Sabine Klomfaß Hochschulzugang und Bologna-Prozess
Sabine Klomfaß
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Sabine Klomfaß Hochschulzugang und Bologna-Prozess
Sabine Klomfaß
Hochschulzugang und Bologna-Prozess Bildungsreform am Übergang von der Universität zum Gymnasium Mit einem Vorwort von Frauke Stübig
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugl. Dissertation Universität Kassel, 2010
. 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch | Sabine Schöller VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18127-1
für meine Eltern
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
1
Bildungsreform am Übergang von der Universität 1.1 Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Teil I: Der Bologna-Prozess . . . . . 1.2.2 Teil II: Der Hochschulzugang . . . . 1.2.3 Teil III: Die Herausforderung . . . .
15 15 18 19 27 33
I
Der Bologna-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
2
Der Gemeinsame Europäische Hochschulraum . . . . . . . . . . . 2.1 Auf dem Weg zum „Europa des Wissens“ . . . . . . . . . . 2.1.1 Drei Vorläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Die Bologna-Konferenzen . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Akzeptanz und Kritik aus Sicht der ‚betroffenen‘ Partner . 2.2.1 Die Rolle der European University Association . . . 2.2.2 Kritik des europäischen Studierendenverbands . . . . 2.3 Hintergründe: Bildungspolitik der EU . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Der Lissabonner Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Die Idee eines Europäischen Qualifikationsrahmens . 2.4 Die Ziele und Themen des Bologna-Prozesses . . . . . . . . 2.4.1 Zentrale Bologna-Anforderungen: zehn Aktionslinien 2.4.2 Wissensgesellschaft und Output-Orientierung . . . .
39 40 42 45 53 54 56 57 58 61 63 63 66
3
Der Bologna-Prozess in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.1 Im Vorfeld von Bologna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3.2 Eine Bologna-Inventur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3.2.1 Akteure und Governance-Struktur . . . . . . . . . . 76 3.2.2 Politische Intentionen und hochschulische Wirklichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.2.3 Bologna-Rhetorik und ernüchternde Entwicklungen . 111 3.3 Paradigmen des Bologna-Prozesses . . . . . . . . . . . . . . 114
zum Gymnasium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
3.4
3.3.1 Wissensgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3.3.2 Output-Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
II
Der Hochschulzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
4
Die Institution des Hochschulzugangs . . . . . . . . . . . . . . . 131 4.1 Selbstverständlichkeiten von Gymnasium und Universität . 134 4.1.1 Das Gymnasium – „Standesschule“ oder „Volksschule“? 137 4.1.2 Die Universität – Bildung durch Wissenschaft . . . . 142 4.2 Die Suche nach Zielen und Inhalten der Hochschulreife . . . 149 4.2.1 „Vertiefte Allgemeinbildung“ . . . . . . . . . . . . . . 152 4.2.2 „Allgemeine Studierfähigkeit“ . . . . . . . . . . . . . 160 4.2.3 „Wissenschaftspropädeutik“ . . . . . . . . . . . . . . 169 4.3 Zwischen Studienberechtigung und Hochschulzulassung . . . 173 4.3.1 Das Abitur – zur falschen Zeit am falschen Ort? . . 174 4.3.2 Die Hochschulzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4.3.3 Konsequenzen der Bildungsexpansion . . . . . . . . 184 4.4 Die Stabilität des Königswegs . . . . . . . . . . . . . . . . . 189
5
Der Hochschulzugang unter dem Einfluss von Bologna . . . . . . 191 5.1 Momente der Prestigesicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5.1.1 Die gymnasiale Schulzeitverkürzung . . . . . . . . . 194 5.1.2 Hochschulische Profilierungsbestrebungen . . . . . . 201 5.1.3 Hervorhebung vertikaler Gliederungslinien . . . . . . 209 5.2 Neues Abstecken der Ziele und Inhalte? . . . . . . . . . . . 212 5.2.1 Die USA als Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 5.2.2 Oberstufenreformen in den Bundesländern . . . . . . 219 5.2.3 Konservative Antworten . . . . . . . . . . . . . . . . 232 5.3 Entwicklungen im Berechtigungs- und Zulassungssystem . . 235 5.3.1 Die Entkopplung von Zertifikat und (Hoch-)Schulform 239 5.3.2 Neues bei der Hochschulzulassung . . . . . . . . . . 244 5.3.3 Auf das Vorzeichen kommt es an. . . . . . . . . . . . 250 5.4 Gesamtbild des gegenwärtigen Hochschulzugangs . . . . . . 252
III 6
8
Die Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Reform des Hochschulzugangs für einen Bildungsraum Europa . 6.1 Agenda-Setting für eine Fortsetzung der Bildungsreform . . 6.2 Ausweitung des Bologna-Prozesses auf die Sekundarstufe II 6.2.1 Anerkennung ausländischer Studienberechtigungen .
265 267 270 272
6.3
7
6.2.2 Das Bologna-Programm in der Sekundarstufe II . . . Plädoyer für die Fachoberstufe . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Abflachen von Hierarchien . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Eine curriculare Alternative zum Gymnasialkorsett . 6.3.3 Anerkennung der Vielfalt als Antwort auf die verlorene Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274 282 284 292 300
Schritte und Schlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
9
Tabellenverzeichnis
3.1 Kategorien des europäischen und deutschen Qualifikationsrahmens (Hochschulbereich) im Vergleich . . . . . . . . . . . . . .
92
4.1 Drei Säulen der Institution Hochschulzugang . . . . . . . . . . 133 4.2 Aufgabenfelder und zugeordnete Schulfächer in der Gymnasialen Oberstufe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5.1 Anzahl von Bachelor- und Masterstudiengängen in Deutschland 5.2 Selektion am Hochschulzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Studienplätze, die über ein lokales oder zentrales Auswahlverfahren vergeben wurden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 De- und Re-Institutionalisierung des gegenwärtigen Hochschulzugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
205 211 247 259
Vorwort
Mit dem Begriff „Bologna-Prozess“ wird eine groß angelegte, supranationale Studienstrukturreform bezeichnet, die in den ausgehenden 1990er Jahren einsetzte und ursprünglich 2010 abgeschlossen sein sollte, de facto aber weitergeführt wird. Damit wollen die europäischen Bildungsminister und -ministerinnen auf den globalen Wandel antworten und einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum als Grundlage für ein „Europa des Wissens“ schaffen. Wissen wird dabei als die wichtigste Ressource begriffen, die zu einer Länder übergreifenden europäischen Identität in kultureller und sozialer Hinsicht führen und eine europäische Bürgerschaft stiften soll. Gleichermaßen soll Bildung und Bildungszusammenarbeit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas stärken. Ein solches Vorhaben hat zum einen eine nationale Hochschulreform zur Voraussetzung, zum anderen zeitigt es in mehrfacher Hinsicht Folgen für die Gestaltung des Hochschulzugangs. Es ist das Verdienst von Sabine Klomfaß, diesen Bezug gesehen und gründlich analysiert zu haben. Keine andere Studie der inzwischen anwachsenden Bologna-Literatur thematisiert ihn bislang explizit. Der doppelte Reformprozess hat eine Dynamik entwickelt, die die Gestalt des deutschen Hochschulwesens schon jetzt entscheidend verändert hat. Zwar hat sich das Tempo gegenwärtig verlangsamt und in den deutschen Hochschulen wird überall die „Reform der Reform“ angemahnt, weil erhebliche Umsetzungsprobleme sichtbar geworden sind, insbesondere die Überregulierung eines ohnehin überfrachteten Curriculums und der Zeitdruck, der aufgrund der Vielzahl von Prüfungen auf Lernenden und Lehrenden lastet. Der Gesamtprozess der Reform wird aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Europäisches Reformpaket und nationaler Umsetzungsdruck zusammen bewirken eine Komplexität, die nur schwer in ihren einzelnen Mechanismen durchschaubar ist. Denn die Reformprozesse können sich auf der einen Ebene als Beschleunigung, auf der anderen Ebene aber als Retardierung auswirken. Hinzu kommt, dass die Kultusminister und -ministerinnen in Deutschland mit dem Bologna-Prozess die Hoffnung verbinden, eine seit Jahrzehnten überfällige Studienreform endlich realisieren zu können. Sabi-
11
ne Klomfaß macht es sich zur Aufgabe, diesen komplexen Prozess genau zu durchleuchten und damit verstehbar zu machen. Der Hochschulzugang rückt dann ins Zentrum, wenn Hochschulbildung als oberste Stufe eines gesamten Bildungssystems betrachtet wird. Massive Veränderungen in den Hochschulen müssten dementsprechend auf die vorgelagerte Bildungsstufe, also die Sekundarstufe II, zurückwirken. Den Hochschulzugang als systemisches Bindeglied zwischen Schulen und Hochschulen zu begreifen, bedeutet daher notwendigerweise, die Sekundarstufe II in den Reformprozess miteinzubeziehen. Mit dieser Sichtweise unterscheidet sich die Untersuchung von Frau Klomfaß von den meisten vorliegenden Studien, die entweder die eine oder die andere Seite des Bildungssystems thematisieren. Zugleich folgt sie damit einer Fragestellung von hoher Relevanz, die insofern eine erhebliche Herausforderung darstellt, als inzwischen auf Seiten der Hochschule deutliche Modernisierungstendenzen im Sinne des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums auszumachen sind, auf schulischer Seite aber eher nationalspezifisch-restaurative Reformansätze greifen. Die vorliegende Arbeit ist in drei Teile untergliedert. Einführend klärt die Verfasserin Fragestellung, theoretischen Kontext, methodische Anlage und zentrale Begriffe ihrer Untersuchung. Leitend ist dabei die in diesem Abschnitt erläuterte Differenzierung des Neo-Institutionalismus zwischen einer kognitiven, einer normativen und einer regulativen Säule von Institutionen, die es Sabine Klomfaß erlaubt, die Analyse des Hochschulzugangs in einzelnen Interpretationsdurchgängen facettenreich vorzunehmen und im Hinblick auf die weiteren Konsequenzen zu strukturieren. Der erste Teil ist dem Bologna-Prozess selbst gewidmet. Er rekonstruiert mit großer Klarheit die Vorgeschichte, Entwicklung und Zielsetzungen sowie die wesentlichen Handlungsfelder des Prozesses, bevor die Implementation und der aktuelle Stand in Deutschland dargestellt werden. Der zweite Teil gilt dem Hochschulzugang. Durch den doppelten Zugriff von historischer Rekonstruktion und Ansatzpunkten aktueller bildungspolitischer Entwicklungs- und Gestaltungsprobleme gewinnt dieser Teil jenseits allen erhellenden Detailreichtums hohe analytische Schärfe. Er gipfelt in zwei Thesen: Zum einen vollziehen sich der Wandel im Sekundarbereich II und im Hochschulbereich unabhängig voneinander, d. h. die jeweiligen Veränderungen sind nicht aufeinander bezogen und folgen keinem bildungspolitischen Gesamtkonzept. Zum anderen wirken die Veränderungen in beiden Bereichen nicht in die gleiche Richtung; während der Hochschulbereich durch nach vorn weisende Neuerungen gekennzeichnet werden kann, gilt für die schulische Seite eher eine Verengung und Restriktion.
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Im dritten Teil der Studie stellt Sabine Klomfaß ihre Schlussfolgerungen vor. Mit Blick auf den Hochschulzugang macht der Gemeinsame Europäische Bildungsraum eine Ausweitung des Bologna-Prozesses auf den Sekundarbereich II notwendig, um die vertikale Anschlussfähigkeit aufeinanderfolgender Bildungssequenzen zu erhöhen und die Durchlässigkeit zwischen alternativen Bildungswegen zu vergrößern. Mit Blick auf den Sekundarbereich II schlägt sie vor, den „Königsweg“ zum Abitur, also die herkömmliche Gymnasiale Oberstufe unangetastet zu lassen, aber daneben eine „Fachoberstufe“ einzuführen, die zu einer fachgebundenen Hochschulreife führt. Damit wäre die Hierarchie der Bildungswege verringert und der zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft Rechnung getragen. Mit diesem originellen Vorschlag erweist sich die Verfasserin als bildungspolitisch engagierte Streiterin für ein sozial gerechteres Bildungswesen, das auch dann in Bewegung geraten könnte, wenn sich ihr Vorschlag nicht realisieren lässt, aber die Strukturfragen neu gestellt werden. Die Ergebnisse ihrer gründlichen Studie dürften für die Hochschul- sowie die Schulforschung gleichermaßen interessant und für die weitere bildungspolitische Diskussion unverzichtbar sein. Frauke Stübig
13
1
Bildungsreform am Übergang von der Universität zum Gymnasium
1.1
Fragestellung
Das Projekt zur Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums – bekannt unter dem Namen Bologna-Prozess – versetzt seit einem Jahrzehnt die Hochschulen in helle Aufregung. Europaweit haben hochrangige Bildungspolitiker1 gemeinsam eine Hochschulreform eingefordert und diese auch erfolgreich eingeleitet. Der Bologna-Prozess kann mit einem ‚Großreinemachen‘ im Hochschulbereich verglichen werden, bei dem inzwischen weit über vierzig europäische Staaten mit einem gemeinsamen Set von Instrumenten, den so genannten Aktionslinien, ihre jeweiligen Hochschulsysteme zu modernisieren versuchen. Das Ziel ist jedoch nicht nur eine Bildungsreform auf nationaler Ebene, sondern auch eine strukturelle Angleichung (Isomorphie) der Hochschulsysteme auf der internationalen Ebene als Basis für den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum. Der Bologna-Prozess stellt somit ein „Zwei-Ebenen-Spiel“ (Two-level Game) im Sinne der Putnam’schen Metapher dar: Putnam (1988, S. 434) bezeichnet damit die Entwicklung von Politikstrategien in unterschiedlichen Arenen, die von denselben Akteuren vertreten werden. Die Komplexität dieses ‚Spiels‘ liegt darin, dass Handeln, das auf einer politischen Ebene dringend geboten erscheint, auf einer anderen Ebene als politisch unklug oder irrelevant gelten kann. Gleichzeitig bietet dieses ‚Spiel‘ aber auch die Möglichkeit, durch den Verweis auf die jeweils andere Ebene Macht zu gewinnen, um das politische Vorgehen gemäß der eigenen Vorstellungen zu beeinflussen und bestimmen 1
In dieser Arbeit wird bei Personenbezeichnungen für den Singular grundsätzlich die weibliche Form und für den Plural die männliche gewählt, wobei jeweils das andere Geschlecht mitgemeint ist, sofern keine weitere Präzisierung erfolgt. Mit dieser Vorgehensweise soll einerseits die Lesbarkeit erleichtert werden, andererseits wird das ‚Mitmeinen‘ problematisiert. Wenn die Kennzeichnung des Femininums am Singular zu kleinen Leseirritationen führt, erinnert das vielleicht daran, dass es keinesfalls ganz selbstverständlich ist, das andere Geschlecht schlicht ‚mitzumeinen‘.
15 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
zu können. Die strategische Selbstbindung der deutschen Bundesregierung und der Bundesländerregierungen an den Bologna-Prozess hat auf diese Weise dazu geführt, Reformen im Hochschulbereich durchzusetzen, die zuvor im intranationalen Kontext als undenkbar oder undurchführbar galten. „Die Hochschullandschaft in Deutschland erlebt gegenwärtig einen grundsätzlichen Gestaltwandel, der in seiner Bedeutsamkeit und Folgewirkung nur noch mit den humboldtschen Reformen zu vergleichen ist“, konstatiert Terhart (2005, S. 101). Nicht nur die alten Hochschulabschlüsse Magister und Diplom sind durch den Bologna-Prozess zu Auslaufmodellen degradiert worden, sondern auch traditionelle Werte, Vorstellungen und Selbstverständlichkeiten der Universitäten und Fachhochschulen stehen in Frage. Durch das Reformpaket auf der europäischen Ebene ist mittlerweile ein Anpassungsschub ausgelöst worden, der mehr Druck auf das deutsche Hochschulsystem ausübt als jeder nationale Reformversuch zuvor, weil durch die Öffnung der europäischen Bildungssysteme zueinander deren Vielfalt zum neuen Rahmen des Möglichen wird. Der Bologna-Prozess fokussiert den Bereich der Lehre. Das heißt, das europäische Reformpaket ist primär an die Hochschulen als Bildungseinrichtungen adressiert und nicht an die Forschungsorganisationen oder Wissenschaftsdienstleister. Die Hochschulen werden deshalb als Teil des Bildungssystems betrachtet, genauer: als seine höchste Stufe. Wenn nun durch den Bologna-Prozess dieser Bereich derart verändert wird, dass innerhalb von nur einem Jahrzehnt fast nichts mehr so sein wird, wie es einmal war (vgl. Terhart 2005, S. 101), dann stellt sich die wichtige Frage, welche Konsequenzen diese Reform auf die vorgelagerte Stufe – die schulische Sekundarstufe II – haben wird. Diese Auswirkungen müssen am Hochschulzugang, also an der Schnittstelle zwischen beiden Bildungsstufen, sichtbar werden. Dass der Bologna-Prozess auf Veränderungen des Hochschulzugangs hin wirkt, wird sowohl auf der intra- als auch auf der internationalen Ebene der Hochschulreform folgendermaßen begründet: Intranationaler bzw. föderaler Reformdruck Der Hochschulzugang wird in Deutschland im Wesentlichen über formale Berechtigungen der abgebenden Bildungseinrichtung (hauptsächlich durch das Abitur) geregelt. Die Voraussetzung für diese Anschlussfähigkeit zwischen der abgebenden und der aufnehmenden Bildungseinrichtung ist ein hohes Maß an Einheitlichkeit (vgl. Hanft/Pechar 2005, S. 53). Es besteht allerdings kein Zweifel, dass diese Einheitlichkeit, die bei der Institutionalisierung des Hochschulzugangs im 19. Jahrhundert noch vorhanden gewesen
16
sein mag, über die Jahrhunderte hinweg zerfallen ist – forciert durch die Differenzierung der Wissenschaften und durch die Bildungsexpansion. Nicht nur das Wissen und die Anforderungen der aufnehmenden Hochschulen werden ständig spezialisierter, sondern durch die Bildungsexpansion erwerben zunehmend mehr Schüler auf unterschiedlichen Wegen eine Studienberechtigung, so dass die Annahme einheitlicher Bildungsbiographien der Realität immer weniger entspricht (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 194). Der Verlust der Einheitlichkeit des Hochschulzugangs spiegelt sich u. a. auch in den Bestimmungen zum Hochschulzugang in den Hochschulgesetzen der Bundesländer, die sich zunehmend voneinander unterscheiden. Man kann den Bologna-Prozess nun als Versuch interpretieren, die fortgesetzt steigende wissenschaftliche und gesellschaftliche Diversifizierung im Tertiärbereich des Bildungswesens aufzunehmen. Im Sekundärbereich hingegen werden die einheitlichen gymnasialen Strukturen und Normen erhalten. In der Folge ‚funktioniert‘ die traditionelle Logik des Hochschulzugangs immer weniger, weil das gymnasiale Konzept der Allgemeinen Hochschulreife in zunehmende Spannung zur Vielfalt und Spezialisierung an den Hochschulen gerät. Bleiben verbindende Reformen im Sekundarschulbereich aus, droht die Anschlussfähigkeit der abgebenden und aufnehmenden Bildungseinrichtungen endgültig verloren zu gehen. Internationaler bzw. europäischer Reformdruck Hochschulen und insbesondere Schulen sind im Wesentlichen national konstituiert und regional geprägt; sie gehören zur kulturellen Identität einer Gemeinschaft. Daher ist es kein Zufall, dass Fragen der Bildung bislang nicht in die Regelungskompetenz der europäischen Institutionen überantwortet worden sind, obwohl eine Vereinheitlichung der Strukturen die Freizügigkeit innerhalb des zusammenwachsenden Europas fördern könnte (vgl. Holzapfel 2003, S. 168); insofern war die Akzeptanz und Tragweite des BolognaProzesses auch ungewöhnlich innerhalb der europäischen Bildungspolitik. Die Reform des Hochschulsektors erzeugt nun aber weiteren Druck auf die einzelnen nationalen Bildungssysteme – und zwar über den Hochschulbereich hinunter auch auf die zubringenden Schulen. Denn die gegenseitige Öffnung der Hochschulzugangssysteme im Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum tangiert auch die nationalspezifischen schulischen Qualifikationen, da diese Abschlüsse überall als notwendige Instrumente zur Steuerung des Hochschulzugangs fungieren. Der Hochschulzugang ist bislang wenig in die Bologna-Reformdiskussionen
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einbezogen worden. Dies könnte daran liegen, dass vielerorts der BolognaProzess vor allem mit der Einführung des gestuften Studiensystems und den neuen Bachelor- und Masterabschlüssen assoziiert wird. Eine stärkere Öffnung der Hochschulen dürfte an vielen Hochschulen seltener als wesentliches Ziel des Bologna-Prozesses wahrgenommen worden sein. Mehr Durchlässigkeit – auch durch die Anerkennung und Anrechnung von nicht nur formal (schulisch), sondern auch informell und non-formal erworbenen Kompetenzen – bei den Zu- und Übergängen im Hochschulbereich für individuelle Bildungswege zu schaffen, ist freilich ein Hauptanliegen der europäischen Hochschulreform. Zwischen Intention und Realisierung aber gibt es große Unterschiede. Daher soll einerseits geprüft werden, inwiefern die gegenwärtigen Veränderungen am Hochschulzugang kompatibel sind mit den zentralen Bologna-Anforderungen (vgl. Hanft/Pechar 2005, S. 52), und andererseits, welche Konsequenzen sich daraus für das deutsche Bildungssystem ergeben. Die Analyse dieser Veränderungen wird weiteren Reformbedarf insbesondere für die schulische Seite des Hochschulzugangs offenlegen. Wie kann demgemäß die Etablierung des Gemeinsamen Europäischen Hochschul raums fortgeführt und ausgeweitet werden auf das Projekt, einen gemeinsamen Bildungsraum zu schaffen? Das Verhältnis zwischen sekundärer und hochschulischer Bildung kann in Anlehnung an Clark (1985, S. 1) als zweispurige Straße beschrieben werden: Von der Schule zur Hochschule sehen wir den Fluss der Lerner, die in der Schule qualifiziert, selektiert, orientiert und mit Zertifikaten ausgestattet zu den Hochschulen weitergeschickt werden. In der Gegenrichtung zieht aber nicht nur das schulische Personal (gemeint sind in erster Linie die Lehrkräfte) von den Universitäten wieder an die Schulen; ebenso wirken die curricularen Anforderungen und andere Regularien (z. B. Zulassungsverfahren) der Hochschulen zurück, auf die die zubringenden Schulen in der Sekundarstufe II entsprechend vorbereiten müssen. Was fließt also von den Bologna-Hochschulen zurück in die Schulen? Bildungsreform am Übergang von der Universität zum Gymnasium – in dieser Studie wird demgemäß der Hochschulzugang in Richtung der Bildungsreform von oben nach unten betrachtet – entgegen dem systematischen Aufbau des Bildungswesens, der dem Gang der Lerner folgt. 1.2
Aufbau der Studie
Die Studie ist in drei Teile gegliedert: Während es in Teil I Der BolognaProzess darum geht, die Zielsetzungen und die Reichweite der politisch in-
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itiierten Bildungsreform zu verstehen, steht in Teil II Der Hochschulzugang als Institution im Mittelpunkt. Teil III hebt sich von den vorherigen insofern ab, als die beschreibende, analysierende und interpretierende Ebene verlassen wird, um Vorschläge für eine Weiterführung des Bologna-Prozesses auf der vorgelagerten Bildungsstufe zu entwickeln – das ist Die Herausforderung. 1.2.1
Teil I: Der Bologna-Prozess
Der Bologna-Prozess markiert zweifellos einen „Wendepunkt europäischer Hochschulpolitik“ (Walter 2006). Was genau aber sind die Ziele der europäischen Hochschulreform? Inwiefern stellt dieses Projekt europäische und nationale Traditionen im Hochschulbereich in Frage (vgl. Bredl et al. 2006, S. 37)? Und mit welchen Folgewirkungen ist zu rechnen, die sich wegen der vielfältigen Verflechtungen zwischen Berechtigungen und Berufskarrieren, zwischen Bildungsstand und sozioökonomischem Status sowie durch unterschiedliche Erwartungen an die hochschulische Bildung in Gesellschaften ergeben, in denen Wissen als zentrale Ressource angesehen wird (vgl. Schriewer 2007, S. 182)? Um diese Fragen einschätzen zu können, ist es unverzichtbar, die Motive für die Entstehung, die Funktionsweise und die Konsequenzen des Bologna-Prozesses zu betrachten. Dabei werden die interund die intranationale Perspektive im „Zwei-Ebenen-Spiel“ unterschieden und in jeweils eigenen Kapiteln untersucht. Zunächst wird in Kapitel 2 herausgearbeitet, dass die Hochschulreform auf europäischer Ebene wesentlich mit gesellschaftlichen Anforderungen begründet wird, die sich aus den europäischen Integrationsbemühungen ergeben. Der Gemeinsame Hochschulraum soll die Verständigung zwischen den Bologna-Mitgliedsländern und ihren Bürgern fördern sowie zur europäischen Identitätsentwicklung beitragen. Gleichermaßen wichtig sind aber auch ökonomische Motive: Dabei geht es einerseits um die Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte für Europa als wissensbasiertem Wirtschaftsraum und andererseits um die Bedeutung des europäischen Hochschulraums im globalisierten Bildungsmarkt. Wie aus diesen übergeordneten Zielen schließlich das aktuelle Bologna-Programm mit zehn Aktionslinien geworden ist, ist anhand der Bologna-Konferenzen nachzuvollziehen, die im Zweijahresrhythmus stattfinden und den Fortgang des Prozesses dokumentieren. Dieses Programm repräsentiert die zentralen Anforderungen der europäischen Hochschulreform. In Kapitel 3 rückt die deutsche Umsetzung des Bologna-Prozesses in
19
den Fokus, die Bloch et al. (2006, S. 134) treffend als „Dammbruch nach einem langen Reformstau“ beschreiben. Mindestens seit drei Jahrzehnten, also etwa seit Mitte der 1970er Jahre, hatten Reformversuche im Hochschulbereich keine nennenswerten Wirkungen erzielen können. Dabei ist die „Dysfunktionalität der Hochschulstrukturen“ (ebd.) damals wie heute sehr ähnlich wahrgenommen und diskutiert worden. Zu den ungelösten Problemen zählen die lange Dauer der deutschen Studiengänge, die hohe Abbrecherquote, die vermeintlich fehlende Internationalität und auch die so genannten „Massenhochschulen“, die durch die Überfüllung der Universitäten und Fachhochschulen entstanden, als der Ausbau der obersten Bildungsstufe längst nicht mehr die vehement angestiegene Studiennachfrage auffangen konnte. Der Bologna-Prozess hat dann, wie Teichler (2005, S. 301) schreibt, eine wachsende „Bologna-Euphorie“ ausgelöst, die „zuweilen in einen ‚Bologna-Dogmatismus‘ über[geht], bei dem es nur noch um – gute – Verwirklichung und – böses – Abweichlertum geht.“ Vergleicht man die einzelnen politischen Zielsetzungen (die Bologna-Aktionslinien) mit den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Bologna-Umsetzung, ergibt sich ein ernüchterndes Bild der Bologna-Wirkungen in Deutschland. Eine ‚Bologna-Inventur‘, eine Bestandsaufnahme der Bologna-Aktionslinien zwischen politischer Problematisierung und hochschulischer Wirklichkeit steht im Zentrum dieses Kapitels; sie bildet die Grundlage für das in dieser Studie entwickelte Verständnis der Hochschulreform. Ein weiteres Ergebnis des ersten Teils ist die Beschreibung von zwei Bologna-Paradigmen. Bereits auf europäischer Ebene in Kapitel 2 angedeutet und dann in Kapitel 3 vertiefter ausgeführt, stellen die „Wissensgesellschaft“ und die „Output-Orientierung“ neuere Deutungszusammenhänge dar, die in der Wahrnehmung, der Diskussion und in den Lösungsstrategien des Bologna-Programms – auf beiden Politikebenen – charakteristisch sind. Im Paradigma der Wissensgesellschaft steht die Bildungsbeteiligung als Faktor für gesellschaftlichen Wohlstand im Vordergrund. Das Paradigma der Output-Orientierung verspricht eine allgemeine Effizienzsteigerung durch die Eröffnung eines Wettbewerbs für verschiedene Wege. Die Beobachtung der Paradigmen ist interessant, weil daran illustriert werden kann, wie erfolgreiche Argumentationen auf andere Bereiche übertragen und Strategien kopiert werden (z. B. durch bestimmte Begriffe, methodische Zugänge etc.), was beispielsweise im Zuge des Abbaus von Grenzen zwischen den Nationalstaaten und der Globalisierung zu einer Verbreitung des neuen Paradigmas sowie zu einer Ablösung alter Denkweisen führt (vgl. SchreiberBarsch/Zeuner 2007, S. 696).
