 686 – -logbuch 686 – Prinzipien 686 – -review 686 Sicherheitsnachweis 676, 680, 681, 682, 684 – -führung 675 – Sicherheitserprobung 690 – sicherheitsrelevante Anwendungsregeln 690 – technischer 687 – -typ 680 Sicherheitsraum 52–61, 70–73, 590 Sicherheitsrelais 632 Sicherheitswärter 591 Sicherheitszeichen 584, 621 Sicherung 841 – der Filterstabilität 196 – durch die Übersicht 347 – durch Pfeifen 347 – durch Posten 340 – nicht technische 347 – technische 346 – von Bahnübergängen 339, 340 Sicherungsanlage, technische 345 Sicherungskappe 297, 299 Sicherungsposten 591 – mit Blockinformationen 615 Sicht auf Signalanlagen 814 Sichtfläche 347 Sickerweg 188, 190 Siebanalyse 122 Signal 50, 627 – abhängigkeit 617 – anlage 45, 63, 219 – Aufstellung 635 – Ausfahr- 576 – ausleger 635 – Besetzt- 587 – Bezeichnung 634 – Block- 577 – brücke 635 – deckung 434 – Deckungs- 577 – Einfahr- 576 – Ersatz- 586 – Gleisabschnitts- 576
Sachverzeichnis – Haupt- 575 – Hilfs- 587 – kabel 531, 533, 536, 541, 542, 551 – mast 52 – nachahmer 637 – Nachrück- 580 – Rangierhalt- 582 – relais 632 – Schutz- 582 – sicht 637 – Sperr- 581 – Vor- 578 – Vorsicht- 587 – Weichen- 583 – Zusatz- 584 – Zwerg- 582 – Zwischen- 576 Signalfernsprechverbindung 703 Signalfolgeabstand 638 Signalisierung von Fahrstraßen 626 Signalsystem 570, 572 – HV- 572 – Ks- 572 – OSŽD- 574 – L 572, 574 Signum 641 SIL-Tabelle 655, 661, 677, 680 SIL-Zuordnung 661 Sior 147, 161 Sohle 138 Solarenergie 470 Sondermüll 201 Sonderregelung 759 Spannmittel 273 Spannungsausgleich 336 – im Gleis 335 – in Weichen 336 Speisebezirk 434 Speisekabel 527, 540 Sperre, hydrologische 201 Sperrfahrt 564 Sperrmaßnahme 176 Sperrpause 918 Sperrschuh 614 Sperrzeit 568 Spitzenverschluss 611 Spreizkraft, horizontale 202 Sprengarbeit 210 Sprengvortrieb 243, 247 Spritzstoß 885 Spritzzug 813
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Spule 549 Spulenkern 550 Spundwandkasten 175 Spurkranz 782 Spurkranzschmierung 894 Spurweite 363 Squats 282 Stabilisierung, elektrochemische 127 Stabilisierungsstopfen 898 Stabilisierungszone 811, 813, 820 Stabilität 897 – des Fahrzeuglaufes 373 – dynamische 167 Stabverlängerung 302 Stadtschnellbahn 47 Stadtschnellbahnfahrzeug 46 Staffelriss 133, 176 Stahlbetonplatte, bewehrte 212 Stahlbrücke 228, 231 Stahlhohlkasten 228 Stahlrohr 182 Stahlsorte für Schienen 312 Stammgleis 23 Standsicherheit 158, 163, 174–176, 186, 211, 755 – Nachweis 165 – -suntersuchung 189, 238 Stauchung 285 Steifezahl 150 Steifigkeit 175 Steilrampe 193 Stelltafel 613 Stellwerk – elektromechanisches 632 – elektronisches (ESTW) 465, 632 – mechanisches 631 – Relais- 632 Steuerung – der Anlagen zur technischen Sicherung 344 – des Setzungsverlaufs 186 Stilllegung 753 – der Anlage 759 Stoff – altbrauchbarer 898 – wassergefährdender 753 Stopfen 898 Stopf-Richt-Nivelliermaschine 918 Stopfsäule, vermörtelte 203 Stopfzyklus 900 Störaussendung 771 Störfallbeauftragter 749 Störfestigkeit 771
