WISSENSCHAFTLICHE KOMMENTARE ZU GRIECHISCHEN UNrl LATEINISCHEN SCHRIFTSTELLERN
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PUBLIUS AELIUS ARISTIDES I
HEILIGE BERICHTE Einleitung;, deutsche Übersetzung und Kommentar von
HEINRICH OTTO SCHRÖDER Vorwort von Hildebrecht Hommel
HEIDELBERG 1986 CARL WINTER· UNIVERSITÄTSVERLAG
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft \ der VG Wort
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Schröder, Heinrich Olto:
Publius Aelius Aristides, Heilige Berichte: Ein!., dt. Übers. u. Kommentar I von Heinrich Otto Schröder. Vorw. von Hildebrecht Homme!. - Heidelberg: Winter, 1986. (Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern) ISBN 3-533-03697-9 kart. ISBN 3-533-03698-7 Gewebe NE: Aristides, Aelius: Heilige Berichte
ISBN 3-533-03697-9 kart. ISBN 3-533-03698-7 Ln. Alle Rechte vorbehalten. © 1986. Carl Winter Universitätsverlag, gegr. 1822, GmbH., Heidelberg Photomechanische Wiedergabe nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Verlag Imprime en Allemagne. Printed in Germany Photosatz und Druck: Carl Winter Universitätsverlag, Abteilung Druckerei, Heidelberg
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort .. Einleitung: Persönlichkeit und Leben des Aristides Die Krankheiten des Aristides . Die Religiosität des Aristides Die Hieroi Logoi: a) Abfassungszeit und Inhalt b) Literarische und sprachliche Form Ziel und Anlage dieser Ausgabe . . . Inhaltsübersicht über die Bücher der Hieroi Logoi Verzeichnis der in abgekürzter Form zitierten Literatur .
7-8 9-10 11-12 12-13 13 14-15 15 16 17
Heilige Berichte (Übersetzung und Kommentar): Buch I . Buch II . Buch III Buch IV Buch V . Buch VI
19-40 41-63 64-80 81-122 123-142 143-144
Index ..
145-150
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VORWORT
von Hildebrecht Hommel
Otto Weinreich, der mehr als ein Menschenalter hindurch den Lehrstuhl für Klassische Philologie mit dem Schwerpunkt Latein an der Universität Tübingen innehatte, war durch seine religionsgeschichtlichen Studien schon in jungen Jahren - vor dem ersten Weltkrieg - auf die in vielfacher Hinsicht merkwürdige Gestalt des griechischen Sophisten und Rhetors der römischen Kaiserzeit Aelius Aristides gestoßen, dessen autobiographische Krankheitsgeschichte, ein Loblied auf den Heilgott Asklepios, ihn vor allem anzog. Da es damals noch keine Übersetzung dieser eigenartigen Bekenntnisschrift in eine moderne Sprache gab, regte Weinreich zu Beginn der dreißiger Jahre den im Ruhestand lebenden namhaften Gräzisten Constantin Ritter in Tübingen an, sich der Aufgabe einer deutschen Übertragung der 'Heiligen Berichte' des Aristides zu unterziehen. Der Gymnasialprofessor a. D. und Honorarprofessor an der Universität, der vor allem als Platonforscher hervorgetreten war und durch sein zweibändiges diesem Philosophen gewidmetes Werk heute noch lebendig ist, machte sich an die Arbeit, die im Frühjahr 1936, als Ritter plötzlich starb, unmittelbar vor dem Erscheinen stand. Übersetzung und Anmerkungen waren bereits gesetzt, lediglich die Einleitung war noch nicht vollendet. Da dem Veranlasser Weinreich wegen der mangelnden Kompetenz Ritters speziell für die auch medizinhistorische Kenntnisse erfordernde Seite des Unternehmens nachträglich Bedenken kamen, blieb der Torso liegen, bis 1978, sechs Jahre nach Weinreichs Tod, die Tochter Ritters, Frau Dr. med. Hilde Noltenius, auf den Faszikel der Korrekturfahnen stieß und ihn mir übergab. Mein Kollege Günther Wille, der den wissenschaftlichen Nachlaß Weinreichs verwaltete, konnte zur Aufklärung der Geschichte des ganzen Vorhabens wesentlich beitragen. Wir kamen nach reiflicher Überlegung zu dem Schluß, daß die so weit gediehene Aufgabe doch noch zu Ende geführt werden sollte. Dies um so mehr, als bis dahin immer noch keine deutsche Übersetzung der für viele Wissenschaftszweige wichtigen Schrift erschienen war. Nach langer in viele Richtungen gehender Umschau gelang es mir schließlich im Jahr 1980 meinen früheren Gießener Assistenten, den nunmehrigen Oberstudiendirektor i. R. und Honorarprofessor an der Universität Köln, Heinrich Otto Schröder, für die Aufgabe zu gewinnen. Er war dazu als vortreillich geschulter Klassischer Philologe und als ausgewiesener Spezialist für die Geschichte der antiken Medizin in besonderem Maß prädestiniert. Schröder wird des Dankes einer breiten an der Schrift interessierten Öffentlichkeit sicher sein dürfen, dafür daß er die Sache in fast dreijähriger Arbeit zu gutem Ende
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Vorwort
geführt hat. Günther Wille hat dankenswerterweise das Ganze noch einmal einer kritischen Durchsicht unterzogen, was freilich nur geringe Verbesserungen notwendig machte. Wenn auch anfangs geplant war, die Rittersehe Vorarbeit lediglich einer Revision zu unterziehen und seine Einleitung zu Ende zu führen, so zeigte sich doch alsbald, daß angesichts der inzwischen angewachsenen internationalen Forschung zur Schrift des Aristides ein völliger Neuansatz geboten war. Dieser erfolgte in ständigem Blick auf Ritters Bemühungen und mit gelegentlicher Benützung seiner Anmerkungen, worüberjeweils genaue Rechenschaft gegeben wird. Wenn nun also das Ganze billigerweise nicht anders als unter Schröders Namen und Verantwortung an die Öffentlichkeit treten darf, so bleibt doch den beiden unvergessenen Vertretern der Klassischen Philologie in Tübingen, atto Weinreich und Constantin Ritter, das Verdienst der Veranlassung und Förderung des eine Lücke der Forschung ausfüllenden Unternehmens. 'Habent sua fata libelli!' 7. 10. 1983
H.H.
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EINLEITUNG
Persönlichkeit und Leben des Aristides
Publius Aelius Aristides Theodoros - so sein voller Name - wurde geboren am 26. November 117 nC. in Hadrianoi in Mysien, im Nordwesten von Kleinasien. Sein Vater Eudaimon war Priester eines Zeustempels am mysischen Berg Olympos. Als der große Philhellene Kaiser Publius Aelius Hadrianus im Jahre . 123 nC. auf einer Reise durch Mysien die Provinz neu ordnete und drei Plätzen Hadrianoi, Hadrianutherai und Hadrianeia - seinen Namen und die Stadtrechte verlieh, erhielten wohl auch Eudaimon und sein Sohn das römische Bürgerrecht, und dieser nahm nach damaliger Sitte Pränomen und nomen gentile seines kaiserlichen Gönners an. Den Beinamen Theodoros glaubte er später von seinem Schutzgott, dem Heiland Asklepios, in Pergamon erhalten zu haben. Daß wir sogar den Geburtstag des Aristides kennen, verdanken wir sorgfältigen und mühevollen Berechnungen nach seinem von ihm selbst angegebenen Horoskop in dieser vorliegenden großen Autobiographie. Wer war nun dieser P. Aelius Aristides? Ein Großer seiner Zeit, geschätzt von den römischen Kaisern, den Statthaltern der römischen Provinz Asia und den berühmten kleinasiatischen Weltstädten der damaligen Zeit wie Smyrna, Ephesos und Pergamon. Er pflegte schon zu seinen Lebzeiten den Dialog mit der Nachwelt und war von seinem Nachruhm fest überzeugt. Diesen zollten ihm die folgenden Jahrhunderte, besonders auch während der byzantinischen Zeit, in vollem Maße, bis zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts sein Stern zu erbleichen begann und die ungünstigen, z. T. überheblichen Urteile moderner Philologen sich zu häufen begannen. Es hängt dies zusammen mit der veränderten Einstellung zu der seit Philo- . stratos so genannten 'Zweiten Sophistik', jenem 'Herbstflor antiker Beredsamkeit', einer puristischen Stilrichtung, die im zweiten Jahrhundert der römischen Kaiserzeit einen besonders hohen Aufschwung erlebte. Als bewußte Gegenströmung zu der Stilrichtung eines schwülstigen 'Asianismus' war der 'Attizismus' eine klassizistische Bewegung, die sich eng an die attischen Stilm\.lster vor allem des 4. Jahrhunderts vC. anlehnte, und zwar besonders an die großen Redner wie Demosthenes. Der seit Platon in Verruf gekommene Name 'Sophist' war wieder Ehrenname ftir die klassisch gebildeten Literaten geworden, die vielfach in den öffentlichen Hochschulen staatlich besoldete Lehrstühle innehatten. Meist bekleideten sie in ihren Heimatstädten hohe Ehrenämter, reisten zu öffentlichen Vorträgen von Stadt zu Stadt und erlebten Beifallsstürme, die ihr schon vorhandenes, nicht geringes Selbstbewußtsein und ihre Eitelkeit ins ungemessene stei-
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Einleitung
gerten. Man hat sie deshalb zu Recht mit den Humanisten der Städte und Fürstenhöfe der Renaissance verglichen. Unter ihnen nimmt Aristides unbestritten eine Spitzenstellung ein, aber zugleich hebt er sich von ihnen deutlich und in charakteristischer Weise ab. Wie sehr er sich über seine Zunftgenossen erhaben fühlte, zeigt schon die Tatsache, daß er den Titel 'Sophist' meist in abschätziger Weise auf seine Gegner anwendet, während er sich selbst als einen Eingeweihten in die heilige Mysterienreligion der Rhetorik betrachtet, der fast stets nach sorgfältiger Vorbereitung seine kunstvollen Reden vor einem sachverständigen und urteilsfähigen Publikum vortrage. Er habe sich "seines Wissens als einziger von den Hellenen nicht um des Reichtums, des Ansehens, der Ehre, Heirat, Machtausübung oder eines sonstigen Erwerbs willen der Redekunst gewidmet, sondern als ihr wahrer und reiner Liebhaber habe er durch seine Reden die ihm gebührenden Ehren erhalten ... Für ihn bedeute die Redekunst schlechthin alles, er habe sie zu seinen Kindern und Eltern gemacht, zu seinem Werk und seiner Erholung ... sie sei sein Spiel und sein Ernst, seine Freude und seine Liebe, ihr mache er wie einer Dame den Hof'. Diese Worte aus einer Verteidigungsrede (33,19 f. Keil) sind für Aristides in mehrfacher Hinsicht charakteristisch. Zunächst wußte er sich frei von Gewinnstreben. Deshalb lehnte er es auch ab, Schüler um sich zu sammeln. Dann besaß er keinerlei politischen Ehrgeiz. Deshalb wehrte er sich mit äußerster Anstrengung gegen alle ihm angetragenen Ehrenämter, scheute nicht davor zurück, in immer erneuten Eingaben an die römischen Statthalter um Befreiung davon zu bitten, und wußte dabei auch einflußreiche Freunde und sogar die Kaiser selber einzuschalten. Schließlich hatte er anscheinend weder Frau noch Kinder, und eine besondere Zuneigung zu seinen Eltern ist nicht erkennbar. Seinen Vater erwähnt er zwar mehrfach, aber nur in seiner Eigenschaft als Priester des heimischen Zeustempels, seine Mutter nur einmal, wie sie ihn bejammerte, als er in einer schweren Krankheit schon dem Tode nahe schien. Um so enger war sein Verhältnis zu seinen Erziehern, unter denen ihm Zosimos später sein engster Vertrauter wurde, dessen Tod ihn in eine tiefe Krise stürzte, und zu seiner Amme und deren Kindern, die mit ihm zusammen aufwuchsen, ja sogar durch ihren stellvertretenden Tod, wie er glaubte, sein Leben um Jahre verlängerten. Aristides gehörte zu den Wohlhabenden, wenn nicht sogar zu den Reichen. Sein Vater besaß in Mysien mehrere Landgüter und hatte enge Beziehungen zur Stadt Kyzikos am Marmarameer. Ihm war mit seinem Sohn das Bürgerrecht von Smyrna verliehen worden, und Aristides besaß dort und in der Vorstadt von Smyrna ein Haus. Der Vater war auch in der Lage, seinem Sohn eine vorzügliche Ausbildung zuteil werden zu lassen. Nach dem Tode des Vaters erwarben Freunde des Aristides für ihn das Landgut Laneion, knapp 12 km nördlich von Hadrianutherai, während er selbst auf einer einjährigen Studienreise in Ägypten weilte. Dieses Landgut war später sein Lieblingssitz, wohin er sich oft zurückzog und wo er auch seine letzten Lebensjahre verbrachte. Dort starb er vermutlich um das Jahr 181 nC.
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Die Krankheiten des Aristides Sein Biograph Philostratos sagt, Aristides sei schon von früher Jugend an kränklich gewesen (Vitae Sophistarum II 9). Diese Angabe bestätigt Aristides selbst, wenn er von seiner Erkrankung während der Ägyptenreise berichtet (36,49.91 Keil). Im Winter 144 begann Aristides seine Romreise, die für ihn die große Karriere eröffnen sollte. Sie wurde auch zur großen Wende in seinem Leben, wenn auch in nicht geahnter Weise. Noch in der Heimat hatte er sich eine schwere Erkältung zugezogen. Durch die Strapazen der Reise steigerten sich die Beschwerden immer mehr und zwangen ihn unterwegs zu mehreren Aufenthalten. In Rom kam die Krankheit rasch zu vollem Ausbruch. Die Ärzte mußten bald die Heimreise anordnen, die infolge der Schwäche des Patienten nur zu Schiff erfolgen konnte. Bei einem Aufenthalt an den Warmen Quellen in der Nähe von Smyrna erreichte den Aristides in einer Traumweisung der Ruf des Asklepios nach Pergamon, und er siedelte im Sommer des Jahres 145 dorthin über, wo er dann über lange Jahre als Patient im Asklepieion nach den Vorschriften des Heilgottes, seines Heilandes, lebte - übrigens keineswegs vereinsamt, sondern umgeben von einer großen Zahl bedeutender Männer, die gleich ihm zu den 'Verehrern' des Asklepios gehörten. Natürlich gab es längere Perioden, in denen er glaubte, ganz geheilt zu sein, und Pergamon für einige Zeit verließ, aber immer wieder gab es Rückschläge und neue Erkrankungen, die ihn zwangen, in das Asklepieion von Pergamon zurückzukehren. Von dem baulichen Zustand dieses damals in höchster Blüte stehenden Kurortes und von dem kultischen und medizinischen Betrieb hat uns Aristides die wertvollsten Nachrichten hinterlassen. Die Beschreibung der vielen Krankheiten, die den Aristides befielen, und die eindringliche Schilderung ihrer Symptome durchziehen vor allem die ersten Bücher der Hieroi Logoi. Hier sollen nur die mehr oder minder sicher diagnostizierten Krankheiten genannt werden: Malaria (Herbst 147) Schwindsucht (Okt. 147 nC.), Wassersucht (Okt. 147 - Jan. 148), Opisthotonus (Febr. 148), Pocken (165 nC.). Die Fülle der von Aristides geschilderten Krankheitssymptome ist von Behr in zeitlicher Ordnung genau aufgelistet (s. u.; S. 165-68). Die Unterscheidung zwischen organischen Leiden und funktionellen Störungen war weder dem Aristides noch seiner Zeit hinreichend bekannt. Wer aber die Krankheitsschilderungen mit ihren plötzlichen Umschwüngen von tiefster Depression zu körperlich-geistigen Zuständen einer frohen Hochgestimmtheit bedenkt, dem kann der stark neurotische Einschlag im Wesen dieses Mannes nicht verborgen bleiben. Er wird andererseits aber auch der Willenskraft und Standhaftigkeit des Aristides seine Anerkennung nicht versagen, der in geradezu verzweifelten Lagen durch unzählige Klistiere, (diätetisches) Erbrechen, Aderlässe, Fastenkuren, Bäder im Winter in eiskalten Flüssen oder Meeresbuchten trotz hohen Fiebers und ähnliche 'paradoxe' Kuren ohne Ende seine Gesundheit fast mehr aufs Spiel setzte als bewahrte. Diesen buchstabengetreuen
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Einleitung
Gehorsam leistete er den Traumweisungen des Asklepios, dem er sich in wachsender Zuversicht und bis zu mystischer Inbrunst gesteigerter Hingabe anvertraute. Neben dieser 'Tempelmedizin' mit Inkubation und Wunderbetrieb gab es in Pergamon auch eine anerkannte Ärzteschule. Aus ihr seien hier nur genannt der Hippokratiker Stratonikos, der Empiriker Aischrion, der Anatom Satyros und sein berühmtester Schüler Galen. Satyros behandelte den Aristides als Patienten, und von Galen besitzen wir eine wertvolle Diagnose über den berühmten Redner (Schröder, Corpus Medicorum Graecorum Suppl. I, Lpz. 1934, S. 33, 83ff.; s. hier: III 11 u. Anm. 16). Aber Aristides zeigte große Zurückhaltung gegenüber der wissenschaftlichen Medizin und bevorzugte Ärzte, die, wie er selbst, sich dem Gott als dem 'wahren Arzt' (I 57) widerspruchslos fUgten.
Die Religiosität des Aristides Aus der Fülle der Abhandlungen über dieses Thema seien zwei hervorgehoben: die Antrittsvorlesung von O. Weinreich, Typisches und Individuelles in der Religiosität des Ai!. Aristeides, NJbb 33, 1914,597-602, und C. A. Behr (s. u.), Chapter VI Eclectic Polytheism, 148-61. Hier müssen einige Hinweise genügen. Ein nicht geringer Teil der literarischen Hinterlassenschaft des Aristides besteht aus Götterreden (als Prosahymnen), mit denen sich Aristides gut in die Gesamttendenz des 2. Jhs. nC. einfUgt. Auch die Hieroi Logoi sind voll von Götteranrufungen und Bruchstücken von Hymnen und Päanen. Darin erscheinen fast alle Götter und Göttinnen des griechischen Pantheons, an ihrer Spitze Zeus, der "Schöpfer und Urheber des Alls und Vater aller Dinge" (43,6ff. Keil). Solche Worte werden vielfach als echtes Bekenntnis zu dem sog. heidnischen 'Monotheismus' angesehen, der bei den Gebildeten der damaligen Zeit allgemein verbreitet war und durch die philosophischen Bemühungen der Platoniker und Stoiker unterstützt wurde. Freilich spaltet sich dieser Monotheismus doch wieder in eine Vielzahl von Göttern auf, die, wenn die Reihe an sie kommt, ihrerseits die Prädikate des Allgottes erhalten, die im Grunde nur dem Göttervater zustehen. Dies gilt besonders fUr Sarapis und Asklepios. Seit seinem Ägyptenaufenthalt und der Rettung aus Seenot auf der Heimreise, die er dem Sarapis zuschrieb, hatte Aristides ein enges Verhältnis zu diesem 'Heiland', der nur allmählich vor dem übermächtig werdenden Asklepios zurücktrat. So feiert Aristides in seinen Lobreden aufSarapis und Asklepios auch diese beidenje als Allgott. Dabei sollte man aber folgendes nicht vergessen: einmal war keiner der Götter der Antike ein 'eifersüchtiger Gott', der keine fremden Götter neben sich geduldet hätte, und dann werden jene drei Götter auch bei Aristides oft synkretistisch zu 'einem' Gott verschmolzen, dem 'Einen Zeus-Sarapis' (111 48 Anm. 94), zum 'Zeus Asklepios' (I 45 Anm. 89) und zum einen Asklepios-Sarapis (III 46 Anm. 84).
Die Religiosität des Aristides
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In den Hieroi Logoi steht Asklepios eindeutig im Mittelpunkt. Ihm glaubte Aristides nicht nur seine vielfachen Heilungen aus schwersten Krankheiten zu verdanken, in ihm sah er auch den unermüdlichen Förderer seiner rednerischen Bemühungen und Erfolge, in ihm sah er schließlich den "Einen und Einzigen", der sich ihm in persönlichem Verkehr und Zuspruch als sein Schutzpatron offenbarte (IV 50). Von ihm glaubte er den Beinamen 'Theodoros' deshalb erhalten zu haben, weil "eben alles, was er sei und habe, ein Geschenk des Gottes sei" (IV 53.70). Die Hieroi Logoi a) Abfassungszeit und Inhalt Während des Winters 170/1 nC. begann Aristides auf seinem Landgut Laneion mit der Niederschrift des ersten Buches der Heiligen Berichte. Nach einer kürzeren Pause fuhr er dann mit der Abfassung der Bücher 2-6 fort, bei denen er sich weitgehend aufsein Tagebuch stützte, in welchem er auf Weisung des Asklepios fast von Anfang an die ihm zuteil gewordenen Träume aufgezeichnet hatte. Die Niederschrift erreichte nicht weniger als dreihunderttausend Zeilen, geriet aber später in Unordnung und ging auch teilweise schon zu seinen Lebzeiten verloren. Nach seinen eigenen Worten (II 8) enthielten diese Traumberichte "Heilmittel jeglicher Art, einige Unterredungen, umfangreiche Reden, allerlei Erscheinungen und Prophezeiungenjeder Art über die verschiedensten Gegenstände, teils in prosaischer, teils in metrischer Fassung". Daß das 6. Buch der Heiligen Berichte nur ein kurzes Fragment ist und mitten im Satz abbricht, hat der große Polyhistor aus dem 14. Jh. nC. Nikephoros Gregoras damit erklärt, daß der Tod dem Aristides die Feder aus der Hand genommen habe. Wahrscheinlicher ist dagegen, daß der fragmentarische Zustand - ebenso wie der der letzten Rede 'Auf das Wasser in Pergamon' (Nr. 53 Keil) - auf einen mechanischen Verlust im Archetypus der Handschriften zurückzuführen ist. Man hat sich manchmal über die Genauigkeit der Traumaufzeichnungen gewundert und ihre Zuverlässigkeit bezweifelt, dabei aber weniger bedacht, wie sehr die Erwartung derer, die sich in den Inkubationsräumen der Tempel zum Schlaf niederlegten, auf das Eintreten der Heilträume gerichtet war und wie die Kenntnis allgemein üblicher Heilmittel und Diätanweisungen in der damaligen Zeit zum Allgemeinwissen gehörte. Aber trotz dieser Gedächtnisstützen: die Sprunghaftigkeit der Darstellung, das assoziative Verbinden ähnlicher Erscheinungen unbekümmert um deren zeitlichen Ablauf, die eingestandene Ratlosigkeit über eine einzuhaltende Ordnung (II 24), das alles gibt dem Ganzen ein kaleidoskopartiges Aussehen, so daß die Klagen der Gelehrten über die Schwierigkeit,ja fast Unmöglichkeit einer zeitlichen Fixierung der geschilderten Begebenheiten wohl verständlich sind. Bisher hat fast jeder Aristidesforscher mit Fleiß und Scharfsinn eine eigene Datierung vorgelegt. Ich habe mich - in Übereinstimmung mit F. W. Lenz (Gnomon 42, 1970, S. 244ff.) - meist auf die jüngste von C. A. Behr gestützt (zu ihr mehr weiter unten).
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Einleitung
b) Literarische und sprachliche Form Die Aufzeichnungen, die Aristides auf Geheiß des Asklepios VOn seinen Träumen machte, nannte der Gott selbst 'Hieroi Logoi' (11 9) und gab ihnen damit einen Titel, der in der Spätantike sehr häufig anzutreffen ist. Man hat diese Überschrift bisher fast immer als 'Heilige Reden' übersetzt und die sechs Bücher überall so zitiert, wohl in Angleichung an die vielen sonstigen 'Reden' des Aristides, obwohl es sich doch eindeutig nicht um Reden, sondern um erzählende Berichte handelt. Den Zusatz 'Heilige' tragen sie, weil in ihnen von den Offenbarungen und Traumweisungen des Gottes Asklepios berichtet wird. Bei seiner Niederschrift nahm sich Aristides offensichtlich die Aufzeichnungen zum Vorbild, die, von Priestern in den Asklepiosheiligtümern redigiert, uns aus den 'Wunderheilungen von Epidauros' bekannt sind. Sie erklären wohl zunächst die bunte Mischung der Offenbarungen und Gnadenerweise und die gesuchte 'Schlichtheit' (apheleia) der Darstellung, die allerdings an vielen Stellen die klassizistische Rhetorik nicht verbergen kann. Es finden sich hier zwar nicht die lang hinrollenden Perioden nach Art des Demosthenes, aber die durch lange Übung in der Rednerschule erworbene Fähigkeit, bald in der Art Platons zu schreiben, bald in der des Demosthenes, bald in der des Thukydides, ist auch hier überall zu spüren. So erscheinen die drei genannten Attiker auch als Redemuster (IV 15.18f. V 58), und die sprachlichen Anlehnungen an Platon und Demosthenes sind kaum zu zählen. Daneben erscheinen auch öfters Anklänge an Xenophon und Herodot, Zitate aus Aristophanes und Pindar und vor allem aus Homer. Daß bei ihm die Odyssee gegenüber der Ilias weit überwiegt, mag damit zusammenhängen, daß Aristides sich dem 'viel gewandten' Odysseus nahe verwandt fühlte! und bei manchen Überlistungen des prophezeiten Schicksals sich dessen Schlauheit zum Vorbild nahm. Der Attizismus des Aristides verbot ihm, Worte zu verwenden, die nicht zu Zeiten eines Platon in Gebrauch waren, selbst wenn es sich um solche handelte, die als termini technici zur Bezeichnung neuer Ämter unter römischer Verwaltung fest eingebürgert waren. Der Rhetor half sich dann mit Umschreibungen, oder er verwendete Worte, die in früheren Jahrhunderten ähnliche oder vergleichbare Ämter bezeichnet hatten. Diese lexikalische Erstarrung und museale Stilpflege erinnert stark an die Zeiten des Renaissancehumanismus, als der 'Ciceronianismus' ein ebenso viel umkämpftes Thema war. Erasmus nennt ihn in seinem Dialog 'Ciceronianus' eine 'Zelodulia' (sklavische Nachahmungssucht). Wenn die sprachliche Ausdrucksfähigkeit des Aristides dadurch einigermaßen eingeschränkt erscheint, so zeigt er sich auf der anderen Seite aber auch fähig, souverän mit der überlieferten Sprache umzugehen und sie durch nur bei ihm belegte Neubildungen zu bereichern (z. B. II 31 Anm. 66; IV28 Anm. 72 usw.). Es war Ziel und Hoffnung des Aristides, wie er selbst öfters sagt, in der Nachwelt weiterzuleben. Dieses Ziel hat er über lange Jahrhunderte erreicht. Wenn in !
Dies gedenke ich demnächst in einem Aufsatz 'Das Odysseusbild des Aelius Aristides' im Rheinischen Museum näher darzulegen.
Ziel und Anlage dieser Ausgabe
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der letzten Zeit die Reserve gegenüber seinen großen Reden gewachsen ist, denen E. Norden "gesinnungstüchtige Langeweile" bescheinigt (Ant. Kunstprosa 401), so trifft dies, wie ich glaube, nicht auf die Hieroi Logoi zu. Der Leser wird, wie ich hoffe, bei der Lektüre der Autobiographie eines gewiß eitlen, aber doch achtenswerten Menschen neben reicher Belehrung auch Freude und vielleicht sogar etwas wie Zuneigung zu diesem Manne empfinden.
Ziel und Anlage dieser Ausgabe Von den Hieroi Logoi lag jahrhundertelang nur eine lateinische Übersetzung (mit Interpretation) des bedeutenden niederländischen Humanisten W. Carter vor, die im Jahre 1566 in Basel erschien. Vielleicht war das der Grund dafür, daß dieses Werk außerhalb enger Fachkreise nicht die Beachtung gefunden hat, die es seines Inhalts wegen verdient. Nun erschien im Jahre 1968 in Amsterdam das Buch "Aelius Aristides and the Sacred Tales" von C. A. Behr, das neben einer umfassenden Darstellung von Leben und Werk des Aristides auch eine wortgetreue Übersetzung der Hieroi Logoi ins Englische enthält. Ihr folgte i. J. 1981 (bei Brill in Leiden): P. Aelius Aristides, The complete works, Volume II, Orations XVII - LIII, translated into English by Charles A. Behr. Dieser Band enthält auf S. 278-353 eine revidierte Fassung der Übersetzung mit erläuternden 'Notes' (S. 425-45), die z. T. auf die ausführlichen Darlegungen in dem früheren Werk verweisen. Vor allem mit dem ersten dieser beiden Werke ist, wie die Kritik hervorhebt, ein großer Schritt nach vorne getan, indem Behr "mit guter Sachkenntnis und großer Sorgfalt" (w. Lenz in: Gnomon, 42, 1970, S. 250) auch die gesamte inzwischen erschienene umfangreiche Literatur eingearbeitet hat, die sich mit Aristides und der Erforschung der Verhältnisse in den griechischen Städten der römischen Provinz Kleinasien im 2. Jh. nC. befaßt hat. Wenn ich es nun unternehme, in Anlehnung an eine nicht veröffentlichte Übersetzung von Constantin Ritter (s. Vorwort von H. Hommel) eine deutsche Übersetzung mit ausführlicherem Kommentar vorzulegen, so seien einige grundsätzliche Bemerkungen vorausgeschickt. In den Anmerkungen zur Übersetzung sind - soweit nötig - Überlieferung, Konjekturen und abweichende Deutungen verzeichnet und die eigene Auffassung begründet. In den sachlichen Erläuterungen habe ich die vorliegenden Arbeiten dankbar benutzt und Abweichungen - unter Hinweis auf deren Autoren - vermerkt. Schließlich aber glaube ich, im Kommentar doch wesentlich mehr als Behr erklärt, ihn öfters berichtigt, vor allem aber an einer großen Anzahl von Stellen, die Behr übergangen hat, wichtige Ergänzungen geliefert zu haben. Wer beide Kommentare miteinander vergleicht, wird dies, denke ich, feststellen. Ich will hier nur als Beispiele auf Buch III Anm. 88ff. und Buch IV Anm. 140ff. verweisen. Solche Erweiterungen scheinen mir zur Rechtfertigung dieser Ausgabe wesentlich beizutragen.
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Einleitung
Inhaltsübersicht über die Bücher der Hieroi Logoi Buch I § 1 - 4 Vorwort § 5 - 60 Verschiedene Erkrankungen, Traumeriebnisse im Asklepieion von Pergamon und in Smyrna § 61 - 68 Hernie - Wassersucht § 69 - 77 Tod des Zosimos § 78 Heilung der Philumene Buch 11 § 1- 4 § 5 - 10 § 11 - 23 § 24 - 36 § 37 - 45 § 46 - 59 § 60 - 70 § 71 - 80 § 81 - 82
Vorwort Krankheitsbeginn - Eingreifen des Asklepios Erste von Asklepios verordnete Kuren Wunderbare Errettung aus Gefahren Die Pockenepidemie Fluß- und Seebäder Erste Reise nach Rom Bäder im Tempelbezirk Reise nach Ephesus
Buch III § 1- 6 § 7 - 14 § 15 - 20 § 21 - 37 § 38 - 43 § 44 - 46 § 47 - 50
Reise nach Alianoi Reise nach Lebedos: Schwindsucht und Heilung Opisthotonus Salben, Arzneimittel, Diätvorschriften Erdbeben in Westkleinasien Heilige Opfer Tod des Zosimos: Macht der ägyptischen Götter
Buch IV § 1 - 12 § 13 - 30 § 31 - 47 § 48 - 70
Reise zum Aisepos und Rückkehr Wiederaufnahme der Redeübungen Lyrische Dichtungen Traumbegegnungen mit großen Männern der Vergangenheit; Horoskop (59-60) § 71 -108 Siegreiche Kämpfe um Freistellung von Ehrenämtern Buch V § 1 - 10 § 11 - 17 § 18 § 19 - 25 § 26 - 41 § 42 - 55 § 56 - 66
Reise zum heimischen Zeustempel Erste Reise nach Kyzikos Rückkehr nach Pergamon Tod der Philumene und des Hermias an Stelle des Aristides Pergamon: rednerische Triumphe in Smyrna und Ephesus Zweite Reise nach Kyzikos und Rückkehr Im Traum in Athen
Buch VI § 1 - 3 Traumgeschichte künftiger Reisen
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Verzeichnis der in abgekürzter Form zitierten Literatur Altert. v. Perg.
Behr Behr (Übers.)
Edelstein I (Il) Festugiere
Herzog, Wunderheil. Herzog, Asklep. Hymn.
Herzog, Urkunden
Höfler, Sarapishymnus
Magie Norden, Agn. Theos
Norden, Ant. Kunstprosa
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Weinreich, Heilungswunder
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Deutsches Archäologisches Institut. Altertümer von Pergamon. Bd. 8, 3 Christian Habicht, Die Inschriften des Asklepieions. Berlin 1969. Bd. 11, lOskar Ziegenaus-Gioia de Luca, Das Asklepieion, Bin. 1968 Bd. 11,2 Oskar Ziegenaus-Gioia de Luca, Das Asklepieion, Bin. 1975 Bd. 11,3 Ziegenaus, Das Asklepieion, Bin. 1981. C. A. Behr, Aelius Aristides and the Sacred Tales, Amsterdam 1968. P. Aelius Aristides, The complete works. Volume II. Orations XVII - LIII. Translated into English by Charles A. Behr, Leiden 1981. Edelstein E. und L., Asc1epius, Bd. I Testimonies. Bd. II Interpretation, Baltimore 1945. A.-J. Festugiere, Sur les 'Discours sacres' d' Aelius Aristide, in: Revue des Etudes Grecques, LXXXII, 1969, S.I17-53. Rudolf Herzog, Die Wunderheilungen von Epidauros. Philologus, Supplementband 22, Heft 3, 1931. Rudolf Herzog, Ein Asklepios-Hymnus des Aristeides von Smyrna; Sitzungsber. Berliner Akademie, (Philol.histor. Klasse), Bd. 21, 1934, S. 753-70. Urkunden zur Hochschulpolitik der römischen Kaiser; Sitzungsber. Berliner Akademie, (Philol.-histor. Klasse), Bd. 22, 1935, S. 967-1019. Anton Höfler, Der Sarapishymnus des Ailios Aristeides, Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft, Heft 27, 1935. D. Magie, Roman Rule in Asia Minor. 2 Bde. Princeton 1950. Eduard Norden, Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede. Bin. 1912 (Nachdruck Darmstadt 1956). Eduard Norden, Die antike Kunstprosa vom VI. Jahrh. v. Chr. bis in die Zeit der Renaissance. Dritter Abdruck. 1. Bd. Lpz.-Bln. 1915.2. Bd. Lpz.-Bln. 1918. Realencyc10pädie der c1assischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung, begonnen von G. Wissowa, fortgeflihrt von W. Kroll u. K. Mittelhaus usw. Stuttgart 1. Reihe 1893ff. 2. Reihe 1914ff. Supplementbände 1903ff. Otto Weinreich, Antike Heilungswunder. Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten. 8. Heft 1, 1909.
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Heilige Berichte ERSTES BUCH Ich gedenke, meinen Bericht nach dem Muster der Helena bei Homer zu gestalten. Denn auch sie erklärt, sie wolle nicht aufzählen, "was so an Kämpfen bestanden der standhaft kluge Odysseus"', sondern wählt, denke ich, nur eine einzige Tat von ihm aus und berichtet sie dem Telemachos und Menelaos. So könnte auch ich nicht alle Krafterweise des Heilandes 2 erzählen, die ich an mir erfahren durfte bis zum heutigen Tage. Und dabei will ich auch nicht den homerischen Zusatz machen: "Auch wenn ich zehn Zungen und zehn Münder hätte"l, denn das ist zu wenig gesagt, sondern wenn meine Kraft und Stimme und Einsicht auch alles menschliche Maß überstiegen, könnte ich diesem Ziel nicht entfernt nahekommen. Vielmehr so oft mich auch schon meine Freunde gebeten oder ermahnt haben, davon zu berichten und zu schreiben, habe ich mich doch von keinem je dazu bestimmen lassen aus Scheu vor dem Unmöglichen. Denn das schien mir ein ähnliches Unterfangen zu sein, wie wenn ich , Od. 4, 241. Asklepios: sonst meist 'der Gott' genannt. Der Titel Soter wurde den meisten Gottheiten der Spätantike verliehen, am häufigsten allerdings dem Asklepios. - Zum Thema: 'Asclepios and Christ' s. Edelstein 11 6.132-38, bes. 133f. u. Dölger, Antike u. Christentum VI, 1950, 241-72, bes. 257ff. Il. 2,489. Hier, wie in der Rede aufSarapis (Nr. 45,16 K.) gebraucht Aristides mit dem Homerzitat "einen in der antiken Literatur längst eingebürgerten Topos" (Höfler, Sarapishymnus. S. 45). - Die Hornerstelle wird so auch wörtlich zitiert bei Ps. Aeschines epist, 10, 1. - "Für die rhetorisierenden römischen Dichter ist es charakteristisch, daß sie aus der Zehnzahl eine Hundertzahl machen" Norden, Verg. Aen. 6, 625. Diese Übertreibung "durch bloße Steigerung des Zahlworts" (Norden a. O. S. 281) beginnt bei Ennius, anno 56lf., setzt sich fort bei einern seiner Nachahmer, dem Dichter Hostius (Bell. Histr. 2 frg. 3 Morei), geht über zu Lukrez (6, 839f. Lachrn.) und den bekannten Vergilversen (Georg. 2, 43 u. Aen. 6, 625f.), erscheint wieder bei Ovid, Met. 8,533, wird von Persius 5, If. als Dichtermode verspottet (wiewohl er 5, 26 selbst diesen Wunsch ausspricht) und endet, soweit ich sehe, in der röm. Antike bei Claudian 1,55 u. 28,436. Bei Ovid, fast. 2,119, Valerius Flaccus 6, 40 u. Apul. met. 11,25 (im Gebet des Lucius an Isis) wird noch einmal mit zehn multipliziert, so daß es dann sogar 1000 Zungen sind. (Angaben von Stellen und ähnlichen Steigerungen bei Norden a. 0., Bömer, Die Fasten Bd. 11 S. 89f. u. Weinreich, A. f. R. W. 19, 1916-19, S. 172f., der auf den "humanistisch geschulten Kirchenlieddichter Joh. Mentzer" (1658-1734) hinweist: ,,0 daß ich ·tausend Zungen hätte und einen tausendfachen Mund", u. schließlich Weinreich, Antike Heilungswunder S. 199-201, wo weitere Beispiele, auch aus christlicher Literatur, angegeben sind. Vgl. a. H. Hommel in: Theologia Viatorum 1.1949, S. 129 Anm. 4. Abdruck und Nachträge dazu in H. H., Sebasmata 11, 1984.
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unter Wasser das ganze Meer durchquert hätte und dann gezwungen würde, Rechenschaft davon abzulegen, wievielen Strömungen ich im ganzen etwa begegnet sei', wie ich bei jeder einzelnen das Meer gefunden und was mir 3 Rettung gebracht habe. Denn jeder meiner Tage hat seine Geschichte und ebenso jede meiner Nächte, falls jemand, der dabei wars, entweder die Begebenheiten aufzeichnen oder die Fürsorge des Gottes schildern wollte, die dieser teils in persönlicher Erscheinung, teils durch Sendung von Traumbildern 6 bezeigte, soweit es mir wenigstens vergönnt war, Schlafzu finden. Doch das kam nur selten 4 vor in den Brandungen meines körperlichen Befindens. Das bedenkend war ich zu dem Entschluß gekommen, wirklich wie einem Arzt mich dem Gott zu überlassen und schweigend zu tun, was er wolle. Jetzt also will ich euch darlegen, wie es mit meinem Unterleib stand. Ich will über alle Einzelheiten Rechenschaft ablegen Tag um Tag7 • Wir hatten den Monat Posideon8, ihr wißt, in wie strengem 5 Winter. Während der Nächte litt ich an Magenschmerzen und übermäßiger Schlaflosigkeit, so daß ich nicht den kleinsten Bissen verdauen konnte. Schuld daran war nicht zum wenigsten das fortdauernde Sturmwetter, das, wie es hieß, auch nicht ein einziger Dachziegel heil überstand. Auch stand mir der Schweiß 6 (auf der Haut) diese ganze Zeit über, außer wenn ich im Bad war. Am 12. des Monats aber befiehlt mir der Gott, mich des Bades zu enthalten und genau ebenso am folgenden und nächstfolgenden Tag. Diese drei Tage hintereinander9 verbrachte ich völlig ohne Schweiß bei Nacht und Tag, so daß ich nicht einmal das Hemd wechseln mußte lO • Und niemals früher hatte ich mich leichter gefühlt. Ich verbrachte die Zeit mit Umhergehen im Haus und mit Spielen, da es Feiertage waren. Denn die Nachtfeier des Gottes ll hatte sich an den vorhergehenden 7 Festtag des Poseidon angeschlossen. Darauf 2 wurde mir ein Traum beschert, der die Andeutung 13 eines Bades enthielt, doch nicht ohne Zweideutigkeit; vielmehr kam es mir vor, als hätte ich mich auch etwas besudelt. Trotzdem entschied 4
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Wohl Anspielung auf das sprichwörtliche XUf.lUtU f.lEtPe'iv 'Wogen zählen' s. Theocr. Id. 16, 60; die vielen sachlichen und sprachlichen Parallelen dazu gesammelt bei Gow, Theocr. Bd. 11 Commentary, Cambridge 1952, S. 317. - Die Seenot, in der sich Aristides mehrfach befand (s. z. B. Rede 45, 33 Keil), wird hier nur als Bild gebraucht. nupwv 0; Keil konjiziert: nup' ev = "im einzelnen". sprachliche Anlehnung an Platon Rep. 383a. Der Bericht von I 4-57 umfaßt die Zeit vom 4. Jan. - 15. Febr. 166 nC.; er stammt aus dem Tagebuch des Aristides. Der 4. Monat des im römischen Kleinasien geltenden Jahres entspricht der Zeit vom 24. Dez. - 23. Jan. 4. - 6. Jan. Ähnlich die Vorschrift in 11 78; zur Deutung vgl. Michenaud-Dierkens, Les reves dans les 'Discours sacres' (1972) S. 107. Sie fand wohl am 6. lan. statt. Solche Nachtfeiern zu Ehren des Asklepios sind auch inschriftlich bezeugt: Edelst. I test 553. Zur Bedeutung der Nachtfeiern im Asklepioskult s. Edelst. 11 S. 197f. u. Behr 32. Am 7. Jan. . EvvotU: sie erwies sich als trügerisch: s. Behr 194.
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ich mich für ein Bad; jedenfalls hätte ich ja auch, wenn mir das in Wirklichkeit passiert wäre, Wasser nötig. Sogleich nun befand ich mich nicht zum besten in der Badeanstalt, und als ich heimkam, hatte ich das Gefühl, alles sei aufgetrieben, und mein Atem war wie der eines Keuchenden, so daß ich mit dem Beginn des Essens sogleich (auch damit) Schluß machte. Daraufvon der Nacht an Darmstörung,die so weit fortschritt, daß kaum kurz vor Mittag ein Stillstand eintrat. Ein Traum aber zeigte etwa folgendes Bild: Ich war im heißen Bad, beugte mich vornüber und sah, daß die unteren Teile der Bauchhöhle sich in einem ziemlich befremdlichen Zustand befanden. Natürlich beschloß ich, es bei dem Verzicht auf das Bad bewenden zu lassen. Aber da sagte jemand, das Übelbefinden, das sich zeigte, sei nicht Folge des Bades selbst und es sei nicht vernünftig, sich vor ihm zu hüten, als wäre es schuld daran. Ich badete auf den Abend, und am frühen Morgen hatte ich Bauchweh, und der Schmerz breitete 9 sich aus nach rechts hin und nach unten bis zur Leistengegend. Am 17. 14 Enthaltung vom Bad dem Traum zufolge, am 18. Enthaltung vom Bad. Am 19. kam es mir vor, als hätten einige der Barbaren 15 mich in ihre Gewalt bekommen und einer von ihnen trete auf mich zu und stelle sich an, als wolle er mir ein Brandmal aufdrücken. Dann steckte er mir einfach den Finger in den Mund und bis zur Kehle hinab und schüttete mir etwas ein, offenbar nach heimischem Brauch, und nannte das 'Essigtrank'16. Nachher aber meinte ich, dies als Traumerlebnis zu erzählen, wobei die Hörer sich verwunderten und sagten, das eben sei die Ursache davon, daß man Durst habe und doch nicht trinken könne, weil eben die Speisen sich in Essig verwandelten. Daraufwurde mir Erbrechen angezeigt, und der Barbar schrieb mir vor, für den heutigen Tag mich des Bades zu enthalten und mir einen Diener (als Zeugen dafür) zu nehmen. Enthaltung vom 10 Bad und Erbrechen mit dem Gefühl der Erleichterung. Am 20. kam es mir vor, als befinde ich mich in den Propyläen des Asklepiostempels l7 • Dort begegnete mir (wie mir schien) einer meiner Bekannten und umarmte mich mit herzlicher Begrüßung, da er mich lange nicht gesehen hatte. Ich sagte ihm nun, mir sei sehr übel gewesen, und im Verlauf des Gespräches gedachte ich auch der vielen Veränderungen, die der Tempel erfahren habe, und während dieser Reden traten 11 wir ein. Als wir an den Platz kamen, wo die Agathe Tyche und der Agathos Daimon sich befinden l8 , blieben wir stehen und setzten unsere Unterhaltung 14 Am 9. Jan. 15 Keil und Behr halten die 'Barbaren' für Parther (es ist die Zeit des Partherkrieges unter dem Kaiser 1. Verus: s. I 36); man könnte aber auch an 'Myser' denken: s. IV 105. eine Verdauungsstörung, bei der sich die Speisen in 'Essig' verwandeln; ähnlich 6~upeyl-L(ct = saures Aufstoßen, Sodbrennen. Zum Propylon des A. Claudius Charax (cos. 147 nC.) vgl. Altert. v. Perg. 11,3 S. 15ff. Nach Wiegand (Ber. üb. d. Ausgrab. in Pergamon, Abh. Ber!. Ak. 1932, Nr. 5, S. 9) befanden sich die beiden Kultbilder des 'Guten Daimon' und der 'Guten Glücksgöttin' in zwei inneren Nischen des Propylons. Als Paar zusammengehörig, waren sie "ihrem Charakter nach gewiß geeignet, den Heilsuchenden zu empfangen und zu ermutigen". - Zum Standort vorsichtiger Wörrle (Altert. v. Perg. 8,3, 1969, S. 177) "im oder beim
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fort. Ich erblickte einen der Tempeldiener und fragte ihn, wo der Priester sei. Er antwortete: "Hinter dem Tempel". Es seija schon um die Zeit der heiligen Lampen l9 , und der TempelwärterO bringe schon die Schlüssel. Inzwischen meinte ich, sei der Tempel geschlossen worden, doch so, daß trotz der Schließung noch eine Art Zugang offen blieb und man das Innere sehen konnte. Ich schritt nun auf die Tür zu und sehe anstelle der alten eine neue Statue21 mit niedergeschlagenen Augen. Als ich meine Verwunderung aussprach und nachforschte, wo die alte Statue sei, brachte sie jemand, und obwohl sie mir nicht recht bekannt war, 12 bezeigte ich ihr eifrig meine Verehrung. Wir gingen dann umher und begegneten dem Priester. Ich begann das Gespräch mit ihm mit folgenden Worten: "Schon in Smyrna habe ich mehrfach durch Träume Weisung erhalten, ich solle mich mit dir über den Tempel besprechen. Doch weil ich meinte, die Sache übersteige meine Urteilskraft, schwieg ich. Aber jetzt im Augenblick habe ich über diese selbe Sache wieder einen Traum gehabt". Zugleich hatte ich im Sinn, ihm zu sagen,er solle das Götterbild an seinen alten Platz stellen lassen. Doch beim Umhergehen fiel mir der Schuh von einem Fuß ab. Der Priester hob ihn aufund brachte ihn mir. Ich freute mich über die Ehrung, wollte sie gleichsam erwidern und ihm die Hand geben und nahm ihn deshalb in gebückter Haltung in 13 Empfang. In diesem Augenblick kam ein Stier auf mich zu, unmittelbar bei den 'Ohren,22 des Gottes. Ich war voller Furcht und suchte mich irgendwie in Propylon des Asklepieions". - Der Agathos Daimon und die Agathe Tyche sind im offiziellen wie privaten Kult engstens miteinander verbunden; Weihungen oder Stiftungen von Standbildern - auch in einem Tempel anderer Gottheiten - sind mehrfach bezeugt, ebenso die Verbindung mit Asklepios; s. dazu Herzog-Hauser, RE VIIA 1643 ff., bes. 1649,1673, 1676-81 und Wörrle a. O. S. 177. - Zur bildnerischen Gestaltung derbeiden Statuen läßt sich nichts Sicheres sagen;jedenfalls gab es von der Hand des Praxitelesje eine Statue der beiden Gottheiten (RE a. O. Sp. 1683). - Vielleicht darf man noch an die bekannte Tatsache erinnern, daß die von Aristides so stark verehrten ägyptischen Gottheiten Sarapis und Isis vom Jahre 133/4 ne. an "auch auf Münzen dem Agathosdaimon und der Agathetyche angeglichen (werden), indem sie die Gestalt einer männlichen und weiblichen Schlange annehmen; die Uräusschlange ist nämlich das Zeichen der Agathetyche" (Höfler a. O. S. 83). 19 Zur Zeit des Aristides scheint der regelmäßige Tempeldienst zweimal täglich stattgefunden zu haben, morgens und abends, als die Lampen angezündet waren. Die Zeit der brennenden Lampen bezeichnet allgemein 'vor Tagesbeginn oder nach Eintreten der Dunkelheit', s. dazu Behr 32, Edelst. 11 S. 193 u. bes. Wörrle, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 184 mit weiterer Literatur. 20 Dieser Neokoros wird auch sonst erwähnt, z. B. 11 35; es gab ihn auch in Kos: Edelst. I test. 482 v. 90; entsprechend seiner Bedeutung hatte Pergamon sogar zwei Tempelwächter: 11 30. 47. Über ihre Aufgaben s. Edelst. 11 S. 193. 21 Wohl eine Sitzstatue des Asklepios. Die entsprechende in Epidauros war aus Gold und Elfenbein, s. Behr 29. 22 Mit dieser Stelle hat sich Weinreich in seinem Artikel Seol E:m'pcoo\ (d. h. Götter, die die Gebete erhören) befaßt (Wiederabdruck in: O. Weinreich, Ausgew. Schriften I, 1969, S. 131-195, bes. S. 185f.). Nachdem Weinreich die Liste der Göt!er vorgelegt hat, die auf Inschriften den Titel E:1t11XOOl tragen (darunter Asklepios S. 140f., Hygieia u.
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Sicherheit zu bringen. Er tat jedoch weiter nichts, sondern bohrte mir nur das Horn ins rechte Bein unter dem Knie 23 • Theodotos 24 aber nahm ein Skalpell und reinigte (die Stelle) gründlich, so daß ich im Begriffwar, zu ihm zu sagen: "Du hast eine Wunde daraus gemacht". Das waren die Offenbarungen, und nun hörte meine Angst auf Unter dem rechten Knie bildete sich ein kleines Geschwür einem Karbunkel ähnlich, und das schien ftir die oberen Teile (des Verdauungstraktes) gut zu sein. Am 21. 25 war es mir, als trage ich das Kleid eines Priesters und sehe den Priester selber anwesend. Weiter glaubte ich, ich sehe einen meiner Bekannten infolge einer Beschwerde am Gesäß etwas hinken,
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Telesphoros 141 u. 169, Hygieia 145, Isis 145f., Sarapis 149, Telesphoros 150) - zu ergänzen ist aus neuerer Literatur u. a. Hornbostel, Sarapis, Leiden 1973, S. 198f. eine chalkidische Karpokratesinschrift aus dem 3. Jh. ne. über Sarapis und Osiris als 'erhörende' Götter und die 'Akoai' der Isis -, beginnt er auf S.175ff. mit der Besprechung und Abbildung der 'Ohren' der Götter, die entweder an einer (Tempel-)Wand oder einer Stele oder einem Altar angebracht waren, entweder als symbolische Zeichen der Macht der 'erhörenden' Götter oder als Bitte um Erhörung oder auch schließlich als Heilvotivgaben. - Solche 'Akoai' des Gottes gab es auch in Epidauros: s. Herzog, Wunderheil. S. 43f. W. 79 Z. 10 u. 19, wozu Herzog S. 45 bemerkt: "Das Wort axoat ist noch nicht eindeutig erklärt". Herzog gibt dem Wort axoat in seinem Textabdruck keinen Akzent, gibt also damit offenbar zu erkennen, daß er in dieser Frage zwischen den Ansichten von Weinreich u. Keil keine Entscheidung zu treffen wagt. Denn neben Weinreich (und schon vor ihm) steht die These von Keil (Hermes 45, 1910, 475ff.), die auch Weinreich S. 186 als durchaus möglich hinstellt, das Wort Akoai gehöre nicht zum Stamme axoijaXOUEtv, sondern zu äxo~ - aXEoflat, bedeute also "Heilgöttinnen wie Akeso und Panakeia", d. h. "untergeordnete Gehilfinnen der heilenden Gottheit", und müsse demnach Ax6at akzentuiert werden. - Dabei hat sich Keil allerdings - worauf Weinreich nicht eingegangen ist - auch darauf gestützt, daß in den drei ihm bekannten Inschriften (S. 475) die Individualnamen der Gottheiten fehlten, ja daß es "alle Wahrscheinlichkeit (habe), daß ihnen solche Namen fehlten" (a. O. S. 477). Diese Annahme ist nun durch die zahlreichen späteren Funde eindeutig widerlegt. - In einem zweiten Artikel "Noch einmal Akoai" beschäftigt sich Weinreich (a. O. S. 376-81) mit der von P. Wolter herangezogenen Stelle des Marinus, Vita Procli 32, wonach Akoai einen Ort bedeute, an dem überirdische Stimmen gehört wurden, und verteidigt demgegenüberm. E. mit Recht - seine Deutung, die 'die Ohren' als konkret dargestelltes Objekt auffaßt. - Wilamowitz (Isyllos 118,4) hatte das axoat als lateinisches Lehnwort (aquae) deuten wollen, was später allgemein abgelehnt wurde (Weinreich S. 185), aber seine Deutung oder der Hinweis von Keil (S. 478) scheint noch bei Behr nachgewirkt zu haben, der zu dem Gebäude im Osten des Asklepieions, welches sicher für medizinische Bäder genutzt wurde, schreibt (S. 28): "However, it was not direct1y mentioned by Aristides, unless it is the so called 'Gods Ears"'. Die Szene erinnert lebhaft an den 4. Mimiambus des Herondas v. 69-71, wo Kokkale, eine Besucherin des Asklepiostempels aufKos, beim Betrachten der Gemälde auf den Wänden der cella fast laut aufschreit aus Angst, der dort von Apelles in einer Prozession so lebendig gemalte Stier könne ihr ein Leid antun, da er sie mit einem Auge so schief ansehe; s. Edelst. I test. 482. Ein Arzt aus Pergamon; er wird öfters erwähnt, z. B. I 55ff. usw. - Ausführlich handelt über ihn H. Diller, RE VA, 1934, Sp. 1960 Nr. 25. Am 13. Jan.
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und sage zu ihm: "Das wird die Ruhe heilen". Es wurde auch Erbrechen für eine Reihe von Tagen 26 verordnet. Und das war der fünfte Tag fortgesetzter Enthaltung vom Bad. Es verdient aber auch das Beiwerk27 der Träume mitgeteilt zu werden. Es kam mir vor, als hätte ich bei meiner gewöhnlichen Redeübung eine der demosthenischen Reden vor mir und spräche in seiner Person zu den Athenern: "Ihr laßt durch den Herold fragen, wer zum Volke sprechen wolle. Ich aber möchte euch gerne fragen, wer von euch handeln wolle28 • Oder ist es vonjetzt an nur eine Komödie?" Damit aber nahm ich Bezug auf die Telmessier des Aristophanes 29 , wie einer dort mit Worten den Kampfführte anstatt mit Taten. Am 22. kam es mir vor, als schreite ich in Smyrna gegen Abend auf den Asklepiostempel im Gymnasion30 zu, in Begleitung des Zenon 31 • Der Tempel war größer und faßte noch von der Halle den ganzen gepflasterten Teil in sich. Zugleich aber stellte ich mir vor, das sei nur die VorhaUe des Tempels 32 • Als ich aber betete und den Gott anrief, sagte Zenon: "Unübertreffiich passend!", während er auch seinerseits zu dem Gott redete, den er unter anderem als 'Zuflucht' bezeichnete.' In der vermeintlichen Vorhalle aber betrachtete ich eine Bildsäule von mir, und bald schaute ich auf sie hin, als stelle sie meine Person dar 3, bald wieder kam es mir vor, als sei sie Asklepios selber in stattlicher, schöner Figur. Dies erzählte ich dann wieder als mir zuteil gewordene Traumoffenbarung dem Zenon selbst. Und es schien mir, als sei die Bildsäule34 eine große Ehre für mich. Wiederum sah ich dann die Bildsäule, als stehe ich in der langen SäulenhaUe des Gymnasiums 35 • Hinsichtlich der Badeanstalt aber hatte ich etwa folgendes Traumbild. 26 27 28
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öta ltoAÄwv; Behr übersetzt: "through many tokens". mxpepyov: zu dieser Erweiterung der Träume s. Behr 193. Eine für die Traumerinnerung bezeichnende Vermischung von zwei Demosthenesreden: 18, 170 u. 8, 23. Com. Att. Fragm. 1529 Kock (= J. M. Edmonds, The fragm. of Att. com., Leiden 1957, I S. 716). Dieser ältere AsklepiostempeI ist zu unterscheiden von dem jüngeren, in IV 102 erwähnten, "am äußeren Hafen, der damals noch im Bau war"; vgl. auch Edelst. I test. 814.813.709 u. Behr 62. - Weitere Asklepiostempel in Häfen verzeichnet Edelst. II S. 250. - Strabo 14, 1,4 u. 14, 1,37 berichtet, daß das "alte" Smyrna an einem Golf "nahe bei dem gegenwärtigen Gymnasion" lag, das neue dagegen 20 Stadien davon entfernt aufgebaut wurde. Dieser Zenon wird nur hier erwähnt. Behr vermutet in ihm den M. Antonius Zeno, cos. suff. des Jahres 148 ne. Ähnliche Traumverschiebungen von Personen, Gebäuden und Örtlichkeiten wiederholen sich öfters bei Aristides, z. B. gleich anschließend und 124. 25. Wir wissen von zwei Ehrenstatuen des Aristides, einer Bronzestatue auf dem Marktplatz von Smyrna und einer von einigen ägyptischen Städten gestifteten in Alexandria; vgl. R. Klein, Die Romrede des Ael. Aristides, Einführ., Darmst. 1981, S. 72. -ro -roü avöpuxVTO~ ist entweder = 6 aVöpt6:~ oder = "Die Erscheinung der Bildsäule". In dem Ausgrabungsbericht von O. Ziegenaus (Altert. v. Perg. 11, 2 S. 32ff.) wird sie "Die hellenistische lange Halle" genannt. Abbildung der "schier endlosen Portikus" auf Tafel 15. Sie erstreckt sich im Westen des Heiligtums; S. Altert. v. Perg. 11, 2 Gesamtplan Tafel 84.
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Zuerst trat ich, als ich mitten im Einreiben war, in eines der Privatbäder ein. Dann machte ich die Bemerkung, ich habe übersehen, daß ich hereinkam, während doch die Tage der Badezeit schon um waren. Dann kam es mir vor, als ob Phoibos36, der neben mir stand, mir zurede, so daß ich nun ohne Mißtrauen auch ins Wasser stieg. Ein andermal kam es mir vor, als ob unmittelbar vor der Asklepiosstatue ein junger, noch bartloser Turner über die Bäder spreche, wobei er die großen (Bäder) lobte und in dergleichen Dingen die Genüsse des Lebens suchte. Ich zeigte ihm nun das Meer und fragte ihn, ob auch hier zu baden besser sei oder in kleinem Raum. "In einem kleinen", meinte er. Daraufzeigte ich auf einen See und fragte, ob auch in einem so großen See besser oder in einem kleinen Raum. Auch hier gab er zu, vorzuziehen sei das Bad im kleinen Raum. "Also", sagte ich, "ist nicht durchweg das Größere vorzuziehen, sondern auch das Kleine hat seinen Reiz". Und zugleich bedachte ich bei mir selbst, daß auch für einen irgendwo von mir zu haltenden Vortrag die Bemerkung sich empfehle, es müßten wohl am Ende die Vergnügungen der anderen Menschen als Vergnügungen von Schweinen gelten, wogegen die meinige richtig menschlich sei, indem ich mich mit Reden beschäftige und daran meine Freude finde. Nun also jene Äußerungen meinte ich von dem jungen Menschen gehört zu haben über die Badeanstalt am Stadttor der Straße nach Ephesos. Und schließlich beschloß ich, einen Versuch anzustellen - denn wann eigentlich sonst gelte es zu wagen, wenn nicht jetzt? -, und so verabredeten wir uns auf die sechste Stunde in dem Gedanken, daß um diese Zeit ein Spaziergang am wenigsten gefährlich sei 37 • Als aber die Stunde gekommen war, beschuldigte ich den Bassus38, daß er in Verzug sei. "Siehst du", sagte ich, "wie schon der Schatten (die Mittagslinie) überschreitet?", indem ich auf den Schatten der Säulen hinwies. Wir machten uns auf den Weg, und als wir zum Ziel kamen, trat ich an das Kaltbecken draußen und prüfte das Wasser. Es schien mir wider Erwarten nicht sehr kalt zu sein, bläulich und von erfreulichem Aussehen. "Schön", sagte ich als kundiger Beurteiler der Güte des Wassers. Als ich aber weiter nach innen kam, fand ich dagegen ein anderes, das in dem wärmeren Raum besser überschlagen war, und gleich bei meinem Eintritt legte ich auch schon meine Kleider ab. Ich nahm ein Bad, und zwar ein sehr angenehmes. Am 23. Erbrechen auf den Abend, auch dies einem Traum gemäß. Am 24. fand ich mich irgendwo in (den) warmen Bädern39 • Da waren nun einige Gesellen, die Dolche trugen und auch sonst recht verdächtig waren, in der Nähe. Und wirklich, schon traten auch einige von ihnen an mich heran, als wollten sie mich zu ihrem Anwalt gewinnen, denn sie seien von gewissen Leuten vor Gericht gefordert. Als ich nun einmal umzingelt war, 36
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Sonst unbekannt; vielleicht ein Sklave? - Festugiere a. O. und Hommel (brieflich) halten ihn eher für den Gott ApolIon selbst; vgl. Anm. 108. Ähnliche Zeitvorschrift in V SI. Nach Behr 48/9 ist es vielleicht C. Julius Bassus Claudianus aus einer Seitenlinie der großen pergamenischen Familie der Quadrati. Er war Stratege von Pergamon um 129 nC. Außerhalb von Smyrna, vgl. II 7.
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befand ich mich in größter Verlegenheit, da ich den Leuten nicht traute und doch mein Mißtrauen nicht merken lassen wollte. Ich ging nun einen Weg und gewann einen sehr langen überwölbten Gang, in dem meine Angst vor einem Überfall sich aufs höchste steigerte. Als ich nun voll Freude glücklich hindurchgekommen war, schien es mir, als stehe ich in Smyrna auf dem Marktplatz der Stadt und sinne auf ein Mittel, möglichst rasch eine große Menschenmenge zusammenzubringen, der ich den Vorgang zur Anzeige bringen könnte. Darauf nehme ich selbst eine Fackel in die Hand, und alle Menschen auf dem Markt trugen Fackeln und stimmten den euripideischen Vers an: ,,0 Helios, mit flinken Rossen rollend die Flammenscheibe!"40 Denn zugleich mit Sonnenaufgang glaubte ich die Stadt zu betreten 41 . Und später war es mir so, als erzähle ich diese Geschichte dem Statthalter Quadratus 42 als Traumerlebnis, worauf er sagte: "Tu so!" Und die Fackel wurde in die Höhe gehoben: Enthaltung vom Bad 43 . Am 25. 44 träumte ich, ich trete mit meinem Lehrer Alexander45 vor den Kaiser46 , der auf einem erhöhten Sitz saß. Zuerst begrüßte ihn Alexander und war von ihm und den Leuten des Gefolges begrüßt worden als alter Bekannter und Freund. Dann trat ich näher. Nachdem auch ich ihn begrüßt hatte und stehen blieb, drückte der Kaiser sein Befremden darüber aus, daß ich nicht gleichfalls an ihn herantrete und ihn mit dem Freundeskuß begrüße47 . Daraufsagte ich, ich sei der Verehrer48 des Asklepios. Denn diese Angabe über meine Person genügte mir. 40
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41 In V 31 spielt sich die gleiche Szene in Smyrna (V 29) ab; s. Behr 307. 42 L. Statius Quadratus, Prokonsul von Asien i. J. 165/6 nC. Unter ihm erlitt der Bischof Polykarp von Smyrna den Märtyrertod. AusflihrIich über ihn Behr 98-100.
43 Wortstellung durch Keil berichtigt. Anscheinend soll das Hochhalten der Fackel die 44
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Enthaltung vom Bad anzeigen. Am 17. Jan. Alexander von Kotyaeion (heute: Kütabya, etwa 300 km Öst!. von Smyrna) in Phrygien war der berühmteste Lehrer der Grammatik und der griech. Literatur im 2. Jh. n. Chr. Er war - wohl in Smyrna - Lehrer des Aristides, der später eine Leichenrede auf ihn schrieb als Brief an Rat und Volk von Kotyaeion (= Nr. XXXII Keil). Alexander war später auch Erzieher des Mark Aurel und des L. Aurelius Verus. Ausflihrlich über ihn: Wentzel, RE I 2 Sp. 1455 'Alexandros' Nr. 95. Antoninus Pius (138-61). Die Vermutung, diese Traumszene spiegele ein Erlebnis aus der Zeit des ersten Aufenthaltes des Aristides in Rom i. J. 144 wider, ist mir nicht sehr wahrscheinlich. Weder war Aristides damals schon in einem solchen Maße "Verehrer" des Asklepios, noch wird sein Selbstvertrauen damals schon so groß gewesen sein, wie es die Fortsetzung dieser Szene zeigt. Die Sitte, den Kaiser bei der Begrüßung zu küssen und seinen Kuß zu empfangen, war allgemein verbreitet; s. Fronto, epist. ad M. Caes. III l3, 3 (= III 14,3 ed. van de Hout, 1954, S. 46). iiepa1teuTT1C;: Die" Verehrer" bildeten eine besondere kultische Gruppe in den Tempeln nicht nur des Asklepios, sondern auch des Sarapis und der Isis. - "Die Zeugnisse zeigen klar, daß die pergarnenischen Therapeuten des Asklepios einen Kultverein prominenter Personen bildeten" (Habicht, Altert. v. Perg. 8,3 S. 114). Zu ihren Mitgliedern gehörten neben Aristides der Konsular Flavianus, der Arzt Galen und viele andere, s.