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Theoretische Orientierung: Policy-Forschung Die inhaltliche Dimension von Politik, die mit dem englischen Begriff Policy bezeichnet wird, steht im ersten Teil der Studie im Zentrum. Policy meint das konkrete politische Vorhaben, also die Festlegung auf spezifische Ziele und Strategien, um bestimmte Probleme zu lösen. Der Policy-Forschung geht es demgemäß darum, „sämtliche Kräfte, Einflüsse und Bedingungen zu untersuchen, die das Handeln der Träger öffentlicher Politiken formen oder bestimmen, und deren Resultate sich in Absichten, Programmen und deren Umsetzung manifestieren. Gleichzeitig impliziert es aber auch das Studium von Faktoren, die verantwortlich dafür sind, dass manchmal Ziele und Intentionen nur Absichten bleiben und letztlich bestimmte öffentliche Aufgaben vom staatlich-institutionellen Sektor nicht erbracht werden.“ (Schneider/Janning 2006, S. 17)
Zwar soll in dieser Studie keine detaillierte Policy-Analyse der europäischen Hochschulreform durchgeführt werden, aber die Übernahme einiger prozessualer und struktureller Elemente der Policy-Forschung hat sich aus meiner Sicht als fruchtbar erwiesen, um den Bologna-Prozess verstehen zu können. Wichtig ist insbesondere a) die Betrachtung von Politik als Problemverarbeitungsprozess und b) die Analyse der Akteure, Kooperationen und Politikebenen. Ad a: Policy-Prozess Eine Policy wird als Problemverarbeitungsprozess definiert, der in mehrere Phasen eingeteilt ist (vgl. Schneider/Janning 2006, S. 48 ff.). Idealtypisch besteht ein solcher Policy-Prozess aus sechs Phasen: Problemdefinition, Agenda-Setting, Programmformulierung, Implementation, Evaluierung und Terminierung. Diese Phasen werden am Beispiel einer BolognaAktionslinie erläutert: Zunächst muss ein Problem als solches überhaupt wahrgenommen werden, beispielsweise in der Art, dass ein Zustand als nicht erwünscht angesehen wird (Problemdefinition). Eine hohe Studienabbruchquote ist ein solches Problem. Sobald dieses Problem auf die politische Tagesordnung gesetzt wird, ist schon die zweite Phase des Policy-Prozesses erreicht: Das Problem soll bearbeitet und gelöst werden (Agenda-Setting). Das Ziel einer Verbesserung von Abschlussquoten findet sich in einem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK 1997, S. 6) zur „Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit“. Man erkennt, wie das Problem des Studienabbruchs in den größeren Rahmen der als notwendig wahrgenommenen Studienreform eingebettet wird. Im gleichen Beschluss wird auch eine
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Lösungsstrategie für das Problem vorgeschlagen, nämlich gestufte Studiengänge einzuführen (Programmformulierung). An anderer Stelle, auf einer anderen Agenda, nämlich bei der Bologna-Konferenz 1999, schafft es dieses Programm zur Einführung eines gestuften Studiensystems sogar auf Platz 1 der Maßnahmen, mit denen ein Gemeinsamer Europäischer Hochschulraum gebildet werden soll. Interessant ist dabei, dass dieselbe Maßnahme auf der europäischen Ebene im Zusammenhang mit einem ganz anderen Problem steht: In Bologna werden hohe Studienabbruchquoten gar nicht erwähnt, stattdessen geht es prioritär um fehlende Vergleichbarkeit. Auf der europäischen Agenda wird das Programm zunächst weiter entfaltet, bevor die vierte Phase des Policy-Prozesses zurück auf der nationalen Ebene beginnt: Durch entsprechende Gesetze, Verordnungen oder Kooperationen auf Bundesländerebene werden die deutschen Hochschulen angehalten, ihr Studienangebot bis zum Jahr 2010 auf das neue System umzustellen. Die Hochschulen kommen dieser Vorgabe unterschiedlich schnell nach (Implementation). Derweil wird der Stand der Umsetzung kontinuierlich dokumentiert, beispielsweise durch den „Hochschulkompass“ der HRK, in dem das komplette deutsche Studienangebot abgebildet ist. Sind im Jahr 2010 tatsächlich alle Studiengänge umgestellt, könnte ein Schlussstrich unter diesen Policy-Prozess gezogen werden (Terminierung). Zuvor jedoch ist in der fünften Phase zu klären, ob nicht nur die vereinbarten Maßnahmen programmgemäß umgesetzt wurden, sondern auch, ob tatsächlich das Problem gelöst worden ist (bzw. ob es sich nur verlagert oder gar vergrößert hat). Daher ist zu fragen, ob die Studienabbruchquote in Deutschland tatsächlich gesenkt und die europäische Vergleichbarkeit der Studiengänge erhöht werden konnte und welche anderen Wirkungen mit diesen Veränderungen verbunden sind (Evaluierung). Im Wintersemester 2008/2009 sind mittlerweile 75 Prozent des gesamten Studienangebots auf die gestufte Studienstruktur umgestellt (vgl. Greisler/Hendriks 2008a, S. 5), aber ob das neue Angebot auch dazu beiträgt, die Studienabbruchquote zu senken, wird weiterhin bezweifelt (vgl. Heublein et al. 2008). Sollte sich der Befund ergeben, dass das Problem nicht gelöst werden konnte, kann ein erneuter Einstieg in die erste Phase des Policy-Prozesses erfolgen, wenn das Ergebnis als neues Problem definiert wird. In diesem Fall beginnt ein nächster Policy-Zyklus. Tatsächlich verlaufen diese Policy-Prozesse sehr unterschiedlich: Einige Bologna-Aktionslinien kommen über die Phase des Agenda-Settings nicht hinaus, andere werden innerhalb eines Policy-Zyklus umdefiniert. Nur bei wenigen ist der Policy-Prozess so stringent angelegt, durchgeführt und dementsprechend nachvollziehbar, wie am Beispiel der gestuften Studien-
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gänge illustriert. Im Vergleich zu einem ausschließlichen Blick auf Intention und Wirkung – bei dem alles, was davor, dazwischen und dahinter liegt, unbeachtet bleibt – ermöglicht es die Analyse solcher Policy-Prozesse, das Gelingen, Stocken oder Scheitern der Bologna-Aktionslinien in den verschiedenen Prozessphasen besser erklären und bewerten zu können. Die Akteure als Träger politischer Handlungen und ihre Konstellationen in Politikfeldern werden bei der Betrachtung der Policy-Prozesse zunächst weitgehend ausgeblendet. Ihre Bedeutung wird innerhalb der Policy-Analyse erst im Zusammenhang mit Kooperationen auf verschiedenen Politikebenen entfaltet. Ad b: Akteure, Kooperationen und Politikebenen Ein Policy-Zyklus ist ein Modell des Problemverarbeitungsprozesses. Probleme verarbeiten sich jedoch nicht von selbst, sondern werden von verschiedenen Akteuren wahrgenommen, definiert, diskutiert, angegangen und schließlich vielleicht auch gelöst. Diese Akteure stehen im politischen Prozess auf verschiedenen Ebenen in unterschiedlichen Konstellationen. Zunächst zum Begriff der „Akteure“, mit dem der Aspekt des aktiven und verantwortlichen Handelns betont wird: Dabei ist hervorzuheben, dass dieses Handeln in einem institutionellen Raum stattfindet, in dem die Akteure gewisse Regeln einzuhalten haben sowie Normen und Werten verpflichtet sind, die ihre Existenz als individuelle, korporative oder kollektive Akteure im Policy-Prozess ausmachen. Die Rede vom Staat oder von Organisationen als Akteuren ist etwas verkürzt, weil genau genommen nur Personen die Rolle von Akteuren übernehmen können und in ihrem Handeln auch immer ihre Persönlichkeit zum Ausdruck bringen. Trotzdem wird in dieser Studie fast durchgängig auf die Nennung konkreter Personen als BolognaAkteure verzichtet – nicht, um von ihrer persönlichen Verantwortung als politisch Handelnde abzulenken, sondern weil es im Bologna-Prozess nur selten um individuelle Akteure geht. Entscheidend sind vielmehr die korporativen oder kollektiven Akteure in ihren komplexen Konstellationen (vgl. Scharpf 2000, S. 101 ff.). Die European University Association (EUA) beispielsweise wurde gegründet, um eine kollektive Akteurin zu kreieren, die die Vertretung der Universitäten in Europa bei den Bologna-Konferenzen übernehmen kann. An diesem Beispiel wird bereits deutlich, dass nicht nur staatliche Akteure in einer Policy beteiligt sind. Der Bologna-Prozess ist zwar einerseits ein hierarchisch strukturiertes politisches Programm, das durch den staatlichen Apparat von oben nach unten gesteuert und implementiert wird; anderer-
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seits ist die europäische Hochschulreform aber auch ein Produkt von Kooperationen staatlicher und nicht-staatlicher Akteure. Im Folgenden wird diese Strategie, für die Erfüllung komplexer Aufgaben die aus dem öffentlichen oder privaten Sektor Beteiligten bzw. ‚Betroffenen‘ als Partner in den Politikprozess einzubinden, als eine Variante neuerer Steuerungsmodelle mit dem englischen Ausdruck Modern Governance bezeichnet. Mayntz (2004, S. 66) definiert Governance im modernen Staat allgemein als „das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte.“ Governance ist insofern der Oberbegriff für verschiedene politische Steuerungsformen. Die für den Bologna-Prozess wichtige Modern Governance-Variante der Kooperation staatlicher und von der Policy betroffener Akteure beruht auf der Annahme, dass allein durch regulative Normierung und staatlich oktroyierte Maßnahmenpakete kein Verhalten erzwungen werden kann, bei dem es auf engagierte und motivierte Mitarbeit ankommt (vgl. Mayntz 2004, S. 68). Im Unterschied zu vollständig privatisierten Politikfeldern behält der Staat im Bologna-Prozess jedoch eine wichtige Rolle und versucht als Primus inter pares durch Kooperationen mit gesellschaftlichen und professionellen Akteuren (Hochschul- und Studierendenvertretungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, fachwissenschaftliche Berater etc.) die Hochschulreform voranzubringen. Auf diese Weise werden Steuerung und Kontrolle zu Prozessen der Interaktion zwischen kooperativen Akteuren, wobei zwischen dem Subjekt und dem Objekt der Steuerung oft keine eindeutige Trennlinie mehr gezogen werden kann (vgl. Benz 2004a, S. 130). Der Vorteil dieser Partnerschaften in Politikfeldern liegt auf der Hand: Durch die Beteiligung kann Zustimmung für ein bestimmtes Vorgehen erzielt und vorhandene Expertise aus dem Feld erschlossen werden. Ferner können auch Aufgaben – wie die Vorbereitung von Entscheidungen oder die Zusammenstellung von Politikprogrammen – delegiert werden (vgl. Mayntz 2004, S. 69). Ein Nachteil wird darin gesehen, dass Entscheidungen nicht ausschließlich von den demokratisch legitimierten Instanzen getroffen, sondern zu einem großen Teil informell und für die Öffentlichkeit wenig transparent vorgefasst werden (vgl. Benz 2004a, S. 130). Auch diese Kritik wird in der Diskussion der europäischen Hochschulreform formuliert (z. B. Keller 2004, S. 20). Neben den Kooperationen sind die politischen Arenen im Bologna-Prozess wichtig, in denen sich die verschiedenen Akteure begegnen. Einleitend wurde bereits darauf verwiesen, dass der Bologna-Prozess als ein ‚Zwei-EbenenSpiel‘ anzusehen ist, das einerseits auf der internationalen Ebene zwischen den Bologna-Mitgliedsländern und andererseits auf der intranationalen Ebe-
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ne stattfindet. Ein genauerer Blick zeigt, dass der Bologna-Prozess sogar ein ‚Multi-Ebenen-Spiel‘ ist, wobei das Verhältnis der Ebenen zueinander nicht nur hierarchisch (vertikal), sondern auch kooperativ (horizontal) konstituiert bzw. bildlich formuliert: ‚ineinander verschlungen‘ ist. Solche „Mehrebenensysteme“, so Benz (2004a, S. 126), entstehen „durch Aufteilung von Macht oder Kompetenzen auf territorial abgegrenzte Organisationen“ und stellen in Deutschland eher die Regel als die Ausnahme dar. Mayntz (2004, S. 69) weist darauf hin, dass es im deutschen Föderalismus kaum „von der Bundes- bis zur lokalen Ebene durchlaufende Instanzenzüge“ gibt, da die „historisch bis zu den Stein-Hardenbergschen Reformen zurückreichende lokale Selbstverwaltung die Reichweite staatlicher Bürokratien“ einschränke. Durch mannigfaltige „Abhängigkeitsbeziehungen zwischen verschiedenen, nicht fest in die gleiche Hierarchie eingebundenen Behörden“, so Mayntz (ebd.) weiter, wachse „auch im rein staatlichen Bereich die Notwendigkeit der Kooperation zwischen (relativ) autonomen Akteuren.“ Ein Beispiel dafür ist die Kooperation von Bund und Ländern im Bologna-Prozess: Zwar ist der Bund als übergeordnete Instanz anzusehen, dennoch fällt die Hochschulreform im Wesentlichen in die Kompetenz der Länder. Tatsache ist, dass beide Instanzen, BMBF und KMK, zusammenarbeiten (eine vertikale Politikverflechtung, vgl. Benz 2004a); dementsprechend nimmt je eine Vertreterin des Bundes und eine der Länder an den internationalen Bologna-Konferenzen teil. Außerdem ist impliziert, dass die Bundesländer auch untereinander kooperieren – als Voraussetzung, um eine gemeinsame Vertreterin entsenden zu können. Im deutschen Bologna-Prozess ist die Ebene der Länderkooperation (eine horizontale Politikverflechtung) besonders wichtig, denn wesentliche Beschlüsse, die die Hochschulreform in den Bundesländern implementieren, sind von der KMK gefasst worden. Kurz und bündig ist der Bologna-Prozess als Policy-Bündel zu verstehen, wobei auf verschiedenen – vertikal und horizontal verschlungenen – politischen Ebenen staatliche und nicht-staatliche Akteure miteinander kooperieren, um den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum zu gestalten. Um sich die Größe und Komplexität dieser Policy vor Augen zu führen, kann man sich vorstellen, wie auf einer der obersten Ebenen gerade eine Bologna-Konferenz der europäischen Bildungsminister stattfindet, während gleichzeitig auf einer der untersten Ebenen ein Fachbereichsrat an einer nordhessischen Universität die Einführung eines neuen Master-Studiengangs beschließt. Anzumerken bleibt, dass die Fokussierung auf die inhaltliche Dimension von Politik in der Policy-Analyse die Ausblendung anderer Dimensionen
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bedingt, derer man sich bewusst sein sollte: Versteht man Politik nur als Prozess der (erfolgreichen oder scheiternden) Problemverarbeitung, gerät dabei insbesondere die Machtdimension aus dem Blick. In Anlehnung an Mayntz (2004, S. 75) darf aber nicht vergessen werden, dass es in der Politik nicht nur um die Lösung von Problemen als Erfüllung öffentlicher Aufgaben geht, sondern auch um den „Gewinn und Erhalt von politischer Macht“. Was auf die politische Tagesordnung gesetzt wird und was nicht, hängt insofern nicht nur von einer ‚objektiven‘ Problemwahrnehmung ab, sondern auch von machtpolitischem Kalkül, beispielsweise um „gruppenspezifische Partikularinteressen zu fördern, [. . .] Pfründe zu erwerben und die Ausübung von Macht zu genießen“ (ebd.). Machtstreben ist eine Dimension von Politik, die in allen Phasen eines Policy-Prozesses bedeutsam sein kann. Auch Schneider und Janning (2006, S. 224) stellen klar, dass öffentliche Politik „weiterhin Macht- und Interessenkampf“ bleibt, selbst wenn sie „auf das Lösen gemeinschaftlicher Probleme gerichtet ist.“ Die Entscheidung, diese Dimension im ersten Teil der Arbeit dennoch weitgehend beiseite zu lassen, ist durch die Fragestellung der Studie begründet: Es geht vorrangig darum, genauer zu verstehen, was der Bologna-Prozess eigentlich ist, und weniger darum, wem die Hochschulreform (machtpolitisch) nützt. Bologna-Literatur Die Analyse des Bologna-Prozesses wurde auf den Stand des Frühjahrs 2009 begrenzt. Eine Schwierigkeit bei der Literaturrecherche ist die Dynamik der europäischen Hochschulreform: Die laufend erscheinenden politischen Stellungnahmen und wissenschaftlichen Studien führen zu einer quantitativ explodierenden und dennoch schnell wieder veralteten Datenlage. In Bezug auf die ausgewählte Literatur bietet es sich an, zwischen drei Textsorten zu unterscheiden: - Eine wichtige Datenbasis sind die politischen Dokumente des BolognaProzesses: Deklarationen und Kommuniqués, Gesetzestexte und Verordnungen sowie die „Nationalen Berichte“ von staatlichen Akteuren einerseits und Positionspapiere, Empfehlungen und Stellungnahmen von nicht-staatlichen Akteuren andererseits. - Um den Stand der Umsetzung zu erfassen, waren wissenschaftliche Untersuchungen aus dem Bereich der Hochschulforschung unverzichtbar, international: Alesi et al. (2005) und die Trends-Berichte der EUA (Haug 2000; Haug/Tauch 2001; Reichert/Tauch 2003; Reichert/ Tauch 2005; Crosier et al. 2007); mit Blick auf Deutschland: Schwarz-
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Hahn/Rehburg (2003) und die Vielzahl einschlägiger Studien der Hochschul-Informations-System GmbH, z. B. Heublein et al. (2008); Isserstedt/Link (2008); Heine et al. (2007); Isserstedt et al. (2007); Heine et al. (2006); Leszcensky/Wolter (2005). - Die Hochschulreform wurde wohl in allen hochschulischen Disziplinen zum Anlass für das Verfassen von affirmativen bis abschätzigen Stellungnahmen genommen. Diese Flut von Texten, die meist von persönlichen Erfahrungen der Autoren geprägt sind, wird als eine eigene Datenquelle betrachtet, durch die die Aufnahme des Bologna-Prozesses an den Hochschulen dokumentiert wird. Allerdings kann nicht geltend gemacht werden, dass die vielfältigen Reaktionen auf die Hochschulreform systematisch erfasst worden wären. Die Einschätzungen von Wissenschaftlern, Mitgliedern aus Hochschulverwaltungen, Studierenden und Politikern mit ihren Wortschöpfungen und wiederholten Redewendungen (z. B. „Verfachhochschulung“ und „der alte Wein in neuen Schläuchen“) können nicht mehr als Blitzlichter sein, mit denen jedoch Stimmungen und Meinungen eingefangen werden konnten, die man mit Experteninterviews nicht besser hätte erfassen können. 1.2.2
Teil II: Der Hochschulzugang
Der Bologna-Prozess beinhaltet Veränderungen des Hochschulzugangs, allerdings ist die Thematisierung dieses Punktes bislang nur halbherzig erfolgt. Halbherzig deshalb, weil – wenn überhaupt – nur die hochschulische Seite des Zugangs im Kontext der Hochschulreform diskutiert wurde (wie die Notwendigkeit neuer Auswahlverfahren), während die schulische Seite ausgeblendet bleibt. So ist beispielsweise bisher das Abitur als Studienberechtigung nicht in Frage gestellt worden (vgl. Banscherus 2007, S. 47). Der deutsche Hochschulzugang muss aber als Institution gesehen werden, die sowohl aus einer schulischen als auch einer hochschulischen Seite besteht. Dies liegt in der Geschichte des Hochschulzugangs begründet: Im Kern stellt sich dieser als (seit über 200 Jahren durch die Reifeprüfung institutionalisierte) Verbindung von Gymnasium und Universität dar. Dieser Weg des Hochschulzugangs – der „Königsweg“ – ist allerdings nicht (mehr) der einzige in Deutschland: Sowohl auf schulischer als auch auf hochschulischer Seite ist die Zahl der Bildungseinrichtungen und die der Hochschulzugangswege größer geworden: Wichtig war der Auf- und Ausbau eines stärker anwendungs- und beruflich-orientierten Bildungszweigs mit den Fachober-
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schulen und den Fachhochschulen, die (in Anlehnung an die Allgemeine Hochschulreife) durch die Fachhochschulreife verknüpft sind. Zudem ist der zweite – schulrechtlich geregelte – Bildungsweg etabliert worden, mit dem das Nachholen der schulischen Studienberechtigungen (z. B. des Abiturs auf einem Abendgymnasium, Kolleg oder extern) bezeichnet wird. Schließlich gibt es auch den dritten – hochschulrechtlich geregelten – Bildungsweg, der die Studienaufnahme ohne schulische Studienberechtigung ermöglicht. In fast allen Bundesländern existieren Varianten dieses Zugangswegs, der primär für berufserfahrene Erwachsene vorgesehen ist (vgl. KMK 2007a). In dieser Studie steht jedoch der Königsweg im Zentrum, da er nicht nur der älteste, sondern auch der bis heute qualitativ und quantitativ wichtigste deutsche Hochschulzugangsweg ist. Der Übergang zur Hochschule stellt innerhalb des deutschen Bildungssystems eine zentrale Hürde dar (vgl. Wolter 1987, S. 11). Sie zu erreichen bedeutet, bereits mindestens drei Hürden im deutschen Bildungssystem erfolgreich gemeistert zu haben, nämlich die Einschulung sowie die Übergänge in die Sekundarstufen I und II (vgl. genauer Tillmann 2005). Berücksichtigt man auch den kulturellen und sozioökonomischen Hintergrund der Heranwachsenden, wird offensichtlich, dass diejenigen, die überhaupt bis zum Hochschulzugang kommen, bereits eine beträchtlich ‚vorgefilterte‘ Gruppe bilden (vgl. Wolter 2004, S. 5; grundlegend Bourdieu/Passeron 1971, S. 19 ff.), denn alle Übergangshürden gelten in der bildungssoziologischen Forschung als „entscheidende Situationen der Entstehung von Bildungsungleichheiten“ (Watermann/Maaz 2004, S. 406). Von den schulischen Übergängen unterscheidet sich der Hochschulzugang durch die aktive „Suche der Schulabgänger nach den für sie passenden Ausbildungsoptionen“ (Trautwein et al. 2006, S. 408). Während vorher hauptsächlich Eltern und Lehrkräfte für die Übergangsentscheidungen verantwortlich waren, stehen nun die – mittlerweile erwachsenen – Abiturienten selbst vor Bildungswahlen, die an ihrer spezifischen sozialen Situation orientiert und für ihr weiteres Leben folgenreich und mit einigen Unsicherheitsfaktoren belastet sind (vgl. Becker/Hecken 2007, S. 102). Daher reicht es nicht, nur den organisatorisch-formalen oder rechtlichen Aspekt der „Hochschulzulassung“ zu betrachten: Die Teilhabe an (hoch-)schulischer Bildung prägt die Biographien der Schüler und Studierenden. Die Bildungseinrichtungen, in denen die Heranwachsenden viele Jahre verbringen, konstatiert Friebertshäuser (2004, S. 50), „gestalten Statuspassagen mit, eröffnen oder verbauen Chancen und Möglichkeiten. Sie tragen eine große Verantwortung für die Individuen wie für die Gesellschaft und sind zugleich abhängig
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von politischen Entscheidungen, die wiederum Freiräume eröffnen oder verschließen.“ Der Königsweg beinhaltet beispielsweise eine zweijährige Qualifikationsphase in der Gymnasialen Oberstufe, in der die Schüler Leistungen für ihr Abitur einbringen. Aber auch auf hochschulischer Seite ist der Hochschulzugang mit dem Akt der Immatrikulation nicht schon erledigt: Es gilt, sich an die neue Studiensituation zu gewöhnen, die beispielsweise mit einem Ortswechsel, der Ablösung von der Herkunftsfamilie, dem Knüpfen neuer sozialer Kontakte oder dem Bewältigen veränderter Leistungsanforderungen in fremden Lehr- und Lernkulturen verbunden sein kann. Der Hochschulzugang ist also als individueller Übergangsprozess über einen Zeitraum von mehreren Jahren anzusetzen (vgl. Kellermann 1984; Lewin/Lischka 2004, S. 29 f.; Friebertshäuser 2004; Wissenschaftsrat 2004, S. 9). In dieser Studie wird der Hochschulzugang auf die Zeitspanne begrenzt, die einerseits die schulische Oberstufenzeit und andererseits die ersten Semester an der Hochschule umfasst. Damit lässt er sich in eine schulische Vorbereitungsund eine hochschulische Bewährungsphase gliedern. Bei der Beschreibung des Hochschulzugangs als individueller Statuspassage kommen die institutionellen Strukturen in den Blick, die den Hochschulzugang ausmachen. Die Gestaltung des Hochschulzugangs wird dabei als Ausdruck dafür verstanden, „wie eine Gesellschaft Prozesse der Statusdistribution, insbesondere des Zugangs zu den herausgehobenen beruflichen und sozialen Positionen – anders formuliert: des Zugangs zu den Funktionseliten – organisiert“ (Wolter 2001a, S. 42). So werden über den Hochschulzugang Chancen verteilt und Selektionsprozesse vollzogen. Im Wissen um die Relevanz des Hochschulzugangs für die individuellen Bildungsverläufe geht es in Teil II dieser Studie darum, die institutionelle Gestaltung des Hochschulzugangs zu untersuchen. Mit anderen Worten: Mit welchen Gesetzen und Verordnungen, Werten und Normen sowie durch welche kulturell tradierten Überzeugungen und Denkmuster wird der Hochschulzugang gesteuert, legitimiert und in die jeweilige gesellschaftliche Situation eingebettet? Die Beantwortung dieser Frage erfolgt in zwei Schritten, nämlich durch die historisch orientierte Darstellung in Kapitel 4 und die Analyse der gegenwärtigen Situation in Kapitel 5. In Kapitel 4 werden die charakteristischen Elemente des deutschen Hochschulzugangs mit kurzen Blicken auf die Geschichte des Gymnasiums und der Universität seit den Preußischen Verordnungen zur Maturitätsprüfung am Ende des 18. Jahrhunderts erschlossen. Das Ziel ist es, die Entstehung der gegenwärtigen Strukturen nachzuvollziehen und die Probleme und Chancen zu erkennen, die den Hochschulzugang prägen. Dazu wurden drei