986
Sachverzeichnis
Störgröße 303 Störkraft 289 Störlänge 285, 286 Störstrom 781 Stoßlückengleis 893, 916 Strahlenschutzbeauftragter 766 Strahlenschutzbevollmächtigter 766 Strahlenschutzverantwortlicher 766 Straße 63 – parallel geführte 63, 64 Straßenbreite 354 Straßenbrücke 217 Straßenverkehrsordnung (StVO) 339 Straßenverlauf 353 Strategie Fahrweg 875 Strecke – elektrifizierte 47, 57, 64, 65 – freie 50, 52, 53, 57, 58, 562 – parallel geführte 53, 54, 58 – parallel geführte elektrifizierte 59 Streckenausrüstung 858, 860 Streckenblockanlage 632 Streckenfreigabe 862, 863 Streckenklasse 858, 863, 864, 866 Streckenquerschnitt 58 – auf Erdkörpern 58, 71–73 – Element 46 Streckentrennung 412 Streckschutz 621 Streuung 906 Stroh 140 Stromabnehmer 46, 47 – für Stromschienen 453 Stromdiagramm 775 Stromerhöhung 775 Stromschiene 438 – 3. 438 – Decken- 438 Stromschienenabdeckung 443 Stromschienenoberleitung 400, 438 Stromschienenstützpunkt 442 Stromsystem 57 Stromversorgungsanlage 463 Stufenfundament 430 Stumpfgleisanzeiger 587 Sturmfestigkeit von Bäumen 815 Stützlinie 175, 189 Stützmauer 64 Stützpunkt 270 Stützpunktkraft 263, 265, 273 – abhebende 291
– negative 263 Stützpunktsteifigkeit 259, 260 Stützscheibe 127 Stützwand 55, 56, 64 Stützweitenbereich 227 Substanz, organische 150 System Fahrweg/Fahrzeug 866 Systemdefinition 664, 695 Systemhöhe der Oberleitungskonstruktion 57 Systeminsel 750 Systemsicherheit 854 Systemtrennstelle 451, 452 Systemverhalten 203 Systemverträglichkeit 859
T Talsand, grauer 175 Technik – auf Fahrzeugen 866 – innovative 868, 870 – innovative auf Fahrzeugen 866 Technische Anleitung Lärm 793 Technische Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) 853 Technologie des Überschüttens der Moorfläche 153 Teilaushub 169 – von Reibungsfüßen 169 Teilewechsel, permanenter 898 Teilfahrstraße 619 Teilsicherheitsbeiwert 241 Teilsystem 858, 864, 865, 868 Telekommunikationsanlage 772 Temperaturänderung 289 – stetige 286, 288 Temperatureinflüsse auf Längsspannungen 333 Temperatureinwirkung 282 Temperaturerhöhung, kritische 304, 305 Temperatursprung 285, 287 Terzfrequenzspektrum 797 Therzaghi 163 Tiefenentwässerung 128, 140 Tonböschung 127 Tonpfeife 140 Torf 189, 191 – von Mudden 201 Torfschicht 148, 149, 201, 208 Torsion, freie 271 Torsionsträgheitsmoment der Schiene 271 Torsionszahl 270, 271 Total Quality Management 875
Sachverzeichnis Totfaschine 126, 129 Trägerrost 228 Tragfähigkeit 94–96, 110, 112, 196, 240 Tragfähigkeitsschaden 138 Tragglied, pfahlartiges 201 Trägheit des Erdbauwerkes 167, 175 Tragschicht 109, 112, 113, 196 – obere ungebundene 112 – untere ungebundene 112 Tragschichtsystem 193, 195 Tragverhalten 106, 203 Transformator 487 Transmissionsweg 796 Transport gefährlicher Güter 840 Transporthubschrauber 133 Transportschutz 620 Trassenplanung 535 Trassierungsradius 884 Triebfahrzeug 895 Trinkwasseruntersuchung, mikrobiologische 765 Trog 537, 549, 552 TSI 864, 865 Tunnelbauverfahren 243 Tunnelbauweise – neue österreichische 243 – offene 249 Tunnelbohrmaschine 247 Tunnelsicherheitsausrüstung 505 Tunnelsicherheitsbeleuchtung 509 Tunnelüberwachungszentrale (TÜZ) 512 Tunnelwand 246 Tyfon 591