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"Unter anderen Weisungen nun", bemerkte ich, "hat mir der Gott auch diese gegeben, ich solle nicht so ohne weiteres Freundschaft pflegen". Darauf sagte er: "Schon gut". Und ich verstummte. Darauf er: "Führwahr die Verehrung des 24 Asklepios übertrifft jede andere"49. Am 26. zeigte sich mir das Heiligtum des ApolIon auf dem Berge Milyas50 • Es schien aber, als seien einige Gebäude hinzugekommen und der Platz heiße Elephantine nach dem ägyptischen Elephantine 51 • Da freute ich mich wegen der Gebäude selbst und wegen der 25 Verwandtschaft des eines Platzes mit dem anderen. Auch schien es mir, als sei Priester des Gottes der Isispriester von Smyrna52 , bei dem ich auch zur Herberge sei. Und ich bedachte bei mir, daß ich seit langer Zeit in mancherlei freundschaftlichen Verbindungen mit diesem stehe, und glaubte, zufällig auch früher etwas von ihm gekauft zu haben, wovon ich noch einen Rest übrig hätte, den ich 26 umtauschen möchte. Demgemäß kam es mir vor, als sagejemand: "Koiphi mit Wein"53. Sogleich habe ich es als Heilmittel genommen und mir überlegt, ob man es dem Gesicht applizieren müsse oder auch den inneren Teilen. Und alsjemand bemerkte, es brenne, wo man es hinbringe, sei mir der Gedanke gekommen, daß es mehr als alles (andere) sich für eine kühlende Arznei eigne. Und so habe ich wohl demgemäß zu dem Priester gesagt, es sei klar aus dem, was ich gelesen, daß ich es nicht essen dürfe. Und natürlich stand es mir sofort im Sinne fest, daß ich den Tag ohne Speise verbringen sollte. Ich fastete also. Der folgende war wieder Habicht a. O. - In der sog. Lex sacra von der Hallenstraße des Asklepieions ist von den Aufgaben dieser "Verehrer" die Rede, s. Wörrle, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 169 Z. 24ff. u. 182-4. - Aristides erwähnt diese 'Verehrer' noch mehrmals, z. B. Ir 47. IV 16. 19.50 usw. 49 Über die Wertschätzung der verschiedenen Asklepieien durch die römischen Kaiser und ihre tatkräftige Hilfe bei Erdbebenkatastrophen s. u. a. Edelst. Ir S. 254. 50 Seine Lage ist unbestimmt und umstritten. Behr sucht ihn in Mysien in der Nähe des Pelekas-Gebirges bzw. hält ihn möglicherweise für identisch mit diesem. Literatur zu dieser Frage bei Behr, Übersetz. S. 426 Anm. 43. 51 Aristides weilte vom Mai 141 - Apr. 142 in Ägypten. Von seinem Standquartier in Alexandria aus unternahm er viele touristische Exkursionen bis zu den Nilkatarakten. Seine Erlebnis'se dort spiegeln sich in seiner später verfaßten Rede 'Aigyptios' (Nr. 48 Keil; ebd. § 46ff. über Elephantine) und beeinflußten auch noch lange sein TraumerIeben (vg!. I 26. 61; III 3. 4). - Ausführlich dazu Behr S. 15-21. 52 Neben dem beherrschenden Sarapis spielte Isis nur eine untergeordnete Rolle im Leben des Aristides. In Smyrna allerdings, wo ihr Kult den des Asklepios überragte, lebte der Glaube an die Gnade der Isis gelegentlich stärker wieder auf; vg!. z. B. III 45 f. 49f. IV 97. 53 'Kyphi', ein ägyptisches Räuchermittel, dem Aristides vielleicht bei einer Inkubation im Isistempel (in Smyrna) empfohlen, wurde auch von griech. Ärzten als abführender Trank wie als erweichendes Einreibemittel verwendet. Die Zahl der zu verarbeitenden Ingredienzien wuchs von 10 (bei Dioskurides) bis zu 50 (bei dem byzantin. Nikolaos 'Myrepsos' = Salbenkoch, im 13. Ih.). Das Kyphi wurde in Ägypten in eigenen Tempellaboratorien hergestellt unter Vorlesen heiliger Schriften (wohl Rezitation von Zauberformeln). Vg!. dazu ausführ!.: Plutarch, Über Isis und Osiris cap. 80, Übersetz. u. Kommentar v. Th. Hopfner 2. Teil, Darmstadt 1967, S. 5011 u. 287ff.
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ein Tag des Badeverbotes. Am 28. kam es mir vor, als hätte ich meine Nahrung nicht richtig verdaut und hielte mit meinem Erzieher Zosimos 54 Beratung über das Bad und frage ihn, ob ich fernerhin baden solle. Er habe nicht zugestimmt. Daraufhin habe ich gebadet, und mein Magen sei in übler Verfassung gewesen. Dann habe ich zu Zosimos gesagt: "Hätte ich denn fasten sollen?". Und er habe 28 erwidert: "Allerdings". So fastete ich wieder. Und am folgenden Tage mußte ich mich wieder erbrechen gegen Abend. Mein Traum aber war, daß ein Knochen drinnen (im Magen) liege, den man herausbringen müsse, mein Gedanke aber auch: Blutentziehung an den Knöcheln 55 • Ich tat so, und es trat nur 29 wenig (Blut) aus. Am 1. des Lenaion 56 kam es mir vor, als habe ich mich im Hadrianeum57 gesalbt, doch ohne zu baden. Als ich dann zurückkam, habe ich zu einem meiner Freunde gesagt, ich habe nicht gebadet, sondern mich bloß gesalbt. Daraufhabe er erwidert: "Auch ich habe mich bloß gesalbt". Enthaltung 30 vom Bad für sechs Tage. Am 2. kam es mir vor, ich sei im Asklepiostempel 58 in aller Morgenfrühe, gerade von einer Reise kommend, und freue mich, wie schnell geöffnet wurde. Ich meinte aber auch, ich höre die Knaben59 das alte Lied 60 singen, das anfängt: "Zeus, den Allerhöchsten, rühme ich", und sie seien an jener Stelle des Liedes: 27
"Denn viel ist es mir, viel, Zu lobsingen den Göttern Das Herz sich zu wärmen 31
Kerngehalt des Lebens Und in Festfreude Unter solchem Führer der Jugend",
so daß ich mich wunderte, wie das Lied von sich aus einsetzte 61 • Wiederum schien es mir, als ob ich, im Gedanken, daß das Geburtsfest62 herannahe, meine 54 55
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AusfUhrlich über ihn: Zucker, Zosimos 4, RE X A, 1972, Sp. 787-90. Ähnliche Aderlässe I 56. 59. - Zu den vorhergehenden Krankheitssymptomen s. Einleit. S. 1l. Der Monat, der dem Posideon folgt; er umfaßt die Zeit vom 24. Jan. - 20. Febr. Die Stifterin der Bibliothek im NO des Asklepieions, Flavia Melitine, hat in der Bibliothek eine Statue des 'Gottes Hadrian' gesetzt, der in Pergamon auch als 'neuer Asklepios' gefeiert wurde. Dies ist die von Aristides als 'Hadrianeum' bezeichnete Kultstätte. - Zu erinnern ist auch daran, daß der Stifter der Nordhalle des Heiligtums diese dem Asklepios und dem Kaiser gemeinsam gewidmet hat. Zu dieser alten Streitfrage s. jetzt ausfUhrlich Habicht (Altert. v. Perg. 8, 3) S. 9f.; 29f. (m. 6); 84f. (m. 38); 103-6 (m. 64). Offensichtlich in Pergamon, wo Aristides schon vor seinem Daueraufenthalt häufiger Gast war. Aus IV 38 geht hervor, daß Aristides auf Geheiß des Asklepios in Pergamon einen "Knabenchor" unterhielt (Edelst. II S. 194 hält ihn anscheinend fUr einen "Sklavenchor"). Der Verfasser ist unbekannt. Der Text bei Bergk, Poetae Lyrici Graeci III 4 S. 684. Aristides wundert sich, daß er den Anfang des Liedes nicht gehört hatte, das für ihn erst mit den zitierten Worten einsetzte. "Aristides war geboren am 4. Aydnaios (= 26. Nov.), aber wie manche andere der Alten feierte er seinen Geburtstag am 4.jedes Monats (Hier: am 4. Lenaion = 27. Jan.)" Behr, Übers. S. 427 Anm. 52.
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Diener ins Heiligtum schicke, damit sie irgend etwas dorthin bringen, während ich zugleich eine Aufschrift mache auf die Gegenstände, die sie überbrachten6l, und Kunst anwende für ein Wort guter Vorbedeutung, damit alles, was für meine Rede notwendig sei, gut vonstatten gehe 6'. Am 3. bot sich das Bild, daß Lampen ins Heiligtum getragen wurden vom Türhüter, entsprechend einem Gelübde für mein Wohlergehen. Auch sollte ich mich erbrechen. Das Erbrechen trat ein. Am 5. war es mir, als bete ich zu den Göttern, zunächst zu allen, die anzurufen ich gewohnt bin, zugleich, dann insbesondere zu Zeus, zu Ares und zu den SChutzgottheiten Syriens 65 • Und die baulichen Anlagen schienen dort ähnlich zu sein wie bei mir zu Hause. Und darauffand die Audienz66 beim Kaiser statt. Ich hatte ja zu dem damals in Syrien weilenden Kaiser geschickt. Und die Sache lief gut ab. Am 7. kam es mir vor, als erblicke ich in dem Auskleideraum eines Bades den Redner Charidemos aus Phönikien67 • Er war strahlenden Angesichts und kam frisch vom Bad. Bei der Begrüßung glaubte ich, nebenbei zu ihm zu sagen, er habe früher gebadet, und zugleich mich auszuziehen. Ich nahm ein Bad. Und wieder am 10. des Monats schien es mir, als führe Antoninus, der Sohn des Pythodoros 68 , mit mir ein Gespräch über Preisreden auf die Nymphen69 • Auch ich selber bemerkte dann, es gebe keine anmutigeren Göttinnen und es sei unbedingt auch dem wackeren Manne vergönnt, von ihnen einen Vorteil zu haben, selbst wenn er nicht häufig Bäder nehme, wenigstens in bescheidenem
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Die verschiedenen Arten von Dankgaben an Asklepios verzeichnet Edelst. II S. 190. Wie aus § 33 hervorgeht, hatte Aristides dem Kaiser L. Verus, der i. J. 162 in den Krieg gegen die Parther gezogen war, eine Glückwunschrede nach Syrien gesandt. Man wird am ehesten an Atargatis, die 'dea Syria', denken, daneben an den Jupiter Heliopolitanus, dessen riesiger von Antoninus Pius restaurierter Tempel sich noch heute in Baalbek erhebt, und noch mehr an den Jupiter Dolichenus, den zum Schutzpatron der kaiserlichen Heere erhobenen Blitzgott einer kleinen Stadt Kommagenes; s. F. Cumont, Die oriental. Religionen im röm. Heidentum' (Darmstadt 1959) S. 94-103 u. neuerdings M. J. Verrnaseren, Die oriental. Religionen im Römerreich, Leiden 1981, bes. S. 193-263. 1tp6aoöo~: Behr übersetzt: 'Prozession'. Sonst unbekannt. Sex . .Tulius Maior Antoninus Pythodorus. Der volle Name seines Sohnes, von dem wir sonst nichts wissen, wird ähnlich gelautet haben. Beide entstammen einer vornehmen Familie aus der karischen Stadt Nysa. Der Vater wurde bes. durch seine reichen Stiftungen fiir Epidauros bekannt, doch hat er sich auch um das Asklepieion und die Stadt Pergamon verdient gemacht, wie aus einer Inschrift hervorgeht. AusfiihrIich über ihn Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 59. 64/5 und Stein RE 24, 1963, Sp. 593-6 (nr. 14). In seiner Rede "Auf den Brunnen im Asklepiosheiligtum" (39 Keil) bezeichnet Aristides (§ 3) die Nymphen als Hüterinnen dieses heiligen Brunnens und als Helferinnen des Asklepios Soter bei der Heilung Kranker. Es ist der Brunnen (mit Quelle) auf der Felsbarre im NW des Heiligtums (Ziegenaus, Altert. v. Perg. 11, 2 S. 5/6). Aristides benutzte ihn oft bei seinen Kuren (U 70.73/4). Auch in IV 4 spricht Aristides von Liedern, die er auf die Nymphen verfaßte. - Über die Verehrung der Nymphen in Pergamon s. Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 134f.
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Maße. Außerdem aber hielt ich im Traum auch eine Lobrede aufHygieia70 • Am 12. kam es mir vor, als ob der Kaiser Antoninus der Ältere 7l und der König der Feinde 72 einen Friedens- und Freundschaftsvertrag geschlossen hätten. Als aber Vologaeses mit seinem Gefolge herankam, sprachen sie mit sehr lauter Stimme, wie es schien in griechischer Sprache73 • Darauf kamen beide mit ihrem königlichen Gepränge in meine Nähe: Antoninus rechts in der Fülle seiner Kraft, der andere dem Aussehen nach männlich imponierend. Er nahm aber nicht weit von 37 mir Platz, auf der anderen Seite auf einem Thronsessel Antoninus. Ich glaubte wahrzunehmen, daß der Meder sich auch auf manche ärztliche Fragen verstehe. Er reichte mir die Hand und fragte: "Wann hältst du uns eine Vorlesung?" Ich freute mich über das Wort und erwiderte: "Wann Ihr befehlt". Darauf machten jene sich bereit, meinen Vortrag zu hören, ich aber ging heim, um unter meinen 38 Schriften Auswahl zu halten. Auch beschloß ich, so gut es in der Eile gehe, einen Prolog auf sie zu verfassen. Er lautete etwa so - ich träumte, ihn ganz im Gedächtnis zu haben, doch was ich davon behalten habe, (ist nur dies): "Wohl hat auch sonst schon ein Mensch, wenn ihm ein Glück widerfahren war und er seiner Freude Ausdruck geben wollte, ausgesprochen, ihm sei der Mut mehr als doppelt gewachsen7" oder ein anderer, es komme ihm vor, als sei er auf den Inseln der Seligen75 : ebenso ergeht es auch mir selbst heute am gegenwärtigen Glückstage". Zugleich überlegte ich mir auch, ob ich meine Rede auf beide gleichmäßig einstellen oder unserem Kaiser größere Ehre erweisen solle und dann erst das folgen lasse, was den anderen angehe. Dann fuhr ich etwa folgendermaßen fort: "Wäre ich nicht geübt im Anschauen göttlicher Erscheinungen, so hätte ich schwerlich auch nur diesen Anblick aushalten können. So wunderbar scheint er mir zu sein und überwältigend für einen menschlichen Zuschauer". Ich sprach von göttlichen Erscheinungen und wollte damit hauptsächlich auf Asklepios und 39 Sarapis hinweisen. Soviel hiervon76 • Aus meinen Schriften aber hielt ich anfangs für gut eine auszuwählen, dann aber entschloß ich mich, die Truhe bringen zu lassen und ihnen selbst die Auswahl nach ihrem Belieben anheimzustellen. Denn das, dachte ich, sei auch sonst eine Höflichkeitsbezeugung, und zugleich werde ich auf diese Weise ihnen am meisten imponieren. Später 36
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Göttin der "Gesundheit", gehört zum Kreis der Heilgötter um Asklepios, mit dem sie in Kult und bildlichen Darstellungen eng verbunden ist. - In Pergamon sind bisher 11 (bzw. 13) Dank- und Weihinschriften auf Hygieia (zusammen mit Asklepios Soter) gefunden worden. Übersicht bei Habicht a. O. S. 197 'Hygieia'. - Zur Darstellung in der Kunst s. Hausmann, Kunst u. Heiltum (1948) S. 28-34 u. 175ff. Mark Aurel, im Gegensatz zu dem jüngeren L. Verus. VOlogaeses III., König der Parther seit 148. Der Friede wurde 166 n. ehr. geschlossen.Die Szene ist natürlich bloß 'geträumt'. Griechisch und Aramäisch waren Amtssprachen im philhellenischen Königreich der Arsakiden. Sprachliche Anlehnung an Plat. Euthyd. 300 d. Sprachliche Anlehnung an Plat. Menex. 235 c. Einer der vielen einförmigen Überleitungssätze.
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träumte ich auch, daß ich das als Traumerlebnis dem Pelops 77 Wort fiir Wort erzähle. Später schien es mir dann, als ob mir nach einem Bad etwas gebracht werde. Bald kam es mir vor wie kaltes Wasser, bald wie Milch. Ich fand mich nun in Verlegenheit und sagte so zu Zosimos, ich hätte weder Durst noch Hunger: warum sollte dajemand essen? Daraufwurde das Fasten genehmigt,und es kam mir vor, als ob der Priester meine Lippen aussauge 18 . An diesem Tage Fasten, am nächsten Enthaltung vom Bad, am übernächsten Enthaltung vom Bad und Erbrechen. Am 15. kam es mir vor, als hätte der Statthalter19 mir einen Brief geschickt mit folgender Anredeformel: "Dem Priester80 Aristides Gruß". Auch dieser Tag war ein Tag ohne Bad. Am folgenden Tag mußte ich mich mit einigen Eimern Wasser übergießen lassen. Darauf Enthaltung vom Bad. Am 18. war es mir, als ob der Dichter Metrodoros81 in Smyrna beim Dichterwettstreit auftrete, der gerade etwa auf diesen Tag fiel. Ehe er hineinging, plauderte er mit mir über einige Dinge, und zugleich aß er Lauchblätter und ein Ei mit Brot, und einen Teil des Eies ließ er übrig. Ich aber sprach zu ihm: "Daß du auch nur nach einer kurzen Pause zum Wettkampf kommst!"82 Es kam aber die Rede auch auf das Heiligtum in Pergamon und den Brunnen, wie herrlich es sei, selber an ihn heranzutreten und zu trinken, wie herrlich auch, einen anderen trinken zu sehen, wie herrlich endlich sein bloßer Anblick83 . In solcher Unterhaltung glaubte ich begriffen zu sein und dabei die Bemerkung gehört zu haben, wenn ich mich in den Händen des Gottes befände, dann dürfte man Hoffnungen hegen. Zugleich aber war es mir doch auch irgendwie, als stünde ich daheim im Torweg und trete mit erstarrtem Fuß in den großen Saal ein und es komme jemand von den Leuten im Tempel des Olympischen Zeus 84 zu mir, ich aber erzähle ihm von Träumen, die mir von dem Gott geschickt worden seien, und fordere ihn auf, mir zu helfen. Er erwiderte, auch ihm selber sei ein Traumauftrag geworden, er solle nämlich eine Schweinskeule nehmen und sie im Heiligtum des Asklepios zum Schlaf niederlegen, nachdem er sie so hergerichtet habe, wie ich es (mit mir 77
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Wird nur hier erwähnt; vielleicht ist der Lehrer Galens gemeint, dem dieser sich in Smyrna enger angeschlossen hatte, s. Deichgräber, RE 19, 1 Sp. 391 nr. 5. Behr (Hommages iL Vermaseren I, Leiden 1978, S. 19 und 22) bringt diese seltsame Szene in Verbindung mit dem Traum III 47 und sieht in ihr: "an action reminiscent of the conjectural circumcision ofhis face in the dream following the death ofZosimos". s. oben Anm. 42. Schon oben§ 15 sah Aristides sich im Traum inPriesterkleidern; in IV 101 wird ihm das allgemeine Priesteramt Asiens angeboten und in IV 102 das Priesteramt des Asklepios, die er allerdings beide ablehnt. Sonst nicht bekannt. Zum Text der Stelle s. IV 18 u. Kühner-Gerth, Gramm. der griech. Sprache3 II 2 S. 376 Anm.6. s. oben Anm. 69. - In den §§ 1. 13. 17 dieser Rede preist Aristides das Trinken, Baden und den bloßen Anblick. Dieses Zeusheiligtum, das mehrfach erwähnt wird (z. B. III 20.41 usw.),ist das heimatliche des Aristides, "bei dem ich aufwuchs" (IV 28). Über seine Lage und Identifizierung s. Behr 5-6.
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selber) zu machen pflege 85 • Darauf schien es mir, als befinde ich mich in Pergamon und übersende dem Gott einen Kranz von der Art der langen, wie man sie besonders dem ASklepios darbringt, mit dem Auftrag an den Überbringer es war dies Agathion86 -, er solle mir dafür vom Tempelwärter einen anderen bringen. Als er diesen zurückbrachte, meinte ich, ihn neben mich zu legen, so wie ich gerade dalag, an die rechte Seite. Darauf befand ich mich an irgendeinem unbestimmten Orte. Ich stand aber auf und suchte meine Amme 87 - sie hatte ihr Zimmer meiner Tür gegenüber -, und irgend jemand gab Auskunft, als wären ihr einige Widerwärtigkeiten begegnet, ehe ich gewahr wurde, daß die Amme selbst herankam und daß Kallityche, meine Pflegeschwester88 , sie begleitete. In der Hand trug die Amme - zuerst hielt ich es für Äpfel, dann aber waren es drei gekochte Eier, geschält, als sollte ich sie sogleich verspeisen. Sie brachte mir diese und sagte dabei: "Wie eben die Dinge vom Lande sind". Ich aber wunderte mich und sagte, daß die Eier nach göttlicher Fügung kommen. "Denn", sagte ich, "der Gott gab mir heute die Weisung, ein Ei und Gemüse zu essen und einen Kranz von seiten des Gottes neben mich zu legen". So machte ich es. Der Kranz stammte aus dem Tempel des Zeus Asklepios 89 • Enthaltung vom Bad aber 85
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Die Schweinskeule wird in Decken gehüllt im Heiligtum niedergelegt, wie der Kranke sich zum Heilschlaf im Abaton (Inkubationsraum) niederlegt. - Schweineopfer sind im Asklepioskult bes. in Epidauros bezeugt. - "Von dem geopferten Tier sind dem Gott auf der Trapeza [dem heiligen Tisch] der rechte 'Schenkel' und die inneren Teile vorzulegen" als Opferanteil für den Priester; s. Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 175 - Zu den Inkubationsräumen in Pergamon s. Ziegenaus, Altert. v. Perg. 11, 1 S. 17. 19.32 und Bd. 11, 2 Tafel 84. Sonst nicht bekannt; vielleicht soll sein Name an die Glücksgöttin (Agathe Tyche) anklingen. Sie hieß Philumene (I 78). Zu ihr und ihren Kindern hatte Aristides ein inniges Verhältnis. Die Tochter seiner Amme. Sie wird noch einige Male erwähnt (z. B. V 19 - 25) mit ihren Kindern Philumene und Hermias. Dieser Doppelname ist nicht nur mehrfach bei Aristides und Galen bezeugt, sondern auch inschriftlich (Habicht, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 103 nr. 63). Der Sinn dieses Doppelnamens ergibt sich aus Aristides' "Ansprache an Asklepios" (42,4 Keil): "Asklepios' Macht ist groß und vielfältig,ja geradezu allumfassend ... und nicht umsonst haben die hiesigen Bewohner einen Tempel des Zeus Asklepios errichtet ... dieser ist es, der das Universum lenkt und leitet, der Heiland des Alls und Wächter der Unsterblichen ... wenn wir ihn aber für den Sohn ApolIons und den dritten von Zeus [der Abstammung nach] halten, so verknüpfen wir sie auch wieder mit ihren Namen". - Damit wird Zeus Asklepios zum universalen Allgott gesteigert, wie das zur gleichen Zeit etwa bei Apuleius mit Isis geschieht. - Dieser "universale Zeus Asklepios ist eine gedankliche Konstruktion gebildeter Kreise ... (er) hatte seine Gläubigen in einer relativ dünnen Schicht Intellektueller" (Habicht a. O. S. 13). - Ebenso eindeutig ergibt sich der Sinn des Tempels aus der Form seiner Anlage und der Zeit seiner Erbauung. Der Tempel war eine "verkleinerte Wiederholung des Pantheons" mit kugelförmiger Kuppel und kreisrunder Öffnung in der Mitte als einziger Lichtquelle (Habicht a. O. S. 11). Während der Bauzeit des Pantheons war Hadrian i. J. 123 n. ehr. in Pergamon. Mög-
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wurde mir für die Dauer vieler Tage90 angezeigt. Am 19.91 war es mir, als ob ich mich im Palast92 befände, die Aufmerksamkeiten und Ehren aber, die mir die Kaiser93 fortgesetzt in all ihren Handlungen bezeigten, wunderbar und nicht zu überbieten wären. Denn mir ausschließlich wurde alles erwiesen, wovon sonst niemand auch nur einen bescheidenen Teil erhielt. Fürs erste nämlich verbrachte ich mit ihnen die Zeit drinnen und teilte mit ihnen die Wohnung, während keiner der hochmögenden Herren 94 sonst zugegen war. Ferner aber nahmen sie mich auf ihren Gängen mit. Sie gingen aus, um einen Graben zu besichtigen, den sie um die Stadt ziehen ließen, damit das eindringende Wasser keinen Schaden tue 9s, wobei ich auch die ausgeworfene Erde sah 96 • Wunderbares bezeigten sie mir auch auf dem Wege. Wiederholt geriet ich nämlich in die Mitte der bei den, und sooft ich dann auf die andere Seite treten wollte, um den Älteren in die Mitte zu bringen, tat der Jüngere das selbst, und ich blieb immer an meinem Platz. Er schien mir aber auch noch im Knabenalter zu stehen. Das traf sich oft so, und als wir vollends an eine steile Stelle kamen und gleichsam eine Leiter anlegen mußten, leistete zuerst der Jüngere Hilfe - und ich sagte dazu, wie dankbar ich dafür sei -, dann oben am Ende der Ältere. Und als er fragte: "Wie (hat er geholfen)?", versicherte ich, in allem und jedem habe er mir geholfen. Als ich mich darauf entfernen wollte, sagte ich: "Ich danke Euch, Majestäten, für alle Fürsorge und Ehre, womit Ihr mich geehrt habt". Sie aber fielen mir ins Wort und sagten: "Vielmehr wir danken den Göttern, daß wir einen solchen Mann kennenlernen durften. Denn wir glauben, daß er auch in seinen Reden ähnlich ist". Darauf sagte zuerst der Ältere, es komme demselben Menschen zu, ein tüchtiger Mann zu sein und ein tüchtiger Redner. Der Jüngere aber führte das weiter aus, indem er den Ausspruch zitierte, der rednerische Charakter sei eine Auswirkung des persönlichen97 • Darauf sagte ich: "Ich wünschte wohl, daß dem so wäre. Denn es kommt mir zugute für meine Reden, weil ich ja doch im übrigen so günstig von Euch beurteilt werde und also zwei Iicherweise war er sogar der Initiator und spätere Förderer dieses Rundtempels, der schließlich durch einen (von Hadrian in den Senat aufgenommenen) Pergamener, den Konsular L. Cuspius Pactumeius Rufinus, errichtet wurde, vielleicht noch vor dem Tode Hadrians (138 n. Chr.), s. IV 28 und Habicht a. O. S. 10f. - Zur baulichen Gestaltung dieses Tempels s. die abschließende Publikation von Ziegenaus, Altert. v. Perg. 11,3 S. 30-75, bes. 68 und die Tafeln 9ff. 90 s. oben Anm. 26. 91 11. Febr. 92 wahrscheinlich in Rom. 93 M. Aurel und L. Verus. 94 Gemeint sind die "Sophisten"; zum abschätzigen Gebrauch dieses Wortes durch Aristides s. zu III 8 (Anm. 13). 95 Behr (Übersetz. S. 427 Anm. 75) verweist auf den Kanal, den Trajan zur Ableitung des Tibers hatte graben lassen (nach Plin. epist. 8, 17). 96 s. unten § 50 Ende. 97 Zu dem Sprichwort: 'Wie der Charakter so auch die Rede' vgL E. Norden, Die antike Kunstprosa I S. 11 Anm. 2.
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Vorzüge zugleich haben soll statt des einen". So etwa erwiderte ich ihnen. Es war aber noch zahlloses andere, was vorging und besprochen wurde und was alles Erzählen und Hoffen übersteigt. Als ich darauf wieder einschlief, war es mir, als ob einer der Vornehmen98 , Diophanes mit Namen99, zu mir spreche als Beobachter und Zeuge meiner überschwenglichen Ehren, aber auch, als ob einer meiner jüngeren Freunde zugegen sei und sich verwundere, als er hörte, wie ich überall so hohe Achtung genieße. Darauffinde ich mich in einer Badeanstalt. Und zuerst kam mir der Gedanke, was ich da doch angestellt habe, daß ich nämlich ein Bad nahm, ehe ich die Kaiser sah lOo • Denn es kam mir vor, als wäre ich gestern schon mit ihnen zusammengetroffen. Darauf sagte ich, als ich mich schon einrieb und ein wenig Schweiß auftrat: "Gehen wir hinein!" So nahm ich denn ein Bad, und am Abend erbrach ich mich, der Bedeutung der ausgeworfenen Grabenerde gedenkend. Trotzdem war ich noch unschlüssig hinsichtlich der Reise nach Pergamon wegen der früheren Träume 101 • Jetzt nun wurde mir deutlich angezeigt, ich solle zuwarten. Einmal nämlich schien es mir, als hätte ich mich gegen Abend irgendwohin aufgemacht und bereute das und erklärte es für unmöglich, Hadrianutherai zu erreichen, und dann, als sei ein Mann von Hadrianutherai gekommen, der eine Rolle von Menander lO2 brachte und aussagte, es sei ein furchtbarer Dreck und Morast und unmöglich durchzukommen. Und wieder glaubte ich, es regne und es tretejemand an mich heran mit der Meldung, einer meiner Prozeßgegner sei in Hadrianutherai anwesend und ich müsse hinab gehen, um etwas zu erreichen, und ich hätte ihm erwidert: "Was kommt dabei für ein Vorteil heraus, da mir der Gott doch zu bleiben befohlen hat?" Dann wieder war mir, als ob ich das später einigen Leuten erzählte, wobei ich das Ganze so auffaßte: weil ich mich ungern zum Bleiben verstand, habe der Gott mir einen Ausweg gezeigt, indem er meinen Sinn ändern wollte, damit ich lieber dabliebe. Auch Hinweise auf Enthaltung vom Bad waren damit verbunden. Und es trat furchtbares Regen- und Sturmwetter ein noch am Abend. Am folgenden Tage wurde nicht gebadet und das Genossene erbrochen. Und nach dem 98 YVWptf.Lwv: Keil = 'clarissimus', Behr 99 Sonst nicht bekannt. 100 101
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= 'Bekannten'.
In I 45 war ihm Badeverbot erteilt worden. Der Gedankengang ist verwickelt. Keil deutet ihn so: Die Worte "Gehen wir hinein!" (§ 50) sind für Aristides ein Traumbefehl, sich nach Pergamon zu begeben. Es gab jedoch Leute, die von der Reise abrieten. "Trotzdem" dachte Aristides weiter an die Reise "wegen der früheren Träume" (I 42. 44), in denen ebenfaIls Pergamon aufgetaucht war. - Der Traum fand am 19. Lenaion (= 11. Februar) statt (I 46). Es kommt hier nicht auf ein bestimmtes Stück des berühmten Komödiendichters an, sondern auf die Bedeutung der 1. Silbe seines Namens (f.Levetv = bleiben). Vgl. dazu das Traumbuch des Artemidor III 38: "Die eigentliche Bedeutung der Eigennamen darf man bezüglich der Auslegungen nicht als überflüssig außer acht lassen ... Oft kann man schon aus ihnen allein etwas weissagen; so verhindern z. B. 'Menon' [= der Bleibende], 'Menekrates' [= der Platzbehaupter] das Antreten einer Reise ... "; vgl. auch die späteren Namensdeutungen in IV 19 u. V 66.
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Erbrechen fühlte ich mich so elend, daß ich froh sein wollte, wenn ich nur bis zum nächsten Tage das Leben friste. Am folgenden Tage wurde mir Fasten auferlegt, und zwar auf folgende Weise: ich glaubte, mich in Smyrna zu befinden, war aber voll Mißtrauen gegen alles, was ich wahrnahm und sah, weil ich mir nicht bewußt war, eine Reise gemacht zu haben. Ich glaubte, es würden mir Feigen aufgetragen; darauf zeigte mir der Seher Koros lO \ der zugegen war, daß darin ein schnell tötendes Gift sei. Infolgedessen wurde ich voll Argwohns, erbrach mich geflissentlich und überlegte zugleich: wie, wenn ich es nicht gründlich herausbringe? Darauf sagte jemand, auch in einer anderen Speise sei von dem Gift, worauf ich in noch größerer Beklemmung war und mich darüber aufregte, daß ich das nicht schon früher erfahren hatte. Nach diesem Gesicht vermutete ich, es werde mir Fasten angezeigt, jedenfalls entschied ich mich dafür. Ich bat aber den Gott, er möge mir deutlicher kundtun, welches von beiden er meine, Fasten oder Erbrechen. Darüber schliefich ein,und es kam mir vor, als sei ich beim Heiligtum in Pergamon und schon sei der halbe Tag mit Fasten vergangen. Da kam Theodotosl04 heran mit einigen Freunden. Er trat ein und setzte sich neben mich, wie ich so auf dem Bette lag. Ich teilte ihm mit, daß ich fastete. Er aber gab mir (mit einer Geste) zu verstehen, daß er das wisse, und sagte: "Nach all dem, was diese machen, zögerte ich, den Aderlaß anzuwenden. Denn der Schmerz kommt von der Niere; das Fasten aber", fügte er bei, "ist eine Art illegitimen Auswegs für die Entzündung, der durch die Brust hinausführt". Und während er das sagte, wurden vorne zwei Funken sichtbar. Ich schaute staunend auf Theodotos hin, faßte dies als sinnbildliche Bestätigung seiner Worte und fragte ihn, was das zu bedeuten habe. Er aber sagte: "Von dieser Entzündung", indem er auf das hinwies, was bei mir vorlag. Nun erwachte ich aus meinem Schlafe und fand, daß es genau die Stunde war, in der ich geglaubt hatte, Theodotos unterhalte sich mit mir. Und Freunde waren da, die mich besuchen wollten. Diese Traumbilder waren mir geoffenbart worden, während ein ArztI°5 gekommen war und sich bereit gemacht hatte, mir zu helfen, soweit er es verstand. Als er jedoch von den Träumen hörte, räumte er selber als verständiger Mann dem Gott den Platz lO6, und wir erkannten den wahrhaftigen und für uns passenden Arzt und taten, was er verordnete. Die Nacht war schon ganz leicht und alles schmerzlos. Später verordnete Er in der Gestalt des Tempelwärters Asklepiakos101 Gänsefett und (ordnete an), man solle auch noch den Gott fragen,
103 Sonst nicht bekannt. Behr (102 und Übers. S. 396) sieht in ihm den (ungenannten) Freund, dem Aristides einen Verteidigungsbrief schrieb (Nr. 33 Keil). In diesem wird aufseine Seherschaft angespielt (§ 14) und Smyrna als seine Heimatstadt bezeichnet. 104 Der in I 13 erwähnte Arzt. lOS Vielleicht der in V 12 und 24 erwähnte Arzt, der dem Asklepios sehr ergeben war. 106 Ähnliche Äußerungen aus dem Corpus Hippocraticum zitiert Herzog, Wunderheil. S. 150. 101 Einer der beiden Tempelwärter des Asklepieions. Aristides, der ihn noch oft erwähnt, wohnte in seinem Hause und besprach mit ihm seine Träume(II 34).
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flir den sie die (festliche) Versammlung in der mysischen Ebene veranstalten lO8 • Denn von ihm würde ich alles erfahren, worüber ich Auskunft begehre. Der Gott 59 gab die Auskunft, es werde nichts Schlimmes eintreten. Was nun die Enthaltung vom Bade betrifft, was soll man darüber sagen? Wurde diese doch schon seit flinfJahren nebst (einigen) Monaten von mir ununterbrochen geübt, außer wenn Er zur Winterszeit mich ins Meer oder in Flüsse oder Brunnen schickte. Und ebenso widerfuhr mir die Purgation des oberen Verdauungstraktes fortgesetzt etwa zwei Jahre und zwei Monate lang, noch verbunden mit Klistieren und Aderlässen, deren Menge noch niemand gezählt hat, und das bei allerkärglichster 60 Nahrung, die mir zudem aufgenötigt werden mußte. Jedoch bei allen diesen Fastenzeiten, ebenso wie den früheren und späteren, die wir in diesem Winter einhielten, verbrachten wir wider Erwarten ziemlich den ganzen Tag mit Schreiben, Reden und Prüfen des Geschriebenen. Und während wir die Arbeit zumeist nicht weniger als bis Mitternacht ausdehnten und darauf an jedem folgenden Tage wiederum die gewohnte Tätigkeit fortsetzten, nahmen wir dabei doch nur ein Minimum an Nahrung zu uns. Und als unmittelbar nach dem Erbrechen noch das Fasten einsetzte, war es gerade dies, was mich tröstete: die Beschäftigung und der Umgang mit diesen Dingen, so daß ich, wenn ich an Sokrates denke, der vom Gelage weg den ganzen Tag im Lykeion aushält lO9 , der Meinung bin, dem Gott flir meine hierbei betätigte Ausdauer und Kraft keinen 61 geringeren Dank zu schulden. Soviel über den Zustand meines Unterleibs. Ähnlich aber wie mit dem Unterleib war es mir mit der Geschwulst 110 viele Jahre früher ergangen'l1. Denn der Gott sagte mir lange vorher voraus, ich solle mich vor der Wassersucht hüten, und verordnete mir unter anderen Schutzmitteln auch ägyptische Sandalen "\ wie sie die Priester zu tragen pflegen 113. Er fand auch 62 flir gut, den Ausfluß nach unten abzuleiten. Und es bildete sich eine Geschwulst aus unbekanntem Anlaß, zuerst von der Art, wie sie auch bei irgend jemand sonst sich bilden mag, dann wuchs sie zu außerordentlicher Größe. Die Leistengegend war ganz voll (von Eiter oder Blut), und alles war aufgebläht. Auch Der Gott ist wohl Apollo; die "mysische Ebene" ist wohl = 'Apias Pedion' s. Hirschfeld, RE I 2 (1894) Sp. 2801. - Behr (Loeb-Ausg. des Aristides Bd. I S. XVI) stellt in einer Konjektur her: i:v Öa1teÖOl~ [A1t{ol~l: zu einer Weihinschrift des Aristides aus Hadrianutherai, veröffentl. von Wiegand, Reisen in Mysien (= Mitteil. d. Archäol. Inst. Athen. Abt. 29, 1904, S. 208). 109 vgl. Plat. Sympos. 223d. 110 "Dr. R. Leclerq in Michenaud-Dierkens, Les Reves dans les Discours Sacres, p. 109 diagnosed this as an omen tal hernia, later strangulated. Possibly true. For unlike most . such ills, it apparently can cure itself." Behr, Übers. S. 428 Anm. 89. 111 Etwa Okt.-Jan. 148 n. ehr. 112 "aus dem Bast der Papyrusstaude gefertigt": Herod. 2, 37, 3. III Seit der Zeit der Diadochen verbreitete sich der Kult des Asklepios auch weit im hellenisierten Osten. Diese Orientalisierung hatte andererseits auch Rückwirkungen auf Kleinasien und Griechenland, wie in Pergamon, wo die Priester ägyptische Sandalen trugen, oder in Epidauros,wo Hygieia, ApolIon und Asklepios sogar den Beinamen "die Ägypter" trugen; vgl. Edelst. I test. 739, 6. u. 11 S. 252 u. Anm. 7. 108
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waren schreckliche Schmerzen damit verbunden und mehrtägiges Fieber. Jetzt erhoben die Ärzte von allen Seiten ihre Stimmen, die einen, man solle schneiden, die anderen, man solle mit ätzenden Mitteln eingreifen, sonst müsse 63 ich durchaus an innerer Vereiterung zugrunde gehen. Der Gott jedoch gab das entgegengesetzte Urteil ab: aushalten und die Geschwulst ausreifen lassen. Und natürlich gab es keine Wahl zwischen dem Gehorsam gegen die Ärzte oder gegen den Gott ll4 • Die Geschwulst nahm noch bedeutend zu, und es war große Not. Von meinen Freunden bewunderten die einen meine Standhaftigkeit, die anderen machten mir Vorwürfe, weil ich alles zu sehr auf die Träume setze. Einige aber beschuldigten mich sogar der Feigheit, weil ich mich weder dem Messer darbiete noch auch Arzneien zuließ. Der Gott aber widerstrebte beständig, indem er befahl, das gegenwärtige Leiden zu ertragen, denn es sei gewiß zum Heil. Die Quellen dieses Ausflusses seien nämlich oben, diese 64 Gärtner aber verstünden nicht, wohin man die Kanäle leiten müsse. Nun aber ging es wundersam zu. Es verflossen nämlich etwa vier Monate dieser Lebensweise. Während dieser Zeit waren Kopfund der obere Darmtrakt so leicht, wie man es sich nur wünschen mag, und dabei war die reinste Festversammlung in meinem Hause. Denn meine Freunde, die Spitzen der damaligen hellenischen Welt, kamen immer zu Besuch und wohnten meinen Vorträgen bei, wobei ich 65 meine Redekämpfe geradewegs vom Bett aus f1.ihrte. Es wurden mir dabei auch mancherlei seltsame Leistungen auferlegt ll5 • Eine, deren ich mich entsinne, ist ein Lauf, den ich barfuß in der Winterzeit machen mußte, und wieder ein Ritt, die schwierigste Aufgabe ll6 • Und auch an folgendes erinnere ich mich: während im Hafen J17 unter dem Südweststurm hoher Wellengang war und die Schiffe hinund hergestoßen wurden, mußte ich zum jenseitigen Ufer hinübersegeln, etwas Honig und Eicheln essen und mich dann erbrechen, was dann in der Tat eine vollständige Reinigung bewirkte. Alles das wurde ausgef1.ihrt, während die Entzündung (der Geschwulst) auf dem Höhepunkt war und sich sogar bis zum 66 Nabel hinaufzog. Zum Schluß aber machte der Heiland in derselben Nacht mir und meinem Erzieher - Zosimos war damals noch am Leben - dieselbe Eröffnung, so daß ich jenem einen Boten schickte, um ihm mitzuteilen, was der Gott 114
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Herzog, Wunderheil. S. 84 W 48 weist auf eine Parallele aus Epidauros hin. Auch dort ist rur die Ärzte das Schneiden des Geschwürs das übliche Mittel, während der Gott davon abrät, und auch dort fallt die Entscheidung zu Gunsten des Gottes. In seiner "Ansprache an Asklepios" (Edelst. I test. 317, 8) zählt Aristides eine Reihe solcher "paradoxen" Vorschriften auf, wie z. B. nackt im kalten Wasser baden, wo Wärme notwendig schien, lange Märsche bei hoffnungsloser Bettlägerigkeit, unsägliche Purgationen bei ständigem Fasten, Reden und Schreiben bei äußerster Atemnot. Diese Kuren wurden in den Heil. Berichten teils schon erwähnt (I 59), teils begegnen sie noch in den späteren Büchern, z. B. II 78ff. "Reiten oder kalte Bäder oder Barfußlaufen" gehörten aber nach dem Zeugnis des Mark Aurel zu den häufigen Vorschriften des Asklepios (Edelst. I test. 407). Ähnliches berichten auch Galen und die Tafeln der Wunderheilungen von Epidauros (Edelst. I test. 423, 37; s. auch Edelst. II S. 154 und unten II 19ff.). Von Smyrna.
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gesagt habe, er selber aber diesem begegnete, um mir mitzuteilen, was er von dem Gott vernommen hatte. Es war aber ein Heilmittel, an dessen einzelne Bestandteile ich mich nicht erinnere, außer daß Salz darunter war. Als wir es aufgestreut hatten, ging von der Geschwulst schnell das meiste ab, und mit Tages67 anbruch waren die Freunde da, freudig und ungläubig zugleich. Von jetzt an hörten die Ärzte mit ihren Vorwürfen aufund erkannten in allen Einzelheiten voll Staunen die wunderbare Fürsorge des Gottes und daß es demnach doch ein anderes Leiden gewesen war, das Er aufverborgene Weise heilte. Sie überlegten aber hin und her, wie das (durch die verschwundene Geschwulst) entstandene Loch wieder in Ordnung kommen könne. Jetzt jedenfalls, meinten sie, sei es notwendig zu schneiden, denn auf andere Weise sei es unmöglich, daß der frühere Zustand sich wiederherstelle. Und von mir verlangten sie, daß ich einwillige, denn die Anordnungen des Gottes seien ja nun jedenfalls ausgeftihrt. 68 Dieser aber gestand· ihnen nicht einmal das zu, sondern obwohl der Abszeß erstaunlich groß war und die ganze Haut zerstört schien, verordnete Er, ein Ei daraufzustreichen, und so vollbrachte er die Heilung und zog alles in einer Weise zusammen, daß schon nach wenigen Tagen niemand imstande war aufzufinden, an welchem Schenkel die Geschwulst gewesen war, sondern beide waren völlig glatt. 69 Dieser Zosimos war derselbe, dem einige Zeit danach eine große Gnade von dem Gott widerfuhr. Das ging so zu. Wir reisten durch Mysien nach Pergamon 118 ; da mich aber ein Traum auf dem Wege zurückhielt, verweilte ich meh~ere Tage hindurch, wobei sich mir immer dasselbe Gesicht darbot. Jener eilte inzwischen zurück nach einem meiner Landgüter, wo etwas zu besorgen war, und bald darauf lag er krank. Aber auch mir begegnete es, daß ich mit meinem Magen und Gaumen, meinem ganzen Kopfund überhaupt dem ganzen Leib so (übel) daran war, daß es zum Äußersten kam und ich gar keine Nahrung Zu mir nehmen konnte und (alles), was ich zu mir nahm, sogleich verdarb und der Atem mir 70 fehlte und die Kräfte ausgegangen waren. Wir waren aber ungef1ihr 120 Stadien weit voneinander entfernt ll9 • So kam es, daß wir durch die Nachrichten, die jeder von uns auf seine Erkundigungen nach dem Befinden des anderen erhielt, uns 71 weit mehr bedrückt ftihlten als durch das eigene Leiden. Als mir nun der Gott erschien, griff ich, abwechselnd die beiden Hände ausstreckend, ihm an das Haupt l20 , und als ich ihn gefaßt hatte, flehte ich, er möge mir Zosimos am Leben erhalten. Der Gott hob versagend sein Haupt l2l • Noch einmal griff ich ebenso nach ihm und flehte um Gewährung. Und wieder hob er das Haupt. Zum dritten Mal griff ich zu und versuchte, ihn zur Gewährung zu bestimmen. Er hob weder das Haupt, noch senkte er es, sondern hielt es unbewegt und sprach zu mir 118 119
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S. dazu eine Orts- und Wegekarte bei Behr (hinter S. 6). Das ist die Entfernung von Hadrianutherai zu dem nördlich davon gelegenen Landgut Laneion, s. Behr 6 Anm. 8b. Sonst faßt der Bittflehende die Knie des Gottes. "In Griechenland und Italien ist die Gebärde die üblichste Form der Verneinung", C. SittI, Die Gebärden der Griechen und Römer, Lpz. 1890, S. 82.
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gewisse Worte, die man unter solchen Umständen sagen muß, da sie Erftillung verheißen. Ich habe sie im Gedächtnis, doch glaube ich, sie nicht ohne weiteres öffentlich mitteilen zu dürfen. Ihr Sinn war jedenfalls, es werde mit diesem Bescheid genug sein. Eines der Worte lautete: "Behüte (ihn)!" Wie erging es ihm nun darauf weiter? Fürs erste stand Zosimos aus dieser Krankheit unerwartet wieder auf und nach einer durch Gerstenschleim und Linsen bewirkten Leibesreinigung, wie mir der Gott über ihn vorausgesagt hatte. Dann lebte er noch vier Monate lang, so daß wir miteinander zusammenkamen und gemeinsam Feste feierten, weil auch mir von dem Gotte reiche und andauernde und mit wunderbaren Umständen verbundene Hilfe zuteil geworden war. Ein Beispiel daftir war, daß ich, einer Ohnmacht nahe und völlig hilflos, ein Gedicht machte auf die Hochzeit der Koronis und die Geburt des Gottes 122 , indem ich die Strophen bis zur allergrößten Länge ausdehnte. Und diese Verse machte ich in voller Ruhe und innerer Sammlung, und dabei waren alle Widerwärtigkeiten vergessen. Ja auch Klistier wurde mir verordnet, so daß der Arzt, der meine Abmagerung und Schwäche sah, nicht wagte, es anzuwenden, sondern glaubte, damit würde er sozusagen zu meinem Mörder. Aber ich überredete ihn dazu mit Mühe, und sogleich erholte ich mich. Zur Nahrung aber verordnete Er mir wilde Kräuter, die meiner Verdauung und Kraft wieder etwas aufhalfen. Das also ging so. Zosimos aber wurde von allen glücklich gepriesen und wußte sich selber kaum zu fassen, voll Dankbarkeit gegen den Gott wegen seiner Fürsorge und gegen mich wegen meines Beistandes. Und ich meine, er hätte noch längere Zeit am Leben bleiben können, wenn ihm nicht eine eigene edle Tat verhängnisvoll geworden wäre. Als er nämlich erfuhr, daß einer meiner Diener, und zwar einer der besonders tüchtigen, krank sei, machte er sich im Winter auf den Weg, 40 Stadien weit, um nach ihm zu sehen und nach Vermögen zu helfen; er war nämlich auch ein guter Arzt. Er stürzte jedoch bei tiefem Schnee und großer Kälte aus dem Wagen, und nachdem er viel Schlimmes erduldet und seinen Weg hin und her zurückgelegt hatte, fiel er abermals in eine sehr schwere Krankheit, so daß er anfangs gar nicht wagte, mir irgendeine Nachricht von dem ihm widerfahrenen Mißgeschick zu senden, und ich, auf die Kunde davon, ihn nicht besuchte, aus Ärger darüber, daß ich ihn nicht überredet hatte. Denn in der vorangehenden Nacht hatte ich folgendes Traumgesicht gehabt: es war mir, als sage der Tempelwärter Asklepiakos zu mir: "Zosimos sollte sich wieder erholen, solange es möglich ist". Auf Grund diyses Traumes wollte ich nicht zulassen, daß er ausgehe, als die Botschaft über meinen Diener eintraf. Er aber gehorchte nicht und ging und zog sich damit den Tod zu. So ist sein längeres Leben ein Gnadengeschenk des Gottes gewesen, der in der Tat ihn mir behütete 123 , sein 122
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Koronis ist die Mutter des Asklepios. Der Vater ApolIon entreißt seinen Sohn dem Schoß der Mutter, als diese bereits tot auf dem Scheiterhaufen liegt; vgJ. Pind. Pyth. 3, 5ff. und Ovid, Metam. 2, 542 ff. - Anscheinend wurden die Hochzeit der Koronis und die Geburt des Asklepios auch in Kultspielen dargestellt, s. Edelst. II S. 213 u. Anm. 20. Offenbar bewußte Wiederholung des Schlußwortes von § 71.
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Ende aber fand er, weil er trotz der Offenbarung ausging. Und die Zeichen, die mir anfangs von dem Gott gegeben worden waren, als ich flehend nach seinem Haupte griff, erhielten damit ihre Erfüllung. Ferner hat Er meine alte Amme, die ich über alles liebte - Philumene hieß sie -, tausendmal unverhofft gerettet und einmal dadurch vom Krankenbett erstehen lassen, daß er mich von Pergamon fortgehen hieß mit der Verheißung, ich würde auch meiner Amme Erleichterung bringen. Zugleich bekam ich auch einen Brief in die Hand, der auf dem Boden vor den Füßen des Zeus Asklepios lag, den ich als bedeutsames Zeichen gelten ließ. Darin fand ich fast bis aufs Wort alle Einzelheiten beschrieben. So ging ich in großer Freude weg. Und ich fand meine Amme so widerstandsfähig, daß sie mich bei meinem Besuch erkannte. Und als sie mich erkannte, schrie sie auf und erhob sich bald darauf vom Bett.
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Wohlan, auch die weiter zurückliegenden Ereignisse wollen wir ins Gedächtnis zurückrufen, soweit es in unserem Vermögen steht. Es sind Dinge, von denen zu schreiben mir anfangs gar nicht in den Sinn gekommen war, weil ich nicht glaubte, daß ich überleben würde, und nachher ließ das geschilderte körperliche Befinden mir keine Muße dafür. Als dann wiederum längere Zeit verstrichen war, schien es eine unlösbare Aufgabe zu sein, die einzelnen Vorkommnisse ins Gedächtnis zurückzurufen und genau zu beschreiben. Dann sei es besser, ganz zu schweigen als solche Großtaten unwürdig darzustellen. Es wurden auch manche Entschuldigungen darüber von mir an den Gott gerichtet und an meine Freunde, die immer baten, ich solle darüber mit Wort und Schrift Auskunft geben. Jetzt aber, so viele Jahre und Zeitläufe später!, zwingen uns Traumgesichte, diese Dinge irgendwie an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich darf jedoch soviel sagen, daß gleich von Anfang an mir der Gott die Weisung gab, die. Träume aufzuschreiben2 • Und es war das sein erster Auftrag. Ich habe aber die Niederschrift der Träume, wenn ich nicht imstande war, sie eigenhändig zu machen, durch Diktieren zustandegebrache. Doch habe ich weder die Umstände beigefügt, unter denen ich die einzelnen Träume empfing, noch Angaben über ihre Erfüllung gemacht, sondern es genügte mir, dem Gott gegenüber sozusagen mein Gewissen zu entlasten, einmal wegen der erwähnten körperlichen Schwäche und zugleich auch, weil ich niemals hätte erwarten können, daß der Gott so weitgehende Fürsorge werde walten lassen. Aber auch Adrasteia4so11 gemeinsam mit ihm von mir angerufen sein. Ich sah mich aber auch sozusagen in Verlegenheit gesetzt durch den Umstand, daß ich nicht vom ersten Anfang an alles aufgeschrieben hatte, und darum verzichtete ich auch auf das übrige, mehr oder weniger unfreiwillig. Ich fand aber andere Wege der Dankbezeigung gegen den Gott, denn ich glaube, daß ja nicht weniger als dreihunderttausend Zeilen
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Im Jahre 170/1 ne. Zu diesem Zeitpunkt vgl. § 7. Auch in Nr. 36, 1 (Keil) ist vom Diktieren die Rede und in V 66 nennt Aristides den Schreiber 'Eudoxos' mit Namen. Die 'Unentrinnbare' galt als Verkörperung der vergeltenden Gerechtigkeit und des Schicksals. - Der Sinn der Anrufung ist hier eindeutig apotropäisch, vergleichbar unserem "Unberufen", wenn man etwas Prahlerisches oder Geflihrliches gesagt hat. So fügt Aristides in 21, 12 (Keil) einem überschwenglichen Preis der wiederaufgebauten Stadt Smyrna gleich bei: "Ich rufe aber Adrasteia an". - Ähnliche Anrufungen kommen bei Lukian und vielen spätgriechischen Autoren bis Libanios (z. B. ep. 283, 2F) sehr häufig vor.
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der Niederschrift s vorliegen. Aber natürlich ist es weder leicht sie durchzugehen, noch sie in die richtige zeitliche Ordnung zu bringen. Zudem ist auch manches verstreut worden durch vielerlei Zerstörung und das Durcheinander, die injenen 6 4 Zeiten in meinem Hause herrschten • So bleibt mir nur übrig, die Hauptsachen zu berichten, indem ich bald hierher bald dorther die Erinnerung auffrische, so wie der Gott mich führt und treibt. Wir rufen ihn zu Hilfe auch zu diesem Unternehmen wie zu allen anderen. Gewiß darf er ja auch zu allem gerufen werden? so gut wie irgend einer von den Göttern. Als ich aus Italien (zu Schiff) nach Hause gebracht wurdeS, hatte ich mir durch die fortwährenden Krankheitsschmerzen und Unwetter, die ich auf meinem Wege (nach Rom) durch Thrakien und Makedonien 9 zu bestehen hatte, verschiedene schwere körperliche Leiden zugezogen. Ich hatteja schon krank die Heimatl° verlassen. Die Ärzte (in Smyrna) waren nun in großer Verlegenheit, weil sie nicht bloß keine Hilfe für mich wußten, sondern ll 6 nicht einmal meinen ganzen Zustand verstehen konnten . Das Allermiß- • lichste und Bedenklichste von allem waren meine Erstickungsanfälle, bei denen; ich nur unter großer Anstrengung und Hoffnungslosigkeit dann und wann notdürftig einen Atemzug erzwang, und (die Tatsache), daß beständig Halskrämpfe nebenhergingen, daß ich Anfälle von Schüttelfrost hatte und mehr Decken brauchte,als ich ertragen konnte. Obendrein hatte ich unsägliche andere 7 Beschwerden. So glaubte man denn, ich müsse die "Warmen Bäder"12 . brauchen, ob sie mir etwa Erleichterung verschaffen oder das Klima irgend wie l.LUptUöac; ye btwv OUX eAa't''t'ov il 't'puxxoV't'a ... 't'fjc; omoypa
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erträglicher machen könnten. Denn es war schon Winter,und die Entfernung von der Stadt (Smyrna) ist nicht groß 13 • Da nun begann der Heiland zum ersten Mal mit seinen Offenbarungen l4 • Und er befahl mir, barfuß auszugehen. Und so rief ich denn im Traum, als wenn ich im Wachzustand wäre l5 , und nach Erfüllung des Traumes: "Groß ist Asklepios!16 Der Befehl ist ausgeführt". Das glaubte ich im Vorwärtsschreiten zu rufen. Hernach Einladung (des Gottes) und Reise von Smyrna nach Pergamon mit guter Schicksalsfügung 17 • Das Weitere zu erzählen, geht über menschliches Vermögen, doch muß ich versuchen, so wie ich es mir vorgenommen habe l8 , einiges davon kurz zusammengefaßt zu berichten. Will aber jemand den genauen Hergang der von dem Gott an mir vollbrachten Taten kennenlernen, dar).ll ist es Zeit für ihn, die Pergamente zu suchen und die Traumberichte selber. Er wird darin Heilmittel jeglicher Art finden und einige Unterredungen und umfangreiche Reden und allerlei Erscheinungen und Prophezeiungen und Orakel jeder Art über die verschiedensten Gegenstände, teils in prosaischer teils in metrischer Fassung, alles zu unbeschreiblicher Dank9 barkeit gegen den Gott verpflichtend. Jetzt aber wollen wir da irgendwo mit der Erzählung beginnen, wie nach unserer Ankunft im Heiligtum in der ersten der Nächte der Gott meinem Erzieher l9 in der Gestalt des Salvius, des jetzigen Konsuls 20 , erschien. Doch wer Salvius sei, wußten wir damals noch nicht. Er aber wartete umjene Zeit auf den Gote l . In dessen Gestalt eben, berichtete mir mein Erzieher, habe der Gott mit ihm eine Unterhaltung geführt über meine Berichte Nach Philostr. Heroic. 23, 30 (160) S. 27, Z. 15 ed. Lannoy, Lpz. 1977, beträgt sie 40 Stadien (= knapp 8 km). 14 Etwa Dez. 144 nC. 15 Zu dieser Unterscheidung vgl. Behr 192 (mit Literaturangaben). 16 In 11 21 erschallt dieser 'vielgesungene Ruf von Zeugen eines 'Wunders' des Asklepios an Aristides, s. dazu Edelst. 11 S. 193 u. Anm. 8. Auch inschriftlich ist dieser 'Ruf im Asklepieion bezeugt: s. Altert. v. Perg. 8, 3 S. 129 Nr. 114. Vielleicht ist (wie Habicht a. O. vermutet) "der offenkundig sehr späte Text als Protest gegen das sich ausbreitende Christentum zu verstehen ... , das jedenfalls auch im Asklepieion Fuß gefaßt hat"; ebd. weitere Inschriften u. Literatur zu dieser Frage. - Man erinnert sich dabei der aus der Apg. 19, 28 u. 34 bekannten Szene in Ephesos, wo alle Bewohner der Stadt fast zwei Stunden lang im Theater schreien: "Groß ist die Artemis von Ephesos!" - Die Acta Apostolorum Apocrypha zeigen, wie sich diese Tradition auch in christlichen Zeiten fortsetzt. Beispiele dafür finden sich in großer Zahl bei E. Peterson, Et~ ee6~, Göttingen 1926, in dem Kapitel 'Die f.!eya~-Formel' S. 196-212. 17 Mit dieser Übersiedlung nach Pergamon im Sommer 145 nC. beginnt die große Wende im Leben des Aristides. 18 Vgl. § 4. 19 Wahrscheinlich Zosimos (so auch Behr 41) oder Epagathos (so Keil unter Hinweis auf IV 54). 20 P. Salvius Julianus war Konsul i. J. 175 nC. - Behr (Übers. S. 429 nr. 18) entscheidet sich für: L. Salvius Julianus, Konsul i. J. 148 nC. und konjiziert deshalb an Stelle von 'tou vuv lma'tou (des jetzigen Konsuls: 'tOU 'twv ima'twv = 'a man of consular rank'. Die sich daraus ergebenden Probleme erörtert Behr a. O. ausführlich. 21 Als Kranker und im Tempelschlaf Heilung Suchender. 13
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und neben anderen Bemerkungen, denke ich, auch die gemacht, daß er ihnen seine Billigung gebe, indem er sie so benannte: "Heilige Berichte". Darüber soviel. Darauf aber bot er mir selbst seine Heilmittel dar. Das erste davon war, soweit ich mich erinnere, der Balsamsaft, den er als Gabe des Telesphoros22 in Pergamon bezeichnete. Man mußte sich mit ihm im Bade salben, wenn man vom warmen Wasser ins kalte hinüberging. Weiter gewisse Seifen, aus einem Gemisch von Rosinen und anderen Ingredienzien bereitet, und darauftausend andere Dinge, die ich alle notgedrungen übergehe, um nur der wunderlichen zu gedenken. Womit aber sollte einer den Anfang machen, da derselben 'gar mancherlei waren und mir nicht alle im Gedächtnis geblieben sind, unbeschadet des Dankgefühls, das ich dafür empfinde? Er schickte mich nach Chios, indem er sagte, er schicke mich um der Reinigung willen. So machten wir uns auf den Weg nach Smyrna, in großem Unbehagen und überzeugt, daß es ohne Beschützer geschehe und daß wir in Wahrheit die Seereise für uns allein machten, nachdem wir den Tempelbezirk verlassen hatten. Die Verblüffung nun, die alle Leute überkam, als sie mich hier unerwartet erscheinen sahen, wie könnte die einer schildern? Nachdem wir Klazomenaj23 erreicht hatten, meinten wir, wir müßten geradewegs nach Phokaia24 hinüberfahren. Als wir bei den Inseln Drymussa und Pele waren, setzte ein leichter Hauch des Südostwindes ein, und als wir weiter vorwärts kamen, war es schon steifer Südost, und schließlich brach ein gewaltiger Sturrri los. Das Schiff hob sich am Bug und senkte sich auf das Heck und wäre beinahe untergegangen. Dann schlugen von beiden Seiten die Wellen darüber, und es wurde hinausgetrieben gegen die offene See. Schweiß und Tumult der Matrosen und alle möglichen Rufe der Passagiere, denn auch von meinen Freunden machten mehrere die Seereise mieS. mir aber genügte das eine Wort: ,,0 Asklepios!"26. Nachdem wir viele wechselnde Gefahren überstanden und schließlich an der Landungsstelle tausendmal gewendet hatten und nachdem wir zurückgeworfen den Zuschauern ein sehr beängstigendes Schauspiel geboten hatten, durften wir froh sein, mit knapper Not noch davonzukommen. 22 Telesphoros, erst später in den Kult des Asklepios (wohl als sein Sohn) eingeführt, war bes. für Aristides eine wichtige Heilgottheit (vgl. z. B. II 27. III 21ff. usw.). - Nach Aristides (lII 21) hatte er einen 'Tempel' in Pergamon, d. h. wohl eher eine 'aedicula' im Tempel der Hygieia. Seinem Namen nach ist er wohl 'der Erfüllung Bringende', d. h. Erfüllung der im Traume angekündigten Heilversprechen und Orakel; s. Behr 153 und Schwenn, RE VAl, 1934, Sp. 387/90. - In der bildenden Kunst wird er oft dargestellt als kleines Kind (Zwerg?) in einem Mantel mit Kapuze zur linken Seite des Asklepios stehend, so z. B. im Museum in Kos; s. auch die Abbildungen 52 und 53 bei Kerenyi, Der göttI. Arzt, Darmst. 1956, S. 89 u. 92. Ebenso ist er wiedergegeben, in einem Schrein stehend, auf einem Münzbild von Mysien; s. Abbild. bei O. Deubner, Das Asklepieion v. Pergamon, Bin. 1938, S. 36. 23 Stadt westlich von Smyrna, am Südufer des breiten Golfes von Smyrna. Dies ist ein Umweg, der die anschließende Seefahrt nötig macht. 24 Stadt am Nordrand des Golfes von Smyrna, die Mutterstadt von Massilia (Marseille). 25 Sie hatten sich ihm wohl in Smyrna angeschlossen. 26 Zu Asklepios als Retter aus Seenot vgl. Herzog, Wunderheil. S. 112 W 56.
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Als aber die Nacht kam, befahl mir der Gott, die Leibesreinigung durchzuführen, indem er die Mittel dazu zeigte. Und sie ging, wie die Sachkundigen erklärten, nicht weniger gründlich vor sich, als wenn ich Nieswurz genommen hätte, daja auch alles von der schweren See in Aufruhr gebracht worden war. Und namentlich gab er mir auch Aufschluß über die ganze Sache: daß es mir nämlich vom Schicksal bestimmt sei, Schiffbruch zu erleiden, und daß ebendarum auch dieser Unfall eingetreten sei und daß ichjetzt um meiner Sicherheit und der gänzlichen Erfüllung des Notwendigen willen einen Nachen im Hafen besteigen und es so einrichten solle, daß der Nachen umkippe und untergehe, ich aber von jemandem, der mich herausziehe, ans Land gebracht werde. Denn darin vollziehe sich dann, was notwendig geschehen müsse. Wir taten das, selbstverständlich mit Freuden. Und natürlich fanden alle den klugen Kunstgritf7 des Schiffbruches, der sich an die bestandene wirkliche Gefahr anschloß, staunenswert. Daran erkannten wir denn auch, daß Er selbst es war, der uns aus der See gerettet hatte. Eine Zugabe aber zu dieser Wohltat war die Reinigung. Daraufhielt Er uns in Phokaia fest, indem er wunderbare Zeichen gab, nicht nur solche, die sich auf meinen Leib bezogen, sondern auch viele, viele andere. So erfuhren wirnamentlich auch so ziemlich im voraus, welche Winde wehen würden, so daß unser Gastgeber Rufus28 - er war der bedeutendste Mann in Phokaia und hatte zudem auch sehr wohl von Asklepios gehört -, so oft er meine Träume hörte, außerordentlich betroffen war, von uns das (Wetter) im Zimmer zu hören, das er draußen verlassen hatte, eher er hereinkam. Auch Milch wurde einmal benötigt auf Befehl des Gottes. Es gab aber noch keine, denn es war der vierte Tag29 im Monat Dystros 3o nach der hier (in Asien) üblichen Bezeichnung. Wir glaubten aber, sie auftreiben zu müssen. Da machte sich Rufus auf den Weg nach dem äußersten Ende eines seiner Landgüter und fand dort ein Schaf, das in ebendieser Nacht gelammt hatte. Er brachte die Milch und gab sie mir. Zum Schluß aber entband uns der Gott von der Seefahrt nach Chios, dadurch daß er mir manche Zeichen und Weisungen gab. Nach all diesen kam es mir auch so vor, als sei das Schiff geborsten und nicht mehr vorhanden. Es gibt aber einen Flecken Gennais, der nicht weit von Phokaia entfernt ist. Dort verordnete er uns einen Aufenthalt von mehreren Tagen in den (warmen) Bädern und führte uns dann nach Smyrna zurück. Nachdem wir nun Smyrna erreicht hatten, erschien er mir in etwa folgender Gestalt: er war Asklepios und zugleich ApolIon, nämlich der
In dieser 'Mogelei' sieht Herzog (Asklep.-Hymn. S. 759 Anm. 7) einen Zug, der an den listenreichen Odysseus erinnert, auf den Aristides mehrfach in den Heil. Berichten anspielt; s. auch n 27 Anm. 51. Wahrscheinich Flavius Rufus. Den Stammbaum dieser Familie der Flavii, die z. T. bedeutende Ämter in der römischen Verwaltung innehatten, stellt Behr 70 n. 39 auf. Überliefert ist: n:~pa~ E7t1 öexa = 'der vierzehnte'. Behr konjiziert: ~e~ap~'t] und begründet dies 70 n. 40 u. Übers. S. 429 n. 29. Konjektur von Keil statt des überlieferten Aeu~tpou. Der Monat Dystros entspricht dem 'Lenaion' (s. I 29). Der angegebene Tag ist also der 27. Jan.