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Bezugspunkte ausgewählt, nämlich erstens das (Selbst-)Verständnis der Bildungseinrichtungen Gymnasium und Universität, zweitens die Frage nach Zielen und Inhalten der ‚Hochschulreife‘ sowie drittens die Steuerung des Zugangs durch das Abitur und das Hochschulzulassungsrecht. Es wird sich zeigen, dass der Hochschulzugang im deutschen Bildungswesen seit der Einführung des Abiturs bemerkenswert stabil erhalten ist. In Kapitel 5 wird geprüft, ob sich diese Konstanz des Hochschulzugangs auch unter den Bedingungen der europäischen Hochschulreform fortsetzt. Die wichtigsten gegenwärtigen Reformen, die den Hochschulzugang betreffen, werden daraufhin untersucht, inwiefern sie die drei im vorherigen Kapitel ausgemachten Bezugspunkte verändern und ob sie mit den zentralen Bologna-Zielen korrespondieren. Diese sind hinsichtlich des (Selbst-)Verständnisses der Bildungseinrichtungen die gymnasiale Schulzeitverkürzung auf schulischer Seite sowie die Förderung von Profilbildung auf der hochschulischen Seite. Die Ziele und Inhalte werden an den Hochschulen deutschlandweit mit Blick auf internationale Vorbilder modernisiert, während einige Oberstufenreformen in verschiedenen Bundesländern an eine Wiederherstellung alter Gymnasialtypen erinnern. Bei den schulischen Studienberechtigungen zeichnet sich sukzessive eine Entkopplung von Abschluss und Schulform ab, die mit einer Stärkung des hochschulischen Auswahlrechts einhergeht. Als Resultat wird die Gegenläufigkeit der Entwicklungen auf hochschulischer und schulischer Seite aufgezeigt, die zu einem Stocken der Reformbemühungen im Hochschulzugang führt: Während sich die Hochschulen anschicken, entsprechende Strukturveränderungen für eine Öffnung zum Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum vorzunehmen und bereits eine Modernisierung der Curricula begonnen haben, wird die gymnasiale Schulform konserviert und gegenüber den anderen Hochschulzugangswegen weiter rigide abgegrenzt. Theoretische Orientierung: Neo-Institutionalismus In Teil II dieser Studie steht der Hochschulzugang als Institution im Fokus. Die Betrachtung des Hochschulzugangs ist an neo-institutionalistische Forschungsansätze angelehnt, die etwa seit den 1970er Jahren in den Sozialwissenschaften zunehmend Beachtung gefunden haben. Grundlegend werden dabei Institutionen verstanden „als umfangreiche Muster oder Regelsysteme, in die Akteure wie Individuen, Organisationen und Nationalstaaten eingebettet sind,“ so John W. Meyer (2005, S. 8). Eine Institution ist demgemäß ein Gefüge sozialer und kultureller Regeln, das einen Kontext bildet, in dem Akteure stehen und handeln können. Solche Regelwerke können kul-
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turelle, professionelle, rechtliche und historische Charakteristika aufweisen, die in aller Regel relativ stabil und fortdauernd sind (vgl. Meyer 2005, S. 9). Diese Eigenschaften lassen sich für den Hochschulzugang bestätigen. Mit dem Neo-Institutionalismus kann erklärt werden, dass soziale Handlungen nicht nur von rationalen Wahlen oder von willkürlichen Entscheidungen beteiligter Akteure abhängen, sondern dass sie durch institutionelle Kontexte geprägt sind (vgl. Senge 2006, S. 46). In diesem Sinn lässt sich nachvollziehen, warum die Gestaltung des Hochschulzugangs in Deutschland nicht ausschließlich nach rein rationalen Gesichtspunkten erfolgt, sondern jede beabsichtigte Veränderung in das bestehende Gefüge eingepasst werden muss bzw. andernfalls Spannungen oder Probleme bewirkt. Dies führt zur Frage nach dem Verhältnis von Institution und Akteuren: Senge (2006, S. 43) weist auf den wichtigen Aspekt hin, dass die Akteure, die durch eine Institution beeinflusst werden, diese nicht unbedingt bewusst wahrnehmen oder rational durchdringen müssen. Gerade unbewusst wirkende Vorstellungen und Überzeugungen können das Wesen einer Institution ausmachen (vgl. Hasse/Krücken 2005, S. 63). Im Neo-Institutionalismus werden diese Elemente zur Beschreibung und Erklärung des Handelns von Akteuren besonders hervorgehoben. Freilich ‚verschwinden‘ die Akteure nicht vollständig hinter den institutionellen Strukturen; sie bleiben aktiv Handelnde, die ihre Ziele verfolgen – allerdings nach den Regeln der Institution, zu denen sich die Akteure (beispielsweise unreflektiert übernehmend, bestätigend oder auch distanzierend) verhalten müssen.2 Einschlägig für eine neo-institutionalistisch orientierte Betrachtung des Hochschulzugangs ist m. E. der konstruktivistische Ansatz von W. Richard Scott, der Institutionen als Strukturen und Aktivitäten definiert, die Sta2
Hasse und Krücken (2005, S. 74 f.) beschreiben Akteure aus neo-institutionalistischer Sicht wie folgt: „Erstens ist es ein Kennzeichen der modernen Akteure, dass die Handlungsorientierungen, denen sie sich verpflichten, keinesfalls beliebig sind. Vielmehr sind moderne Akteure zu einer Transformation unmittelbarer Bedürfnisse und Leidenschaften in stabile und für andere nachvollziehbare Interessen verpflichtet. [. . .] Zweitens sind Organisationen, Staaten und Individuen keinesfalls autonome Herrscher über ihre eigenen Interessen. So sind Akteure von einer Vielzahl professioneller und nicht professioneller Berater beeinflusst, die das Akteurhandeln auf legitime Interessen auszurichten versuchen. Im Falle von Staaten sind es wissenschaftliche Experten, transnationale Institutionen, Bürgerrechtsvertreter und zahlreiche andere, die in diesem Sinne intervenieren. [. . .] Drittens ist das Handeln moderner Akteure nicht ausschließlich auf die Verfolgung dieser Interessen ausgerichtet. [. . .] Neben der Erwartung der rationalen Interessenverfolgung ist auch die Erwartung, zum Wohle anderer beizutragen, gesellschaftlich institutionalisiert und konstituiert den modernen Akteur. [. . .] Moderne Akteure sind in dieser Perspektive sowohl Agenten eigener Interessen als auch Agenten anderer Akteure [. . .].“
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bilität und Bedeutung für soziales Verhalten anbieten. Einer Institution komme eine nicht-persönliche und objektive Realität zu, die von den Akteuren konstruiert und aufrechterhalten werde (vgl. Scott 1995, S. 33 f.). Scott unterscheidet drei Säulen (Pillars) einer Institution, die in der neoinstitutionalistischen Forschung besondere Aufmerksamkeit erlangt haben: - Kognitive Säule: „A cognitive conception of institutions stresses the central role played by the socially mediated construction of a common framework of meaning“ (Scott 1995, S. 45). Daher ist danach zu fragen, wie die Institution wahrgenommen wird: Welches gemeinsame Wissen und welche Selbstverständlichkeiten konstituieren die soziale Realität und den Rahmen, in denen die Beteiligten denken und agieren? - Normative Säule: A „normative conception of institutions emphasizes the stabilizing influence of social beliefs and norms that are both internalized and imposed by others“ (Scott 1995, S. 40). Welches Verhalten wird erwünscht? Welchen Normen und Werten fühlen sich die Akteure verpflichtet? - Regulative Säule: „A stable system of rules backed by surveillance and sanctioning power is [the normative] view of institutions“ (Scott 1995, S. 37). Welches Handeln wird legalisiert? Mit welchen Gesetzen, Verordnungen etc. wird die Institution gesteuert? In der vorliegenden Studie wird der Hochschulzugang mit Berücksichtigung dieser drei Säulen untersucht: Die kognitive Säule erschließt sich durch die Betrachtung der beteiligten Organisationen – insbesondere Gymnasium und Universität in Abgrenzung zu den übrigen Sekundarschulformen und Hochschularten – anhand geteilter Vorstellungen über die historisch entwickelten Identitäten. So stellt sich das Gymnasium als ehemals ständische Eliteschule auf seinem Weg in die Moderne dar, während sich die Universität als Ort der „reinen Wissenschaft“ präsentiert. Die Ziele und Inhalte der Hochschulreife bilden die normative Säule des Hochschulzugangs: Um ‚hochschulreif‘ zu sein, sollen die Abiturienten resp. Studierenden über eine „vertiefte Allgemeinbildung“, eine „allgemeine Studierfähigkeit“ und über eine „wissenschaftspropädeutische Bildung“ verfügen (vgl. KMK 2006). An der regulativen Säule kommen das Abitur und das Hochschulzulassungsrecht in den Blick. Vor allem das Überdauern des traditionellen Hochschulzugangs über die Jahrhunderte lässt sich auf das Abitur mit seiner Funktion
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einer allgemeinen Studienberechtigung zurückführen. In den letzten Jahrzehnten und noch einmal verstärkt durch den Bologna-Prozess hat aber auch die hochschulische Zulassung – geregelt durch das Hochschulzulassungsrecht – sukzessive mehr Bedeutung erlangt. 1.2.3
Teil III: Die Herausforderung
Die Analyse des Hochschulzugangs deckt alte Probleme auf, die durch den Bologna-Prozess neue Relevanz bekommen: die uneingelöste Gleichstellung von beruflich-orientierter und allgemeiner Bildung, der abrupte Wechsel der Lehr- und Lernkulturen beim Übergang von der Schule zur Hochschule sowie die Dysfunktionalität des Abiturs als allgemeine Studienberechtigung. Insgesamt stockt die Bildungsreform im Hochschulzugang, weil nur die hochschulische Seite reformiert, die schulische Seite hingegen konserviert wird. Das Aufzeigen dieser Probleme führt zu einer neuen Frage: Was fängt man mit den gewonnenen Einsichten an? Gehört es auch zu den Aufgaben der Wissenschaft, in die politische Arena der Bildungsreformdiskussion einzutreten? Die Kritik ist in der Geschichte der Erziehungswissenschaft jedenfalls nicht neu, dass mit einem solchen Anliegen ein Terrain beschritten werde, welches aus Gründen der demokratischen Legitimität ausschließlich den politischen Akteuren vorbehalten sei. Mit Bezug auf Tillmann (2008, S. 861) ist dieser Kritik jedoch zu entgegnen, dass bildungspolitische Programme durchaus ein wichtiger Gegenstand der erziehungswissenschaftlichen Diskussion sind, ohne dass damit der Bildungspolitik ihre Kompetenz streitig gemacht wird. Tillmann (2008, S. 862) schließt, dass die Erziehungswissenschaft „den politischen Reformdiskurs nicht meiden“ müsse: „Sie kann, darf und sollte nach sorgfältiger Prüfung ihrer Erkenntnis- und Datenlage auch Vorschläge zur Reform, zur Weiterentwicklung des Bildungswesens machen“ (ebd.). Agenda Setting für eine weitergehende Bildungsreform Gegenwärtig ist bei vielen Erziehungswissenschaftlern die Auffassung vorherrschend, dass trotz nachgewiesener Mängel im deutschen Bildungswesen keine Bereitschaft zu grundlegenden Änderungen besteht. Huber (2004, S. 28) macht beispielsweise darauf aufmerksam, dass „Strukturdiskussionen von den maßgeblichen Bildungspolitikern aller Parteien mit einem Tabu belegt“ sind. Tosch (2006, S. 17) führt die fehlende Reformbereitschaft darauf zurück, „dass Schulstrukturen insgesamt weithin als ‚gegeben‘ angesehen werden, an denen sich ohnehin nicht viel ändern lässt.“ Da nicht einmal
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der ‚PISA-Schock‘ zu tiefgreifenden Reformen geführt hat, ist ihre Sichtweise durchaus nachvollziehbar. Trotzdem soll hier die These gewagt werden, dass die Hochschulreform das Potential besitzt, um Veränderungen im deutschen Bildungssystem anzustoßen, die weit über den Hochschulsektor hinausreichen. Der Bologna-Prozess ist selbst ein Beleg für die grundsätzliche Möglichkeit bislang undenkbarer Bildungspolitiken: Galt eine europäische Hochschulreform vor einigen Jahrzehnten noch als Illusion einiger Radikaler, „so zeigt das Bologna-Projekt, dass aus den Illusionen von gestern die Agenda von heute und aus Radikalen von einst die Pragmatiker der Gegenwart werden können“ (Walter 2006, S. 203). Veränderungen von Institutionen sind zwar ungewöhnlich, aber dennoch möglich. Derzeit stehen die Zeichen für eine umfassende Bildungsreform gut, weil sich erstens die vorherrschenden Paradigmen verändern und insofern die Institution des Hochschulzugangs auf neue Art und Weise gesehen werden könnte. Zweitens öffnet sich in den kommenden Jahren ein so genanntes „Politikfenster“ (Policy Window, vgl. Kingdon 2003, S. 165 ff.), in dem politischem Handeln für eine begrenzte Zeitspanne erhöhte Aufmerksamkeit und Dringlichkeit zukommt. Dieses Politikfenster ergibt sich deshalb, das sei an dieser Stelle zumindest kurz angedeutet, weil der Hochschulzugang durch die gymnasiale Schulzeitverkürzung derart ‚überzulaufen‘ droht, dass in der Folge die Bildungschancen ganzer Jahrgänge von Schulabgängern drastisch sinken werden. Drittens ist abzusehen, dass der Bologna-Prozess aufgrund der bislang ungelösten Probleme bzw. unbefriedigender Ergebnisse einzelner Aktionslinien in einen nächsten Policy-Zyklus mündet, und deshalb die europäische Bildungsreform auf der politischen Tagesordnung bleibt. Nach dieser Begründung für den Teil III fehlt noch ein kurzer Blick auf die Inhalte: In Kapitel 6 wird einleitend die besondere Aktualität für eine Fortsetzung der Bildungsreform detaillierter entfaltet. Von der Annahme ausgehend, dass der Hochschulzugang auch die schulische Qualifikationsphase umfasst, wird erörtert, wie demgemäß die Sekundarstufe II in das Bologna-Projekt aufgenommen werden könnte. Sodann werden die in Teil II diskutierten Probleme des deutschen Hochschulzugangs zu Anlässen, um Vorschläge für ein Weiterdenken der Hochschulreform im intranationalen Kontext zu erarbeiten – mit der Absicht, den Hochschulzugang an wesentlichen Punkten für ein anderes Denken zu öffnen. Diese Vorschläge orientieren sich an den drei Säulen der Institution des Hochschulzugangs: Erstens wird gefragt, wie
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eine Annäherung von beruflicher und allgemeiner Bildung forciert werden kann, die nicht durch das institutionelle Selbstverständnis von Gymnasium und Universität torpediert wird. Welche Lehr- und Lernkulturen fördern zweitens nicht die Trennung, sondern die inhaltliche Anschlussfähigkeit in einem betont horizontal gegliederten Bildungssystem? Und drittens geht es darum, wie vor dem Hintergrund einer fortgesetzten Bildungsexpansion Berechtigungen und Hochschulzulassungsverfahren gestaltet sein können, die auf der Anerkennung von Vielfalt sowohl der Lerner als auch der Bildungseinrichtungen basieren. Das Ziel dieses Kapitels besteht kurz und bündig also darin, über nächste Schritte für eine Ausweitung der Hochschulreform nachzudenken – geleitet von der Utopie eines gemeinsamen europäischen Bildungsraums. Im abschließenden Kapitel 7 werden die Schritte und Schlüsse dieser Studie zusammengefasst. Dabei werden die hier entwickelten theoretischen Leitlinien und methodischen Orientierungen zusammen mit den Ergebnissen der Studie reflektiert.
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I
Der Bologna-Prozess
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Der Gemeinsame Europäische Hochschulraum
„Bologna-Prozess“ ist die Bezeichnung für eine Studienstrukturreform, die Ende der 1990er Jahre angestoßen wurde und die in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts in Europa (und mittlerweile auch darüber hinaus) greift. Es geht um das ehrgeizige Unterfangen, bis 2010 einen europäischen Hochschulraum zu schaffen, der als Bedingung für die Realisierung eines gemeinsamen Europas in kultureller, sozialer und wissenschaftlich-technologischer Dimension gelten soll. Denn der Hochschulbildung wird eine Schlüsselrolle zugewiesen für ein „Europa des Wissens“, also für den als wünschenswert begriffenen Wandel bestehender europäischer Gesellschaften zu einem gemeinsamen Europa. Der Bologna-Prozess zielte zu Beginn auf eine einfachere Vergleichbarkeit der Strukturen europäischer Hochschulsysteme – von denen es zum Ende des 20. Jahrhunderts mehr gab als Länder in Europa, wie es Haug (2000, S. 14) pointiert formuliert. Das Reformpaket hatte dann in den meisten europäischen Staaten (nicht nur) in der Hochschullehre weitreichende Veränderungen zur Folge. In der hochschulpolitischen Diskussion schlägt der Bologna-Prozess hohe Wellen. Denn die Veränderungen durch den Aufbau des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums bieten für alle Akteure (u. a. Regierungen, Hochschulverbände, Parteien, studentische Organisationen sowie Arbeitgeberund Arbeitnehmerverbände) große Chancen; dementsprechend hoch sind die Erwartungen, die daran geknüpft werden: Der Aufbau einer europäischen Identität, modernere Studiengänge, verkürzte Studienzeiten, besser ausgebildete Hochschulabsolventen für den europäischen Arbeitsmarkt, die Öffnung der Hochschulen für Lebenslanges Lernen, eine neue europäische Mobilität, mehr Wettbewerb im Hochschulwesen etc. Es wird sich zeigen, welche dieser Hoffnungen tatsächlich durch den Bologna-Prozess erfüllt werden können. Aber daneben wird auch befürchtet, dass diese Reform noch ganz andere, negativ konnotierte Konsequenzen für das Hochschulwesen und die akademische Bildung haben könnte, wie z. B. die stärkere Kommerzialisierung der Bildung, eine zunehmende ‚Verschulung‘ oder einen generel-
39 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
len Niveau-Verlust des Studiums. Fest steht, dass diese vielfältige Diskussion dazu geführt hat, dass die unterschiedlichen Akteure nicht unbedingt dasselbe meinen, wenn sie vom Bologna-Prozess sprechen – und schon gar nicht dasselbe wollen. Maßgeblich wird die Strukturreform auf europäischer Ebene durch die so genannten Bologna-Konferenzen der Bildungsminister gestaltet, bei denen gemeinsame Absichtserklärungen formuliert werden. Die Umsetzung dieser Erklärungen erfolgt in den einzelnen Staaten. Daher werden die z. T. radikalen Veränderungen der europäischen Hochschulreform primär an den bestehenden nationalen bzw. föderalen Hochschulsystemen deutlich. Außerdem zeigt sich, dass im Fahrwasser der Studienstrukturreform teilweise viel mehr oder anderes neu geregelt werden soll, als auf europäischer Ebene vereinbart worden ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass einige Länder im Bologna-Prozess die große Chance für eine grundlegende Modernisierung ihrer Hochschulsysteme angesichts der neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sehen. Im Folgenden wird in Abschnitt 2.1 dargestellt, wie sich der Bologna-Prozess auf europäischer Ebene entwickelt hat, insbesondere welche Probleme gesehen sowie welche Ziele und Strategien von den europäischen Bildungsministern beschlossen wurden. Daran schließt sich in Abschnitt 2.2 eine Skizze der Positionen des europäischen Hochschulverbands (EUA) und des Verbands europäischer Studierendenschaften (ESIB/ESU) an, um die Akzeptanz und Kritik der Hochschulleitungen und Studierendenvertreter bezüglich der Bologna-Pläne aufzuzeigen. Sodann wird in Abschnitt 2.3 ein Blick über den Tellerrand des Bologna-Prozesses hinaus gerichtet, um diese Reformen vor dem Hintergrund neuer politischer Zielsetzungen der EU einordnen zu können. Dazu gehören der Lissabonner Prozess sowie die Idee der Qualifikationsrahmen. In Abschnitt 2.4 wird eine Bilanz gezogen, die den Anspruch erhebt, die Kernpunkte des Bologna-Prozesses zusammenzufassen und durchgängige Argumentationsmuster europäischer Bildungspolitik aufzudecken. Das Ziel ist ein erstes Verständnis des Bologna-Prozesses auf der europäischen Ebene. 2.1
Auf dem Weg zum „Europa des Wissens“ – Funktionsweise, Akteure, Ziele des Bologna-Prozesses
Die politische Funktionsweise des Bologna-Prozesses ist bemerkenswert: Er findet auf der internationalen Ebene unter Einbezug von inzwischen weit mehr als 40 Staaten statt, aber dennoch ist die EU nicht die maßgebliche
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Akteurin, sondern die richtungweisenden Entschlüsse werden auf zwischenstaatlicher Ebene von den jeweils für die Hochschulbildung zuständigen Ministern der beteiligten Staaten getroffen. Dies ist im Sinne einer Selbstverpflichtung gedacht: Die Minister legen auf den Bologna-Konferenzen Handlungsfelder und Ziele fest, die in ihren Ländern jeweils politisch verantwortet, innerhalb einer bestimmten Zeit in nationales Recht umgesetzt und so in die verschiedenen Hochschulsystemen implementiert werden sollen. Auf diesem Wege wird ein gemeinsames Vorgehen möglich, ohne dass die Mitgliedsländer ihre Kompetenzen an eine supranationale Institution abgeben müssten. Schriewer (2007, S. 191 f.) betont, dass die Strategie der Konferenzen, Treffen etc. rund um den Bologna-Prozess zu einer immer neuen Bekräftigung der Prinzipien, Intentionen und Planungsmodelle führe, „die eine ihnen eigene Dynamik und Wirkungsmächtigkeit entfalten. Sie werden ab einer bestimmten Schwelle diskursiv unumkehrbar und binden die verantwortlichen Entscheidungsträger zunehmend alternativlos ein.“ Dementsprechend entfaltet diese Strategie der Selbstverpflichtung von Staaten im Feld der Hochschulpolitik eine große Wirksamkeit: Obwohl es sich bei den Vereinbarungen nur um Absichtserklärungen handelt, die rechtlich wenig verbindlich (weder sanktionierbar noch einklagbar) sind, zeigen die Minister ihr großes Interesse daran, bei dieser Art der europäischen Zusammenarbeit gute Ergebnisse vorweisen zu können. Daher stellt Zervakis (2004, S. 106) fest, dass sich dieses Vorgehen als „die mit den geringsten Widerständen behaftete“ Strategie herausgestellt hat, „mit der die im Wandel befindlichen Nationalstaaten in Europa auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren wollen und können.“ Die während der ersten Jahre schnell gestiegene Mitgliederzahl dokumentiert die Attraktivität des Bologna-Prozesses. Friedrich (2002) sieht darin „die flexible und unbürokratische Antwort Europas auf die zunehmend erkannten Herausforderungen auch des Bildungswesens durch Globalisierung, weltweite Vernetzung und das allmähliche Entstehen eines Weltbildungsmarktes.“ Dass gerade nicht die EU die offizielle Hauptträgerin des Bologna-Prozesses ist, sondern die Regierungen der Mitgliedsländer für und in ihrem Land entscheiden, ob und wie der Bologna-Prozess implementiert wird, hält Friedrich (2002, S. 11) weiter für vorbildlich, da gerade die „lose Struktur“ und die „völkerrechtliche Unverbindlichkeit bereits vielfältige Wirkungen gezeigt“ habe. Keller (2004, S. 20) weist aber darauf hin, dass durch diese Unverbindlichkeit ein Legitimationsdefizit entstehe; gerade bei solchen umfassenden Reformen wäre es jedoch wichtig gewesen, die demokratischen Meinungsbildungsprozesse in den jeweiligen Ländern ernster zu nehmen. Diese konnten nämlich durch
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die Rhetorik des unvermeidlichen europäischen Zugzwangs in vielen Mitgliedsländern übergangen werden. Insgesamt räumen vor allem die ersten Bologna-Konferenzen den Unterzeichnerstaaten einen sehr großen Umsetzungsspielraum ein. Zudem wurde der Handlungsrahmen des Bologna-Prozesses von den Mitgliedern immer wieder erweitert und umfasst mittlerweile längst nicht nur Fragen der vereinfachten Anerkennung von Studienleistungen innerhalb von Europa: Immer mehr hochschulische Einrichtungen (z. B. das Doktorat) sind in den ‚Bann von Bologna‘ geraten, so dass die Bedeutung dieses Reformpakets für die Hochschulen laufend zugenommen hat, bis gegen Ende der ersten Dekade die Dynamik des Bologna-Prozesses wieder abzuflauen begann. 2.1.1
Drei Vorläufer
Zu den wichtigsten Vorläufern3 des Bologna-Prozesses zählen a) die Magna Charta Universitatum, b) das Lissabonner Abkommen und c) die SorbonneErklärung: Ad a: Magna Charta Universitatum Anlässlich der 900-Jahrfeier der Universität von Bologna bekennen sich die Vertretungen von insgesamt 326 europäischen Hochschulen im September 1988 durch Unterzeichnung der Magna Charta Universitatum zu drei gemeinsamen Grundsätzen, nämlich: - zur Autonomie der Hochschulen gegenüber politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Kräften, - zur Verbindung von Forschung und Lehre und - zur Freiheit von Forschung, Lehre und Ausbildung als Grundvoraussetzung universitären Handelns. Gefordert wird, den Universitäten entsprechende Mittel einzuräumen, um diesen Grundsätzen in veränderten europäischen Gesellschaften nachkommen zu können, z. B. indem der Austausch von Studierenden, Lehrenden 3
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Zu den Wegbereitern im weiteren Sinne gehören auch die Richtlinie des EWG-Rates über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschulabschlüsse von 1989, die Einführung des ECTS im Rahmen von ERASMUS sowie politische Aktivitäten seit den Römischen Verträgen von 1957. Übersichten geben Wex (2005, S. 48 f.); Schnitzer (2005, S. 1–4); Friedrich (2002, S. 6 ff.) sowie besonders ausführlich über den Zeitraum von 1949 bis zur Bologna-Erklärung Walter (2006, S. 69–120).