U Überbauabschluss 219 Überbauende 219 Überdeckungshöhe 205 Überforderung des labilen Baugrunds Überführung 857 Überführungsbau 57, 63 Überführungsfahrt 855, 866, 870 Übergangsbereich 48 Übergangsbogen 4 Übergangsbogen 12, 18 – -länge 15 – mit geschwungener Rampe 16 – nach Bloss 4, 16, 17 – Umwandlung von 17 Überhebung 915 Überhöhung 5, 8, 27 – ausgleichende 5
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– Größe der 7 – in Bögen mit Radien 8 – negative 193 – Regelüberhöhung 10 – zeitliche Änderung 16 Überhöhungsfehlbetrag 5, 8 – in Bogenweichen 9 – zeitliche Änderung 16 Überhöhungsrampe 12 Überhöhungsüberschuss Hangabtrieb 11 Überholungsgleis 52, 53, 55 Überlagerung der Abhebungen 270 Überlassungspflicht 837 Überschüttung – der Moorfläche 153 – zeitweilige 169, 193, 195 Überschüttungsverfahren 146 – zeitweilige 169, 193 Überträger von Vibrationswirkungen 157 Übertragungstechnik 738 Überwachung 165, 196, 208, 211, 212, 554 – der technischen Sicherungsanlagen 345 – permanente 193 Überwachungsart – Bed 345 – für Schienen 345 – Hp 345 – ÜS 345 – Wahl der 345 Überwachungsmessung 135 Überwachungsplan 759 Überwachungsprojekt 176 Überwachungssystem 90, 169, 174, 176, 710, 745 – funktionstüchtiges 147 UiG 202 Umbauten 856 Umgang 754 – mit Altschotter 834 – mit Ionisationsrauchmeldern 767 – mit Isotopensonden 767 Umgebungsbedingung 539 Umgestaltung des Kreuzungsbereichs 351 Umrüstung 854, 866 Umschlagen 754 Umschlagplatz 756 Umschließen eines Grundbruchs 154 Umsetzen der Anforderungen 763 Umwelt 854, 858, 861 Umweltaspekt 742 Umweltauswirkungen 744 Umweltbericht 822
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Sachverzeichnis
Umweltbetriebsprüfung 746 Umweltkennzahlensystem 745 Umweltmanagement 741 Umweltpolitik 742 Umweltprüfung 746 – strategische 821 Umweltschutz 750 Umweltverträglichkeitsprüfung 823 Umweltverträglichkeitsstudie 823, 824 Unabhängigkeitsforderung 685 Unfallursache 649, 690 Unfallverhütung 52, 53 – im Gleisbereich 60 Unfallverhütungsvorschriften 55, 61 UN-Nummer 844 Unrundheit 254, 266 – der Räder 254 Unstetigkeitsstelle 901 Unterbau 219 Unterbauqualität 890 Unterbausanierung 890 Unterbausituation 884 Unterbausteifigkeit 224 Unterbauszustand 884 Unterbeton mit der Zulässigkeit von Rissbildungen 213 Unterdruck 140 Unterführungsbau 57 Untergrund 293 – starrer 201 Untergrundrelief eines Moorfeldes 161 Unterhaltung am Gleis 164, 194 Unternehmensinterne Genehmigung (UiG) 202 Unternehmerpflicht 746 Unterschottermatte 807 Unterspülung 132, 137 Untersuchung, chemische 765 Unwetterschaden 132 Ursachenanalyse 677