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Klarische31 und der in Pergamon Kalliteknos32 genannte, dem der erste der drei dortigen Tempel 33 geweiht ist. In dieser Gestalt stand er vor meinem Bett, streckte die Finger aus, rechnet an ihnen einige Zeitspannen ab und sagte: "Zehn Jahre hast du von mir und drei von Sarapis"3\ und zur gleichen Zeit stellten sich durch die Stellung der Finger die dreizehn als siebzehn dar 5, das aber sei kein Traum, sondern ein Wacherlebnis 36, und ich würde das auch selbst erkennen. 31 Klaros, Ort bei Kolophon mit altem Kult und Orakel, stand in der Kaiserzeit in höchstem Ansehen; s. auch III 38. - Die Ruinen sind in imposanter Weise wohlerhalten und von Louis Robert wieder freigelegt. 32 'mit einem treillichen Sohn' = Asklepios. 33 Schon Hepding (Philolog. 88, 1933, S. 242) hatte die drei Tempel richtig erklärt. O. Deubner (a. O. S. 35) versucht, sie so zu lokalisieren: "daß auf der südlichen Haupterhebung der Felsbarre im Westen des Heiligtums der Tempel des Soter stand, auf der zerklüfteten nördlichen Zacke der Tempel des ApolIon Kalliteknos, auf der mittleren Plattform der Tempel der Hygieia und der Schrein des Telesphoros". Dazu schreibt Ziegenaus (Altert. v. Perg. 11,2 S. 8): "Deubners Annahme, daß auf der Nordkuppe der Felsbarre der Tempel des ApolIon Kalliteknos stand, läßt sich nicht aufrechterhalten. Er zitiert Aristides [unsere Stelle]. Dieser Satz scheint eindeutig zu sein, trotzdem, der örtliche Befund gibt uns keinen Anhalt daftir, der Äußerung des Aristides Glauben zu schenken. Selbst wenn man annehmen wollte, daß die Nordkuppe ehedem breiter war und ftir einen Tempel Platz bot: zu des Aristides' Zeit kann ein solcher Tempel auf keinen Fall mehr existiert haben". - Aristides erwähnt diese Tempel später noch öfter, doch muß die Frage ihres Standortes (oder gar ihrer Existenz?) offenbleiben. 34 Hier zeigt sich noch der Einfluß von Smyrna mit seinem Kult ägyptischer Gottheiten. 35 Die Literatur über den 'digitorum computus' ist reichhaltig, s. Hommel, RE Suppl. 14, 1974, Sp. 112f. Zu nennen ist vor allem K. Groß, 'Finger', RAC 7,1969, Sp. 915-20. Es heißt dort (Sp. 916): "Beim sog. F. rechnen handelt es sich zunächst um die Darstellung der Zahlen mit den F. nach einem festgelegten System. Darüber handeln ausftihrlich u. zusammenfassend Beda (PL 90, 295/298 ... ) ... Die Einer werden mit dem kleinen, dem Ring- u. Mittel-F., die Zehner mit dem Zeige-F. u. Daumen der linken Hand bezeichnet; die Hunderter mit dem Zeige-F. u. Daumen, die Tausender mit dem kleinen, Ring- u. Mittel-F. der rechten Hand." Dem entsprechen die Abbildungen der Fingerhaltungen auf den Sp. 917f. - Aber die an unserer Stelle vorliegende Verwechslung der Zahlen 13 und 17 läßt sich mit der eben beschriebenen Rechenart m. E. auf gar keine Weise auch nur halbwegs wahrscheinlich machen. Man muß vielmehr, glaube ich, anerkennen, daß es neben dieser weit verbreiteten Zählweise noch andere, nach Orten und Zeiten verschiedene Arten des Fingerrechnens gegeben hat. Und eine solche scheint z. B. bei einem geschilderten Irrtum in der Zeichensprache ftirs Rechnen (computationis gestu errasse) bei Apuleius, apo!. 89 (S. 99, 4ff. Helm) vorzuliegen. R. Wünsch hat (unter Zustimmung mehrerer Apuleiuskommentatoren) daraus erschlossen, "daß die Einer an der einen, die Fünfer oder Zehner an der anderen Hand, gezählt wurden" - zitiert bei: A. Abt, die Apologie des Apuleius ... , RVVIV 1,1908, S. 317f. So nimmt auch Behr (71 n. 41) an, daß an unserer Stelle die Verwechslung dadurch ermöglicht wurde, daß man an der einen Hand die Einer, an der anderen die Fünfer zählte. Drei Finger an der einen Hand und zwei an der anderen können also gedeutet werden als: 3 + 10 oder als 15 + 2. - Zur späteren Erftillung dieser Voraussage s. unten II 37-43 und V 24f. 36 Zitat aus Homer, Od. 19, 547.
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Zugleich befahl er mir, ich solle in den vor der Stadt vorbeifließenden Fluß 37 hinabsteigen und ein Bad nehmen. Als Führer werde mir ein Knabe vorausgehen, und dabei zeigte er (mir) diesen Knaben. Dies ist die Hauptsache der göttlichen Erscheinung. Ich würde alles darum geben, wenn ich auch alle Einzelheiten genau schildern könnte. Es war mitten im Winter und bei schwarzem Himmel Nordwind und eisige Kälte. Die Steinchen waren vom Frost so fest miteinander verkittet, daß es aussah wie zusammenhängendes Eis, und das Wasser war so, wie sich bei solcher Lufttemperatur denken läßt. Als die Geschichte von der Erscheinung des Gottes bekannt geworden war, begleiteten uns die Freunde und von den Ärzten außer den Bekannten auch andere, teils weil sie in schwerer Sorge waren, teils auch zum Zwecke der (wissenschaftlichen) Beobachtung. Aber auch sehr viele andere Leute kamen dazu. Zufällig fand nämlich gerade eine Gabenverteilung vor dem Tore state8 • Und man konnte alles von der Brücke aus sehen. Unter anderen war da auch ein Arzt Herakleon 39 , ein Freund von uns, der mir am folgenden Tage gestand, er sei hinausgegangen in der festen Überzeugung, wenn ich recht gut wegkäme, würde ich mir Opisthotonus40 oder ein anderes derartiges Leiden zuziehen. Als wir an den Fluß gekommen waren, brauchte ich keinen Zuspruch, sondern noch voll der Glut, in die mich der Anblick des Gottes versetzt hatte, warf ich die Kleider von mir, verlangte nicht 1 einmal eine Massage und eilte auf die tiefste SteHe des Flusses zu. Dann ließ ich \ mir behaglich Zeit wie in einem Schwimmbad mit wohl temperiertem Wasser, f schwamm darin und spülte mich gründlich ab. Als ich herauskam, hatte meine \. ganze Haut eine rosige Farbe, ich fühlte mich am ganzen Körper leicht,und laut erscholl immer wieder von den Anwesenden und Hinzukommenden der vielgesungene Ruf: "Groß ist Asklepios!" Was weiter folgte, wie ließe sich das beschreiben? Den ganzen Rest des Tages bis zum Schlafengehen behielt ich das Wohlgefühl, das auf das Bad gefolgt war. Auch merkte ich weder, daß mein Leib trockener, noch daß er feuchter geworden wäre. Die Wärme ließ um nichts nach, noch steigerte sie sich, und diese Wärme war nicht von der Art, wie sie jemand auch als Folge menschlicher Maßnahmen haben mag, sondern ein fortwährendes 37
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Der Fluß Meles wird von Aristides oft erwähnt und beschrieben, bes. in den Smyrnareden (17, 14-16. 19-21; 18,9; 21, 8. 14-15); s. Bürchner, RE lIlA Sp. 744, 748f. Herzog, Asklep.-Hymn. S. 768/9, hat einen Hymnos auf den Fluß Meles, der bei diesem gefunden wurde, ('Ich preise den Gott Meles, meinen Retter, Von aller Pest und Übel nun befreit ... ') dem Aristides als Verfasser zugeschrieben; ebd. S. 762 hat er alle von Aristides erwähnten Flußbäder zusammengestellt und interpretiert. Eines reichen Mannes, wie das damals üblich war; zum Anwachsen privater Wohltätigkeit in der Spätantike vgl. Edelst. II S. 178. Sonst unbekannt. Celsus, de medic. 4, 6 zählt 3 Formen des Halsstarrkrampfes auf: "üpisthotonus, Emprosthotonus, Tetanus. Beim ersten wird der Kopf gegen die Schulterblätter gezogen, beim zweiten das Kinn gegen die Brust, beim dritten bleibt der Hals gerade und unbeweglich. Einige weniger genaue Ärzte brauchen diese Namen ohne Unterschied für alle genannten Formen. Sie führen oft innerhalb von 4 Tagen zum Tod; dauern sie länger, so sind sie ohne Gefahr" (so auch Hipp. aph. 5, 6).
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mildes Glühen, das sich durch den ganzen Leib und die ganze Haue l gleich2yfmäßig stärkend verbreitete. Ähnlich war aber auch meine Gemütsverfassung42 • Denn sie war nicht von der Art einer ausgesprochenen Lustempfindung, noch hätte man sie mit menschlicher Fröhlichkeit vergleichen mögen, sondern es war eine unaussprechliche Heiterkeit des Gemütes, die alles gegenüber dem gegenwärtigen Augenblick als zweitrangig erscheinen ließ, so daß ich die anderen Dinge, die ich sah, mir gar nicht bewußt war zu sehen. So war" mein 24, ganzes Ich bei dem Gotte. Doch von hier an bleibt es dir, 0 Herr, anheimgestellt, mir zu zeigen und einzugeben, welche Reihenfolge ich in meiner Erzäh°1' lung einhalten und welchen Weg ich einschlagen soll, um dir zu gefallen und in meinem Bericht am besten vorwärtszukommen. Soll ich etwa, nachdem ich einmal des Flusses, des strengen Winters und des Bades gedacht habe, hieran anderes von derselben Art anschließen und gleichsam ein Verzeichnis meiner winterlichen und doch zugleich göttlichen Bäder aufstellen, oder soll ich diesen Zusammenhang unterbrechen und einiges Dazwischenliegende erzählen, oder ist es das beste, auch alles Dazwischenliegende zu überspringen und das zuerst angeschlagene Thema 43 mit einem Abschluß zu versehen, was es mit der Prophe25 t zeiung über meine Jahre auf sich hatte und welchen Verlauf alles nahm? Es hat . ja doch der Gott mir auch viele andere Zeichen gegeben, denjeweils drohenden Gefahren mich entreißend, die scharenweise in jeder Nacht und anjedem Tage sich erhoben, bald in dieser Gestalt angreifend, bald in jener, dann auch in derselben Gestalt wiederkehrend, wobeijedesmal, wenn eine wich, andere ihren , Platz einnahmen. All dem gegenüber kamen Abwehrmittel seitens des Gottes in Wirkung und allerlei Trost mit Wort und Tat. Namentlich an eines erinnere ich 26 mich, das Er einst vollbrachte 44, nämlich folgendes: Er sagte, auf den dritten Tag müsse es (mit mir) zu Ende gehen und das sei notwendig so. Und zugleich gab er mir bedeutsame Zeichen mit Angaben über die Verhältnisse des nächsten Tages: das Wetter, wie es sein werde, den Fuhrmann45 , wo er aufgehen werde, 27 und anderes, was als Wahrheitsbeweis diente. Aber ich müsse es so machen: zuerst den Wagen besteigen, um an den die Stadt durchströmenden Fluß 46 zu kommen, an der Stelle aber, wo dieser die Stadt verläßt, heilige Grubenopfer dieses Wort brauchte er dafür - darbringen. Ich mußte also Gruben ausheben und über ihnen die Opfer den dafür in Betracht kommenden Göttern 47 darbringen, darauf mich umkehren, kleine Geldstücke in die Hand nehmen48 ,
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ist Konjektur von Haury; überliefert ist Xpövou. Zu diesem gleichzeitigen körperlichen und seelischen Wohlbefinden s. Behr 164. Vgl. § 18. Ende März 146 n. ehr. in Pergamon, s. Behr 143/4. Ein Sternbild, ausführlich beschrieben bei Arat, Phainom. 155-66. "Der etwa von NW nach SO streichende Höhenzug des Burgberges (von Pergamon) wird im Westen von dem Flusse Selinus ... umklammert": Zschietzschmann, RE 19, 1 Sp. 1242; s. Skizze ebd. Sp. 1243/4. Die chthonischen; s. Edelst. II S. 193. Zu den in Pergamon gebrauchten Münzen s. Orient. Graec. Inscr. SeI., Dittenberger, Lpz. 1903/5, 484.
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den Fluß durchschreiten und sie wegwerfen49 ; und einiges andere noch, glaube ich, befahl er mir außerdem zu tun. Darauf soUte ich in das Heiligtum gehen, um dem Asklepios vollkommene5o Opfer darzubringen und heilige Gefäße aufzustellen und sämtlichen Mitbesuchern des Heiligtums geweihte Anteile (des Opfers) zuzuteilen. Ich müsse aber auch von meinem eigenen Leibe einen Teil abtrennen zur Rettung des ganzen. Doch sei das eine heikle Sache. Das wolle er mir denn auch erlassen. Dafür solle ich den Ring, den ich trug, vom Finger ziehen und dem Telesphoros weihen. Das habe dieselbe Wirkung, wie wenn ich den Finger selbst darangäbe 51 . Auf den Reif des Ringes aber solle ich schreiben: ,,0 Sohn des Kronos"52. Wenn ich das tue, werde mir Heil beschieden sein. 28 Daraufhin kann man sich vorstellen53 , wie mir zu Mute war und welche Harmonie der Gott mir wieder schenkte. Ich erlebte alles fast wie in einem Einweihungsakte5\ indem neben der Angst die frohe Hoffnung mir zur Seite stand. Damit standen in Übereinstimmung und wirkten in derselben Richtung auch die zeitlich späteren Ereignisse, die mich zum Trinken des Wermuts veran29 laßten 55 . Daß es nun injeder Hinsicht schaudererregender und zugleich deutlicher erkennbar ist, wenn man die Gesichte selber in ihrer Reinheit wiedergibt, ist klar, doch ist es notwendig, in den meisten Fällen dem Grundsatz zu folgen, auf den ich mich eingestellt habe 56, und nur Hauptsachen flüchtig zu berühren, 30 wie sie sich eben der Erzählung darbieten. Der eine von den zwei Tempelwärtern hieß Philadelphos57 . Dieser hatte in derselben Nacht das gleiche Traumgesicht wie ich, nur in unbedeutenden Punkten war es verschieden58 . Es schien dem
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Zum Einsammeln durch die Armen; dazu ausführ!. Edelst. 11 S. 178. d. h. makellose, bzw. unter Einhaltung aller Riten vollzogene. "Die Krankheit ist nach bekanntem Glauben in den Ring gebannt und wird mit diesem in die Obhut des Gottes gegeben, der sie nicht wieder in den Finger des Kranken zurückkehren läßt.": Schwenn, RE 5 A 1, Sp. 388. Als solcher gilt Telesphoros, da seine Abstammung über Asklepios, ApolIon und Zeus letztlich auf Kronos zurückgeht. Behr fügt unter Hiweis auf II 49 ein oux ein = "kann man sich nicht vorstellen." Bei der Aufnahme in die Mysterien. s. 11 30. s. 11 4. Sonst unbekannt. Hier berichtet Aristides von einer Traumoffenbarung, die nicht nur ihm, sondern gleichzeitig auch einer anderen Person zuteil wird, bei beiden aber auf denselben Zweck hinzielt. Die gegenseitige Bekanntgabe ruft das Erstaunen der Umstehenden hervor. - Unter dem Titel 'Doppelträume' hat A. Wikenhauser, Biblica 39, Rom 1948, S. 100-11 die schon bekannten und von ihm neu beigebrachten Beispiele (insgesamt 19 aus Antike und MA - angefangen von dem Heilbericht 21 aus Epidauros) als Parallelen zu Apg. 9, 10-16 (Doppeltraum von Ananias-Saulus) und Apg. 10,1-19 (Doppelvision von Kornelius-Petrus) zusammengestellt. Auf S. 106 Nr. 10 hat er diese Aristidesstelle zitiert und auf ihren guten Ausgang (§ 35) hingewiesen. - Übersehen hat Wikenhauser aber, daß derartige 'Doppelträume' noch mehrfach bei Aristides erzählt werden, z. B. I 66 u. II 48; ähnlich auch m· 44. 45.
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Philadelphos - soweit kann "ich mich genau erinnern -, als befände sich im heiligen Theater 9 eine große Menge Menschen, die weiß gekleidet waren60 und auf göttliches Geheiß 61 sich versammelt hatten. Unter ihnen aber stünde ich, hielte eine Rede an das Volk und priese den Gott, von dem ich manche anderen Dinge erzählte, aber auch, wie oft er meinen Lebenslosen eine Wendung (zum Guten) gegeben habe, und so namentlich auch neulich, als er in dem Wermut ein neues Mittel erkannt und mir geboten habe, ihn mit Essig verdünnt zu trinken, damit ich keinen Widerwillen dagegen empfände. Auch von einer heiligen Leiter62 , denke ich, berichtete er mir und von der Gegenwart und erstaunlichen Krafterweisen des Gottes. Das war der Traum des Philadelphos. Mir selber aber begegnete derartiges. Es war mir, als stünde ich in der Vorhalle des Heiligtums6l, aber auch viele andere Personen wären versammelt, wie wenn die Reinigungszeremonie 64 begangen wird. Sie trugen aber weiße Kleider und was sonst noch zu diesem Aussehen paßte. Unter anderen Äußerungen nun, die ich da über den Gott tat, nannte ich ihn auch 'Loszuteiler', in dem Gedanken, daß er den Menschen ihre (Lebens)lose austeile 65 • Das Wort66 ergab sich mir aus meinen eigenen Erfahrungen. Außerdem war mir auch der Wermut auf irgendwelche Weise geoffenbart worden. Diese Offenbarung war aber eine besonders deutliche, wie ja auch abertausend andere Umstände die Gegenwart des Gottes klar erkennen ließen. War es mir doch, als könne ich ihn berühren und seine persönliche Anwesenheit fühlen und befände mich in einem Mittelzustand
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Der bekannte kaiserzeitliche Bau am Westende der Nordhalle des Asklepieions. Seine Proedrie und dreistöckige Bühnenfront sind wieder aufgebaut. s. 11 31 und die Parallelen bei Edelst. Itest. 296, 19. 513, 5 und die Erläuterungen ebd. II S. 150 u. Anm. 19. xa;;&. ;;ov IJeov; Behr übersetzt: "before the god" (by his statue). s. unten III 48 Anm. 88. s. zu 110 Anm. 17. - Über ihren Erbauer, den pergarnenischen Priester, Philosophen und Historiker Claudius Charax, Konsul i. J. 147 ne., s. Behr 27 n. 26. ;;0 [iepov] xaMpatov: Keil hat [iepov] getilgt, wohl mit Recht. - Diese Reinigungszeremonien scheinen hier - wie z. B. auch in Kos - regelmäßig unter großer Beteiligung stattgefunden zu haben; s. dazu Altert. v. Perg. 8,3 S. 181 Anm. 68. - Das Wasser dazu wurde nach dem Zeugnis des Aristides (Rede 39,17) aus der Quelle (im NW des Heiligtums) entnommen. In der "Rede aufZeus" (43,27 Keil) ist es, wie sonst meist bei den Griechen, der Göttervater selbst, der den Menschen ihr 'unentrinnbares Schicksal' zuweist. Behr 158 erklärt mit Recht, daß dieser Name "implies only intercession on behalf an individual", wie sich m. E. aus dem folgenden Satz klar ergibt. f.L 01 POVOJ.1O<; ist anscheinend eine Neubildung des Aristides und nur bei ihm belegt. Dieses Epitheton fehlt in den bisherigen Sammlungen, z. B. C. H. Bruchmann, Epitheta Deorum ... in: Ausf. Lex. d. griech. u. röm. Mytho!. v. W. H. Roscher, Supp!., Lpz. 1893, unter 'Asklepios' S. 52, und ebenso bei G. Wentzel, i:1tlxAfioel<; sive de deorum cognominibus ... , Göttingen 1890, S. 48. Dazu hat schon Norden, Agn. Theos, S. 165 A. 1 bemerkt, daß dessen Liste sich aus Aristides ergänzen lasse; s. auch unten IV Anm.100.
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zwischen Traum und Wachen 67 und mühte mich ab, die Augen aufzureißen, voll Bangens, er möchte vorher entschwinden, halte die Ohren gespannt und erlausche das eine wie im Traum, das andere wie im Wachen. Dazu gesträubte Haare und Freudentränen und eine harmlose Fülle von stolzen Gefühlen68 , und welcher Mensch vermöchte diesen Zustand mit Worten zu beschreiben? Doch 34 wer etwa zu den Eingeweihten gehört, der weiß darum und versteht mich. Als nach diesen Gesichten der Morgen kam, rufe ich den Arzt Theodotos69 . Als er kam, erzählte ich meine Träume. Er bewunderte ihren göttlichen Inhalt, wußte jedoch nicht, was er daraus machen sollte, weil es Winter war und er zugleich auch wegen meiner allzu großen körperlichen Schwäche besorgt war. Denn 35 schon viele Monate lag ich im Zimmer danieder. Wir meinten daher, es sei nicht unangebracht, auch den Tempelwärter Asklepiakos rufen zu lassen. Ich wohnte zu jener Zeit in dessen Haus und war zudem gewohnt, die meisten meiner Träume mit ihm zu besprechen. Der Tempelwärter kam, und kaum hatten wir unsere Rede begonnen, als er auch schon anfing uns zu berichten. "Soeben", sagte er, "komme ich von meinem Kollegen" - damit meinte er den Philadelphos -, "er selber hatte mich auch gerufen. Denn er hatte in der Nacht ein wunderbares Gesicht, das für dich Bedeutung hat". Und so erzählte mir Asklepiakos, was Philadelphos geträumt hatte. Und Philadelphos selber, den wir riefen, erzählte es noch einmal. Weil unsere Träume übereinanderstimmten, benutzte ich nunmehr die Arznei und trank davon gewiß mehr alsje einer zuvor, und auch am folgenden Tage auf die gleiche Weisung des Gottes. Und die Erleichterung, die der Trank brachte, oder seine volle Wirkung, wie könnte 36 jemand sie schildern? Um nun auf den Ausgangspunkt zurückzukommen, wie er meine Lebenslose ordnete, (angesichts der Gefahren, welche mich umgaben)70, (darüber) wurden mir viele andere Weissagungen offenbart, zusammen mit solcher Hilfe, in Träumen, die mir vorher und nachher auf 37 dieselbe Weise begegneten wie diese zwei. Wohlan denn, beenden wir den ersten Bericht und fügen an, was es mit der Prophezeiung über meine Jahre für eine Bewandtnis hatte 7l • Denn daß diese ganze Zeit hindurch nur Er es war, der mich am Leben erhielt und mir einen Tag nach dem anderen schenkte, und weiter, daß auch jetzt noch nur Er es ist, der mich erhält, das wissen gleich mir alle, die auch nur ein klein wenig mit meinen Verhältnissen vertraut sind. Aber nachdem die Zeit der Prophezeiung vorüber war, ereignete sich folgendes. Doch
67 Den Gott kann man nicht im Wachen sehen, sondern nur entweder "im Schlaf" oder "zwischen Schlaf und Wachen"; so der Philosoph Proklos: s. Edelst. I test. 445/6 und Edelst. 11 S. 150 u. Anm. 23. 68 Zu dieser Deutung der Stelle s. Behr 160 Anm. 77. 69 s. I 13 Anm. 24. 70 Die Stelle ist verdorben. Es gibt verschiedene Vorschläge zur Verbesserung. Ich schließe mich dem letzten Versuch von Behr (Übers. S. 430 Nr. 60) an. Die Ergänzung (angesichts - umgaben) ist sinngemäß aus § 30/1 entnommen. 71 s. II 18 tf.
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ich muß ein wenig zurückgreifen. Ich weilte gerade in der Vorstade 2 im Hochsommer, da erfaßte eine seuchenartige Krankheit 73 fast die ganze Nachbarschaft. Von meiner Dienerschaft waren zuerst zwei oder drei krank, dann noch einer und wieder einer, darauflagen alle im Bett, jung und alt. Schließlich packte es auch mich. Die Ärzte kamen wieder und wieder aus der Stadt, und ihre Gehilfen dienten uns als Krankenwärter. Einige von ihnen übernahmen auch selber die Pflege anstelle von Wärtern. Auch das Zugvieh litt unter der Seuche. Und wenn ein Mensch sich (körperlich) anstrengte, so blieb er sogleich (krank oder tot) vor der Haustür liegen. So konnte man unter diesen Umständen nicht einmal mehr leicht eine Schiffahrt unternehmen. Alles war voll Verzagtheit, Wehklagen, Stöhnen und Verdrossenheit jeder Art. Auch in der Stadt waren schreckliche 39 Krankheitsfälle. Eine Zeitlang nun hielt ich mich aufrecht, nicht weniger für das Wohl der anderen sorgend als für mein eigenes. Dann aber nahm die Erkrankung an Heftigkeit zu, und ich wurde von einem schrecklichen vermischten Gallenfieber74 ergriffen, das mich unausgesetzt bei Tag und Nacht quälte. Ich konnte auch keine Nahrung zu mir nehmen, und meine Kraft war gebrochen. Die Ärzte zogen sich allmählich (von der Behandlung) zurück und gaben zuletzt alle
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Als Bürger von Smyrna besaß Aristides nicht nur in der Vorstadt ein Haus (s. auch V 2), sondern auch in der Stadt selbst (111 43). Der Ausdruck v6ao~ A.01f.1.WÖT]~ (zuerst bei Hipp. Acut. 5) ist hier wohl der berühmten Stelle bei Thucyd. 1,23,3 entnommen. - Diese Seuche, über die mehrfach bei Historikern berichtet wird, hatte ihren Ausgang in Seleukia am Tigris genommen, nach dessen Zerstörung (165 n. Chr.) die siegreichen Truppen des Kaisers Verus bei ihrer Rückkehr in den Westen die Seuche bis nach Gallien verschleppten. Sie flackerte bis nach 180 n. Chr. immer wieder aufund ergriff auch Groß- und Kleinviehherden. - In der reichen medizinhistorischen Literatur, die hier nicht aufgeftihrt werden kann, wird sie allgemein als "Pest des Antonin" oder "Pest des Galen" bezeichnet, weil Galen, der sie an verschiedenen Orten erlebte und selbst an ihr erkrankte, sie in vielen seiner Schriften erwähnt. Nach seinen Angaben (s. dazu auch Behr 166 Anm. 13) wird sie heute nicht als 'Pest', sondern (seit H. Haeser, Lehrb. d. Gesch. d. Medizin u. d. epidem. Krankheiten3, Bd. 3, Jena 1882, S. 24-33) fast allgemein als 'Pockenepidemie' diagnostiziert, die mancherorts auch 'Flecktyphus' gewesen sein kann und "hier und da" von "Pestausbrüche(n) begleitet" gewesen sein mag (G. Sticker, Abhdl. aus der Seuchengeschichte u. Seuchenlehre, I. Bd. 1. Teil, Gießen 1908, S. 23). - Die Berichte der Historiker und des Galen sind (außer bei Haeser a. 0.) aufgeftihrt und analysiert von B. M. Lersch, Geschichte d. Volksseuchen, Bin. 1896, S. 23-27. - Galen ist manchmal geneigt, diese Seuche der athen ischen, bei Thukydides beschriebenen, anzugleichen, aber auch diese wird heute meist als 'Typhus' angesehen. - Die Symptome der Erkrankung des Aristides, die im Sommer 165 n. Chr. begann, hat Be?-~lf?~;68 gesammelt dargestellt und auf Grund der Abhdl. von D. W. Dixon, Smallpox, 'London 1962, auf S. 167 u. Anm. 14 so diagnostiziert: "that Aristides suffered from the malignant semiconfluent grade of smallpox, the third degree in seriousness with 25% mortality". Bei den 'vermischten Gallenentzündungen' handelt es sich wohl um ein gleichzeitiges Erkranken an mehreren Gallenfieberarten, über die Galen in seiner Schrift 'Von den verschiedenen Fieberarten' (7, 273 - 405 Kühn) handelt. Vgl. dazu auch G. Sticker, Fieber und Entzündungen bei den Hippokratikern, (Sudhoffs) Archiv f. Geschichte der Medizin 22 (1929) S. 330ff. und 364ff.
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Hoffnung auf,und die Kunde verbreitete sich, es werde mit mir alsbald am Ende sein. Doch immer noch mochte man mit Homer sagen: "Der Geist war kräftig geblieben,m. Ich beobachtete mich genau, so wie ich irgendeinen anderen beobachtet hätte, und bemerkte, wie die körperlichen Kräfte abnahmen, bis es mit mir zumÄußersten gekommen war. So stand es. Ich lag in meinem Bett nach innen gewendee6, doch glaubte ich das nur zu träumen; aber eben das war der erlösende Schluß77 • Ich träumte aber, ich sei nun am Ende meines Schauspiels78 , ziehe die Kothurne aus und wolle dafür die Sandalen meines Vaters79 eintauschen. Als ich damit beschäftigt war, drehte mich plötzlich der Heiland Asklepios im Bette nach außen. Nicht lange danach erscheint Athene mit ihrer Ägis, an Schönheit, Größe und in ihrer ganzen Erscheinung gleich der des Phidias in Athen80 • Es ging aber auch von der Ägis der lieblichste Duft aus,und sie glich (in der Farbe) einem Wachsgebilde, ebenfalls wunderbar an Schönheit und Größe. Mir allein erschien die Göttin, indem sie mir gegenübertrat in einem Abstand, in dem ich sie am besten sehen sollte. Ich wollte sie auch den Anwesenden zeigen - es waren das zwei meiner Freunde und meine Pflegeschwester81 -, indem ich, ihren Namen nennend, lauf rief, Athene stehe mir leibhaftig gegenüber und rede mit mir, und ich versuchte dabei, auf ihre Ägis zu deuten. Sie wußten aber nicht, was sie daraus machen sollten, sondern waren in Verlegenheit und Besorgnis, daß ich eben phantasiere, bis sie erkannten, daß meine Kräfte wiederkehrten, und die Worte vernahmen, die ich von der Göttin vernommen hatte. Was ich davon noch weiß, ist folgendes. Sie erinnerte mich an die Odyssee und sagte, das 82 seien keine Märchen. Auch was jetzt vor sich gehe, müsse als Zeugnis dafür gelten. Ich solle darum standhaft sein. Ich selber sei sicherlich sowohl Odysseus als Telemach und sie müsse mir helfen. Auch anderes dieser Art vernahm ich. So erschien mir die Göttin, tröstete mich und 75 76
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Il. 11, 813. Anscheinend stand das Bett des Aristides an der rechten Zimmerwand,und er lag auf der rechten Körperseite. Das verursacht falsche und wirre Träume, weshalb ihn Asklepios auf die linke Seite dreht. Zur 'falschen' Lage s. Tertull. de anima 48, 1/2 mit den Hinweisen von Waszink in d. komment. Ausgabe (Amsterdam 1947) bes. S. 511. A.6at~: so heißt das Ende des Fiebers, des Lebens und der Tragödie, an deren Ende hier Athena als dea ex machina erscheint; vgl. auch C. Ritter, Platon Ir (München 1923) S. 800 u. 830. Ähnlich fragt der sterbende Augustus seine Freunde, ob "er die Komödie des Lebens bis zum Ende gut gespielt habe", Sueton 2, 99. Sein Vater trug als Priester des (heimischen) Olympischen Zeus wohl die 'ägyptischen' Sandalen (s. I 61). Anscheinend deutet Aristides hier seinen Traum so, als werde er bald seinem verstorbenen Vater nachfolgen. In der Rede 34, 28 (Keil) zählt Aristides drei Athenastatuen des Phidias in Athen auf: die bekannte Elfenbeinstatue im Parthenon, die Bronzestatue der Promachos auf der Akropolis und die 'Lemnia', eine Bronzestatue, die von Kolonisten, die nach Lemnos auswanderten, um 450 auf der Akropolis gestiftet worden war. Kallityche: s. I 45 u. Anm. 88. Ihre vielfältige Hilfe rur Odysseus und Telemach.
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rettete mich wieder zum Leben, da ich doch schon daniederlag und meine Rechnung mit dem Leben völlig abgeschlossen hatte. Sogleich kam mir da auch der Gedanke, ein Klistier von attischem Honig83 anzuwenden, und es kam zur Reinigung der Galle. Nachher kamen Arzneien und Nahrungsmittel, zuerst Leber, ich glaube Gänseleber, nachdem ich einen so großen Widerwillen gegen alle Speisen verspürt hatte, dann etwas vom Schwein, vom Bauchstück. Dann wurde ich in die Stadt gebracht in einem gedeckten und langen Wagen8\ und allmählich wurde ich so mit Mühe und Not wiederhergestellt. Allein vollständig verließ mich das Fieber nicht eher, als bis der treillichste meiner Pflegesöhne gestorben war85 • Es war derselbe Tag, wie ich später erfuhr, an dem jener starb und meine Krankheit völlig verschwand. So hatte ich die Zeit bis dahin von den Göttern als Geschenk erhalten und erwachte danach auch unter Hilfe der Götter zu neuem Leben, und dies war gewissermaßen ein stellvertretendes Opfer. So also ging es mit der Vorhersage hinsichtlich der Jahre (meiner Lebenszeit), der späteren Krankheit, die damit übereinstimmte, und der damit verbundenen göttlichen Erscheinungen. Es dürfte aber vielleicht angemessen sein,jetzt von den Bädern zu reden, die Er mich immer wieder anwenden ließ, seit er schon zu Beginn, zugleich mit der Vorhersage, das Bad im Fluß angeordnet hatte 86 • Dabei hatte ich die Schleimflüsse 87 und die Not mit meinem Gaumen, und alles war voll Rauhreif und Feuer88 • Mein Magenleiden war auf dem Höhepunkt, es gab auch mancherlei andere Beschwerden, und ich hielt mich eingeschlossen zur Sommerzeit. Das begab sich in Pergamon im Hause des Tempelwärters Asklepiakos. Zuerst gab Er den Auftrag, aus der Armbeuge Blut zu entnehmen, und fügte, nach meiner Erinnerung, bei: 120 Litren89 • Das bedeutete natürlich, daß nicht wenige Aderlässe erforderlich sein würden; das aber wurde aus den späteren (Träumen) klar. Denn die Tempelwärter, Leute in so hohem Alter, und alle Verehrer und Angestellte90 des Gottes erklärten einstimmig immer wieder, niemand von allen wisse davon, daß einer so stark zur Ader gelassen worden sei, mit Ausnahme von Ischyron 91 • Sein Fall gehöre jedoch zu den unbegreiflichen 92 • Aber auch so gehe 83
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Eine deutliche Anspielung auf den Traum in II 41, in weichem von 'Athen' und von (Bienen-)'Wachs' die Rede war. - Edelst. II S. 164 Anm. 22 rechnet diesen Traum unter die 'einfachen' mit leicht zu erflillenden medizinischen Anordnungen. Weil Aristides zum Sitzen zu schwach war und liegen mußte (Keil). Namens Hermias; zur Sache vgl. V 25. Vgl. II 18. xc('tappm: Galen unterscheidet sie von x6pu(a (Schnupfen): 7,263 (Kühn). Metaphorisch rur: 'alles war geschwollen und entzündet' (Keil) 1 Litra ist nach Galen (6, 287 Kühn) gleich 1 ital. Kotyle = 1 röm. Hemina "mit dem zu allen Zeiten konstanten Betrage von 0,2736 I" (Viedebantt, RE 8, 1 Sp. 248/9). Das ergibt also 32,8 I. Das ist etwa das Sechsfache der Blutmenge eines Erwachsenen! Über ihre Aufgaben s. Behr 31 Anm. 43. Unbekannt. 1tapaöo~ov: Keil konjiziert 1tapaöo~6'ta'tOv = "völlig unbegreiflich": wohl nicht nötig, vgl. § 10.
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der meinige noch darüber hinaus, abgesehen von den anderen unbegreiflichen Anordnungen, die noch zu den Aderlässen hinzukamen, wie auch eine derartige 48 damals sofort erging. Einen Tag später nämlich, denke ich, oder zwei gab Er wieder den Befehl, man solle aus der Stirn (Blut) ablassen. Ein römischer Senator, der gleichfalls häufig im Tempel weilte, erhielt genau denselben Befehl mit dem Zusatz, das sei auch dem Aristides verordnet worden. Sedatus93 hieß er, ein trefflicher Mann, der mir das selber erzählte. Mitten zwischen diesen Aderlässen verordnete Er mir das Bad im Kaikos94 • Ich mußte meine Wollkleider95 ablegen, mich auf den Weg machen und baden. (Er sagte,) ich würde auch ein Pferd in der Schwemme und den Tempelwärter Asklepiakos am Ufer stehen 49 sehen. Das war vorausverkündet und das traf ein. Noch auf meinem Gang zum Fluß sah ich das Pferd in der Schwemme, und während ich badete, war der Tempelwärter zur Stelle und sah am Ufer stehend zu. Die darauf folgende Erleichterung und Erholung ist rur einen Gott jedenfalls sehr leicht zu erkennen, rur einen Menschen aber ist es nicht eben leicht, sie mit dem Verstand zu fassen 50 oder mit Worten aufzuzeigen. Ein anderes Bad wurde mir ferner in Smyrna verordnet zu Beginn des Winters96 • Ich mußte mich zu den Warmen Quellen begeben, sollte aber nicht das warme Wasser benutzen, sondern den (nahe) vorbeifließenden Fluß. Der ganze Tag war regnerisch und kalt, und der Regen setzte (zwischendurch) nur so lange aus, daß es rur den Weg genügte97 • Und das war das erste Wunder. Es war später Abend, das Bad wurde genommen,und ein 51 scharfer Nordwind wehte mir entgegen. Ähnliches geschah in Pergamon wieder im Winter und bei erstaunlicher Magerkeit meines Leibes, so daß ich lange Zeit das Haus, in dem ich krank lag, gar nicht verließ. Da hieß Er mich in dem die Stadt durchströmenden Fluß 98 ein Bad nehmen - er war von Regengüssen angeschwollen - und sagte mir voraus, es sollten drei Bäder werden. Auf die Kunde von der Verordnung versammelten sich bei mir die besten meiner Freunde, gaben mir das Geleit und waren in Sorge, was es rur einen Ausgang nehmen werde. Zugleich wollten sie die Sache mitansehen, anstatt von anderen 52 Berichte zu erwarten. Es war ja auch ein richtiger Wintertag. Zuerst nun wurden wir unterwegs vom Regen durchnäßt. Das war das erste der Bäder. Wir gingen nämlich auch weiter aufwärts auf der Straße nach Hippon, um reines Wasser zu finden, das noch nicht mit der Stadt in Berührung gekommen war. Als wir am Ufer standen, wagte keiner der Freunde mir Mut zuzusprechen. Und doch
Der Prätorier Sedatus aus Nikaia. Er wird auch IV 16 erwähnt, s. Altert. v. Perg. 8,3 S. 94. - Behr ändert den Namen in: L. Sedat (i) us Theophilos aus Nikaia: s. Übers. S. 431 nr. 8I. 94 Hauptfluß Mysiens, südlich von Pergamon Uetzt: Bakh tschai = Kupferfluß). 95 Vgl. § 58. 96 ca. Dez. 144 n. ehr. 97 '1:0 üöwp '1:000UV'tov ÖteAt7tEV ooov apxeocu '1:fj 7tOpE(~: Behr übersetzt: "the water was so 10w that it could be forded". 98 Selinus: s. § 27. 93
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war der Tempelwärter selber da und ebenso einige von den Philosophen99 , ehrenwerte Männer. Aber unverkennbar waren sie doch alle in schwerer innerer Unruhe und Not. Ich legte rasch die Kleider ab, rufe den Gott an und werfe mich mitten in den Fluß. Er wälzte Steine, trieb Baumstämme daher und wogte wie vom Winde gepeitscht. Vom Grunde war nichts sichtbar, (es herrschte nur) gewaltiges Brausen und Toben. Da umflossen mich die Steine wie Blätter, und das Wasser war so leicht (fließend) wie niemals eines von den kristallklaren. Und so blieb ich denn darin, so lange es irgend möglich war. Als ich an das Ufer heraustrat, durchströmte Wärme den ganzen Leib, der mächtig dampfte und sich purpurrot gefarbt hatte, und wir sangen den Päan 10o • Auf dem Rückweg überraschte uns wieder ein Regenguß,und das dritte der Bäder fand damit seine Erfüllung. Ferner noch ein Fall, der sich in Elaia 101 auffolgende Weise zutrug. Er schickte mich zum Bad in die See und sagte voraus, daß ein Schiff'Asklepios' am Hafeneingang vor Anker liege, von dem ich ins Wasser hinabspringen müsse, (und kündigte) auch einige Rufe der Schiffsleute und anderes (an), woran ich mich nicht mehr ganz der Reihe nach erinnere, was aber mit den Ereignissen des folgenden Tages übereinstimmte. Als wir nun nach Elaia herabkamen, gingen wir außerhalb (der Stadt) zum Hafen hin, und es fand sich sogleich das Schiff, das den Namen Asklepios trug, sogleich aber riefen auch die Schiffer mit lauter Stimme den Gott an, als sie sahen, was geschah. Es war aber scharfer Nordostwind, so daß ich nach dem Heraussteigen einer Decke bedurfte. Noch einmal befahl mir dann der Gott in der folgenden Nacht, unter den gleichen Umständen ein Bad in der See zu nehmen, nur wenn ich aus dem Wasser herauskomme, solle ich mich in den Wind stellen und meinen Körper auf diese Weise behandeln. Ich bin mir bewußt, daß schon viele einen ähnlichen Auftrag erhalten haben. Indessen erscheint fürs erste das Werk des Gottes eben dadurch bewundernswerter, wenn er in vielen Fällen und ohne Unterlaß seine Macht und Fürsorge deutlich zu erkennen gibe 02 , dann aber (besonders), wenn jemand meinen ganzen Zustand in Erwägung zieht. Freilich, wer wäre imstande zu ermessen, wie ich damals daran war? Den Zeugen der einzelnen Vorfalle ist bekannt, wie es sowohl mit meiner Haut bestellt war als auch mit dem Inneren meines Leibes. Dazu noch der Fluß, der jeden Tag undjede Nacht von meinem Kopf aus abwärts strömte 103 , das Gewoge in der Brust lO4 und der jenem Fluß entgegen nach oben 99
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Wohl aus der (mittel)platonischen Schule des Gaius in Pergamon; über ihn vgl. Behr 54 Anm. 50 u. Ueberweg-Praechter, Die Philos. d. Altertums, 13. Aufl., Tübingen 1953, S. 541. Dank- oder Preislied. Zu 'Asklepios Paian' s. Edelst. I test. 295, 66 u. 482, 1. - Hier handelt es sich wohl um den "liturgischen Paian der Asklepiosheiligtümer": s. dazu IV 31 U • Anm. 82. Hafenstadt von Pergamon, südl. des Kaikos. - Der Bericht umfaßt die Ereignisse vom Winter 145/6 nC. Ähnlich § 59. Bei den aus dem Kopf nach unten abgeführten Flüssen (rheumata) unterscheidet Galen (CMG V 9, I p. 299, 7ff.) zwischen 'dünnen' und 'dicken'; die dünnen gehen
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ziehende Luftstrom, der, im Halse zusammengepreßt, diesen entzündete, und meine beständige Todeserwartung, die so groß war, daß ich nicht einmal einen Diener zu rufen mich getraute, sondern meinte, mein Rufen wäre umsonst, denn 57 es ginge vorher zu Ende. Zudem noch die mannigfachen Krankheitszeichen an Ohren und Zähnen, die ringsum auftretende Spannung der Venenlos und die Unfähigkeit, Speisen bei mir zu behalten wie sie zu erbrechen. Denn der kleinste Bissen, der den Schlund oder den Gaumen berührte, sperrte den Durchgang,und dann war es nicht möglich, ihn wieder herauszubekommen. Brennender Schmerz im Gehirn und Anfälle jeder Art. Bei Nacht Unfähigkeit, mich niederzulegen; vielmehr mußte ich, mich in der Schwebe haltend, vorgebeugt durch58 halten, den Kopf nahe bei den Knien. Diese eben beschriebenen und unzählige andere Übel hatten, glaube ich, die unvermeidliche Folge, daß ich in Wolle und andere Hüllen eingewickelt war, daß alles zugeschlossen und ich völlig abgesperrt war, so daß der Tag der Nacht glich, die Nächte dagegen anstatt der Tage schlaflos blieben. "Wer wagte, Alles davon zu erzählen, wer von den sterblichen Menschen?"106 Denn Genes) "fünf, sechs Jahre hindurch"107 reicht ja nicht aus, vielmehr erfordert die Erzählung vielleicht nicht weniger Zeit als die, in welcher 59 die Vorgänge sich abspielten. Wahrhaftig, wenn jemand das mit in Erwägung ziehen wollte und die Menge und Schwere meiner Leiden bedenken und den Ernst der durch sie geschaffenen Lage, in der Er mich ins Meer, in Flüsse und Brunnen geschickt und mit der Winterkälte hat kämpfen lassen, so wird er sagen (müssen), daß alles in der Tat mehr als wunderbar war, und er wird die Macht und Fürsorge des Gottes in hellerem Lichte erkennen und eher sich mit mir freuen über die Ehre, deren ich gewürdigt wurde, als mit mir trauern über meine Schwäche. 60 Mancher möchte wohl gerne hören, aus welchen Keimen sich dieser schwierige Fall entwickelte. Allein das geht über die Erzählung an AikinooslO 8 hinaus. Doch will ich versuchen, es irgendwie rasch durchlaufend zu erzählen. Ich reiste nach Rom ab mitten im Winter lO9 . Obgleich ich sofort nach Verlassen der Heimat von den Regengüssen llo und der Kälte angegriffen war, schenkte ich den
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durch die breiten Venen hindurch, in den engen dagegen werden sie festgehalten; ebd. V 9, 1 p. 295, 24-6 handelt Galen über die Flüsse, die die Gefäße ftiIIen und so den Durchgang der Pneumata verhindern (Hinweis von Ritter im Nachlaß). Es handelt sich wohl um den Flüssigkeitserguß, der sich bei der 'feuchten' RippenfeIIentzündung innerhalb des BrustfeIIraumes bildet. Diesen Klydon deutet Galen auf vorhergehende Pleuritis (8, 285 K). Nach Galen 00, 66 K) mit einer Entzündung verbunden. Horn. Od. 3, 113/4. Horn. 3, 115. Das 9. Buch der Odyssee trägt den Titel: AAlI1VÖOU (X7töAoym. Die Erzählung umfaßt die Bücher 9-12. - Auch in der Rede 36,88 (Keil) verwendet Aristides diesen Vergleich, der im übrigen ftir 'Schwätzer' sprichwörtlich war, s. Paroemiogr. Gr. I 210. Im Jan. 144 ne. - Die Reise soIIte die große Karriere eröffnen. Behr übersetzt (unter Hinweis aufIV 1): "after the waters", nämlich bei den Warmen
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Umständen keine Beachtung, sondern verließ mich auf meinen geübten Körper und mein gutes Glück bei allen Unternehmungen. Als ich bis zum Hellespont gekommen war, litt ich an maßlosem Ohrenschmerz und befand mich auch sonst in außergewöhnlichen Zuständen. Als es mir etwas besser ging, setzte ich die Reise fort. Darauf Regengüsse, Frostwetter, Eis, Stürme jeder Art. Der Hebros11 1 war soeben aufgebrochen worden, so daß man ihn mit Schiffen überqueren konnte. Soweit das nicht der Fall war, war er vom Eis zum Festland gemacht. Die Felder waren sumpfig, soweit das Auge reichte. Mit den Unterkünften war es schlecht bestellt. Das Wasser troff durch das Dach stärker,als es draußen vom Himmel regnete. Und bei all dem noch Hasten und Rennen zu ungewohnter Jahreszeit und über meine körperlichen Kräfte. Denn einerseits ließ ich mich nicht durch die Boten der Militärpost überholen 112 - um nicht mehr zu sagen -, andererseits machten die meisten meiner Diener den Weg in aller Gemächlichkeit. Ich aber suchte persönlich die Führer auf, wenn man solche irgendwo brauchte, und auch das war schon nicht die einfachste Sache. Waren es doch Barbaren, die sich zu drücken suchten und die man teils mit guten Worten, teils auch mit Gewalt heranholen mußte. All das brachte meine Krankheit zu vollem Ausbruch. Zuerst geriet ich mit meinen Zähnen in schwerste Not, so daß ich die Hände vor den Mund hielt, immer darauf gefaßt, sie darin auffangen zu müssen. Speisen konnte ich überhaupt keine zu mir nehmen, mit einziger Ausnahme von Milch. Meine Atemnot in der Brust spürte ich damals zuerst, und heftige Fieberanfalle kamen über mich und unsäglich viel anderes. Ich lag krank in Edessa ll3 bei der Stromschnelle 114 . Nur mit viel Mühe, am hundersten Tage endlich nach meiner Abreise aus der Heimat, kam ich in Rom an. Kurze Zeit darauf1 ls waren meine inneren Organe geschwollen, die Nerven 116 waren vor Kälte erstarrt, kalter Schauer lief durch den ganzen Leib,und der Atem stockte. Die Ärzte gaben Reinigungsmittel ein, und nach dem Trinken eines Laxativums l17 hatte ich zwei Tage lang Durchfall, bis es schließlich mit Blut
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Quellen in der Nähe des Aisepos; so entscheidet sich auch Festugiere a. O. S. 130f. Doch wird meine Übersetzung durch IV 2 bestätigt. Der Hautpstrom Thrakiens (Südbulgariens), heute: Maritza. Militärische Kuriere beförderten mit der von Augustus geschaffenen Staatspost die Regierungsdepeschen. Die Reisegeschwindigkeit betrug bei längeren Strecken (einschließlich aller Aufenthalte) in 24 Stunden etwa 180 km (= 7,5 km pro Stunde). Die Durchschnittsgeschwindigkeit war bei Privatreisen im allgemeinen natürlich geringer, da das Mieten neuer Pferde auf den Umspannstationen mehr Zeit erforderte; s. dazu 1. Friedländer, Sittengesch. Roms, 10. Aufl., Lpz. 1922, S. 330 u. 333. An der Via Egnatia. Es ist besser bekannt unter dem Namen 'Aigai' (in Mazedonien). Die Zeit des Aufenthaltes dort dürfte etwa 1 Monat betragen haben. Vermutlich des Flusses Axios, des Hauptflusses von Mazedonien, heute: Wardar. Die Entfernung zu Edessa beträgt allerdings etwa 40 km. Im Frühjahr 144 n. ehr. Die motorischen (xWrl":lxa odernpoulpenxa nach Galen); demnach waren alle Glieder gelähmt. 'Echallum Elaterium'.
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endete. Auch Fieberschauer erfaßten mich, der ganze Zustand war nachgerade verzweifelt und nicht die geringste Aussicht auf Erhaltung des Lebens. Schließlich machten die Ärzte lauter Einschnitte hintereinander von der Brust bis an die Blase hinunter. Als dann die Schröpfköpfe ansetzten, wurde mir der Atem völlig benommen, und ein lähmender unerträglicher Schmerz durchzuckte mich. Alles war mit Blut verschmiert, und ich wurde im Übermaß purgiert. Von meinen Eingeweiden hatte ich das Geftihl, sie seien kalt und hingen (schlaff) herab, und 64 meine Atemnot steigerte sich. Was zu tun sei, wußte niemand. Denn wenn ich Speise zu mir nahm und ein Gespräch ftihrte, befiel sie mich mittendrin,und man mußte glauben, ich sei erstickt. Auch meine sonstige körperliche Schwäche entsprach diesen Beschwerden. Theriak 1l8 und verschiedene andere Mittel wurden vergebens verordnet. So fand man denn ftir gut, ich solle nach Hause geschafft werden, wenn es mir irgendwie möglich wäre durchzuhalten l19 • Zu Land zwar ging es nicht, denn mein Leib konnte die Erschütterung nicht ertragen, aber wir versuchten es mit der Seefahrt. Von den mitgenommenen Zugtieren waren die einen dem rauhen Winter erlegen, die überlebenden 65 verkauften wir. Und nun begann eine Odyssee: sofort im Tyrrhenischen Meer Platzregen und Finsternis, Südweststurm und unbändig tobende See. Der Steuermann ließ das Steuer aus den Händen, der Kapitän und die Matrosen streuten Asche auf ihre Häupter 120 und bejammerten sich selbst und das Schiff. 118 cp&.pllaxa friipeta: bei Medizinern gewöhnlich i] frllPtaxTj av,iö01:0<; (sc. MOl<;) genannt.
- Die umfassendste Auskunft über alle Fragen des Theriak gibt Galen in seinen Schriften De antidotis I u. 11 (14, 1 - 209 Kühn) und De theriaca ad Pis on em (14, 210-94 K). Daraus folgendes: 1) Zur Benennung: a) weil er als Gegengift dient gegen Stich oder Biß wilder Tiere (bes. von Schlangen) b) weil er auch aus (gekochtem) Schlangen fleisch bereitet wird (14, 232.) 2) Zur Entstehung: a) von dem König Mithridates von Pontos erfunden u. täglich zur Immunisierung gegen Vergiftung gebraucht b) Von dem Leibarzt des Kaisers Nero, Andromachos, entscheidend verbessert u. in einem langen Gedicht ausführlich beschrieben (14, 32ff.). c) Galen entwickelte eine eigene Antidotos gegen alle inneren Leiden (14, 112 K). d) Auch Mare Aurel gebrauchte täglich einen z.T. von Galen zubereiteten Theriak, der, wie sonst auch, Opium enthielt (zu dessen Wirkungen s. Th. W. Africa, Mare Aurels Opiumsucht, Wege d. Forschung Bd. 550, Darmst. 1979, S. 133 ff. und H. Hommel, Symbola 11976, S.132ff.). 3) Zusammensetzung: aus vielen Bestandteilen, später gegen 200, die aus allen Ländern der Erde importiert wurden (14, 8). Über Fragen der Wirkung, Zusammensetzung, Zeitpunkt u. Dosierung der Einnahme s. 14, 82ff., 14, 214fT. u. CMG V 10, 2, 2 S. 344, 25ff. - Bis zum 18. Jh. war der Theriak eines derbekanntesten Arzneimittel. Der beste kam im Mittelalter aus Bagdad, s. G. Sticker, Abhdl. zur Seuchengesch. I. Bd., Alexipharmaka, S.420-22. 119 Die Rückreise begann im Spätsommer 144 n. Chr. (in 11 67 wird der Herbstbeginn erwähnt). 120 "Der im ganzen Mittelmeergebiet weit verbreitete Trauergestus, Asche aufs Haupt zu streuen ... begegnet auch bei Homer (Il. 18, 2217). Seine Herkunft ist noch nicht geklärt; seine Bedeutung ist kaum apotropäisch ... sondern einfach eine selbstquälerische Handlung als Kompensation gegen den inneren Schmerz'~ C. Schneider, 'Asche', RAe I, 195ü, Sp. 726.
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Die See aber brach mit mächtigem Schwall über den Bug und das Heck herein, und ich wurde von Wind und Wellen überflutet. Das ging Tag und Nacht so 66 fort. Es war ungefähr gegen Mitternacht, als wir gegen das Pelorische Vorgebirge Siziliens l21 getrieben wurden. Dann in der Meerenge verworrenes Hasten, teils nach vorwärts, teils nach rückwärts. Das Adriatische Meer durchfuhren wir in zwei Nächten und einem Tag, geräuschlos von der Strömung geleitet. Als wir auf Kephallenia zuhalten mußten, ließen das wieder der hohe Seegang und der Wind nicht zu, sondern wir wurden hin und her getrieben. 67 Körperliche Anstrengung jeder Art und völlige Erschöpfung. Was aber dann aufs neue in der Achaischen Meerenge 122 uns begegnete, als unmittelbar vor der Tag- und Nachtgleiche die sauberen Schiffsleute aus Patrai ausliefen, gegen meinen Willen und von Anfang an erhobenen Widerspruch, das könnte man wohl nicht mit Worten beschreiben, während bei all dem mein Brustleiden und 68 die anderen Übel sich noch verschlimmerten. Ähnlich war es mit den Dingen, die im Ägäischen Meer vorkamen l23 durch Unfähigkeit des Steuermanns und der Matrosen, die sich herausnahmen, gegen den Wind zu segeln, und nicht auf mich hören wollten. Das gab dann noch einmal vier stürmische Tage und Nächte zu den (vorherigen) zehn, die wir ringsum durch das ganze Meer getrieben wurden. In dieser Frist nicht wenige Fastenzeiten. Mit Mühe erreichten wir endlich Mild 24 • Ich konnte nicht auf den Füßen stehen, hatte das Gehör verloren, und alles verursachte mir Schmerzen. Nur ganz allmählich die Reise fortsetzend, 69 kamen wir so in Smyrna an wider alles Erwarten, und schon war es Winter. Mit meinem Gaumen sah es ganz übel aus und mit dem anderen ebenso. Da versammelten sich die Ärtzte und Gymnastiklehrer. Sie wußten keine Hilfe und erkannten auch die verwickelte Art der Krankheit nicht 125 • Immerhin einigten sie sich dahin, mich zu den Warmen Quellen zu bringen, da ichj a auch das Klima in der Stadt nicht zu ertragen vermochte l26 • Das Weitere habe ich ja kurz vorher 127 70 schon erzählt • Aus derartigen gewichtigen Anfängen, um kurz und unbestimmt zu sprechen, hat meine Krankheit ihre Kraft gesogen und sich voll entwickelt, wobei sie im Laufe der Zeit immer weiter fortschritt. Als ein Jahr und (mehrere) Monate vergangen waren, begab ich mich zu dem (länger dauernden) l28 71 Aufenthalt in Pergamon. Jetzt aber wollen wir uns zurückwenden zu der
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Nordostspitze Siziliens, jetzt Capo di Faro oder Capo di Messina genannt. Am Kap Rhion, einem Vorgebirge Achaias am Eingang des korinthischen Meerbusens. Einiges darüber berichtet Aristides in IV 32-36. Im Okt. 144 nC. s. § 5. S.§7. s. § 5tf. Aristides nennt ihn hier und III 44 xaßeöpa, das bedeutet: 'untätiges Dasitzen'; das Wort scheint in dieser Bedeutung Thuk. 2, 18 entnommen zu sein; vgl. auch Plutarch, Cam. 28 xaßeöpa xai axoATj. Diese 'time ofinactivity' dauerte zwei Jahre. Über ihren Verlauf und zeitliche Abgrenzung s. Behr 26 u. Anm. 20, 43 Anm. 9, 61 Anm. 1.
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Sache, von der wir abgeschweift sind, den gottverordneten Bädern 129. Schmerzen, Krankheiten und Gefahren wollen wir jetzt alle verabschieden. Ich hatte mich niedergelege 30 zwischen den Türflügeln und dem Gitter des Tempels gemäß einem Traumgesicht. Da erteilte mir der Gott folgenden Vers als Orakelspruch: "Doch zur Abendzeit blühten sie auf an erfrischenden Quellen". Dann salbte ich mich in dem freien Hof innerhalb der Umfassungsmauern des Heiligtums und badete in dem heiligen Brunnen 131 • Und es gab keinen, der nicht mit ungläubigem Staunen zusah. Und beinahe wäre ich die ganze Krankheit losgeworden. Während jedoch ich selber bereit war, gemäß den Weisungen des Gottes zu verfahren, der auch schon meine ganze Lebensweise anders ordnen wollte, da "siegte der schlechte Rat der Gerlihrten"132. Diese~ in ihrem Pochen auf Weisheit und als Männer von einer anerkannten Fachkenntnis, gaben den Träumen eine ganz seltsame Auslegung, indem sie behaupteten, der Gott zeige ganz ausdrücklich an, daß man bei dem alten Verfahren bleiben solle. Ich fUgte mich, ungern und mißtrauisch, weil ich den Sinn besser zu verstehen glaubte, nur um den Schein selbstgefälligen Eigensinns zu vermeiden. Erst durch Schaden belehrt, erkannte ich deutlich 133 , wie richtig mein Urteil gewesen war. Doch alle Fehler meiner Ratgeber sollen beiseite bleiben. Freilich scheinen auch sie zu den Dingen zu gehören, die entschieden fUr den Gott zeugen. Denn die Tatsache, daß dieselbe Diät und dieselben Tätigkeiten, wann immer der Gott den Weg wies und sie ausdrücklich angab, Rettung, Kraft, Erleichterung, WohlgefUhl, Heiterkeit des Gemüts, kurz alles Gute fUr Leib 'und Seele wirkten, wenn dagegen sonst jemand sie anriet, ohne nach der Meinung des Gottes zu fragen, die genau entgegengesetzten Wirkungen hatten, wie sollte sie nicht der stärkste Beweis sein fUr die Macht des Gottes? Wohlan, gedenken wir noch einmal seines Wirkens! Es war die Zeit der Frühjahrstag- und -nachtgleiche 13 " an der man dem Gott zu Ehren sich mit Schlamm bestreicht 135 • Ich aber war nicht imstande, mich von der SteHe zu rühren, außer wenn Er mir etwa ein Zeichen geben sollte. So zögerte ich also. Es wurde aber nach meiner Erinnerung sogar ein sehr warmer Tag. Wenige Tage darauf kam wieder ein (Schnee-)Sturm, der Nordwind fegte über den ganzen Himmel, und schwarze Wolken zogen sich dicht zusammen. In Pergamon. Zur Inkubation. 131 S. die ausruhrliche Beschreibung in Altert. v. Perg. 11,2 S. 54f. und die Abbildungen TafelS u. 6. 132 Horn. Od. 10,46. Aristides hielt wenig von den professionellem Traumdeutern, s. Behr 190 u. 31 Anm. 43. 133 Hier wohl am ehesten aus Plat. Sympos. 222 b entliehen ('nach dem Sprichwort wie ein Kind durch Schaden klug geworden'). Eine Fülle von Belegen (die sich noch weiter vermehren ließen) zu diesem 'Sprichwort' von Homer an gesammelt von W. 1. West, Hesiod, Works an Days, komment. Ausg., Oxford 1978, zu Vers 218. 134 146 n. ehr. in Pergamon. 135 Zu diesem Fest s. Edelst. 11 S. 184 u. 195. Der heilige Schlamm wurde auch rur Kuren gebraucht, s. unten § 77 und Altert. v. Perg. 11, 1 S. 62 oben. 129
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Dann wieder aufs neue winterlicher Sturm. Während solcher Wetterlage befahl Er mir, mich neben dem heiligen Brunnen mit dem Schlamm zu bestreichen und dann ebenda zu baden. Auch damals bot ich ein Schauspiel 136 • Die Kälte des Schlammes und der Luft war so groß, daß ich mich glücklich schätzte, zum Brunnen hinlaufen zu dürfen, und das Wasser war mir voller Ersatz für andere Wärme. Das ist der Anfang der Wundergeschichte. In der folgenden Nacht befahl Er mir, mich noch einmal in derselben Weise mit Schlamm zu bestreichen und dreimal einen Lauf rund um die Tempelgebäude zu machen. Die Heftigkeit des Nordwindes war unbeschreiblich, und der Frost hatte zugenommen. Man hätte kein Kleid finden können, das ausgereicht hätte, sich damit zu schützen, sondern er drang durch und traf die Rippen wie ein Geschoß. Von meinen Freunden entschlossen sich einige, gleich als wollten sie mir Mut zusprechen, dessen ich durchaus nicht bedurfte, die Gefahr mit mir zu teilen und es mir nachzumachen. Aber während nun ich, nachdem ich mich eingerieben hatte, den Rundlaufmachte, vom Nordwind mich tüchtig und wacker durchpeitschen ließ, zuletzt an den Brunnen herantrat und mich abwusch, machte von jenen einer sogleich wieder kehrt, ein anderer wurde von einem Krampfbefallen, rasch in ein Bad gebracht und mit viel Mühe wieder richtig erwärmt Wir aber verbrachten die Zeit danach als Frühlingstag. Ein andermal hieß er mich in winterlicher Jahreszeit bei Frost und eiskaltem Wind von dem Schlamm nehmen, mich ringsum damit übergießen, dann mich in den Hof des heiligen Gymnasiums 137 setzen und dabei Zeus anrufen, "der Götter höchsten und besten"'J8. Auch das vollzog sich vor einer Menge von Zuschauern. Was aber kein geringeres Staunen erregte als das eben Erzählte,war dies: als der DauerfrostIJ 9 ohne Unterbrechung vierzig Tage und noch etliche mehr anhielt und auch einige Häfen zufroren und auch von dem Meer bei Elaia so viel, wie der Strand umfaßt für den Blick dessen, der von Pergamon herabkommt '40 , da befahl Er mir, ich solle ein kleines Linnenhemd anziehen und sonst nichts, sondern darin ausharren, vom Bett weggehen und mich bei der Quelle draußen '4l waschen. Es war aber sehr schwierig, Wasser zu bekommen. Alles war hart gefroren, und der Wasserstrahl erstarrte sogleich in sich selbst und bildete eine Art Eisröhre, und warmes Wasser, das man etwa hineingießen mochte, gefror auf der Stelle. Trotzdem ging ich zu der Quelle hin und das Linnen genügte und alle (anderen) froren mehr. Und meine Kur wurde zum größten Teil beim Heiligtum abgeschlossen. Verwandt damit ist auch das fortgesetzte Barfußlaufen im Winter142 und meine Inku-
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Wie zuvor schon in §§ 20 und 5I. S.1 17 und Anm. 35 dazu. s. Horn. 11. 19,258 und Od. 19,303. 1to:ye~wv = Konjektur v. Wilamowitz Hir überliefertes: 1tupe~wv (= 'Dauerfieber'). Die Bucht von Elaia ist jetzt durch die Einmündung des Kaikos gänzlich verlandet, s. Bürchner, RE 5, 2 Sp. 2222/3 und 10,2 Sp. 150112. Wohl außerhalb des Heiligtums. XeqlWVWV aVU1tOÖ11 0 (O:t: der Ausdruck ist Plat. Leg. 633c entlehnt.