und Forschungsergebnissen gefördert wird. Die Unterzeichner reklamieren eine gemeinsame Tradition, indem sie die Universität als „Verwalterin [des] Erbes des europäischen Humanismus“ (Magna Charta Universitatum, o. P.) bezeichnen. Obwohl hier schon einige der zentralen Themen des BolognaProzesses angesprochen werden, besteht der entscheidende Unterschied zu den Dokumenten des Bologna-Prozesses darin, dass die Magna Charta Universitatum nicht von Regierungsvertretern verfasst worden ist, sondern auf eine Initiative der Hochschulleitungen zurückgeht. Politisch bleibt dieses Dokument folgenlos. Ad b: Lissabonner Abkommen Anders ist das „Übereinkommen vom 11. April 1997 über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“, kurz das Lissabonner Abkommen (1997) zu bewerten, das vom Europarat und der UNESCO im April 1997 verabschiedet und allen Nationalstaaten aus der europäischen Region zur Unterzeichnung und Ratifizierung übergeben wurde. Mit diesem Abkommen sollten vor allem die Ansprüche der Studierenden beim innereuropäischen Austausch gestärkt und deren Mobilität gefördert werden. Eine strukturelle Vereinheitlichung nationaler Hochschulsysteme war indes nicht beabsichtigt (vgl. Keller 2004, S. 7). Das Abkommen sollte den Rahmen für die Anerkennungspraxis von Studienleistungen in Europa schaffen – mit der Überzeugung, dass das Recht auf Bildung ein wertvolles Gut sei und insbesondere der Hochschulbildung „eine wesentliche Rolle bei der Förderung des Friedens, des gegenseitigen Verständnisses und der Toleranz sowie bei der Schaffung gegenseitigen Vertrauens zwischen den Völkern und Nationen“ (Lissabonner Abkommen, S. 254) zukomme. Die Ratifizierung des Lissabonner Abkommens erfolgte jedoch nur zögerlich; damit zeigen die Nationalstaaten ihre in der europäischen Bildungspolitik bekannte Skepsis gegenüber den Versuchen supranationaler Institutionen, die Hochschulkompetenzen auf europäischer Ebene zu bündeln, um eine Harmonisierung der verschiedenen Bildungssysteme zu erreichen (vgl. Wolter 2006a). Ad c: Sorbonne-Erklärung Der eigentliche ‚Anpfiff‘ zum Bologna-Prozess wurde 1998 wiederum anlässlich eines Geburtstags gegeben: Bei der 800-Jahrfeier der Gründung der Sorbonne in Paris gaben die Minister Claude Allègre für Frankreich, Luigi Berlinguer für Italien, Jürgen Rüttgers für Deutschland und die Ministerin Tessa Blackstone für das Vereinigte Königreich die Sorbonne-Erklärung (1998)
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„Zur Harmonisierung der Architektur der europäischen Hochschulbildung“ ab. Darin forderten sie, dass Europa nicht nur einseitig wirtschaftliche und ökonomische Bedeutung zukommen dürfe: „Man sollte nicht vergessen, dass Europa nicht nur das Europa des Euro, der Banken und der Wirtschaft ist; es muss auch ein Europa des Wissens sein“ (Sorbonne-Erklärung, S. 281).
Die vier Minister unterstreichen die Wichtigkeit eines offenen europäischen Hochschulraums hinsichtlich der intellektuellen, kulturellen, sozialen und technischen Dimensionen. Die Studierenden sollen ermutigt werden, einen Teil ihrer Ausbildung im europäischen Ausland zu verbringen, was als persönliche und auch gesellschaftliche Bereicherung zu verstehen sei. Dazu müssten jedoch die verschiedenen europäischen Hochschulsysteme (z. B. bei der Anrechnung von Studienleistungen und für die Anerkennungspraxis von Abschlüssen auf dem Arbeitsmarkt) leichter miteinander vergleichbar werden. Außerdem wird in der Sorbonne-Erklärung betont, dass es möglich sein sollte, „zu jedem Zeitpunkt [der] beruflichen Karriere und mit unterschiedlichen Erfahrungen Zugang zur Hochschule zu finden“ (Sorbonne-Erklärung, S. 282). Damit wird die Bedeutung des Lebenslangen Lernens für die „Wissensgesellschaft Europa“ angesprochen. Vor allem aber scheint sich hinter der Sorbonne-Erklärung die Strategie der teilnehmenden Minister zu verbergen, sehr unterschiedliche nationalstaatliche Probleme durch einen neuen Fokus auf europäische Erfordernisse angehen zu wollen. So arbeitet Schriewer (2007, S. 185 ff.) heraus, dass es in Frankreich eigentlich um die Struktur der Grandes Ecoles und die internationale Anschlussfähigkeit der französischen Studiengänge, in Deutschland hingegen um die internationale Attraktivität des Studienstandorts und die Situation an den Massenhochschulen, in Italien wiederum um die mangelnde Effizienz des gesamten Hochschulsystems gehe. Das Vereinte Königreich war, so Schriewer weiter, letztlich nur deswegen dabei, weil ihm als eines der großen EU-Länder besonderes politisches Gewicht zukam. Steiner-Khamsi und Quist (2007, S. 194) erläutern, dass bildungspolitische Akteure dann versuchen, einen Bezug zu Lösungen im Ausland herzustellen, wenn ihnen im eigenen Land entsprechende Unterstützung für bestimmte Reformen fehle. Sie betonen, dass „solche auswärtigen Modelle [. . .] nicht notwendigerweise neue Lösungen“ seien, sondern „lediglich als solche dargestellt“ (ebd.) werden müssten. Die Zuhilfenahme des Europa-Arguments ist daher als Legitimationsstrategie zu sehen, mit der Handlungsbedarf suggeriert und entsprechende Maßnahmen für inländische Probleme durchgesetzt werden sollen.
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Die Sorbonne-Erklärung mündet in einen Aufruf an die europäischen Staaten, in einen Prozess zur Bildung eines Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums einzutreten. Damit wird das zentrale Anliegen des Bologna-Prozesses formuliert. Dieser Aufforderung werden nur ein Jahr später 29 europäische Staaten folgen und in Bologna 1999 die Eckpfeiler für den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum bestimmen. 2.1.2
Die Bologna-Konferenzen
Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der im zweijährigen Turnus stattfindenden Bologna-Konferenzen skizziert und kurz dokumentiert, angefangen 1999 in Bologna und dann fortgeführt 2001 in Prag, 2003 in Berlin, 2005 in Bergen, 2007 in London und schließlich 2009 in Leuven und Louvain-la-Neuve. Bologna-Erklärung 1999: „Der Europäische Hochschulraum“ In Bologna stellen die Minister die Bedeutung eines „Europas des Wissens“ (Bologna-Erklärung, S. 285) als wesentlichen Bestandteil der gesellschaftlichen und menschlichen Entwicklung Europas sowie „als unverzichtbare Komponente der Festigung und Bereicherung der europäischen Bürgerschaft“ (ebd.) fest. Dabei gehe es nicht nur um die Vermittlung zukunftsrelevanter Kompetenzen, sondern vor allem auch um das Gewinnen einer gemeinsamen europäischen Identität in sozialer und kultureller Hinsicht durch Bildung und Bildungszusammenarbeit, da diese „die Entwicklung und Stärkung stabiler, friedlicher und demokratischer Gesellschaften“ (Bologna-Erklärung, S. 285) förderten. Ebenso wird die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch ein gemeinsames europäisches Hochschulsystem als zentrales Ziel definiert. Die Minister geben zu erkennen, dass sie die Studienstrukturreform nicht ausschließlich als Top Down-Verfahren verstanden wissen wollen, sondern dass die Bottom Up-Aktivität der Hochschulen ebenso gefordert sei. Weiter besteht bei den Ministern Konsens darüber, dass das bloße Formulieren von Zielen (das in groben Zügen ja bereits in der Sorbonne-Erklärung erfolgte) nicht ausreichen würde, um den gemeinsamen Hochschulraum tatsächlich zu realisieren. Deshalb einigen sich die Minister auf einen Handlungszeitraum (erste Dekade des 21. Jahrhunderts), ein Verfahren (ein nächstes Treffen, um die erreichten Fortschritte zu überprüfen) und vor allem auf die folgenden sechs Maßnahmen: 1. Die Einführung eines einheitlichen Systems vergleichbarer Abschlüsse
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und des Diploma Supplements. Beides zielt darauf ab, durch einen gemeinsamen Rahmen die Vielfalt der Studieninhalte zu erhalten und dabei die Transparenz der Studienangebote zu erhöhen. 2. Das europäische Hochschulsystem soll zweizyklisch aufgebaut werden: Der erste Zyklus (undergraduate) führt nach mindestens drei Studienjahren zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Anschließend können im zweiten Zyklus Master- oder Promotionsstudien (graduate studies) folgen, die eine weitere Berufsqualifikation zum Ziel haben. 3. Ein Leistungspunktesystem soll eingeführt werden, das der Steigerung studentischer Mobilität dient. So können die Studierenden ihre Leistungen an verschiedenen Hochschulen leichter akkumulieren und anrechnen lassen. 4. Ebenso ist die allgemeine Förderung der Mobilität erklärtes Ziel: Den Studierenden soll der Zugang zu den Studienangeboten in, dem hochschulischen Personal der Austausch zum Zweck der Forschung und Lehre mit anderen europäischen Staaten erleichtert werden. 5. Um die Qualität des neuen Studienangebots zu sichern, soll es mit vergleichbaren Kriterien und Methoden evaluiert werden. 6. Schließlich vereinbaren die Minister die Förderung der europäischen „Dimensionen im Hochschulbereich“ (Bologna-Erklärung, S. 288): Europa selbst soll auf diese Weise zum Thema werden, z. B. bei der Curriculumentwicklung und der Kooperation der Hochschulen. Diese sechs Maßnahmen stehen im Zentrum der Bologna-Erklärung und werden als Kernziele des zukünftigen Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums verstanden, von dem mehr Mobilität, Beschäftigungsfähigkeit für den europäischen Arbeitsmarkt und internationale Wettbewerbsfähigkeit erwartet wird (vgl. Haug/Tauch 2001, S. 22). Ein besonders charakteristisches Element des Bologna-Prozesses ist die Einführung des BachelorMaster-Systems. Dabei geht es in vielen europäischen Ländern primär darum, die realen Studienzeiten zu verkürzen, die oft weit über die offiziellen Regelstudienzeiten hinausgehen. Dies liege, erklärt Haug (2000, S. 20), an sehr unterschiedlichen Faktoren: Oft seien die Studienprogramme schlicht inhaltlich überladen. Manche studierten auch länger, weil sie ansonsten arbeitslos wären. In den Ländern, in denen die Hochschulbildung kostenfrei sei, gäbe es zudem nur eine geringe Motivation der Studierenden, da diese ohne weitere Selektionsmechanismen bei Studieneintritt teilweise falsche
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Studienwahlentscheidungen träfen. Auch Teilzeitarbeit verlängere die Studienzeiten. Die langen Ausbildungszeiten wiederum stünden in Zusammenhang mit den hohen Studienabbrecherquoten, führten zu einem späten Eintritt in den Arbeitsmarkt, seien wenig attraktiv für ausländische Studierende und kosteten unnötig viel an privaten und öffentlichen Geldern. Die Einführung eines zweizyklischen Studiensystems ist also (neben der Idee, attraktivere Abschlüsse für einen globalen Markt zu entwickeln) der Versuch zur Kürzung der Studienzeiten bis zum ersten Studienabschluss und zur gleichzeitigen Erhöhung der Absolventenquoten. Damit erklärt sich auch, warum das zweistufige Bachelor- und Mastersystem in den Ländern eingeführt werden sollte, in denen es traditionell gar nicht vorhanden war wie z. B. in Deutschland (vgl. Haug 2000, S. 21). Prager Kommuniqué 2001: „Auf dem Weg zum Europäischen Hochschulraum“ Die zweite Bologna-Konferenz findet nicht zufällig in Prag statt: Die Minister wollen damit anlässlich der EU-Osterweiterung demonstrieren, dass der Bologna-Prozess in ganz Europa stattfindet. Die Minister sprechen sich diesmal akzentuiert für den Gemeinsamen Hochschulraum als „Bedingung für die Erhöhung der Attraktivität und der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschuleinrichtungen in Europa“ (Prager Kommuniqué, S. 292) aus. Die Hochschulbildung in Europa sei als „öffentliches Gut“ (ebd.) zu betrachten und bleibe „eine vom Staat wahrzunehmende Verpflichtung“ (ebd.). Darüber hinaus werden die sechs Kernziele des Bologna-Prozesses um drei Punkte ergänzt: 7. Zunächst thematisieren die Minister explizit das Lebenslange Lernen, das für Europa besonders relevant sei, „um den Herausforderungen des Wettbewerbs und der Nutzung neuer Technologien gerecht zu werden und um die soziale Kohäsion, Chancengleichheit und Lebensqualität zu verbessern“ (Prager Kommuniqué, S. 295). 8. Neu ist auch, dass neben den Hochschulen und ihrem Personal die Studierenden als „gleichberechtigte Mitglieder der Hochschulgemeinschaft“ (Prager Kommuniqué, S. 292) anerkannt werden. 9. Außerdem wird die „Förderung der Attraktivität des europäischen Hochschulraums“ (Prager Kommuniqué, S. 296 f.) durch die Konzeption eines gemeinsamen Qualifikationsrahmens und die Entwicklung von Steuerungselementen für die Qualitätssicherung genannt. Dabei
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geht es vor allem darum, den europäischen Hochschulraum im weltweiten Bildungsmarkt besser zu positionieren. Für den Prozess selbst ist auffallend, dass das Verfahren stärker institutionalisiert wird: Die Einrichtung einer Vorbereitungsgruppe (Ausschuss) für die nächste Konferenz und einer Bologna Follow-up Group (kurz: BFUG) werden beschlossen. Die BFUG fungiert als Steuerungsgremium des Bologna-Prozesses zwischen den Konferenzen. Jeder Unterzeichnerstaat entsendet ein Mitglied in diese Gruppe. Auch die Europäische Kommission ist vertreten. Als beratende Mitglieder sind die auf europäischer Ebene angesiedelten Vertretungen der universitär orientierten Hochschulen (EUA), der Studierendenschaften (ESIB/ESU), der berufsbildenden Hochschulen, Fachhochschulen und privaten Institutionen (EURASHE) und der Europarat vertreten (vgl. Prager Kommmuniqué, S. 298). Die BFUG stellt sich im Verlauf der Bologna-Konferenzen als zunehmend relevant für die Programmdefinition, das Agenda-Setting und die Programmformulierung des Bologna-Policy-Bündels heraus, denn letztlich wird hier entschieden und vorbereitet, was wo und wie auf der politischen Tagesordnung erscheint. Berliner Kommuniqué 2003: „Den Europäischen Hochschulraum verwirklichen“ Die Minister bekräftigen in Berlin ihre Absicht, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mit der Förderung der sozialen Dimension zu vereinbaren. Der europäische Zusammenhalt soll gestärkt und ein Abbau sozialer und geschlechtsspezifischer Ungleichheiten erreicht werden. Neu ist auch die Forderung nach einer gesteigerten Zusammenarbeit des „Europäischen Forschungsraums“ mit dem Europäischen Hochschulraum, von der eine Festigung der „Wissensgesellschaft Europa“ erwartet wird (vgl. Berliner Kommuniqué, S. 308). Damit begegnen die Minister der Kritik, dass der Bologna-Prozess mit seiner Betonung der Hochschullehre zu Lasten der Forschung durchgeführt werde. An der Idee der Universitas als Gemeinschaft der Lernenden, Lehrenden und Forschenden wird im Berliner Kommuniqué programmatisch festgehalten. Daher solle auch das Doktorat als dritter Zyklus in den Bologna-Prozess aufgenommen werden. Damit ist das zehnte Kernziel des Bologna-Prozesses benannt: 10. Die Verbindung von Hochschul- und Forschungsraum Europa sowie die Aufnahme des Doktorats als dritten Studienzyklus. Prioritär möchten die Minister ihre Anstrengungen in den Bereichen der Einführung gestufter Studiengänge, der Qualitätssicherung und der Verbes-
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serung der Anrechenbarkeit von Studienabschlüssen und -leistungen vergrößern. Auf europäischer Ebene soll das European Network for Quality Assurance in Higher Education (ENQA) in Zusammenarbeit mit den europäischen Interessenverbänden der Hochschulen und Studierenden Kriterien und Verfahren für die Qualitätssicherung entwickeln, die eine Vergleichbarkeit der nationalen Qualitätssicherungssysteme schaffen sollen. Bei der Einführung des neuen Studiensystems soll darauf geachtet werden, transparent zu definieren, welche Arbeitsbelastung, welches Niveau, welche Lernergebnisse4 und Kompetenzen in dem jeweiligen Studiengang von den Studierenden erwartet werden. Dies wird als Weg zur Entwicklung nationaler Rahmenregelungen empfohlen, die die Vergleichbarkeit und Anschlussfähigkeit aller Studiengänge verbessern können. Diese Studiensysteme sollen letztlich innerhalb eines europäischen Qualifikationsrahmens vergleichbar sein, den zu entwickeln sich die europäischen Minister in ihr Berliner Programm geschrieben haben (vgl. Berliner Kommuniqué, S. 303). Bei der Frage nach einem Leistungspunktesystem, das in der Lage ist, europaweit die Studiengänge miteinander vergleichbar zu machen, wird auf die mittlerweile breite Anerkennung des European Credit Transfer Systems (ECTS) verwiesen. Das ECTS wird zum maßgeblichen Leistungspunktesystem etabliert und soll zukünftig auch zur Kumulierung von Studienleistungen ausgebaut werden. Bei der Förderung der Europäischen Dimension verzeichnen die Minister erste Initiativen zur Entwicklung von europäischen Curricula, der Kooperation von Hochschulen verschiedener europäischer Länder etc. Sie unterstreichen die Bedeutung des Fremdsprachenerwerbs: Die Studierenden müssten die Möglichkeit haben, ihre Fremdsprachenkompetenzen auszubauen, denn nur auf diese Weise könnten sie „ihr Potenzial, zu europäischer Identität, Staatsbürgerschaft und Beschäftigungsfähigkeit zu gelangen“ (Berliner Kommuniqué, S. 306), ausschöpfen. Insgesamt stellt das Berliner Kommuniqué die Lebenswirklichkeit der Studierenden stärker in den Vordergrund als die Dokumente von Bologna und Prag. Allerdings fehlen gerade beim Thema Soziale Dimension immer 4
(Engl. Original: Learning Outcomes). „Aussagen darüber, was ein Lernender weiß, versteht und in der Lage ist zu tun, nachdem er einen Lernprozess abgeschlossen hat. Sie werden als Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen definiert.“ (EUKommission 2008, S. 11) Das Formulieren von Lernergebnissen soll dabei beitragen, größere Transparenz bzgl. der Erwartungen zu schaffen, die von Seiten der Lehrenden, aber auch aus der Sicht der Lernenden an einen Ausbildungsabschnitt gestellt werden. Vgl. auch die ECTS Key Features: Die „Lernergebnisse sind ein Kompetenzbündel, das darstellt, was die Studierenden nach Abschluss eines kurzen oder langen Lernprozesses wissen, verstehen oder leisten können.“
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noch konkrete Maßnahmen, um die wirtschaftlichen und sozialen Hemmnisse in den Griff zu bekommen. Bergener Kommuniqué 2005: „Der Europäische Hochschulraum – die Ziele verwirklichen“ Zur Halbzeit des Bologna-Prozesses stellen die Minister fest, dass die „notwendigen Reformen in der Gesetzgebung weitgehend erfolgt“ (Bergener Kommuniqué, S. 35) seien. Jetzt läge es an den Hochschulen, deren Mitarbeitern und den Studierenden, den Bologna-Prozess so umzusetzen, dass damit die „innovativen Lehr- und Lernprozesse“ (ebd.) sichergestellt würden, die Europa brauche. Die dreizyklische Studienstruktur soll Teil des europäischen Qualifikationsrahmens werden. Dabei müssen die Studiengänge der ersten zwei Zyklen mit Leistungspunkten ausgewiesen und die Studiengänge aller drei Zyklen transparent durch die Angabe der jeweiligen Lernergebnisse dokumentiert werden. Alle Mitgliedsstaaten des BolognaProzesses sind aufgefordert, bis zum Jahr 2007 mit der Umsetzung dieser Vorgaben in ihrem Land zumindest begonnen zu haben, damit 2010 die neuen Qualifikationsrahmen verfügbar sind. Außerdem steht auf dem Arbeitsprogramm, das Studiensystem auf die Möglichkeiten des Lebenslangen Lernens auszurichten. Auf diese Weise sollen Anknüpfungspunkte zur allgemeinen Bildung, zur Berufsbildung und zu den weiteren Fortbildungsmöglichkeiten hergestellt werden, um individuelle Bildungsverläufe zu fördern. Die Minister kritisieren, dass das Lissabonner Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Studienabschlüsse immer noch nicht von allen Mitgliedsländern ratifiziert worden sei. Zur Förderung der Umsetzung schlagen sie vor, dass alle Mitgliedsländer die Abschlüsse anerkennen, die in zwei oder mehr Ländern des Europäischen Hochschulraums bereits verliehen werden. Außerdem soll die Anerkennung non-formalen und informellen Lernens (Bergener Kommuniqué, S. 4) z. B. beim Hochschulzugang vereinfacht werden. „Non-formales Lernen“ bezeichnet ein Lernen, das nicht im regulären Schul- und Hochschulsystem stattfindet. „Informelles Lernen“ findet (in der Regel nicht als Lernprozess strukturiert) im Lebensalltag, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, in der Familie oder der Peergroup statt (vgl. Overwien 2005, S. 346). Sowohl das non-formale als auch das informelle Lernen führen bislang meist nicht zu einer Zertifizierung, was damit zu tun haben mag, dass diese Lernwege von vielen nicht als ‚richtiges‘ Lernen anerkannt werden (vgl. Boshier 2005, S. 376). ‚Richtiges‘ Lernen findet in diesem Verständnis nur als formales Lernen (in der Schule, Hochschule etc.) statt und führt zu einem Abschluss.