V Validierung 684, 746 Veranlasser 869–871 Verbau – bildet Tunnelwand 246 – in Tunnelwand integriert 246 Verbesserung des Schwingverhaltens 188 Verbinder 454, 533 Verbindung 533 Verbindungsschweißverfahren 318, 533 Verbundbrücke 229
Verbundfertigteilbauweise 230 Verdichterplatten 101 Verdichtungsgerät 101, 102 Verdichtungskontrolle, flächendeckende dynamische 121 Verdrängung 206 Verdrängungsschüttung 158, 169, 171 Verdrängungsverfahren 146, 206 Verdrehung des Dammes 169 Verdrehwiderstand 296, 297 Verdrehwinkel 271, 273 – der Schiene 270 Verdrillung 193 – der Gleise 174 Verdunstung 138 Verfahren – chemisches 812 – gleisungebundenes 820 – nicht chemisches 813 – semi-quantitatives 675 Verfahrensablauf 867, 868 Verfilzung von Torfschichten 201 Verflüssigung 180, 182, 206 – organischer Schichten 189 Verflüssigungsgefahr 212 Verformung 158, 207, 208 – analoge 193 – elastische 110, 163, 168, 202 – plastische 106, 110 Verformungsmodul 257, 295 Verformungswelle 168 Verfüllmaterial 171 Verfüllung des Hüllrohres 189 – der Widerlager 102 Verfüllvorgang 176 Vergleichsradius 18 Vergleichsspannung 281 Verhalten – flüssigkeitsähnliches 191 – stoffliches 161 Verhinderung der Auflockerungserscheinungen 144 Verifikation 684 Verkehrsbelastung 884, 894 Verkehrslärmschutzverordnung 785 Verkehrslast auf Gleisen 253 Verkehrssicherheit von (Baum)Bewuchs 813 Verkehrsweg 60–63 – für Personen 60–62 Verkehrszählung 351 Verkippung 198
Sachverzeichnis Verlängerungsfaktor des Wellenlaufes 369 Verlegung 524, 542 Verockerung 142 Verockerungsprodukt 143 Verpackung 841 Versagen, materialtechnisches 124 Verschiebung 43, 131, 202, 285 – der Bahnachse 158 – des Gleises 50 – des Stromabnehmers 46 – horizontale 106, 158, 161, 176 – horizontale, des Schienenfußes quer zur Gleisachse 270 – vertikale 202 – zufallsbedingte 43, 51 Verschlechterungsrate 877, 906 Verschleiß 378 Verschleißerscheinungen 876 Verschleißreserve 899 Verschub 565 Verschubhalttafel 583 Verspanntemperatur 291 Versuchsfahrt 854, 855, 858, 866, 868–871 Vertikallast – charakteristische Werte 253 – dynamische Einwirkungen 254 – statische Anteile 253 Vertikalspannung – in Schotter 293 – in Schutzschicht 293 – in Untergrund 293 Verträglichkeit, elektromagnetische 770 Verwaltungsvorschrift 855 Verwindung 219 Verwindungsfehler 901 Verwitterung 80 VFT-Bauweise 230 Vibration 304 – für Rammvorgänge 148 Vibrationssystem 212 Vibrationstechnik 147, 209 Vibrationsverfahren 189 Vibrationsvorgang, Verflüssigung auslösender 206 Vibrationswirkung 157 Vibrator 182, 189 Videotechnik 720 Vogelschutzrichtlinie 827 Vollaushub 169, 171 Vollplatte 227 Vollwandträger 228
Vorbelastung 801 Vorblock 630 Vorerhebung 835 Vorflut 133 Vor-Kopf-Schüttung 153 Vorrang des Schienenverkehrs 339 Vorschriften – des Arbeitsschutzes 53 – für die Unfallverhütung im Gleisbereich Vorschubkasten 169, 175, 179 Vorsignalisierung 627 Vorsignalwiederholer 637 Vorwarnung 578 VwV Abnahme 855, 856, 857