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bationen '43 überall im ganzen heiligen Bezirk unter freiem Himmel oder wo es sich gerade traf'44, und nicht zum wenigsten auf der Tempelstraße '45 unter der heiligen Lampe der Göttin '46 . Ich trug ein Kleid ohne Hemd, ich weiß nicht wieviel Tage lang. Wie viele Vorschriften Er mir gab zum Baden in Flüssen oder Quellen oder auch im Meer, entweder vor diesen Ereignissen oder nachher, teils bei Elaia, teils in Smyrna, und die Umstände jedes einzelnen Falles, all das würde unerschöpflichen Stoff zum Erzählen bieten. Aber als Er mich unlängst nach Ephesos schickte '47 , damit ich meine Vorträge halte, wurden wir auch unterwegs am dritten Tage vom Regen stark durch näßt. Am zweiten nämlich hatte er selbst uns zurückgehalten, und es traf sich, daß dann der Regen sogleich begann. Vermutlich jedoch bezogen sich seine Offenbarungen nicht bloß auf jenen Tag, sondern auch auf den folgenden, und ich sagte das auch meinen Gefährten voraus. Sie aber waren der gegenteiligen Meinung, man solle nämlich weiterreisen, zumal da sie bemerkten, mit welchem Eifer mir die Leute ihre Aufmerksamkeit bezeigten. Es gab nämlich solche, die der Festschau halber auf dem Weg nach Pergamon begriffen '48 , sobald sie mich sahen, eiligen Laufes nach Ephesos umkehrten. Das verhielt sich nun so. Da ich aber durchnäßt und übel daran war, verordnete Er mir wenige Tage darauf, nachdem ich in Ephesos angekommen war, ein kaltes Bad. Ich badete im Gymnasion am Koressosl 49 . Die Leute, die es sahen, staunten nicht weniger über das Bad als über meine Reden. Beides aber war mir von dem Gott eingegeben.
143 )(a't6:)(AlO\~ in dieser Bedeutung s. Behr 34 Anm. 58. 144 Es gab natürlich auch in Pergamon (wie in Epidauros und Kos) einen eigenen Inkuba-
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tionsraum (s. Altert. v. Perg, ll, 1 S.17,29,32,61 u. d. Tafeln 7,8,9,15,17, 18undden Plan in 11,2 Tafel 84), aber die Durchftihrung der Inkubation war anscheinend nicht streng an dieses Abaton gebunden; s. dazu Behr 30 u. Anm. 37, 38, der allerdings irrtümlich sogar die Existenz eines Abatons bestreitet. Das ist die 'Heilige Straße', "auf der die Teilnehmer an den Jahresfesten des Asklepieions in großem Prozessionszuge von der Stadt zum Heiligtum hinauszogen" s. Altert. v. Perg. 11,2 S. 44f. und Abbild. Taf. 28 c. - Der Anfang dieser Hallenstraße "liegt beim Theater der Unterstadt, an dessen Seite sich der heute Viran Kapu genannte Tarbogen noch aufrecht erhalten hat (Abb. 2). Dieses Tor bezeugt der Rhetor Ael. Aristides bei der sehr wertvollen Schilderung seines Ganges zum Asklepieion IV 66" (Wiegand, Abh. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl., BIn. 1932, Nr. 5 S. 4). Wahrscheinlich der Hygieia. August 170 n. ehr. Auch Lukian berichtet, daß alle Leute nach Pergamon rennen und Festzüge und Hekatomben dorthin entsenden: Edelst. I test. 569. - Die große Tempelfeier im Asklepieion fand wohl im August statt: Behr 32. Vorstadt von Ephesos am Abhang des gleichnamigen Berges erbaut. Das Gymnasion war 20 Jahre zuvor von P. Vedius Antoninus erbaut worden. Die Bauinschrift s. Supp!. Epigr. Gr. IV 533, s. W. Hüttl, Antoninus Pius, Prag 1933, Ir 49.
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Ich weilte gerade in AlianoP, wohin der Gott mich geschickt hatte. Es gab damals 2 jene vielfachen fortgesetzten Nöte. Weder war ich imstande, Nahrung zu mir zu nehmen, noch das, was ich etwa genoß, bei mir zu behalten, sondern es widerstand mir sogleich mit starkem Brennen, zerstörte mir den Rachen und benahm mir den Atem. Feurige Krämpfe3 stiegen aufwärts zum Kopf. Wenn ich mich zu erbrechen suchte, kam nichts, aber selbst ein Tropfen war wie eine Riesenwoge, weil (alles) innen festgehalten wurde und einen Erstickungsanfall hervorrief. Nur mit Mühe kam ich unter großer Aufregung und tiefer Verzweiflung davon frei, nicht ohne daß es Blut gab. Vielmehr wurde der ganze Schlund 4 aufgerissen und kam (nur) im Wechsel mit einer anderen Wunde in seinen früheren Zustand zurück. Meine Erschöpfung, der körperliche Schwächezustand . und die Abmagerung entsprachen denn auch den Umständen. Von meinen Freunden und Bekannten war kein einziger anwesend, sondern sie waren alle verreist, der eine hierhin, der andere dorthin, mit Ausnahme eines einzigen, der sich damals gerade zur Kur bei den (Warmen) Quellen aufhielt. Von ihm hatte ich noch vorher geträumt, daß, als ich einsam am Wege lag, weil mein Pferd, auf dem ich saß, gestürzt war, er zu mir sagte: auch das würde mir vom Schicksal zustoßen, daß ich allein gelassen würde. Das hatte sich in Pergamon ereignet kurz vor meiner Abreise. Damals aber in meiner Bedrängnis in Alianoi hatte ich meiner Erinnerung nach folgenden Traum. Es war mir, als treibe ich einsam auf einem Floß im Ägyptischen Meer und befinde mich ganz außen an dem gegen das Land gerichteten Ende des Floßes5• In meiner Not zeigte sich mir mein Erzieher Zosimos mit einem Pferd auf dem Lande. Irgendwie kam ich an Land und nahm mit Freuden das Pferd in Empfang. So war dies. Ich träumte aber auch, ich gehe durch Alexandria und sehe dabei eine Knabenschule. Die Schüler lasen laut vor und sangen folgende Verse, wobei sie aufs lieblichste einander antworteten:
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Überliefert ist: AAAt(xvoi~; eigentlich: 'Alia' (Hirschfeld, RE 12 Sp. 1477 nr. 2); s. Reinach, Rev. d. Etud. Grecques III (1892) S. 150-3, wo 1'] AAtaVWV Xct1:01Xtct (='Flecken der Bewohner von Alia') mehrfach bezeugt ist. - Zur Lage von Alia (westlich von Pergamon) s. Behr 44 Anm. 10. Im Frühjahr 146 n. ehr. o(PcXXEAOI1tUPWÖEI~: dem Wortlaut nach könnte es sich auch um einen medizinischen t. t. handeln = Nekrose ('Brand'), denn nach Galen (18 (1) 687 K) ist sp hakelos ein fortgeschritteneres Stadium als 'Gangrän' (= 'feuchter Brand'). 1t6po~ = 1t6po~ 1:po
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Viele errettete Er vor dem Tode, der schon sie ins Auge Faßte, hart an der Schwelle des Hades stehend, die keinem Jemals zur Rückkehr sich öffnet"6.
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Es sind das Zeilen aus einem Liede von mir, das ich fast als erstes für den Gott gedichtet habe. Natürlich wunderte ich mich darüber, wie es schon bis nach Ägypten seinen Weg gefunden habe, und freute mich über die Maßen, daß ich zufallig Zeuge davon sein durfte, wie meine Strophen gesungen wurden. Von dieser Art sind die Hauptinhalte der Traumgesichte. Als es dann Tag wurde - ich hatte gerade ein Pferd zu meiner Verfügung -,besteige ich dieses sogleich, und während kein Mensch geglaubt hätte, daß ich (überhaupt) bis zum Aufsteigen durchhalten würde, setze ich das Pferd in Galopp und fühle mich schon erleichtert, während es noch dahineilt. Der auf meinem Oberleib lastende Druck wich zum großen Teil, eine gewisse Kraft sammelte sich (wieder) in mir, soweit man das bei solchen Umständen erwarten konnte, und ich schöpfte wieder Hoffnungen. Nachts hörte ich auch eine Stimme von jemandem, der sagte: "Du bist geheilt"; und das in der allerverzweifeltsten Lage. AufweIche Weise ich nun wieder glücklich nach Pergamon heimkam und welche Diät ich von da an einhielt, das muß ich übergehen wegen der Fülle der Berichte und der Geschehnisse. Eine zweite Reise nach den Bädern unternahm ich aber im Hochsommer 8 , wobei mir vorher aufgetragen worden war, ich solle sofort nach dem Bade wieder zurückkehren, nachdem ich mit gestoßenem Zimt den Hals ringsum bestreut habe. Diese 240 Stadien9 insgesamt für Hin- und Rückweg legte ich wiederum in drückender Schwüle zurück,und dabei ertrug ich den Durst leichter als einer, der von der Badeanstalt nach Hause geht. Noch einmal schickte er mich hin mit der Weisung, ich solle kaltes Wasser trinken, und ich trank es ganz. Soviel für jetzt darüber. Dann, was mir in Lebedos lO begegnete. Hingeschickt wurde ich von einer Inkubation weg, zu der ich mich im Tempel der Heilande ll niedergelegt 6
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s. dazu Edelst. II S. 199ff. bes. 202. Ein entfernter Anklang an Horn. 11. 15,290 und Nachklang bei Libanios, or. 5, 1 (Bd. I, S. 305, 5 Foerster). Dasselbe Wort: "Du bist geheilt" spricht in Epidauros der Priester bei der Heilung des Apellas, s. Herzog, Wunderheil.S. 43/4 W 79 Z. 20. im Jahre 148 n. Chr. etwa 46 km. Stadt an der Küste, westlich von Kolophon, mit Mineralquellen. - Die dortigen Ereignisse geschahen im Sept. 147 n. Chr. Keil konjiziert I:unfipo~ = des Heilandes; Festugiere a. O. S. 133 schließt sich ihm an. Für den überlieferten Plural entscheiden sich Boulanger (a. O. S. 128 Anm. I - ohne Begründung) und Behr (28 n. 27), der den Plural auf'Zeus-Asklepios' bezieht, was ich für unwahrscheinlich halte (s. I 45 Anm. 89). - In der Rede 27,39 spricht Aristides von den Taten der zwei 'Gottheilande' (-rwv öDo 1:WV Oul1:11PWV ßewv) - er meint Asklepios und Sarapis - "die die ganze Erde in Besitz genommen haben und sie gemeinsam retten (o
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hatte, wobei Er mir auch dies auftrug, in einem Zustand solcher Schwäche, daß ich nicht einmal zu Hause im Bett mir selbst helfen konnte. Da war nun zu dieser Zeit in Pergamon der Arzt Satyros 12 , ein Sophist 13 , wie es hieß, nicht gewöhnlicher Art. Dieser besuchte mich, während ich zu Bett lag, betastete meinen Brustkorb und Unterleib, und als er im Verlauf der Besprechung hörte, wieviele Aderlässe an mir vorgenommen worden waren, schrieb er mir vor, ich solle das Blut behalten und meinen Körper nicht (derart) schwächen. "Dagegen", sagte er, "will ich dir ein ganz mildes und einfaches Pflaster geben. Dieses lege auf Magen und Unterleib,und du wirst gewiß merken, wie gut es dir tun wird". Das war sein Rat. Ich erklärte, was das Blut angehe, so stehe es mir nicht frei, so oder anders zu verfahren, sondern solange der Gott mir Aderlässe verordne, würde ich gehorchen, gern oder ungern, oder vielmehr niemals ungern. Das Mittel dagegen, das Satyros mir anbot, verschmähte ich nicht, sondern nahm es an und beobachtete (seine Wirkung). Doch war es eben nicht das Horn der Amaltheia l4 . Als ich aber nach Lebedos gebracht wurde, ganz unverhofft dem Tode gerade noch entronnen, schien mir das alles schon ein Gewinn zu sein. Ich brauchte aber sehr viel Hilfeleistung und benutzte die Bäder nur unter Schwierigkeiten und mit vorsichtiger Zurückhaltung. Dabei beschloß ich, das Pflaster des Satyros auf Magen und Bruse 5 aufzulegen, der Vorschrift des Satyros gemäß, jedenfalls aber den von dem Gott gewiesenen Weg der Kur mit keinem größeren Schritt zu verlassen. Schon gleich die erste Auflegung stimmte mich nicht günstig, sondern es schien mir zu kalt zu sein. Trotzdem beschloß ich, auszuharren und dem Mittel Gelegenheit zu geben, ob es nicht doch mit der Zeit etwas fruchten könne. Die Brust wurde mir so furchtbar durchkältet, und ein häufiger heftiger Husten kam hinzu. Ich war ratlos, und der Gott zeigte mir an, daß es Auszehrung l6 sei. Am folgenden Tage waren die (Muskeln an den) Schläfen und
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'Asklepios-Sarapis' meint, obgleich man auch vielleicht an die Gehilfen des Asklepios: Hygieia und Telesphoros denken könnte. Schüler des Quintus und erster Lehrer Galens in Pergamon, s. CMG V 9,1 S. 70,14. Das war im Sprachgebrauch der damaligen Zeit der höchste Ehrentitel: s. Philostr. VS (p. 304 Loeb) und Gerth, Zweite Sophistik, RE Supp!. 8, Sp. 723, 10-20. Ihn trugen nicht nur Redner, sondern auch Philosophen, Dichter, Grammatiker, Ärzte, Musiker und Juristen. - Im Gegensatz dazu verwendet Aristides diesen Titel meist in herabsetzendem Sinne, s. u. a. IV95 u. V39. - Durch den Zusatz: "nichtgewöhnlicher Art"wird Satyros von den 'gemeinen' Sophisten abgehoben und zu einer Art 'Iatrosophist' erhoben (d. h. ein Arzt, der sich auch mit Philosophie und Rhetorik befaßte; später = 'Medizinprofessor'); s. Gerth, a. O. 723, 21-49. Die (Nymphe oder) Ziege, die den Zeus mit Ziegenmilch ernährt hatte. Dieser bricht ihr ein Horn ab und füllt es mit Segenskraft, so daß aus diesem 'Füllhorn' (cornu copiae) alles Gute strömt. - Der Ausdruck war sprichwörtlich, s. Paroemiogr. Gr. II 54 (mit vielen Parallelen und Erläuterungen). Satyros hatte Auflegen auf den 'Unterleib' verordnet (§ 8). qn'J6Tj: so bei Attikern und Attizisten fast ausschließlich für das sonst bei Ärzten häufigere
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das ganze Rund des Gesichtes verkrampft, die Kiefer zusammengezogen, und es tobte ein Aufruhr wie nur je. Als die Spannung ein wenig nachließ, fühlte ich mich innerlich getrieben, den Gott in Kolophon l1 über meine gegenwärtige Lage und meine ganze Schwäche zu befragen. Kolophon ist nicht weit von Lebedos entfernes, und die heilige Nacht l9 stand nahe bevor. Da es mir richtig erschien, schickte ich den Zosimos hin. Als die Nacht kam, erhielt Zosimos folgenden auf mich bezüglichen Orakelspruch: "Gesund wird machen dich und heil Asklepios Zu Ehr' und Ruhm der hehren Stadt des Telephos 20 Von des Kaikos Wasserlauf nicht weit entfernt,m.
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Mir aber begegnete in derselben Nacht folgendes, um es nur in den Hauptzügen wiederzugeben: ich träumte, ich stehe am väterlichen Herde 22 • An der Wand aber, da wo die Götterstatuen sind, stand geschrieben: "Die und die, gerettet aus Lebensgefahr, (bringen) allen Göttern Dankopfer". Und man sah auch wirklich Spuren der Opfer. Für mich wurde dieses Gesicht Anlaß meiner fortgesetzt dargebrachten Opfer, nicht in erster Linie im Hinblick auf den Traum, sondern einmal war das, was von seiten der Götter geschah, so gewaltig, und zugleich war
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Asklepios. Dazu auch Behr 162/3 u. 165, der allerdings falschlieh meint, Ga1en könne seine Diagnose nur von seinem Lehrer Satyros erhalten haben. Der Wortlaut Galens bezeugt das Gegenteil. Auch Herzog (SB Berl. Ak. phil.-hist., Kl. 1935, S. 1008) nimmt direkte Beobachtung Galens an. - Zur Sache selbst s. bes. R. Bochalli, Die Geschichte der Schwindsucht, Lpz. 1940, (S. 4.13.16.18.21): Phthisis bedeutet im weiteren Sinne eine Abzehrung des Körpers, im engeren die damit verbundenen Krankheitsprozesse der Lunge (NB die Tuberkulose nach heutiger Sicht war im Altertum noch nicht bekannt), bald als Brusteiterung, bald als Lungenkrankheit bezeichnet. Seit dem 1. Jh. v. ehr. wurde der Begriff auf die mit tödlicher Abzehrung verbundene Lungen(schwind)sucht bezogen. Der Konstitution nach sind bes. Astheniker, mit Lebhaftigkeit und geistigen Fähigkeiten ausgestattet, dafür anfallig (was genau mit Galens Diagnose übereinstimmt). - Zur Heilungsmöglichkeit s. Hipp. de morb. II 29: "Die Krankheit (cpß6,,) währt 7 oder 9 Jahre; der Kranke wird aber gesund, wenn er von Anfang an behandelt wird. - Das umfangreiche Schrifttum zu dieser Frage verzeichnet Bochalli a. O. S. 71-3, s. dazu in Kürze auch P. Diepgen, Geschichte der Medizin, Bin. 1949, S. 130. ApolIon von Klaros, das im Altertum zum Gebiet von Kolophon gehörte (Bürchner, RE 11 Sp. 553). Nach Strabon 14, 1, 29 (643) liegt Kolophon 120 Stadien (ca. 23 km) von Lebedos entfernt. . M. P. Nilsson, Griech. Feste, (Lpz. 1906) S. 179 erwähnt das Fest der 'Klaiia'.. Telephos, der Sohn des Herakles und der Auge, kommt zu König Teuthras (in Mysien) und wird von ihm zu seinem Nachfolger bestimmt. "Der angebliche Ahnherr des pergamenischen Herrscherhauses ... findet Verehrung durch Opfer in Pergamon selbst, durch Hymnen im nahen Asklepieion (Paus. 3, 26,10)": Schwenn, RE 5 Al (1934) Sp. 369. - Die Stadt ist also Pergamon. Pergamon liegt etwas nördlich des Kaikos. Bei Hadriani im nördlichen Mysien.
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mein Herz auch so gestimmt. Von Lebedos nun also kam ich froh gestimmt2 3 zurück, sobald es dem Gott gefiel, und ich durfte mich einer bemerkenswerten 14 Besserung24 erfreuen. Hinsichtlich seines Ausspruches25 über die Auszehrung aber gab der Gott nachträglich dem Tempelwärter eine zusätzliche Erklärung, wie Asklepiakos selber mir berichtet hat, ohne von mir zuvor etwas gehört zu haben. Er erzählte nämlich, er habe den Gott sagen hören, die Auszehrung und 15 den Katarrh habe er mir abgenommen, den Magen behandle er noch. Doch namentlich auch an Neritos, einem meiner Erzieher26, ließ der Gott hauptsächlich umjene Zeie wunderbare Dinge offenbar werden. Denn er träumte, meine ich, der Gott, der in Begleitung des Telesphoros war, sage zu ihm, mit einem Blick auf mich, man müsse diesem Menschen also seine Knochen herausnehmen und (neue) Sehnen einsetzen, denn die vorhandenen hätten versagt. Als er dies über mich hörte, sei er in voller Verzweiflung und Todesangst gewesen, der (Jott jedoch habe ihn getröstet und belehrt, es handele sich ja nicht gerade um das Herausschlagen der Knochen oder Herausschneiden der vorhandenen Sehnen, sondern es müsse sozusagen zu einer gewissen Änderung des vorhandenen Bestandes kommen. Eine so gründliche und ungewöhnliche Auffrischung sei nötig. Dabei gab er dem Neritos ein Heilmittel an, das er mir nennen solle: täglich dreimal ungesalzenes Öl (gebrauchen?8. Ich hielt es von da an sO,und der 16 Versuch schlug zum Guten aus. Ein weiteres derartiges Erlebnis hatte ich am väterlichen Herd im Winter, mit dessen Höhepunkt auch der meiner Krankheit zusammenfiel. Ich hatte mich zum Frühstück niedergelegt. Da meldeten sich heftige furchtbare Kopfschmerzen, das Gesicht verkrampfte sich, die Lippen waren zusammengepreßt und meine Not war groß. Zusammengekrümmt wie ich war, eilte ich in mein Schlafgemach und legte mich, wie es eben ging, zur Ruhe. Es stellte sich dann auch noch heftiges Fieber ein. Ich konnte keinen Atem mehr bekommen. (Um mich) war Wehklagen meiner Mutter29 und Amme und der übrigen Dienerschaft. Zosimos war natürlich ganz gebrochen. Ich gab der Menge durch einen Wink zu verstehen, sie sollten hinausgehen, und hatte mich gefaßt 17 gemacht auf das, was kommen sollte. Daraufwar Sonnenuntergang oder sogar noch später, da kam zum Fieber noch ein Krampf hinzu, der sich nicht beschreiben und auch kaum vorstellen läßt. Mein Körper wurde nach allen Seiten gezerrt, die Knie zogen sich in die Höhe gegen den Kopfund stießen an ihn, die Hände ließen sich nicht meistern, sondern fuhren gegen den Hals und ins Gesicht, die Brust drängte sich vorn heraus,und der Rücken spannte sich dagegen 23 24
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lJ.e~' eul1ulJ.(a~: pq:o~WVT)~: ein
'dichterisches Wort': W. Schmid, Der Attizismus ... 11, 1889, S. 197. Begriff "which comprises a spectrum from good digestion and physical ease all the way to emotional relaxation" Behr 163/4 u. Anm. 5 u. 7. dllev = Konjektur von Keil; überliefert ist dlloV = "meines Berichtes"; vgl. § 11. Wird nur bei dieser Gelegenheit erwähnt. Febr. 148 n. ehr. Keil setzt hier eine Lücke an; Behr erklärt einleuchtend, wahrscheinlich sei nur xpfjol1at hinzuzudenken. Dies ist die einzige Stelle der 'Heil. Berichte', an der Aristides seine Mutter erwähnt.
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nach rückwärts gleich einem Segel, das vom Wind aufgebauscht wird 30 : Keine Körperpartie blieb in Ruhe oder wich nur etwa leicht von ihrer natürlichen Haltung ab, sondern die Zuckung war aufs äußerste gesteigert und die qualvolle Verkrampfung unbeschreiblich. Sie duldete kein Schweigen und setzte mir doch 18 bei jedem Schrei nur noch mehr zu. So ging es fort bis Mitternacht und länger ohne die geringste Abschwächung. Dann verlor der Schmerz etwas an Stärke, hörte jedoch nicht völlig auf. Unablässig wurde mir warmes Wollzeug untergeschoben oder umgelegt und jede Art von äußerer Erwärmung angewendet, und so kam ich zur Not noch davon. Ehe es Tag war, liefjemand weg, um den Arzt zu 19 holen. Er erschien entweder am folgenden Tag oder auch einen Tag später. Um Mittag, glaube ich, folgte ein neuer Anfall, und bald danach ging schwarze (Galle)3! nach unten ab. Als ich dann auf dem Nachtstuhl saß, kam eine furchbare Schwäche32 über mich mit Schweiß und Ohnmacht. Der Arzt war in großer 20 Aufregung und verlangte Nahrungszufuhr. Doch darauf kam es nicht an. Eine Nacht kam heran wie beim Stampfen und Schlingern aufSee,und ich schlieffast nur ein, um (dies) zu träumen: ich erhielt den Befehl, mich zu dem Herd meiner Erzieher aufzumachen und mich vor der Statue des Zeus niederzuwerfen, in deren Nähe ich erzogen worden war. Es ließen sich auch gewisse Stimmen vernehmen, denke ich, und die Art meines Bittgebetes war genau beschrieben. Es lag tiefer Schnee, alles war gänzlich unpassierbar, und das kleine Haus33 war vom großen mehr als ein Stadion entfernt. Ich bestieg ein Pferd, ritt hin und brachte meine Huldigung dar. Kaum war ich zurückgekehrt, da waren alle jene 21 Dinge in Ordnung. Das Halsleiden und die von den Ohren ausgehenden Spannungen und den nun voll entwickelten Opisthotonos heilte Er sofort auffolgende Art, nachdem er zuvor die Atemnot gründlich geheilt hatte. Er sagte, es gebe eine königliche Salbe34 . Man müsse sie von seiner Frau 35 in Empfang nehmen. Auf 30
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II 20 u. Anm. 40. Dazu paßt die Beschreibung von ScheUer (A. Celsus, Über die Arzneiwissenschaft, übers. u. erkl., 2. Aufl. v. Frieboes, Braunschweig 1906, S. 547): Verbunden mit gleichzeitigen Rückenmuskulaturkrämpfen kann der Opistohotonos "so hochgradig sein, daß man bequem einen Arm unter dem Rücken des liegenden Kranken durchführen kann". s. dazu M. Müri, Melancholie und schwarze GaUe, (wiederabgedr. in: Antike Medizin = Wege der Forschung Bd. CCXXI, Darmst. 1971, bes. S. 174ff.). S. 182 zitiert er H. Sigerist, Antike Heilkunde, München 1927, S. 25: "Beobachtungen des Erbrochenen bei Magenkrebs, des Stuhles bei blutendem Magengeschwür mag zur Annahme eines solchen Stoffes geführt haben." eXAuat<; öewf]: Festguiere (a. O. S. 135) versteht - nach Hippokrates - eXAUat<; %OIA11']<;= Durchfall. wohl mit der Statue des Zeus. XPi,.ux ßctCJlAIXOV: "xpi(a)J.lct bezeichnet sehr oft die medizinische Salbe" (Hug, RE 1 A2 , (1920), Sp. 1852. - Die genaue Zusammensetzung des J.leXActyJ.lct (erweichender Umschlag) ßctatAIXOV steht bei Galen 13,184 Kühn. Das epeXpJ.lctXOV ßctatAIXOV wird auch tetrapharmakon genannt; seine 4 Bestandteile (cera, resina, pix, adeps) nennt Galen 12,328 und 1,452 Kühn. Sie entsprechen zum größten Teil den 5 Bestandteilen des "Unguentum basilicum - Königssalbe", die noch bis zum Jahre 1926 in Deutschland S.
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irgend eine Weise erschien danach ein Diener des kaiserlichen Palastes 36 , weiß gekleidet und gegürtet, beim Tempel und der Statue des Telesphoros37 • Er kam bei der Tür, wo die Statue der Artemis 38 steht, von einem Herold begleitet heraus und brachte dem Kaiser den Rest der Salbe. So hauptsächlich war der Inhalt des Traumes nach der dunklen Erinnerung, die ich daran habe. Als ich aber das Heiligtum betreten hatte und bei meinem Rundgang beim Telesphoros angekommen war, trat der Tempelwärter Asklepiakos zu mir. Als er gerade bei der Statue stand, erzählte ich ihm das Gesicht, das ich gehabt hatte, und fragte ihn, was wohl die Salbe sei oder wer sich wohl damit salbe. Er hörte mich an und drückte, wie gewöhnlich, seine Verwunderung aus. Dann sagte er: "Du brauchst nicht lange zu suchen und keinen weiten W-eg zu machen, sondern von hier eben bringe ich sie dir. Denn sie liegt zu den Füßen der Hygieia bereit, wo sie unsere Tyche soeben niedergelegt hat, sobald das Heiligtum geöffnet wurde." Es war aber diese Tyche einer der vornehmen Frauen39 • Darauf geht er in den Tempel der Hygieia und bringt die Salbe. Ich salbe mich, so wie ich gerade neben ihm stand. Die Salbe war aber auch von wunderbar feinem Wohlgeruch, und ihre Kraft war sogleich offenbar. Denn schnel1er als ich das erzählt habe, löste sich der Krampf. Auf meine Frage erfuhr ich später von dem Tempelwärter, es sei eine Mischung von drei Bestandteilen: vom Saft (des Balsambaumes)40, mit dem wir uns salben, von Nardensalbe und einer anderen kostbaren Salbe, die, glaube ich, nach dem Namen des Blattes (aus dem sie gewonnen wird) benannt ist41 . Ich ließ sie mir bereiten und gebrauchte sie so weiterhin, und 'amtlich' war: s. 'Deutsches Arzneibuch, 6. Ausgabe, Bin. Neudruck 1947,' S. 294. Seitdem besteht sie offiziell nicht mehr. 35 'tfi~ YUVCltXO~ = Hygieia, s. § 22. 36 Damit scheint das Hadrianeum gemeint zu sein. 37 s. Ir 10 u. Anm. 22. 38 Der Vermutung Behrs, der Standort der Kultstatue sei "by the doors ofthe temple of Telesphorus", schließt sich Wörtle, Altert. v. Perg. 8, 3 S. 174 Anm. 18 an und hält Wiegands Annahme, eine kapellenartige Nische im Propylon des Charax sei der ursprüngliche Standort gewesen, eher rur unwahrscheinlich. Wiegand kam darauf, weil auf Artemis bezügliche Inschriften an der Propylontreppe gefunden wurden; deren Veröffentlichung s. ebd. S. 131. 133. 137. 39 Behr (Übers. S. 433 nr. 31) hält sie rur Julia Tyche aus dem vornehmen Geschlecht der Quadrati; zu diesem s. I 21f. u. Anm. 38 u. 42. 40 orcoü: Behr übersetzt: 'offig sap'. - Von einer medizinischen Verwendung des Feigensaftes ist kaum die Rede, s. OIck RE 6, 2 (1909) Sp. 2138-42. Ich vermute deshalb, daß es sich um den Saft des Opobalsamum handelt, der häufig als Arznei verwendet wurde. Dioskorides (1,18,4) zählt eine lange Reihe von Heilwirkungen dieses 'Saftes' auf, dem er eine sehr starke Wirkung zuschreibt, während die Wirkungen der 'Frucht' und des 'Holzes' ebendieser Pflanze schwächer seien; s. auch Steier, Opobalsamon RE 18, 1 (1942) Sp. 691-6. 41 "Unter Malabathron oder QluUOV 'Ivötxov verstand man die sehr aromatischen Blätter einer Pflanze, welche in Kugeln oder Ballen verpackt aus Indien in die Mittelmeerländer kam": Steier RE 14,1 (1928) Sp. 818ff. Es gehörte zu den nobilia unguenta und
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allejene Übel waren gelindert. Es erschien mir aber auch Telesphoros zur Nacht, indem er um meinen Hals42 einen Tanz aufführte. Und auf der gegenüberliegenden Wand lag ein Lichtglanz wie von Sonnenschein43 • Um diese Zeit erlebte ich gleichzeitig auch folgenden Traum, sei es daß ich damals schon mein abendliches Erbrechen hatte oder daß das Erbrechen noch nicht aufgetreten war: ich mußte unmittelbar nach dem Aufstehen je eine Nuß, getrocknete Feige und Dattel essen und dazu etwas Brot. Seitdem gebrauchte ich diese (Nahrungsmittel) noch zusätzlich zur Salbung (und sie halfen mir gar sehr)44. Für Magen, Unterleib und benachbarte Teile gab Er ein Arzneimittel, das, wie ich meine, oberhalb als Pflaster aufgetragen war. Die Verordnung aber geschah dadurch, daß er folgende Vorstellung erweckte: es war mir, als sehe ich den Arzt Asklepiakos 45 zu mir hereinkommen, mich untersuchen und mir dabei ein aus dem sogenannten Diktamnos46 benanntes Pflaster auflegen mit der gleichzeitigen Anweisung, ich solle es 30 Tage lang anwenden. Das tat ich. Da kam die 30. Nacht, und wieder war es mir, als komme Asklepiakos und nehme das Pflaster weg. Einige Zeit danach legte er eines auf, das er aus vier Bestandteilen hergestellt hatte. Zwei davon habe ich im Gedächtnis: Pech aus dem Wein(faß) und Schafswollfett47 • Die zwei anderen Bestandteile werde ich nachtragen, falls meine Traumaufzeichnungen48 wieder auftauchen sollten. Ferner über den Trank aus dem Theriak49 habe ich etwa folgendes in Erinnerung. Ich aß davon zufällig nüchtern50 oder auch nachdem ich einen großen Teil des Tages hatte verstreichen
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wurde auch medizinisch verwendet, wie aUs Celsus (5, 23, 1.3) und Galen (12, 66 K) hervorgeht. Behr (Übers. S. 433 nr. 33) zitiert die Deutung von Festugiere: 'au sujet de mon cou'. Dazu schreibt K. Kerenyi, Der göttI. Arzt, Darmst. 1956, S. 107 Anm. 90: "Die in der Dunkelheit seiner Kleidung verborgene helle Natur des Telesphoros offenbart sich in der Epiphanie, die Aelius Aristides von ihm erzählt ... ". Eine von Keil angezeigte Lücke füllt Behr mit den in Klammern gesetzten Worten aus. Behr (Übers. S. 433 nr. 34) meint, der schon erwähnte Tempelwärter Asklepiakos "was a doctor only in the dream". Doch hat schon Hepding (a.O. S. 102 Anm. 63) erkannt: er "muß ein anderer als der ... erwähnte Neokoros sein; er ist der Stifter des Altärchens von der mittleren Gymnasionterrasse mit der Inschrift AOXATl1ttaxö<; ia1:pö<; MiX AVEtxft1:wv".
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Dazu Galen (13, 778 K): "das mit Diktamnos zubereitete Pilaster nennt man das 'heilige' (s. auch Dioscor. 3, 32 zu den Wirkungen des Pilasters). - Zu dieser Galenstelle: Herzog, Urkunden ... S. 989 zeigt, daß die Worte iep6<; und ia6lJw<; ursprünglich Ehrennahmen waren, die aus den ethischen Schriften des hippokratischen Corpus stammen (z. B. Lex, De decenti habitu CMG I p. 8 u. 27» und fährt dann fort: "Zur Zeit Vespasians waren die Begriffe, die in der medizinischen Standessprache nicht die Person, sondern den Beruf charakterisieren, schon so abgegriffen, daß sie als Reklame· wörter für Rezepte gebraucht wurden. So Galen CMG V 4,2 p. 153 ... 13,126, K. 13, 804.778" usw. oiau7to<;: über die Verwendung in der Heilkunde s. Galen (10, 965 K). Vgl. II 3.8 III 30 IV 25. s. II 64 u. Anm. 118. Ich folge hier der Konjektur Keils: &7tao(1:o<;) - gegen Behr und Festugiere.
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lassen. Er aber schrieb mir vor, ich solle (vorher) eine Mahlzeit einnehmen und dann alsbald nach Tisch von dieser Arznei trinken. Und so geschah es fünf Tage hintereinander, wobei ich wußte, daß die Ärzte das Gegenteil verlangten, wenn einer die Arznei trinken wolle, so dürfe er keine Mahlzeit einnehmen, und bisher 28 war ich das so gewohnt. Ein andermal hieß Er mich, von ebendieser Arznei zum Brot zu essen, und ich aß davon neben dem heiligen Dreifuß 51 , indem ich 29 dies gewissermaßen zum Ausgangspunkt meiner Sicherheit machte52 • Es gibt aber, denke ich, eine gewisse Mischung des Philon53 • Davon konnte ich vordem nicht einmal den Geruch ertragen. Als mir der Gott jedoch kundtat, ich solle es anwenden, und zugleich die Stunde, in der es geschehen sollte, trank ich es nicht bloß ohne Widerwillen, sondern befand mich nach dem Trinken alsbald auch 30 wohler und leichter4 • Auch sonst wüßte ich noch unendlich viel zu sagen, was mit Arzneien zusammenhängt, die Er teils selbst herstellte, teils aus den marktgängigen allgemein gebräuchlichen Mitteln mir zur Pflege meines Körpers verschrieb, je nachdem wie jeweils mein Zustand war. Als aber meine Katarrhe hartnäckig anhielten, mein Gaumen sich entzündete, das Zäpfchen geschwollen war und die Spannung der Adern nicht aufhörte, da war mir, als lese ich ein gutes Buch, dessen Inhalt im einzelnen - noch einmal muß ich nämlich dieselbe Bemerkung machen55 - ich nicht imstande wäre wiederzugeben. Denn wie wäre das möglich nach so langer Zeit, zumal da meine Aufzeichnungen mich der Sorge 31 um das Festhalten im Gedächtnis enthoben. Aber am Schluß des Buches standen etwa folgende Worte - sie schienen einem Wettkämpfer zu gelten -: "Indem also der Gott das alles überschlug und sah, daß der Säftestrom reichlich kam, schrieb er vor, Wasser zu trinken und sich des Weines zu enthalten, wehn der Sieg gewonnen werden solle, was denn auch du", sagte er, "nachahmen kannst, um bekränzt oder mitbekränzt zu werden." Hiermit hörte (der Text) auf. Dann war noch der Titel der Abhandlung darunter geschrieben: "Kranzfreund" 32 oder "Kranzfroh,ö6. Wie lange Zeit ich nun das Wassertrinken ausgehalten habe, nicht einmal das kann ich sagen, nur daß ich mich dabei wohl und leicht fühlte, während mir doch früher das Wasser immer zuwider gewesen war und mir Der Standort ist unbekannt. Vielleicht war er außerhalb des Heiligtums wie die heilige Lampe in II 80. 52 Offenbar war es rur die Wirkung einer Arznei bedeutsam, wenn sie an einem ,heiligen Orte' eingenommen wurde: Edelst. II 153 u. 188 Anm. 12. 53 Philon, Arzt aus Tarsos, Erfinder eines Heilmittels. Galen (13, 267[.) brin!!t die von Philon selbst stammende dichterische Fassung seiner Antidotos mit Angabe der Wirkung (schmerzstillend, einschläfernd) und der Ingredienzien. Galen rugt ebd. eine ausführliche Erläuterung bei; über Philon s. ausruhr!. Diller, RE 20, 1 (1941) Sp. 52f. Nr.47. 54 Edelst. I test. 401 zitiert ein Stelle Galens, in der dieser bezeugt, daß Patienten in Pergamon auf Geheiß des Gottes Dinge taten, die sie einem Arzt verweigert hätten, und daß diese feste Überzeugung von der göttlichen Hilfe eine starke Motivation rur ihren Gehorsam bot. 55 Wie oben III 26; s. auch III 44 (Ende). 56
avoc;: das Wort ist Pindars 1. Paian V. 8 enlehnt. 51
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davon übel wurde. Nachdem aber auch diese (heilige) Leistung vollbracht war, dispensierte Er mich vom Wasser, bestimmte aber ftir den Wein ein festes Maß. Das Wort lautete: "eine kaiserliche Hemina." Es ist wohl ersichtlich, daß Er damit eine halbe Kotyle 57 meinte. Soviel trank ich,und es genügte mir besser als vorher das doppelte Quantum. Manchmal blieb auch (ein wenig) übrig, weil ich sparsam war aus Furcht, (der Wein) könne mir etwas schädlich sein58 • Jedoch setzte ich das nicht ftir den folgenden Tag beiseite, sondern da mußte ich von neuem mit dem Maß vorliebnehmen. Als Er auch diese Probe gemacht hatte, stellte er mir nunmehr frei, nach Belieben zu trinken, indem er mir mit diesem anmutigen Scherz zu verstehen gab, daß diej enigen unter den Menschen alberne Tröpfe seien, die, mit genügendem Besitz gut ausgestattet, es nicht wagten, ihn 33 nach Art freier Menschen (souverän) zu gebrauchen. Und jenes Buch selber schien mir das des Antisthenes 59 zu sein: 'Über den Gebrauch'. Es bezog sich aber auf den Wein, und einige Attribute des Dionysos waren beigegeben. Durch die Gewöhnung aber war ich nun so festgelegt, daß ich, selbst als der Gott es mir freistellte, beim Trinken nur ein klein wenig vom Maß abwich und mich 34 irgendwie nach der früheren Regelung sehnte. Das war ungefahr die Zeit, in der ich mich aller tierischen Nahrung 60 enthielt, außer einem Hähnchen, und aller Gemüse, außer den wildwachsenden und Salat, und auch auf alle Leckereien verzichtete. Jetzt endlich befahl Er mir, überhaupt nur eine einzige (Speise) zu mir zu nehmen, und ich aß (ein Stück vom) Hähnchen 61, und selbst diese Anordnung nahm ich nur mit Mühe entgegen 62 • Von diesen Vorschriften habe ich die einen mit Enthaltung vom Bad, mit AderIässen 63 und Klistieren 57
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Nach Meinung von Keil interpretiert Aristides das Wort TJiJ.lva frei nach seiner Grundbedeutung (= 112), obwohl das Maß an sich gleich I Kotyle ist (s. U 47 u. Anm. 89). Ob der Zusatz ßaolAlxf] etwa 'Romana' bedeuten soll, bleibt offen. überliefert ist: 1.1.11 en Aeln1J. Ich übernehme Keils Konjektur: iJ.f] iJ.e n Aunfj. der Kyniker (4. Jh. v. ehr.) - Die hier angedeutete Schrift trägt nach Diog. Laert. 6, 18 den vollen Titel: 'Über den Weingebrauch oder über die Trunkenheit oder über den Kyklopen'. eiJ.iJ.l/luxa 'beseelte', im Gegensatz zu den aqlUxa 'unbeseelten'; das war nach Platon (Leg. 782 c) "eine sogenannte orphische Lebensweise" und nach weitverbreiteter Anschauung auch die pythagoreische. Zu dieser Übersetzung s. Festugiere (a.O. S. 137). So sehr hatte sich Aristides inzwischen an die Abstinenz gewöhnt (Keil). s. dazu Altert. v. Perg. 8,3 S. 141, Inschr. Nr. 139: ,,Julius Meidias
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durchgängig erfüllt, die anderen, wie es eben im einzelnen Fall kommen mochte. Sechs Jahre hindurch enthielt ich mich aller Fische, des Schweinefleischs aber, ich weiß nicht wie lange. Nachdem Er es wieder gestattet hatte, genoß ich bei des. Darauf wurde ich abwechselnd vom einen ausgeschlossen, genoß aber das andere, wie es sich eben bei jedem der beiden so oder so fügte. Allerdings Fischsoße verbot Er mir ein für allemal; denn sie sei nicht zuträglich für den Kopf, am allerwenigsten aber für die Zähne. Er gab mir auch Rezepte für die Zähne. Das erste war: den Zahn eines Löwen brennen, ihn zerstoßen und als Zahnpulver gebrauchen. Das zweite: mit dem Saft (des Silphion64 ) sich (den Mund) ausspülen, diesem Öl also. Danach Pfeffer, wozu er bemerkte: "zur Erwärmung". Nach all dem indische Narde 6s , Zahnpulver auch diese. Das sind Träume von den erst neuerdings geoffenbarten. Vom Rindfleisch aber wurde ich auf folgende Weise abgebracht66 . Es kam mir vor, als sei an Zosimos ein Orakelspruch ergangen 67 , er werde so lange leben, wie "die draußen auf dem Felde weidende Kuh lebt"68. Da hätte ich denn zu ihm gesagt: "Verstehst du auch den Sinn des Orakelspruches? Es befiehlt dir, dich des Rindfleischs zu enthalten." Es wurde aber auch von Zosimos erzählt, zusätzlich zu der Erkältung, an der er starb, habe er sich dadurch einen Schaden zugezogen, daß er Rindfleisch von einem Opfer anrührte. Natürlich wurde nun große Sorgfalt und Vorsicht angewandt, es nicht einmal mit einer Fingerspitze unversehens zu berühren. Einige Zeit nachher traten die zahlreichen, rasch aufeinander folgenden Erdbeben auf, damals als Albus69 Statthalter von Asien war. Dabei wurde nicht nur Mytilene 70 beinahe ganz in Trümmer gelegt, sondern es kamen auch in vielen anderen Städten Verwüstungen durch Erdstöße vor, und einige Dörfer wurden von Grund auf zerstört. Die Bewohner von Ephesus und die von Smyrna liefen in ihrer Verwirrung einander entgegen. Die ununterbrochene Dauer der Erdstöße und der Ängste war außerordentlich. Einerseits schickte man Gesandtschaften nach Klaros 71 , und an der Orakelstätte kam es zu einem
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diese Weise bewirkten Freitodes ... " (mit vielen Beispielen aus Seneca, Cass. Dio usw.). Nachzutragen ist, daß Aristides diesen Eingriff schon in 11 47 erwähnt. laserpicium,: eine in Libyen heimische, später ausgestorbene Pflanze. Hauptausfuhrartikel von Kyrene. Ihr Saft wurde als Heilmittel sehr geschätzt: s. Steier RE 3 A 1 (1927) Sp. 103-14, bes. 113. ZU ihrem Gebrauch als Fiebermittel s. Galen 10,791 K. Es handelt sich um Ereignisse in Smyrna im Frühjahr 149 n. Chr. Vg!. I 69ff. Die Worte bilden vielleicht einen Hexameterschluß (Keil). L. Antonius Albus, Konsul 132 n. Chr., Prokonsul von Asien 149/50 n. Chr. - Über ihn und die Zeit seines Prokonsulates s. Behr 74 Anm. 49. - Kleinasien liegt in einer bekannten Erdbebenzone und wurde in den Jahren 142, 149, 161 und 177 von schweren Erdbeben heimgesucht: Behr 75/6 u. Anm. 50 und Capelle, RE Supp!. 4 (1924) Sp. 344-74 mit historischen Angaben über die Erdbeben in Smyrna Sp. 353. Hauptstadt der Insel Lesbos; im Mittelalter war 'Mytilene' der Name der Insel selbstwie auch noch oftmals heute. s.II 18 u. Anm. 31 u. III 12 Anm. 17.
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heftigen Streit (um die Reihenfolge der Plätze), andererseits aber hielt man Bittprozessionen mit Ölzweigen in den Händen um die Altäre, die Marktplätze und rund um die Städte, da niemand in seinem Haus zu bleiben wagte. Zuletzt wurde man der Bittgänge müde. Als die Lage so war, befahl der Gott mir, der ich mich damals in Smyrna aufhielt oder vielmehr in meinem Landgut vor der Stade\ Zeus dem Retter73 öffentlich ein Rind zu opfern. Als ich mich dem entziehen wollte aus Argwohn und Furcht vor jener früheren Prophezeiung7\ da kam mir etwa folgendes in den Sinn: ich würde ja kein weibliches Tier opfern 7s und es bestehe auch keine Notwendigkeit, davon zu kosten. Der deutlichste Wink aber, im Vertrauen auf den ich damals auch das Opfer darbrachte, war der: es war mir, als stehe ich unmittelbar am Altar des Zeus auf dem Markte und betete, (der Gott) möge mir ein sichtbares Zeichen geben, ob es gut sei zu opfern. Da zog ein leuchtender Stern über den Markt hin und gab die Entscheidung für das Opfer. So faßte ich Mut und opferte. Was nun darauf folgte, das glaube, wer glauben mag, wer es nicht mag, mit dem will ich nichts zu tun haben: all diese Erdstöße kamen zum Stillstand,und nach jenem Tage drohte keine Gefahr mehr, dank der Fürsorge und Macht der Götter und der notwendigen Dienstleistung von meiner Seite. Nicht weniger wunderbar als dies, vielleicht sogar noch mehr, ist folgendes 76 • Etwa am 6. oder 7. Tage nämlich vor dem ersten Erdbeben befahl Er mir, ich solle zu dem alten Herd schicken, der sich bei dem Tempel des Olympischen Zeus befindet, solle Opfer darbringen und Altäre auf dem Gipfel des Atyshügels77 errichten lassen. Kaum war das vollzogen, da trat das Erdbeben ein und erfaßte das ganze andere dazwischenliegende Gebiet, so daß es keines von den Gebäuden übrigließ, außer vielleicht irgendwo ein kleines Trümmerstück. Über den Atys griff es aber nicht hinaus, auch nicht über mein südlich vom Atys gelegenes Landgut Laneion, außer (so schwach), daß man es gerade noch spüren konnte. Jenseits aber richtete es keine Verwüstungen an. Und wahrhaftig, ich faßte solch starkes Zutrauen, daß, als ich infolge meiner Traumgesichte mitten zwischen den heftigsten Erdstößen von den Warmen Quellen in die Stadt zurückkam und die Menschen bei Bittprozessionen und völlig fassungslos sah, ich schon im Begriff war auszusprechen, man brauche nichts zu fürchten, denn es werde nichts Schlimmes eintreten. Denn ich wäre (sonst) nicht selbst unter solchen Umständen in die Stadt gerufen worden. Dann hielt ich (doch) an mich, um nicht als ein um Volksgunst Buhlender78 angesehen zu werden. Meinen Begleitern aber versicherte ich, daß "ich mich in sicherer 72
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s. II 38 u. Anm. 72. Unter diesem Titel wurde er von den Bewohnern von Smyrna verehrt (CIG 3159). - Zu dieser Hinwendung zu Zeus s. Behr 72f. und 152 Anm. 21. s. § 37. In § 37 war von einer 'Kuh' die Rede. (ö öE): von Canter am Satzanfang ergänzt. Nördlich von Aristides' Landgut Laneion,jetzt anscheinend 'Asar Kaie' genannt: Behr Übers. S. 434 nr. 57. öT)f1oxomx6c;: s. Plat. Phaedr. 248 e u. Marc Aurel1, 16.
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Führung befände", indem ich genau diese Worte aussprach. Wie es also mit den Erdstößen ging und wie wir während derselben ein Rind zu opfern begannen, das ist hiermit erzählt. Wir suchten aber einmal ein Gänseei, als der Gott mir zur Zeit meines Aufenthaltes in Pergamon79 ein Zeichen gegeben hatte, und nirgends auf dem Markte ließ sich eines auftreiben. Doch da war ein gewisser Meilates80 von der Akropolis81 • Zu diesem kamen schließlich die mit der Suche Beauftragten, teils durch Zufall, teils nach einem Hinweis. Meilates erklärte ihnen, er habe zwar ein Ei, hebe es aber zum Zwecke einer Heilung auf, denn so habe es der Gott ihm vorhergesagt. "Nun eben von dort kommen wir", sagten die Sucher. Undjener beugte sich dem Gott und gab es ihnen. Was ich aber danach 45 damit angefangen habe, das weiß ich nach so langer Zeit nicht mehr. Mit dieser Begebenheit ist der Befehl zu vergleichen, der von Isis an mich erging, und zwar noch zu Beginn meiner Krankheie 2, und der sich auf die Gänse selbst bezog. Ich weilte in den Warmen Bädern83 , und die Göttin hieß mich, ihr zwei Gänse zu opfern. Ich ging in die Stadt, nachdem ich Leute, die nach ihnen Ausschau halten sollten, vorausgeschickt und ihnen aufgetragen hatte, mit den Gänsen zu mir in den Tempel der Isis zu kommen. Andere Gänse waren an jenem Tage nicht vorhanden, sondern nur ein einziges Paar. Als meine Leute herankamen und sie kaufen wollten, erklärte der Gänsezüchter, er sei nicht in der Lage, sie zu verkaufen, denn es sei ihm von Isis aufgetragen worden, sie für Aristides aufzuheben. Der werde bestimmt kommen und sie opfern. Als er die ganze Sache erfuhr, erschrak er, beugte sich der Göttin und übergab sie. Das erfuhr ich 46 während des Opfers selbst. Es zeigte sich aber auch ein Licht von Isis her und andere unaussprechliche Dinge, die sich auf meine Rettung bezogen. Auch Sarapis erschien in derselben Nacht, er selbst und Asklepios miteinander. Sie waren wunderbar in ihrer Schönheit und Größe und einander irgend wie 84 47 ähnlich • Als aber das Unglück mit Zosimos eingetreten war - was der Gott, als es noch bevorstand, mir vorausverkündete und zum Trost sagte, das übergehe ich -,als es aber eingetreten war und ich mich in meinem Kummer elend fühlte, war es mir, als ob Sarapis, so wie er sitzend dargestellt wird, mit einem Skalpell in
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s. 11 70 u. Anm. 128. Über ihn s. Altert. v. Perg. 8, 3 S. 81. "Die Bewohner des Burgberges von Pergamon" sind inschriftlich bezeugt, s. Keil zur Stelle und Behr, Übers. S. 434 nr. 60. Im Winter 144/5 n. ehr. s. 11 69. Dazu schreibt Behr 26: "Yet even in Smyrna, Asc1epius began tentatively to infringe on the domain ofSarapis in Aristides' mind, as can be seen from a dream syncretism from this time". - In the Hommages 11 Verrnaseren Vol. I, Leiden 1978, 'Aristides and the Egyptian Gods' S. l3ff. hat Behr auch die inneren und äußeren (kultischen) Beziehungen zwischen Asklepios und Sarapis umfassend untersucht, worauf hier verwiesen sei. - Über die Zusammenziehung der für beide Götter charakteristischen Attribute und die Übernahme der Funktionen eines Heilgottes durch Sarapis s. auch W. Hornbostel, Sarapis, Leiden 1973, S. 22f. n. 3 mit weiterführender Literatur.
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der Hand mein Gesicht ringsum beschneide85 ••• , als ob er Unreinigkeiten beseitigen und säubern und (alles) in den angemessenen Zustand umändern wolle. So hatte ich auch später ein Traumgesicht von den Göttern der Unterwe1t86 : wenn ich meinen so heftigen Schmerz über die Toten mäßige, dann werde das zu meinem Vorteil sein. Viel schaudererregender als diese waren aber die Offenbarungen, die sich etliche Zeit später87 zeigten. In ihnen erschienen die Leitern88 , 85
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Die folgenden Worte 1tW~ ,0 Op((TJAOV werden allgemein als verderbt überliefert und noch nicht überzeugend geheilt angesehen. Die vieWiltigen dazu gemachten Konjekturen hat Behr, Hommages etc. (s. Anm. 84) S. 17f. gesammelt und ihnen aufS. 19 einen neuen Deutungsversuch angefügt: (i:v ,il ,WV XElAWV) 1tW~ p((u im' cxino ,0 OUAOV, den er (etwas vertrackt) so übersetzt: "going somehow under the gum itselfin the root ofthe Iips". Dabei geht Behr S. 19 von dem Wort"beschneiden" (1tept,cj.lvetv) aus und sieht in dem Wort 1tPÖOw1tov(Gesicht) einen verhüllenden Ausdruck für uxpoßuo,(cx (Vorhaut). Diese Auffassung hat dann Behr in seiner Übers. S. 434 n. 64 so zusammengefaßt: "The dream, I believe, disguises the wish to be circumcised (at this time permitted only to J ews and Egyptians priests), to which isjoined self-hatred (mutilation of the mouth of an orator). The cause lies in the traumatic effects of Zosimus' death (particularly a momentary dissatisfaction with Asclepius and a compensatory turning to Sarapis)". - Ich halte diese Auffassung für eher phantasievoll als richtig, andererseits für interessant genug, um sie hier zu erwähnen. Mit Recht schreibt Behr (Hommages a. O. S. 20): "The gods in this passage are certainly not Greeks gods, but rather apparitors of the Egyptian gods", d. h. hier des 'SarapisOsiris'. Etwa am 25. Apr. 149 nC am Sarapisfest in Smyrna. Eine schwierige Stelle. Für sachliche Hinweise und Literaturangaben bin ich den Herren Ph. Derchain, Köln, und H. G. Gundei, Gießen, zu aufrichtigem Dank verpflichtet. - Schon in 11 30 berichtet einer der Tempelwärter des Asklepieions, namens Philadelphos, dem Aristides "von einer heiligen Leiter", die er im Traum gesehen habe, und "von der Gegenwart und erstaunlichen Krafterweisen des Gottes" (Asklepios). Wozu diese 'heilige Leiter' diente, bleibt unerwähnt. - Nun eriählt hier Aristides von einem Traum, in welchem sich ihm Sarapis (und Asklepios) zeigten, und von Offenbarungen, in welchen ihm "die Leitern (xA(j.lCXXe~) erschienen, welche die unter- und oberirdische Welt und die Macht des Gottes (Sarapis) auf bei den Seiten voneinander trennen". Zur Deutung läßt sich etwa folgendes sagen: a) Da hier von Sarapis die Rede ist, wird man zunächst an ägyptische Vorstellungen denken. b) Da aber Aristides sein Wissen über die ägyptische Religion (wahrscheinlich während seines Aufenthaltes in Alexandria) vermutlich von hellenisierten Ägyptern erhalten hat, muß man Vorstellungen der Isisreligion, des Mithraismus und der Gnosis einbeziehen, die sich zu dieser Zeit mit jüdischen und griechischen Symbolen vermischt hatten. - Zu a) "Nach einem Vorstellungskreis der Pyramidentexte erfolgte die Himmelfahrt des Toten durch einen Aufstieg auf einer Himmelsleiter .. (sie) ist offenbar eine realistische Ausdeutung des Strahlenscheines, der dem Toten .. zum Aufstieg dient ... Daß man sie zumeist als vom Himmel herabhängende Strickleiter auffaßt, entspricht gleichfalls ihrer Ableitung von den Sonnenstrahlen. Allerdings klingt auch die Vorstellung einer von der Erde ausgehenden festen Leiter durch .. Das Totenbuch gedenkt nur noch an wenigen Stellen des Aufstiegs auf der Himmelsleiter. . "(H:Bonnet, Reallex. d. ägypt. Religionsgesch., Bin., 1952, 'Himmelsleiter' S. 305); s. ferner J. Assmann, 'Himmelsaufstieg', Lexikon d. Ägyptologie 11, Wiesb. 1977, Sp. 1206-11: Im offiziellen Dogma des Königstodes wird "der vertikale Charakter der
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Heilige Berichte Entrückung ... ebenso wie die Exklusivität dieses königlichen Schicksals sehr deutlich hervorgehoben" (a. O. 1207); ebd. ist die Rede vorn "Aufsteigen (~uf der Leiter)" in Verbindung mit technischen Bildern von Rampe und Leiter, ferner von der "Leiter, die Re gemacht hat (aus Sonnenlicht)", "die von Re und Horus geknüpft wird" usw. (a. O. 1210 mit den Belegstellen); s. auch ebd. Bd. III (1980) 'Leiter' Sp .. l003f. D. Kessler.Von einer Leiter, die zur Unterwelt führte (zu einer Art descensus ad in/eros), ist in ägyptischer Literatur nicht die Rede - von einer Katabasis überhaupt nur im demotischen zweiten Setne-Roman, der stark von ausländischen Quellen abhängt (Derchain): s. Ancient Egypt. Literature III, The Late Period, v. Miriam Lichtheim, Berkeley 1980, S. 138f. Zu b) Im außerägyptischen Bereich denkt man zuerst an die 'Jakobsleiter' (1. Mos. 28, 12), deren Vorstellung sich durch die Jahrhunderte gehalten hat (s. Wrede 'Jakobsleiter', Handwörterb. d. deutsch. Aberglaubens, hrsg. v. BächtoldStäubli IV, 1931/2, S. 620). Die 'Himmelsleiter' wurde zur Erklärung des 'überhimmlischen Ortes' aus Platons Phaidros (247c) und des Aufstiegs der Seele durch die verschiedenen Planeten(sphären) (ebd. 248c ff. und Tim. 41d ff.) erstmals von Philon (de somn. 1,22,133) herangezogen, was dann Origenes c. Cels. VI21 übernimmt. Ebd. VI 22 beschäftigt er sich mit dem von Celsus erwähnten persischen Mithrasmysterium der xAilla~ bmxnuAo<;', "der siebentorigen Leiter, auf der die Seele von ihrer irdischen Geburt herabsteigen muß, um nach dem Tode denselben Weg zurückzukehren. Von einern jeden der Planeten hat sie eine Eigenschaft empfangen und legt sie nach dem Tode Stufe ftir Stufe wieder ab" (M. J. Verrnaseren, Mithras, Geschichte eines Kultes, Stgt. 1965, S. 129). Zu dieser Frage gibt es eine Überfülle von Literatur, die am besten verzeichnet ist bei: H. Chadwick, Origen contra Celsum, Cambridge 1953, S. 334 Anm. 2; aus späterer Zeit vgl. bes. G. Maurach, Coelum empyreum, Wiesb. 1968, S. 144f.; M. P. Nilsson, Gesch. d. griech. Relig., 2. Aufl. II, München 1961, S. 677, 1. 689. 695 und in allen späteren Darstellungen der Mithrasreligion (so zuletzt in: R. Merkelbach, Mithras, Hain 1984, S. 77180, 235/6, 240, 244), ferner W. Eckle, Geist und Logos bei Cicero und im Johannesevangelium. Hildesheim 1978, S. 25ff. - Schließlich ist noch auf das sog. 'Diagramm der Ophiten' zu verweisen (mit Leiter und Toren durch die Planetensphären) Orig. c. Cels. VI 24-38, Abbild. bei Chadwick a. o. S. 338/9, wozu zuletzt: H. G. Gundei, 'Zodiakos' RE 10A, 1972, Sp. 609. - Als Fazit ist festzuhalten: 1) Es gibt im ägyptischen und griechisch-orientalischen Bereich eine 'Leiter', die zum Himmelsaufstieg dient. 2) Eine 'Leiter' in die Unterwelt scheint unbekannt. 3) 'Leitern' (im Plural) ist vielleicht eine generalisierende Umschreibung des Aristides. 4) Daß 'Leitern' eine Grenze zwischen Ober- und Unterwelt darstellen, scheint eher der Traumphantasie des Aristides anzugehören als dem Bereich realer religionsgeschichtlicher Fakten. - Zum Schluß sei noch eine Ergänzung zur 'Himmelsleiter' erlaubt. H. Hommel verdanke ich den Hinweis auf zwei Vorträge von Marielene Putscher: 1) Symbiose u. Distanz. Überlegungen zum Motiv der Jakobsleiter und über den Traum in der Kunst und in der Medizin, in: Deutsches Ärzteblatt-Ärztl. Mitteilungen, 75 Jg., 1978, S. 1110-14. 2) Die Himmelsleiter. Verwandlung eines Traumes in der Geschichte, in: Clio Medica. Vol. 13, 1978, No. 1, p. 13-37, mit einer schönen Reihe bildlicher Darstellungen der 'Jakobsleiter' in illustrierten Hss. und bei bedeutenden eruropäischen Malern. Ebd. S. 19 weist die Verfasserin auf die Schrift KXilla~ -rau napaöe(oou (Scala paradisi) des Abtes J ohannes vorn Berge Sinai (7. Jh.) hin, der nach seinem Hauptwerk den Namen 'Johannes Klimakos' bekam. Er gibt darin in 30 Stufen (oder Leitersprossen) Anweisungen rur seine Mönche zum Kampf gegen Laster, zum Erwerb von Tugenden und zum Aufstieg der Seele zu Gott. Dieses Buch wurde im MA sehr oft abgeschrieben, kommentiert und illustriert; s. Migne, PG 88, 631-1164 (mit Einleitung 580 ff. und Inhaltsangabe 630).
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welche die unter- und oberirdische Welt und die Macht des Gottes aufbeiden Seiten89 von einander trennen, und andere Dinge, welche eine wunderbare Bestürzung hervorriefen, und die man vielleicht nicht einmal jedermann mitteilen darf, so daß ich froh war, daß mir die Attribute des Asklepios90 erschienen. Die Hauptsache hinsichtlich der Macht des Gottes war, daß Sarapis imstande sei, auch ohne Wagen und ohne Körper Menschen dorthin zu bringen, wohin er wolle 91 • Das war der Inhalt der Einweihung92 , und ich erhob mich als einer, der nicht leicht wiederzuerkennen war93 • Obendrein wurde noch ein Opfer angezeigt, das dem Zeus geschuldet wurde und öffentliche Ankündigung erwartete, aber dargebracht wurde, als käme es dem Sarapis zu. Es wurde aber auch gleichsam dem Zeus dargebracht 9\ und ich kann sagen: sogar an den heiligen Tagen, welche die Stadt Alexandria für den Gott (Sarapis) feiert 9S, gibt es viele Dinge, die auf ihn (Zeus) hinweisen, sowohl anjedem einzelnen Tag (des Festes) wie auch zu der Zeit, da das Fest noch bevorsteht. Wenn ich aber etwas noch tiefere Scheu Weckendes erzählen soll: Ich hatte der Isis und dem Sarapis im Tempel der Isis geopfert - ich erzähle eine Geschichte, die sich in Smyrna zutrug. Als ich nun aus der Vorhalle heraustrat, rannten zwei von den heiligen Gänsen
Die Doppelnatur des Sarapis-Osiris, der gleichzeitig (wie Pluton-Hades) in der Unterwelt über die Toten herrscht und als Sonne und Weltenlenker über Himmel und Erde gebietet (s. Roeder RE 1A, 1920, Sp. 2418),wird von Aristides selbst in seiner 'Rede an Sarapis' (45, 25 Keil) klar ausgesprochen: "Tagsüber wandelt er auf Erden, nachts hält er Gericht, verborgen den Blicken der Lebenden: er, Heiland und Seelengeleiter in ' einem, fUhrt zum Licht und ruft wieder aus ihm zurück, allerorten alle umfangend" (s. A. Höfer, Sarapishymnus, S. 18 u. 86-9). - Neuere Literatur zu dieser Frage s. bei W. Hornbostel, Sarapis, Leiden 1973, S. 44ff. und G. Hölb1, Andere Ägyptische Gottheiten, S. 163 ff. in: M. J. Verrnaseren, Die oriental. Relig. im Römerreich, Leiden 1981. 90 Die Worte "des Asklepios" haben Keil und Behr getilgt, weil hier nur von Sarapis die Rede sei. Da aber Asklepios oft fast mit Sarapis verschmilzt (s. III 46 u. Anm. 84), "kann es auch nicht befremden, daß in einer von dem einen ausgehenden Offenbarung auch Attribute des anderen erkennbar werden" (Ritter im Nachlaß). - Der Anblick der 'Attribute' seines 'Heilands' tröstet den durch die schaudererregenden Gesichte von der Unterwelt zutiefst erschrockenen Aristides. 91 Hier ist Sarapis offenbar (wie Hermes Chthonios) als Psychopompos (Seelengeleiter s. Anm. 89) geschildert, der die körperlosen Seelen der Menschen "sowohl in den Hades geleitet wie auch zu neuen Einkörperungen wieder nach oben" (Höfer a. O. S. 90). 92 in die Geheimnisse der Unterwelt. 93 infolge der tiefgreifenden inneren Umwandlung. 94 In der 'Rede an Sarapis' (45, 21 Keil) heißt es: So rufen ihn (den Sarapis) ja auch die Alexandriner "als den Einzigen, den Zeus, aus". - Die volle synkretistische Einheitsformel, die auch als Akklamation sehr beliebt war, lautete: EIe; Zeue; ~apa1t1e;. Zu ihrer Deutung s. ausf. E. Peterson, EIe; Be6e;, S. 227-40 und zu ihrem Alter ebd. S. 217 Anm. 4. 95 anscheinend am 25. April; s. Rede 45, 33 Keil. 89
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(der Isis)96 herbei, gingen vor mir her und flihrten mich so genau auf den Weg, den ich zu gehen im Begriffe war, daß er mir völlig klar war97 • Ich begriff, was geschah, und sagte zu meinen Freunden und Begleitern: "Sieh da! Auch diese geleiten mich im Kreis meiner Freunde." Und zugleich sprach ich über die schreckenerregende Majestät des Gottes 98 und seine Wundermacht, wie groß sie sich erweise in Weissagungen und Vorzeichen99 und daß mir schon oft auf mein Gebet die Antwort zugekommen sei. "Auchjetzt", sagte ich, "hat er IOO diese da als 50 eine Art Führerinnen auf unserem Weg abgesandt." Darüber etwa unterhielten wir uns und gaben zugleich darauf acht, was jene nun tun würden. Wir entfernten uns nun vom Tempel, ich weiß nicht wie weit. Dann spielte ich mich vor meinen Freunden aufund sagte scherzend zu den Gänsen: "Meine Herren, Sie haben Ihren heiligen Dienst hinreichend erflillt. Sie können gehen!" Kaum hatte ich diese Worte gesprochen, da machten sie kehrt und zogen ab.