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Als weitere Herausforderungen nennen die Minister vier Schwerpunkte: Zunächst heben sie die Wichtigkeit der Forschung für Europa heraus. In diesem Zusammenhang charakterisieren sie den Doktoratszyklus als forschungsorientiert, weil die Doktoranden gleichzeitig Nachwuchswissenschaftler und Studierende seien. Bei den beiden Themen Mobilität und Soziale Dimension wollen die Minister in erster Linie den gleichberechtigten Hochschulzugang für alle sicherstellen. Weder wirtschaftliche noch soziale Gründe sollen die Studierenden vom Studium abhalten. Deshalb sollen europaweit Daten zur sozialen und wirtschaftlichen Lage der Studierenden erhoben werden, um messen zu können, inwiefern an den drei wesentlichen Phasen der Studienbiographie (dem Hochschulzugang, während des Studiums und am Hochschulabschluss) Chancengleichheit besteht, also „die Studierendenschaft in einem Hochschulsystem die sozialökonomische und kulturelle Vielfalt in der Gesamtbevölkerung eines Landes“ (Orr 2007, S. 8) abbildet. Als vierte Herausforderung nennen die Minister erneut die Steigerung der Attraktivität des Hochschulraums durch eine nachhaltige Entwicklung und stärkere Internationalisierung. In allen drei Studienzyklen sollen die Studierenden auf „den Arbeitsmarkt, weiteren Erwerb von Fachwissen und staatsbürgerliches Engagement“ (Bergener Kommuniqué, S. 7) vorbereitet werden. Londoner Kommuniqué 2007: „Auf dem Wege zum Europäischen Hochschulraum: Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung“ In London quittieren sich die Minister bedeutende Fortschritte auf dem Weg zum Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum. Die Politiker begreifen es als ihr Ziel, die Hochschulen so auszustatten, dass diese ihre Zwecke erfüllen können, nämlich „die Vorbereitung der Studierenden auf ein Leben als aktive Bürger in einer demokratischen Gesellschaft, die Vorbereitung der Studierenden für ihre künftige Laufbahn und die Förderung ihrer persönlichen Entwicklung, die Schaffung und Erhaltung einer breiten modernen Wissensbasis sowie die Förderung von Forschung und Innovation“ (Londoner Kommuniqué, S. 1). Besonders heben die Minister die Fortschritte in den Bereichen Studienstruktur, Qualitätssicherung, Ausbau von strukturierten Programmen im dritten Studienzyklus (Doktorat) und die weltweite Attraktivitätssteigerung des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums hervor. Die Entwicklung von Qualifikationsrahmen hingegen sei schwierig, dennoch halten die Minister daran fest, da diese „wichtige Instrumente zur Herstellung von Vergleichbarkeit und Transparenz [. . .] und zur Erleichte-
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rung der Mobilität innerhalb und zwischen den Hochschulsystemen“ (Londoner Kommuniqué, S. 3) seien. Als problematisch werden die unterschiedlichen Umsetzungspraktiken bei der Anerkennung von Studienleistungen angesehen. Auch beim Abbau von Mobilitätshemmnissen und beim Ausbau von flexiblen Wegen für das Lebenslange Lernen gäbe es noch viel zu tun. In Bezug auf die „Soziale Dimension“ (Londoner Kommuniqué, S. 5 f.) ist nach wie vor Zurückhaltung zu erkennen. Konkreter wird jedoch formuliert, dass damit die Förderung des sozialen Zusammenhalts, der Abbau von Ungleichheit, die Anhebung des Bildungsniveaus und eine soziale Beteiligung an Hochschulbildung analog dem Anteil der verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft gemeint sei. Individuell gehe es darum, das „Potential des Einzelnen im Hinblick auf die persönliche Entwicklung“ (Londoner Kommuniqué, S. 5) auszuschöpfen, soziale und wirtschaftliche Hemmnisse für den Studienabschluss abzubauen, eine angemessene Betreuung und Beteiligung der Studierenden zu sichern sowie flexible Lernwege auszubauen. Die im Titel des Kommuniqués besonders betonten „Herausforderungen der Globalisierung“ werden nicht konkret benannt. Es finden sich nur einige Sätze dazu, dass die Informationsgrundlage über den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum im Internet verbessert und Anerkennungsverfahren von Studienleistungen weltweit durch die Anwendung des Lissabonner Abkommens gefördert werden sollten (vgl. Londoner Kommuniqué, S. 7). Das Kommuniqué schließt mit der Feststellung, dass auch über das Jahr 2010 hinaus eine Zusammenarbeit gewünscht wird, die nicht nur „Fragen von Strukturen und Instrumenten“ (Londoner Kommuniqué, S. 8) aufnimmt, sondern für einen Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum steht, der auf (nicht näher benannten) „Werten und Visionen“ (ebd.) beruht. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass keine neuen Aktionslinien im Londoner Kommuniqué vereinbart werden. Stattdessen stehen Fragen der Prioritätensetzung, die Konkretisierung von Handlungsfeldern sowie weitere Möglichkeiten zur Förderung der bereits vereinbarten Maßnahmen (z. B. zur Erhöhung der Mobilität) im Vordergrund. Hieran zeigt sich die Tendenz, dass auf europäischer Ebene bereits damit begonnen wurde, die erste Dekade des Bologna-Prozesses abzuschließen. Der Reformprozess läuft, ohne dass größere Kurswechsel für notwendig gehalten werden. Leuven/Louvain-la-Neuve Kommuniqué 2009: „Der Bologna-Prozess 2020 – Der Europäische Hochschulraum im neuen Jahrzehnt“ Neben der Bestandsaufnahme der Reformergebnisse geht es nun bereits um die Planung der nächsten Dekade des Gemeinsamen Europäischen Hoch-
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schulraums. Angesichts der demographischen Entwicklung sei es nötig, dass Europa die Bemühungen für das Lebenslange Lernen fortsetze und die Beteiligung der Bevölkerung an hochschulischer Bildung erweitere (vgl. Leuven/Louvain-la-Neuve Kommuniqué, S. 1). Neu ist die prioritäre Stellung, die der Ausbildung der Lehrenden im Rahmen der Qualitätssicherung der Studiengänge zugewiesen wird (vgl. Leuven/Louvain-la-Neuve Kommuniqué, S. 3 f.). Im Übrigen sind es die bekannten Aktionslinien, deren Relevanz und Programmatik aktualisiert werden. In Bezug auf die Organisation des Bologna-Prozesses soll an den bewährten Strukturen im Wesentlichen festgehalten werden. Die Bologna-Konferenzen werden allerdings nur noch im Dreijahres-Rhythmus stattfinden – der Bologna-Prozess verliert Geschwindigkeit. Ausblick Anlässlich des zehnjährigen Bestehens der europäischen Hochschulreform richten Österreich und Ungarn gemeinsam im Jahr 2010 eine Konferenz der europäischen Bildungsminister in Budapest und Wien aus. Die nächste reguläre Bologna-Konferenz ist erst für das Jahr 2012 im rumänischen Bukarest geplant. Spätestens seit der Konferenz von London ist zu merken, dass auf der europäischen Ebene die Kraft des Bologna-Prozesses nachlässt: Es werden keine neuen Aktionslinien formuliert, die dem Bologna-Prozes als politischem Programm Profil geben. Stattdessen häufen sich die Beteuerungen, bereits viel erreicht zu haben. Die Aussagen zur Weiterführung des Bologna-Prozesses in der Dekade bis 2020 bleiben vage; von einer konkreten Programmformulierung kann in der Runde der europäischen BolognaAkteure kaum mehr die Rede sein. 2.2
Akzeptanz und Kritik aus Sicht der ‚betroffenen‘ Partner
In den Dokumenten der Bologna-Konferenzen betonen die Bildungsminister, dass die Hochschulen und die Studierenden als wichtige Partner im Bologna-Prozess zu betrachten sind. Die politischen Entscheidungen sollen also nicht über die Köpfe der Hochschulen und Studierenden hinweg diktiert werden. Bei den Kooperationen der Minister mit den Akteuren aus den Hochschulen handelt es sich also um eine Variante der Modern Governance. Die Regierungsvertreter haben ein strategisches Interesse daran, dass der Bologna-Prozess nicht als eine von oben aufgezwungene Maßnahme erscheint, sondern mehrheitlich mitgetragen wird. Vorweg ist festzustellen, dass der Bologna-Prozess durchaus kritisch bei den Hochschulen
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und Studierenden angekommen ist und gleichzeitig doch eine grundlegende Zustimmung (oder Einsicht in die Notwendigkeit) für die Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums vorzuherrschen scheint. Teichler (2005c, S. 22) bietet dafür die Erklärung an, dass es offensichtlich den politischen Entscheidungsträgern und Hochschulmanagern gut gelinge, „eine Mehrheit der Zustimmung zu postulieren“ und die Stimmen des Gros der Wissenschaftler und Studierenden „als verstreute Minderheitenkritik“ darzustellen. Die unterschiedlichen Standpunkte der Hochschulen und Studierenden sollen im Folgenden anhand einer Analyse der Positionspapiere zum Bologna-Prozess des Verbands europäischer Hochschulleitungen und des Dachverbands europäischer Studierendenschaften dargestellt werden. 2.2.1
Die Rolle der European University Association
Die Hochschulleitungen haben sehr früh erkannt, dass sie eine gemeinsame Stimme brauchen, wenn sie gebührlich wahrgenommen werden wollen. Daher haben sie 2001 in Salamanca die European University Association (EUA) gegründet, die seitdem „ohne besondere Erwähnung“, wie Zervakis (2004, S. 112) bemerkt, „als einer der wichtigsten Träger aus der Bürgergesellschaft“ fungiert und den Bologna-Prozess (im Gegensatz zu den Studierendenvertretungen) tatsächlich maßgeblich mitbestimmt. Seit dem Gründungstreffen in Salamanca trifft sich die EUA regelmäßig,5 um ihre „Botschaften“ an die europäischen Bildungsminister zu senden. Dabei hat die EUA von Anfang an ihre Unterstützung des Bologna-Prozesses deutlich gemacht. Sie fordert hauptsächlich, die Autonomie der Hochschulen zu wahren und diese besser zu finanzieren. Der faire Wettbewerb sei ebenfalls zu erstreben, aber die Hochschulen seien nicht bereit, ihre eigenen Traditionen einfach aufzugeben. Daher bekräftigt der Hochschulverband: „Der Europäische Hochschulraum muss auf der europäischen Tradition beruhen, die Bildung als einen Bereich der öffentlichen Verantwortung betrachtet, offenen Zugang zu Studien der ersten sowie der weiteren Stufen bietet, Bildung als persönliche Entfaltung und [L]ebenslanges Lernen fördert und dem Bürgersinn sowie der sozialen Relevanz auf kurze und lange Sicht Rechnung trägt.“ (EUA 2001, o. P.)
5
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Bisherige Treffen der EUA-Mitglieder: 2001 in Salamanca, 2003 in Graz, 2005 in Glasgow und 2007 in Lissabon. Hintergrundinformationen zum Gründungstreffen in Salamanca bietet Walter (2006, S. 136–138).
Die Botschaft von Graz zwei Jahre später geht mit der europäischen Bildungspolitik weiter konform: Die EUA verknüpft strategisch soziale und wirtschaftliche Aspekte, wenn der Erfolg des Bologna-Prozesses als abhängig davon definiert wird, dass sich die Universitäten „der Herausforderung des globalen Wettbewerbs stellen und sich zugleich für die Stärkung der Zivilgesellschaft in ganz Europa einsetzen“ (EUA 2003, S. 15). Die EUA wünscht sich in Graz darüber hinaus einen rechtlichen Rahmen, in dem die Hochschulen Geldquellen jenseits der staatlichen Grundfinanzierung für sich erschließen können (vgl. EUA 2003, S. 15). Dennoch fordert die EUA die Regierungen auf, die Universitäten in der Verantwortung des Staates zu belassen, um die akademische Freiheit zu gewährleisten. Auch kritisiert die EUA den Top Down-Charakter des Bologna-Prozesses und stellt fest, dass die Dynamik nicht „durch von oben verordnete Reformen“ (EUA 2003, S. 18) erreicht werden könne, sondern auf der „aktiven und freiwilligen Beteiligung aller interessierten Partner – der Hochschulen, der Regierungen, der Studierenden und anderer stakeholders“ (ebd.) aufgebaut werden müsse. Wiederum zwei Jahre später bekräftigt die EUA in ihrer Botschaft aus Glasgow die Bedeutung „selbstbewusster Universitäten“, die in der Lage sein müssten, „ihre eigene Entwicklung zu bestimmen und ihren Beitrag zur sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung auf regionaler, nationaler, europäischer und globaler Ebene zu leisten“ (EUA 2005, S. 10). Dafür fordert sie erneut mehr Gestaltungsspielraum von den Regierungen und deren Rückzug auf beratende Funktionen. Im Jahr 2007 betont die EUA in ihrer Botschaft aus Lissabon die Bedeutung des Lernens und der Beschreibung von Lernergebnissen: Für eine heterogenere Studierendenschaft müssten entsprechende Lernumgebungen geschaffen und es solle „expliziter beschrieben werden, was die Absolventinnen und Absolventen nach ihrem Abschluss wissen und können müssen, aber auch kritisches Denken und die aktive Beteiligung der Studierenden sind zu fördern“ (EUA 2007, S. 2). Darüber hinaus setzt sich die EUA für den freien Zugang zu Wissen ein: „Die Universitäten bestehen auf ihrer Rolle als Hüterinnen wissenschaftlicher Erkenntnis als eines öffentlichen Gutes“ (EUA 2007, S. 6).
Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass der Bologna-Prozess den Interessen der EUA entspricht, denn der Gestaltungsspielraum der Hochschulen (z. B. die erweiterte finanzielle Autonomie) wächst. Durch die Herausgabe der Trends-Berichte nimmt die EUA viel Einfluss auf die Evalua-
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tion und Interpretation der Ziele und Ergebnisse des Bologna-Prozesses. Somit ist der europäische Hochschulverband als einer der wichtigsten Konstrukteure des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums einzuschätzen. 2.2.2
Kritik des europäischen Studierendenverbands
Die Studierenden bzw. die Studierendenverbände haben es im Bologna-Prozess schwerer als die durch die EUA vertretenen Hochschulen, denn sie werden von den anderen Akteuren weniger ernst genommen. Die Ursachen hierfür liegen laut ESIB6 u. a. darin, dass die Studierenden in vielen BolognaLändern nicht als vollwertige Mitglieder in Entscheidungsgremien beteiligt seien. Sie würden statt als gleichberechtigte Partner oft eher als Kunden oder Konsumenten gesehen (vgl. ESIB 2005, S. 48 ff.). Zwar hatte auch ESIB schon zu einem frühen Zeitpunkt seine prinzipielle Befürwortung zur Schaffung eines gemeinsamen Hochschulraums erklärt (ESIB 2001), aber diese war immer begleitet von fundamentaler Kritik an den Maßnahmen und der Umsetzung in den meisten Mitgliedsländern. Detaillierte Aufstellungen der wichtigsten Kritikpunkte von ESIB finden sich in den „Bologna with student eyes“-Berichten von 2003, 2005 und 2007. Darin beanstanden die Studierenden vor allem, dass der Bologna-Prozess von vielen Mitgliedsländern als eine Art „Auswahlmenü“ (Bologna à la carte) verstanden werde, aus dem nur einzelne Maßnahmen herausgepickt und umgesetzt würden. Dies habe zur Konsequenz, dass das Gesamtkonzept verfehlt und das neue System (z. B. bei der Berechnung des studentischen Arbeitsaufwands) nicht adäquat oder teilweise auch schlicht falsch implementiert werde (vgl. ESIB 2005, S. 3 und 5; erneut ESIB 2007, S. 5 ff.). ESIB kommt zu folgender Einschätzung des Bologna-Prozesses: Es seien insgesamt mehr Barrieren als flexible Studienwege eingeführt worden (vgl. ESIB 2005, S. 4). Außerdem stellten sich die bislang nur selten angebotenen internationalen Studienprogramme als hoch selektiv heraus (u. a. durch hohe Gebühren und Auswahlprozeduren). Die Europäische Dimension führe allenfalls ein Schattendasein 6
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1982 gründeten sieben westeuropäische Studierendenschaften das „Western European Information Bureau“, kurz WESIP. Anfang der 1990er Jahre wurde WESIP auch für Studierendenschaften osteuropäischer Länder geöffnet. In diesem Zuge fand die erste Umbenennung in „ESIB“ statt: European Student Information Bureau verweist auf die ursprüngliche Aufgabe der Organisation zum Austausch von Informationen über die hochschulische Bildung in den einzelnen Ländern. ESIB nahm ab den 1990er Jahren zunehmend aber auch bildungspolitische Fragen auf und konstituierte sich 1993 als Dachverband für europäische Studierendenvereinigungen. 2007 benannte sich ESIB in European Students‘ Union (kurz: ESU) um.
innerhalb des Bologna-Prozesses. Auch die Soziale Dimension spiele in fast keinem Land als Bestandteil des Bologna-Prozesses eine prominente Rolle. Obwohl seit 2001 diese Dimension auf europäischer Ebene ein ausgewiesener Bestandteil des Bologna-Prozesses ist, passiere auf nationaler Ebene bis auf einige Ausnahmen nichts (vgl. ESIB 2005, S. 6). Durch steigende Lebenshaltungskosten oder durch die Einführung von Studiengebühren habe sich in vielen Staaten die Situation sogar verschlechtert, stellt ESIB (2007, S. 5 und 10 ff.) zwei Jahre später fest. Grundsätzlich kritisiert ESIB auch die gestufte Studienstruktur, die nicht nur für die Mehrheit der Studierenden innerhalb der hochschulischen Qualifikation de facto eine weitere Selektionshürde bedeute,7 sondern bereits den Effekt zeige, dass insbesondere Frauen davon benachteiligt würden. Obwohl der Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheiten seit der Berliner Konferenz ebenfalls zum Handlungsfeld des Bologna-Prozesses gehört, werde nun durch die neue Struktur ein Glass Ceiling Effect (ESIB 2005, S. 17 f.) erkennbar, d. h. eine unsichtbare Hürde, die speziell Frauen am Aufstieg hindere. Die geringere Teilhabe von Frauen im zweiten und dritten Studienzyklus deute darauf hin, dass sich Geschlechterungleichheiten vergrößerten (vgl. ESIB 2007, S. 38). Wenngleich die Kritik der Studierenden meist als durchaus berechtigt anerkannt wird, ist insgesamt kaum zu erkennen, dass der Bologna-Prozess sich dadurch verändert: Die Kritik der Studierenden wird zwar angehört, aber sie verpufft weitgehend wirkungslos. 2.3
Hintergründe: Bildungspolitik der EU
Der Bologna-Prozess fügt sich mit seinen Zielen in die gegenwärtige Bildungspolitik der EU ein. Dies wird im folgenden Abschnitt 2.3.1 am so genannten Lissabonner Prozess illustriert. Sodann wird in Abschnitt 2.3.2 der Bologna-Prozess als Teil der Idee expliziert, nicht nur einen gemeinsamen Hochschulraum zu schaffen, sondern vom tertiären Bildungssektor (inklusive der beruflichen Bildung) hinab bis zum Pflichtschulbereich die nationalen und föderalen Bildungssysteme in Europa in einem Europäischen Qualifikationsrahmen abzubilden.
7
Im englischen Original: „Regardless of the right to apply and to be considered for admission to higher education, for the majority of students in Europe the transition between different cycles unfortunately means new obstacles on their way towards obtaining higher education qualification“ (ESIB 2005, S. 14).
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2.3.1
Der Lissabonner Prozess
Der Jahrtausendwechsel wurde von vielen als Umbruchsituation wahrgenommen. Vielleicht liegt darin auch eine Ursache dafür, dass im Jahr 2000 der gesellschaftliche Wandel prominent auf der europäischen Tagesordnung erscheint. So stellt die EU-Kommission (2000, S. 8) fest, dass das Europa von heute einen Wandel erlebe, „dessen Ausmaß dem der industriellen Revolution vergleichbar“ sei. Man kann sich darüber streiten, ob die sozialen und ökonomischen Konsequenzen dieses wahrgenommenen Wandels tatsächlich als so gravierend anzusehen sind, sicher kann aber angenommen werden, dass in weiten Teilen der Gesellschaft genau dieses Bewusstsein vorherrscht. Die Möglichkeiten durch Reisen, Kommunikation (vor allem durch das Internet) und den internationalen Handel weltweit zu agieren, verändern das Weltbild der Menschen: Der Handlungsraum wird größer, aber genauso wachsen die Chancen und Risiken, die das „moderne Leben“ für die Individuen mit sich bringe (vgl. EU-Kommission 2000, S. 8). Ebenfalls im Jahr 2000 legte der Vorstand des Europäischen Rates in Lissabon eine neue Strategie vor, die seitdem als „Lissabonner Prozess“ (Europäischer Rat 2000) bekannt ist. In diesem Papier erscheint der gesellschaftliche Wandel als der Anlass für eine Neubestimmung politischer Ziele. Der Europäische Rat geht in diesem Zusammenhang von einem „Quantensprung“ aus, „der aus der Globalisierung und den Herausforderungen einer neuen wissensbasierten Wirtschaft“ (Europäischer Rat 2000, o. P.) resultiere. Die momentanen Veränderungen wirkten sich sowohl auf höherer Ebene als auch auf die persönlichen Lebensumstände jedes Menschen aus. Der Europäische Rat will deshalb ein „ambitioniertes Programm [für] den Aufbau von Wissensinfrastrukturen, die Förderung von Innovation und Wirtschaftsreform und die Modernisierung der Sozialschutz- und Bildungssysteme“ (Europäischer Rat 2000, o. P.) auflegen, das (wie der Bologna-Prozess) im Jahr 2010 abgeschlossen sein soll. Der Lissabonner Prozess sieht dabei vor, den europäischen Zusammenhalt der Bürger mit der verstärkten Wettbewerbsfähigkeit Europas zu vereinen und gleichermaßen wirtschaftliche wie soziale Reformen durchzusetzen. Das Ziel sei, „die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“ (Europäischer Rat 2000, o. P.).
Vor diesem Hintergrund kommt den Hochschulen in der Tat eine beson-
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dere Bedeutung für den Wandel zu einem „Europa des Wissens“ zu, denn diese nehmen in den Bereichen Forschung und Bildung eine Schlüsselrolle ein: An den Hochschulen wird das Wissen nicht nur erzeugt, sondern auch weitergegeben. Ähnlich stellt die EU-Kommission drei Jahre später in ihrer Mitteilung über „die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens“ fest, dass die Hochschulen durch ihre Forschung und Forschungsdienstleistungen sowie durch die Ausbildung der Studierenden einen großen Beitrag zur „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft“ (vgl. EU-Kommission 2003, S. 5) leisteten. Durch das neue Wissen entstünden neue Branchen auf dem Arbeitsmarkt und werden Arbeitsplätze geschaffen: Etwa ein Drittel aller Europäer sei in wissensintensiven Branchen tätig und in diesen Bereichen sei die Hälfte aller zwischen 1999 und 2000 neu eingerichteten Arbeitsplätze entstanden (vgl. EU-Kommission 2003, S. 5). Für diese Arbeitsplätze brauche man wiederum vor allem qualifizierte Hochschulabsolventen, die sich in einer globalisierten Welt auskennen. Daher erklärt sich das große Interesse an einer effizienten und qualitativ ausgezeichneten Hochschulausbildung durch die Erfordernisse des Wettbewerbs in einem europäischen Wirtschaftsraum. Dieser Argumentationsgang liefert die Begründung dafür, warum die Regierungen so sehr an einer Steigerung des Bevölkerungsanteils mit einer hochschulischen Bildung interessiert sind: Eine florierende Wirtschaft wird als conditio sine qua non für den Erhalt des Sozialstaats gesehen. Damit aber verschiebt sich das Bildungsthema, das früher als relevantes Feld zur Entwicklung einer europäischen Identität verstanden wurde, auf der Agenda der europäischen Politik in den Bereich der Beschäftigungs- und Sozialpolitik (vgl. Brenk 2005, S. 24). In der Konsequenz wird der Bologna-Prozess vom Lissabonner Prozess eingeholt (vgl. Wende 2003; Walter 2006, S. 15 f.). Dies spiegelt sich in den Bologna-Erklärungen ab Berlin 2003, in denen gleichermaßen die Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums als Bedingung des gesellschaftlichen Wohlstands beschworen wird. Schnitzer (2005, S. 8) stellt daher besorgt fest, dass nun eine „konkurrierende Zielsetzung“ auf die politische Agenda in Europa gekommen sei, „welche als Lissabon-Prozess den Bologna-Prozess begleitet und zunehmend beeinflusst“, d. h. wirtschaftspolitisch instrumentalisiert. Schnitzer kritisiert, dass es unter „dem Primat der Ökonomie [. . .] zu einer Bündelung wirtschafts-, sozial-, bildungs- und umweltpolitischer Bereiche kommen [solle], wobei es jetzt nicht mehr allein um eine binnenpolitische Europapolitik geht, sondern um das außenwirtschaftliche Ziel der wirtschaftlichen Blockbildung in der globalen Auseinandersetzung“ (ebd.). Bestätigt wird diese kritische Einschätzung des Primats der Ökonomie, wenn
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man einen Blick auf den Fortgang des Lissabonner Prozesses wirft: Im Frühjahr 2005 wurde aufgrund bisher nicht zufriedenstellender Ergebnisse beschlossen, die Aufgaben auf zwei zu begrenzen, nämlich höheres und dauerhaftes Wachstum zu ermöglichen sowie mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen (vgl. EU-Kommission 2005a, S. 5). Daraus resultiert eine weitere Mitteilung der EU-Kommission (2005b), in der dargelegt wird, wie die Hochschulen „ihren vollen Beitrag zur Lissabonner Strategie leisten“ sollen: Aufgrund der als Problemfelder deklarierten fehlenden Differenzierung der Hochschulen8 und der „Abschottung“ (ebd.) einiger Hochschulen oder Hochschulsysteme von der Wirtschaft und der Welt, der staatlichen „Überregulierung“ (ebd.) der Hochschulen sowie deren notorischer Unterfinanzierung könnten die Hochschulen „ihr Potential“ (ebd.) nicht voll entfalten. Daher soll die Attraktivität europäischer Hochschulen durch eine stärkere Verankerung von Wettbewerbselementen erhöht, das Hochschulmanagement modernisiert und die Finanzierung effizienter gestaltet werden. Das Ziel, Europa zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ (Europäischer Rat 2000, o. P.) zu machen, bleibt dabei unverändert bestehen. Hier zeigt sich nebenbei die Bedeutung, die der Globalisierung zugeschrieben werden muss, womit im Anschluss an eine Definition von Leszczensky (2005, S. 62) die „grenzüberschreitende Erweiterung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Handlungs- und Wirkungsgefüge“ verstanden werden kann. Damit ist die Vorstellung verbunden, dass alle Akteure nach den gleichen Regeln (des weltweiten Marktes) agieren und nationale Grenzen „verschwimmen oder sogar verschwinden“ (Teichler 2003, S. 20): In einer globalisierten Umwelt müssen sich die Hochschulen mehr und mehr einem „zunehmenden Wettbewerb um die größten Talente“ stellen (EUKommission 2003, S. 3 f.). Es reiche nicht mehr aus, nur regional oder auch nur national zu wirken, sondern der Wettbewerb um den Wissensvorsprung spiele sich global ab und werde künftig unter den Bedingungen der wachsenden Kommerzialisierung von Wissen weiter zunehmen (vgl. Leszczensky 2005; Schnitzer 2005; Wuttig/Knabel 2003, S. 45). Der Trend zur Kommerzialisierung ist nach Teichler (2003, S. 24 f.) ebenfalls auf den Gesellschaftswandel zurückzuführen: Da von der Wissensgesellschaft erwartet 8
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EU-Kommission 2005, S. 4: „Die meisten Universitäten bieten tendenziell dieselben monodisziplinären Studiengänge und alt hergebrachten Methoden für dieselbe Gruppe akademisch am besten qualifizierter Lernender an – was zum Ausschluss jener führt, die nicht ins Standardmodell passen. Weitere Konsequenz [ist], dass Europa zu wenige Zentren mit weltweiten Spitzenleistungen hat [. . .]“.
werde, dass die Wissenschaft ständig wachse, sei eine enorme Erhöhung der Kosten die Folge. Diese Kosten werden nicht mehr ausschließlich durch die öffentliche Hand gedeckt, sondern die Wissenseinrichtungen werden aufgefordert, selbst weitere Einnahmequellen zu erschließen. Als Beispiel kann die Einführung gestufter Studiengänge gelten, weil diese in Europa erst dann etabliert worden sind, als sich zeigte, dass die traditionellen europäischen Abschlüsse in den ökonomisch immer bedeutender werdenden Regionen Ost- und Südasiens im Gegensatz zu dem anglo-amerikanischen Modell kaum nachgefragt wurden (vgl. Teichler 2002, S. 7). Insgesamt geht es in der Bildungspolitik der EU entscheidend um die Unterstützung des Aufbaus ökonomischer Strukturen im Hochschulwesen vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs (vgl. Haug 2000, S. 20). 2.3.2
Die Idee eines Europäischen Qualifikationsrahmens
Der Bologna-Prozess ist nicht der einzige Versuch, Gemeinsamkeiten zu formulieren und Vergleichbarkeit in einem Teil des Bildungswesens über die Ländergrenzen hinweg herzustellen. Im Bereich der beruflichen Bildung stellt der so genannte Kopenhagen-Prozess das Gegenstück zum BolognaProzess dar: Er zielt auf die Förderung eines europäischen Berufsbildungsraums (vgl. Grollmann et al. 2006; Minder 2007; Dunkel/Jones 2006). Als umfassendster Versuch ist indes die Idee eines europäischen Qualifikationsrahmens zu sehen, der auf allen Stufen des allgemeinbildenden und beruflichen Bildungssystems nationale Qualifikationen auf einer europäischen Ebene miteinander vergleichbar machen soll. Diese Idee wird sowohl in den Bologna-Dokumenten (Berliner Kommuniqué 2003; Bergener Kommuniqué 2005) als auch als Teil der Lissabonner Strategie (Europäischer Rat 2004, S. 5; EU-Kommission 2004; EU-Kommission 2006) angesprochen und aufgegriffen: „Ein Europäischer Qualifikationsrahmen soll es ermöglichen, nationale und sektorale Qualifikationsrahmen und -systeme in Bezug zueinander“ (EU-Kommission 2005, S. 4) zu setzen. Dem europäischen Qualifikationsrahmen werden dabei nationale Pendants gegenübergestellt, in denen die Staaten in eigener Verantwortung Deskriptoren9 für ihr Qualifikationssystem entwickeln. Ziele sind mehr Transparenz bei der Bewertung von Qualifikationen, die Erleichterung der Aner9
Ein Deskriptor dient der Beschreibung von Kompetenzniveaus. Im Zusammenhang mit der Einführung von Qualifikationsrahmen werden mit Deskriptoren allgemeine Aussagen über die Leistungserwartungen auf einer Niveaustufe formuliert, die nach Fertigkeiten, Kenntnissen und Kompetenzen differenziert werden.