W Wabenplatte 138 Wahldurchrutschweg 624 Walzlänge 315, 316 Walzträger in Beton „WIB“ 229 Walzzeichen 316 Wankzuschlag 7 Warnanlage 592 Wartungsarbeit 753 Wartungsbuch 752 Wasseraustritt, quellenähnlicher 107 Wasserdruckhöhe 132 Wassergefährdungsklasse 754 Wassergehalt 138, 150 Wasserhaltung, offene 172 Wasserschutzgebiet 813 Wasserspiegelabsenkung 171 Wechselsprechanlage 707 Weibull-Verteilung 660 Weichen 336, 610, 611, 882 – an Laderampen 22 – an Personenbahnsteigen 22 – -anfang 304 – -anschluss 29, 29 – -antrieb 612 – Außenbogenweiche 26 – bei Abzweigungen von Strecken 27 – -dichte 890 – Doppel- 23 – einfache 22 – elektrisch ortsbediente (EOW) 612 – Geometrie der 23 – -heizanlage 483 – -heizungssteuerung 491 – in Bogenlage 27 – in Übergangsbögen 26
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Sachverzeichnis
– Innenbogen- 26 – Klothoiden- 27 – Kreuzungs- 22, 29 – lückenlose 333 – -neulage 898 – -riegel 612 – -schloss 613 – -signal 583 – Wahl und Anordnung 22 Weichenbereich 37 – anschließender 577 Weite – lichte 57 – lichte, unter Überführungsbauten 57 Werkstoffkennwert von Schienenprofilen 273 Werkverbindungsschweißung 333 Wetterseite 126 Why-Because-Graph – Prüfkriterium 692 – Symbole 691 Widerlager 102 Widerstand 542 Widerstandsfähigkeit 755 Widerstandsmodell 658 Wiederholungssignal 637 Wiesenkalk 148, 201 Windenergie 470 Windlast 409 Windmeldeanlage 720 Windschutzwand 63 Wippe 447 Wippenprofil 448 Wirbelstrombremse 304 Wirkung – dynamische 263 – statische 196 Wirtschaftlichkeitsrechnung – dynamische 877 – statische 877 Wölbkrafttorsion 271, 273
Z Zahlungsstrom 877 Zeitreihe 903 Zeit-Setzungslinie am Reibungsfuß 178 Zementsäule 202 Zentralblock 633 Zertifikat 854, 867–869 Zertifizierungsorganisation 746, 858 Zielgleis 618 Zinssatz, kalkulatorischer 897
Zufahrt zum Bahnübergang 356 Zuflaufverfolgung 633 Zugangsbedingungen 863, 865 Zugangsvoraussetzungen 854, 866 Zugartstellung 642 Zugbeeinflussung 639 Zugfestigkeit 281 Zugfunk – analoger 721 – digitaler 726 – vereinfachter VZF95 726 Zuggeschwindigkeit 193 Zugkraft 550, 551 Zugleitbetrieb 561 Zugleiter 564 Zuglenkung 633 – mit Lenkplan 634 – mit Lenkziffer 634 Zugnummernmeldeanlage 633 Zugsammelschiene 606 Zugschlussbeobachtung und Feststellung 721 Zugstraße 617 Zulässigkeit von Rissbildung 213 Zulassung, ausländische 857 Zungenprüfer 612 Zungensperre 613 Zuordnungsklassen 836 – Z 0 836 – Z 1 836 – Z 2 836 – Z 3 837 – Z 4 837 – Z 5 837 Zustand – fließähnlicher 208 – überwachter 158 – visko-plastischer 175 Zustandsanalyse, integrierte 949 Zustandsprognose 954 Zustimmung im Einzelfall (ZiE) 182, 202 Zuverlässigkeitsstufe 655 Zweiggleis 23 Zweitlage 898 Zweiwegefahrzeug 813 Zwieschutzweiche 620 – echte 620 – Eigen- 620 Zwischenbogen 20 Zwischengerade 20 Zwischenlagenwechsel 893 Zwischenweg 52–55, 60