96 In den Tempeln der Isis wurden heilige Gänse gehalten. Der Göttin wurden Gänse geweiht und geopfert, und sie wurde auch bildlich mit einer Gans dargestellt, s. Olck, RE 7, I (1910) 722/3 u. 733. - Hommel erinnert (brieflich) an die im Kreuzgang der Kathedrale von Barcelona gehaltenen Gänse, die vielleicht in diese Tradition gehören. 97 Diese Szene hat o. Weinreich, Studien zu Martial = Tüb. Beitr. 4 (1928) S. 13617 behandelt und unter den Topos der "aus KultIegenden und Märchen" bekannten "Wegweisenden Tiere" eingereiht. - Eine Fülle von Beispielen dazu bringt S. Eitrem, Tierdämonen, RE 6 Al (1936) 'Tiere als Wegweiser' Sp. 913/6. - Vg!. vor allem aber den umfassenden Artikel 'Gans' von W. Speyer, Jb. f. Ant. u. Christent. 16 (1973) S. 178/89, bes. 180/1, 187 u. 189 (Literatur). 98 "tou i}eou: dies muß sich grammatisch aufSarapis beziehen, und so deutet es auch Behr (Übers. S. 434 n. 71). Weinreich dagegen (s. Anm. 97) übersetzt - m. E. sachlich richtig - "der Göttin", denn es handelt sich um Isis. Da aber Isis und Sarapis immer aufs engste miteinander verbunden sind, Aristides unmittelbar zuvor "der Isis und dem Sarapis" geopfert hatte und Sarapis im Leben des Aristidesja eine überragende Rolle spielte, glaube ich, daß hier Aristides - vielleicht nur halb bewußt - "des Gottes" geschrieben, aber Isis gemeint hat. 99 xa"ta ql1'UUXC; xcd xa"ta OUiJ.ß6AOUC;. Sprachliche Nachahmung von Xenoph. apo!. 13 u. memor. 1,1,3 (Hinweis von Keil). 100 "er" bzw. "sie" = Isis (s. Anm. 98).
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Zu Beginn des zehnten Jahres meiner KrankheitI erschien mir ein Geist und sprach Worte folgender Art: "Ich hatte die gleiche Krankheit. Da begab ich mich zu Beginn des zehnten Jahres nach dem Willen des Asklepios zu den Stätten, an denen sich die Krankheit zu bilden begonnen hatte, und wurde sie los." So lauteten die Worte, und es kam mir vor, als seien sie geschrieben. Wir hielten uns aber auch damals bei dem Heiligtum des Olympischen Zeus auf. Es war Winter, kurz nach der Sonnenwende, aber die Luft war mild. Nach dem Empfang des Orakels war ich natürlich voller Freude und hatte wunderbare Reiselust. Der Aisepos2 aber und die ihm benachbarten Warmen Quellen3 liegen zwei Tagereisen von diesem Ort in der Umgebung des Heiligtums entfernt. Meine körperliche Gesundheit war dort zum erstenmal ins Wanken geraten durch eine Erkältung zur Winterszeit, als ich nach vielen Bädern tüchtig vom Regen durchnäßt erst abends zu meinem Gut und Landhaus zurückkehrte 4• Dieses war zwar, wie man sagen könnte, nahe gelegen, doch im Hinblick auf die herrschende J ahreszeit und den Ort, von dem ich zurückkehrteS, war es sogar mehr, als ich hätte tun sollen. Darauf schloß sich dann wenige Tage danach die schwierige Reise nach Italien an. Das war also neun Jahre vorher geschehen. Jetzt aber machte ich mich wie zu einer Festschau auf, in froher Stimmung, bei wunderbarem Wetter und einladendem Weg. Poimanenos6 ist ein Ort in Mysien, der einen heiligen und berühmten Asklepiostempel einschließt. (Bis) dort (hin) hatten wir ungefähr 160 Stadien zurückgelegt, davon etwa 60 bei Nacht, da wir ja erst spät am Tag aufge~ 1 2 3
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Etwa 22. Dez. 152 n. Chr. Fluß in Mysien, mündet westl. von Kyzikos in das Marmarameer. Th. Wiegand hat in seiner Abhdl. "Reisen in Mysien" (Mitteil. Archäol. Institut, Athen, Abt., Bd. 29, Athen 1904) S. 278-80 ausführlich über "Das Landgut des Aristeides" gehandelt und ebd. S. 281-84 "Die Reise zum Aisepos" genau analysiert und topographisch einleuchtend erklärt. - Behr (5-7), der sich auf jüngere topographische Veröffentlichungen stützt, kommt zu teilweise anderen Lokalisationen. Da mir mangels Autopsie jede Urteilsmöglichkeit fehlt, kann ich nur auf diese beiden Darstellungen verweisen. - Die 'Warmen Quellen' (der Artemis Thermaia), beim heutigen Gönen gelegen, sind von späteren römischen Thermen überbaut worden. "Innerhalb dieser Trümmer entspringt, von einem modernen Badehaus überbaut, die heiße Schwefelquelle (nach Buonsignoris Mitteilung + 85° Cels.). Hier, 210 Stadien von Poimanenon, haben wir den Endpunkt der Reise des Aristeides" (Wiegand a. O. S. 284). s. 11 60ff. 1tpO~ llev"!:Ol "!:ov napona xatpov xai aq>' wv i:1taVUEtv. Behr übersetzt: 'Moreover, contrary to the season and my condition, in consequence ofwhich I returned'. Sonst heißt der Ort: Poimanenon. s. Stephan Byz. s. v. und Magie a. O. S. 902 (mit Literatur).
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brochen waren. Auch gerieten wir in dieser Gegend in ein Gelände, das durch vorausgegangene Regengüsse verschlammt und nicht leicht zu durchqueren war. 4 Unsere Reise ging aber bei Fackellicht vor sich. Dabei war es mir ganz so, als sei ich ein Gottgeweihter und von Gott Besessener7 • Ich dichtete viele Lieder, so wie ich eben auf meinem Reisewagen saß, teils auf den Heiland selbst, teils auf den Aisepos, die Nymphen und die Artemis Thermaia, der die Warmen Quellen gehören: sie möchten endlich Befreiung von allen Beschwerden gewähren und 5 meine alte Rüstigkeit wiederherstellen. Als ich in Poimanenos angekommen war, erteilte mir der Gott Orakelsprüche, hielt mich (dort) einige Tage fest 8 und reinigte den Magen 9, und das nahezu ein für allemal lO • Einem Bauersmann, der mich nicht kannte außer vom Hörensagen, wurde ein Traum beschert. Es war ihm, als sage ihm jemand, Aristides habe einen Natternkopferbrochen. Dieses Traumgesicht erzählte er einem meiner Leute und dieser mir. So war es also 6 damit. Als Er mich zum Aisepos schickte, schrieb er mir vor, mich sogleich der Bäder dort zu enthalten, regelte aber die sonstige Lebensweise (für) jeden Tag. Da wurden nun Sühnopfer durch Trankspenden am Fluß vollzogen und zu Hause Reinigungen durch Erbrechen 11. Nachdem drei oder vier Tage vergangen waren, ließ sich im Traum eine Stimme vernehmen: es sei zu Ende und ich solle heimkehren. Dies war nun nicht bloß einer Einweihung (in einen Mysterienkult) ähnlich, insofern die feierlichen Handlungen 12 so göttlich und unbegreiflich 7
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Vgl. II 23: "So war mein ganzes Ich bei dem Gotte"; s. auch IV 107. bti0XEl . Festugiere (a. O. S. 138) verweist auf § 18 ([LIXPÖV emoxwv) und übersetzt deshalb: Oe dieu) "attend quelques jours". nlv ävw sc. XOlAtav: der Ausdruck bedeutet hier offenbar den 'Magen', wie aus dem folgenden Bericht vom 'Erbrechen' hervorgeht. - Bei Aristoteles hat nach Bonitz (lnd. Aristot. 398 a. 42-54) i] ävw xOIAta 3 Bedeutungen: 1) thorax (wie bei Hippokr. und Platon) 2) Magen 3) Magen mit dem oberen Teil des Dünndarms. Beste Belege für die Bedeutung 'Magen': de part. animo 675 b 29 und Problem. 864 a 3 (dazu s. H. Flashar, Aristot. Werke in deutsch. Übers., Bd. 19, Darmst. 1962, S. 413). überliefert ist: OXeööv oUx. Keil konjiziert: OXeöov 1:0 netv, Festugiere (a. O. S. 138): OXeööv ouv (neben anderen Versuchen); ich schließe mich -zögernd- dem ouv an. So selbstverständlich Opfer in der Tempelmedizin waren, so auffallend ist die hier geschildete Kombination mit diätetischen Vorschriften; s. dazu Edelst. II S. 188. öpW[Leva. In der Rede 23, 16 (Keil) bezeichnet Aristides sogar den Eintritt in das Asklepiosheiligtum als "Einweihung in die höchsten der heiligen Riten durch den besten und vollendetsten Fackelträger und Mysterienführer" (Asklepios). Dabei verwendet Aristides bewußt Ausdrücke, die zu den eleusinischen Mysterien gehören: Handlungen (öpw[Leva), die höchsten der heiligen Riten (sie zerfallen in öpw[Leva, Aey6[Leva, ÖeIXVU[Leva), Fackelträger (öq:öoüxo~), Mysterienftihrer ([Luo1:aywy6~). Manche dieser Ausdrücke kehren naturgemäß in der Rede 22 ('Eleusinios') wieder (§ 2. 4). Ob Aristides selbst Eingeweihter in Eleusis war, wie die Schilderung der Mysterienfeier (22,9-10) nahezulegen scheint, ist umstritten (s. Behr, Übers. S. 363). Für unsere Stelle ist aber folgendes wichtig: In 22, 10 hält Aristides es für den höchsten 'Gewinn' dieser Mysterien, daß sie 'bessere Hoffnungen' ftir ein Leben nach dem Tode gewähren - ein Gedanke, der allgemein als wichtigstes Kennzeichen genannt wird. Im allgemeinen steht aber Aristides einem Leben nach dem Tode skeptisch bzw. uninteressiert gegen-
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waren, sonder es fiel dabei auch etwas ungewohnt Wunderbares vor. Denn einerseits war ich guten Mutes und freudig gestimmt und fühlte mich seelisch und körperlich wohl, andererseits war ich zugleich eigentlich mißtrauisch, ob ich jemals noch den Tag erleben dürfe, an dem sich jemand von diesen übergroßen Beschwerden befreit sehen würde, und obendrein war ich voll Furcht, es könnte wieder einer der gewohnten Zwischenfälle die Hoffnungen auf den Gesamterfolg zuschanden machen. Das war meine innere Verfassung, und unter solcher Lust 8 und Pein zugleich vollzog sich meine Rückkehr. Durch das Geschenk der Götter erfolgte nun von dieser Zeit an eine deutliche Veränderung meines ganzen Körperzustandes und meiner Lebensführung. Ich konnte die Luft besser ertragen und Wanderungen machen fast ebenso gut wie die vor Gesundheit Strotzenden. Die übermäßig vielen (Decken und) Hüllen lJ wurden abgelegt, die unbeschreiblichen Schleimflüsse und die Spannungen l4 in Adern und Sehnen hörten auf. Die Ernährung wurde jetzt einigermaßen planvoll eingerichtet, und wir hielten vollständige Redeturniere ab, zu Hause und in der Öffentlichkeit. Wir besuchten sogar Städte l5 unter dem Geleit des Gottes mit gutem Vorzeichen und 9 (gutem) Glück. Erst lange Jahre später trat jene seuchenartige KrankheitI 6 auf, aus der mich der Heiland und die Herrin Athene offensichtlich erretteten. Etwa sechs Monate hindurch ging es mir danach wunderbar gut. Dann kamen die große Hartleibigkeit l7 und andere Beschwerden, die der Gott alle geregelt hat und - mit seiner Erlaubnis sei es gesagt - noch regelt durch tägliche Diätvor10 schriften und Vorhersagen. Damals nun, als ich vom Aisepos zurückkehrte, ließen sich sogleich bei meinem Herankommen Stimmen von Kindern und anderen vernehmen, die beim Spielen miteinander riefen: "Heil dem Herrn"! Meine Amme war sogleich aufgestanden, kam mir entgegen und hatte ihre Kräfte wiedergewonnenI!, und alles war so, wie es unter solchen Umständen zu 11 erwarten ist. Darauf befahl der Gott, ich solle etwas weiße Erde auf mich schütten l9 - denn das müsse anstelle meines Begräbnisses geschehen -, wie es in über, und daß es sich bei den geschilderten "Mysterien des Asklepios" nur um die diesseitige Welt handelt und um die 'wunderbaren' Heilungen und Rettungen vor dem drohenden Tod, das geht klar aus den anschließenden Worten der Rede 23, 16 hervor, wo es heißt: "Ich aber gehöre zu denen, die durch die Macht des Gottes nicht nur zweimal, sondern viele verschiedene Leben gelebt haben"; s. dazu auch Edelst. 11 S.129 Anm. 15. 13 s. 11 58. 14 aq>axd.m: vgl. 111 1 Anm. 3; 11 57 ,ame; ('WV q>Aeßwv) und die Erörterung dieser Stelle bei Festugiere a. O. S. 138/9. 15 In den subscriptiones unter verschiedenen Reden werden die Städte genannt, in denen Aristides sie vortrug, so z. B. Nr. 37 in Baris i. J. 153 n. Chr.; Nr. 34 u. 22 in Smyrna (diese allerdings erst später in den Jahren 170 u. 171 n. Chr.). 16 In Smyrna im Sommer 165 n.Chr.; s. 11 38ff. u. Anm. 73. 17 ~T)p6'T)e;: vgl. Hipp. Aph. 2, 20 (Littre IV S. 476) xOLAlaL ~T)paL - Festugiere (a. O. S. 139) entscheidet sich für: 'dessechement, maigreur'. 18 s. I 78 über ihr Alter und ihre vielen Krankheiten. 19 Behr (Übers. S. 435 nr. 20) hält die "weiße Erde" für Soda aus einer nahe gelegenen
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der Ringschule üblich ist, zu meiner Sicherheit und damit auch dies (mein Begräbnis) irgendwie (schon) vollzogen sei. Ferner solle ich im kalten Wasser baden. Das bedeutete aber ein Bad im Schnee, so tiefhatte der Schnee alles zugedeckt, Boden, Bäume und Quellen. Selbstverständlich leisteten wir auch hierin 12 mit Freuden Gehorsam. Dies also geschah auf meiner Reise an den Aisepos und auf dem Rückweg von doreo. Statthalter von Asien war damals Severus21, der aus einer sehr berühmten Familie Oberphrygiens stammte22 . Zu seiner Zeitn 13
verrichtete der Gott wunderbare Taten, die für mich von Bedeutung waren. Über sie dürfte vielleicht anschließend 24 zu reden sein. Zuerst nun, wie gesagt, kam mir der Gedanke, sogleich seine Wohltaten auf diesem Gebiete 25 zu erzählen. Dann aber beschloß ich, auf die früheren Zeiten zurückzugehen und nach Möglichkeit vorher die sonstigen mir vom Gott verliehenen Ehren zu erzählen, zuerst diejenigen, welche sich auf meine Reden bezogen, und (auch darzulegen) wie zahlreich solche gewesen sind. Dann (sollen die Erzählungen folgen), welche die Taten betreffen, die (der Gott) unter den (verschiedenen) Statthalterschaften (für mich vollbracht hat)26. Wenn dann die Berichte aus den (verschiedenen)27
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Grube und verweist aufPlin. nat. hist. 31,113, wonach 'aphronitrum' (Schaumsalpeter, ein Natriumsalz) in Asien in Höhlen gesammelt wird. - Doch eignet sich m. E. 'Soda' schlecht zum "Bestreuen - anstelle eines Begräbnisses - wie in einer Ringschule", weshalb ich eher glauben möchte, daß wir an die sog. 'Walkererde' (eine gewisse Art von Ton mit fettaufsaugender Kraft) zu denken haben, die zum Bleichen und Reinigen von Stoffen benutzt wurde. Diese wird als yfj 7tAUnp(~ (Wascherde) oder oj.lT)X'(p)(~ (Reinigungserde) bezeichnet, und in den Scholien zu Aristoph. Ran. 712 heißt es von ihr: EO'tl öt döo~ Aeuxfj~ yfj~ = "sie ist eine Art von weißer Erde". - S. dazu die umfassende sachliche und sprachliche Erläuterung (von Nitron und Walkererde) bei H. Blümner, Technol. u. Terminol. d. Gewerbe ... f(Lpz. 1912) S. 174-76 u. zur Ergänzung: Arist. Metereol. 383 b 10 - 384 b 2 (mit Kommentar von H. Strohm a. O. S. 230). i. J. 152/3 n. Chr. C. Julius Severus, aus einer Seitenlinie der pergarnenischen Familie der Quadrati, Prokonsul i. J. 152/3; näheres s. Behr 79/80 u. Anm. 63 und bes. W. Hütt1, Antoninus Pius I1, Prag 1933, S. 5lf. ,fj~ ävül 4>puy(u~: d. i. das, von der Küste aus betrachtet, höher gelegene Innere der Provinz, in der Gegend um Ankara. - Nach Hüttl (a. O. S. 52) "steht dies mit den inschriftlichen Zeugnissen in Einklang ... , die C. Julius Severus als den Nachkommen der Tetrarchen und Könige von Galatien bezeichnen; denn ein Teil der galatischen Provinz ftihrte den Namen Phrygien, den Aristides dem modernen Namen Galatia vorzog." 7tepl öv. Das geschieht aber erst § 71-93, da Aristides seinen Plan geändert hat. indem er die Pläne des Severus hinsichtlich des Aristides vereitelte. i:7tl ,wv 7tp&~eülv ,wv xu,a ,a~ "yej.lov(u~: die Stelle ist schwierig und umstritten. Festugiere (a. O. S. 140f.) deutet sie (unter Berufung auf§ 71) so: 'celles qui concernent 1es exp10its que le dieu a accomplis relativement aux charges ... imposees ou proposees iL Aristide et qu'il refuse." - Behr stützt sich auf§ 68 und übersetzt: 'those (honors from the god) wh ich pertained to legal actions in each governorship." - Ritter übersetzt: "dann derer, die ich im praktischen Leben ernten durfte, unter verschiedenen Statthalterschaften. " (NB Auch Festugiere hatte diese Deutung ursprünglich erwogen.) -
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Zeiten zusammenlaufen, dann wird etwa die Grenze dieses ersten Teiles der Schilderung feststehen. An sie wird das übrige anzuschließen sein. Fast das ganze erste Jahr meiner Krankheit ließ ich die rednerischen Übungen ruhen, wie es bei so vielen und so schweren körperlichen Leiden begreiflich ist,und zugleich war ich völlig verzweifelt. Als ich aber schon meinen Wohnsitz in Pergamon genommen hatte 28 , gemäß dem Ruf(des Gottes) und meinem Hilfeflehen, erhielt ich von dem Gott die Vorschrift und Ermunterung, die Reden nicht aufzugeben. Welcher von meinen Träumen sich nun als erster einstellte oder wie ein jeder in seinem ganzen Verlauf vor sich ging, das vermag ich nach so langen Jahren nicht mehr zu sagen. Jedenfalls gehörte zu den ermunternden (Zurufen), die ich gleich anfangs 29 erlebte, folgender: "Dir geziemen Reden zusammen mie o Sokrates3 1, Demosthenes und Thukydides", und mir wurde eigens einer der berühmten (Redner), die älter waren als ich, gezeigt, damit ich ganz besonders zum Reden angeregt werden sollte 32 • Dann verlangte (der Gott) von mir, ich solle in die Halle des Heiligtums, die beim Theater liegt, gehen und ihm die Erstlinge von diesen Stegreif- und Streitreden darbringen. Und das geschah folgendermaßen. Es war irgendein besonders glänzendes Schauspiel in der Stadt, ich glaube eine Stierjagd33 oder so etwas Ähnliches. Die Leute aus dem Heiligtum waren alle hingelaufen, und die Stadt hatte fUr nichts anderes Sinn. Nur zu zweit waren wir von den vornehmeren Gottesverehrern im Heiligtum zurückgeblieben, nämlich ich und ein Mann aus Nikaia, ehemaliger römischer Prätor, namens Sedatus, vormals Theophilos34 • Wir saßen nun im
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Ich habe einen mittleren Weg gewählt und bin im übrigen der Meinung, daß das Schwanken des Aristides hinsichtlich der Reihenfolge der zu berichtenden Geschehnisse auch an der verzwickten Formulierung dieser Stelle schuld ist. Behr ergänzt: ~wv (ä:vw) Xpovwv (nach § 13 2. Satz). Zu dieser sprachlich ebenfalls schwierigen Stelle s. Festugiere (a. O. S. 141) und Behr (Übers. S. 435 nr. 23). X cd1rll.Lev<+>: s. II 70 Anm. 128 zur xafreöpa in Pergamon. xa~a 1tpw~a~: sprachl. Anlehnung an Plat. Politic. 292 b. ouv: d. h. nach der Art und dem Beispiel (als Muster für eigene Bemühungen); vgl. dazu § 18. d. h. den Schriften Platons. Zur grammatischen Konstruktion dieses Satzes vgl. Festugiere a. O. S. 142. ~aupwv fritpa. Solche Stierhetzen sind für griechische Städte in Kleinasien mehrfach inschriftlich bezeugt. In Pergamon heißen sie ~aupox&fraIIIt~ (IGRom. 4, 460), in Smyrna ~aupoxaMIIIta (CIG 3212). - Nach alter thessalischer Sitte (s. Sueton, Claud. 21) wurden die Stiere von berittenen Jünglingen gejagt, die dann vom Pferde auf den Hals oder Rücken des ermatteten Stieres sprangen, mit den Händen die Hörner des Stieres faßten und das Tier auf den Boden zwangen. Eine sehr ausführliche Schilderung steht bei Heliodor, Aethiop. 10,30, eine kürzere in der Anthol. Pa!. 9, 543. Vg!. Ziehen, RE 5 A (1934) Sp. 24-27 und besonders L. Robert, Les gladiateurs dans l'Orient grec. Amsterd. 1971, S. 318f. AufS. 319 Anm. 9 bemerkt Robert zu unserer Stelle, er wisse nicht, ob die bei Aristides genannte tauron thera eine Stierjagd oder ein Stierkampf gewesen sei. s. II 47 u. Anm. 93.
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Tempel der Hygieia, wo (die Statue des) Telesphoros steht, und fragten einander nach unserer Gewohnheit aus, ob der Gott irgendeine neue Vorschrift gegeben habe. Denn in manchem litten wir an ähnlichen Beschwerden. Ich sagte nun, ich wisse nicht, was ich tun solle. Mir sei nämlich etwas aufgetragen, was wie ein Befehl zum Fliegen sei, nämlich Redeübungen, während ich doch nicht atmen könne, und zwar dort - wobei ich ihm die Halle bezeichnete -, und ich erzählte ihm meinen Traum. Als er ihn vernommen hatte, sagte er: "Was wirst du nun tun, und wie ftihlst du dich?" "Was werde ich anderes tun", sagte ich, "als das, was möglich ist? Ich will mir den Mantel umlegen, mich so hinstellen, das Thema bekanntgeben, nach eigener Wahl ftir mich selbst, einen kurzen Anfang machen und dann abtreten. So habe ich dann meine heilige Verpflichtung erftillt." "Keineswegs", sagte er, "nicht so. Vielmehr hast du mich hier als Zuhörer. Kämpfe du nur mit allem Eifer! Für die Kraft aber wird der Gott sorgen. Was weißt du, ob der Traum nicht auf noch Wichtigeres vorausdeutet?" Zugleich erzählte er mir eine wunderbare Tat des Gottes, wie er mit seinem Auftrag an einen Kranken, den Kampf so durchzufechten, die ganze Krankheit dadurch beendete, daß bei dem Ringen um den Sieg der Schweiß ausbrach. Da glaubte ich, so handeln zu müssen. Während wir so plauderten und uns berieten, kam als dritter Bibulus3s hinzu, ein Verehrer der Alten und auf seine Art ein warmer Freund der Reden. Er war es auch, der das Thema vorschlug 36 • Das Thema lautete folgendermaßen - ich habe es in Erinnerung, weil esja das erste war, welches ich mir stellen ließ -: "Während Alexander", sagte er, "in Indien weilt, rät Demosthenes, zur Tat zu schreiten'<37. Sogleich nahm ich diese glückliche Vorbedeu3S
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BußAo~: sonst nicht bekannt. Behr konjiziert: <M&~tf!o~ 0>A(ßu~ und handelt über diesen p. 48 nr. 26. np6ßAllf!!X npoß&AAEtv heißt: 'ein Thema (für eine solche Prunkrede) stellen'. Für die Fragen, die sich hier und in den folgenden §§ erheben und die alle den "späten Herbstflor der griechischen Beredsamkeit", die sog. Zweite Sophistik, betreffen, verweise ich auf die einhellig gerühmte meisterhafte Darstellung von E. Rohde, Der griech. Roman, 3. Aufl., Lpz. 1914, S. 310-62, aus der ich im folgenden mehrfach zitiere. (Vgl. neuerdings: G. W. Bowersock, Greek Sophists in the Roman Empire, Oxford 1969, und die Rezension von H. Hommel in: Österreich. Anzeiger für d. Altertumswissenschaft 1974, S. 201-5.) - Hier nur ein paar kurze Bemerkungen: a) zum Stellen des Themas: s. Rohde a. O. S. 333 f. b) Obwohl Aristides sonst im allgemeinen nur nach sorgfältiger Vorbereitung auftrat, weil ihm nach den Worten des Philostrat II 9 (582) die Gabe des Extemporierens fehlte, läßt er sich hier - allerdings in Gegenwart von nur zwei Zuhörern! - auf eine Stegreifrede ein. c) in § 17 zeigt er, daß er sich im äußeren Auftreten und der Gewandung den Gepflogenheiten der Zunft anzupassen weiß (Rohde a. O. S. 331). Das Thema ist ein Beispiel für die Gepflogenheit der Sophisten, historische Stoffe aus der nationalen Geschichte aufzugreifen und sie in Form einer f!EAhll (Deklamation) zu behandeln. Meist handelte es sich dabei um fingierte Gegenstände. So stimmt auch im vorliegenden Falle das Thema nicht mit der geschichtlichen Wirklichkeit überein. Denn seit Chäronea betrieb Demosthenes eine sehr vorsichtige Politik und wurde im harpalischen Prozeß von Hypereides geradezu angeklagt, daß durch .seine Schuld die Gelegenheit zum Krieg gegen Alexander versäumt worden sei (s. A. Schäfer, Demosth.
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tung an, die darin lag, daß Demosthenes wieder Redner sein38 und die Rede sich um die Führungsrolle drehen sollte. Ich machte eine kurze Pause 39 , dann hielt ich meine Rede. Auch mit meiner sonstigen Kraft ging es (so aufwärts), wie zu erwarten stand, da der Gott sie mir verlieh, und der Zeitraum dieses (ganzen) Jahres schien nicht eine Zeit des Schweigens, sondern des Redetrainings zu sein. So also gestaltete sich für mich der Anfang meiner rednerischen Betätigung, und so kehrte ich (zu -ihr) zurück. Es gab aber auch noch viele andere (Träume), die alle auf dasselbe Ziel hinwiesen, und was mir am meisten Mut machte, war folgendes: Rosander40 gehörte zu den Leuten, die Philosophie trieben41 , und war im übrigen eifrig um die Verehrung des Gottes besorgt. Dieser, so schien es mir, kam von einem der gefeierten Philosophen, der soeben seine Disputation abgehalten hatte, und stand vor meinem Bette wie begeistert und in glühendem Eifer. Dann sprach er von meinen Reden, wie sehr sie sich der Vollkommenheit genähert hätten; er sei wahrhaftig an Platon und Demosthenes erinnert worden, wobei er jeden von beiden erwähnte. Als Schlußsatz fUgte er bei: "An Würde hast du in meinen Augen den Demosthenes übertroffen, so daß also nicht einmal die Philosophen sich über dich erheben können"42. Dieses Wore 3 u. seine Zeit, m 2 Lpz. 1887, S. 307-9 u. 321/2). - Umfassend handelt über diese ganze Frage R. Kohl, De scholasticarum declamationum argumentis ex historia petitis (Diss. Münster = Rhetor. Studien 4, Paderborn 1915). Auf S. 66-82 hat Kohl die Themen gesammelt, die sich mit 'Aeschines et Demosthenes' befassen. Auf S. 80f. n. 320 bespricht er die vorliegende Deklamation und gibt mehrere Stellen an (u. a. aus PsDemosth., Plutarch u. Aeschines), die Veranlassung zu einem solchen Thema gewesen sein können. Ebd. zitiert er die stilistisch nur geringfügig abweichende Formulierung desselben Themas, die der Neuplatoniker Syrian (5. Ih. n. ehr.) in seinem Kommentar zu Hermogenes, Peri stase on, überliefert (I1 181, 8 Rabe). Es ist wohl eher anzunehmen, daß Syrian die Aristidesstelle kannte, als daß derartige Themen stereotyp und anonym geworden wären. 38 Demosthenes war für alle Redner der zweiten Sophistik das höchste Ideal, und es war ihr höchster Stolz, wenn das Publikum sie ihrem Vorbild gleichstellte oder gar vorzog. So galt auch Aristides später als "neuer Demosthenes"; s. Rohde, a. O. S. 350f. und Anmerkungen, u. Anthol. Palal. 16,315. 39 Sie diente der Sammlung und inneren Vorbereitung auf das Thema und wird z. B. von Quintil. insl. oral. 10, 7, 20 bei Stegreifreden ausdrücklich angeraten. 40 Sonst unbekannt; sein Name ist 'redend', da die erste Silbe hier offenbar auf pwot~ (= Ermutigung) gedeutet wird und Aristides gerade davor deshalb das Wort emppwaav (= 'Mut machte') gewählt hat; vgl. dazu I 51 Anm. 102 (über 'Menander'). - Zur weiteren Deutung des Namens s. unten § 21. 41 Vielleicht gehörte er zur Schule des Platonikers Gaius; s. II 52 Anm. 99. 42 Mit einem Angriffauf das 'hochmütige Gebaren' der Vertreter der Philosophie schließt Aristides seine Rede 'Für die Vier' (von Platon im Gorgias angegriffenen athenischen Staatsmänner) (Nr. 46 Dind., Nr. 3 Lenz-Behr), und in der Rede 'Für die Redekunst' (Nr. 45 Dind., Nr. 2 Behr) verteidigt er die Rhetorik gegenüber der Philosophie. Dieser Kampf richtet sich aber nicht gegen die Person Platons, wie Aristides gleich zu Beginn der Rede betont, und die Hochschätzung Platons als des ersten aller Philosophen, "des Vaters und Lehrers der Redner" (Rede 47 Dind. Nr. 4, 26 Lenz-Behr) zeigt sich deutlich auch im folgenden, z. B. IV 57 und V 62f.
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entzündete meinen ganzen ferneren Ehrgeiz, dieses verursachte, daß ich alle meine rednerischen Leistungen als noch unzulänglich einschätzte. Und wahrhaftig, auch noch im Wachen setzte der Gott sein Siegel darauf. Denn nach jener Nacht, die den Traum zur Zeit der Morgendämmerung brachte 4\ veranstaltete ich sogleich eine Redeübung - wie gesages, noch zu Beginn jener Zeit. Die Anwesenden, die vorher noch nichts von meinem Traum erfahren hatten und damals zum erstenmal Reden von mir hörten, lobten vor allem ebendiese Würde, und das war die Hauptursache ihres Beifallssturmes46 • Einige Zeit später begegnete mir mit Rosander folgendes. Ich träumte, daß im Bezirk des Olympischen Zeus bei irgend einem Aufenthalt47 daselbst entweder ich selber auf den Gedanken komme oder ein anderer mir den Hinweis gebe und mir sage, Rosander48 könne den Gott bedeuten, wofür er den Beweis wie die Geometer durch eine Zeichnung lieferte, indem er zwei aufeinander folgende Namen gleichmäßig auf den Boden schrieb, den einen: Rosander, den anderen: Theodotos4\ und irgendwie war dieser (Name) in der Schrift: Theodötes50 ; es sei aber klar, daß der Arzt Theodotos 51 den Gott bedeute. Dieselbe Bedeutung habe also auch Rosander, da doch Rosander und Theodotos gleichwertig seien 52 • Diese Aufklärung gab Er über den Namen Rosander. Als ich mir meine Themen geben ließ und mich zum Redekampfhinstellte, widerfuhr es mir öfters, daß ich in äußerste Not geriet und nur mit Mühe wieder zu mir kam, da mir der Atem ausging. Doch als ich in den Einleitungen vorwärts kam, war mir schon leichter, und ich war imstande zu atmen. Als dann die Rede immer weiter fortschritt, wurde ich vom Geruhl der Kraft und Leichtigkeit erfül!t 53 und reihte die Worte so rasch aneinander, daß die Hörer Mühe hatten mitzukommen. Und meiner Derselbe Ausdruck kehrt § 51 (Anfang) wieder. Ich übernehme (mit Behr) die Konjektur von Keil: vux1:a exe(vTlv, 11 (1:0 ovap 1tepl aU1:ov) 1:0V ÖpIJpOV i'jyev; denn nach antiker Anschauung war der Morgen für Wahrträume besonders günstig; s. auch Artemidor, Traurnb. 1,7. 45 s. § 15. 46 Über die Reaktionen des Publikums s. Rohde a. O. S. 335. 47 öta1:ptßfiv: das könnte auch (wie Behr es versteht) 'Iecture' bedeuten. 48 = 'der Männer stark macht'. 49 = 'der von Gott Gegebene'. so = 'Gott (als) Geber'; Hesiod op. 355 hat in einem Wortspiel: öC:)1:Tl~ - 6:ÖW1:Tl~ (GeberNichtgeber) die einmalige Form ÖW1:Tl~ gebildet. Diese verwendet Aristides hier zu einer ebenso kühnen Wortfügung: IJeo.oW1:Tl~ (Sie taucht nur einmal noch inschriftlich auf.). SI Er wurde schon mehrfach erwähnt, z. B. I 13. II 34. 52 Insofern beide: 'Männer-Heilende' und 'Männer-Stärkende' sind und 'Theodotos' als 'Theodötes' den Gott Asklepios als 'Geber (der Heilung)' offenbart. 53 Rohde schildert dieses "Iebhaft aufgeregte Wohlgefühl der eigenen Kraft" und vergleicht diesen "Augenblick einer lebhaft erregten Glut der Empfindung", die "bisweilen ihren Meister in einem wogenden Erguß seiner Kunst emporzuheben und fortzutragen vermag", mit einer "heutzutage wenigstens an Musikern zu erneuernden Erfahrung" (a. O. S. 336 u. 334). 43
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Meinung nach wenigstens war der Eindruck Hir die Augen 54 überwältigender als Hir die Ohren. Es erhielten aber auch andere Leute Träume über mich, die in dieselbe Richtung wiesen. So z. B. der Kreter Euarestos55 , ein Mann, der philosophische Studien trieb und von Ägyten gekommen war, um Forschungen über den Gott anzustellen. Er war bei meinem Aufenthalt in Ägypten56 mit mir bekannt und vertraut geworden. Dieser sagte, der Gott habe ihm aufgetragen, mich zu den Reden zu ermahnen, da diese vor allem sich Hir mich schicken. Folgender Traum aber wurde dem Liederdichter Hermokrates von Rhodos 57 zuteil, wie mir Hermokrates selbst mitgeteilt hat, - ich hatte, glaube ich, etwa ein oder zwei Tage ausgesetzt - : "Da wird dann Aristides ungehalten sein und behaupten, er habe Halsschmerzen, weil er nicht reden will." So wurde die Sache von allen Seiten zu einer dauernden Gewohnheit, festigte aber und vermehrte in vielfältiger Weise meine Kraft58 . Denn Er nannte mir von den Männern der Vorzeit diejenigen, mit welchen ich mich beschäftigen sollte, ich meine von den Dichtern wie von den anderen, und bei einigen setzte Er sogar die Zeit des Umganges mit ihnen fest. Und alle erschienen mir nach diesem Tage fast wie Freunde, da der Gott sie mir empfohlen hatte. Allein der reichste und wertvollste Teil meiner Übung war doch der Zustrom und die Gesellschaft der Traumgesichte und ihr Unterricht, (den sie mir erteilten). Denn dabei hörte ich viel, was durch die Reinheit (des Stils) alles übertraf und durch seinen Glanz alle Vorbilder übertraf. Ich glaubte aber auch, selber viel zu reden, was (weit) über meine eigene Gewohnheit hinausging und woran ich (zuvor) niemals gedacht hatte. Was ich davon behalten konnte, das habe ich in den Niederschriften meiner Träume festgehalten. Darunter befindet sich meine Rede "Zur Verteidigung des Laufes"59, die ich hielt, als Er mir ein Lauftraining verordnete, und vieles Weitere gehört noch dazu. So ist auch in meine Bücher eine "Lobrede auf Athene"60 und "auf Dionysos"61 eingestreut und auf andere 62 , wie es sich mit 54
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Nicht nur der Schmuck der Gewänder und die Gebärdensprache der Sophisten waren ein Augenschmaus, sondern schon allein die Aussicht auf Teilnahme an diesen großartigen Schauspielen, bei denen man die berühmtesten Stars der damaligen Zeit erleben konnte, lockte die Massen zu solchen Festen wie heutzutage in die Fußballstadien; s. auch Rohde a. O. S. 331. 337f. Sonst nicht bekannt. - Behr (Übers. S. 436 n. 39) versucht eine Identifizierung mit einem in Inscr. Lat. SeI. 11 2 Nr. 7776 (Dessau, Bin. 1906) Genannten, aber: 1) dieser Mann heißt Euaretus (sie), und 2) sein dort erwähnter Freund Salvius Julianus war nicht der Freund des Aristides, sondern ein berühmter Jurist, Präfekt von Germania inferior. s. I 24 u. Anm. 51. Sonst nicht bekannt. Zu dieser Übersetzung vgl. Festugiere a. O. S. 142. lJ1tep wü öp6~ou: diese Rede ist nicht erhalten. Es gibt zwar einen Prosahymnus auf"Athene" (= Rede 37 Keil), der auf eine Traumweisung hin verfaßt und i. J. 153 in Baris gehalten wurde, es ist aber umstritten, ob es sich bei dem vorliegenden Hinweis um diese Lobrede oder um eine frühere, jetzt verlorene, handelt; s. die Erörterung der verschiedenen Meinungen in dieser Frage bei Behr 52f. = Rede 41 Keil.
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jeder einzelnen gerade traf. Es stellten sich aber auch viele Themen ein, und es wurde mir gezeigt, wie man sie im allgemeinen anzufassen habe, abgesehen von den Worten, die mit Genauigkeit ins Gedächtnis eingingen 63 • Eine andere Art, die zur Vervollkommnung führte, war die der Vorbereitung auf ein unbekanntes Thema64 • Denn ich mußte mich nach Einbruch der Nacht erheben, angespornt und bereit zum Reden, wie wenn ein Wettkämpfer seine morgendlichen Übungen voraustrainiert. Einmal kam auch folgender Auftrag, eine Rede durch das bloße Denken zu verknüpfen65 wie sonst durch Sätze. Es war mir klar, daß der Gott damit Gedankenfülle vorschlug. Daß übrigens die Beschaffenheit meiner Reden - Er vergönne mir wenigstens, es auszusprechen -,wenn sie auch zumeist schon vorher nicht ganz verächtlich war, sich immer weiter entwickelte, dessen bin ich mir selber bewußt,und von den Kundigen wird es anerkannt. So hat ja auch einmal jener berühmte Pardalas 66 , den ich für die Spitze der Kritiker von Reden in der zeitgenössischen Hellenenwelt erklären möchte, nachdrücklich mir gegenüber die kühne Behauptung aufgestellt, er glaube tatsächlich, daß durch eine göttliche Fügung 67 die Krankheit über mich gekommen sei, damit ich im Verkehr mit dem Gotte diese Fortschritte mache 68 • Indes, was jener sonst noch zum Ruhme meiner Reden zu äußern pflegte oder was die Besten und Angesehensten von den älteren Leuten jener Zeit sagten, das mitzuteilen liegt außerhalb meines Planes und auch meiner Absicht. Aber einen Traum will ich noch erzählen. Es kam mir vor, als sei ich in dem Landgut, in dem ich aufgewachsen bin, und Rufinus 69 sei zugegen, von dem die großen Weihgeschenke gestiftet sind und der formenreiche 70 Tempel. Natürlich freute er sich außerordentlich über Ritter (im Nachlaß) rechnet dazu den 'Herakies' (Nr. 40 Keil), der nach der subscriptio i. J. 165 verfaßt worden ist. 63 Ähnliches berichtet Aristides in Rede 28, 21. 64 tfj~ aöijAou 1t(Xp(Xaxeufi~: Aristides hatte immer Schwierigkeiten mit Stegreifreden, s. oben Anm. 36. 65 1tAE~(Xt: das Wort ist offenbar wieder aus Pindar (Nem. 4, 94) entlehnt, wo es heißt: PfJ· l!(Xt(X 1tAEXWV = "Sätze flechtend". 66 L. Claudius Pardalas. Unten § 87 wird er noch einmal als Helfer des Aristides erwähnt. Er war Stratege und Tempelwärter in Pergamon und erscheint in einer Weihinschrift des Asklepieions als 1teplltii-cT]~, (was wohl eine Funktion im Kulte des Asklepios bezeichnet): Altert. v. Perg. 8,3 nr. 140; ebd. S. 142 mehr über diesen Mann und seine aus Sardes stammende Familie; s. auch IGRom 4, 238. 67 -ciix\! nvl ße(q:: ebenso § 32 Anfang; der Ausdruck ist aus Plat. ep. 7, 337 e entlehnt. 68 Das wird noch nachdrücklicher betont in §§ 28 u. 52 und vor allem in Rede 23, 16. 69 L. Cuspius Pactumeius Rufinus, "Pergamenervon Geburt, consul ordinarius i. J.142 n. Chr., in seiner Vaterstadt Stifter des großen Rundtempels für Zeus Asklepios Soter, der mit dem gesamten Bezirk, 'POUcp(VlOV &Aao~ [Hain des RufinusJ, Berühmtheit als Weltwunder erlangte": Altert. v. Perg. 8, 3 S. 24. - In einer Inschrift (ebd. S. 23 n. 2) fragten die Pergamener beim ApolIon in Didyma an, wo sie den 'Heros' Rufinus bestatten dürften; dazu ausführ!. ebd. S. 24-6. 70 ltOAUelöfj: Festugiere (a. O. S. 143) deutet das Wort auf die 7 Nischen im Inneren des Tempels,4 rechteckige, 3 halbrunde. Liddell-Scott, Greek-Engl. Lexicon, Oxford 1961, Addenda et corrig. S. 2100 übersetzt die Stelle: "having a rich variety of ornament". 62
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mich und sagte vor aller Ohren71 : "Wo wäre erjetzt, wenn er noch lebte, der Herr Soundso, der Deklamator72 ?" Denn so sagte er wörtlich73 , indem er damit den Chorführer unserer Zeit74 bezeichnete. Ich verstand es und sagte zu dem hier: "Bassus7s , siehst du, was der Gott über mich urteilt, jawohl, dieser Rufinus da 76 ?" Er befahl mir aber auch, Reden auszuarbeiten und den Kampf nicht nur aus dem Stegreif zu führen und sie zudem gelegentlich wörtlich auswendigzulernen. Die Sache bereitete mir viel Kopfzerbrechen, weil ich natürlich weder von dem, was später geschah, etwas ahnen, noch zu dem, was er damit etwa beabsichtigte, Zutrauen haben konnte. Jedenfalls war mir unter diesen Umständen (dieser Befehl ganz und gar wiIIkommen)77. Wo es aber möglich ist, die (für das befohlene Redetraining) nötige Zeit zu finden, da mußte vorher die Gesundheit gesichert sein. Für Ihn aber waren das anscheinend einerseits kluge Kunstgriffe Hepding (a. O. S. 92) konjizierte: "oAueöfj (ein noch nicht belegtes Wort) = 'mit zahlreichen Kultstatuen' (in den 7 Nischen); dagegen wendet sich Habicht, Altert. v. P. Perg. 8,3 S. 12 und schlägt als neue Lesart vor: iJoAoeLöfj d. h. 'in Rundform gebaut (und überkuppelt),. 71 'ta 'te iiUa xa(pew au'tov flOL öLaq>ep6v'tw~ )(al q>avaL (ei~ 'to fleaov): Behr schließt sich Festugiere (a. O. S. 143) an und übersetzt: 'after other warm greetings ... ' 72 fleAe'tll'tii~: abermals eine Neubildung des Aristides. 73 OÜ'tw y&p ei"eiv 't0 t>iiflan: der Ausdruck ist aus Demosth. Prooem. 50, 3 entlehnt. 74 Hier scheint der (neben Herodes Atticus) berühmteste Sophist seiner Zeit gemeint zu sein: Antonius Polemon aus Laodicea. Er war zwar in Smyrna Lehrer des Aristides gewesen, war später aber auch sein Konkurrent, weshalb ihn Aristides nicht mit Namen nennt. Auch in der Rede 34, 47 meint er vermutlich den Pole mon und nennt ihn dort ebenfalls )(opuq>a1:o~, wobei er seine nach asianischer Manier in Gesang ausartende Redeweise verspottet (s. dazu Norden a. O. S. 294f. 374f.), obwohl Polemon sich anscheinend im allgemeinen von asianischen Unsitten fernhielt. - Das Wort 'ChorfUhrer' soll wohl darauf anspielen, daß dieser den Gesang 'anstimmt' (s. z. B. Aristot. de mundo 399 a 16). - Die Worte 'wenn er noch lebte' zeigen, daß Polemon schon tot war (gest. 144 n. Chr.) und also nicht mehr selbst erleben mußte, wie er später von Aristides weit überflügelt wurde. - Über Polemon ausfUhr!. Stegemann, RE 21 (1952) Sp. 1320-57; in Sp. 1354ff. 'Antike und byzantin. Urteile über Polemon' fehlen die hier angefUhrten SteHen des Aristides. 7S Überliefert ist: "po<; 'tOU'tOVl Baaaov. Ich folge (mit Festugiere a. O. S. 143) der Konjektur von Keil: "po<; 1:Ou'tov(' 'Baaae' - Die Schwierigkeit besteht darin, daß man 'tOU1:Ov( eigentlich aufRufinus beziehen müßte, was aber durch die folgenden Worte ausgeschlossen wird. Es bleibt also (so Festugiere) nur die Lösung, daß sich Rufinus plötzlich (im Traum!) in Bassus verwandelt hat (der übrigens in I 21 auch ganz unvermittelt auftritt!). 76 Der Gott spricht hier in der Person des Rufinus. 77 mxvu youv i:v 'tOU'tOL~ eflol ... + "ou öe e~ean axoAaaaL 'toaou'tov ... : der erste Satz ist heillos verdorben, der zweite schwer verständlich. Die Lücke wurde schon von Dindorf angesetzt, Keil und Festugiere fUllen sie ähnlich aus. Behr glaubt mit Annahme einer Parenthese auskommen zu können, faßt das axoAaaaL nicht als 'sich auf das Redestudium verlegen', sondern als 'sich wohlfUhlen' und übersetzt: ' ... how could I have so much ease?' - Ich selbst gebe - in Anlehnung an Ritters Übersetzung - einen möglichen Sinnzusammenhang.
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für den Augenblick, andererseits schien er auch noch etwas Höheres im Sinn zu haben als nur meine Rettung. Er rettete mich deshalb durch Mittel, die mehr 30 wert waren, als die Kosten meiner Rettung betrugen. Einmal hatte ich auch Zahnschmerzen 7s , konnte den Mund nicht öffnen und war in schwerer Not. Er ordnete aber an, ich solle eine der Reden, die ich fertiggestellt hatte, vorlesen und meine Freunde dazu einladen. Ich hatte damals die dritte meiner Reden auflhn79 unter den Händen. Diese las ich bis zu Ende vor, und bevor ich ganz durch31 gekommen war, war ich frei von Schmerzen. Er veranlaßte mich aber auch zur Lieddichtung. Ein gewisser Anfang damit war in Rom so auf Veranlassung des Apollon gemacht worden. Es kam nämlich ein Traumbild zu mir, kündigte mir an, ich müsse den Paian auf den Gott machen,und gab mir zugleich den Anfang dazu, der etwa so lautete: "Des Saitenspieles MeisterSI Paians2 will ich preisen." Ich wußte damit natürlich nichts anzufangen, weil ich mich in dieser Kunst bisher noch nicht versucht hatte, sondern glaubte, dazu vollständig unfahig zu sein. Trotzdem nahm ich die Sache in Angriff, und indem ich mich an diesen Anfang wie an (die erste Stufe) einer Treppe hielt, vollendete ich das Lied in zwei Strophen. Auch eine dritte, dünkt mich, fUgte ich an, welche die Grammatiker, wie mir scheint, Abgesang S3 nennen. Kaum war das Lied fertig, da machte mich jemand darauf aufmerksam, daß ein Fest des Apollon stattfinde, die Apollo-
Diese Erzählung scheint mit dem gleichen Bericht in III 35/6 zusammenzugehören und sich auf die Zeit des Aufenthaltes in Laneion i. J. 170/1 zu beziehen; s. Behr 109 Anm.52. 79 Anscheinend ist das 3. Buch der Heiligen Berichte gemeint. so Bei seinem ersten Aufenthalt dort i. J. 144 n. Chr. SI opJ.11yywv ävax,a: anscheinend Anspielung aufPindar, Olymp. 2, 1: Ava~up6pJ.11yye~ ÜJ.1V01: "Ihr saitenspiel meisternden Hymnen". S2 Die Belege zum Folgenden s. bei v. Blumenthai, 'Paian' RE 18 (1942) Sp. 2340-62. Die Formen 'Paian' (dorisch u. in der Koine herrschend) und 'Paion' (s. § 37 Anm. 91; attisch u. später ionisch) sind nur dialektisch verschieden (a. O. Sp. 2340). 'Paian', ursprünglich eine eigene Person, ist mit Apollon "zu einer Gestalt zusammengeflossen" (a. O. Sp. 2341). "Das Wort hat sich (dann) einseitig zur appellativen Bedeutung 'Helfer, Heiler' entwickelt." "Wirklicher Erbe des apollinischen Beinamens ist dagegen der große Heilgott von Epidauros ... Asklepios... der von nun an in Weihungen und Paianen schlechthin Paian, 'der Heilende' gerufen wird." - Ebd. Sp. 2358 weist v. Blumenthai daraufhin, daß es einen 'liturgischen Paian der Asklepiosheiligtümer' gab. Um einen solchen handelte es sich vielleicht oben 11 52 (Anm. 100), wo man unvorbereitet "den Paian" singt; vgl. auch IV 50 Anm. 127. S3 Das Chorlied, zunächst nur einstrophig, entwickelte sich zu einer kunstvollen Dreierform: Strophe, Antistrophe, Epodos (Stollen, Gegenstollen, Abgesang). Die meisten Gedichte Pindars und viele Chorgesänge der Dramatiker zeigen diesen Aufbau. - Als Beispiel für die angesprochenen 'Grammatiker' mag Dionys. v. Halikarn. De compos. Verb. 19 gelten. 7S
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nien8\ an dem die Römer für den Gott das Pferderennen veranstalten. Das also trug sich so zu. Als wir nun von Griechenland aus nach Hause gebracht wurden 85 und ein Sturmwetter eintrat, kamen wir sicherlich durch eine göttliche Fügung heil zuerst nach Delos, dann nach Milet, beides heilige Stätten des ApolIon. Es geziemt sich aber, auch folgendes dem ApolIon, dem Delier und dem Heiland, zuzuschreiben, da wir nun einmal in unserem Bericht zu diesem Punkt gekommen sind. Als ich nämlich in Delos an Land ging, voll Zorn über den Steuermann, der den Verstand verloren hatte, gegen den Wind segelte und gleichsam das Meer pflügte86 , verpflichte ich mich sofort durch einen Eid, während zweier Tage gewiß nicht abzusegeln. "Doch wenn es ihm Vergnügen macht, dann soll er segeln", sagte ich, "auf eigene Faust." Ich opferte dann dem Gott und hielt mich so lange wie möglich im Heiligtum auf. Dann ging ich auf mein Zimmer, gab den Dienern zuvor Weisung87 , wenn jemand vom Schiff komme, so sollten sie ihn abweisen, und ruhte mich so im Hafen von Delos aus. "Schwer bezecht erschienen indes"88 die Schiffer, fast um die Zeit des ersten Schlafes, traten heran, klopften an die Tür und hießen mich herauskommen und die (günstige) Fahrgelegenheit nutzen, denn das Wetter sei geradezu wunderbar. Auf die Entgegnung meiner Diener, das sei dummes Zeug und ich würde mich unter keinen Umständen von der Stelle rühren, zogen sie zornig ab, als wäre ihnen ein reicher Gewinn entgangen. Schon war der Hahnenschrei nahe, da brach ein gewaltiger Orkan los. Das Meer wurde von einer wilden Bö gepeitscht, und alles wurde überflutet. Die kleinen Fahrzeuge im Hafen wurden teils aufs Land geworfen, teils stießen sie gegeneinander und wurden zertrümmert. Das Frachtschiff, das uns beförderte, wurde mit zerrissenen Haltetauen hinauf- und hinab geschleudert und nur mit Mühe unter viel Geschrei und Verwirrung der Schiffsleute gerettet. Dazu kam noch ein schwerer und heftiger Regenguß, und auf der Insel herrschte dasselbe Durcheinander wie auf einem Schiff. Mit Tagesanbruch erschienen in aller Eile meine Freunde, die ich auf meine Kosten an Bord genommen hatte. Sie nannten mich ihren Wohltäter und Retter und freuten sich mit mir über die Vorsehung der Götter. Auch die Schiffsleute kamen, und jetzt waren sie dankbar und staunten darüber, aus was für drohenden Gefahren sie gerettet worden waren. So reich war der Gewinn und der Lohn meines Liedes 89, wie man von Simonides erzählt, es sei ihm von den Dioskuren die Gnade erwiesen worden, daß er allein gerettet wurde, zum Dank für das Lied, 84
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Die ludi Apollinares, 212 v. Chr. gestiftet, 208 auf den 13. Juli festgesetzt, mit Pferderennen im Circus Maximus (später hauptsächlich mit szenischen Spielen). Vgl. 11 67 f. , D. h. sich so sicher wähnte, als ob er auf dem Lande einen Acker pflüge (Erläuterung von Canter). - Etwas anders ist das Bild von Euripides gebraucht (frg. 670. 4 Nauck), wo der Fischer das Meer als sein Land betrachtet, aus dem er durch "Pflügen" seinen Lebensunterhalt gewinnt. Mit den folgenden Worten ahmt Aristides den Demosthenes (20, 73) nach. Homer, Od. 3, 139. s. § 31.
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das er auf sie gedichtet hatte 90 - nur daß wir damals nicht allein gerettet wurden, sondern auch die Freunde mit uns. Damit aber mag es sich verhalten, wie jeder annehmen will: entweder, daß dies der Lohn und Dank für meinen Päan gewesen ist und daß um seinetwillen die Rettung gewährt wurde, oder daß es unter allen Umständen so gekommen wäre, der Gott aber, der Zukunft kundig, bei allen bevorstehenden Ereignissen durch Zeichen kundgab, sowohl daß auf dem Meere sich Gefahren einstellen und aus ihnen Rettung beschert sein werde, als auch daß für die leiblichen Nöte er selbst Heilender91 sein werde und ebenso von seinen Söhnen der erste 92 , der alle Gebrechen zu heilen versteht, an denen Menschen leiden. Eng an diesen Bericht schließt sich ein anderer93 , und noch einmal wollen wir sagen, daß der Heiland Asklepios neben den anderen (Hilfen) uns auch das vorgeschrieben hat, in Gesängen und Liedern Beschäftigung zu suchen und sogar zu spielen und einen Knabenchor zu unterhalten94 • Wie groß nun im übrigen die Freude gewesen ist, die ich von diesem Ratschlag für meine Hochstimmung und mein Selbstgefühl empfing, das ließe sich mit Worten wohl nicht erschöpfen. Die Knaben sangen aber meine Lieder. Sooft nun ein Erstickungsanfall auftrat, indem der Hals sich plötzlich versteifte, oder eine schwere Magenstörung eintrat oder sonst irgendein mißlicher Anfall, ließ der Arzt Theodotos, sofern er zugegen war, in Erinnerung an die Traumbilder, die Knaben (etwas) aus meinen Liedern singen, und während ihres Gesanges trat unvermerkt eine Erleichterung ein,und manchmal wich auch alles völlig, was mir Schmerzen verursachte. Schon das war ein großer Gewinn, noch größer aber war die Zunahme meiner Ehre. Denn auch meine Lieder fanden bei dem Gotte Anerkennung. Er befahl mir aber, solche nicht nur auf ihn selbst zu dichten, 90
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Die Geschichte - von Cic. de orat. 2, 86, 351 ff. und von Quintil. 11,2, 11-16 erzählt - ist folgende: Simonides (Lyriker aus Keos, 6.15. Jh. v. Chr.) soll auf den Faustkämpfer Skopas (oder einen anderen) ein bestelltes Siegeslied gedichtet und, nach der bei den Dichtern üblichen Weise, einen Exkurs zum Lobe der Dioskuren Kastor und Pollux eingelegt haben. Daraufhin soll Skopas ihm nur einen Teil des vereinbarten Honorars gegeben haben mit der Bemerkung, den anderen solle er sich von denen geben lassen, deren Taten er besungen habe. Diesen Teil des 'Honorars' erhielt Simonides auf folgende Weise. Von dem Festmahl, das zu Ehren des Sieges stattfand, wurde der ebenfalls geladene Simonides durch einen Boten herausgerufen, weil zwei Jünglinge, die zu Roß gekommen waren (NB die übliche Erscheinungsform der Dioskuren) ihn dringend zu sprechen wünschten. Kaum war Simonides über die Schwelle ins Freie getreten, da stürzte der Festsaal zusammen und begrub alle Gäste unter sich. - Quintilian bezeichnet diese Geschichte als erfunden, weil Simonides sie selbst nirgends erwähnte. - Die weiteren Parallelberichte antiker Schriftsteller verzeichnen Page, Poetae Melici Graeci, Oxf. 1962, Sim. frg 510 und Maas, RE 3A (1927) Sp. 188. 1t<xtwv: s. oben Anm. 82. Asklepios. Myo~ öe fixet J...6Y0 auvexij~: sprachliche Anlehnung an Plat. ep. 3, 318e. Sprachlich vergleichbar ist die Formulierung: Myo~ MY0 1t<XP<XÖ\öo(i~ Aristid. I 151 (Lenz-Behr).Zu Platons 3. Brief s. unten IV 57 u. Anm. 143. s. I 30 Anm. 59.
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sondern bezeichnete mir auch andere wie Pan9\ Hekate96 und Acheloos97 und was es sonst noch geben mochte. Es kam aber auch von Athene ein Traum, der einen Hymnus auf die Göttin enthielt mit folgendem Anfang: "Ihr jungen Leute, kommt nach Pergamon!", und ein anderer (Traum kam) von Dionysos, dessen Kehrreim lautete: "Sei mir gegrüßt, Herrscher im Efeukranz, [0 Dionysos]98!" Als ich diesen (Hymnus) im Traume singen hörte, umtönte auch ein wunderbarer Klang meine Ohren. Ich mußte das rechte Knie beugen98 ' und flehend den Gott Der arkadische Hirtengott, Sohn des Hermes. - Die Hymnen auf Pan beginnen schon mit dem 'homerischen' (Nr. 19) und finden ihre Fortsetzung bei Pindar, der dem Pan bei seinem Hause ein Heiligtum geschaffen hatte, wo ihn Mädchen bei nächtlichen Tänzen besangen (Pyth. 3, 78 u. frg. 76-9 usw. Snell). - Wenn Pan hier mit Acheloos verbunden erscheint, so erinnere man sich an Plat. Phaedr. 230b, 263d u. 279b/c, wonach sie an der Quelle unter einer Platane am Ilissos ein gemeinsames Heiligtum hatten. Auch ist Acheloos aufzahlreichen Reliefs anwesend, auf denen Pan dem Tanz der Nymphen zusieht. - Im übrigen war der Kult des Pan gerade in Kleinasien weit verbreitet, und es wurden dort viele Münzen mit seinem Bild geprägt, so auch in Pergamon unter Mare Aurel, von denen vielleicht Aristides selbst einmal eine in der Hand hatte; s. dazu Brommer, RE Suppl. 8 (1956) Sp. 949-1008, bes. 990/1, 1000. 96 Die Zauberin und Geisterkönigin, die oft der Artemis gleichgesetzt wurde. - Literarisch wird sie zuerst in einem Hymnus Hesiods (Theog. 411-52) erwähnt, der aber vielleicht erst später eingeschoben ist. - Die meisten Kultorte der Hekate liegen ebenfalls in Kleinasien und den vorgelagerten Inseln; Kulte sind in Kolophon und Kos bezeugt. Auf dem pergarnenischen Gigantenfries, den Aristides sicher gesehen hat, ist sie mit 1 Leib, 3 Köpfen und 6 Armen dargestellt. - Artemidor (Traurnb. 2, 34) erwähnt sie zusammen mit Pan unter den irdischen sinnlich wahrnehmbaren Göttern, und in Wien gab es ein Hekateion mit Pan (Arch.-epigr. Mitteil. IV, 1880, Tafel 5, 2); s. Heckenbach, RE 7 (1912) Sp. 2769-82. 97 Sohn des Okeanos und der Tethys, Gott des gleichnamigen größten griechischen Flusses (zwischen Ätolien und Akarnanien), König der Flüsse, in ganz Griechenland mit Altären und Opfern verehrt. 98 Ll.t6vuae. seclusit Wilamowitz. In dem Aeschylusfragment 86 (H. J. Mette, Die Fragm. d. Tragödien d. Aischylos, Bin. 1959) aus den Bassarai (= Dienerinnen des Dionysos) wird ApolIon als xwaeu<; (mit dem Efeukranz) und ßCtxx(e)wf.uxv'tl<; (bakchantischer Seher) bezeichnet. Das Fragment stammt aus Macrob. Saturn. 1, 18,6, wo (schon von § 1 an) ApolIon und Dionysos als ein und derselbe Gott bezeichnet werden; s. dazu W. F. Otto, Dionysos, Ffm. 1933, S. 182ff., bes. 184, u. Kern RE 5 (1903) Sp. 1017 über 'ApolIon und Dionysos in Delphi'. Zum 'Efeukranz' s. Otto a. O. s. 80ff. u. bes. 139ff. und Kern a. O. Sp. 1042. 98, 1:0 y6vu 'Co öe~tov XAtVCtV'CCt: vgl. dazu schon UI 20: "mich vor der Statue des Zeus niederzuwerfen" (= npoaxuvfjaCtt). Das läßt die Behauptung von C.Sittl, Die Gebärden d. Griech. u. Römer, Lpz. 1890. S. 177: "Es ist bezeichnend, daß die griechischen Schriftsteller nie von k nie fäll i g e m Gebete reden oder, wenn sie es doch tun, in spöttischer Weise sprechen, als ob nur Bigotte, namentlich Frauenzimmer, auf die Kniee fielen", doch als allzu apodiktisch erscheinen. Diese Feststellung stimmt sicher nur für das gewöhnliche Kultgebet an die griechischen Staatsgötter. Weiteres Material - auch für die npoaxuvfiaet<; beim Helioskult (Plat. Leg. 887e) - s. bei Kitt!, Theol. Wörterb. zum NT I (1949) unter 'y6vu', S. 739B.