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kennung dieser Qualifikationen, um die grenzüberschreitende Mobilität in einem gemeinsamen europäischen Bildungsraum sowie die Durchlässigkeit (vgl. Banscherus 2007, S. 47) zu erhöhen, und die Zertifizierung von nonformal erworbenen Kompetenzen (vgl. Hanft 2006, S. 54). Damit können Barrieren zwischen allgemeiner und beruflicher, akademischer und nichtakademischer Bildung abgebaut sowie die Grenzen zwischen Aus- und Weiterbildung reduziert werden (vgl. Clement 2007, S. 37). Darüber hinaus ermöglichen Qualifikationsrahmen eine staatliche Steuerbarkeit der Kompetenzentwicklung und eine bessere internationale Vermarktbarkeit von Bildungsangeboten (vgl. Hanf/Hippach-Schneider 2005, S. 10; Berg 2005). Die EU-Kommission (2008) hat nun einen „Europäischen Qualifikationsrahmen für [L]ebenslanges Lernen“ beschlossen, der im Kern auf acht Referenzniveaus aufbaut, die vom Abschluss der Pflichtschule bis zu höchsten Qualifikationen reichen (vgl. EU-Kommission 2008, S. 12). Wichtig ist, dass dieser Qualifikationsrahmen nicht auf der Beschreibung von Lernwegen sondern auf der Feststellung von Lernergebnissen fußt. Um eine Diskriminierung zu verhindern, erfolgt kein Eingriff in die Gestaltung der nationalen Bildungssysteme (vgl. Odenwald et al. 2007, S. 13). Stattdessen werden die Qualifikationen „nach Inhalt und Profil“ (EU-Kommission 2006, S. 11 f.) verglichen. Die Qualifikationsrahmen sollen eine Antwort auf die unterschiedlichen Bildungswege der Lerner bieten, indem formal, non-formal und informell erworbene Lernergebnisse anerkannt werden, sofern sie als Kompetenzen (competences), Fähigkeiten (skills) und Kenntnisse (knowledge) formuliert und durch Prüfungen anerkannter Institutionen nachgewiesen worden sind. Sie sind unverzichtbar für den Versuch, einen gemeinsamen Europäischen Bildungsraum zu schaffen. Ob die Deskriptoren jedoch genug Aussagekraft besitzen, um als Grundlage für Anerkennungsverfahren angewendet zu werden und insofern über die „Internationale Standard-Klassifikation im Bildungswesen“ (ISCED) der UNESCO (1997) hinausgehen, wird sich erst noch zeigen müssen. Derzeit, konstatiert Clement (2007, S. 42), seien aufgrund der komplexen bestehenden Strukturen und unterschiedlichen Interessen der Akteure die „Realisierungschancen und die möglichen Folgen einer europaweiten Umsetzung des EQF [. . .] kaum prognostizierbar“. Der Erfolg der Qualifikationsrahmen hängt davon ab, ob mit ihnen die Durchlässigkeit zwischen den Bildungssystemen erhöht und die Anerkennung erworbener Qualifikationen innerhalb des Studiensystems und bei den Übergängen (z. B. auf den Arbeitsmarkt) erleichtert werden können.
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2.4
Die Ziele und Themen des Bologna-Prozesses
Während der Weiterentwicklung des Bologna-Prozesses wird sukzessive klarer, welche der vielen Erwartungen und auch Befürchtungen aus den hochschulpolitischen Diskussionen Realität werden. Auf diese Weise hat sich ein spezifisches Programm herausgeschält, das konkrete Arbeitsbereiche und Maßnahmen enthält, um den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum zu gestalten. Versucht man eine innere Struktur dieses Arbeitsprogramms zu erkennen, zeigen sich bestimmte Argumentationsmuster oder Denkweisen, die den Bologna-Prozess als Bestandteil europäischer Bildungspolitik formen. Im folgenden Abschnitt 2.4.1 werden als Fazit dieses Kapitels die bis zum Jahr 2009 erreichten und ausgehandelten Ziele als Bologna-Programm gebündelt und in Abschnitt 2.4.2 zwei Argumentationssträngen zugeordnet, um auf einer allgemeineren Ebene die Denklinien der Hochschulreform zu beschreiben. 2.4.1
Zentrale Bologna-Anforderungen: zehn Aktionslinien
Bereits zur (ersten) Halbzeit des Bologna-Prozesses hat die BFUG (2005) in Bergen die Kernelemente des Reformpakets in zehn so genannte „Aktionslinien“ (The Bologna Action Lines) gepackt. Diese Zusammenfassung wurde in der Fachliteratur und in verschiedenen politischen Dokumenten oft als Essenz des Bologna-Prozesses verstanden und zeigt, dass die BFUG die offizielle Lesart der Kernziele des Bologna-Prozesses auf europäischer Ebene bestimmt. Die Aktionslinien der BFUG sind letztlich aber nur eine Interpretation dessen, was der Bologna-Prozess bedeuten kann (vgl. Kehm/Teichler 2007, S. 80). Andere Ziele, die in den Bologna-Dokumenten angesprochen werden, finden als Aktionslinie der BFUG keine Erwähnung. Beispielsweise haben sich die Minister im Berliner Kommuniqué (S. 299) darauf verständigt, Hochschulbildung als ein öffentliches Gut und eine vom Staat wahrzunehmende Verpflichtung zu betrachten. Ein Programm gegen eine Privatisierung des Bildungssektors sucht man allerdings in den Papieren der BFUG vergeblich. Nicht nur durch die wechselnde personelle Zusammensetzung der BFUG, sondern vor allem durch die Dynamik des Bologna-Prozesses entwickeln sich die Kernziele des Bologna-Prozesses weiter. Auch Walter (2006a, S. 97) hat solche „graduelle[n] oder substanzielle[n] Veränderungen, wie die nähere Bestimmung von Maßnahmen oder das Umgruppieren in der Reihenfolge der
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Prioritäten, aber auch die Aufnahme neuer Ziele und Maßnahmen“ innerhalb und während des Bologna-Prozesses beobachtet. Die Interpretation des Londoner Kommuniqués, die die BFUG (2008) als Grundlage für die Konzeption eines Bologna Arbeitsprogramms 2007– 2009 erstellt hat, ist noch eine aktuellere Version dessen, was vom BolognaProzess bleiben soll. Dieses Arbeitsprogramm der BFUG (2008, S. 2 ff.) zeichnet sich dadurch aus, dass es umfassend die Themenfelder des BolognaProzesses absteckt und im Zusammenhang mit der Darstellung der BolognaKonferenzen auch über bereits erreichte Fortschritte Auskunft gibt. Das BFUG-Programm beinhaltet die folgenden zehn Arbeitsbereiche: - Mobility. Förderung der Mobilität von Studierenden und Lehrenden zur persönlichen Entwicklung, zur Verbesserung von Forschung und Lehre sowie um der europäischen Dimension „Substanz“ zu verleihen. - Degree Structure. Implementierung des ECTS als Beschreibung studentischen Arbeitsaufwands und erzielter Lernergebnisse. - Employability. Förderung von Beschäftigungsfähigkeit als Ziel aller Studienzyklen. - Recognition. Anerkennung von Lernleistungen (insbesondere im Sinne des Lissabonner Abkommens) im Hochschulwesen, aber auch Anerkennung von Studiengängen am Arbeitsmarkt. - Qualifications Frameworks. Konzeption von Qualifikationsrahmen auf nationaler sowie übergreifend europäischer Ebene. - Lifelong Learning. Förderung des Lebenslangen Lernens als Teil der hochschulischen Bildung und durch die Anerkennung von Prior Learning. - Quality Assurance. Qualitätssicherung und Herstellung von Vergleichbarkeit von Studienangeboten. - Third Cycle/Doctoral Candidates. Das Doktorat als dritter Studienzyklus. Förderung von strukturierten Promotionsprogrammen. - Social Dimension. Hochschulische Bildung für die persönliche Entwicklung des Individuums und als Beitrag für eine nachhaltige und demokratische Wissensgesellschaft. Vom sozialen und ökonomischen Hintergrund unabhängiger Zugang zu, Teilhabe an und Abschluss von hochschulischen Bildungsgängen.
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- Global Dimension. Förderung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Hochschulraums im globalen Kontext. Dieses Arbeitsprogramm ist zugleich als Kurzfassung der bisherigen Kernziele (synonym: der Aktionslinien) des Bologna-Prozesses und als Zukunftsperspektive bis zum Abschluss der ersten Dekade des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums zu verstehen. Die an den Bologna-Konferenzen nachvollzogene Entwicklung des Programms belegt, dass der Bologna-Prozess weder einseitig als neoliberale Entwicklung von Marktstrukturen im Hochschulwesen noch als humanistischer Traum von einer besseren Welt zu verstehen ist. Vielmehr ist eine Offenheit der Zielsetzungen festzustellen, die innerhalb des Bologna-Prozesses zu unterschiedlichen, teilweise widersprüchlichen Entwicklungen führt. Ähnlich stellen auch Reichert und Tauch verschiedene Zielsetzungen fest: „On the one hand, there is the competitiveness agenda, which aims at bracing institutions and national systems for global competition, using transparent structures and cooperation with European partners in order to survive or even thrive in an increasingly tough competition for funds, students and researchers. [. . .] On the other hand, there is the social agenda, stressing cooperation and solidarity between equal and unequal partners, flexible access, attention to individuals and individual contexts, including addressing issues such as the dangers of brain drain. It would be naïve to assume that the European Higher Education Area is being built only on the latter agenda.“ (Reichert/Tauch 2003, S. 106)
Sicherlich haben die beiden Autoren recht mit ihrer Aussage, dass es naiv zu glauben wäre, dass allein die soziale Agenda das Fundament des europäischen Hochschulraums sei. Ausschließlich marktökonomische Erwägungen können den Bologna-Prozess aber auch nicht adäquat erfassen. Für ein besseres Verständnis des Bologna-Prozesses als Policy-Bündel muss nun der Problemverarbeitungsprozess der einzelnen Aktionslinien weiter verfolgt werden. Dabei wechselt die politische Ebene: Während Problemdefinition, Agenda-Setting und Programmformulierung im Wesentlichen auf der europäischen Ebene angesiedelt waren, geht es auf der nationalen Ebene darum, wie die einzelnen Aktionslinien in den Bologna-Mitgliedsländern weiter bearbeitet werden, wie sie also auf der jeweiligen politischen Tagesordnung erscheinen, implementiert und evaluiert werden. Bevor dies in Kapitel 3 für Deutschland untersucht wird, soll jedoch bilanzierend der besondere argumentative Rahmen des Reformpakets charakterisiert werden.
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2.4.2
Wissensgesellschaft und Output-Orientierung
Der Bologna-Prozess beruht auf bestimmten Argumentationsmustern, die fast gebetsmühlenartig zur Begründung der Maßnahmen und Ziele herangezogen werden. Dabei handelt es sich a) um veränderte Ansprüche an eine Wissensgesellschaft Europa und b) um Output-Orientierung als neues Verfahren im Bildungswesen. Ad a: Wissensgesellschaft Europa Die auf europäischer Ebene angestrebte Variante einer modernen Wissensgesellschaft, tituliert als „Europa des Wissens“, verknüpft den Gedanken einer europäischen Identitätsentwicklung mit den Vorstellungen über Leben und Lernen in einer Gesellschaft, deren Kapital hauptsächlich in wissensbasierten Bereichen verortet wird. Dies wurde besonders deutlich im Lissabonner Prozess formuliert: Als Wissensgesellschaft soll Europa der weltweit stärkste Wirtschaftsraum werden. So zielt die Aktionslinie zur Steigerung der Mobilität darauf, die Bedeutung der inner-europäischen Ländergrenzen zugunsten ökonomisch gewollter europäischer Block- bzw. kulturell erwünschter Identitätsbildung zu vermindern. Gleichzeitig wird Europa als Lebens-, Kultur- und vor allen Dingen Arbeitsraum wichtiger. Die Förderung der europäischen Dimension bezweckt, dieses Europa für die Bürger ‚lebendig‘ und ‚erlebbar‘ zu gestalten. Die Förderung der Sozialen Dimension beinhaltet das Versprechen, dieses Europa nach demokratischen Grundsätzen zu formen. Auf der Idee der Wissensgesellschaft bauen außerdem die Aktionslinie zur Förderung des Lebenslangen Lernens und der Beschäftigungsfähigkeit auf – beides ist zentral angesichts des schnell expandierenden Wissens und der neuen Arbeitsmärkte. Die Aktionslinie zur Organisation des Doktorats in einem dritten Studienzyklus und die gleichzeitige Bindung an die Forschung passt sich in dieses Denkmuster ein, weil auf diese Weise die Produktion von neuem Wissen gefördert werden soll. Ad b: Output-Orientierung Die Betrachtung von Outputs nimmt gegenwärtig einen starken Einfluss auf die Bildungspolitik. Innerhalb des Bologna-Prozesses bietet sie darüber hinaus einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Betrachtung von Inputs: Eine Einmischung in die Gestaltung der nationalen Bildungssysteme wird vermieden und die europarechtlichen Harmonisierungsverbote (EG-Vertrag,
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Artikel 149 und 150)10 werden gewahrt. Dennoch ermöglicht der Rekurs auf Outputs die Option, Vergleichbarkeit herzustellen, indem nicht die Lernwege, sondern die Lernergebnisse einander gegenüberstellt werden. Auf dieser Denkweise beruht die Entscheidung, vergleichbare Studienabschlüsse in einem zweizyklischen (später dreizyklischen) System zu etablieren. Die Output-Orientierung ermöglicht damit die vereinfachte Anerkennung von Lernleistungen. Auch die Idee der Qualifikationsrahmen wird vor diesem Hintergrund verständlich. Das ECTS, dessen Einführung unter dem Punkt „Degree Structure“ benannt ist, soll das Maß und auch die Währung bilden, mit der die einzelnen Lehr-Lernangebote zunächst gewogen und sodann auch gehandelt werden können. Die Aktionslinie zur Förderung der Qualitätssicherung durch europäische Kooperation soll dazu dienen, die Qualität des Angebots durch unabhängige Agenturen zu prüfen, indem jeweils spezifische Rahmenstrukturen (z. B. fachliche und materielle Standards) eingefordert werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Output-Orientierung ist darüber hinaus der Wettbewerb. Dadurch wird die Einführung einer stärkeren Marktorientierung im Bildungswesen legitimiert. Zieht man beide Argumentationsmuster zusammen, ergibt sich eine Skizze erwarteter und erwünschter zukünftiger Entwicklungen in Europa: Es wird insgesamt deutlich, dass die europäische Wissensgesellschaft geprägt sein soll durch die Generierung, Vermittlung und Vermarktung von Wissen, das zum wichtigsten Kapital für eine prosperierene Wirtschaft und zur Notwendigkeit für den sozialen Zusammenhalt in den europäischen Staaten wird. Um Eingriffe in die nationalen Bildungssysteme zu vermeiden und gleichzeitig bestehende Vielfalt zu erhalten, wird auf das Konzept der OutputOrientierung zurückgegriffen, das die notwendige Vergleichbarkeit von Qualifikationen, aber auch die adäquatere Anerkennung verschiedener Lernwege sicherstellen kann. Durch die Förderung von wettbewerblichen Strukturen – zunächst nur innerhalb von Europa – werden die Bedingungen geschaffen, mit denen Europa dann als Ganzes im weltweiten Wettbewerb bestehen soll.
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In den Artikeln 149 und 150 wird hauptsächlich festgestellt, dass die Verantwortung für die Lehrinhalte und die Gestaltung des allgemeinen und beruflichen Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen bei den Mitgliedsländern der EU liegt.
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3
Der Bologna-Prozess in Deutschland
Die Bildungsminister haben auf der europäischen Ebene des „Zwei-EbenenSpiels“ (vgl. Putnam 1988, S. 434) aufgezeigt, welche Erwartungen sie an die Modernisierung des Hochschulwesens für ein „Europa des Wissens“ haben. Wie Bologna implementiert wird, hängt primär allerdings von den einzelnen Mitgliedsländern ab, denn die Umsetzung fällt gemäß des Subsidiaritätsprinzips in die Verantwortung der einzelnen Staaten. Dennoch ist die Verpflichtung erheblich, die mit der Unterzeichnung der Absichtserklärungen eingegangen wird. Denn der Bologna-Prozess bedeutet – anders als bei vielen früheren EU-Projekten im Bildungswesen – für die meisten Staaten auf der intranationalen Ebene des Zwei-Ebenen-Spiels grundlegende Veränderungen innerhalb der hochschulischen Bildungsorganisation (vgl. Wolter 2006, S. 299). Jeder Bologna-Staat nimmt die Aufgabe, den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum zu gestalten, unterschiedlich wahr (vgl. die Trends-Berichte; Alesi et al. 2005), was nicht nur auf unterschiedliche Prioritätensetzungen, sondern auch auf die ungleichen Ausgangsbedingungen zurückzuführen ist. Diese heterogenen Voraussetzungen betreffen u. a. die Art der Sekundarbildung, die sich auf das Alter und das Vorwissen der Studierenden bei Studienbeginn auswirkt, die Hochschultypen, die Bedingungen für den Hochschulzugang, die Planung des Studienjahrs (in Trimestern oder Semestern etc.), die curriculare Gestaltung vergleichbarer Studiengänge sowie unterschiedliche Prüfungsmodalitäten und die Art der Studienabschlüsse. Über den jeweiligen Stand der Umsetzung geben die Bologna-Länder in Nationalen Berichten Auskunft.11 Dabei orientieren sich die Staaten an den Bologna-Aktionslinien der BFUG (vgl. Abschnitt 2.4.1). Auf diese Weise werden die gemeinsamen Ziele manifestiert, was zu einer Angleichung (Isomorphie) der europäischen Hochschulsysteme führt. Welche Bedeutung hat der Bologna-Prozess in Deutschland? Die Antworten auf diese Frage reichen von Heilsprophezeiungen bis zu Untergangs11
Die Nationalen Berichte werden auf den offiziellen Web-Seiten des Bologna-Sekretariats des jeweils gastgebenden Konferenzlandes gesammelt, z. B. London 2007: http://www.dcsf.gov.uk/londonbologna
69 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
szenarien: Während die einen den Bologna-Prozess als „Vision uniformierter Universitäten und Fachhochschulen“ (Glaser 2004, S. 66) sehen, die als „Kopfgeburt“ von Politikern und Ministerialbeamten an den Hochschulen vorbei realisiert werden soll, und diese vor „das größte Problem ihrer sicher nicht problemlosen Geschichte der letzten vierzig Jahre stellen“ (Brandt 2004, S. 74), begreifen andere das Reformpaket als echte Chance für eine längst fällige Studienreform, die die Hochschulen „für eine grundlegende und radikale Neukonzeption des Studiums“ (Wagner 2004, S. 36) freisetzen könnte. Die Diskussion überblickend lässt sich sagen, dass vor allem zu Beginn des Prozesses die Einschätzungen der Beteiligten weit auseinander gingen: Während die politischen Entscheidungsträger und die Hochschulleitungen von Anfang an den Bologna-Prozess unterstützten, dominierten von Seite der Hochschullehrer (Hochschulverband, viele Fachverbände etc.) zweifelnde oder auch ablehnende Meinungen (vgl. Alesi et al. 2005, S. 31), denen sich auch viele Studierende bzw. Studierendenschaften anschlossen (vgl. Rehburg 2006, S. 75 ff.). Mittlerweile wird der Bologna-Prozess als Faktum akzeptiert. So stellt Weber (2005, S. 25) fest, dass angesichts „der rasanten Entwicklung und der weitgehenden Anerkennung des Prozesses sowie der bereits stark forcierten Umsetzung [. . .] eine Umkehrung oder ein Versanden“ des Bologna-Prozesses sehr unwahrscheinlich sei und dass mit tiefgreifenden „Veränderungen in allen Bereichen der Hochschullehre“ zu rechnen ist. Ebenso wie auf europäischer Ebene sind die Erwartungen und Befürchtungen, die mit dem Bologna-Prozess in Deutschland verbunden werden, also insgesamt breit gefächert. Mit Blick auf die inhaltliche Dimension der Politik (die Policy) ist der Bologna-Prozess ein Erfolgsmodell der Bildungsreform in Deutschland: Innerhalb kurzer Zeit erfolgten entsprechende Gesetzgebungsverfahren, die drastische Veränderungen im deutschen Hochschulwesen anstießen. Mit dem Hinweis auf unvermeidliche europäische Zugzwänge konnten diese Reformen und auch das schnelle Vorgehen legitimiert werden. Ein Beispiel dafür ist die Überführung der probeweise zugelassenen Bachelor- und Masterstudiengänge in das Regelangebot der Hochschulen. Dies wurde, so Wex (2005, S. 90), „ausdrücklich damit begründet, es müsse einer breiten Entwicklungstendenz aus der Bologna-Erklärung [. . .] Rechnung getragen werden.“ Im folgenden Abschnitt 3.1 wird zunächst ein Blick auf die hochschulpolitische Situation vor Beginn des Bologna-Prozesses geworfen, um deutlich zu machen, dass die politischen Bemühungen für Hochschulreformen aus der zweiten Hälfte der 1990er Jahre gänzlich im Bologna-Prozess aufgingen. Damit wird gezeigt, dass die beschriebene Legitimierungsfunktion des
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Bologna-Prozesses in Deutschland sehr wirksam wurde (vgl. auch Lischka/Hölscher 2006, S. 134). In Abschnitt 3.2 findet dann eine Art Bologna-Inventur statt, in der Entscheidungsträger, Prozessstruktur und vor allem die Umsetzung der einzelnen Bologna-Ziele in Deutschland beleuchtet werden. Dies verdeutlicht die erstaunliche Tragweite des Reformpakets. Gleichzeitig wird damit am Beispiel Deutschlands konkret, wie im „Zwei-Ebenen-Spiel“ die internationalen Bologna-Ziele auf intranationaler Ebene kontextualisiert und realisiert werden; insofern stellt dieser Abschnitt eine weitergehende Auseinandersetzung mit den im zweiten Kapitel gesammelten Ergebnissen und eine Fortführung der Policy-Analyse des Bologna-Prozesses dar. In Abschnitt 3.3 werden die ebenfalls in Kapitel 2 herausgearbeiteten Argumentationsstränge zur Wissensgesellschaft und zur Output-Orientierung wieder aufgenommen und angesichts der deutschen Diskussionen expliziert. Das Ergebnis dieses Kapitels ist somit nicht nur eine Analyse der BolognaReformen in Deutschland, sondern auch ein vertieftes Verständnis der Diskussionen, Interessen und zugrunde liegenden Argumentationsmuster, die – so wird zu zeigen sein – nicht nur den Umbau deutscher Hochschulstrukturen begleiten, sondern im Bildungswesen insgesamt gegenwärtig präsent sind. Ein kurzes Resümee von Teil I (Kapitel 2 und 3) findet sich in Abschnitt 3.4. 3.1
Im Vorfeld von Bologna
Im Folgenden wird die Entwicklung der hochschulpolitischen Lage Ende der 1990er Jahre in Deutschland nachgezeichnet. Dies ist wichtig, um zu verstehen, inwiefern sich die Impulse des Bologna-Prozesses in die hochschulpolitische Situation einfügen. Hervorzuheben sind drei Beschlüsse der KMK von 1997, 1998 und 1999, die einen Überblick über die Hochschulreformbemühungen im ausgehenden 20. Jahrhundert geben: 1997 Der Beschluss zur „Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Studienstandorts Deutschland“ beschreibt geplante Maßnahmen zur Internationalisierung des deutschen Hochschulraums, da dessen Attraktivität in Forschung und Lehre ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für die Hochschulen sei. Die KMK will das deutsche Hochschulsystem kompatibler mit „ausländischen, insbesondere anglo-amerikanischen Abschlüssen“ (KMK 1997, S. 6) machen. Als erste Maßnahme werden daher Bachelor- und Masterstudiengänge (Bakkalaureus und Magister) nach internationalem Vorbild
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eingeführt. Der Bachelor wird dabei als erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss verstanden, der nach drei bis maximal vier Jahren Regelstudienzeit vergeben wird. Der Master schließt an den Bachelor an und kann bis zu zwei Jahre dauern, wobei in einem konsekutiven System beide Studiengänge zusammen nicht länger als auf fünf Jahre geplant werden dürfen. Die Unterscheidung der Abschlüsse nach Hochschulart muss in der Abschlussbezeichnung deutlich gemacht werden, sofern dieselbe Studienrichtung an Universitäten und Fachhochschulen angeboten wird. (Diese Vorgabe wird 2003 aufgehoben, vgl. Witte 2008, S. 431 f.) Bereits im folgenden Jahr werden die neuen Studienabschlüsse zur Erprobung in das Hochschulrahmengesetz (4. HRGÄndG, § 19) aufgenommen. Wie man sieht, entspricht dieses Konzept der gestuften Studiengänge exakt den späteren Bologna-Maßgaben. Interessant ist, dass die Kultusminister die geplanten Maßnahmen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auch als Argument nutzen, um einen umfassenden Reformbedarf für die deutsche Studienorganisation zu konstatieren: Nicht nur für ausländische Studierende an deutschen Hochschulen, sondern für alle Studierenden in Deutschland soll das Studium straffer und transparenter werden. Daher plant die KMK eine weitreichende Studienreform in den Punkten „Sicherung der Qualität der Lehre, Studienzeitverkürzung, Verminderung der Verweilzeiten, Verbesserung von Abschlussquoten, Stärkung der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“ (vgl. KMK 1997, S. 6). Auch wird in diesem Beschluss vereinbart, das Leistungspunktsystems ECTS verbunden mit einer obligatorischen Modularisierung der Studienangebote an allen deutschen Hochschulen einzuführen (vgl. KMK 1997, S. 10). 1998 Auch der Beschluss zur „Einführung eines Akkreditierungsverfahrens für Bachelor-/Bakkalaureus- und Master-/Magisterstudiengänge“ nimmt Elemente des Bologna-Prozesses vorweg: Die Minister vereinbaren ein Verfahren zur Anerkennung von Studiengängen, u. a. durch die Einrichtung eines Akkreditierungsrates, der bundesweit die Akkreditierung koordinieren soll, insbesondere indem er Agenturen zertifiziert, die wiederum die Akkreditierungsverfahren für die einzelnen Studiengänge durchführen. Das Verfahren dient (mit Akzentverschiebung zur staatlichen Genehmigung durch die Länder) dazu, die Studiengänge fachlich-inhaltlich und in Bezug auf die berufliche Qualifikation zu begutachten und zu zertifizieren (KMK 1998, S. 3). Die HRK bestätigt ihre Übereinstimmung mit den Vorgaben der KMK zur Ein-
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führung dieses Akkreditierungsverfahrens. Sie betont, dass das neue Verfahren unbürokratischer als die alten Rahmenprüfungsordnungen angewandt werden könne, da es nicht „um die Abstimmung von bundesweit gleichförmigen Regelungen, sondern um die Akkreditierung von individuellen Studiengängen auf der Basis fachbezogener Grundsätze von Mindeststandards“ (HRK 1998) gehe. Damit werde sich für die Hochschulen ein Markt eröffnen, der vom Angebot der Hochschulen und der studentischen Nachfrage bestimmt werde. 1999 Weitere Bestimmungen für die Reform des Hochschulwesens folgen mit dem Beschluss „Strukturvorgaben für die Einführung von Bachelor-/Bakkalaureus- und Master-/Magisterstudiengängen“ (KMK 1999). Neu ist dabei, dass der Bachelor sich auf ein wissenschaftliches Kernfach konzentrieren soll. Ferner wird die Genehmigung eines Bachelor- oder Masterstudiengangs restriktiv davon abhängig gemacht, ob der neue Studiengang modularisiert (inkl. studienbegleitender Prüfungen) und mit einem Leistungspunktsystem ausgestattet ist (vgl. KMK 1999, S. 8). Darüber hinaus muss der auf dem Bachelor aufbauende Master eine weitere Berufsqualifikation vermitteln, um die Abschlüsse für den Arbeitsmarkt attraktiv zu gestalten. Der Zugang zum Master wird ferner nicht nur von einem ersten Abschluss, sondern auch von weiteren Zulassungsvoraussetzungen abhängig gemacht (vgl. KMK 1999, S. 4). Auf diese Weise implementiert die KMK von Anfang an zusätzliche Selektionshürden. Lenhardt (2004, S. 34 f.) bemerkt dazu kritisch, dass die Auswahl beim Masterzugang zwar dem Leistungsprinzip folgen soll, „aber noch bevor ein einziger Test stattgefunden hat“, scheine bereits festzustehen, dass nur eine Minderheit der Studierenden überhaupt für ein Masterstudium geeignet ist. Fazit: Mit diesen drei Beschlüssen sind schon vor dem Start des BolognaProzesses einige der wesentlichen Entscheidungen von der KMK getroffen worden, die sich im Programm der Bologna-Erklärung 1999 wiederfinden. Gleichzeitig muss konstatiert werden, dass diese Beschlüsse – obwohl sie mit den Bologna-Plänen übereinstimmen – nichts mit der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums zu tun haben, denn dies ist noch kein Thema in der KMK. Daher sind die Gründe für diese Maßnahmen auch nicht durch die Zielsetzungen des Bologna-Prozesses zu erklären, sondern gehen auf intranationale Probleme im Hochschulwesen zurück. Zu diesen werden fehlende Erfolgskontrollen während des Studienverlaufs
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in vielen Studiengängen, zu wenig Studien- und Karriereberatung für die Studierenden, veraltete oder kaum orientierende Studienordnungen sowie mangelnder Praxisbezug gezählt. Weiter wird bemängelt, dass berufsqualifizierende akademische Zwischenabschlüsse fehlten und die Eliteförderung zu kurz komme (vgl. Drake 2002, S. 10 f.). Als besonders kritisch werden die zu langen Studienzeiten und die hohen Abbrecherquoten an deutschen Hochschulen, die geringe Attraktivität des Studienstandorts Deutschland für ausländische Studierende sowie die fehlende internationale Ausrichtung diskutiert (vgl. Wex 2005, S. 53; WR 2000, S. 106; HRK 1997a, S. 1; Pasternack 2001, S. 101 ff.). Die KMK sieht nun in einem komplett neuen Studienkonzept die Chance, alle Probleme gleichzeitig lösen zu können: - Die maximal acht-, in der Regel aber sechssemestrigen Bachelorstudiengänge dienen dazu, das Studium bis zum ersten Hochschulabschluss zu verkürzen. Auf diese Weise können zusätzliche Studienplätze geschaffen werden, ohne die hochschulischen Gesamtkapazitäten zu erhöhen. Zwar ist mit der Hochschulreform keine Lösung für die Problematik der ‚Massenhochschulen‘ intendiert, aber die Verkürzung der Studiengänge trägt zumindest dazu bei, dass sich die Situation an den Hochschulen trotz steigender Studierendenzahlen nicht weiter verschärft. - Durch die Neukonzeption der Studiengänge sollen diese gleichzeitig modernisiert und ‚entrümpelt‘ werden. Auch wird die Lesbarkeit der Abschlüsse für ausländische Studierende verbessert. Dies soll die Attraktivität des Studien- und Wissenschaftsstandorts Deutschland für qualifizierte Ausländer steigern (vgl. Wuttig/Knabel 2003, S. 32). - Die hohen Abbrecherzahlen sollen durch das zweistufige Studiensystem und vor allem durch die Modularisierung gesenkt werden. Dabei greifen zwei Prinzipien: Durch die studienbegleitenden Prüfungen findet von Anfang an eine stärkere Selektion statt, was verhindern soll, dass Studierende über längere Zeiträume hinweg ‚ergebnislos‘ studieren. Im Gegenzug dazu ist geplant, die Studierenden in der Studienendphase zu entlasten: Abschlussprüfungen können durch Modulprüfungen ersetzt werden. - Zudem strahlen, so Teichler (2002, S. 7), bekannte Label wie ein Bachelor oder ein Master „ein Gefühl von globaler Kompatibilität“ aus. Auch Drake (2002, S. 12) ist davon überzeugt, dass insbesondere die
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Bekanntheit der Marke – weniger das sich darunter verbergende Studienkonzept – dazu beitragen sollte, die „internationale Verwertbarkeit“ zu steigern. Insgesamt stellt Teichler (2002, S. 7) fest, dass seit „Mitte der neunziger Jahre die bis dahin allfälligen Warnungen vor zu starker Expansion der Studierendenzahlen verstummt“ sind und „regelmäßigen Klagen über wirtschaftlich gefährlich kleine Studienanfänger- und Absolventenquoten Platz gemacht“ haben. Alesi et al. (2005, S. 25 f.) begründen dies durch ein verändertes Reformklima, „wobei insgesamt die im europäischen Zeitgeist vorherrschenden Reformen“ zu einer positiven Haltung gegenüber einer weiteren Hochschulexpansion, der Stärkung der Hochschulautonomie, der Förderung von Qualitätssicherungssystemen und der weiteren Internationalisierung führten. Dass Deutschland dann zu den vier Initiatoren des BolognaProzesses gehörte (vgl. Abschnitt 2.1.1), ist somit zum einen darauf zurückzuführen, dass bereits durch die KMK-Beschlüsse aus der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die Reform des Hochschulwesens in Deutschland wieder auf die politische Tagesordnung gesetzt worden ist sowie auf föderaler Ebene erste Impulse für eine Programmimplementierung erfolgt sind. Zum anderen wollte die deutsche Seite auf der internationalen Ebene „nicht einfach im Zug oder gar im Bremserhäuschen sitzen, sondern die Zugführerposition übernehmen“, wie Alesi et al. (2005, S. 25 f.) anschaulich ausführen. Beide Absichten (verstärkter Reformwille Ende der 1990er und der Wunsch nach Federführung im europäischen Kontext) zusammen erklären die deutschen Motive für das Projekt zur Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums. 3.2
Eine Bologna-Inventur
Die Wirkungen der Hochschulreform in Deutschland werden ausführlich empirisch untersucht und dokumentiert. Die Evaluierung des Bologna-Prozesses wird auch zukünftig eine wichtige, aber auch schwierige Aufgabe für die Hochschulforschung bleiben, denn die Konsequenzen dieser Reformen sind nicht einfach einzuschätzen, da sie, so Kehm und Teichler (2007, S. 95), „in einen weiteren Kontext von Hochschule und Gesellschaft eingebettet sind.“ Bestandsaufnahmen des Bologna-Prozesses unterscheiden sich angesichts dieses breiten Kontextes daher auch deutlich durch den jeweiligen Fokus der Betrachtung. Die Evaluationen durch die Akteure selbst sind von den Studien der Hochschulforscher zu trennen, denn insbesondere die
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Regierungsverantwortlichen in der KMK und dem BMBF legen immer auch ein Zeugnis für ihre eigene politische Arbeit ab. Jedoch verläuft die Grenze zwischen unabhängiger Hochschulforschung und politischer Stellungnahme teilweise unscharf. Der folgende Versuch einer Bologna-Inventur zielt darauf ab, die Einschätzungen und Zielsetzungen der Regierungsverantwortlichen auf der Basis der KMK-Beschlüsse und der Nationalen Berichte für Deutschland deutlich zu machen und diese mit den ersten Implementationsbefunden aus der Hochschulforschung zu konfrontieren. Nach einem kurzen Blick auf die Entscheidungsträger und die Prozessstruktur in Abschnitt 3.2.1 werden in Abschnitt 3.2.2 die Hauptziele des Bologna-Prozesses erörtert. Daran schließt sich in Abschnitt 3.2.3 ein Fazit dieser Bologna-Inventur an. 3.2.1
Akteure und Governance-Struktur
Wer sind die Entscheidungsträger des Bologna-Prozesses in Deutschland? Die Studienstrukturreform wird auf oberster Ebene von der Bundesregierung und den Länderregierungen getragen. Die Aufgaben sind klar verteilt: Der Bund sorgt(e) für den notwendigen rechtlichen Rahmen und die Länder sind durch ihre Kulturhoheit im Bildungswesen für die Ausgestaltung und Umsetzung verantwortlich. Durch die 2006 von Bundestag und Bundesrat beschlossene Föderalismusreform sind die Länderkompetenzen gegenüber der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes gestärkt worden. Darüber hinaus war sogar die Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes geplant (vgl. BMBF 2008a). Die Konsequenz ist, dass sich bei der Implementierung des Bologna-Prozesses von Bundesland zu Bundesland relevante Unterschiede abzeichnen. Nun muss primär die KMK die Aufgabe übernehmen, einen gemeinsamen Rahmen zu schaffen. Deshalb wird sie zur wichtigsten staatlichen Akteurin des Bologna-Prozesses in Deutschland, da auf der föderalen Ebene die länderübergreifenden Strukturvorgaben, die Regelungen zur Vergleichbarkeit von Qualifikationen durch gemeinsame Standards etc. festlegt werden. Zu den nicht-staatlichen Akteuren gehören bundesweit die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der „freie zusammenschluss von studentInnenschaften“ (fzs), ferner der „Deutsche Akademische Austauschdienst“ (DAAD), verschiedene Interessenverbände (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Stifterverband der deutschen Wirtschaft, Centrum für Hochschulentwicklung). Außerdem sind beratende oder vermittelnde Gremien (wie der Wissenschaftsrat und die Bund-Länder-Kommission) und der neu geschaffene Akkreditierungsrat zu nennen. Bei dieser Auflistung
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soll nicht vergessen werden, dass es die einzelnen Hochschulen und ihre Mitglieder auf den unteren Ebenen sind, die den Bologna-Prozess tragen, indem sie die Verantwortung für die Konzeption neuer oder reformierter Studiengänge übernehmen, sie organisieren und die Lehre durchführen. In Deutschland wurde die Studienstrukturreform den Hochschulmitgliedern zunächst von oben diktiert. Wex (2005, S. 5) stellt dabei fest, dass weder eine Mehrheit der Hochschullehrenden noch der Studierenden die neuen Studiengänge gewollt hätten, sondern dass die Einführung des gestuften Studiensystems „Ergebnis politischer Absichtserklärungen und Beschlüsse sowie von gesetzgeberischen Aktivitäten“ gewesen sei, die er als „Ausdruck eines typischen top down-Prozesses“ (ebd.) bewertet. Darüber hinaus wird kritisiert, dass demokratische Abstimmungsprozesse fehlten und die Freiheit der Hochschulen durch die als aufgezwungen wahrgenommenen Verordnungen verletzt werde. Aber mit welchen Strategien wird der BolognaProzess eigentlich politisch gesteuert? Der Bologna-Prozess zeichnet sich durch zwei Politikstrategien aus: Zunächst ist festzustellen, dass es durchaus eine Vielzahl von Kooperationen zwischen den staatlichen und den nicht-staatlichen Akteuren gegeben hat. Ein Beispiel dafür ist die Etablierung einer nationalen BFUG, in der nicht nur BMBF und KMK, sondern auch HRK, DAAD, Akkreditierungsrat, fzs, BDA und GEW die Bologna-Programmatik gemeinsam diskutieren und deren Implementierung vorantreiben. Insofern werden bestimmte Entscheidungen in Verhandlungssystemen nicht aufgezwungen, sondern kooperativ unter Einbezug der Betroffenen vereinbart (vgl. Mayntz 2004, S. 71). Neben diesen Kooperationen im Stil der Modern Governance wird die Hochschulreform hierarchisch vor allem mit Prinzipien und Strategien des New Public Management (NPM) gesteuert. Das NPM im Bildungswesen ist ebenfalls den neueren Governance-Modellen zuzuordnen und gilt als Antwort auf die Kritik an einer ineffizienten und teilweise nicht effektiven Ressourcenverteilung durch die zuständigen Bildungsbehörden, die die Schulen und Hochschulen zu stark reglementierten. Das NPM rekurriert auf die in den 1980er Jahren entwickelten Reformen der öffentlichen Verwaltung, bei denen privatwirtschaftliche Managementtechniken und -instrumente eingesetzt werden (vgl. Mey 2001). Pechar (2006, S. 64) sieht als Quintessenz dieser Reformansätze im Bildungswesen die Umgestaltung von staatlichen Anstalten zu öffentlichen Unternehmen, denn diese „streben eine Lockerung der staatlichen Regulierung von Inputs und Prozessen an, um auf diese Weise sowohl die Finanzautonomie wie die pädagogischen Handlungsspielräume von Bildungseinrichtungen zu erweitern.“ Das NPM beruht auf
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der Vorstellung, dass ein verstärkter Wettbewerb durch unterschiedliche Wege und selbstverantwortete Entscheidungen insgesamt zu mehr Handlungsbereitschaft, zu besseren Leistungen, zu einer höheren Qualität und zu einer durchaus erwünschten Vielfalt im Bildungswesen führen könne. Daran ist ebenfalls die Hoffnung geknüpft, allgemeine Verbesserungen und institutionsspezifische Profilierungen trotz stagnierender oder reduzierter öffentlicher Ausgaben für Bildung zu erreichen. Durch den Wettbewerb um (knappe) Mittel wird demgemäß ein markanter Reformdruck an den Bildungsinstitutionen aufgebaut. So werden beispielsweise politische Vorgaben (Erlasse, Umsetzungsverordnungen etc.) teilweise durch Zielvereinbarungen ersetzt, bei denen das Erreichen der Ziele (Outputs) die Voraussetzung für die Vergabe bestimmter Gelder ist. NPM ist eine Strategie, die Outputs besser zu kontrollieren und gleichermaßen die Inputs zu flexibilisieren. In der Konsequenz wird schließlich deutlich, dass das bildungspolitische Potential (anders formuliert: die politische Macht) auf den höheren Ebenen liegt: Hier wird der Handlungsbedarf konstatiert und werden die Richtungsentscheidungen für die Hochschulreform getroffen. Nach unten nimmt diese bildungspolitische Macht ab; stattdessen wächst das Implementierungspotential, mit dem die Kompetenz gemeint ist, „politische Entscheidungen in soziale Wirklichkeit zu übersetzen“ (Nagel 2006, S. 74). Mit anderen Worten: Ob der Bologna-Prozess ein Erfolg wird, hängt nicht nur von den politischen Beschlüssen, sondern entscheidend auch von der organisatorischen Umsetzung in den Hochschulen ab. Insofern bietet sich nach der zunächst verordneten „Beglückungsstrategie von oben“, wie Köhler (2005, S. 26) polemisch die hierarchische Strategie der Hochschulreform beschreibt, die Chance, den Bologna-Prozesses auf den unteren Ebenen maßgeblich zu formen. Insbesondere die Hochschullehrenden und Studierenden sind daher aufgefordert, die Hochschulreform zum Anlass zu nehmen, die ‚neuen‘ Hochschulen nach ihren Vorstellungen auszugestalten. Entsprechender Raum für eigene Wege innerhalb des vorgegebenen Rahmens (und dem Diktat der knappen Mittel) ist im Modell theoretisch jedenfalls vorgesehen (vgl. Teichler 2005c, S. 22). Da den Hochschulen und den Studierenden als „kompetente, aktive und konstruktive Partner“ des Bologna-Prozesses (Prager Kommuniqué, S. 295) besondere Bedeutung für die Hochschulreform zukommt, wird im Folgenden kurz nach dem Akteursstatus der beiden gefragt, vertreten durch den fzs und die HRK. Im Nationalen Bericht (KMK/BMBF 2004) zur Umsetzung des Bologna-
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Prozesses in Deutschland wird ausgeführt, dass die Beteiligung von Studierenden in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung (wie üblich) vorgesehen ist. Deren Einfluss ist an den Hochschulen jedoch relativ gering. Wahrscheinlich trägt genau dieser Umstand dazu bei, dass die wenigen Mitbestimmungsmöglichkeiten von den Studierenden kaum genutzt werden. Ihnen wird oft nur die Rolle von „Kunden“ hochschulischer Bildung zugewiesen. Eine Ausnahme ist der Dachverband deutscher Studierendenschaften fzs, der als politisches Sprachrohr der Studierendenschaften in den bundesweiten politischen und fachlichen Bologna-Diskussionen präsent ist. Nachdem der Dachverband zunächst die Zielsetzung des Bologna-Prozesses begrüßt hatte, entwickelte er sich zunehmend zum scharfen Kritiker der (seiner Meinung nach) mangelhaften Umsetzung in Deutschland (vgl. fzs 2003; fzs 2005; fzs 2007). Die HRK hat sich von Beginn an für den Bologna-Prozess ausgesprochen und dessen Ziele lanciert (vgl. HRK 2007b, S. 2). Die Vereinigung der Hochschulleitungen besetzt eine einflussreiche Position bei der Implementierung der deutschen Variante des Bologna-Prozesses. So hat sie eine eigene Bologna-Servicestelle eingerichtet, arbeitet bei den Trends-Berichten mit und hilft durch Sachstandsberichte, Handreichungen etc.12 Die Positionen der EUA und ESIB/ESU auf europäischer Ebene (vgl. Abschnitt 2.2) finden sich also analog auf deutscher Ebene bei der HRK und dem fzs wieder: Während die HRK in den Entscheidungsstrukturen eine dominante Rolle einnimmt und den Bologna-Prozess vorantreibt, formuliert der fzs zwar immer wieder deutliche Kritik, schafft es aber kaum, selbst prägend einzugreifen. 3.2.2
Politische Intentionen und hochschulische Wirklichkeiten
Nachdem die hochschulpolitische Ausgangssituation geschildert wurde, geht es nun darum, die Umsetzung des Bologna-Programms in Deutschland zu untersuchen. Dazu wird im Folgenden die aktuelle Zusammenstellung der Bologna-Zielsetzungen (gemäß BFUG 2008, vgl. Abschnitt 2.4.1) Punkt für Punkt hinsichtlich des jeweiligen Standes im Problemverarbeitungsprozess 12
Der Deutsche Hochschulverband als Interessensvertretung der (vorrangig universitären) Hochschullehrer tritt hingegen kaum in Erscheinung. Wesentlicher Kritikpunkt des Verbands ist die flächendeckende Einführung von Bachelorstudiengängen, die zu einer „erheblichen Qualitätsminderung“ (DHV 2004) des Studiums führen könne. Insgesamt lässt sich gemäß Wex (2005, S. 325) allerdings „keine einheitliche Akzeptanzlage durch die Gruppe der Hochschullehrer feststellen.“
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diskutiert. Aus Gründen der Übersichtlichkeit gliedere ich den Punkt „Degree Structure“ in zwei Aspekte auf, nämlich „Einführung eines Systems vergleichbarer und gestufter Abschlüsse“ und „Einführung des ECTS“; damit ergibt sich ein Programm mit elf Punkten bzw. Bologna-Policies. Es ist zu erwarten, dass alle diese Kernziele in Deutschland als eines der Bologna-Mitgliedsländer, das sich als führend in der Studienstrukturreform versteht, sowohl in der Diskussion präsent als auch hinsichtlich der rechtlichen Umsetzung und der Implementation in den hochschulischen Alltag fortgeschritten sind. I. Einführung eines Systems vergleichbarer und gestufter Abschlüsse In Deutschland sollte die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge bis zum Wintersemester 2009/2010 abgeschlossen sein (KMK/BMBF 2004, S. 3). In den Bundesländern ist dieses Vorhaben durch entsprechende Hochschulgesetze, Erlasse und Zielvereinbarungen schnell beschlossen und durchgesetzt worden (vgl. KMK 2005b). Dabei wird das Modell präferiert, neue Studiengänge nur noch als Bachelor oder Master einzuführen und dann die alten auslaufen zu lassen. Allerdings gibt es auch im Jahr 2009 in vielen Bundesländern noch eine Reihe von Ausnahmen. Bemerkenswert ist, dass dazu insbesondere die Staatsexamensstudiengänge Medizin, Jura und teilweise auch die Lehrämter sowie kirchliche Abschlüsse zählen. Jeder Bachelor dient der Vermittlung von wissenschaftlichen Grundlagen, Methodenkompetenz und berufsfeldbezogenen Qualifikationen. Die KMK stellt klar, dass er nicht ein verkürzter traditioneller Studiengang sein dürfe, sondern ein „eigenständiges berufsqualifizierendes Profil“ (KMK 2003a; KMK 2008b, S. 4) aufweisen müsse. Im Masterstudiengang erfolgt dann eine weitere Profilierung, die gemäß internationaler Gepflogenheiten „stärker anwendungsorientiert“ oder „stärker forschungsorientiert“ auszurichten sei (vgl. KMK 2003a; KMK 2008b, S. 6). Hier aktualisiert die KMK die traditionelle und für das deutsche Hochschulsystem charakteristische Unterscheidung von Fachhochschulen und Universitäten, ohne jedoch ein Masterprofil auch verbindlich einem Hochschultyp zuzuordnen. Bei den Masterstudiengängen ist auf der einen Seite vorgesehen, das Studium direkt im Anschluss an den Bachelor zu vertiefen und zu spezialisieren; auf der anderen Seite sollen diese Studiengänge auch zur beruflichen Weiterqualifikation angeboten werden. Um die neuen Abschlüsse transparent und übersichtlich darzustellen, legt die KMK Abschlussbezeichnungen nach Fächergruppen fest, denen
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alle Bachelor- und Masterstudiengänge zugeordnet werden müssen (vgl. KMK 2008b, S. 9 u. 14): So gibt es beispielsweise für die Sprach-, Sozialund Sportwissenschaften die gemeinsame Abschlussbezeichnung „Bachelor/ Master of Arts“, während die Mathematik, die Naturwissenschaften und die Medizin ihre Absolventen und Absolventinnen mit einem „Bachelor/Master of Science“ entlassen. Weitere fachliche Zusätze schließt die KMK aus. Dafür soll das Diploma Supplement detailliert Auskunft über die studierten Inhalte (Module) und Ziele (Kompetenzen, Fähigkeiten etc.) des jeweiligen Studiengangs geben. Was ist nun mit diesen neuen Abschlussbezeichnungen erreicht? Die neuen Studiengänge differieren curricular erheblich voneinander – durch die neuen Spezialisierungen noch stärker als die traditionellen Studiengänge. Diese Vielfalt ist auch gewollt. Aber mit der Zuweisung zu gemeinsamen Abschlussgruppen gelingt es der KMK, die neue Vielfalt formal zu kategorisieren. Bemerkenswert ist, dass die Forderung nach einem zweizyklischen System vom Wissenschaftsrat schon 1966 vertreten wurde und letztlich am Ausbruch der Studentenbewegung scheiterte. So resümiert Keller (2004, S. 27), dass das Konzept von damals darauf abzielte, angesichts einer erhöhten gesellschaftlichen Nachfrage nach Akademikern „möglichst viele Studierende in einer möglichst kurzen Zeit durch das Studium zu schleusen und dieses für die Masse der Studierenden auf eine berufsausbildende Funktion zu beschränken, während das wissenschaftliche Studium einer zahlenmäßig beschränkten Elite vorbehalten bleiben sollte“ (vgl. auch Teichler 2005a, S. 314; Hanft/Pechar 2005, S. 58). Dieselbe Kritik wird auch für die Umsetzung des Bologna-Prozesses geltend gemacht. Die flächendeckende Einführung des gestuften Studiensystems bewertet Teichler (2005c, S. 19 f.) im Übrigen als durchaus überraschend: So galt das strukturell ähnliche Gesamthochschulmodell in der Vergangenheit in Deutschland sogar als gescheitert, da die Kurzstudiengänge als fachlich unzureichend abgelehnt wurden. Gesamthochschulen blieben die Ausnahme,13 obwohl die damaligen Probleme ähnlich gelagert waren wie heute: überlange Studienzeiten, eine hohe Zahl von Studienabbrechern, unterschiedliche Studienvoraussetzungen und -motive etc. Huber verortet die Gründe für dieses lange Festhalten am Status quo bei den Universitäten. Diese, so Huber (2001a, S. 495 f.), „befürchteten wohl vor allem eine teilweise Angleichung an die Fachhochschulen, die Studierenden witterten verschärfte Selektion, und viele Hochschullehrer befürchteten, nur noch im Grundstudium oder nur noch im Aufbaustudium 13
Vgl. Teichler (2001); Kehm/Teichler (2007, S. 95–97) mit einer Würdigung des Kasseler Konsekutiv-Modells mit Diplom I und II.