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als 'Löser'99 anrufen. Diese (Worte) stehen auch in meinen Gedichten. Ein anderer (Traum) kam von Zeus selbst - welcher von diesen aber sich als erster oder später einstellte, daran kann ich mich nicht mehr erinnern - und ein anderer nochmals von Dionysos, der mir sagte, ich solle den Gott als "lockenhaarig"100 bezeichnen. Auch Hermes erschien mit dem Hut1°\ in wunderbarer Schönheit und fabelhafter Behendigkeit. Während ich ihn besang, froh darüber, wie leicht ich die passenden Worte fand, erwachte ich. Einmal kam es mir auch so vor, als hörte ich von meinem Erzieher lO2 , glaube ich, über die Göttinnen in Smyrna lO \ es sei nicht recht, daß ich sie vergessen hätte. Denn es gehöre sich, daß ich mich der Mühe unterzöge, auch auf diese einen Hymnus zu schreiben. Die meisten Gedichte wurden jedoch auf ApolIon und Asklepios gemacht gemäß den Eingebungen der Träume und die Mehrzahl von diesen einfach so aus der Erinnerung (an die Träume), so oft ich im Wagen fuhr oder auch einen Gang machte. Ja auch einem Mann aus Mazedonien, der gleich mir zu den regelmäßigen Tempelbesuchern gehörte, wurde ein Traum beschert, - wie mir Theodotos meldete, denn er selbst war mir nicht näher bekannt -, der direkt auf mich Bezug nahm. Er träumte nämlich, daß er einen von mir verfaßten Paian singe, in dem folgende Anrufung stand: "Heil Paian Herakles Asklepios!"104 Und so widmete ich denn 99
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Auow~:
In dem Hymnus auf 'Dionysos' (41, 7 Keil) schreibt Aristides: nichts sei so durch Krankheit, Zorn oder Schicksalsfügung gebunden, daß Dionysos es nicht 'lösen' (AUOctl) könne. - Bei Plutarch. moral. 613c heißt er Lysios oder Lyaios, weil er die Zügel der Zunge wegnimmt. OUAOXOI1'l1V: Das Wort erscheint noch einmal bei Plutarch, Arat 20, auf einen Menschen bezogen. Als Beiname eines Gottes fehlt das Wort in den bisherigen Sammlungen: s. 11 Anm. 66. - In den ältesten Bildern auf schwarzfigurigen Vasen trägt Dionysos meist 'lockiges' Haar mit einem Efeukranz, ebenso auf den späteren rotfigurigen, s. Kern RE 5, Sp. 1044. Auch in vielen Statuen wird er als 'Jüngling mit lockigem Haar' dargestellt, s. Thraemer in Roschers mythol. Lex. I (Lpz. 1884-6) S. 1089-1153, bes. 1133 ff. xuvfj (sc. öop&) = 'aus Hundsfell' , sonst oft petasos genannt. Der mitunter geflügelte Reisehut (s. A. Greifenhagen, Antike Kunstwerke, 1960, Tafel 39) gehört mit den Flügelschuhen und dem Heroldsstab zu den kennzeichnenden Attributen des Götterboten. Wahrscheinlich Zosimos; s. 127. Es sind das die zwei Nemesisgöttinnen, die die Smyrnäer verehrten, s. Pausan. 7, 5, 3 Mo NqJ.i;aet~ (Erläuterungen dazu bei Hitzig-Blümner, erklär. Ausg. Bd. 11 2, Lpz. 1904 S. 776) und 9, 35, 6, wo ein Heiligtum der Nemeseis erwähnt wird. Dazu auch Anthol. Graeca 12,193, 1 ~I1Upvctictl Nel1€oel~ und Aristides (20, 20 Keil) Mo ,a~ apXT]yE'ttÖct~. Vgl. dazu auch H. Fauth, 'Nemesis', Klein. Pauly IV, 1972, S. 48 f. mit reichen Literaturangaben. Denselben Traum erzählt Aristides auch in seinem, etwa viereinhalb Jahre zuvor geschriebenen, Hymnus auf'Herakles' (40, 21 Keil) mit dem kleinen Unterschied, daß er dort sagt, es sei ein Mann von der Insel Thasos oder ein Mazedonier gewesen. - Die 'Anrufung' wird dort als 'Refrain' bezeichnet. Aber ebenda drückt Aristides auch eine gewisse Skepsis gegenüber diesem Synkretismus von Herakles und Asklepios aus; s. dazu auch Behr 155. - Über die dichterische Tätigkeit des Aristides in ihren verschiedenartigen Formen handelt Edelst. II S. 202.
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den Paian den beiden Göttern gemeinsam. Ferner habe ich auch Chöre ausgestattet und öffentlich auftreten lassen, zehn im ganzen, einige von Knaben, andere von Männern 105 . Als ich den ersten Chor auftreten lassen wollte, ereignete sich folgendes: im Tempel befand sich Rufinus, den ich kurz zuvor erwähnt habe 106 • Als ich ihn nun erblickte, sagte ich: "Du kommst gerade recht, wenn du auch etwas Zeit hast. Ich bin nämlich dabei, dem Gott einen Chor zu stellen, und selbstverständlich wirst du uns zuliebe zuhören." "Ich brauche aber nicht von dir eingeladen zu werden," antwortete er, "sondern ich bin schon vorher von dem Gott geladen. Prüfe dies aber", sagte er, "auch noch an der Zeit!107 Denn bisher habe ich mich niemals so früh hier eingefunden, sondern ich pflegte erst viel später zu kommen. Doch deshalb", sagte er, "und zum guten Gelingen bin ich geladen, und wir werden dir zur Seite stehen." Er meinte damit sich selbst und den Sedatus 108 , der damals mit mir regelmäßiger Tempelbesucher war. Dies also trug sich bei meiner ersten Chorinszenierung zu. Und wiederum, nach dem Abschluß der zehnten, hatte ich eines meiner Lieder ausgelassen, weil es völlig aus dem Stegreif ganz leicht hingeworfen war, bloß eben, wie man sagt, zum Hausgebrauch 109 . Da stellte sich ein Traum ein und verlangte auch dieses (ausgelassene), und wir lieferten es. Nach Abschluß dieser Dinge glaubte ich einen silbernen Dreifuß weihen zu sollen 110, einmal als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber dem Gott, dann auch zur Erinnerung an die von mir aufgestellten Chöre. Dafür hatte ich folgendes Distichon verfertigt: "Dichter in einer Person, Kampfrichter und Führer des Reigens weihte dies Denkmal, 0 Herr, dir für die Stiftung des Chors." Daran schlossen sich noch zwei andere Verse an, von denen der eine meinen Namen enthielt, der andere besagte, daß dieses unter der Schirmherrschaft des Gottes geschah. Der Gott jedoch schlug mich aus dem Feld. An dem Tag nämlich, an dem die Weihung stattfinden sollte, glaube ich, entweder kurz vor Tage um die Zeit der Morgenröte oder auch noch früher, traf eine göttliche Aufschrift ein, die so lautete: "Keinem Hellenen fremd, Aristides hat mich gestiftet, ewig strömenden Worts ruhmvoller Lenker111 und Held."
Wohl im August 147 n. Chr., vielleicht bei den Festspielen zu Ehren des Asklepios, als Zeichen der Dankbarkeit und eines gewissen WOhiergehens, s. Behr 59. -Auch sonst sind Chöre (rur den Gott) und Chormitglieder bezeugt, s. die Inschriften bei Edelst. I test. 553, 561, 562. 106 IV 28. 107 'tfj wp~: Keil; überliefert: 'tijv wpo:v. 108 S. II 48 Anm. 93. 109 öaov O:lm'i> (sc. apxei: Keil oder: ixo:vov: Festugiere a. O. S. 144). 110 s. dazu unten § 46. 111 i]v(oxo~: das Wort ist in übertragener Bedeutung bes. in Inschriften beliebt, so: Tj. 'texvl1~ 'tpo:ytxfj<; (Kaibel, Epigr. gr., Bin. 1878, n. 39, 3), Tj. 1to:V'tO(l1~ ape'tfj~ (Kaibel a. O. n. 498, 2), Tj. xtßapo:~ (Preger, Inscr. Gr. metro Lpz. 1891, n. 10) uSW. 105
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Es war mir, als setze ich diese Aufschrift (auf den Dreifuß) und stelle das Weihgeschenk auf, so als sei es für Zeus bestimmt. Sogleich klammerte ich mich nun fest an diese Aufschrift, über die ich im Schlafe und noch beim Erwachen entzückt war. Ich lernte sie auswendig und bedachte sie unablässig, damit sie mir nicht unvermerkt entschlüpfe. Und so bannte ich sie für mich fest'l2. Als wir uns dann gemeinsam über die Weihegabe berieten, beschlossen sowohl der Priester ll3 als auch die Tempelwärter 1l4 einstimmig, sie in den Tempel des Zeus Asklepios zu stiften llS, denn es gebe keinen besseren Platz als diesen. So verbreitete sich denn die Prophezeiung des Traumes nach draußen. Der Dreifuß steht nun zur rechten Seite des Gottes. Er hat drei goldene Statuen 1l6, eine anjedem Fuß: von Asklepios, von Hygieia und von Telephoros. Die Inschrift ist darauf angebracht mit der Bemerkung, sie sei infolge eines Traumes beigefügt. Ich habe jedoch auch dem Olympischen Zeus die Inschrift nebst einer anderen Weihegabe gestiftet, so daß das Orakel seine volle Erfüllung fand. Nachdem die Inschrift (mir von dem Gott) zuteil geworden war, steigerte sich mein Eifer gewaltig und ich meinte, mich aufjede Weise mit den Reden befassen zu müssen, in der Überzeugung, daß unser Name auch unter den Menschen späterer Jahrhunderte noch fortleben werde, weil ja der Gott unsere Reden als 'ewig strömend' bezeichnet hatte. So also verhielt es sich mit den Chören. Einige Zeit später, ich weiß nicht wieviel, hatte ich folgendes Gesicht. Es war mir, als befände ich mich beim Altar des Olympischen Zeus, des Schutzgottes meines Vaters 117 • Als eine öffentliche Versammlung stattfand zu der Zeit, da der Markt voll ist llB , stand der heilige Herold unmittelbar neben der Basis der Statue des Gottes und rief meinen Namen aus mit allem, was dazugehört ll9 , als ob ich öffentlich bekränzt werden sollte, wie wenn wir in den Volksversammlungen mit einem goldenen Kranze geschmückt werden, und fügte hinzu: "um seiner Reden willen". Das bekräftigte er noch durch einen weiteren Zusatz, indem er beifügte: "denn er ist in Reden unbesiegbar". Nach dieser Heroldsverkündigung schritt ich in den Garten des Asklepiosl 20 hinüber, der vor meinem väterlichen Hause
= ich band sie wie mit einem Zauberspruch fest. Der Priester war vielleicht Flavius Asklepiades, s, dazu Altert. v. Perg. 8, 3 S. 7 und 92 n. 45 u. S. 93 n. 47. 114 Asklepiakos und Philadelphos CI 58 u, II 30), 115 Auch im Asklepieion in Pergamon gab es eine Behörde der sog. Hieronomen, die neben technisch-organisatorischen Aufgaben auch für die Anweisung eines Platzes für die Aufstellung von Inschriftstelen zuständig waren. Wörrle hält es deshalb für möglich, daß Aristides auch mit ihnen verhandeln mußte und "seine Darstellung in diesem Punkte unvollständig" ist (Altert. v. Perg, 8, 3 S. 188 u. 189 n. 113). 116 Nach Herzog (Wunderheil. S, 134 W 55) ist auch in Epidauros als Weihgeschenk "eine goldene Statuette, wohl des Gottes selbst", bezeugt. Weitere Belege für goldene Statuetten gibt Blümner, RE 7, Sp. 1570ff. bes. 1572. 117 1t<X'tP
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liegt. Dort fand ich rechts vom Tempel ein gemeinsames Grabmal für mich und Alexander, den Sohn Philipps, das durch eine mitten hindurchgezogene Schranke geteilt war. Jener, meinte ich, ruhe auf der einen Seite, auf der anderen würde ich selbst einst ruhen. Ich trat heran, beugte mich nieder und genoß den wunderbaren Wohlgeruch von Spezereien, von denen ein Teil zu seinem Grab gehörte, der andere aber mir vorbehalten war l21 . Ich freute mich und zog daraus für mich den Schluß, daß wir beide den Gipfel erreicht hätten, jener in der auf Waffen beruhenden, ich in der auf Reden sich stützenden Macht122 • Und dazu kam mir auch noch der Gedanke, daßjener in Pella 123 der 'große Mann,124 sei, auf mich aber die Leute hierzulande stolz sein würden. Solches glaubte ich zu hören und zu sehen, zu mir zu sagen und bei mir zu überlegen, teils in der Meinung, ich sei bei Zeus, teils, ich sei (im Tempel des Asklepios) vor meinem Hause. Was darauf folgt, das soll nun, wenn es zulässig ist, ausgesprochen und niedergeschrieben bleiben, andernfalls sei Dir, 0 Herr Asklepios, ans Herz gelegt, mir in den Sinn zu geben, es ohne jede Bitterkeit auszustreichen I25 • Zuerst zeigte sich die Kultstatue mit drei Köpfen 126 und, mit Ausnahme der Köpfe, rings im Feuer 121 1tpoaa1toxeiaß"at = "auch vorbehalten sein". Das Wort ist sonst nicht belegt, weshalb Liddell-Scott vermutet: 1tpoa1toxeiaß"at = "schon früher vorbehalten sein".
122 Behr (Übers. S. 437 n. 87) weist darauf hin, daß Arrian demselben Größenwahn
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verfallen war, da er in Anabas. 1, 12,5 denselben Vergleich mit derselben Begründung anstellt, allerdings - so fügt Behr witzig hinzu - Aristides tat es nur im Traum, Arrian dagegen im Wachen! Geburtsort Alexanders in Mazedonien. 1tpüYlla "toao(i'l;ov. Bei Demosthenes und Herodot ist Ileya oder Ileyta"tov 1tpüYlla = 'a big man' oder = 'un pezzo gros so' (='ein großes Tier'). ötayptXlvat 1tanOC; öuaxoAou xwpiC;: Festugiere (a. O. S. 144/5) bestreitet (für diese Stelle) die Bedeutung 'ausstreichen' und übersetzt: 'de n'en ecrire que tout juste ce qu'i1 faut, sans que nul ne le prenne it mal' und hat damit Behr (in seiner neuen Übersetzung) wenigstens teilweise überzeugt. Behr (158 n. 65) schreibt: "The statue with three heads cannot be identified and should be assigned to the aberrancies ofthe dream world". Dem stimmt Festugiere (a. O. S. 145) ausdrücklich zu, indem er seine frühere Vermutung (auf Grund von Edelst. I test. 672) zurückzieht. - Es scheint mir aber doch sehr fraglich, ob man die Erscheinung einer Kultstatue "mit drei Köpfen" so ohne weiteres als 'Verirrung einer Traumwelt' ablehnen kann, wo es nachweislich eine Reihe von dreiköpfigen Göttergestalten gab, nicht nur die bes. häufig so dargestellte (oben Anm. 96 schon erwähnte) Hekate, sondern auch Artemis und Hermes, die H. Usener in seinem Artikel 'Dreiheit', Rhein. Mus. 58, 1903, S. 163-67 aufgeführt und belegt hat. - Vor allem aber hat Willibald Kirfel in seinem umfassenden Werk, Die dreiköpfige Gottheit, Bonn 1948, aus dem griechischen Bereich neben den Genannten (Hekate S. 101ff. Abbild. TafeI30ff.; Hermes 12011; Artemis 135) auch auf den dreiköpfigen Riesen Geryon (S. I11ff. Abbild. Tafel 35ff. - von Lysipp?), den dreileibigen Typhon (S. 119120) und die vielen dreiköpfigen Gestalten aus Italien und Sardinien (S. 121fI) und solche etruskischer Herkunft (S. 121 ff.) hingewiesen. Gerade für Aristides scheint mir bedeutsam, daß auch der dreiköpfige Kerberos als ständiges Attribut des Sarapis gilt (S. 129130), ganz abgesehen von der Dreiköpfigkeit bei mythischen Gestalten wie Chimaira, Typhon, Skylla und Chronos (S. 129/31). Schließlich hat Kirfel dem Urbild des Hinduismus, der drei-
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leuchtend. Dann standen wir Gottesverehrer vor ihm, wie wenn der Paian gesungen wird 127, und fast unter den vordersten ich. In diesem Augenblick gab uns der Gott mit einem Kopfnicken das Zeichen zum Weggehen, und zwar nunmehr in seiner eigenen Gestalt, in der er uns vor Augen steht. Die anderen waren nun alle hinausgegangen, und ich wandte mich eben zum Hinausgehen, da gibt mir der Gott mit der Hand ein Zeichen zum Bleiben. Überglücklich über die Ehre und die Auszeichnung, die ich vor den anderen erhielt, rief ich aus: ,,(Du, der) Eine", wobei ich eben den Gott meinte 128 • Und Er sprach: "Du bist (der Eine)"129. Dieses Wort, 0 Herr Asklepios, ist mir wertvoller als das ganze menschliche Leben. Neben diesem verschwindet jede Krankheit, neben diesem verschwindet jede sonstige Gunst. Dieses hat mir Kraft und Willen zum Leben gegeben. Möge uns, nachdem wir das ausgesprochen haben, die Ehre, die uns der Gott vordem erwiesen hat, um nichts geschmälert werden. Einmal hörte ich auch folgenden (heiligen) Spruch llo , der sich aufReden bezog und auf Umgang mit der Gottheit. (Der Spruch) besagte, der Geist müsse sich vom gewöhnlichen Zustand l31 (fort-)bewegen und in seiner Bewegung sich mit Gott vereinigen. Nach dieser Vereinigung übersteige er dann die Schranken des menschlichen Zustandes, und keines von beiden sei verwunderlich, weder dieses Übersteigen in der Vereinigung mit Gott, noch nach dem Übersteigen die Vereinigung mit
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köpfigen Gottheit Shiva-Trimurti, eine tiefdringende Untersuchung gewidmet und ihre Parallelen im alten Europa und Afrika und in den dreiköpfigen und dreigesichtigen Gestalten des christlichen Mittelalters dargestellt. Wohl den kultischen Paian, s. oben Anm. 82 Ende. Zu dieser Gottesformel s. oben III 48 Anm. 94. - Das Epitheton ei<; , das gleichbedeutend ist mit f.lOVO~, wird zum Vokativ; s. dazu J. Amann, Die Zeusrede d. Ai!. Aristides = Tübinger Beitr. z. Altertumswiss. Stgt. 1931, S. 44 u. allgemein Norden, Agn. Theos S. 244ff. - Etwas anders, d. h. als Ausdruck einer Asklepiosmystik, deutet Höfler, Saraphishymn. a. O. S. 65 diese Stelle: ,:d~' = du mein einziger, du mein Gott und mein Alles, und Asklepios antwortet: 'au d' = du bist (auch der einzige, den ich als meinen Liebling anerkenne)". Anschließend versucht Höfler einen Vergleich dieser 'mystischen' Stelle aus dem Sarapishymnus mit der (metaphysisch unterbauten) Mystik Plotins. Darin sind einige fdrdernde Gedanken enthalten. Mit dieser Umkehr der kultischen Formel vom Gott auf den Menschen hebt Asklepios die 'Einzigartigkeit' des Aristides 'unter den Rednern' hervor. - Den Übergang in die profane Sphäre zeigt bes. gut Lukian, Zeuxis 2 "beinahe hätte ich ihnen geglaubt, die mich den 'einen und einzigen' (eva xat f.lovov) unter den Griechen nannten", und Peregrinos 15, den die armen Leute in einem lauten Schrei "den einzigen Philosophen (eva qllAOaO<jlOv), den einzigen Freund des Vaterlandes (eva <jllA01ta'tplV) ... nannten". Auch diese Umkehr der kultischen Rede wird ausgedrückt mit der - ebenfalls der religiösen Sphäre entstammenden - 'au ci' (Du bist es)-Formel; s. Norden, Agn. Theos S. 183. Derselbe Bericht über den folgenden Traum steht in Rede 28, 116 K., wo er als AOyO~ iepo~ eingeführt wird. Die beiden Berichte, die stilistisch geringfügig voneinander abweichen, sind durch eine Zeitspanne von gut 25 Jahren voneinander getrennt (s. Behr 41 n. 2 u. 117). (mo wü xaßea'tT]xo'to~: in 28, 16 heißt es: (mo 'tOÜ auviißou~ xal X01VOÜ (= von dem gewohnten und gemeinen).
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Gote 32 • Ferner wurde mir der Zuname Theodoros auf folgende Weise beigelegt. Es kam mir vor, als würde ich in Smyrna von jemandem, der mich herzlich beglückwünschte, angeredet: "Sei gegrüßt, Theodoros!"133 - auch 'Asiarches'13\ glaube ich, war noch hinzugefügt - und ich nähme die Anrede aufin dem Sinne, daß eben alles, was ich bin und habe, ein Geschenk des Gottes sei. Nachher ereignete sich noch ein anderer (Traum) von folgender Art. Da war Epagathos, einer meiner Erzieher, der als erster meine Pflege übernahm, ein braver, redlicher Mann, der ganz offenkundig mit den Göttern Umgang hatte und ganze Orakelsprüche aus Träumen aus dem Gedächtnis aufsagen konnte, und diese pflegten - man kann fast sagen auf der Stelle - in Erfüllung zu gehen. Ein solcher Mann war also Epagathos!35. Der Traum aber verhielt sich wie folgt. Es war mir, als ob dieser, entweder auf eine Frage von mir oder auch selbst aus eigenem Antrieb, mir erzähle, er habe folgenden Traumspruch erhalten: "Um Theodoros wird sich die Göttermutter I36 kümmern". Ich nahm das zur Kenntnis und sagte: "Anscheinend denkt die Göttermutter von mir ebenso wie Asklepios. Denn von seiner Seite erhielt ich urspünglich den Namen Theodoros." Er gab mir aber auch auf sein eigenes Wesen Hinweise teils durch Gesichte, teils durch Worte.
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Zu diesen Worten schreibt Ritter (im Nachlaß): "Das klingt schon ganz wie neupythagoreische oder neuplatonische Spekulation." Damit hat Ritter sicher recht, aber - es 'klingt' eben nur so. Es ist zwar bemerkenswert, daß alle hier vorkommenden termini (wie z. B. auyycvealJcH, OJ.lIÄeiv, xalJca"w~, auvTjlJc~, xow6v, avlJpwmvo~, e~l~, tmcp
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Das ging aber so zu. Der Morgenstern war während meines Traumes aufgegangen. Es war mir, als wandle ich einen gewissen Weg durch mein Landgut, den Blick auf den eben erschienenen Stern gerichtet, denn mein Gang ftihrte nach Osten. Es begleitete mich Pyrallianos 137, der vom Tempel kam, ein Mann, der mit mir befreundet war und ein ausgezeichneter Kenner der platonischen Schriften. Da wir auf einem gemächlichen Spaziergang waren, trieb ich meinen Scherz mit ihm und hänselte ihn mit der Frage: "Kannst du mir, bei den Göttern, erklären - wir sind ja ganz unter uns -, was ihr Schüler Platons da faselt, zur Verblüffung der Leute?". Das zielte aber auf dessen Dialoge über die Natur und das Seiende 138 • Jener hieß mich ihm folgen und aufmerken. Vonjetzt an ging er voraus und ich hinter ihm drein. Nach wenigen Schritten hob er die Hand, zeigte mir eine bestimmte Stelle am Himmel und sagte dabei: "Der da ist es, den Platon die Seele des Alls nennt"139. Ich blicke also aufwärts und sehe den Asklepios von Pergamon am Himmel sitzen l40 • Unmittelbar darauf erwachte ich und
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Sonst nicht bekannt. Anscheinend auch ein Philosoph aus der Schule des Gaius. Gemeint ist in erster Linie der "Tirnaios", der sich um die "Kenntnis der Natur des Weltalls" (27a) ebenso bemüht wie um "das stets Seiende" (27d). - Wenn man den Wortlaut ganz genau nimmt, so gebraucht Aristides zweimal den Plural: 'Dialoge' (A.6you~), der seienden Dinge (~wv önwv). Dann ist darauf zu verweisen, daß z. B. in den Dialogen Phaed. 65c und Phaedr. 24ge Platon den Plural (~wv önwv, ~a öna) verwendet. Anspielung aufPlat. Tim. 34 b, wo die Erschaffung der Weltseele beschrieben wird. Eratosthenes von Kyrene hat Catast. 6 (s. Knaack, RE 6, 1907, Sp. 377 über die sog. Katasterismen) nach dem Zeugnis Hygins (Astr. II cap. 14 p. 51, 20 Bunte) als erster den Asklepios mit dem Sternbild des Ophiuchos (Schlangenträger) identifiziert. Nach der Sage soll Zeus den Asklepios, weil er Tote wiedererweckte, im Zorn mit dem Blitz getötet, dann aber um seines Vaters ApolIon willen (als Sternbild) an den Himmel versetzt haben (Schal. in Arat, vet. ed. Martin, Stgt. 1974, S. 111, 12ff. u. 117, 17f. zu: Arat v. 75-82 u. 89/90). Der Ophiuchos - sein Name wohl erst zur Zeit des Eudoxos von Knidos nach einem schlangenartigen ägyptischen Dämon gebildet - "ist eines der größten Sternbilder des nörd!. Himmels ... und wird durch den aufrecht stehenden Schlangenträger und die Schlange charakterisiert, die er mit beiden Händen in ewig gleichem Kampf hält." (W. GundeI, RE 18, 1939, Sp. 659). Er steht mit beiden Füßen auf dem Sternbild des Skorpion und besteht aus 17 Sternen, von denen keiner ein Stern über dritter Größe ist (Gundei a. O. Sp. 660). - Abbildung u. a. bei Boll-Gundel, Sternbilder, Sternglaube usw. in: Roscher, Ausf. Lex. Mythol. 6, 921 Abb. 4. - AusfUhr!. Darstellungen bei: GundeI RE a. O. Sp. 659-63; Boll-Gundel a. O. 920-23; Ovid Fast. 6, 735/6 u. Komment. v. Bömer, II S. 386. - Die folgende Interpretation des Traumes des Aristides durch W. GundeI scheint mir einer Präzisierung zu bedürfen. (Diese verdanke ich der freundlichen brieflichen Mitteilung seines Sohnes, H. G. GundeI, Gießen.) W. GundeI schreibt (REa. O. Sp. 662): Ae!. Aristides IV 55ff. "sieht im Traum, daß aus dem Sternbild des O(phiuchos) Asklepios zu ihm herabkommt und ihm Aufklärung gibt. Das entspricht der astrologischen Lehre, daß der hellste Stern des O. den unter ihm Geborenen durch die Epiphanie oder die Heilkraft des Asklepios ... Hilfe schenkt." Dazu ist zu sagen: "das Horoskop des Aristides folgt unten § 58 (dazu Anm. 151-54). Hier (§ 56) wird nicht ausdrücklich von der Nativität des Aristides
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nehme wahr, daß es genau die Stunde ist, in der ich das im Traum zu sehen glaubte I41 • Noch andere derartige Träume habe ich in Erinnerung l42. Einmal glaubte ich, Platon selbst zu sehen, wie er in meinem Zimmer stand, gegenüber meinem Bett und mir. Er war mit dem Brief an Dionysios beschäftige 43 und voller Zorn. Mit einem Blick auf mich sagte er: "Wie findest du mich in meinen Briefen? Hoffentlich nicht schlechter als den Celer", womit er den kaiserlichen Schreiber meinte l44 . Ich erwiderte: "Behüte Gott! Ein Mann wie du, solltest du doch daran denken, wer du bist!"145 Nicht lange danach war er verschwunden, und ich blieb in Gedanken versunken. Da sagte jemand, der zugegen war: "Der Mann da, der sich soeben als Platon mit dir unterhalten hat, ist dein Hermes", womit er den meinte, den meine Geburt mir zum Schutzgott bestimmt hatte l46 , "dem Platon sah er nur gleich." Dieser Traum wurde mir in Smyrna zuteil, ein anderer aber in Pergamon, wohl früher als dieser 147 • Da gab jemand als Ursache dieser Träume und der offenbaren Fürsorge der Götter für mich den Stern des Zeus l48 an, wer auch immer es war, der diesen als Ursache nannte. Dieser habe nämlich in der Stunde meiner Geburt den mittleren Grad der Mitte des (sicht-
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gesprochen, wohl aber ist dies aus der Angabe § 58 ("Ursache dieser Träume ... ") zu erschließen. Dann würde sich, da Hermes/Merkur im Skorpion stand (0. NeugebauerH. B. van Hoesen, Greek Horoscopes, Mem. Am. Philos. Soc. 48, 1959, 113f., C. A. Behr, AJPh 90, 1969, 76f.) eine freie Übertragung von Planet und Zodiakalbild auf Ophiuchos als Paranatellon des Skorpion ergeben; vgl. dazu W. GundeI, Paranatellonta, RE 18, 1949, Sp. 1233 und H. Gundei, Zodiakos, RE 10A, 1972, Sp. 484f.)" (H. GundeI). Vgl. I 56 Ende. Vom Jan. 148 n. Chr. in Smyrna. Im 3. Brief an Dionysios H. von Syrakus rechtfertigt sich Platon nach seiner Rückkehr vom 3. Besuch in Sizilien gegenüber den Verleumdungen des Tyrannen. - Aus diesem Brief hatte Aristides schon einmal zitiert (IV 38 s. Anm. 93). - Kaibel und viele Philologen nach ihm hielten diesen Brief für unecht. C. Ritter hat aber das Verdienst, die Echtheit dieses Briefes für spätere Forscher überzeugend nachgewiesen zu haben (Neue Unters. 327ff.), wie ihm H. Leisegang bescheinigt (RE 20, 1950,2528). Der griechische Rhetor Caninius Celer, der spätere Lehrer der Kaiser Marcus und Lucius, war Verfasser eines Lehrbuches der Rhetorik. Unter Hadrian scheint er das Amt ab epistulis (Graecis) bekleidet zu haben, wie es damals in zwei Büros, das griechische und lateinische, mit je einem eigenen Leiter geteilt worden war; s. L. Friedländer, Darst. aus d. Sittengesch. Roms lO, 1922, 156 und IV 41. - Die antiken Zeugnisse über diesen Celer hat Behr 65 n. 16 gesammelt. Zur grammatischen Deutung dieser Stelle s. Festugiere a. O. S. 145, dem sich Behr anschließt. Wörtlich: "der meine Geburt durch das Los erlangt hatte"; d. h. eine Gottheit erlangt (durch das Horoskop) sozusagen Oberaufsicht über das Leben des betreffenden Menschen; s. dazu schon Homer, 11. 23, 79 u. bes. Plat. Phaed. 107 d; vgl. auch W. GundeI, Tutela, RE 7A, 1948, Sp. 1603-08. Etwa im Herbst 147 n. Chr. = der Planet Jupiter.
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baren) Himmels geschnitten l49 . Zudem sagen die Astronomen l5o , der Löwe l51 habe damals in der Mitte des Himmels gestanden, der Stern des Zeus l48 aber unter dem Löwen im Geviertschein 152 rechts vom Hermes l53 , beide (Planeten) am Morgenhimmel (glänzend)"154. Es war mir auch vergönnt, die gefeiertsten Meister des Wortes aus alter Zeit zu schauen, ebensowohl Prosaiker wie Dichter. Die Begegnung mit Lysias ist es wert, auch erzählt zu werden. Am schwersten Tertianfieber l55 daniederliegend sehe ich den Redner Lysias l56 , einen gefälligen 149 OX((EW ... Ileoou 'toü oupavoü lleoTjv 'tijv Ilotpav; s. dazu Boll-Bezold-Gundel, Sternglaube u. Sterndeutung, Darmst. 1966, S. 62: "Drei weitere wichtige Punkte sind durch den Aszendenten [= aufsteigender Punkt oder Grad der Ekliptik] bestimmt, erstens der Grad der Ekliptik, der im gleichen Augenblick in der Mitte des sichtbaren Himmels, im Medium Caelum oder Mesuranema, erscheint ... " - Zu Moira = 'Grad' s. Hipparch. 1, 7,11 Man. 150 Hier im Sinne von 'Astrologen', da es sich ja um ein Horoskop handelt. 151 = das Sternbild. Zur astrologischen Systematik des Zodiakus, durch den - neben Sonne und Mond - die fünf (im Altertum bekannten) Planeten ihren Weg nehmen s. BollBezold-Gundel a. O. S. 51f. 152 1;)( 'tE'tpaywvou 1tA.EUpa~: Der Zodiakus erhält durch die in regelmäßigen Abständen voneinander stehenden Tierkreiszeichen eine feste Einteilung. In diesen (Tier-)Kreis können nun regelmäßige mathematische Figuren eingezeichnet werden, die entweder ein gleichseitiges Dreieck oder ein Viereck oder ein Sechseck ergeben. Zieht man also z. B. im Zodiakus "vom Widder zum Löwen und von da wieder zum Schützen und zum Widder Linien, so entsteht ein gleichseitiges Dreieck, ein Trigonum; die Zeichen sind zueinander im Gedrittschein (trigonal). Zieht man Linien vom Widder zum Krebs, von da zur Waage, Steinbock, Widder, so entsteht ein Quadrat oder Tetragonum, ein Geviertschein". Durch Verbindung eines Zeichens mit dem jeweils zweitnächsten entsteht ein Sechseck oder Hexagon, ein Sextil- oder Gesechstschein. Dazu s. die ausführlichen Darlegungen (mit erläuternden Zeichnungen) bei Boll-Bezold-Gundel a. O. 63f. ('Die Aspekte im Tierkreis'). 153 = der Planet Merkur, Schutzgott der am vierten Tage eines Monats (nach dem in Kleinasien gültigen Kalender) Geborenen. Außerdem ist Hermes-Merkur immer schon Patron der Beredsamkeit und Beschützer der Rhetoren (Belege s. u. a. bei Herzog, Urkund. z. Hochschulpol. a. O. 988f.). 154 Von diesen Angaben ausgehend haben O. Neugebauer-H. B. van Hoesen (s. oben Anm. 140) S. 113 f. den 8. Okt. 117 errechnet, dann Behrin erneuter "Berechnung AJPh 90,1969,75-77, wofür der Redner selbst die Anhaltspunkte liefert (IV 58, der Löwe im Süden, Jupiter im Scheitelpunkt des Löwen, zur Rechten Merkur, beide Planeten am östlichen Himmel)",die Geburt des Aristides auf den 26. Nov. 117 n. Chr. festgelegt und damit eine alte Streitfrage geklärt, s. R. Klein, Die Romrede des Ael. Aristides a. O. S. 73 Anm. 6. - In seiner Übersetz. S. 438 n. 105 gibt Behr eine weitere genaue (z. T. berichtigende) Interpretation dieses Horoskops, auf die hier verwiesen sei. 155 Auch 'Andertagsfieber' genannt. Bei der Malaria tertiana tritt der Fieberanfall alle 48 Stunden auf. Der Verlauf ist relativ gutartig, oft chronisch. Sie umfaßt ca. 40 % aller Malariafalle. Über die Einteilung der verschiedenen Fieberarten s. G. Sticker, Fieber und Entzündung bei den Hippokratikern, in: Sudhoffs Archiv f. Gesch. d. Medizin, 22, 1929, S. 313-43 (Hippokrates), S. 361-81 (Galen). 156 Einer der bedeutendsten attischen Redelehrer und Redeschreiber (ca. 445-380 vC.), der später in den sog. 'Kanon der 10 Redner' aufgenommen wurde.
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jungen Mann. Nun kam der Tag des Anfalls, doch das Fieber stellte sich nicht ein, sondern die Krankheit wurde in diesem Augenblick beendet 157 • Ja einmal kam es mir so vor, als ob auch der Dichter Sophokles mein Haus betrete und dann vor dem Zimmer, in dem ich mich gerade aufhielt, stehenbleibe. Während er dort schweigend stand, summten seine Lippen von sich aus aufs lieblichste. Seine ganze Erscheinung war aber auch die eines ehrwürdigen und stattlichen Man61 nes. Erfreut über seinen Anblick erhob ich mich, begrüßte ihn und fragte: "Wo hast du deinen Bruder?" Er antwortete: "Habe ich denn einen Bruder?" "Ja, das ist Aischylos", sagte ich,und zugleich ging ich mit ihm (nach) draußen. Als wir in der Haustür erschienen, lag da ein Sophist, einer der angesehensten unserer Zeit, 62 etwas abseits von der Tür zur Linken rücklings hingestreckt 158 • Andere sahen wir in anderer Haltung und Erscheinung, gar würdevoll und alle entsprechend der Zeit, in der sich das zutrug. Auch folgendes trug zu meiner Hochstimmung bei. Als ich einige Festreden hielt - so träumte ich - und großen Beifall erntete, machte einer der Zuhörer die wohlmeinende Bemerkung: "Wie der und der", den er eben unter den Alten am meisten bewunderte, mein Lehrer159 jedoch, der zugegen war, erwiderte - so schien es mir - etwas gekränkt: "Willst du nicht noch den und den beifügen?" und war im Begriff, noch eine Reihe anderer zu nennen, als sei es nicht in Ordnung, einen einzelnen mit mir zu vergleichen. 63 Mit dieser Erzählung hatte ich im Sinn, den Bericht hierüber abzuschließen, aber da fiel mir noch etwas weiteres Wunderbares ein, wofür ich dem Gott, wenn überhaupt für irgend etwas sonst, keinen geringen Dank schulde. Als nämlich der Redner Quadratus 160 seine Statthalterschaft in Asien antrat, sah ich darin für mich eine gute Gelegenheit, mich an ihn zu wenden, zumal da ich von der vorausliegenden Zeit her einige Schwierigkeiten hatte, über die ich alsbald berichten werde l61 • Ich schreibe also an ihn, indem ich mich ihm vorstelle und 64 ihm mein ganzes Tun und Treiben schildere. An dem Tage nun, an dem er mein Schreiben erhalten mußte - ich ersah das später aus den mir zugegangenen Nachrichten, man konnte es aber auch sofort aus der Berechnung der Tage erschließen - da schien mir dieser Priester des Asklepios, der jetzt noch amtierende und sein Großvater l6 2, zu dessen Amtszeit, wie wir erfuhren, der Gott die 60
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eA.ln'1rj: anscheinend wieder eine Anspielung auf den Namen 'Lysias' (vom Verbum A.uew = 'lösen, beenden'). Wer das war und was diese Lage bedeuten sollte, bleibt unklar. Hommel denkt an die Möglichkeit eines Wortspiels: Soph-okles, Soph-istes. s. I 23 u. Anm. 45. Wohl C. Julius Quadratus Bassus von Pergamon, Prokonsul v. Asien i. J. 153/4 nC., s. Behr 84-86. s. § 71-104. Flavius Asklepiades; s. dazu Altert. v. Perg. 8,3 S. 7: "Von einem der flavischen Kaiser (wahrscheinlich Domitian) rührt das Gesetz her, das der Priesterfamilie des Archias und Asklepiades die römische Civität und den Gentilnamen Flavius verlieh." - Die Priesterwürde war in dieser Familie erblich. Der berühmte Großvater wird also vermutlich im letzten Jahrzehnt des I. Jhs. n. Chr. Asklepiospriester gewesen sein.
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zahlreichen großen Operationen durchgefUhrt hae 63 , und er ist ja auch der berühmteste der bisherigen Priester -, diese bei den also schienen mir die Residenz des Quadratus zu betreten und engsten Verkehr mit ihm zu pflegen, indem der eine einfach neben ihm saß, der andere aber, und zwar der ältere, auf seinem 65 Ruhelager am oberen Ende Platz nahm. Sie empfahlen mich nun dem Quadratus aufs angelegentlichste durch allerlei freundliche Worte, und als der Ältere gar auf meine Reden zu sprechen kam, die dem Quadratus gleichfalls lobend genannt werden mußten, begann er mit bedeutsam erhobener Stimme und absichtlichen Pausen, da er jenen dadurch auf das, was gesagt werden sollte, recht aufmerksam machen wollte: "Hinsichtlich der Reden aber ..." Doch während er gerade noch dabei war, das überschwengliche Lob auszusprechen, fiel ihm Quadratus ins Wort und sagte: "Du willst gewiß nach dem Sprichwort sagen: 'Entweder muß man eine solche Frau heiraten oder gar nicht heiraten!'''164 66 So etwa wurde von beiden Seiten die Unterhaltung gefUhrt. Darauf aber kam es mir vor, als machten die anderen sich auf den Weg und ich selber ginge mit ihnen hinaus. Als wir an die kleine Pforte kamen, wo die Abzweigung zum Heiligtum ise 65 , gingen jene gerade auf das Heiligtum zu, ich aber verabschiedete mich mit Handschlag und bedankte mich dafUr, daß sie mir überall Ehre erwiesen und auf 67 jede Weise um meine Anliegen besorgt seien. Wie nun mein Schreiben sogleich berühmt wurde, indem der Statthalter eS selbst vor allen verlas und alle sich darum rissen, und was jener mir zur Erwiderung darauf schrieb, und was er zuletzt tat, als er die Statthalterschaft abgab, das dürfte, wenn man es erzählen wollte, einerseits vielleicht als Prahlerei erscheinen wegen der darin enthaltenen Übertreibungen, andererseits dürfte es wie ein kleinliches Gebaren wirken, dabei zu verweilen, nach den (mir) von seiten der Götter erwiesenen Ehren. Das war es hauptsächlich, was davon in den gegenwärtigen Zusammenhang 68 gehörte. Nun,das gehört der Vergangenheit an. Nachdem ich aber an diesen Punkt meiner Darlegung gekommen war und mich den anderen Wohltaten des Gottes zuwenden und die der Reihe nach aufschreiben wollte, welche mir unter den anderen Statthaltern und anderen Verhältnissen erwiesen worden waren, da unterbricht mich mitten im Schreiben 166 ein Traum, der irgendwie nochmals zu 69 diesen Dingen zurückfUhrt. Es verhielt sich aber damit so: Es war mir, als hielte ich vor einigen Leuten einen Festvortrag und riefe mitten zwischen den Sätzen, mit denen ich meinen RedekampffUhrte, den Gott mit folgenden Worten 163 ExetpOuPYlloev: über die allmähliche Entwicklung der Chirurgie in den Asklepieien s. u. a. Herzog, Wunderheil. a. O. S. 75-95. - Das Wort könnte an sich auch bloß bedeuten: 'Heilungswunder vollziehen', jedoch spricht sich auch Edelst. II S. 152 n. 31 (gegen Weinreich) für 'Chirurgie' im engeren Sinne aus und bringt dafür weitere Belege. 164 Dindorfhat diese Worte einem unbekannten Komödiendichter zugeschrieben (Com. Att. Fragm. III Adespota 235 Kock u. Edmonds IIIA Adesp. 235, S. 392). Wilamowitz betont mehr das 'Sprichwort' und verweist auf einen ähnlich formulierten Ausspruch bei Athen. Deipn. 8, 337 b. 165 Zu dieser kleinen Pforte vgl. II Anm. 145. 166 Aristides befindet sich i. J. 170/1 in Mysien.
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an: "Mein Herr Asklepios, wofern ich wirklich (die anderen) in meinen Reden übertreffe und weit übertreffe, so möge mir Gesundheit beschieden sein, meine Gegner aber mögen bersten vor Neid!" Dies glaubte ich im Traum gesehen zu haben, und als es Tag geworden war, nahm ich (so kam es mir vor) ein Buch zur Hand und las (darin). Tatsächlich fand ich darin die Worte, die ich gesprochen hatte, und sagte erstaunt zu Zosimos: "Schau! was ich im Traum zu sagen glaubte, das finde ich in dem Buche geschrieben." - So ist auch diese neue Geschichte den alten beigefügt worden. Ob ich aber der Absicht des Gottes gerecht geworden bin, das dürfte Er selber am besten wissen. Was nun meine Reden angeht und wie Er von Anfang an mich in sie hineinführte und was für ein Urteil er darüber abgab und wieviele Orakelsprüche Er mir gab 16\ die sich darauf bezogen, und wie Er zu meinem alten Namen den (neuen) 'Theodoros' hinzufügte und was für weIche Enthüllungen Er über sein eigenes Wesen machte und was sonst noch von dieser Art ist, das ist hiermit nicht annähernd erschöpft, sondern nur eben das (habe ich berichtet), was mir noch in den Ohren klang und auch auf das übrige einen Schluß erlaubt. Ich werde zu dem Punkt, an dem ich kurz zuvor '68 gesagt habe, daß ich meinen Bericht anhalten und abbrechen wollte, zurückkehren (um zu schildern), wie Er auch sonst überall offensichtlich Zeichen gab, handelnd eingriff und mir zur Seite stand. - Severus '69 , der Statthalter Asiens, führte, glaube ich 170, sein Amt im Jahre vor meinem Freunde l7l • Er war ein Mann von stolzem Benehmen, der sich wohl durch niemand von seinem Urteil und Entschluß hätte abbringen lassen 172 • Während meines Aufenthaltes am Aisepos und dann beim Heiligtum des Zeus '73 tat er folgendes. Zu jener Zeit wurden üblicherweise alljährlich von jeder Stadt die Namen der zehn führenden Männer an die Statthalter gesandt. Diese mußte der Statthalter prüfen und einen, den er aus der Gesamtzahl auswählte, als Friedenswächter'74 "Die mantische Tätigkeit des Asklepios tritt in den gewöhnlichen Berichten hinter seiner Heilkraft stark zurück; von Anbeginn waren beide Wirkungen (wie bei den Erdgeistern oft) eng verbunden": E. Rohde, Psyche, 3. Aufl. 1910, S. 141 Anm. 2; 4. Aufl. S. 140 f. 168 s. § 63. 169 s. § 12 u. Anm. 21. 170 Eine rein rhetorische Floskel, s. Behr Übers. S. 439 n. 121. 171 Der Redner Quadratus (s. § 63) löste den Severus im Sept. 153 nC. ab. 172 Dazu kommen noch die positiven Urteile in den §§ 77 u. 82. - Cassius Dio fällt ein sehr günstiges Urteil über Severus und rühmt bes. seine Verwaltung in Bithynien, die dort unvergessen geblieben sei; s. Groag RE 10 (1918) '484 Julius Severus', Sp. 811-20, bes. 818. 173 s. § 1/2 u. Anm. 3. 174 q>iiAUXU ,fic; eipf}VT}c;: der eigentliche Titel war eiPT}v6:PXT}C;, ein Wort, das Aristides als unattisch vermied. "eiPT}v6:PXUI sind Polizei offiziere, die ausschließlich in der röm. Kaiserzeit u. fast nur in Kleinasien u. Ägypten vorkommen. Sie sind scheinbar eine freie Schöpfung der Römer": Schultheß, RE Suppl. 3 (1918) Sp. 419(-23). - Ihr Amt war "nur polizeilicher, nicht richterlicher, noch viel weniger friedensrichterlicher Natur" (ebd, Sp. 421). Inschriftlich sind sie in Mysien, u. zwar in Pergamon u. Hadriani, nach-
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einsetzen. Aus einem Städtchen Mysiens nun, dessen Namen ich nicht zu nennen brauche 175 , liefen bei ihm die vorgeschlagenen Namen ein. Obwohl er nun von meinen Verhältnissen nichts Genaues wußte, sondern nur soviel gehört hatte, daß ich in dieser Gegend begütert sei, und - so nehme ich an - von meiner sonstigen Stellung, daß ich nicht zu den gewöhnlichen Leuten gehöre, ging er über alle (anderen) eingesandten Namen geringschätzig hinweg und bestimmte mich für das Amt, ohne zu bedenken, daß schon lange Zeit, ehe jene Leute sich Hoffnung auf das Stadtrecht machen konnten 176, (der Stadt) Smyrna das Recht zukam (mich zu diesem Amt vorzuschlagen)177, und daß meine Lage völlig andersartig war l78 • Er schickte der Behörde einen Brief, adressierte ihn aber nicht an sie, sondern an mich. Die Behördenvertreter kamen zu mir und gaben ihn ab. Das Schreiben ordnete an, ich solle über den Frieden wachen. Nun war ich in großer Verlegenheit. Denn man konnte in der Sache keine Berufung einlegen 179, da keine Gegenpartei vor Gericht 180 da war, sondern der Ernennende derselbe war wie der Bestätigende, und da niemand zu finden war l8l , gegen den man den Streit hätte führen können, kein Mensch, vor dem, und kein Verfahren, nach dem man die Sache hätte anhängig machen können. Nur soviel beschlossen wir einstimmig, ich und die Behörden, die Berufung so einzulegen, als ob sie sich gegen ebendie Behörde richte, die mir das Schreiben ausgehändigt hatte. Darüber kam der Abend,und ich befragte den Gott, was das bedeute und was zu tun sei. Ich empfing (als Antwort) den Vers aus Delphi: "Ich und die weißen Mädchen sorgen uns darum"182.
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gewiesen (ebd. Sp 422). Als Fahndungspolizei oblag ihnen Verhaftung und Verhör von Arrestanten, s. dazu Dig. L. 24,18,7 u. bes. Martyr. d. Polykarp 6-8 (Funke-Bihlmeier, Die apost. Väter, 1956, S. 124ff.). Zur Bekleidung dieses Amtes war "ein gewisses Vermögen und ein gewisser Rang innerhalb der Gemeinde nötig", und ihm durfte sich "niemand ohne triftigen Grund entziehen" (Sp. 420). Zur Prüfung der Listen durch den Statthalter: s. Cod. Justin. 10,77. Seine Vaterstadt Hadrianoi. Hadrianoi erhielt das Stadtrecht erst i. J. 123 n. Chr. anläßlich der Reise Hadrians durch Mysien. Der Vater Eudaimon u. sein Sohn Aristides besaßen das Bürgerrecht von Smyrna, weshalb auch schon in der Antike oftmals Smyrna als Geburtsort des Aristides angegeben wird, z. B. AnthoJ. Pa\. 16, 320. Da der Sinn dieser Worte recht unbestimmt ist, wagt Ritter (im Nachlaß) "die Vermutung, statt aUolov sei zu schreiben aU6"tplOv". Dann hieße es "daß meine ganze Person in fremdem Dienste, nämlich des Asklepios, stehe". EXXÄ""tov ... ölX1lV: zur Bedeutung dieses t. t. verg\. Meyer-Schömann, Der att. Prozeß, Halle 1824, S. 767. 775. 986 u. J. H. Lipsius, Das Attische Recht u. Rechtsverfahren III (Lpz. 1915) S. 955 Anm. 5. EV f.lEO«l = eigentlich: 'in der Mitte', d. h. zwischen Aristides und dem Statthalter, der diesen etwa als Gegenanwalt vertreten hätte. - Festugiere übersetzt (a. O. 145): it portee. Die Behörde von Hadrianoi hatte ihn nicht vorgeschlagen, also konnte man sie auch nicht verklagen. Dieser iambische Orakelspruch wird Paroemiogr. Gr. I 403 und sonst öfters in der
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Welche Erfüllung hat nun dieser Spruch gefunden? Wenige Tage darauf erhielt ich Briefe von den Majestäten, dem Kaiser selbst und seinem Sohn I83 , welche viele sonstige Lobsprüche enthielten, vor allem aber auch die Freistellung 184 auf Grund meines Rednerberufes - falls ich ihn ausübe - mit einem Siegel bestätigten185 • Zugleich mit diesen kaiserlichen Briefen erhielt ich auch Schreiben von Heliodorus, dem ehemaligen Statthalter von Ägypten 18 \ eines für mich und ein anderes für den Statthalter über mich, und zwar voll des Lobes und hoher Anerkennung. Geschrieben waren sie schon lange vor dieser Zeit, in der ich sie benötigte, doch trafen sie damals im entscheidenden Augenblick ein. Die 'weißen Mädchen' deutete ich sogleich auf die Briefe. Ermutigt durch den Orakelspruch und die glückliche Schicksalsfügung 187 war ich zwar nicht in der Lage, mich auf den Weg zu machen, da der Gott mich festhieltI 88 , doch schickte ich ein Schreiben an den Statthalter, in dem ich ihm meine ganze Lage erläuterte und (darlegte), daß ganz offenbar die Leute, die ihm meinen Namen nannten, eben nichts weiter als den Namen genannt hätten. Ich machte ihm auch klar, wer die Personen seien, die mich freigestellt hätten 189 , und wies ihn auf die neuerdings angekommenen Briefe hin. Zugleich schickte ich diese - zusammen mit meinem eigenen - hin, sowohl das Empfehlungsschreiben als auch den Freistellungsbe-
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griech. Literatur erwähnt und in latein. Übersetzung von Cicero, de divinat. I 81 zitiert. A. S. Pease hat in seiner Ausgabe dieser ciceron. Schrift (Darmst. 1963) in seinem reichhaltigen Kommentar alle Parallelen und hierauf bezüglichen Fragen behandelt. - Der Orakelspruch soll ergangen sein, als der Gallier Brennus 279 v. Chr. mit seinem Heer in Griechenland eingefallen war und vor Delphi stand. Er soll dort durch Erdbeben, Blitz u. Donner und herabstürzende Felsen zurückgehalten worden sein. - Als 'weiße Mädchen' deutete man damals das Schneegestöber, das mit dem Gewitter einherging, oder zwei bewaffnete Jungfrauen, die aus den benachbarten Tempeln der-Athene u. Artemis erschienen, wenn es nicht diese Göttinnen selbst waren, die in den Kampf eingriffen. Antoninus Pius u. sein Adoptivsohn Mark Aurel, s. Hüttl. a. O. Ir 52. - Die Briefe waren die Antwort auf eine Bitte des Aristides in einem früheren Fall, s. § 95 f.
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scheid. Während die Sache noch in der Schwebe war, liefen bei mir ständig allerlei Vorschriften der Notare ein, soweit sie mir freundlich gesinnt erschienen und den Eindruck erweckten, sie könnten die Notwendigkeiten richtig beurteilen. Sie betonten die große Macht des Mannes, und daß er einer der kaiserlichen Richter l90 sei, vor allem aber die Zähigkeit und Unerschütterlichkeit seiner Überzeugung, und daß er niemals, komme was da wolle, einen gefaßten Beschluß abändern werde, und sie baten mich, ihn nicht zwecklos vor den Kopf zu stoßen. So schrieb ich denn auch an diese, absichtlich ziemlich lang und kühn, da ich genau wußte, daß das Schreiben in die Hände des Severus kommen werde. Ich hörte nämlich, daß sie recht vertraulich mit ihm stünden. Der wichtigste Satz aber, den ich auch an ihn geschrieben hatte, war, daß sie Unmögliches 78 forderten. Danach kam Severus aus dem Landesinnern nach Ephesus herunter l91 , um Gerichtstage abzuhalten. Nachdem er meine Schreiben gelesen hatte, lud er mich dorthin vor. Ich aber schickte (Beauftragte). Als der Termin kam und mein Name aufgerufen wurde, traten die Anwälte l92 vor. Ehe sie nur den Mund auftun konnten, sagte Severus: "Den Aristides kenne ich von früher, bewundere ihn wegen seines Ruhmes und stimme dem Urteil zu, daß er bei Reden den ersten Platz einnimmt. Das ist mir auch von meinen Freunden in Rom geschrieben worden. Ich bitte ihn aber", setzte er hinzu, "mir in meiner Amtsführung zur Seite zu stehen. Den Rechtsanspruch seiner Freistellung bestätige ich ihm,und er bleibt in Geltung". Das erklärte er öffentlich, das ließ er ins Proto79 koll eintragen. Nach einer solchen Entscheidung glaubten die Leute, die ich zur Verhandlung abgesandt hatte, sie hätten wohl auch etwas zum Erfolg beigetragen und würden nicht ganz unverrichteter Sache heimkehren, während die Anwälte (der Stadt) sie zu meiner Ehrung beglückwünschten und die anderen etwas Großes darin sahen, daß Severus gesagt hatte, er tue das in Form eines Ersuchens l93 , und daß er die Freistellung für alle Zukunft bestätige, und das sogar trotz meiner Abwesenheit. Zudem sahen meine Leute auch keine Handhabe zur Einlegung einer Berufung, da der Mann das Amt nicht kraft einer Gerichtsent-
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Keil versteht den Ausdruck so, als sei Severus einer 'ex iurisconsultis in Caesaris consilium adsumptis'. Demgegenüber meint Groag (RE 10, Sp. 819): "das dürfte bedeuten, daß der Kaiser dem Prokonsul das ius gladii verliehen hatte". Das ius gladii (Schwertrecht) oder imperium merum (magistratische Vollgewalt) erweiterte die Strafgewalt in Kapitalprozessen und verminderte die Berufungsmöglichkeiten an den Kaiser. Seit Augustus wurde es in steigendem Maße an die Provinzialstatthalter verliehen, s. dazu Mommsen, Röm. Strafr. S. 243f. - Behr neigt der Meinung von Groag zu. Im Febr. 153 n. Chr. - Ephesus war der Amtssitz des Statthalters. der Stadt Hadrianoi, die den Prozeß für die (nach §74) verklagte Behörde führen sollten. Bei diesem klugen Schachzug dachte Severus vielleicht an den Wortlaut des Ediktes des Antoninus Pius (s. oben Anm. 185) Dig. 27,1,6,7: "Ich meine aber, daß die besonders reichen Leute freiwillig (!) den Nutzen, der ihnen aus ihrem Geld erwächst, ihrer Vaterstadt zur Verfügung stellen werden" - indem sie nämlich ein Ehrenamt übernehmen, das u. U. große finanzielle Opfer von ihnen verlangte. - Zwar ist hier von den 'Philosophen' die Rede, aber man konnte das natürlich leicht auch auf die Rhetoren ausdehnen.
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scheidung auferlegte, sondern es sich wie eine Gefälligkeit ausbat und dies gleichsam zur Grundlage unserer Freundschaft machte. Sie gaben sich also mit der gegebenen Lage zufrieden, kehrten zu mir zurück und erstatteten mir über das Ganze Bericht. Inzwischen war auch die Frist fUr eine Berufung abgelaufen. Jetzt war meine Verlegenheit noch größer als zuvor, denn eine Ehrung ohne Erfolg genügte mir nicht. Ich bedrängte also den Gott wiederum mit Bitten und Fragen, wie man mit dieser Lage fertigwerden solle. Und Er bescherte mir einen ganz wunderbaren Traum, dessen Einzelheiten zu erzählen ich nicht imstande wäre, dessen Hauptsache sich jedoch gewissermaßen so verhielt. Es kam mir vor, als unterhalte ich mich darüber mit dem Sekretär des Statthalters, und dieser sei zu mir gekommen. Als er alles gehört hatte, versprach er mir, er werde das Protokoll ungültig machen und abändern, verlangte aber von mir, ich solle etwa 500 Drachmen l94 dafUr aufwenden. Infolge dieses Traumes wurde ich einerseits froher gestimmt, weil darin ein gewisses Versprechen zu liegen schien und es nicht geradezu eine Verweigerung war, andererseits schien es mir doch eigentlich auf dasselbe hinauszulaufen l95 . Denn wie sollte wohl einer eine Entscheidung von so großer Bedeutung sich fUr 500 Drachmen kaufen, und gar von einem Manne, der so unbestechlich war, daß jemand leichter den Lauf der Flüsse aufhalten als jenen kaufen könnte, und der andererseits in Verwaltungsfragen so erfahren war und sich am allerwenigsten hinters Licht fUhren ließ. Die Zusage schien also eine Verweigerung zu sein, denn es fehlte jede Möglichkeit (dagegen anzugehen). Das waren meine Bedenken. - Inzwischen riefmich der Gott wieder nach Pergamon l96 . Dort weilte gerade Rufinus 197 • Er war bemüht, uns zu ehren, soweit es in seinen Kräften stand. Als ich mit ihm zusammenkam, erzählte ich ihm, was geschehen war, und bat ihn dringend, mir zu helfen. Immerhin habe j a auch Severus selbst durchaus zugegeben, daß meine Freistellung in Kraft sei. Es genüge aber nicht, wenn das auf dem Papier stehe. Denn jedem anderen Statthalter werde es möglich sein, mir eine andere Auflage zu machen mit genau derselben Klausel, und so werde die Freistellung aufgehoben durch den Zusatz: 'sie bleibe in Geltung'198. Ich brauche aber nicht schön klingende Worte, sondern die Sache. Denn mein körperliches Befinden sei so (schlecht) 199. Rufinus fand meine Ansprüche begründet und gab mir einen 194 ca. 400 Goldmark. 195 d. h. auf eine Verweigerung. 196 O. Weinreich, Antike Heilungswunder (RVV 8, 1, 1909) S. 112 zeigt, wie häufig der göttliche Rufin den Wunderberichten erwähnt wird; s. auch unten § 103 (Hinweis von Ritter im Nachlaß). 197 s. § 28 Anm. 69. 198 s. § 78. Diese Formulierung bedeutete sozusagen nur eine Verlängerung, da jeder spätere Statthalter eine Belastung durch ein neues Amt in die von Severus gewählte Form einer Bitte kleiden konnte. 199 ,0 yap aWlla oü,wc; exe1v Il0t: Behr (Übers. S. 439 n. 141) nennt das: 'A typically neurotic remark', d. h. Flucht in die Krankheit (vor dem Rechtsstreit). - Die in der Übersetzung gewählte Bedeutung liegt bei der gleichen Redewendung in II 1 u. IV 106 vor, weshalb
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Brief an ihn, den er mit größter Bereitwilligkeit in seiner eigenen Sprache200 abgefaßt hatte. Neben anderen Ausführungen, die teils Empfehlungen, teils Ratschläge enthielten, erging er sich darin in dunklen Andeutungen hinsichtlich der Zukunft, was etwa die Folgen sein könnten, wennjener mich nicht freiwillig (von der Verpflichtung) entbinde. Um (die Erzählung) abzuschließen: ich kam an den Dionysien201 nach Smyrna, und Severus war dort des Festes wegen. Nun gab es da unter den sogenannten Legaten202 einen, der auch in sonstigen Fragen mit Severus erstaunlich eng verbunden und eigentlich geradezu sein Sekretär war. Denn der ganze Schriftverkehr lag in seiner Hand. So zeigten wir ihm auch damals jenen Brief, als wir ihm zuerst begegneten. Denn ihm war der Verwaltungsbezirk von Smyrna übertragen203 • Was nun in einer mündlichen Schilderung gesagt werden mußte, das trug ich ihm alles vor, damit er in Kenntnis der Sachlage dem Statthalter genau berichte. Als ich sah, daß er meine Worte (gut) aufnahm und zur Anerkennung meiner Rechte neigte, da wurde mir die Stimme des Traumes bedeutungsvoll, als der Sekretär mir seine Unterstützung versprach204 • Ich erzählte ihm den Traum selbst und forderte ihn auf, dem Gott zu gehorchen, indem ich behauptete, dieser Mann hier sei der Mann, der das
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auch Behr sich dafür entscheidet. - Festugiere (a. O. S. 146) übersetzt: 'Uu!tait pour moi le corps du debat', deutet also oWfJ.!l als: 'wesentlicher Inhalt', was das Wort ebenso bedeuten kann wie im Englischen das Wort 'body'. Dadurch beeindruckt glaubt Behr a. O. eine Lücke ansetzen zu sollen und ergänzt deshalb: ,0 oWfJ.!l <,fj~ y"woew~> = 'such for me was the substance of the judgement'. d. h. lateinisch. Behr bemerkt dazu (Übers. S. 439 n. 142): "The native tongue ofboth Rufinus and Severus was no doubt Greek, but this was official correspondence". Die sog. Anthesterien, vom 3.-5. März (153 n. Chr.). Das gleiche Fest wird von Aristides iri den Reden 17,5 und 21, 4 (Keil) erwähnt; s. dazu Nilsson, Griech. Feste, S. 267 ff. bes. 268 f. In allen senatorischen Provinzen gab es eigene Nebenbeamte senatorischen Ranges, die einfach 'legati' genannt wurden. Sie übernahmen neben dem Statthalter die Rechtsprechung, entweder in der ganzen Provinz oder in einem besonderen Verwaltungsbezirk; s. Mommsen, Röm. Staatsr. 12 (Lpz. 1876) S. 223f. i:7ti tii~ ÖlOIX"OEW~ 'ii~ ltEpl ~fJ.UPV!lv: Die Provinzen wurden in Verwaltungsbezirke (Diözesen, latein.: conventus) eingeteilt, "welche zum Mittelpunkt eine größere Stadt erhielten, wo eine solche vorhanden war", J. Marquardt, Röm. Staatsverw. I (Lpz.1873) S. 341/2. - Über die Fragen nach Zahl und Kompetenzen der 'legati' sowie über die Einteilung der Diözesen gibt es (seit Mommsen und Marquardt) eine Reihe von Untersuchungen. Die letzte zusammenfassende Abhandlung (mit Literaturangaben) stammt von G. P. Burton, Proconsuls, Assizes and the administration of Justice und er the Empire, (lourn. ofRom. Stud. 65, 1975, S. 92-106, bes. 2 Legates and 'Dioceses' S. 9497), wo aufS. 95 die vorliegende Aristidestelle behandelt ist. Daraus noch kurz folgende Ergänzungen (S. 95): 1) In zwei jüngst veröffentlichten Inschriften wird auch ein Legat der Diözese Ephesus erwähnt. 2) Die oft geäußerte Ansicht, es seien in der Provinz nur 3 Diözesen (Ephesus, Smyrna und Pergamon) regelmäßig Legaten zugeteilt worden, ist schwer beweisbar, s. auch unten § 96, wo von einem Gerichtssitz in Philadelphia die Rede ist. 3) Die Verwaltung und bes. die Rechtsprechung wurden am Hauptort der Diözese konzentriert (S. 96). s. § 81.
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Versprechen gegeben habe, womit ich natürlich ihn selbst meinte. Er freute sich über unsere Worte, führte uns zum Statthalter und übergab das Schreiben 87 gemeinsam mit uns. Während er noch las, konnte man deutlich sehen, wie er alle möglichen Ausflüchte suchte, indem er an vielen Stellen des Briefes innehielt und sich nochmals (zum schon Gelesenen) zurückwandte. Das meiste und Gewichtigste aber über meine Reden hatte ihm Pardalas 205 geschrieben, der mit mir befreundet und ein vertrauter Jugendgefährte des Severus war. Er hatte auch diesen Brief erhalten und las beide durch. Dann sagte er: "Niemand stellt hinsichtlich der Reden Untersuchungen an. Doch es ist etwas anderes, der erste der Hellenen zu sein und ein vollendeter Meister in Reden" - diese Ausdrücke gebrauchte er nämlich - "und wieder etwas anderes, dies als Beruf auszuüben und Schüler zu haben"206. Nach kurzer Pause setzte er hinzu: "Geh hin in den Rat, und überrede deine Mitbürger!"207 Zugleich ermunterte und ermahnte er mich, die jungen Leute gelegentlich (als Schüler) zu mir kommen zu lassen. Ich erwiderte nur, ich bedürfe keiner Ermahnung, sondern der Gott habe mich eigens zu 88 diesem Zweck abgesandt, so daß ich (ihm) gehorchen müsse. Das war also der Beginn und der Stand der Angelegenheit und mein erstes Auftreten nach dem Urteilsspruch, der in Ephesus ergangen war208 . Während aber die Sache noch in der Schwebe war, trat eine zweite (Verwicklung) ein von folgender Art. Ehe ich die Ratsversammlung betrat und irgendein Wort über diese Dinge gesprochen wurde - es waren aber zu jener Zeie 09 Magistratswahlen, bei denen die Prytanen210 zu bestimmen waren -, schlug mich der Rat auf Anregung von zwei 205 s. § 27 u. Anm. 66. 206 s. oben Anm. 185; vgl. dazu auch Boulanger, Ael. Aristide, Paris 1923, S. 142 n. 1 und den ebd. s. 141 n. 1 zitierten Parallelfall des Sophisten Claudius Rufinus.
207 Gemeint ist der Rat von Smyrna, da Aristides sich darauf berufen hatte, daß nur die Stadt Smyrna das Recht habe, ihn zu einem Amt vorzuschlagen, s. oben § 73 u. Anm. 177. 208 s. § 78 Anf. 209 Im Juli 153 n. Chr. 210 etwa = 'Vorsteher'; so hießen in vielen griechischen Städten die höchsten Magistrate. Im Kleinasien des 2. Jhs. n. Chr. gab es nur noch die 'kollegiale Prytanie': s. dazu Gschnitzer, Prytanis, RE Suppl. 13 (1973) Sp. 749ff. "Über die Natur der Prytanie in Smyrna können uns die Belege nichts lehren", insbesondere bleibt unklar, ob sie "als Magistratskollegium oder als Ratsausschuß anzusehen" ist (ebd. Sp. 750). In meiner Übersetzung habe ich mich - am Wortlaut bleibend: apxa1peaial ... npu"tavdal - ftir die zweite Möglichkeit entschieden. - Unter den Aufgaben der Prytanen standen an erster Stelle: Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Sitzungen des Rates u. der Volksversammlung. (ebd. Sp. 751). - Sp. 798 (III 10 c) handelt Gschnitzer 'über die Prytanie von Smyrna', bespricht die vorliegende Aristidesstelle und schließt: "das beweist natürlich nicht, daß der P. - oder die P. - damals vom Rat gewählt wurde, sondern nur ... daß der Rat daftir zu sorgen hatte, daß wenigstens ein Kandidat (ggf. ftir jede Stelle) zur Verftigung stand". - Die Adjektivform npu"tavetal erklärt Gschnitzer (a. O. Sp. 810) ftir eine "unabhängige Neubildung des Aristides" von einem verschollenen früheren Adjektiv; s. aber auch die '"Ea"tia npu"tavda' von Syros IG 12 (5). 659, 10.
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oder drei Mitgliedern (zum Amt des Prytanen) vor. Damit hatte die Sache eine absurde Wendung genommen. Denn anstatt jene zu dem (Entschluß) zu überreden, zu dem mich der Statthalter zu ihnen gesandt hatte, sah ich mich genötigt, noch einmal von ihnen an das Gericht des Statthalters Berufung einzulegen, und so wurden es zwei Verfahren statt eines, und Richter war wieder derselbe wie zu Beginn. Wir kamen nun nach Pergamon 2lI • Als meine Sache zur Verhandlung aufgerufen werden sollte - um mich kurz zu fassen -, wußte niemand von uns (etwas davon), denn der Termin war nicht vorher bekanntgegeben worden. Ein Traumbild aber, das in der Morgenfrühe vor mich trat, kündete mir soviel an: "Ihr Kadmosbürger, sagen muß, was heischt die Zeit ..'m2
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Sogleich war es nun klar, daß ich eine Streitrede (vor Gericht) werde halten müssen, und so rüstete ich mich dazu. Bald danach kam jemand mit der Nachricht, soeben werde mein Name aufgerufen. Während ich nun vom Heiligtum zur Stadt hinabging - wodurch eine Verzögerung entstand und mein Name nochmals aufgerufen wurde -, machte, wie man mir erzählte, Severus in aller Freundlichkeit die Bemerkung, ich werde schon kommen und man brauche nicht zu drängen. Als er mich dann kommen sah, schickte er mir sofort Liktoren entgegen, um mein Hereinkommen zu erleichtern, denn darum hatte ich ihn vorher gebeten. Als ich herantrat, (fand ich)211 bei ihm und bei (der Bank)211 der Beisitzer die gebührende Achtung, ebenso auch bei den dabeistehenden Rednern und allen übrigen Anwesenden, und es sah mehr nach einer Festrede aus als nach einer Gerichtsverhandlung. Denn das Wohlwollen war erstaunlich,und ihr brennendes Verlangen 214 nach meinen Worten gaben sie dann mit Hand und Mund zu erkennen, und alles war ganz wie bei Leuten, die in Muße zuhören (wollen). Die Wasseruhr war ftinfmal abgelaufen215 , ich sprach mit größerem Freimut2 16 211 212
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Der Prozeß war offenbar für den August 153 n. Chr. in Pergamon angesetzt. Zitat aus Aesch. Sept. I; die Fortsetzung (V. 2) lautet: "wer ... am Steuersitz der Stadt das Ruder führt". Keil flillt eine offenbare Lücke aus mit: <~a~ew<; vel Ilep(öo<; eiipov). ~O 1tpo<; ~ou<; A-oyou<; WPIlT]XO<;: sprachliche Anlehnung an Plat. Parm. 135 d. Wörtlich: "nachdem 5 Maße (Wasser) aufgebraucht waren". Die Umrechnung in unsere Zeitmessung ist nur annäherungsweise möglich. Behr (Übers. S. 440 n. 153) schreibt: "Ab out an hour and a quarter", setzt also 1 Maß = ca. 15 Minuten, ohne zu sagen, worauf er seine Berechnung stützt. - Es ist (nach einer brieflichen Mitteilung von H. HommeI) von folgenden Voraussetzungen auszugehen: 1) Das übliche Maß für die Klepsydra war der Amphoreus. 2) Aristides scheint den Amphoreus hier mit dem Wort 'Metron' sozusagen als 'Grund maß' bezeichnet zu haben (wie man z. B. in München 1 Liter 'eine Maß' nennt). 3) In der Spätantike faßte der Amphoreus 26, 2 I Wasser (H. Chantraine, K1. Pauly I, Stgt. 1964, S. 318). Demnach wären 5 Metra = 1311. 4) Wenn sich die praktische Form und Größe der Klepsydra im Laufe derAntike (wie wahrscheinlich) nicht veränderte, dauerte der Auslauf eines Liters etwa 1 Minute, d. h. bei 131 Litern etwa 131 Minuten. 5) Das ergäbe dann für die Länge der gehaltenen Rede eine Dauer von gut zwei Stunden. - Wenn man diese Dauer mit der der anderen erhal-
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und gab nebenbei zu verstehen, wie wohl jemand angesehen würde, wenn er diese Rede vor dem Kaiser2J7 hielte. Als dann einer der Anwälte der Stadt (Smyrna) kurz und respektvoU geantwortet hatte, schickte Severus mich schließlich aus Achtung vor dem Rat und in der Meinung, für mich werde es dasselbe bedeuten und das sei (nun einmal) die beste Entscheidung, wieder zum Rat 93 zurück mit einem ehrenvoUen Schreiben. Das Ergebnis für mich war, daß er meine FreisteUung nicht nur einfach bestätigte, sondern mit solchen Ehren und in solcher Form, daß es schien, als teile ich dieses Vorrecht mit keinem anderen. Das andere Amt aber, in das er selbst mich einsetzen woUte218 , erwähnte weder er mir gegenüber noch wir ihm gegenüber. Vielmehr schickte er von sich aus an die Behörden 219 ein Schreiben mit dem Befehl, sie soUten statt meiner einen anderen 94 • einsetzen. So erfüllte sich die Voraussage des Gottes. Und wenn ich meine Auslagen zusammenrechne, das Honorar für die Notare und das Reisegeld für meine Diener - wenn ich einige deswegen weggeschickt hatte -, so kamen die 500 Drachmen ziemlich genau heraus 22o • Etwas Ähnliches hatte sich auch fast ein 95 Jahr früher 21 zugetragen, als PoIlid22 Statthalter in Asien war. Ich war gerade eben in das Rathaus gegangen nach meiner langen Ruhezeit, wie ich erzählt habe 223 , weil der Gott mich in Hinsicht auf die Reden angetrieben hatte. AUe lebten in der Hoffnung, daß ich nun auch die unterrichtliche Schulung der jungen Leute aufnehmen werde. Die erbärmlichen Sophisten aber standen Todesängste aus, nicht alle, sondern die, welche die Sorge hatten, (dadurch) in
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tenen Reden des Aristides vergleicht, so ist festzustellen, daß zwar die Mehrzahl seiner Reden kürzer ist, daß es aber auch längere gibt, wie z. B. den Panathenaikos (XIII D.) rur den etwa viereinhalb Stunden anzusetzen sind. (Etwa in der Mitte dieser Rede 238f. D., 185 Lenz-Behr - entschuldigt sich Aristides rur die Länge der Rede, was zu verschiedenen Spekulationen der Scholiasten Anlaß gegeben hat: Behr 87 n. 91). - Da Aristides hier mit dem ausdrücklichen Hinweis auf'5 Metra' offensichtlich die besondere Länge der Verteidigungsrede hervorhebenwill, wird man wohl nicht fehlgehen, wenn man sie auf gut zwei Stunden veranschlagt. mXPPIla(a: Das Wort ist ein Rückgriff auf alte Zeiten. Als Privileg der Athener wird es schon bei Eurip. Hipp·. 422 gerühmt; es wird oft von attischen Rednern und Philosophen mit Stolz erwähnt und mit dem Wort 'Freiheit' verknüpft und schließlich bei Polyb. 2, 38, 6 zusammen mit iallyop(a (Gleichberechtigung im Reden) als Kennzeichen einer wahren Demokratie angesehen. als der höchsten Instanz: rur Severus ein 'Wink mit dem Zaunpfahl'! der Kaiser ist Antoninus Pius: s. Hüttl. a. O. 11 52. als 'Friedenswächter' s. § 72ff. u. Anm. 174. von Hadrianoi. vgl. § 81. im Juli 152 n. Chr. in Smyrna und Philadelphia. Viel1eicht T. Vitrasius Pollio, Prokonsul 15112 nC (?); so: R. Syme JRS 43 (1953) S. 159, dem sich Behr (77 n. 56) anschließt. - Sonst wird dieser Pollio meist identifiziert mit: T. Pomponius Proculus Vitrasius Pollio, der ebenfalls Statthalter in Asien war, so: Hütt! a. O. 11 50, Magie a. O. 1584 u. Lambertz RE 21 Sp. 2344 (n. 67). s. oben § 14. - Diese Worte können sich aber auch auf den folgenden Satzteil beziehen. Dann wäre eher § 19 zu vergleichen; s. dazu Festugiere a. O. S. 146f.
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Not zu geraten. Ich wurde zum Steuereinnehmer224 gewählt. Die Sache kam vor den Legaten. Er bestätigte die Wahl beim Gericht in Philadelphia225 in meiner Abwesenheit. Danach wurde die Entscheidung des Legaten im Rat vorgelesen. Von unserer Seite wurde Berufung in Rom eingelegt226 , und an Pollio selber und an den Legaten wurden Briefe abgeschickt, deren Inhalt man sich leicht denken kann. Der Gott aber gab folgendes Zeichen. Es war mir, als sehe ich meinen Hausverwalter Alkimos227 , den ich zu diesem Zwecke abgesandt hatte, zurückkommen und die Kranzrede des Demosthenes228 rur mich zurückbringen. Doch war sie nicht so, wie (sie uns) jetzt (vorliegt), sondern anderen Inhalts und anders angelegt. Auch gab es wieder Versprechungen, daß der berühmte Glabri0 229 helfen werde, alles in Ordnung zu bringen23o • Er war damals, glaube ich, gerade im Lande. Ich empfing auch von Sarapis und Isis Orakelsprüche 231 • Sie sagten, die Sache werde in Ordnung gebracht werden und: "mit deinen Feinden wirst du
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txÄoye6~ = 'Einsammler, Einnehmer von Abgaben irgendwelcher Art': Boerner RE 5 (1905) Sp. 2213. In Athen waren z. Zt. des delisch-attischen Bundes die txÄoyet~ eine außerordentliche Kommission, die rückständige Tribute einzutreiben hatte. - Behr vermutet wohl mit Recht (77 n. 54), daß Aristides dieses Wort aus archaisierenden Gründen gewählt hat, anstelle von i:xAoyto'tii~. Freilich ist auch dieses Wort nicht sehr häufig belegt, z. B. in Assos u. Sardes, s. Magie a. O. 1514. Die Aufgaben dieser Finanzbehörde sind nicht recht klar; sie umfaßten wohl Prüfung, vielleicht auch Einziehung von Steuern (= Abgaben an die Städte oder die röm. Verwaltung?). Möglicherweise war damit auch eine Haftung für etwaige Fehlbeträge aus eigenem Vermögen verbunden. Wichtige Stadt Lydiens, etwa 60 km südöstl. von Sardes gelegen, erhielt ihren Namen nach dem pergarnen. König Attalos 11 Philadelphos. Die Stadt blühte bes. in der späteren Kaiserzeit und stieg im byzantin. Reich zu großer Bedeutung auf. Bekannt ist sie durch eine frühchristI. Gemeinde, die als Empfängerin des 6. Sendschreibens in der Apokalypse erwähnt wird (1. 11 u. 3,7-13). Die geringen Ruinenreste liegen bei dem heutigen Ala~ehir. - "In der röm. Provinzialverwaltung war Philadelphia dem Gerichtsbezirk von Sardes zugeteilt (Plin. n. h. V 111), doch scheint das Provinzialgericht wenigstens zeitweise auch in P. selber Gerichtstage abgehalten zu haben" (s. diese Aristidesstelle): Keil, RE 19 (1933) Sp. 2092. s. oben Anm. 183. Der Mann der Kallityche, der Pflegeschwester des Aristides; er wird V 22.24 nochmals erwähnt. gehalten im Jahre 330 v. Chr. gegen Aischines; sie galt stets als unübertroffenes Meisterwerk. M'Acilius Glabrio Cn. Cornelius Severus, consul ordinarius dieses Jahres (152 n. Chr.), weilte damals in Smyrna. Er stammte vielleicht aus der Provinz Asia und war früher dort als Legat tätig gewesen, wobei Aristides ihn kennengelernt haben mochte.Er wird der "berühmte" oder "hervorragende" (-toU 7tuvu) genannt, nicht (wie Behr Übers. S. 440 n. 166 meint) wegen seines derzeitigen Konsulates, s. dazu u. a. Festugiere a. O. S. 147. Näheres über ihn Behr 78. ouyxa,aoTIiooV'to~ = Konjektur von Behr (und schon von Ritter im Nachlaß); ouyxa,ao'tiioaV'to~ = Überlieferung. Der Ernst der Lage und die Stadt Smyrna als Kultstätte dieser Gottheiten bewirkten . eine zeitweilige Rückkehr zu den ägyptischen Göttern; s. Behr 78f.
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Freundschaft schließen"232. Von dieser Art waren - kurz zusammengefaßt - die Orakelsprüche und Traumerscheinungen. Meine Abgesandten kamen nach Philadelphia. Es war zwar, wie sie sagten, ein sitzungsfreier Tag233 , an dem sie den Briefübergaben, aber Pollio las ihn, und da sich eine günstige Gelegenheit bot234 , über mich von den bei der Begrüßung235 Anwesenden (etwas zu erfahren)236, erkannte er die Einfalt des Legaten, befahl ihm, sofort zu kommen, eine Sitzung zu halten und seine Entscheidung zu berichtigen. Das tat der Legat, hielt um dieses einen Falles willen eine Sitzung ab und schickte ein neues Schreiben an den Rat. Als dieses eintraf, war der Vorsitzende237 , der mein eifrigster Widersacher gewesen war und vorher die entgegengesetzte Entscheidung verlesen hatte, verwirrt und völlig ratlos und wandte sich (deshalb) mit einer Anfrage wegen dieser Sache an die Beamten238 • Diese gaben aber keine Antwort. Nun kam er zu mir und bat mich um Verzeihung. Ich ging in den Rat, wurde der Dienstleistung enthoben und erhielt (wieder) meine Freistellung. Damals wurde mir erstmals jener Vorsitzende ein sehr lieber Freund und (blieb es auch) danach, ein sehr lieber Freund aber auch der Legat selber. Wohlan, wie auf einer Leiter immer höher steigend, wollen wir eines anderen Ereignisses gedenken, das noch weiter zurückliegt239 • Der Sophist, den ich kurz zuvor erwähnt habe 240, war Statthalter. Anläßlich der ersten Volksversammlung am 232 exßpotC; eic; qHt..lav i1~etC;: Anfang eines Hexameters (Keil). 233
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Anfang des Jahres241 kamen Leute aus dem Volk, die mich einluden, da ich erst nach langer Zeit (wieder) dorthin gekommen war, und mir zugleich ankündigten, daß sie für mich öffentlich ein Opfer darbringen wollten, was sie auch schon früher oftmals getan hatten. Als ich die Versammlung betreten hatte und das Volk den gewohnten Beifall spendete, gingen die Leute, die sich daraufvorbereitet hatten, ans Werk, indem sie klatschten und mir das allgemeine Priesteramt Asiens242 übertragen wollten. Das Volk zogen sie mühelos auf ihre Seite. Zugleich umringten mich die Beamten, wobei sie mich von allen Seiten laut priesen und in ihrem Ersuchen mit dem Volk wetteiferten. Es waren mir aber in meinen Träumen klare und deutliche Zeichen gegeben worden, zu denen ich volles Zutrauen hatte. Ich bat ums Wort und sprach so überzeugend, daß das Volk zwar auf diese Forderung verzichtete, mir aber freudestrahlend einstimmig das Priesteramt des Asklepios antrug. Der Tempel am äußeren Hafen war damals
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einer klaren Entscheidung zu kommen, denkt auch an den in IV 94 erwähnten Pollio. Behr bleibt (auch in seiner Übers. n. 172) bei der schon von Festugiere mit Recht als gewaltsam und ganz willkürlich verworfenen Konjektur: fj01;O~ statt oo
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noch im Bau243 . Ich weiß, daß ich mit meiner Antwort Ehre einlegte. Ich erklärte nämlich, ohne den Gott könne ich nichts tun, weder Großes noch Kleines, ja nicht einmal das Priesteramt glaube ich ausüben zu dürfen, ehe ich nicht den Gott selbst befragt habe. Sie staunten und fügten sich. Nach diesem Erfolg war ich auf Grund meiner Reden vor dem Volk berühmt und beneidet und glaubte, mich nicht weiter sorgen zu müssen. Der Gott aber ließ nicht ZU24 \ daß es damit ein Ende hatte, sondern er hat (sozusagen) "den Dolch im Gewande"245. Danach geschah es, daß die Abgeordneten von Smyrna246 nach Oberphrygien247 reisten in der Absicht, meinen Namen auf dem Provinziallandtag248 vorzu243 s. I 17 Anm. 30. - Offenbar war dem Aristides die Priesterwürde in diesem neuen
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Tempel zugedacht. - Auch Pausanias erwähnt diesen Tempel, als zu seiner Zeit erbaut, an 2 Stellen: II 26, 9 u. VII 5, 4. Dort wird die Örtlichkeit genauer so bestimmt: 'zwischen der Bergspitze (xopuqnl) und dem Meer'. Diese Bergspitze heißt heute Dei'rmen-tepe = Windmühlenhügel; s. Bürchner, Smyrna, RE III A (1927) Sp. 756. da = Konjektur von Carter; Ole1 = Überlieferung. - Keil hält die Stelle für verderbt, Wilamowitz für lückenhaft. ene1p(ÖlOV (exe1) (mo Il&AT)~ = 'Dolch unter der Achsel'; vg!. Plat. Gorg. 469d Aaßwv uno Il&AT)~ ene1plÖlOV, wozu der Scholiast bemerkt: "für: etwas heimlich tun". Der Ausdruck ist so weit verbreitet, daß er fast als sprichwörtlich gelten kann. auveöp01: Zu dieser besonderen Bezeichnung s. Deininger S. 48 u. 51. - Aus dieser Stelle ergibt sich, daß Smyrna mehrere Abgeordnete entsandte. Je nach Größe und Bedeutung der entsendenden Städte wird die Anzahl der Abgeordneten verschieden groß gewesen sein, doch ist darüber Näheres nicht bekannt. s. IV 12 Anm. 22. - Der Provinziallandtag (s. Anm. 248) fand in Laodikeia am Lykos statt, dem einzigen von den 9 bekannten Tagungsorten, der in Phrygien gelegen ist, obwohl die Stadt keinen (uns bekannten) Provinzialtempel besaß, s. Magie a. O. S. 448 u. 1295 n. 55 f. und Behr 63 f. n. 14. - Die Stadt Laodikeia (s. Ruge, RE 12, 1925, Sp. 72224, n. 5) liegt etwa 175 km öst!. von Ephesus im Grenzgebiet von Karien und Phrygien, wo über dem Lykos die Ruinenstätte gefunden worden ist. - Auch 1. ist durch eine frühe Christengemeinde bekannt: Apoc. 1, 11 u. 3, 14-22 u. epist. ad Coloss. 4, 13. Der Ort heißt heute Ladik. ev '(4) auveöpl41 '(4) X01V4>. Auch hier vermeidet Aristides den offiziellen Namen, dessen Kurzform lautet: X01VOV A.ala~ (latein. commune Asiae, sonst oft: conventus). Die verschiedenen Benennungen sind bei Magie a. O. II 1294f. n. 54 zusammengestellt.Durch Augustus wurde der schon in der republikanischen Zeit bestehende Zusammenschluß der Städte zu einer festen, dauernden, jährlich wiederkehrenden Einrichtung eines 'Provinziallandtages' (s. Brandis, Asia, RE II, 1896, Sp. 1556-62). Seine Tätigkeiten sind bei Deininger a. O. S. 52ff. dargestellt: 1) Eigentumsverwaltung u. Münzprägung 2) Provinzialer Kaiserkult 3) Vertretung (der politischen Interessen) der Provinz (bes. S. 58). Im allgemeinen wurden die Provinziallandtage an den Orten abgehalten, an denen es auch Provinzialtempel gab. Doch scheint dies nicht zwingend vorgeschrieben gewesen zu sein (s. Anm. 247). Zu den jährlichen Festfeiern gehörten auch die Festspiele, bei denen auch christliche Martyrien bezeugt sind, wie z. B. das Martyrium des Bischofs Polykarp in Smyrna (s. cap. 11). Vorsitzende der Versammlungen und Veranstalter der Spiele waren immer die Oberpriester oder, wie sie auch gelegentlich heißen, die 'Asiarchen'. (Die oft erörterte Frage der Beziehung der Oberpriester zu den Asiarchen ist von Deininger a. O. S. 41-50 ausführlich behandelt und m. E. überzeugend im Sinne der Identität der beiden Ämter beantwortet worden. Auch
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schJagen, daß ich aber vorher davon Wind bekam und meinen Erzieher Zosimos 249 hinsandte. Und ich wurde bei der Abstimmung dritter odervierte~50. Darauf (gab es) Berufung, Vorladung durch den Statthalte~1 und Ruf des Heilands nach Pergamon. Ich hielt mich aber schon zu dieser Zeit 252 auf dem gewöhnlich von mir bewohnten Landgue 53 auf, da Er (mich dorthin) geschickt hatte. Am zweiten Tag meiner Abreise (nach Pergamon) begegnete mir der Überbringer des Briefes des Statthalters. Nachdem ich das Schreiben gelesen hatte, sagte ich: "Ich bin schon vorher von dem Gott eingeladen, und du treibst einen Laufenden an"254. Was soll ich mich noch (länger) dabei aufhalten? Ich wurde alle Schwierigkeiten los, (während ich michi 55 im Tempelumgang256 im
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die Asiarchie war ein Priesteramt, wie aus Inschriften hervorgeht, Deininger 47). - Da dieses Amt die Verpflichtung zum Abhalten von Spielen mit sich brachte u. auch mit Ausgaben für Gesandtschaften verbunden war, war es wegen der hohen Kosten von vorneherein der Oberschicht des Landes vorbehalten. "Gern wurden auch im Zusammenhang mit den besonderen Aufgaben des Koinon Rhetoren und Philosophen in die hohen Ämter gewählt" (Deininger S. 51). s. 127. Diese Stelle darf nicht mißverstanden werden, so als wäre Aristides bei der Wahl etwa 'durchgefallen' oder als hätte der Landtag nur eine Kandidatenliste aufgestellt, aus der der Statthalter dann die Person seines Vertrauens ausgewählt hätte. Der Landtag hatte das Recht der Wahl, und Aristides war gewählt. Er wußte dies auch und legte deshalb sofort Berufung beim Statthalter ein (Diese Sachlage haben Brandis, RE II 475/6 und Deininger S. 40f. völlig klar dargelegt.). Deininger fährt dann a. O. 40 fort: "Der Bericht zeigt, daß damals in einem Wahlgang wenigstens vier ... apX\Epd<; gewählt wurden, welche dann an den verschiedenen Provinzialtempeln amtierten und ohne Zweifel die Sitzungen der Provinziallandtagejeweils dann leiteten, wenn diese in der Stadt, in der sie selbst ihres Amtes walteten, stattfanden". offenbar nach Pergamon. August 148 n. ehr. dem Laneion, s. § 105. i1eovTlx E1tEyeipn<;: sprichwörtlich (von Homer Il. 8, 293f. abgeleitet) s. Paroem. Gr. II 686, wo u. a. auch die lateinischen Nachahmungen aufgezählt sind. Eine offenbar hier vorliegende Lücke habe ich möglichst knapp ergänzt. - Behr ergänzt sehr umständlich (und unwahrscheinlich): 'I did not take my turn as high priest of Asia, but I have never stopped being a worshipper (s. seine Begründung Übers. S. 441 n. 191). - Herzog (Urkund. z. Hochschulpol. a. O. S. 1008) ergänzt: (w<;äauAo<;) =- 'alsUnverletzlicher' und verbindet das mit der den Hochschullehrern innerhalb der 'EJlevll der (Hochschulen in den) Tempeln verliehenen Asylie, die auch der Kultgenossenschaft der Asklepios-'Verehrer' zugestanden haben wird. Nur - es ist bei Aristides nirgends die Rede davon, daß er versucht hätte, seine Freistellung von Ämtern mit der AsYlie zu begründen oder überhaupt damit in Verbindung zu bringen. - Die Bedenken von Brandis (a. O. Sp. 476) sind m. E. unbegründet. - Der Gesamtsinn scheint folgender zu sein: in § 10617 begegnet Aristides dem Statthalter Julianus im Hofdes Heiligtums und trägt ihm mit gutem Erfolg sein Anliegen vor. Da gemäß § 105 beide Geschichten sich ähnlich zugetragen haben sollen, kann man annehmen, daß Aristides später dem anderen Statthalter ebenfalls im Tempelumgang begegnete und sein Anliegen mit dem gleichen guten Erfolg vorgetragen hat. Unter dem Tempelumgang (nEp(ooo<;) sind die Säulenhallen zu verstehen, die den
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Asklepiosheiligtum befand. So erwies sich der Statthalter uns gegenüber, ich denke aber, jener (irdische) nicht mehr als der (himmlische), welcher in Wahrheit und ein für allemal Statthalter ist. Ähnlich diesem (Ereignis) ist auch das, was sich als erstes von all diesen Dingen zutrug. Es gibt ein Landgut Laneion, nicht weit vom Tempel des Zeus, das ich auch in den früheren Berichten erwähnt hatte 257 • Dieses Landg.ut, das mir die Meinigen während meines Aufenthaltes in Ägypten258 gekauft hatten, suchten einige Myser sich anzueignen, indem sie zuerst (mündlich) viele verschiedene Gründe vorbrachten, dann aber auch schon zu Tätlichkeiten schritten. Denn als sie an ihrer Sache verzweifelten - um nicht ihre Verleumdung gegen mich selbst auszusprechen259 -,sammelten sie so viele Knechte und gedungene Kerle, wie sie nur konnten, und zogen mit allen Waffen heran. Dann schossen die einen von ihnen aus der Ferne ihre Speere ab und schleuderten Steine und Erdklumpen, andere wurden handgreiflich, und wieder andere drangen in das Haus ein und gingen mit allem, was darin war, um, als ob es ihr Eigentum wäre. Alles war voll von Kampfgetümmel und Verwundeten. Als der Bericht über diese Vorkommnisse in Pergamon eintraf, war mein körperlicher Zustand derart, daß ich kaum noch Atem hatte. Es war Gerichtstag, doch wußte ich nicht, was ich machen solle. Der Gott aber fand (für mich) den Zugang zum Statthalter und sorgte für den günstigen Zeitpunkt. Der krönende Abschluß meiner Träume war: der Kaiser Hadrian im Hofe des Heiligtums. Er behandelte mich, der ich gerade erst mit ihm vertraut geworden war, mit großer Achtung und erweckte (in mir) große Hoffnungen. Sogleich nach diesem Traumgesicht aber geschah folgendes. Ich begab mich in das Heiligtum, so gut ich eben konnte. Während ich mich noch dort aufhielt,kam der Statthalter Julianus260 heran und mit ihm Rufinus 261 • Ich erkannte die günstige Gelegenheit, erzähle die
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Festplatz in einer Länge von 358,8 m (Nord- und Südhalleje 128,9 m, Westhalle 101 m) und in einer Breite von ca. 8 m umziehen; s. Altert. v. Perg. 8,3 S. 9 und 11,2 Tafel 84. Ähnlich großzügig, wenn auch in den Maßen etwas kleiner, ist im Asklepieion von Kos der weite Platz auf der ersten und dritten Terrasse an drei Seiten von korinthischen Säulenhallen umgeben, so daß nun "zwei sich antwortende, hufeisenförmige Hallenplätze auf verschiedenen Ebenen das heilige Zentrum" umklammerten (G. Gruben, Die Tempel der Griechen, München 1966, S. (383-) 386, mit Abbild. S. 381). "Die U-förmige Hallenfront schloß einen 6 m breiten, 180 m langen SChattigen Wandelgang ein" (Gruben S. 383). - Es ist leicht verständlich, daß Tempelbesucher gerne in diesen Hallen spazierengingen. s. III 42; IV 2 u. Anm. 3. vom Mai 141 - Apr. 142 n. ehr., s. I 24 u. Anm. 51. Behr versteht den eingeschobenen Satz - wohl richtig - dahingehend, daß Aristides nicht beabsichtige, den von seinen Gegnern behaupteten Rechtsanspruch auf das Landgut hier selbst zu wiederholen. Daraus ergibt sich, daß die 'Hausbesetzer' offenbar ebenfalls Rechtsansprüche hatten oder wenigsten zu haben glaubten! - Festugieres Deutung (a. O. S. 149) scheint mir sehr gekünstelt und ist zu weitläufig, als daß sie hier dargelegt werden könnte. Vielleicht Q. Fabius Julianus Optatianus, Prokonsul i. J. 145/6; s.Behr 56f. n. 55. Er wurde schon mehrfach erwähnt; s. z. B. I 45 Anm. 89.
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Geschichte dem Rufinus und trete an Julianus heran, der sich umdrehte, irgendwie genau an derselben Stelle, die ich im Traum gesehen hatte. Ich sagte ihm alles, wozu sich mir die Gelegenheit bot, und Rufinus ließ es nicht an Eifer fehlen. Der (Statthalter) aber wurde so vom Gott ergriffen, daß er mich unmittelbar umarmte wie ein alter Herzensfreund. Er nahm mich bei der Hand, hieß mich mutig sein und mich an den Gott halten. Um diese Dinge werde er sich selbst kümmern. Zum Schluß sagte er: "Mich werden sie schwerlich verachten". Er begab sich ins Gerichtsgebäude und rief den Fall auf. Schon nach kurzer Verhandlung zeigte er seinen Unwillen über das Vorgefallene, ließ einen von denen, die am Überfall teilgenommen hatten, ins Gefangnis werfen und sprach mir den Hofzu. Auf Grund des Gerichtsbeschlusses zogen wir in das Landgut ein. Die Bewaffneten aber und die Schleuderer und jener ganze Spuk wichen zurück vor dem Gott.
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Zur Sommerzeif stand es übel mit meinem Magen. Dazu kam Durst bei Tag und Nacht, unbeschreiblich viel Schweiß und körperliche Schwäche. Wenn ich aufstehen mußte, zogen mich jeweils zwei oder drei nur mit Mühe vom Bett herunter. Da zeigte mir der Gott, als ich zu dieser Zeit in Smyrna war, Abreise an, und ich mußte sofort aufbrechen. Wir2 verließen die Stadt und machten uns auf 2 den Weg nach Pergamon. Während die Wagen beschafft wurden, kam der Mittag heran, die Sonne strahlte,und es entstand eine Gluthitze. Wir beschlossen also, in der Vorstadt zu warten und so den eigentlichen Höhepunkt vorübergehen zu lassen. Unser Reiseziel war Myrina 3, und die Lasttiere gingen uns dorthin voraus. Doch bei der stickigen Schwüle und zugleich wegen der Lieblichkeit der Gegend und zudem einiger Abhaltungen verloren wir einen großen Teil des Tages, so daß wir erst gerade bei Sonnenuntergang in der Herberge vor dem Hermos4 ankamen. Ich kam in Verlegenheit, was ich tun sollte. Doch da ich den Widerwillen gegen die Räume, die ich betrat, nicht ertragen konnte und meine Dienerschaft nicht da war, da ich sie ja vorausgeschickt hatte, hielt ich es ftir notwendig, den Weg weiter zu verfolgen. Beim Übergang über den Fluß s war schon sternklare N acht,und eine leichte, kühle Brise wehte mich an. Mein Körper erholte sich, mein Wille gewann eine gewisse Spannkraft, und ich wurde froh gestimmt, da ich die (frische) Luft in Ruhe genoß 6 und zugleich den großen Unterschied empfand zwischen dem vergangenen Tag und dem gegenwärtigen 4 Zustand. Erst am späten Abend kam ich nach Larissa7 • Es war mir will1
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Wahrscheinlich i. J. 165 n. ehr., als Aristides die Pockenepidemie zwar überstanden hatte, aber noch an ihren Folgen litt. - Behr (97 n. 11) nennt fünf Gründe für diese Datierung. Weit verbreiteter antiker Sitte entsprechend,erzählt Aristides "teils, wenn er allein ist, in der '!ch'-, teils, wenn er Begleitung hat, in der 'Wir'-Form". Vgl. dazu Norden, Agn. Theos, S. 35, wo bes. auf das hier beginnende 5. Buch verwiesen wird, das viele Beispiele aufweist. Stadt an der äolischen Westküste Kleinasiens. Sie lag am Nordufer des Flusses Pythikos (= Kodja Tschai), kurz vor dessen Mündung. Die Reste der alten Stadt sind bei Kalabassary gefunden worden. - S. W. Ruge, RE Suppl. 6, 1935, Sp. 615-21. Ein Fluß (heute: Gediz), der in Phrygien entspringt, in großen Windungen zuerst nach SW, dann nach NW strömt und schließlich im Norden des Golfes von Smyrna ins Meer mündet. Heute ist er künstl. wieder nach W. abgeleitet, s. Bürchner, RE 8 (1912) Sp.903-4. Hermos. - Heute überquert man den Hermos (Gediz) vor Larisa (Burundschuk) auf einer etwa 50 m langen Stahlbetonbrücke. O\llAouv(n) Büchner. Stadt in der ÄOlis, nahe dem Hermos, 30 km nördl. von Smyrna.
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kommen, daß wir die Wagen noch nicht eingeholt hatten und daß die Verhältnisse in der Herberge um nichts besser waren als die vorigen, sondern daß wir uns gezwungen sahen, den Weg fortzusetzen und bis zum Ende durchzuhalten. Es war schon Mitternacht oder auch noch später, als wir in Kyme 8 ankamen. Alles 5 war verschlossen,und damit war ich sehr zufrieden. Ich ermahnte meine Leute, die mich von meinem Landgut9 an begleiteten, auch die restliche Strecke noch auszuhalten, da ihnen (in Myrina) nichts (mehr) verschlossen sein werde lO • Es sei ja (nur noch) ein ganz kurzes Stück und es sei doch weitaus besser, nicht den Eindruck zu erwecken, man sei seinem Vorsatz untreu geworden. Damit tratich zum Tor hinaus. Es war kalt und ziemlich feucht, so daß man nach Wärme verlangte. Als ich etwa zur Zeit des Hahnenschreis Myrina erreicht hatte, da sehe ich meine Leute vor einer der Herbergen, bepackt wie sie waren, weil auch sie, 6 wie sie sagten, nichts offen gefunden hatten. Auf dem Hofvor dem Eingang zur Herberge stand eine kleine Liege. Diese trugen wir bald dahin,bald dorthin und brachten damit unsere Zeit zu. Denn wo man sie auch hinstellte, überall war sie unbequem. Wir klopften an die Tür, entweder von Gästen oder von irgendwelchen sonstigen Leuten, erreichten aber nichts damit. Denn niemand antwortete. Spät fanden wir endlich Einlaß in das Haus eines meiner Bekannten. Doch . durch das Mißgeschick der Türhüter war das Feuer ausgegangen,und ein anderes war nicht da, weder ein großes noch ein kleines. Wir traten ein, im Finstern und 7 an der Hand geführt, ohne zu sehen oder gesehen zu werden. Während nun Feuer geholt wurde und ich danach im Begriffe war, davon Gebrauch zu machen ll und zu trinken, stand schon der Morgenstern über dem Horizont,und der Tag graute. Da dachte ich, ich dürfe nicht weichlich sein und nicht am Tage schlafen, sondern müsse Zug um Zug handeln 12 und bis zum Heiligtum des ApolIon nach Gryneion 13 weitergehen, wo ich gewohnt war, dem Gott auf dem 8
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Stadt an der Westküste (Bucht von Kyme oder Elaia), schräg gegenüber von Lesbos, mit einem großen, sicheren Hafen (Herod. 8, 130). xwpiou: Keil versteht darunter den 'Ort' (Larisa), es ist aber doch wohl sicher das III 39 erwähnte 'Landgut vor der Stadt' (Smyrna) gemeint. Überliefert ist: daof!evov. Keil hält die Stelle für korrupt oder lückenhaft; Canter hat sie als unecht nicht übersetzt. Behr konjiziert: xexAeIOOf!eVOV; dem schließe ich mich (wenn auch mit Bedenken) an, denn auch in Myrina ist alles 'verschlossen'. Aber vielleicht hatte sich Aristides anderes erhofft, da Myrinaja sein eigentliches Reiseziel war. xpijaeai1ctl; varia lectio: XPlaeai1cu (= mich zu salben): von Canter und Behr übernommen. epyov epycp aUVcX1t1:ew: eine Abwandlung des Sprichwortes: Aivov Alvcp auvcX1t1:ew = 'Faden an Faden knüpfen': s. Com. Att. frg. I Strattis 38. (Kock - Edmonds). - Aristides zitiert dieses Sprichwort in III 98 (Vol. I ed. Lenz-Behr, Leiden, 1976, p. 324). In einem gepflegten Hain (Pausan. 1, 21, 7) lag ein prächtiger Marmortempel (Strab. 13,622) mit einem alten Orakel des ApolIon (Philostr.Apoll. v. Tyana 4, 14 u. Verg. Aen. 4, 345). - Dort war u. a. ein zwischen Magnesia u. Smyrna i. J. 244 geschlossener Vertrag aufgestellt (CIG 3137). - Der Ort lag etwa 7,5 km von Myrina u. 13,5 km von Elaia entfernt; s. Kroll-Bürchner, Gryneion, RE 7,1912, Sp.1900-1 u. Jessen,Gryneios, RE 7 Sp. 1901-2. Vgl. auch H. Hommel (Philol. 102,1958, S. 84-92), 'Das Versorakel des gryneischen ApolIon' (für die Bewohner von Kaunos).
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Hinweg und auf dem Rückweg ein Opfer darzubringen. In Gryneion angekommen, opferte ich dem Apollon und verbrachte dort einige Zeit in gewohnter Weise. Dann ging ich nach Elaia l4 und hielt dort Rast. Als ich am folgenden Tage in Pergamon ankam, war, wie man sich vorstellen kann, meine Absicht, dort zu verweilen. Ein Traumbild aber, das mich besuchte, entweder sogleich an diesem Abend oder einen Tag später oder am übernächsten, hieß mich weitereilen und nicht zuwiderhandeln, "denn diese Leute verfolgen dich ja". In demselben Augenblick sprangen von einem Windstoß die Fenster auf, die von innen und von außen gut und richtig verschlossen waren, was bisher noch nie vorgekommen war, und die Tür knarrte. Aus dem Schlaf geweckt, zögerte ich nicht länger, sondern befahl meinen Dienern, sofort hinter mir herzukommen, stieg auf den Wagen und jagte davon, so weit ich nur konnte. Der Nordwind, der alles vor sich hertrieb, stürmte auf mich ein. Zu dieser Zeit machte mir mein Rachen viel zu schaffen, der unter einer ununterbrochen Reihe von Blasen Htt l5 und von allem, was mit ihm in Berührung kam, aufgerissen wurde. Damals aber, als mit . dem Wind Tausende von Sandkörnern gegen mein Gesicht getrieben wurden und Staubwolken von aUen Seiten dicht auf mich eindrangen, da war es so, daß ich eher zum Vertrauen'als zur Mutlosigkeit gestimmt war, teils sozusagen mit dem Mute der Verzweiflung - denn es gab kein Entrinnen -, teils weil ich ganz unerwartet Widerstandskraft entwickelte. Die Ärzte dagegen hatten mich früher immer gurgeln lassen und ganz sorgfältiges Zudecken und ähnliches verordnet. Am zweiten oder dritten Tage kam ich, mein väterliches Haus beiseite liegen lassend, im Heiligtum des Olympischen Zeus an. Ich opferte, bevor ich das Haus betratI 6, wie mir auch gleich anfangs in Smyrna aufgetragen worden war, ich soUe mich geradewegs zum Bezirk des Zeus aufmachen 17. Von da an war offensichtlich mein Befinden schon besser. Nach Ablauf von etwas weniger als einem Jahr und einem Monat l8 feierten die Bewohner von Kyzikosl 9 den Festmonat des Tempels20 • Ich aber hatte quälende Träume und kaum II 54 Anm. 10l. Wohl Symptome der abklingenden Pocken erkrankung, s. Behr 166f. XIX1:IXAÜaIXl [1:T]V üöOvl: seclusit Büchner. Der Auftrag in V 1 lautete nur, er solle Smyrna verlassen. Nach der Rückkehr von Smyrna, im Sommer 166 n. Chr. Stadt an der Südküste des Marmarameeres, mit weit ausgedehntem Gebiet, mächtig durch ihren Handel. Aristides 27, 6 u. 11 schildert ihre Lage so: "man kann sie Insel nennen oder Halbinsel oder welche Bezeichnung es gibt zwischen Halbinsel und Festland"; sie war durch zwei Dämme mit dem Festland verbunden, s. Ruge RE 12, 1924, Sp. 228-33, u. F. W. Hasluck, Cyzicus, Cambridge 1910. "Unter Hadrian wurde Kyzikos von einem schweren Erdbeben getroffen, danach vom Kaiser sehr unterstützt, der dort den großen Zeustempel baute ... " (Ruge a. O. Sp. 231). Dieser Tempel wurde unter die Wunder des Abendlandes gerechnet: Anthol. Gr. 9,656, 15f. Aristides schildert ihn 27, 16ff. und bezeugt § 22, daß die Kyzikener den Namen Hadrians daraufschrieben ('Dem Gotte Hadrian' oder eine vielleicht etwas erweiterte Titulatur: s. Magie a. O. p. 1472). Genauere Angaben über den Tempel (Maße usw.) bei Behr, Übers. S. 381 n. 29. Bei dem Erdbeben i. J. 161 n. Chr. wurde der
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Verdauung, wobei ich einen großen Teil des folgenden Tages zwar ruhte, aber nicht schlief. Zu der Stunde nun, in welcher der Traum sich einstellte, war es schon lange Tag und ich fand nur soviel Schlaf, um das zu träumen was ich träumte. Ich träumte aber folgendes. Es kam mir vor, als trete der Arzt Porphyrion21 vor die Kyzikener und rede zu ihnen ähnlich wie Athene zu den Phäaken2\ indem er mich rühmte und um ihre Teilnahme an meinen Reden warb. Sie ließen sich überreden, und schon war ein Hörerkreis da. Ich stand selbst in diesem Kreis, 13 und (noch) einiges andere, was dazugehörte, war da. Nun erhob ich mich, hieß meine Diener zu sofortigem Aufbruch einpacken und reiste ab, nicht eben lange vor Mittag. Da ich noch auf meine Diener wartete, fuhr ich ziemlich langsam, und damit ging einige Zeit verloren. So kam ich erst am späten Nachmittag bei den Warmen Quellen23 an. Alles war voll von einer lärmenden Menschenmenge, so daß ich keine Unterkunft finden konnte, sondern weiterfahren mußte. Nun 14 begleiteten mich schon nur noch wenige. Nach 40 Stadien24 kam ich in ein Dorf. Da mich von den dortigen Verhältnissen nichts (zum Bleiben) verlockte, beschloß ich, die Nacht zu nützen. Ich persönlich hatte mir vorgenommen, bis nach Kyzikos weiterzureisen, aber meine Begleiter - es waren nur noch etwa zwei übrig - waren völlig erschöpft, so daß ich mich gezwungen sah, am See 25 haltzumachen, 120 Stadien26 von der Stadt entfernt, nachdem ich gegen 32027 zurückge15 legt hatte. Ich betrat mein Zimmer und fand mich im Besitze einer kleinen Liege und einer sauberen Matratze zu meiner großen Befriedigung, denn ich selber hatte ja nichts bei mir. So wie ich gerade (von der Reise) war, durstig und staub bedeckt, in der Kleidung, in der ich auf dem Wagen gesessen hatte, verbrachte ich die Nacht, meist aufder Liege sitzend. Als die Sterne gegen Tagesbeginn sanken, erhob ich mich und vollendete meine Reise, ohne aufjemand zu 16 warten. Trost und Aufmunterung auf dem Wege war mir, daß ich meine Aufmerksamkeit auf die Rede richtete, die ich den Kyzikenern nach der Weisung des Traumes vortragen mußte28 • Daher wurde sie auch gerade auf der Reise
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Tempel schwer beschädigt: Aristides 31,13. Nach Vollendung der Wiederherstellungsarbeiten wurde jetzt das Tempelfest gefeiert, das wohl mit der Feier einer Olympiade in Kyzikos zusammenfiel. Er wird nachher § 24 noch einmal erwähnt, sonst ist er unbekannt. Horn. Od. 8, 11-14. Es handelt sich um die warmen Schwefelquellen, die etwa 23 km nordw. von Hydrianutherai bei einem Nebenfluß des Tarsios entspringen, s. Wiegand, Reisen in Mysien, S. 279f. (s. IV Anm. 3). Der Ort heißt heute Ilica köy. - Über die ganze Route, ihre Stationen und die angegebenen Entfernungen vgl. auch Behr 6 n. 8c. ca. 7,6 km. Der See Aphnitis (heute: Manyas), etwa 11 km nordw. von Ilica köy; s. den Plan bei Wiegand a. O. S. 279. ca. 23 km. ca. 61,4 km. Das ist die schon mehrfach herangezogene Rede Nr. 27 des Aristides, die den Titel trägt: 'Festrede in Kyzikos auf den Tempel'.
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verfaßt, indem ich die aufgefundenen (Hauptpunkte) ständig wiederholte 29 • Von der Begeisterung nun, die meine Rede auslöste, nicht nur als sie im Rae o vorgetragen wurde, sondern auch später vor der Festversammlung, werden wohl die Leute wissen, die dabei waren, und diejenigen, die es von diesen gehört haben, mir aber ist es nicht sehr angenehm, bei derartigen Dingen zu verweilen. Nachdem Er mich aber angewiesen hatte umzukehren, indem er das Wasser auf dem Laneion31 lobte, kehrten wir heim, indem wir gleichsam eine Art Gegenstrophe32 lieferten: einmal war sie besonders ähnlich durch die Stunde der Abreise, weil wir auch damals am sei ben Tage auf Grund der empfangenen Weisung weggingen, und dann auch durch die ununterbrochene Durchführung der Reise. Denn ohne irgendwo eine Rast einzulegen, kam ich mit leerem Magen kurz vor Mitternacht in eine Bauernhütte meiner Besitzungen mit einer Gesamtleistung von 400 Stadien3 \ und am folgenden Tage (ging es) von da zum Laneion. So ging es mit meiner früheren Reise nach Kyzikos und dem Aufenthalt dort. Bei Eintritt des Winters34 führte Er mich wieder auf die Straße nach Smyrna. Der erste Tag war sehr mild. Doch in der folgenden Nacht, als ich in die Ebene 35 hinabstieg, stellten sich allerlei hemmende Träume ein, und es schien mir auch, als befasse ich mich mit den Wolken des Aristophanes36 • Und zugleich mit Tagesanbruch waren Wolken da, und nicht viel später regnete es, so daß die einen mich beglückwünschten, weil ich nicht vorher weitergereist war, die anderen aber über das genaue Eintreffen der Weissagung staunten. Während ich mich einige Tage dort aufhielt, wurde mir gemeldet, die Tochter meiner
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um sie dem Gedächtnis einzuprägen. Von den Arbeitsstadien des Redners werden hier zwei hervorgehoben: 1) inventio 2) memoria; s. dazu H. Hommel, Griech. Rhetorik u. Beredsamkeit, Neues Handbuch d. Literaturwissenschaft, II Griechische Literatur, Wiesbaden 1981, S. 368. Ein Rathaus (bouleuterium) in Kyzikos wird eigens erwähnt von Plin. n. h. 36, 100. Es kam wahrscheinlich vom Atyshügel, s. III 41 u. Anm. 77. In IV 31 (Anm. 83) hatte Aristides die Begriffe aus der Poetik 'Strophe - Gegenstrophe - Abgesang' für seinen Paian aufApollon gebraucht. Jetzt verwendet er den Begriff der 'Gegenstrophe' (hier 'zweite Strophe' genannt) zur Charakterisierung seiner Rückkehr von Kyzikos zum Laneion. Wie die Gegenstrophe der Strophe in Länge und Metrum gleicht, so die Rückkehr dem Hinweg in Zeit und Tempo. Das Bild ist an den vorausgehenden Infinitiv aV<X01:pecpetV (umkehren) angeknüpft. Sprachlich vergleichbar wenn auch sachlich anders - wäre im Deutschen etwa: 'Umkehren' und 'Kehrreim'. In ähnlicher Weise spielt Aristides mit diesem Vergleich in 36, 36, wo er das Fallen des Nils dem vorangehenden Steigen mit denselben Worten gegenüberstellt: 'indem er gleichsam eine zweite Strophe liefert'. Schließlich wendet Aristides diesen Vergleich in 45,27 auch auf den Sarapiskult an, bei dem der Gott als Einladender und "Symposiarch inmitten derer waltet, die sich in seinem Namen versammeln", und die Menschen ihm "in der Antwortstrophe mit einer Gegeneinladung antworten". etwa 76,8 km. Dez. 166 nC. S. I. 58 u. Anm. 108. Das bekannte Stück des Komödiendichters, in welchem er den Sokrates verspottet.
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Pflegeschwester37 sei krank und befinde sich in einem gefährlichen Zustand. Ich schickte ihr einen Arzt. Ich selbst aber setzte meinen Weg fort, sobald es mir möglich wurde. Als ich nun weiterging, da änderte sich das Wetter allmählich, als wolle es zu Sturm und Regen kommen, und wir mußten befürchten, davon überrascht zu werden, zumal da die Wege schwer passierbar waren. Trotzdem hielt (das Wetter) noch so lange, bis es nur noch zwei Stadien38 zum Heiligtum des Apollon39 waren. Dann aber sank dichter Nebel herab, und es setzte ein NieseIregen ein. Als wir dann (in das Heiligtum) eintraten, da war auch schon der kräftige Regen da, so daß wir ein Fest feierten. Da mich auch hier Träume festhielten, blieb ich da. Zu den Träumen, die mich festhielten, war auch der folgende hinzu20 gekommen. Es kam mir vor, als hätte ich ein Opfertier dargebracht und beschau.te dann den Gott ... meine ich, der auch 'Löser' heißeo. Als dann einer von den Sehern herantrat, (glaubte ich) ihn zu fragen, was 'der Löser' bedeute, ob dieser etwas41 ein für allemal löse oder ob er es statt größer kleiner mache und ob das (bloß) ein Zeichen eines Aufschubs42 sei. Jener schien nicht gerade beson37
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Philumene, die Tochter der KaIlityche, s. I 45 u. Anm. 88. etwa 384 m. s. I 24 Anm. 50. bnaxo7teiol1<Xl1:ov 1:e öill1eov, otllal, XaA,OUIlEVOV xal AU1:fjpa. - Hinter l1eöv hat Keil (wie allzu häufig) eine Lücke angenommen und sie e. g. mit 15 Wörtern sehr umständlich ausgefüIlt - offensichtlich, weil er den 'Gott' für Asklepios hielt. - Festugiere (a. O. S. 150) behandelt die Stelle sehr ausführlich, nimmt ebenfalls eine Lücke an und füI1t sie 'verbi gratia' mit 10 Wörtern aus (S. 151 n. 1). - Richtig hat Festugiere gesehen, daß dieser Traum aufs engste mit dem folgenden (§ 23) zusammenhängt und daß schon deshalb das Wort e7t1ax07teial1al sprachlich und sachlich mit iepOOX07tla, ~OaX07tla, ,;7ta1:00X07tla und anderen zu tun hat. - Es scheinen hier Vorstellungen der Astrologie und der Haruspizin zusammengeflossen zu sein, wie Behr m. E. mit Recht vermutet. Zu verweisen ist hier aufdie astrologische Lehre von den '12 Orten' am Himmel (Topoi, Loci oder auch 'Häuser' genannt); vgl. dazu BoIl-Bezold-Gundel (s. oben IV Anm. 149) S. 62f., wonach im 9. Ort Deus-Sol erscheint; so ausdrücklich bei Rhetor. Aegypt. in: Catal. Cod. Astrol. Gr. 8(4), BfÜssel 1922, S. 163: "Der neunte Ort heißt l1eö~ ; es ist aber der Ort des Helios" (vgl. ebd. S. 252); s. auch A. Bouche-Leclercq, L'Astrologie grecque, Paris 1899, S. 284 u. S. 281 Fig. 31 Les douze lieux du cercle de lageniture IX cmöxA,llla l1eö~ usw. - Ferner hat die Haruspizin astrologische Elemente in sich aufgenommen: s. C. Thulin, Die Götter des Martianus Capella und die Bronzeleber von Piacenza = RVV III 1, Gießen 1906, S. 60ff. u. 62. Das System der 12 loci; s. ders. Haruspices, RE 7,1912, Sp. 2431-68, bes. 2441ff. Die Himmelsregionen u. Blitzgötter. Vgl. auch Haruspices, bei Daremberg-Saglio, Dict. des Antiqu., S. 23 Abbild. u. Erläuterung des 'Tempels' der Leber mit den 16 Regionen, auf die sich die Einflüsse der verschiedenen Gottheiten verteilen; s. Bouche-LecIercq S. 284 n. 4: "On retrouve le Deus dans le temple hepatique des haruspices". - Zu dem Gott als 'Löser' s. Jambl. de myster. 8, 7, wo es heißt: "Wir haben auch nicht den Göttern das Schicksal zugeschrieben, die wir als 'Lös er der Heimarmene' (A,u1:fjpa~ 1:fj~ eillapllevT]~) in Tempeln und Statuen verehren, sondern die Götter lösen die Hdmarmene". s. dazu auch Schröder, Fatum, RAC 7, 1967, Sp. 568-70 über einzelne Götter als 'Lös er' des Schicksalszwanges. d. h. ein Übel. von Tod oder Krankheit.
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ders fest überzeugt zu sein43 bezüglich des ein für allemal, sondern er machte auch das Klima, Sterne und solche Dinge dafür verantwortlich44 • Inzwischen wurde gemeldet, das Mädchen sei tot. Sogleich nun als wir das hörten, schien es uns göttliche Fügung zu sein, daß ich bei dem Unglück nicht zugegen gewesen, sondern vorher weitergereist war4S • Aus den späteren Orakeln aber wurde noch deutlicher, daß sich das Ganze nicht ohne Eingreifen einer göttlichen Macht zugetragen hat. Denn zwei Nächte nachdem ich vom Bergland herabgestiegen war, bot sich folgendes Gesicht - ich blieb aber sogar mehrere Tage, da der Gott mich ständig zurückhielt - : Telesphoros46 war ein Maultiertreiber. Dieser, träumte ich, sei von dore7 aufgebrochen und komme wieder zurück, wobei er die Orakel kundtue, die für Philumene - denn so hieß das Mädchen - erteilt worden waren. Sie seien aber dem Alkimos, dem Vater des Mädchens, erteilt worden. (Er sagte) er habe auch ein Schriftstück bei sich, entweder versiegelt oder auch nicht, dessen Inhalt Alkimos nachts von ihr48 gehört und aus dem Gedächtnis aufgezeichnet habe. Es bezog sich auf mich und war von erstaunlicher Fülle und Bedeutsamkeit, so daß ich mich wunderte, wie er es hatte im Gedächtnis behalten können. Der Hauptinhalt war, daß gerade im Leib der Philumene und in ihren inneren Organen, wie in den Eingeweiden der Opfertiere, ihr ganzes Leiden geschrieben stehe. Es war aber, als hätte sie mehrere Hohlräume49 (in ihrem Leib), und irgendwie sah ich diese zugleich. Die oberen waren gesund und in guter Verfassung, an dem untersten Ende aber steckte das, was von der Krankheit befallen war. Sie wurden mir (alle) gezeigt von dem, der (die Untersuchung) leitete50, wer auch immer das war. Ich fragte ihn also: "Woher kommen nun die Hemmungen und die Funktionsschwäche?"sl 43 ';YOUj.1 ev
Keil setzt dahinter eine Lücke an und ergänzt: (Äuew"Cl odnov 'tov freov).
Vgl. IV 58.
aUa npoe~eÄfrei'v: für die in der Übersetzung gewählte Bedeutung dieses Verbs verweist Behr mit Recht auf§ 18,so es heißt: w~ ou npoe~iiÄfrov = "weil ich nicht weitergereist war", während Festugiere (a. O. S. 150) versteht npoe~eÄfrdv sc. 'tou ßiou = 'mais qu'elle füt morte avant mon arrivee - ou: prematurement". Es ist aber nirgends ein Anzeichen zu entdecken, daß Aristides sich um die Krankheit der Philumene besondere Sorgen gemacht hätte oder sie gar hätte aufsuchen wollen. Vielmehr nimmt er, wie Festugiere a. O. S. 151 selbst feststellt, das Lebensopfer der Philumene (§ 24) 'avec complaisance' entgegen und 'rapp elle froidement (25) que Hermeias, le frere de Philoumene, a donne lui aussi sa vie pour lui". 46 s.II 10 Anm. 22. - Hier bringt er als 'Maultiertreiber' die 'Erfüllung', d. h. die Briefe, die das 'Ende' der Philumene anzeigen. 47 wo Philumene gestorben war. 48 nap' au'tii~: Behr konjiziert: nept aU'tii~ = 'ab out her'. 49 xmÄial: Konjektur von Wilamowitz; überliefert ist: xowai. - Koili!ti kann auch "die gesamten Eingeweide" bedeuten, und so versteht Behr die Stelle. so uno 'tou Ecpeo'tG)'to~: Festugiere (a. o. S. 151): "par celui qui presldait al'examen" (Vielleicht der 'Seher' von § 20). - Behr übersetzt: "by one who stood by". SI Dies bezieht sich wohl auf die Verdauungsstörungen, von denen Aristides so oft berichtet.
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Und er zeigte mir Jene Stelle. Die Weissagungen aber waren etwa von folgender Art: Mein Name war eingetragen in der Form: 'Ailios Aristeides' und in gewissen Abständen mehrere andere Sinnbilder meines Namens 52 . Beigeschrieben war noch: Sosimenes53 und andere derartige (Namen), die Rettung verkündeten und (anzeigten), daß Philumene Seele ftir Seele und Leib ftir Leib hingegeben habe, illre ftir meine. Auch die anderen (Weissagungen), die sich auf dasselbe bezogen, waren darin enthalten, alle in einigen Büchern aufgezeichnet. Dies alles, was Alkimos niedergeschrieben hatte, schien mir Telesphoros nach Hause zurückzubringen. Es standen darin auch Ermahnungen des Arztes Porphyrion 5\ gleichsam an ihre Mutter gerichtet, vor allem auch: zu baden, wenn 25 aber nicht, dann wenigstens Nahrung zu sich zu nehmen. Der Bruder dieses Mädchens war jener Hermias, der während der großen Krankheit 5S, als auch die Göttin mir erschien 56, starb 57 , auch er, wie man wohl sagen darf, an meiner Stelle. Dennjener starb, wie ich später erfuhr, an demselben Tage, an dem ich von dem Fieber befreit wurde, obwohl dieses ganz und gar chronisch geworden war. Beide 26 waren sie Kinder meiner Pflege schwester Kallityche. Soviel hierüber. Fünf Tage lang 58 blieb ich am Fuße des Gebirges und lebte, wie Er 59 es vorschrieb. Am sechsten machte mich auf seine Veranlassung hin auf den Weg nach Pergamon. Es waren die Epibdai60 , (ein Tag,) den die Römer als ersten im lahreslauffeiern. Der Winter war aber so streng, daß man ihn nicht einmal, wenn man im Hause 27 blieb, leicht ertragen konnte. Da ereignete sich nun das größte göttliche (Wunder) der Reise - denn das Wort Homers war klar, daß irgendeiner der Götter den Weg wies 61 und wer denn der Gott (war)62. Denn von hinten wütete ein eisig kalter Nordwind, der dichte schwarze Wolken (vor sich her) trieb, zur Rechten
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52 Vielleicht: 'Theodoros, Verehrer des Asklepios'; s. I 23 u. Anm. 48. 53 redender Name = "der heil Bleibende". s. oben V 12 u. Anm. 21. die Pockenepidemie, s. 11 38 u. Anm. 73. Athene, s. 11 41. vgl. 11 44 u. Anm. 85. Vielleicht vom 29. Dez. 166 n. ehr. bis 2. Jan. 167 n. ehr. 59 Keil ergänzt nach wc; (6 ßeöc;), was Festugiere (a. O. S. 152) als "vielleicht nicht unbedingt notwendig" ansieht. - Behr (104) hält den Gott, der die Lebensweise regelt, für ApolIon (in der Mysischen Ebene), Festugiere dagegen für Asklepios, was mir wahrscheinlicher ist. 60 Ein altes und seltenes Wort. Es bedeutet 'den Tag nach dem Fest'. Nach den folgenden Worten: 'das erste Fest der Römer im Jahreslauf' ist es der Neujahrstag (so auch Boulanger a. O. S. 144 u. Liddell-Scott-Jones s. v.). - Behr hatte (283 n. 79) konjiziert: (al) bteuxa( und verstand darunter die nuncupatio votorum durch die Provinzialversammlung (s. oben IV 101 u. Anm. 242) am 3. Jan. 167 n. ehr., dem Tage der Ankunft des Aristides, der damals dort auch seine Rede 'Über die Eintracht an die Städte' hielt (Nr. 23 Keil). In seiner Übers. (S. 443) rückt Behr von seiner Konjektur ab, hält aber an der nuncupatio votorum fest. 61 Horn. Od. 9, 142. 62 "ai äonc; ye 6 ße6c;: Behr übersetzt: 'whoever the god was'.
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hüllte sich die ganze Landschaft in Schnee, zur Linken regnete es. Das blieb so den ganzen Tag über und auf dem ganzen Weg. Nur gleichsam ein einziger Gürtel, der sich gerade über meinen Weg spannte und Schutz und Licht zugleich bot6l, führte (mich) durch das ganze Wetter hindurch zum Heiligtum. Die anderen ganz weit hinter mir lassend, zog ich mit einem einzigen Begleiter ins Heiligtum ein, nachdem ich nicht weniger als dreihundert Stadien64 (wie im Flug) durcheilt hatte. Es war um die Stunde nach (dem Anzünden) der heiligen Lampen65 • Während ich auf die Zurückgebliebenen wartete und eine Unterkunft besorgt wurde, verbrachte ich meine Zeit, gerade so wie ich von der Reise kam, mit einem Rundgang um die Tempel und einer Wanderung kreuz und quer durch den heiligen Bezirk. Erst spät am Abend traf ich meine Diener wieder, badete an Ort und Stelle im Scheine eines Leuchters, genoß ganz wenig Speise und ging dann zur Ruhe. Auch alles andere vollzog sich offensichtlich unter göttlichem Beistand: der Eifer der Menschen, das Zusammenströmen zu meinen Vorträgen und die Befürchtung, wir würden zu rasch wieder abreisen. Genau dieses selbe wiederholte sich später66, als wir in Smyrna ankamen. Vielmehr schon ehe ich die Stadt betrat, gab es Leute, die mir gemäß der Weissagung67 entgegenkamen, und von den jungen Leuten boten die angesehensten sich selbst (als meine Schüler) an. Es war schon eine Art Lehrgang für den Unterricht entworfen,und die Aufforderung (des Orakels) wurde in allem erfüllt. Es hatte sich damals ein junger Laffe aus Ägypten68 lärmend in die Stadt eingedrängt, hatte einige von den Ratsherren bestochen und etlichen von der Menge der gewöhnlichen Leute die Meinung beigebracht, er wolle sich mit den Fragen der städtischen Politik befassen und von seinem Geld seine wunderbar großen ehrgeizigen Pläne verwirklichen69 • Als er nun irgendwie 70 plötzlich in das Theater hineinstürmte und die Stadt solche Schmach über sich ergehen ließ - ich wußte davon nicht das Geringste, sondern hörte nur spät einmal davon, da ich ja zu Hause (nur) mit meinen Freunden Umgang pflegte -, als er aber eben im Begriffwar, in das Odeon
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Behr (Übers. S. 443 n. 46) verweist auf ein ähnliches Wunder, das Gregor von Tours in seiner Historia Francorum 10,29 erzählt, bei dem auf einer Reise des Abtes Aredius mit seiner Mutter eine Wolke sich in zwei Hälften teilte, im Umkreis der bei den ein gewaltiger Regen niederging, über ihnen aber kein Tropfen niederfiel. - Ferner werden ein gleiches und ein ähnliches Wunder durch Gregor berichtet: s. Stellenangaben im Kommentar bei Krusch-Levison, Mon. Germ. Hist., Script. Rer. Meroving. I 12, Hannover 1951, S. 524. ca. 57,6 km. s. I 11 u. Anm. 19. i. J. 167 n. Chr. im Traum: s. 122 u. Anm. 41. Behr (l05 n. 34) vermutet in ihm den Sophisten Ptolemaios aus Naukratis. Er war "einer der sehr wenigen Sophisten ägyptischer Herkunft" (Christ-Schmid, Griech. Lit. II 6 S. 697). - Philostr. VS 115, p. 244-46 (Loeb) berichtet von ihm, daß er sehr berühmt war und 'sehr viele Städte besuchte'. durch öffentliche Stiftungen, Bauten oder dergleichen.
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am Hafen71 zu gehen, und dort einen Vortrag veranstaltete, sei es gemäß einem Volksbeschluß, sei es wie auch immer - da wurde mir ein Traum zuteil. . Es kam mir vor, als sähe ich die Sonne über dem Marktplatz aufgehen und hätte dabei die Worte auf der Zunge: "Aristides wird heute im Rathaus um die vierte Stunde (10 Uhr) eine Rede halten". Als ich diese Worte aussprach und sie hörte, erwachte ich, so daß ich mich besinnen mußte, ob ich träume oder wache. Ich rief die Maßgebenden unter meinen Freunden und erzählte ihnen meinen Auftrag. Nun wurde die Ankündigung durch Aushang bekanntgegeben, denn die vom Traum festgesetzte Stunde rückte heran, und wir waren unmittelbar darauf zur Stelle. Obwohl nun mein Auftreten so kurzerhand zustandekam und die große Menge nichts davon wußte, füllte sich trotzdem der Rathaussaal dermaßen an, daß man nur Köpfe von Menschen sehen konnte und nicht einmal die Hand hätte irgendwo dazwischenstecken können. Und wahrhaftig, die Äußerungen des Beifalls und des Wohlwollens, oder vielmehr, wenn ich die Wahrheit sagen soll, der Begeisterung wurden von allen Seiten so stürmisch, daß man keinen sitzenbleiben sah, weder bei der Einleitung, noch als ich mich zum eigentlichen Vortrag erhob, sondern vom ersten Wort an standen sie, ängstigten sich, freuten sich, schraken zusammen, nickten meinen Worten zu und ließen Zurufe ertönen, die zuvor noch nie gehört worden waren 72 • Jeder betrachtete es als seinen eigenen Gewinn, wenn er mir sein höchstes Lob spende. Als wir das Rathaus verlassen hatten und beim Baden waren, da berichtete mir jemand, daß auch der Herr Soundso drei Tage zuvor durch einen öffentlichen Anschlag für diesen Tag in das Odeon (eingeladen und) ganze 17 Personen um sich versammelt habe. Immerhin bedeutete dieser Tag für ihn den ersten Schritt zur Bescheidenheit. Das Weitere erzähle ich nicht. Ich hätte auch diese Vorkommnisse nich~ erwähnt, wenn ich nicht hätte dartun wollen, wie deutlich das Traumgesicht seine Erfüllung fand und daß der Gott auch für diese Dinge Sorge trug. Zugleich stimmte dies mit der ursprünglichen Erzählung überein, wie Er mich aufbrechen und nach Smyrna zurückgehen ließ73 • Nicht viel spätee4 führte Er mich nach Ephesos, indem er (mir) Kränze im voraus versprach wie für einen Wettkämpfer und (mich) so vorbereitete, daß ich erwachte mit dem Ruf: "Ephesos!" Indes, von meinen dortigen Erfolgen zu erzählen, das ziemt sich weniger für mich. Doch gibt es viele, die es denen erzählen können, die es gern hören möchten. Was aber von
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In der genauen Beschreibung Smyrnas durch Bürchner wird nur das Theater erwähnt (RE lIlA Sp. 753f., s. auch den Plan Sp. 749f.), das "nordöstl. vom Stadion, am Nordabhang des Pagos" lag, aber nicht das hier genannte 'Odeon am Hafen'. - An seiner Existenz ist aber nicht zu zweifeln, denn wohl jede der hel1enistischen Städte, bes. in Kleinasien, besaß ein 'Odeion', das, meist als kleines überdachtes Theater ausgebildet, rur musikalische Aufführungen und Rezitationen diente. Dazu schreibt Boulanger (a. O. S. 450): "Sans suspecter sa sincerite, on peut croire qu'il fut parfois victime d'une illusion analogue iI cel1e que revelent les memoires de BeriiGz: ses oreilles avaient la propriete d'amplifter les applaudissements". s. V. 29. . ., .
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Im Mai 167 n. ehr.; s. Behr 105.
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meinen Reden den Gott angeht, das muß ich versuchen zu berichten ohne Auslassungen nach besten Kräften. Denn es wäre ungereimt, wenn ich selbst und ein anderer die Arznei beschreiben wollte, die er für den Körper, sogar für zu Hause, verordnet hat, jene (Maßnahmen) dagegen, die zugleich meinen Körper aufrichteten, meine Seele stärkten und meine rednerische Kraft und Berühmt37 heit mehrten, so einfach mit Stillschweigen überginge. Daß aber von menschlichen Leistungen keine mich jemals aufgebläht hat und ich mich nicht dadurch zur Überheblichkeit verleiten ließ, ob ich nun wenige oder viele überrundet hatte, und daß ich nicht glaube, in derartigem meine Ehre suchen, sondern eher mich schämen zu müssen, wenn ich sie darin suchen wollte, davon 38 habe ich mich selbst und viele andere vollauf überzeugt. Wunderbar ist des Gottes stetiges Walten, wie z. B. auch die Sache mit jener großen Festrede, die später in Smyrna gehalten wurde 75 . Er befahl mir nämlich, ins Rathaus zu gehen, aber erst dann zu gehen, wenn ich zuvor gegessen hätte. Und ich tat so. Es war da aber eine Art Wächter1 6 des Rathauses, ein Mann mit einem wunderbar dicken Fell77 • Als dieser meine Leute herankommen sah, verlangte er, sie sollten ihm vorher gestatten, seine gewohnten Übungen mit seinen Schülern abzuhalten, 39 und er zog es genau bis zum Mittag hin. Dann also trat ich ein und hielt drinnen die lange Rede 'Wider die Sophisten'78. Diesen Tag betrachtete ich als den angenehmsten von allen wegen meiner Reden. Denn ich selbst wurde wie von einem Gefühl der Entspannung ergriffen, kostete sie mit Wonne aus,und das Publikum gab sich wetteifernd Mühe, kein Wort von dem Gesagten sich entgehen zu 75 Es ist dies die Rede Nr. 34 (Keil). - Über die Umstände und den Erfolg dieser Rede s. § 39 und die subscriptio, die zu der Angabe, daß die Rede bei den Spielen anläßlich der Provinzialversammlung in Smyrna (i. J. 170 n. Chr.) gehalten wurde, noch hinzufügt: "Sie wurde mehr als alle anderen bewundert". - S. auch IV Anm. 242 u. 248 - Erwähnenswert ist noch die Tatsache, daß Aristides auch die Rede aufEleusis (Nr. 22 K.) nach der subscriptio im Rathaus von Smyrna gehalten hat, und zwar unter der Statthalterschaft des Makrinus im Alter von 53 Jahren und 6 Monaten, d. h. im Mai 171 n. Chr. 76 Das ist ironisch gesagt von einem Redner, der das Rathaus für sich beschlagnahmt hatte. - Behr (106) vermutet in ihm den Sophisten Herakleides aus Lykien. Über ihn s. Münscher, Herakleides n. 44, RE 8, 1912, Sp. 470-72. Der Artikel beruht im wesentlichen auf Philostr. VS II 2 (p. 278-84 Loeb). Zwar beschreibt Philostr. (p. 278-80) ausführlich die Übersiedlung des Herakleides nach Smyrna, das "mehr als andere Städte den Musen der Sophisten opfert", den Zulauf von Schülern aus dem festländischen Griechenland, dem Orient und Ägypten, und bestätigt, daß er "einen großen Teil des Tages dem Unterricht seiner Schüler widmete", nur - dies alles ereignete sich erst Anfang des 2. Jhs. unter Caracalla. - Schließlich ist es aber auch nicht so wichtig, welchen Namen man aus der großen Liste des Philostratos auswählen will, da das Bild, das er vom Leben und Treiben der damaligen Sophisten entwirft, in den Grundzügen auf alle zutrifft. 77 Eine klassische Reminiszens, wie Festugiere (a. O. S. 152) bemerkt, unter Hinweis auf Aristoph. Nub. 1395f. u. Pax 746f. 78 s. Anm. 75. - Das zeigt abermals, wie Aristides sich als in die Mysterien der Rhetorik Eingeweihter hoch über seine Zunftgenossen erhaben fühlt.
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lassen79 • Was auch immer man sich vorstellen oder sagen mag, man wird mit seinen Worten (immer) hinter dem zurückbleiben, was damals geschah. Als ich geendet hatte-; erhob ich mich, um wegzugehen, in der Meinung, schon dies sei mehr, als ein Wettkampf erfordere. Die Hörer ließen es sich aber gar nicht gefallen, sondern verlangten alle wie aus einem Munde, ich solle bleiben, mir Themen stellen lassen80 und unbedingt in einen zweiten Redewettkampf eintreten. Eine Zeitlang suchte ich mich zu wehren, schon wegen der vorgerückten Stunde. Als aber ihr Verlangen ungestümer wurde, erinnerte ich mich des Traumes und daß doch auch der Gott mir dies vorausgesagt hatte, ich solle nicht mit leerem Magen hingehen, damit ich (den Anforderungen) gewachsen sei. Ich nahm also den Redekampfan,und in seinem Verlauf konnte ich nicht an mich halten, sondern bekannte die Vorhersage des Gottes und daß ich vorbereitet gekommen sei. Sie aber staunten über alles. Nachdem ich den Redekampf ständig mit meiner ganzen Kraft geführt hatte, ging ich weg, kurz vor Sonnenuntergang. Am folgenden Tag führte ich wieder einen Redekampf vor denselben Leuten, da der Gott mich zu jener Zeit so leitete. Wohlan, auch über meine kürzlich erfolgte Reise nach Kyzikos will ich berichten, die mit der Wende des fünften Jahres im gleichen Monat und so ziemlich auch an den gleichen Tagen stattfand8 t, als die Olympischen Spiele herannahten 82 • Sie gestaltete sich nicht viel anders als die frühere. Fasten am ersten der bei den Tage, schlechtes Wasser8\ zugleich wurde wegen der Menge von Schnaken klar, daß man auf Schlaf werde verzichten müssen. Am folgenden Tage reiste ich in der ersten Morgendämmerung, nachdem ich ein wenig Schleimsuppe84 zu mir genommen hatte. Auf dem Heimweg machte ich, vom Regen durch näßt, bei den Warmen Quellen85 Rast, was mir ebenfalls im voraus angekündigt worden war. Das Gebot des Fastens aber erfüllte ich erst nach der Heimkehr, da es mir für den zweiten s. IV 22: "Da wurde ich vom Geftihl der Kraft und Leichtigkeit erftillt und reihte die Worte so rasch aneinander, daß die Hörer Mühe hatten mitzukommen". 80 s. IV 18 u. Anm. 36. 81 Im Spätsommer 170 n. Chr. 82 s. oben Anm. 20. . 83 f.l0xßllP(IX ÜÖIX'tO~: Festugiere (a. O. S. 152) übersetzt: "mauvaise qualite de l'urine". Gegen diese Deutung ist zu sagen: 1) Nirgendwo sonst in den ausgedehnten Krankheitsschilderungen erwähnt Aristides überhaupt den Urin (zudem ist hier von einer Krankheit nicht die Rede). 2) 'Wasser' ohne nähere Erläuterung mit 'Urin' gleichzusetzen, ist ftirs Griechische sehr bedenklich. Die Belege bei Festugiere (u. Liddell-Scott s. v.) sind m. E. andersartig und unzureichend. - Die Erwähnung des 'schlechten Wassers' erklärt sich wohl aus den Erfahrungen auf der ersten Reise, auf der Asklepios dem 'durstigen' (§ 15) Aristides 'das Wasser auf dem Laneion lobte" (§ 17). 84 p6
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Tag gegeben war. Die Umstände meines Aufenthaltes in der Stadt waren etwa so, wie es mir vorausgesagt worden war. Die Offenbarungen in Traumgesichten waren nämlich folgende. Ich hatte selbst den Gott gebeten, mir ein Zeichen zu geben, weil auch Gerichtssitzungen stattfanden86 und meine Freunde mich baten 44 zu kommen. Es war mir, als wartete ich auf einen günstigen Augenblick, um vor den Kaiser zu treten, und läge zufällig auf dem Boden, während er ein Opfer darbrachte. Als nun ein zappelnder Hahn meinen Händen nahekam, packte ich ihn, ersah daraus ein (günstiges) Vorzeichen und begann, ihn in beiden Händen haltend, meine Ansprache 87 . All das floß mir aus der Schilderung Homers zu, wie Odysseus, nachdem er den Becher gefüllt hatte, den AchilI anredet und (zu ihm) spricht88 . Meine Worte aber lauteten etwa so: "Zu Nutz und Frommen89 des Kaisers, zu Nutz und Frommen der beiden Kaiser90 und ebenso von uns allen!" 45 Er aber erstaunte, und meine Worte prüfend sagte er, er halte sie für so wertvoll wie alle Schätze (der Welt), und fügte hinzu: "Wenn doch diese Worte etwa fünfzig Hörer fänden!"91 Ich nahm seine Worte auf und sagte: "Wenn du das willst, Kaiser, dann werden sich auch Hörer einstellen." "U nd", sagte ich, "damit du dich wunderst: das, was du jetzt sagtst, ist mir von Asklepios vorausgesagt worden". Ich war bereit, es ihm schriftlich zu zeigen92 • Danach wandte er sich ab (und ging weg), ich weiß nicht wohin. Ich aber dachte bei mir, daß dies gerade jener günstige Augenblick für meine Festrede sei. Danach träumte ich, daß ich 46 nach Kyzikos reise. Derart war das, was mich dazu antrieb. Als ich in der Stadt ankam, gaben sich die Beamten93 viel Mühe (mir mir) und ebenso auch die anderen Leute. Trotzdem trat ich nicht öffentlich auf, obwohl man es Tag für Tag erwartete und wunder was anstellte, sondern ich hielt zu Hause Vorträge für die Tüchtigsten und Gebildetsten, und dabei ging die Prophezeiung des Traumes nahezu in Erfüllung. Denn die Versammlung belief sich auf etwa fünfzig Teil47 nehmer94 . Als mein Aufenthalt länger währte und ich den Reiz der Landschaft und alle Annehmlichkeiten des Augenblicks genoß, da stellten sich andere Träume ein, die mich aufbrechen hießen, und es wurde mir ausdrücklich erklärt, 43
86 Über Gerichtssitzungen in Kyzikos s. Magie a. O. S. 1062. - Nach § 46 scheint es, daß der Statthalter mit seinem Stab damals in Kyzikos anwesend war.
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ltpoapTiaew~ = Konjektur von Keil. Überliefert ist: ltpopp"aew~, woftir sich Festugiere
(a. O. S. 152) einsetzt.
88 Horn. II. 9, 223ff. 89 elt' ayaitQ: s. z. B. Aristoph. Ran. 1487f. 90 Dazu bemerkt Behr (Übers. S. 444 n. 69): "Actually Marcus Aurelius was then sole emperor. This is a dream. Verus had just died and perhaps Commodus is meant as Marcus' heir and an obvious candidate for Caesar". 91 d ltpoafjaav: Festugiere (a. O. S. 152) verweist aufKühner-Gerth II 1,206,6 (Ausdruck eines uJaerftillbaren Wunsches). 92 Asklepios hatte ihm gleich von Anfang an die Weisung gegeben, die Träume aufzuschreiben: s. II 2. 93 S. IV 99 u. Anm. 238. 94 s. § 45 Anfang.
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daß der obere Teil des Hellesponts9S für einen (längeren) Aufenthalt nicht geeignet sei. So kehrten wir denn zurück. Denn es rückte ja auch das vom ganzen Volk besuchte Opferfest des Olympischen Zeus 96 näher, und von allen Seiten 48 wurde mir bedeutet, daß ich dabeisein und opfern müsse. Nun traf es sich, daß ich zu dieser Zeit in meinem körperlichen Befinden mich so leicht und beschwingt fühlte wie nie seit Beginn meiner Krankheit. Denn die ganze Zeit, während wir in Kyzikos weilten, und später nach unserer Rückkehr97 , sechs zusammenhängende Monate im ganzen, war ich auf der Höhe meiner LeistungsHihigkeit, stand früh am Morgen auf, machte weite Gänge, und zwar oftmals am Tage, und kam meinem ursprünglichen Kräftezustand ganz nahe. Namentlich ließ ich von meinem gewohnten Redetraining nichts aus, so daß alle mich beglückwünschten, privat und in der Öffentlichkeit. Soweit mir aber auch in dieser Zeit98 einige Krankheitstage beschieden waren, heilte mich der Gott auf 49 ganz wunderbare und (doch) zugleich gewohnte Weise. Es wehte herbstlicher Nordwind,und ich war außerstande, mich zu bewegen, so daß ich auch vorjedem Aufstehen zurückschreckte. Er aber verordnete es. Doch vielleicht ist es besser, den Traum selbst zu erzählen. Er klingt mir nämlich noch in den Ohren, und ich brauche ihn nicht zu übergehen. Es waren zwei Ärtzte angekommen und unterhielten sich auf dem Vorplatz neben anderen Dingen, wie mir schien, auch über ein kaltes Bad. Der eine fragte, der andere antwortete. "Was sagt Hippokrates (dazu)?" lautete die Frage. "Nun, was anderes, als man solle zehn Stadien99 zum Meer hin laufen und sich hineinwerfen"lOo. Ich träumte, diese Dinge seien mir als
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"In flavisch-trajanischer Zeit versteht man unter provincia Hellespontus ... die nördlichen Teile von Mysien ... und die Troas mit der Hauptstadt Kyzikos .... Über H. als provincia consularis hatte der dem Kaiser unmittelbar unterstehende Proconsul von Asia die Oberaufsicht" Bürchner, Hellespontos 3, RE 8, 1912, Sp. 193. ßU)C; ·OAUJ.l7t(OU lJuo(o: mXVÖflJ.loC;: Eine Inschrift, veröffentlich von Munro (JHS 17, 1897, S. 289), gefunden bei Tayköy, gilt einem 'Zeus Pandemos'. Die dort gefundenen Tempelreste brachte Munro mit dem Tempel des Zeus Abrettenos in Verbindung, der für den dortigen ländlichen Stamm der Olympeni bezeugt ist (Strab. 12 8, 8. 11. 12; 574.576). Die Olympeni waren ein Stamm, der am Südhang des mysischen Berges Olympos wohnte (Ruge, Olympeni, RE 17 Sp. 2519f. u. Magie a. O. S. 1022 n. 68). Hadrianoi, die Geburtsstadt des Aristides, lag beim Olymp (Magie a. O. S. 1477 n. 22) und wurde bei der Neuordnung Mysiens durch Hadrian i. J. 123 n. Chr. Verwaltungszentrum der Olympeni (Magie a. O. S. 1477 u. 1501 n. 24). Es ist also durchaus möglich, daß der von Aristides oft erwähnte Tempel des Zeus Olympios, bei dem jetzt eine pandemos thysia stattfand, identisch ist mit dem Tempel des Zeus Pandemos (Abrettenos) der Olympeni. - Zum Ganzen s. Behr 4f. n. 6. Zum Laneion. Im Herbst 170 n. Chr. ca. 2 km. Diese Antwort findet sich nicht in den Schriften des Hippokrates, verständlicherweise, da es sich um einen Traum des Aristides handelt. - Doch werden wenigstens die Wirkungen der kalten Bäder bei Hipp. de vict. 2, 57, 2 erwähnt.
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Traumgesichte erschienen lO1 • Darauf, meinte ich, seien die Ärzte tatsächlich selbst gekommen, ich aber hätte mich über das genaue Eintreffen des Traumbildes gewundert und zu ihnen gesagt: "Gerade eben glaubte ich, euch im Traum zu sehen, und gerade eben seid ihr da. Wer nun von euch der Fragende war und wer der Antwortende, das kann ich freilich nicht sagen. Die Antwort lautete aber so, daß Hippokrates verordne, wer ein kaltes Bad nehmen wolle, müsse (zuvor) einen Laufvon zehn Stadien machen". Zugleich faßte ich das 'zum Meer hin' für mich anders auf, als bedeute es für den Fluß das Hinabfließen 102 (zum Meer). Und so sagte ich: "Zehn Stadien laufen, indem man der Flußrichtung folgend neben ihm herläuft". Auf diese Deutung kam ich, da wir uns im Binnenland befanden. Ich hielt sie für klar und glaubte, so handeln zu müssen. Danach kam es mir irgendwie vor, als lege ich mich wie zum Imbiß l03 nieder; als ich mich aber erinnerte, daß man nach der Weissagung vorher ein kaltes Bad nehmen müsse, (kam es mir vor,) als stehe ich selbst auf und fordere auch die anderen (dazu) auf. Als aber der eine der bei den Ärzte nach der Stunde des Bades fragte, (meinte ich) zu sagen, man müsse sich um die fünfte Stunde (11 Uhr) in Bewegung setzen l04 , da (der Imbiß) etwa in der sechsten Stunde (gegen 12 Uhr) stattfinden werde. Außerdem sei es beschwerlich, früher als notwendig zu baden oder zu essen. Das trage nämlich gerade zu dem nicht bei, was sein Nutzen zu sein scheine, nämlich leichter zu verdauen, denn daraus ergebe sich Schlaflosigkeit. "Warum denn", fragte der Arzt, "hast du uns bisjetzt keine Redeübungen vorgetragen?" Ich antwortete: "Weil es mir, beim Zeus, wichtiger ist, einige von meinen Schriften noch einmal durchzusehen. Denn ich muß auch mit der Nachwelt im Gespräch bleiben". Zugleich gab ich ihm zu verstehen, daß ich mich beeile, damit mir nicht etwa vorher etwas zustoße. Darauf prophezeite er mir (noch) viele Jahre,und ich sagte: "Ich möchte wohl noch viele Jahre leben, wenn es mir vergönnt sein sollte, rednerisch tätig zu sein". So war der Traum. An dem Landgut, auf dem ich mich aufhielt, fließt ein FlußlOS vorüber. Der Weg zu ihm hinab ist ziemlich uneben und steil und zugleich weniger als 10 Stadien.
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Dieser 'Traum im Traum' wird von Synes. de insomn. 19 (p. 185, 14 Terzaghi) övetpo~ Öt1tAOÜ~ (= Doppeltraum) genannt. Das Phänomen wird zuerst bei Arist. de insomn. 458 b 17 - 462 a 28 beschrieben; s. auch Behr 195 n. 77. Eine schwierige Stelle. Überliefert ist: w~ ÖT)AOÜV 1:t]v )CCX1:&' epuotv 1:0 lto1:cxf1.0. Keil hält die Worte: 1:Ttv )CCX1:&' epUOtv 1:0 lt01:CXf1.0 für korrupt und konjiziert schließlich: 1:0 )CCX1:&' epuotv [1:0 lto1:etf1.01, was mir kaum verständlich erscheint. Behr konjiziert: w~ ÖT)AOÜV (n) 1:Ttv )cCX1:ußetOtv 1:0 lto1:cxf1.0 und übersetzt dies: 'as ifI were making clear the descent to the river', wobei mir weder der Dativ ÖT)AOÜV (n) sinnvoll, noch die Verbindung von )CCX1:ußCXOtv mit dem Dativ möglich erscheint, statt etwa eltl m. Akkus. bei Diod. Sic. 14, 25. - Ich übernehme - als vermutlich sinngemäß richtig und mit der folgenden Schilderung vereinbar - die Konjektur )cCX1:ußcxotv statt )CCX1:&' epuotv. Ö:Pto1:0V = "Frühstück". Später bedeutet dieses Wort aber nicht mehr das breakfast, sondern den lunch. d. h. 10 Stadien laufen, dann kalt baden. Wohl der Tarsios (oder ein Nebenfluß), heute Kara Dere; s. Behr 6 n. 8b.
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Zudem war es nicht möglich, neben dem fluß herzulaufen, sondern (nur) in schräger Richtung und auf ein Steilufer zu. Dannjedoch fließt der Fluß in seinem weiteren Lauf an einem anderen LandgutI° 6 entlang, das schon dort einen sehr schönen und herrlichen Badeplatz107 besitzt. Nun dachte ich mir ein Vorgehen in folgender Weise aus. Ich ließ mit einem Seil den Abstand des einen Landgutes von dem anderen messen und anjedem Stadion eine Markierung anbringen. Als im ganzen sechzehn herauskamen, behielt ich mir die letzten zehn für den Lauf vor, die ersten aber legte ich in einem Wagen zurück. Dann stieg ich ab und lief, obgleich ich kaum die Füße heben konnte. Zugleich wirbelte der Nordwind mit stürmischen Stößen meinen Mantel 108 zurück und brachte mich in so erstaunlichen Schweiß, daß ich, weil es kein Ende nehmen wollte 109 , mich von ihm abkühlen ließ, soviel er wollte. Als ich das Ufer erreicht hatte, stürzte ich mich mit Lust ins Wasser. Als ich emportauchte und aufstand - mit einer dichten Sandkruste bedeckt -, nahm ich nochmals mitten in der Strömung ein Bad. Abreiben und so weiter konnte ich mich auf dem gegenüberliegenden Ufer bei angenehmen Sonnen- und Windverhältnissen. Ich ging zu dem Platz rings um das Wohnhaus llo , hielt mich so lange auf, als ausreichend war, mir einige der dortigen Arbeiten anzusehen, und kehrte dann zurück, ehe ich auch nur (einen Schluck) getrunken hatte. Dabei erfreute ich mich einer wunderbaren Wärme und einer vollständig veränderten körperlichen Verfassung. Von da ab fühlte ich mich durchaus wohl bis mitten in den Winter 1ll . Die (Unpäßlichkeiten) des Winters aber heilte Er durch gewisse Anordnungen und Regelungen der Diät. Als ich nachrechnete, wie lange Zeit ich von Smyrna abwesend war, und zwar während Volksbeschlüsse 112 angekommen waren, und daß ich mich schon in der Lebensmitte befand, und dazu die vielen vergangenen Jahre, in denen man, wenn man gesund war, die Städte besuchen konnte, (und als ich weiter bedachte), daß auch zu befürchten sei, es könne auch bei meiner langen U ntätig10' Es gehörte anscheinend auch dem Aristides: s. § 55. EILßaolV: nicht: "Zugang" (zum Fluß), wie man nach dem vorangehenden "steilen Weg zum Fluß hinab" denken könnte. Denn Aristides "stürzt" sichja auch ins Wasser (§ 55); vgl. auch II 54 'ins Meer hinabspringen' (pil/Ial). '" Lidell-Scott-Jones s. v. verzeichnet auch das Aristot. frg. 236 (aus Athen, 1,24 e). Dort bedeutet eILßaolC;: Bad(ewanne); ähnlich Herod. Med. bei Oribas. 10,8,11 eILßuaEIC; ßaAu't'tTjC; = (zum Bad bereitete) mit Meerwasser gefüllte Behälter. 108 TO (iILU'tlOV): Wyttenbach. 109 cmepanov ijv: sprachliche Anlehnung an Thucyd. 4, 36, I. 110 des benachbarten Landgutes: s. § 53. 111 des Jahres 170/1 n. Chr. 112 Behr verweist dazu auf Aristides' ,Rede Nr. 31 (Trauerrede auf seinen verstorbenen Schüler Eteoneus), wo in § 14 Aristides sich selbst fragt: "Was soll ich auf die Volksbeschlüsse antworten?" - Behr (Übers. S. 393 n. 13) erklärt diese Beschlüsse als "Decrees, which other states, not knowing the misfortune, have offered in praise of Eteoneus". Keil (zur Stelle, S. 215, 12) erklärt die Psephismata als napalLußTj'tlXU (= Trostbeschlüsse) und verweist auf 'Rhein. Mus. 1894, 424 sqq", wo aber nichts dergleichen steht. Es liegt offenbar ein Versehen (Druckfehler?) vor. 107
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keit mein erworbener Ruhm etwas gemindert werden - diese Betrachtungen stellte ich zwar an, wie es flir einen Menschen natürlich ist, doch wußte ich wohl, daß das alles Lappalien seien verglichen mit dem Gehorsam gegenüber dem Gott. Zudem war ich auch nicht bange, daß ich auf mich allein angewiesen war, vielmehr betrachtete ich das eher als Gewinn - in solcher Lage wurde mir folgendes Traumgesicht beschert. Es kam mir vor, als befinde ich mich in Athen, habe gerade mit dem Studium begonnen 113 , wohne hinter der Akropolis im Hause des Arztes Theodotos 114 und dies sei das erste Haus auf der Ostseite; man sehe von ihm aus die Rückhalle des Athenetempels 115 und das Haus liege viel tiefer als die Akropolis. Es fand gerade ein Festzug flir Eros außerhalb der Tore 116 statt, und Theodotos war dadurch in Anspruch genommen und einige 113
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Ein genauer Termin läßt sich dafür nicht angeben (s. Boulanger a. O. S. 117 u. 118 n. 1). Aristides war in Athen Schüler des berühmten Herodes Atticus (Münscher, Herodes 13, RE 8, 1912, Sp. 921-54, bes. 941f.). Die Lehrtätigkeit des Herodes Atticus in Athen, die früh begann, wurde durch mehrere Auslandsaufenthalte unterbrochen, für längere Zeit dann durch seinen Weggang nach Rom, der etwa ins Jahr 140 n. Chr. fällt (Münscher a. O. Sp. 927). Mit aller Vorsicht wird man also den Aufenthalt des Aristides in Athen in die Zeit zwischen 135 u. 140 n. Chr. setzen dürfen. Er war der Arzt des Aristides in Pergamon: s. I 13 Anm. 24. - Behr (14. n. 34) meint, Aristides habe im Traum den Beruf seines Arztes Theodotos auf den gleichnamigen Sophisten Theodotos übertragen, von dem Philostr. VS 2, 2 (p. 182 Loeb) berichtet. Da der Ophisthodom des Parthenon nach Westen liegt, kann man ihn von einem im Ostteil der Stadt gelegenen Haus aus nicht sehen. Keil meint, gerade dieses "Wunder" sei der Anlaß gewesen, eine Sache zu erwähnen, die für den eigentlichen Traum bedeutungslos war. Hier und in § 65 spricht Aristides von einer 1tO[.l1tf] für Eros. Von einem 'Festzug' zu Ehren des (Gottes) Eros ist m. W. in Athen nichts bekannt. Der Zusatz e~w 1tUAWV = 'außerhalb der Tore' gibt vielleicht den Schlüssel zu einer Lösung, die ich für erwägenswert halte. Möglicherweise handelte es sich um einen 'Fackellauf und Aristides hat auch hier den seltenen terminus technicus Aa[.l1taÖTjÖpO[.lla (aus stilistischen Gründen, wie schon oft angemerkt) vermieden. (Er gebraucht allerdings selbst in I 22 das Wort Aa[.l1taÖTj<popew Gedoch nur im Sinne von Fackeltragen, nicht: Fackellauf, - dies gegen Liddell-Scott-Jones s. v.); er hätte sich aber auf Herod. 8.98 stützen können, wo Aa[.l1taÖTj<poplTj eindeutig den 'Fackellauf bezeichnet.) Daß Aristides selbst nicht zu dem Festzug-Fackellaufhinging, hat seinen Grund wohl in dem geringen Interesse, das er für sportliche Ereignisse auch sonst zeigt: vgl. z.B. IV 16 Anm. 33 über eine 'Stierjagd' in Pergamon. - Jüthner hat in dem Artikel Aa[.l1taÖTjÖpO[.lla, RE 12, 1924, Sp. 56977 alle sprachlichen Fragen (diese allerdings nicht ohne mehrere Versehen) ebenso behandelt wie die kultischen und sportlichen (unter Einbeziehung der früheren Literatur). - Nun zur Sache. Plut. Sol. 1,4 und Hermias (= Schol. P1at. Phaedr. 231e Text bei: Wecklein, Hermes 7, S. 443) berichten, daß die Läufer ihre Fackeln beim Standbild und Altar des Eros entzündeten. Dieser Altar stand am Eingang zur platonischen Akademie und war 'von Charm os als erstem der Athener dem Eros geweiht worden' (Pausan. 1,30,1; s. Hitzig-Blümner Paus. I I S. 324f. und Waser, Eros, RE 6,1907, Sp. 49112). Doch wird allgemein angenommen, daß (nach Pausan. a. 0.) vielmehr ein ebenfalls am Eingang zur Akademie stehender Altar des Prometheus und Hephaistos die Stelle war, an der die Fackeln entzündet wurden (Jüthner a. O. Sp. 571). Es gab solche
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andere, die damit beauftragt waren. Ich selbst aber hielt mich während dieser Zeit drinnen auf. Zufällig war auch Ludus 117, einer meiner Gefährten, zugegen und andere Redebeflissene. Wie das so seine Art war, redete mir Ludus zu, ich solle an meinen rednerischen Übungen festhalten und die jungen Leute daran 118 58 teilnehmen lassen, und so denn auch einen Knaben • Ludus machte diesem gegenüber viele schmeichelhafte Bemerkungen über mich und formulierte sein Lob etwa folgendermaßen: "Dieser Mann", sagte er, "ist Platon und Thukydides und Platon und der und der"lI9, und er zählte viele auf, indem er so immer einen mit Platon verband, als ob ich die Fähigkeiten aller dieser Leute besäße. Ich schaute den Knaben an und sagte: "Alles darfst du dem Ludus glauben, nur das 59 nicht". Ludus schien mir die Schlagfertigkeit meiner Antwort zu loben, mein Ausweichen jedoch sich nicht gerne gefallen zu lassen. Als nun der Knabe wiederum antwortete und wie in einer Übungsrede gewandt zu mir sprach, unterbrach ich ihn und sagte scherzend: "Fürwahr, wenn du so gut reden kannst, dann 60 sollte es mich wundern, wenn du mich noch als Lehrer brauchtest". Darauf war es mir, als ob ich aus dem Hause trete, in Begleitung eines meiner jungen Freunde, und die dünne Luft mit Wohlgefallen wahrnähme und (in mich) aufnähme. Da aber in kurzer Zeit sich viele Veränderungen vollzogen und zugleich auch Südwind einsetzte, wobei es bald stürmisch kalt, bald sehr heiß war, sagte ich darauf anspielend 120 : "Dünn ist die Luft hier wohl, die im Hause 61 aber beständiger". Darauf gingen wir in die Gegend des Lykeions l2l • Da empfing uns ein sehr großer und schöner Tempel, von nicht weniger als 100 Fuß
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Fackelläufe in Athen vor allem bei den Festen der Panathenäen, Hephaisteen und Prometheen, ferner zu Ehren des Pan, Hermes, Theseus und bei sonstigen Gelegenheiten. Die Strecke, über die der Lauf führte, ist der Dromos, der Weg durch den äußeren Kerameikos zum Dipylontor. Der Endpunkt ist durchaus unsicher (über die verschiedenen Vermutungen bei denje verschiedenen Festen s. Jüthner a. O. Sp. 571/ 2). Ich wage deshalb die Vermutung, daß bei dem Fackellauf zu Ehren des Eros Ausgangspunkt der Altar des Eros war und Endpunkt der Altar des Anteros (der ebenfalls bei Pausan. a. O. bezeugt ist), wenn auch sein Standort ebenso unbekannt ist wie der mancher anderer bei Pausanias erwähnter Altäre. - Da die Gartenanlagen der Akademie etwa 1,5 km nordwestlich des Dipylon begannen (Jüthner a. O. Sp. 572), wird die Hauptstrecke des Laufes - unabhängig vom Endpunkt - 'außer halb der Mauern' gelegen haben. Möglicherweise der Sophist Lucius, der bei Philostr. 2,1 (p. 160f. Loeb) erwähnt wird (s. Behr, Übers. S. 444 n. 91). Keibelläßt mit den Worten: xat öTi xat na'iö&. nva einen neuen Satz beginnen. Dasselbe Lob mit denselben Worten: IV 62. emarll.l.alVÖf.Levo~: Behr übersetzt: 'approvingly' (unter Hinweis auf II 9). Ei,:! Bezirk öst!. von Athen, im Ilissostal süd!. vom Lykabettos gelegen, mit einem Heiligtum des ApolIon Lykeios. Als 'Gymnasion' wird es zuerst bei Xen. Hell. 1, 1,33 erwähnt. Später hatte Aristoteles dort 13 Jahre seine Schule; s. W. Judeich. Topographie v. Athen 2, München 1931, S. 415.
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Länge 122 • Man mußte einige Stufen zum Tempel emporsteigen. Zu bei den Seiten, so kam es mir vor, standen (Leute), ähnlich denen, die (Oliven-)Zweige (zum Kauf) anbieten 123 • Als ich nun hinaufstieg, hielt mir ein kleiner Knabe drei Eier hin. Ich war schon vorbeigegangen, ohne sie zu nehmen, da bekam ich Gewissensbisse, daß ich sie sicherlich nehmen müsse um des Vorzeichens willen l24 • Ich wandte mich also um, nahm sie und schritt hinauf. Am Tempel an.gekommen, gab ich die Eier einem der Bediensteten des Heiligtums, der an einer Säule stand. Der aber wollte von sich aus noch eines hinzufügen. Als ich nun selbst in die Vorhalle eingetreten war, sah ich, daß der Tempel dem Philosophen Platon geweiht war und daß dessen Statue (dort) groß und schön dastand. Zu seiner Rechten stand (ein anderer), ich weiß nicht wer. Aufder Schwelle aber saß eine wunderschöne Frau, die ein Gespräch über Platon und seine Statue führte. Auch einige andere beteiligten sich an dem Gespräch und unterhielten sich gleichzeitig so darüber, als sei es alt. Da bemerkte ich: "Das kann man nicht sagen, es sei schon alt. Denn die Art der Ausführung erweist sich als ziemlich jung, und von Platon war zu seinen Lebzeiten noch nicht viel die Rede, sondern sein Ruhm wuchs erst später". Auf die Bemerkung eines anderen, von Platon sollte es eigentlich sogar drei Tempel geben, sagte ich, ihn übertrumpfend: "Warum nicht achtzig von Demostehenes und auf jeden Fall von Homer, denke ich?" Und in einem Atem fuhr ich fort: "Doch vielleicht ziemt es sich, die Tempel den Göttern zu weihen, die ausgezeichneten Männer aber durch die Weihung ihrer Bücher (in Tempeln) zu ehren 125 • Denn auch von uns", sagte ich, "ist das Wertvollste das, was wir sagen. Statuen und Kultbilder sind Erinnerungen an die leibliche Erscheinung, Bücher dagegen an die (gehaltenen) Reden". Nachdem ich solches gesagt
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1\ i:xa1:6f!neöo~. Keil konjiziert: 1\ <(,>i:xa1:6f!neöo~, d. h. 'als der Hekatompedos' (das ist nach Plut. Per. 13 u. Cato maior 5 der Name des Parthenon in Athen). Nach dieser Konjektur müßten sich die Worte OUX ijnov zurückbeziehen auf die vorhergehenden: vew~ n~ ... navu f!eya~ xat xaA6~, was mir sprachlich sehr schwierig· erscheint. Behr schließt sich dieser Konjektur an, läßt aber dabei das Wort navu unübersetzt! - "Wie die 100 Opferrinder der 'Hekatombe' die Fülle schlechthin bedeuten, so lag im Maß von 100 Fuß die Größe der Größen. In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts wurde [in Samos) ... der früheste uns überhaupt bekannte ionische Tempel erbaut, mit einer Länge von 100 und einer Breite von 20 Fuß (6,50 x 32,86 m)", das ist der sog. Heratempel I (G. Gruben, Die Tempel der Griechen, München 1966, S. 317). (,peyoV1:e~: dahinter setzt Keil wieder eine Lücke an. Schon in I 42.45 und 68 war von Eiern die Rede, die nach ihrer Zahl oder von der Art ihrer Verwendung symbolischen Charakter trugen. Behr (200 n. 29) vergleicht damit die Deutungen, die Artern. Oneir. 11 43 und V 85 (p. 178,2 u. 322, 22 Pack) den Träumen gibt, in denen von Eiern die Rede ist; vgl. im übrigen Haussleiter, Ei, RAC 4, 1959, Sp. 731-45, bes. 736f. Behr (Übers. S. 444 n. 98) fühlt sich an den Ausspruch des Stoikers Zenon erinnert (SVF 1266), man müsse die Städte nicht mit Weihgeschenken schmücken, sondern mit den vortreillichen Eigenschaften ihrer Bewohner. OUX ijnov
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und gehört hatte, kehrte ich zurück. Als ich nun meinen Pflegebruder126 auf mich zukommen sah, rief ich mir die Zeiten wieder ins Gedächtnis, wie lange wir doch früher miteinander in Athen gewesen waren. Nachdem ich mich dann in Richtung auf die Akropolis umgewandt hatte, um nach Hause zu gelangen, zuckte von rechts ein Blitzstrahl auf und fuhr so nahe unmittelbar über die Spitzen meiner Haare dahin, daß ich mich wunderte, daß sie nicht Feuer gefangen hatten 127 • Ich war zwar sehr erschrocken, nahm aber das Zeichen eher als glückverheißend. Denn auch mein junger Begleiter versicherte, es bringe Ruhm, zumal da es sich auf der rechten Seite gezeigt habe. Es kam mir aber so vor, als seien an die Mehrzahl der Gebäude eine Art Leitern angelehnt und ich müsse auf diesen hinauf- und hinabsteigen, so daß ich darüber etwas ungehalten war. Trotzdem kam ich irgendwie hinein. In der Zwischenzeit waren die Veranstalter des Festzuges für Eros 128 zurückgekommen, und der Deuter129, der von meinem Zeichen erfahren hatte, erklärte gleichfalls, es sei glückverheißend und meine Opfer seien richtig ausgefallen. Vorher schon glaubte ich, einen Traum erhalten zu haben, als solle ich Opfer darbringen 130 für Zeus, Artemis und wohl auch sonst noch irgendeine andere Gottheit. Und zu all dem, träumte ich, riefe ich den Eudoxos 131 herbei, damit er es niederschreibe, weil mir (die Geschichte) zu lang war und ich sie für mich selbst in genauer Fassung aufbewahren wollte. Diese Offenbarung wurde mir neben vielen anderen zuteil hinsichtlich meines künftigen Ruhmes und der Pflicht, auf dem Lande zu bleiben 132 •
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Wen Aristides damit meint, ist nicht zu ermitteln. Der Sinn dieses Vorzeichens ergibt sich aus § 67, wo es heißt: "hinsichtlich ... der Pflicht, auf dem Lande zu bleiben". Dieselbe Deutung steht bei Artern. Oneir. 2,9 (p. 113,11 P.): "Der Blitzstrahl ... hält die Einheimischen daheim fest". Dabei ist daran zu erinnern, daß Aristides ja nur im Traume in Athen ist, sich in Wirklichkeit aber auf seinem Landgut Laneion befindet. Wenn es sich - wie in Anm. 116 vermutet - um einen 'Fackellauf handelte, so kämen dafür die sog. YUl!vcwiapxOl (= oi äpxoV1:e~ "twv Aal!7taÖOöp0l!tWv) in Frage (s. Oehler, RE 7 (1912) Sp. 1987). i:~T]YT]"tfJ~, wohl von Orakeln, Träumen und Vorzeichen; so wird das Wort bei Herod. 1, 78 gebraucht. Wenn der 'Exeget' neben der Beurteilung des 'Zeichens' auch ein Urteil über die Korrektheit der Opfer abgibt, so gehört das nach Suda s. v. zu seinen speziellen Aufgaben: i:~T]YT]"tt)~ iöiw~ 6 i:~T]youl!evo~ "tU iepa.. "Unter 'E~T]YT]"tai versteht man öffentlich bestellte Ausleger des göttlichen Rechts, also Sakralbeamte" Kern s. v. RE 6, 1909, Sp. 1583. - Behr (Übers. S. 445 n. 101) sieht in ihm: "The man who examined the entrails ofthe sacrificial animals". Das aber war die Aufgabe des vom 'Deuter' verschiedenen 'Sehers' in § 20 u. 23 (s. dazu meine Anm. 50). w~ iepu 7tOlfjaat; Behr übersetzt: "that I had made sacrifices". (Vgl. Kühner-Gerth II 2, 8f. Anm. 6.) redender Name: "der Mann mit gutem Ruf'; er weist auf den "späteren Ruhm" hin (§ 67). s. Anm. 127.
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Zumeist nun führte mich der Gott auf diese Weise, indem er mir anzeigte, was ich tun solle, und mich gehorsam fand, so wie nur je ein Mensch einem Gott gehorsam gewesen ist. Im zweiten Jahr nach meiner Rückkehr vom Aiseposl und im zwölften von meiner ersten Erkrankung an suchten mich viele wunderbare Traumgesichte heim, die mich nach Epidauros, der heiligen Stadt des Gottes 2, führen wollten. Eines unter den ersten war von folgender Art. Jemand, der mir zuredete, ich solle Mut fassen, trug eine Rede des Musonius 3 vor. "Wennjener", sagte er, "einen Kranken und Verzweifelten aufrichten wollte, so faßte er ihn etwa so an: "Aufwas wartest du? Wohin schaust du? Vielleicht, daß der Gott neben dich trete und seine Stimme hören lasse? Wirf heraus, was in deiner Seele tot ist, So etwa, sagte er, habe Musonius und du wirst den Gott erkennen". gesprochen. Dazu kamen Stimmen: "Erhalte dich für die Stadt der Athener!"4
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Im Jahre 152/3 nC; vgl. IV 12 u. Anm. 20. Das bekannte Zentrum der Asklepiosverehrung in der Argolis. Von dort ging die Gründung der anderen Asklepiosheiligtümer aus. - In einer Weiheinschrift aus Epidauros (IG IVed. minor, 1 Nr. 577, Bin. 1929), in der der Name des Aristides mit Recht ergänzt wird, sieht Behr (87 n. 90) eine Bestätigung der Anwesenheit des Aristides in Epidauros. Musonius Rufus ed. Hense, Lpz. 1905, frg. 53, S. 134. - Musonius Rufus war ein römischer Ritter, griechisch schreibender Stoiker des 1. Jhs. ne., Lehrer u. a. des jüngeren Plinius und des Epiktet. Exzerpte aus 24 Lehrvorträgen in der Publikation seines Schülers Lucius sind bei Stob ai os erhalten u. z. T. in deutscher Übersetzung veröffentlicht von W. Capelle, Epiktet, Teles und Musonius. Artemis-Verlag, Zürich 1948. Bei seinem Aufenthalt in Athen i. J. 155 nC. hielt Aristides dort seinen Panathenaicus (Rede Nr. 1 Lenz-Behr); s. Klein a. O. S. 84. Behr (Übers. S. 445 n. 6) nimmt diese Worte als Hinweis auf eine zweite Romreise des Aristides i. J. 155 nC., bei der er dann seine große Romrede (herausgegeben, übersetzt u. mit Erläuterungen versehen von Richard Klein, Darmstadt 1983) gehalten hätte, während Klein (a. O. S. 77 n. 18 u. zuletzt in: Historia 30, 1981, 337ff.) trotz aller Bedenken daran festhält, daß Aristides sie bei seiner ersten Romreise i. J. 143 (bzw. 144) nC. gehalten habe.
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Das bedeutete soviel wie: ftir die Griechen! Auch hinsichtlich der Ereignisse in ItalienS (gab es) große Prophezeiungen ....6
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In Rede 42 (ACXAUX eie; AOXArJ1tl6v) § 4 schreibt Aristides: »Wenn aber mein Lehrer klar (und zuverlässig) ist, und das ist mehr als alles andere wahrscheinlich - auf welche Weise aber und wie er (mich) dieses lehrte, ist in den Heiligen Berichten erzählt -,so ist Er es, der das All lenkt und leitet, der Heiland des Universums und Wächter dessen, was unsterblich ist, oder wenn du einen Ausdruck der Tragödie vorziehst, "der Aufseher am Steuerruder", der beides erhält, das, was ewig ist, und das, was entsteht." Dazu bemerkt Behr (Übersetz. Notes n. 7): "Not in those [= Heilige Berichte] extant. Apparently this point was discussed in the lost portion ofthe sixth Sacred Tale." Wenn, wie es wahrscheinlich ist, diese 'Lehre' des Asklepios sich auf ihn als 'Allgott' (siehe Einleitung S. 12) bezieht, dann ist in der Tat zu vermuten, daß sie im verlorenen Teil der Hieroi Logoi gestanden hat.
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INDEX Personen - Orte - Sachen Achaische Meerenge 11 67 Acheloos IV 39 AchilIes V 44 Aderlaß 11 47, 48; III 34 Anm.'63 Adrasteia 11 2 Adriatisches Meer 11 66 Ägäisches Meer 11 68 Ägis 11 41 Ägypten III 4; IV 23, 75, 105 Ägyptisches Elephantine I 24 Ägyptische Priester I 61 Ägyptische Sandalen I 61 Ägyptische See III 3 Aischylos IV 61; Zitat aus Sept. Vers 1 IV 89 Aisepos IV 2,4,6,10,12,71; VI 1 Agathe Tyche I 11 Agathion I 44 Agathos Daimon I 11 Albus, L. Antonius III 38 Alkinoos 11 60 Alexander (von Kotyaeion) I 23 Anm. 45; vgl. IV 62 Anm. 159 Alexander (der Große) IV 18, 49 Alexandria III 4, 48 Alianoi III 1,3; s. auch s.v. Warme Quellen Amaltheia III 9 Antisthenes III 33 Antoninus Pius (Kaiser) I 23 Anm. 46; III 21; IV 75 Anm. 183 und 185 Antoninus (Sohn des Pythodoros) I 35 Aphnitis (See) V 14 Anm. 25 Apia (Ebene) I 58 Anm. 108 ApolIon: von Kolophon III 12; von Klaros 11 18; III 38; von Delos und Milet IV 32,34; von Gryneion V7, 8; Kalliteknos 11 18; Paian IV 31; Paion IV 37; Päan auf ApolIon IV 31,36, 37, 41; Tempel auf dem Berg Milyas 124, V 19; in der mysischen Ebene 158
Apollonien (ludi Apollinares) IV 31 Ares I 33 Aristides I 41; 11 48; III 45; IV 5,23, 45,78; V 31. Ailios Aristeides V 24; Zunamen: Theodoros IV 53, 54, 70; Sosimenes V 24; Aristides als Priester I 15,41; vgl. IV 102; Geburtstag 131 Anm. 62; Horoskop IV 58; Schutzgott Hermes IV 58 Anm. 153; sein Vater 11 40 Anm. 79; IV 48; Mutter III 16; Pflegebruder V 64; Amme s. Philumene; Pflegeschwester s. Kallityche und deren Kinder: Philumene und Hermias; Freunde 11 1, 12; V 32 passim; Erzieher s. Zosimos und Epagathos; väterlicher Herd III 13, 16,20,41; 11 28, 49; V 10; Tempel des Olympischen Zeus (beim väterlichen Herd) I 43 Anm. 84, passim; Statue des Zeus ebd. III 20; Tempel des Asklepios ebd. IV 49; Besitzungen des Aristides: a) Gut und Landhaus beim Aisepos IV 2; b) Landgüter 169; V 17; c) Landgut Laneion III 42; IV 55, 103,105,108; V 17, 53, 54; d) Besitzungen bei Hadrianoi V 72, 73; e) Haus in Smyrna III 43; f) in der Vorstadt von Smyrna 11 38; III 39; V 2; Bürgerrecht von Smyrna IV 73 Anm. 177; Statue des Aristides 117 Anm. 33; Dichtungen des Aristides: Hymnen (Chöre) auf Acheloos, ApolIon, Asklepios, Athene, Dionysos, Herakles Asklepios, Hermes, Koronis, Nemeseis, Zeus: s. jeweils s.v.; Prosa: Reden auf Asklepios, Athene, Dionysos s.v.; Gegen die Sophisten V 38; Verteidigung des Laufes IV 25; Niederschrift der Träume (auf Weisung des Asklepios) 11 2, 3, 8; III 30; IV 25
146 Aristophanes I 16 (Telmessier); V 18 (Wolken) Artemis (Statue) III 21; (Thermaia) IV 4; V 66 Ärzte I 57 Anm. 105; 11 5, 39, 63, 64, 69; V 9; s. auch s.v. Asklepios, Asklepiakos, Herakleon, Porphyrion, Satyros, Theodotos Asien, allgemeines Priesteramt (Archiereus, Asiarches) und Provinziallandtag IV 101-104 u. Anm. 242-248 Asien (Statthalter von A.) 111 38; IV 12, 63, 71, 94, 101 Asklepiakos (Tempelwärter) I 58, 76; 11 35, 46, 48, 49; III 14,22,23; IV 46 Asklepiakos (Arzt) III 25 Anm. 45 Asklepios I 23, 38, 43, 44 usw. ebenso in Buch lI-V; meist "der Gott" genanntI3-6,17,23,42,43,55,57,60, 61, 63, 66, 67, 77 usw. ebenso in Buch li-V; oder "Heiland" (Soter) 11,66 usw. ebenso in Buch lI-V; oder "Er" I 59, 61, 73, 78 usw. ebenso in Buch lI-V; oder ,,0 Herr Asklepios" IV 50, 51, 69; Besonderheiten: Beinamen: "Loszuteiler" 11 31; Paian IV 31 Anm. 82, 42; "Wahrhaftiger Arzt" I 57; (himmlischer) "Statthalter" IV 104; Ruf: "Groß ist Asklepios" 11 7 Anm. 16; "Asklepios von Pergamon" = Sternbild des Schlangenträgers IV 56 Anm. 140; Herakles Asklepios IV 42; Zeus Asklepios I 45 Anm. 89, 78; Tempel des Asklepios in Pergamon I 10-12,30-32,42,43, 55; 11 9,11,27,31,71,79,80; III 22; IV 15, 16,55, 66, 90, 106, 107; V 27, 28; dortige Kultstatue I 11, 12, 19; IV 50; Tempel im Gymnasion von Smyrna I 17 Anm. 30; im Hafen von Smyrna IV 102; im Garten des Asklepios (beim väterlichen Haus des Aristides) IV 49, 50; in Poimanenos IV 3; Tempel des Zeus Asklepios I 45 Anm. 89, 78; IV 46; dortige Kultstatue IV 46; "Ohren" des Gottes I 13 Anm. 22; Hymnen auf Asklepios 173; IV 39,41; persönliche mystische Verbindung mit Aristides IV
Index 50-52; "Verehrer" des Asklepios 123 Anm. 48; IV 16, 19,50; Feste des Asklepios I 6; 11 81; Priester des Asklepios I 11, 12, 15,40,41; IV 46, 64; s. auch s.v. Pergamon Asklepios (Schiffsname) II 54 Athen 11 41; V 57, 64 Athene 11 41, 42; IV 9,25,39; V 12, 25; Statue des Phidias 11 41 Anm. 80; Athenetempel (Parthenon) V 57 Athener I 16; VI 3 Attischer Honig 11 43 Atys III 41, 42 Bad 11 51-53; s. auch s.v. Meles Barbaren I 9; n 61 Bassus, C. Julius Bassus Claudianus I 21; IV 28 Berufung (Revision) IV 74,79,88,96, 103 Bibulus (Byblos) IV 18 Anm. 35 Celer, Caninius IV 57 Charidemos I 34 Chi os 11 11, 17 Comicorum Atticorum fragmenta Adesp. frg. 235 K. IV 65 Anm. 164 Commodus s. Mark Aurel Daimonion V 21 Delos IV 32-35 Delphi IV 75 Demosthenes I 16; IV 18, 19,97; V 63 Diktamnos III 25 Dionysios (11. von Syrakus) IV 57 Dionysos III 33; IV 25,39,40 Diophanes I 49 Dioskuren IV 36 Drymussa 11 12 Dystros 11 16 Edessa 11 62 "Ein Gott" III 48 Anm. 94; IV 50 Anm. 128f. Elaia 11 54, 78, 80; V 8 Elephantine I 24 Epagathos IV 54 Ephesos I 20; II 81, 82; III 38; IV 78, 88; V 35 Epidauros VI 1
Personen - Orte - Sachen Eros V 57,65 Erzieher I 27, 66; II 9; III 3, 15, 20; IV 41,54, 103 Euarestos IV 23 Eudoxos V 66 Fingerrechnen II 18 Anm. 35 Flavius, Asklepiades IV 64 Anm. 162 Freistellung (von der Übernahme öffentlicher Ämter) IV 75, 76, 78, 79, 83, 84, 93, 99, 104 Friedenswächter IV 72 Anm. 174,73, 79, 93 Fuhrmann (Sternbild) II 26 Gallenfieber II 39 Anm. 74 Gennais II 17 Glabrio, M' Acilius Glabrio Cn. Cornelius Severus IV 97 Anm. 229 Götter (von Syrien) I 33; der Unterwelt III 47 Göttermutter (Kybele) IV 54 Grammatiker IV 31 Griechen (Hellenen) I 64; IV 27,45,87; VI 3. Männer der griechischen Vorzeit (Dichter usw.) IV 24 Griechenland IV 32 Griechische Sprache I 36 Grubenopfer 11 27 Gryneion V 7, 8 Gymnastiklehrer 11 69 Hades III 4 Hadrian IV 106 Hadrianeum I 29 Anm. 57 Hadrianoi IV 72 Anm. 175; Behörden von H. IV 73, 74, 93 Hadrianutherai I 51, 52 Haruspizin V 20 Anm. 40, 23 Hebros 11 61 Hekate IV 39 Hekatompedos V 61 Anm. 122 Helena 11 Heliodoros, C. Avidius IV 75 Helios I 22 Hellespont 11 60; V 47 Anm. 95 Herakleon 11 20 Herakleides(?) V 38 Anm. 76 Herakles Asklepios IV 42 Hermes IV 40; (Planet Merkur) IV 57, 58 Anm. 146 u. 153.
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Hermias 11 44 Anm. 85; V 25. Hermokrates IV 23 Herrnos V 2 Hippon 11 52 Homer 11; V 63; IIias 2, 489 I 1; vgl. 9,223ff. V 44 Anm. 88; 11,813 11 39; 19,258 II 77 Anm. 138; Odyssee 11 42,65; Odyssee 3,113-1511 58; 4,241 I 1; 8,11-14 V 12; 9,142 V 27; 10,46 11 72; 19,303 11 77 Anm. 138; 19,547 II 18 Anm. 36. Hygieia I 35; III 21 Anm. 35,22; IV 46 Indien IV 18 Inkubation 11 80 Anm. 143 u. 144; III 7; passim Insel der Seligen I 38 Ischyron 11 47 Isis III 45, 46, 49; IV 97; heilige Gänse III 49, 50; Tempel in Smyrna III 45, 49, 50; Priester der Isis I 25, 26, 40(?) Italien 11 5; IV 2; VI 3 Julianus, Q. Fabius Julianus Optatianus (?) IV 107 Jupiter (Planet) IV 58 Anm. 148 Kaikos 11 48; III 12 Kaiser I 23, 33, 38, 46-50; III 21; IV 75, 92, 106; siehe auch s.v. Antoninus Pius, Commodus, Hadrian, Mark Aurel, L. Verus. - Kaiserliches Edikt IV 75 Anm. 185; Sekretär (ab epistulis) IV 57 Anm. 144; Richter IV 77 Anm. 190; Palast III 21; Hemina III 32 Kalliteknos s. ApoIIon KaIIityche I 45; 11 41 Anm. 81; V 19 Anm. 37, 24, 25 Katarakt (bei Edessa) II 62 Kathedra (Zeit der Krankheit) 11 70 Anm. 128; III 44 Anm. 79; vgl. IV 14 KephaIIenia II 66 Klaros II 18; Orakel des ApolIon III 12 Anm. 17,38 Klazomenai II 12 König (der Feinde = Vologaeses) I 36 Anm.72
148 Kolophon 111 12 Konsul (Konsular?) 11 9 Anm. 20 Koressos 11 82 Koronis I 73 Koros I 54; s. auch V 20, 65 Kreter IV 23 Kronos II 27 Kyme V4 Kyphi I 26 Kyzikos V 14, 18, 42, 43, 45, 46, 48; Rat und Festversammlung von K. V 16; hlg. Festmonat VII, 16, 42; Olympische Spiele von K. V 42; Tempel des Hadrian V 11 Anm. 20; Bewohner von K. V 11, 12, 16; Ort in der Nähe von K. V 14 Laneion 111 42; IV 55, 103, 105, 108; V 17, 53, 54 Laodikeia IV 103 Anm. 247 Larissa V 4 Lateinische Sprache IV 84 Anm. 200 Lebedos 111 7, 10, 12, 13 Legat (des Statthalters) IV 96, 98, 99 Leiter(n) I 48; V 65; hlg. Leiter 11 30; Trennung zwischen unter- und oberirdischer Welt III 48 Anm. 88 Lenaion I 29 Liktoren (des Statthalters) IV 90 Löser (des Schicksalszwanges) V 20 Anm.40 Löwe (Zahn) 111 36; (Sternbild) IV 58 Lucius V 57-59 Lucius Verus s. Mark Aurel Lykeion I 60; V 61 Lysias IV 59 Mark Aurel I 36, 38, 46-50; IV 75 Anm. 183; V 44, 45; - L. Verus I 30 Anm. 63, 47-49; - Commodus V 45 Anm.90 Makedonien II 5; IV 42 Anm. 104 Meder I 37 Meilates III 44 Meles II 18 Anm. 37, 21, 24, 45, 50(?) Menander I 51 Menelaos 11 Merkur s. Hermes Metrodor I 42 Milet 11 68; IV 32
Index Militärpost II 61 Milyas I 24; vgl. V 22, 26 Musonius Rufus VI 2, 3 Myrina V 2,5 Mysien IV 72, 105 Mysische Ebene I 58; V 18 Anm. 35 Mysterien II 28 Anm. 54, 32; III 47, 48; IV 4, 7 Anm. 12 Mytilene III 38 Narde (indische) 111 36 Nemeseis (von Smyrna) IV 41 Anm.l03 Neritos III 15 Nikaia IV 16 Notare IV 77, 94 Nymphen I 35; IV 4 Oberphrygien (Galatien) IV 12 Anm. 22 Odysseus I 1; II 42; V 44 Orakel III 12, 38; IV 75 Paian IV 31 Anm. 82, 37, 42 Paion IV 37 Anm. 91 Pan IV 39 Pardalas, L. Claudius IV 27, 87 Patrai II 67 Pele II 12 Pelops I 39 Pelorisches Vorgebirge II 66 Pergamon I 42, 43, 51, 55, 69, 78; II 7, 18,27,46,51,70,78,81; III 3, 6, 8, 12 Anm. 20, 44; IV 14, 16, 39, 56,58,83,89,90, 103, 106; V 1, 8, 26; Tempel in Pergamon II 18,80; III 22; IV 16; Tempeldiener 111; Tempelwärter I 11 Anm. 20; Priester I 11; Heilige Lampe I 11; Tempelstraße (Heilige Straße) und Kleine Pforte II 80 Anm. 145; IV 66; Brunnen I 42 Anm. 83; Säulenhalle des Gymnasiums I 16 Anm. 35; IV 15; Theater II 30 Anm. 59; IV 15; s. auch Inkubation; Telesphoros in Pergamon II 10; Akropolis in Pergamon 111 44; Stierjagd IV 16 Anm. 33 Phäaken V 12 Phidias II 41 Philadelphia IV 96, 98
Personen - Orte - Sachen Philadelphos II 30, 35, 47; IV 46 Anm.114 Philon III 29 Philumene (Amme) I 45, 78; III 16; IV 10 Philumene (Tochter der Kallityche) V 19 Anm. 37, 21-25 Phokaia II 12, 15, 17 Phoibos I 18 Phönikien I 34 Pockenepidemie II 38-45 Anm. 73; IV 9; V 25 Platon IV 19, 55-57; V 58,61-63; Werke IV 55-56 Anm. 138; Brief an Dionysios IV 38 Anm. 93, 57 Anm. 143; Sympos. 223d I 60 Anm. 109; Tim. 34b IV 56 Platoniker (in Pergamon) II 52 Anm. 99; IV 19 Anm. 41 Poimanenos IV 3,5 Polemon, Antonius(?) IV 28 Anm. 74 PoUio, T. Vitrasius IV 94, 96, 98 Porphyrion V 12, 19,24 Poseidon I 6 Posideon I 5 Prätor (ehemaliger) IV 16 Prophezeiung II 37, 45; III 39, 48; IV 9,94; V 18, 41, 51; VI 3 Prytanen IV 88 Anm. 210 Pyrallianos IV 55 Pythodoros, Sex. Julius Maior Antoninus I 35 Anm. 68 Quadratus, C. Julius Quadratus Bassus IV 63-65, 67, 71 Anm. 171 Quadratus, L. Statius I 22, 41 Anm. 71 Rom II 60, 62; IV 31,78,96; vgl. 146,50 Römer II 48; IV 16, 31; V 26 Rosander IV 19, 21 Rufinus, L. Cuspius Pactumeius Rufinus IV 28 Anm. 69, 43, 83, 84, 107 Rufus, Flavius II 15, 16 Salbe, königliche III 21 Anm. 34 Salvius, L. oder P. Salvius Julianus II 9 Sarapis I 38; II 18; III 46-49; IV 97; Zeus Sarapis III 48 Anm. 94; heilige Festtage in Alexandria III 48
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Satyros III 8-10 Sedatus II 48 Anm. 93; IV 16, 43 Selinus II 27 Anm. 46, 51 Anm. 98 Senator (römischer) II 48 Severus, C. Julius IV 12, 71, 77-79,83, 85,90,92 Sizilien II 66' Simonides IV 36 Smyrna 112,17,22,25,42,54; II 7, 11, 12, 17, 18,38,43,50,68,69,80; III 39, 43, 45, 49; IV 41,53,58,73, 85, 92; V 1, 10, 18, 29, 30, 34, 38, 56; Volksversammlung IV 100,101; Volksbeschluß V 30, 56; Anwälte IV 78,79,92; Abgeordnete IV 103; Ratsversammlung IV 87, 88, 92, 96, 99; Ratsherren V 30; Beamte IV 101; Volk I 22; III 38; IV 100-102; Vorsitzender (Prytane?) IV99 Anm. 237; Magistratswahlen IV 88; Steuereinnehmer IV 96 Anm. 224; Dichterwettstreit I 42; Rathaus V 31,34,38; Stadttor nach Ephesos I 20; Hafen I 65; IV 102; V 30; Marktplatz I 22; V 31; Odeon V 30,34; Theater V 30; Vorstadt II 38; Nemeseis IV 41 Anm. 103; Tempel des Asklepios (im Gymnasium) I 17, 19; (im Hafen) IV 102; Tempel der Isis III 45, 49, 50; Priester (dieses Tempels) I 25, 26,40,61; s. auch s.v. Warme Bäder Sokrates 160; IV 15 Sophisma (kluger Kunstgrim II 14 Anm. 27; IV 29 Sophist I 46 Anm. 94; III 8 Anm. 13; IV 61, 95, 100; V 38 Sophokles IV 60 Sosimenes (Traumname des Aristides) V24 Sprichwörter I 2 Anm. 4, 49; II 60 Anm. 108; III 9; IV 33,44,65, 102, 104; V 7 Anm. 12 Statthalter (römische von Asien) I 22, 41; III 38; IV 12, 13,63, 67, 68, 71, 72,75,76,81,83,86,88,94,98, 100, 103, 104, 106, 107; mit magistratischer Vollgewalt IV 77 Anm. 190; sein Sekretär IV 81,85,86; Liktoren IV 90 Steuereinnehmer IV 96
150 Stierjagd s. Pergamon Syrien I 33 Tag- und Nachtgleiche 11 74 Tarsios (Fluß) V 50, 53 Anm. 105, 55 Telemachos I 1; 11 42 Telephos III 12 Anm. 20 Telesphoros 11 10 Anm. 22, 18,27; III 15,21-23 Anm. Ü; IV 16, 46; V 22, 24; sein Tempel in Pergamon 11 18 Anm. 33; Statue im Tempel der Hygieia IV 16 Theodoros IV 53, 54, 70 Theodötes (Traumname) IV 21 Theodotos I 13,55,56; 11 34; IV 21, 42; V57 Theophilos IV 16 Thrakien 11 5 Träume: Deuter 11 13, 72, 73; Doppelträume 11 30 Anm. 58; V 49 Anm.101 Thukydides IV 15 Tiber I 46 Anm. 95 Tyche, Julia III 22 Anm. 39 Tyrrhenisches Meer 11 65 Venus (Planet) IV 55; V 7 Verus, Lucius s. Mark Aurel (Vologaeses) I 36 Anm. 72, 37 Volksbeschlüsse V 30, 56
Index Warme Quellen: bei Smyrna 11 7, 50, 69; III 43, 45; bei Alianoi III 26; bei Gennais 11 17; beim Aisepos IV 2,4; bei Hadrianutherai V 13 Anm. 23, 42 Wasseruhr IV 92 Anm. 215 Weiße Kleider 11 31 Weiße Mädchen (in Delphi) IV 75, 76 Winde (Stürme): Boreas 11 19, 50, 74, 75,76; V 9, 27, 49, 54; Aparktias 11 54; Euros 11 12; Notos V 60; Lips I 65; 11 65 Zenon, M. Antonius(?) I 17 Anm. 37 Zeus I 30, 33; n 77; III 48; IV 40, 71, 105; V 52,66; Tempel des Olympischen Zeus (in Mysien) I 43 Anm. 84; III 41; IV 1, 21, 48, 49, 105; V 10; dortige Statue und Altar III 20; IV 48, 49; heiliger Herold (des Zeus) IV 48; nationales Opfer an Zeus Pan demos V 47 Anm. 96; Zeus der Retter III 39; Altar des Zeus auf dem Markt in Smyrna 111 39; Zeus Asklepios I 45, 78; IV 46; Zeus Sarapis III 48 Anm. 94; Stern des Zeus s. Jupiter Zosimos 127,40,66,69,71,72,74,76; 11 9 Anm. 19; III 3, 12, 16, 37, 47; IV 41 Anm. 102, 69, 103.