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eingesetzt zu werden.“ Aus den staatlichen Hochschulen gab es dementsprechend keine Forderungen nach neuen Studienabschlüssen. Mit der Einführung des gestuften Studiensystems wurden auch die Regelstudienzeiten in Deutschland verändert. Einzelne Fachhochschulen haben eine Regelstudienzeit von sieben (oder acht) Semestern bis zum Bachelorabschluss plus drei (bzw. zwei) Semester für den Master vereinbart, ansonsten wird das 6 + 4-Modell klar präferiert (vgl. Schwarz-Hahn/Rehburg 2003, S. 29 ff.). Weil die neuen Abschlüsse sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen eingerichtet werden, wird die starre Trennung zwischen beiden Hochschultypen aufgebrochen (vgl. Friedrich 2004; Teichler 1999). Dieser Vorstoß bedeutet auch, dass Bachelor-Absolventen von Fachhochschulen und Universitäten gleichzustellen sind (wenn es beispielsweise um den Zugang zu einem Masterstudiengang oder den Übergang in das Berufsleben geht). Hanft und Pechar (2005, S. 59) weisen allerdings darauf hin, dass „die politisch beabsichtigte Durchlässigkeit zwischen den Systemen durch hochschulseitige Begrenzungen unterlaufen“ werde. Vor allem von der universitäre Seite wird versucht, solche Angleichungen tendenziell zu verhindern, um das vermeintlich höhere Niveau der universitären Studiengänge zu sichern. Sind durch die Einführung des gestuften Studiensystems die Erwartungen erfüllt worden, dass die angesetzten Regelstudienzeiten besser eingehalten werden und die Studienabbruchquote gesenkt wurde? Eine HIS-Studie zum Thema Studienabbruch belegt, dass die Quote bei den Bachelorstudiengängen mit 30 Prozent im Jahr 2006 deutlich gestiegen ist; im traditionellen System lag sie über alle Fächer und Studiengänge hinweg seit Ende der 1990er Jahren relativ konstant bei etwas über 20 Prozent (vgl. Heublein et al. 2008, S. 3 f.). Dabei zeigen sich bedeutende Unterschiede zwischen den Hochschultypen: Während ein Viertel der Bachelor-Studierenden an Universitäten das Studium aufgibt, liegt die Quote an Fachhochschulen bei knapp 40 Prozent (vgl. Heublein et al. 2008, S. 15 f.). Dies wird damit begründet, dass in den untersuchten Fachhochschulstudiengängen (z. B. den Ingenieurswissenschaften) von jeher größere Abbruchzahlen zu verzeichnen waren. Der Befund zeigt aber doch, dass eine relevante Verbesserung dieser Studiengänge im Zuge der Umstellung auf das gestufte System entweder nicht stattgefunden hat oder aus anderen Gründen nicht wirksam geworden ist. Allerdings muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass die Zahlen aufgrund der sukzessiven Einführung der neuen Studienstrukturen in den verschiedenen Fächern noch nicht im Ganzen mit den alten Zahlen vergleichbar sind.
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Die Studienanfängerquote ist seit 2003 im Übrigen insgesamt leicht rückläufig; die neueren Zahlen für 2007 weisen allerdings wieder eine geringe Steigerung auf (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 118). Das Ziel einer signifikanten Vergrößerung der Studienanfängerquote ist bislang nicht erreicht worden. Allerdings hat sich die Absolventenquote leicht erhöht, was auf höhere Anfängerzahlen aus den Jahren um die bzw. nach der Jahrtausendwende zurückzuführen ist. Der Anteil der Absolventen mit Bachelor- und natürlich mit Masterabschluss ist noch gering. Insgesamt gesehen, fällt die Absolventenquote in Deutschland weiterhin deutlich niedriger aus als in vergleichbaren Staaten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 136). Ob die Studienstrukturreform zukünftig dazu beitragen wird, diesen Rückstand aufzuholen, scheint angesichts der ersten Trends aus dem Bereich der Bachelorstudiengänge fraglich. Erst in den nächsten Jahren, wenn der Anteil der Bachelor- und Masterabschlüsse deutlich gewachsen ist, wird sich zeigen, ob die Reform ihr Ziel erreicht hat, die Studienanfänger- und die Absolventenquote zu erhöhen. II. Etablierung eines Leistungspunktsystems Grundgedanke des präferierten Leistungspunktsystems ECTS14 ist die Berechnung des Studienumfangs, der nun lernerorientiert bemessen werden soll. Hier wird ein lerntheoretischer Wechsel erkennbar: Lernziele werden nicht mehr ausschließlich als Wissenseinheiten verstanden, die es anzusammeln gilt, sondern als Lernergebnisse, die sich in (berufsrelevanten) Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen der Lerner ausdrücken (vgl. Wagner 2004, S. 36). Die neue Sichtweise kann sowohl als Wechsel von der Inputzur Output-Orientierung (vgl. Fischer-Bluhm 2005) als auch als „shift from teaching to learning“ (Welbers/Gaus 2005) im Lernen begriffen werden. Während die erste Formulierung das Ergebnis der Lernprozesse betont, das es zu messen, zu vergleichen und zu optimieren gelte, rekurriert die zweite Formulierung auf ein konstruktivistisches Lernverständnis. Grundlage dafür ist, dass Wissen nicht übertragen, sondern als „aktiver Prozess der Bedeu14
Die wichtigsten Elemente des ECTS für die Umsetzung in Deutschland finden sich in HRK (2000); HRK (2004b); HRK (2007d); KMK (2000). Zu den Grenzen und Möglichkeiten des ECTS s. Gehmlich (2000); Schwarz/Teichler (2000); Schwarz/Rehburg (2003). An 33 Hochschulen führte die BLK einen Modellversuch zur Entwicklung und Erprobung eines Leistungspunktsystems (auf der Grundlage des ECTS) an Hochschulen durch (vgl. BLK 2005). Dabei wird im Abschlussbericht vor allem die Tragfähigkeit der Rahmenvorgaben von HRK und KMK betont und eine liberale Handhabe der Anerkennung von Studienleistungen angemahnt.
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tungserzeugung“ (Roth 2004, S. 496) im Gehirn des Lernenden geschaffen wird. Mit dem Wechsel vom Lehren zum Lernen im Bereich der Hochschuldidaktik wird die Frage aufgenommen, wie „Lernprozesse systematisch so organisiert werden [können], dass die Lernenden sich überwiegend in Eigenarbeit selbst qualifizieren und die Kontaktzeiten mit Lehrenden nicht zur Stoffvermittlung, sondern zur Steuerung und Korrektur der Lernprozesse“ (Wagner 2004, S. 36) genutzt werden können. Deutlich wird, dass die Betonung von Outputs in der Lehre nicht mit der konstruktivistischen Lerntheorie im Widerspruch steht, sondern dass sich beide Ansätze ergänzen. Auch die HRK erwartet sehr viel vom ECTS, z. B. kürzere reale Studienzeiten, transparente Studien- und Prüfungsanforderungen, kontinuierliche Leistungskontrollen als Orientierungshilfe für die Studierenden, erhöhte Planungssicherheit für Studierende durch die exakte Angabe der zu absolvierenden Lehrveranstaltungen und der zu erbringenden Leistungsnachweise, größere Flexibilität auch für ein Teilzeitstudium und die schnellere Entwicklung neuer Curricula (vgl. HRK 1997). 2004 bilanziert die HRK, dass das ECTS als eines der „zentralen Instrumente zur Erreichung der in der Bologna-Erklärung definierten Ziele“ (HRK 2004b) sowie zur Gestaltung von Studiengängen zu verstehen sei. Außerdem stelle das ECTS den „selbstständigen Studierenden in den Mittelpunkt“ (HRK 2004b). Diese hohen Ansprüche haben sich in der hochschulischen Realität nur zum kleinen Teil erfüllt: Zwar wird das ECTS überall eingeführt, allerdings bleibt es in der Umsetzung seither problematisch. Kaum eine Hochschule evaluiert z. B. tatsächlich den studentischen Arbeitsaufwand (student workload 15 ), mit dem der gesamte zeitliche Aufwand beschrieben werden soll, den Studierende leisten, um eine bestimmte Kompetenz zu erwerben. Dazu gehören Vor-, Nachbereitungs- und Präsenzzeiten in Seminaren, Vorlesungen etc., aber auch Zeiten, um eine Hausarbeit zu schreiben oder um sich auf Prüfungen vorzubereiten. Stattdessen gab es an einigen Hochschulen Beschlüsse, diese Grundkonstante des ECTS schematisch durch eine Umrechnung von Semesterwochenstunden in Leistungspunkte (oder ganz 15
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Der student workload soll in Credits bemessen werden: Einem Credit entsprechen etwa 25 bis 30 Stunden studentische Arbeitszeit. Jedes Studienjahr eines Vollzeitstudiums soll auf 60 Credits angelegt sein (mit 1500 bis 1800 Stunden Arbeitspensum insgesamt bzw. ca. 46 40-Stundenwochen). Daraus ergeben sich auch die Regelstudienzeiten für die neuen Abschlüsse: Für den Bachelor-Abschluss sind 180 bis 240 Credits vorzusehen, für den Master 60 bis 120, wobei in einem konsekutiven System insgesamt nicht mehr als 300 Credits bis zum Master-Abschluss anzusetzen sind. Das entspricht einem Vollzeitstudium von fünf Jahren.
willkürlich) umzusetzen (vgl. ESIB 2005, S. 5; Wex 2005, S. 56). Auch der „selbstständige Studierende“ steht im hochschulischen Alltag nicht so sehr im Mittelpunkt, wie von der HRK postuliert wurde, da die Modularisierung eine komplexe und langfristige Studienplanung erforderlich macht, die für viele Studierende unbewegliche Stundenpläne bedeutet. Diese Annahme wird durch erste Untersuchungen der neu eingeführten Studiengänge in Bayern bestätigt: So ist es nur in wenigen Bachelor- bzw. Masterstudiengängen überhaupt möglich, ein Teilzeitstudium oder ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren (vgl. Gensch/Schindler 2003, S. 82). Allerdings muss auch bedacht werden, dass ein höherer Strukturierungsgrad des Studiums (durch enge Vorgaben für den Studienablauf, feste Studienpläne und studienbegleitende Prüfungen) dazu beitragen kann, die Regelstudienzeiten besser einzuhalten (vgl. Schwarzenberger 2005, S. 31 f.). Tatsächlich wird bei den neuen Bachelorstudiengängen die durchschnittliche Fachstudiendauer von sechs Semestern nicht wesentlich überschritten; sie liegt bei 6,9 Semestern (vgl. Heublein/Schmelzer/Sommer 2008, S. 5). In Deutschland wird die Einführung des Leistungspunktsystems in der Regel zusammen mit der so genannten Modularisierung diskutiert. Diese Verknüpfung stellt eine Besonderheit dar, die auf europäischer Ebene so nicht vorgegeben ist. Dass in Deutschland beides unmittelbar zusammengehört, ist auf einen Beschluss der KMK (2000, S. 1) zurückzuführen, in dem die Modularisierung und das Leistungspunktsystem ECTS als wichtige Beiträge zur „Modernisierung und Steigerung der Effizienz des deutschen Studiensystems und zur Förderung der internationalen Mobilität der Studierenden“ begriffen werden. Die KMK definiert dabei Modularisierung als „die Zusammenfassung von Stoffgebieten zu thematisch und zeitlich abgerundeten, in sich abgeschlossenen und mit Leistungspunkten versehenen abprüfbaren Einheiten“ (KMK 2000, S. 2 f.). Terhart (2005, S. 90) sieht als grundlegende Idee der Modularisierung, „dass ein Studiengang als Prozess der schrittweisen Herausbildung von definierten Fähigkeiten (‚Kompetenzen‘) betrachtet wird, wobei diese Fähigkeiten auf eine wissenschaftliche, in den allermeisten Fällen aber wohl eher auf eine außerwissenschaftliche berufliche Tätigkeit gerichtet sind.“ Ein Modul kann Inhalte eines einzelnen Semesters oder eines Studienjahres umfassen, sich aber auch über mehrere Semester erstrecken. Jedes Modul muss konzeptionell genau beschrieben werden – nicht nur hinsichtlich der Inhalte und Qualifikationsziele, sondern auch in Bezug auf die Lehrformen, Teilnahmevoraussetzungen, Verwendbarkeit, den studentischen Arbeitsaufwand, die Dauer, die Notenpraxis etc. Die einzelnen Module sollen „nach dem Grundsatz des Vertrauens in wissen-
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schaftliche Leistungsfähigkeit“ (KMK 2000, S. 2 f.) gleichwertig nach Inhalt, Umfang und Anforderungen in einer Art ‚Baukasten-System‘ konzipiert werden. Dies sichert eine gewisse Vergleichbarkeit, die die Mitnahme von Studienleistungen an andere Studienorte erleichtern soll. Aber auch die Verwertbarkeit der Leistungen bei einem Wechsel des Studiengangs (Anrechnung) könnte erhöht werden. Beides fördert die Mobilität der Studierenden – örtlich und fachlich. Ein großer Anteil von Pflichtmodulen, der sich insbesondere in den Bachelorstudiengängen findet, schränkt die gewollte Flexibilität jedoch im Vergleich zu vielen traditionellen Studiengängen deutlich ein. Die Betonung der Pflichtbestandteile mag in der wahrgenommenen Verkürzung des Bachelorstudiums begründet sein. So stellt dieses für eine Mehrheit der Fachbereichsverantwortlichen nur noch eine Art Studienminimum dar, bei dem die nötigen Grundlagen vermittelt würden, aber kein Raum für eine fachliche Vertiefung bleibe (vgl. Schwarz-Hahn/Rehburg 2003, S. 119). Das mit der Modularisierung verbundene studienbegleitende Prüfen ermögliche gemäß der KMK (2000, S. 2) „eine unmittelbare Erfolgskontrolle und eine flexiblere Studiengestaltung“ zur Entlastung der Studierenden (vgl. detaillierter BLK 2002). Die Realität sieht hingegen bislang anders aus, da eine enorme Erhöhung des Prüfungsaufwands beklagt wird, die – konzeptionell – nicht mit der Einführung des Leistungspunktsystems ECTS beabsichtigt war. Gilch et al. (2005, S. 38) berichten von einer 30-fachen Erhöhung der Prüfungen an einzelnen Hochschulen, die „zukünftig geplant, organisiert, bewertet, erfasst, verarbeitet und letztlich zu Noten und Zeugnissen inkl. Diploma Supplement zusammengefasst werden müssen.“ Terhart (2005, S. 91) geht außerdem davon aus, dass es bei den meisten akademischen Berufen weder gelingen wird, eine „konsensfähige und präzise Aufstellung der notwendigen Kompetenzen noch eine wirklich alle Beteiligten überzeugende, also gleichsam zwingende Ableitung der zum Erwerb dieser Kompetenzen notwendigen Lernerfahrungen und deren Anordnung“ zu erstellen, da diese Berufe sehr komplexe Anforderungen beinhalten, die nicht auf die Ebene modularisierter Lehre heruntergebrochen werden können. Darüber hinaus fehlen geeignete Prüfungsformen, mit denen über die Abfrage von Wissen hinaus solche Kompetenzen gemessen werden können. Daher bleibt unklar, ob die Idee der Modularisierung, die zugleich beruflich relevante Kompetenzen vermitteln soll, überhaupt praktisch umsetzbar ist. Ein Problemfall des ECTS sind im Zusammenhang mit den Prüfungen auch die so genannten relativen Noten (vgl. ECTS Key Features), mit denen – statt oder zusätzlich zu den traditionellen Noten – die Leistung eines Studierenden in Bezug auf die Leistungen der ganzen Lerngruppe bewertet
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werden soll. Anhand der Normalverteilung werden alle Studierenden, die bestanden haben, in fünf Gruppen mit den Notenbezeichnungen A bis E geteilt: Die besten 10 Prozent bekommen ein A, die nächsten 25 Prozent ein B usw. Diejenigen, die nicht bestanden haben, erhalten ein F. Diese Notenpraxis erfordert jedoch u. a. die Erhebung von statistisch validen Daten (über mehrere Jahre hinweg), eine regelmäßige Qualitätskontrolle der Ergebnisse und eine Mindestgröße für die Kohorten. Eilfertig hatte die HRK (2000) empfohlen, die traditionellen Noten mit einer statischen Tabelle in relative ECTS-Noten umzurechnen. Erst vier Jahre später hat sie dann ihre Empfehlung revidiert und darauf hingewiesen, zunächst die notwendigen Daten zu erheben (vgl. HRK 2004b). Welche Konsequenzen die Einführung relativer Noten haben wird, ist noch weitgehend unklar.16 Wenige Möglichkeiten für eine individuelle Vertiefung der Studien, unflexible Module, ständiges Prüfen und problematisches Bewerten – dies summiert sich bei vielen zu dem Vorwurf einer ‚Verschulung‘ des BachelorStudiums. Offene Fragen sind: Können die Prüfungen anders konzipiert werden? Wie ist eine zuverlässige Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Modulen herzustellen? Und welche Folgen sind in Bezug auf den Erwerb sozialer Kompetenzen in den Lerngruppen zu erwarten? Insgesamt ergibt sich für Deutschland der Eindruck, dass zwar fast überall das ECTS zu finden ist, anstelle einer tatsächlichen Qualitätssteigerung allerdings meist nur das Etikett aufgesetzt wurde. III. Förderung von Mobilität Die Förderung der Mobilität ist ein interessantes Beispiel für die Diskrepanz zwischen formulierter Relevanz eines Programmpunktes und den tatsächlichen Maßnahmen. So konstatieren KMK, HRK und BMBF im Nationalen Bologna-Bericht 2003 übereinstimmend die „vielfältigen Bemühungen von Bund, Ländern und Hochschulen“, die zu „substantiellen Verbesserungen für ausländische Studierende und Wissenschaftler“ (KMK/HRK/BMBF 2002, S. 12) geführt hätten. Als erstes Beispiel für diese substantiellen Verbesserungen wird die Einrichtung von dezentralen Außenstellen der Einwoh16
Allerdings gibt es bereits seit den 1970er Jahren Kritik an Bezugsgruppen als Bewertungsnorm, da diese den individuellen Leistungszuwachs nicht sichtbar werden lassen und auf die einzelnen Lerner (z. B. hinsichtlich der Anstrengungsbereitschaft) demotivierend wirken können. Dagegen spricht außerdem, dass die Zensurenvergabe in der Schule entscheidend vom Zufall der Klassenzugehörigkeit abhängt. Ein Vergleichswert über den Rahmen der Lerngruppe hinaus existiere nicht, so Ingenkamp (1971, S. 161).
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nermeldeämter in unmittelbarer Hochschulnähe angeführt. So wird auf den zweiten Blick lesbar, dass die eigentlichen Hindernisse wohl eher im bürokratischen denn im „substantiellen“ Bereich liegen: Schwierig sind ausländerrechtliche und arbeitsrechtliche Bestimmungen, die Frage nach der Finanzierung von Auslandsaufenthalten sowie Probleme bei der Anerkennung von Studienleistungen. Die Förderung von Mobilität ist allgemein als ein zentrales Ziel innerhalb der Internationalisierungsstrategie für das deutsche Hochschulwesen anerkannt (vgl. KMK/BMBF 2004, S. 12 ff.; HRK 2005a). Umso schwerer wiegen daher die zwei Grundprobleme der Finanzierung und der starren Studiengangkonzeptionen: Internationale Mobilität ist zunächst schlicht eine Frage der Finanzkraft: Schnitzer (2003, S. 33) stellt heraus, dass die „Ungleichheiten bei der Beteiligung an internationaler Mobilität dort am größten [sind], wo die Eltern die Hauptlast der Finanzierung tragen und dort am niedrigsten, wo die direkte staatliche Förderung der Studierenden am weitesten ausgebaut ist.“ Die Frage nach der Mobilität ist also direkt mit der Sozialen Dimension verbunden. Da in Deutschland über die Hälfte des Durchschnittsbudgets eines Studierenden von den Eltern stammt und nur etwa 13 Prozent staatlicher Förderung (BAföG) zuzurechnen ist,17 wird deutlich, dass von der neuen Mobilität nicht alle gleichermaßen profitieren können, sondern dass das jeweilige ökonomische Kapital der Studierenden entscheidend ist. Dementsprechend ist der Anteil mobiler deutscher Studierender (höherer Semester) je nach sozialer Herkunft sehr unterschiedlich: Nur etwa jeder zehnte aus der niedrigen sozialen Herkunftsgruppe,18 aber mehr als jeder fünfte aus der hohen Herkunftsgruppe studiert zeitweise im Ausland (vgl. Isserstedt/Link 2008, S. 52). Wenn Auslandserfahrungen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen, folgern Isserstedt und Link (2008, S. 52), dann „ist die herkunftsspezifisch unterschiedliche Beteiligung an studienbezoge17
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Gemäß der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (Isserstedt et al. 2007, S. 170 ff.); erhoben wurden Daten aus dem Jahr 2006. In diesem Jahr bekamen im Übrigen nur etwa 23 Prozent der Studierenden Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (vgl. ebd., S. 246 ff.). Die Bildung von sozialen Herkunftsgruppen ist ein Konstrukt, das in den Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks als Indikator dient, um „Zusammenhänge zwischen ökonomischer Situation und Bildungstradition im Elternhaus und studentischem Verhalten messbar“ (Isserstedt et al. 2007, S. 492 f.) zu machen. Es werden vier Gruppen (hoch – gehoben – mittel – niedrig) unterschieden, die sich nach der ausgeübten Tätigkeit von Mutter und Vater richten, wobei der Besitz eines Hochschulabschlusses als Korrekturfaktor einbezogen wird.
nen Auslandsaufenthalten ein Faktor, der zu ungleichen Arbeitsmarktchancen der Absolventinnen und Absolventen in Abhängigkeit von der sozialen Herkunft führt.“ Das zweite Grundproblem sind die neuen Bachelorstudiengänge, die in vielen Fällen so konzipiert wurden, dass ein Auslandsaufenthalt zu einer Verlängerung der Studienzeit führen würde: Das Modulangebot ist oft starr auf einen ‚Normal-Studienverlauf‘ ausgerichtet, die Studiengänge sind mit Pflichtveranstaltungen und Prüfungen ‚bis zum Rand‘ gefüllt und die Anrechnung von stark spezialisierten Modulen anderer Hochschulen, die nicht mit denen der Heimathochschule übereinstimmen, bereitet viele Probleme. Erst mit dem Übergang zum und im Master wächst die Mobilitätsrate deutlich (vgl. Heine/Müßig-Trapp 2007; Krawietz et al. 2008). All dies lässt darauf schließen, dass das Ziel einer signifikanten Erhöhung der Mobilität durch den Bologna-Prozess nicht erreicht werden konnte (vgl. Berchem 2005, S. 329). Dennoch hat sich der Anteil mobiler Studierender bis zum Jahr 2004 erhöht, was durch die Zuwachsraten ausländischer Studierender in Deutschland sowie deutscher Studierender im Ausland bestätigt wird: 1998 betrug der Anteil ausländischer Studierender, die zum Studium nach Deutschland kamen, etwa acht Prozent. Bis zum Jahr 2003 stieg dieser Anteil um ein Drittel auf über zehn Prozent (vgl. Isserstedt/Schnitzer 2005). In absoluten Zahlen erreichte im Jahr 2004 die Quote mit rund 60.000 ausländischen Studierenden ihren vorläufigen Höhepunkt und ging dann bis zum Jahr 2006 auf knapp 53.500 Studierende zurück (vgl. Isserstedt/Link 2008, S. 6). Von 1999 bis zum Jahr 2004 gab es ebenfalls einen Zuwachs des Anteils deutscher Studierender im Ausland um 57 Prozent (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Diese hohen Zuwachsraten lassen sich allerdings kaum durch direkte Einflüsse des BolognaProzesses erklären. Im Gegenteil zeigt ein genauerer Blick, dass der Anteil von Bachelor-Studierenden mit studienbezogenen Auslandserfahrungen deutlich geringer ausfällt als derjenige in den traditionellen Studiengängen (vgl. Isserstedt/Link 2008, S. 51). Dass die Auslandsmobilität seit dem Jahr 2004 sogar wieder stagniert bzw. leicht zurückgeht, könnte damit zusammen hängen, dass ein immer größer werdender Anteil des gesamten Studienangebots in Deutschland in den neuen Strukturen organisiert ist, die in den Bachelorstudiengängen eher mobilitätshemmend wirken.
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IV. Anerkennung und Anrechnung Je vielfältiger die Bildungswege gestaltet werden können, desto virulenter wird die Frage nach der Anerkennung von Qualifikationen bei der Aufnahme eines Bildungsgangs bzw. das Problem der Anrechnung bereits erbrachter Lernleistungen beim Studiengang- oder Hochschulwechsel. Die Praxen a) der Anrechnung und b) der Anerkennung sind bedeutsam für die jeweilige Studienbewerberin, aber auch relevant für die Zusammensetzung der Studierendenschaft insgesamt. Ad a: Anrechnung Durch die Anrechnung von Studienleistungen kann beispielsweise eine Studentin den Hochschulstandort wechseln, ohne einen großen Zeitverlust in Kauf nehmen zu müssen. Ebenso kann die Internationalität der Studierendenschaft gefördert werden, wenn Studienleistungen, die an Bildungsinstitutionen im Ausland erbracht wurden, als gleichwertig akzeptiert werden. Das ECTS trägt dazu bei, das Verfahren der Anrechnung von Studienleistungen transparenter zu machen. Schwieriger ist nach wie vor die Anrechnung von non-formalem und informellem Lernen. Von politischer Seite ist ein großer Spielraum gewollt: So fasste die KMK (2002b) den Beschluss zur „Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium“. Damit wird es möglich, bis zu 50 Prozent eines Hochschulstudiums durch hochschulfern erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen zu ersetzen, sofern diese mit den hochschulischen Inhalten und Kriterien vergleichbar und zertifiziert sind. Dieser Beschluss stärkt insbesondere diejenigen, die mit Berufserfahrungen in ein weiterführendes Studium einsteigen möchten. Welche Leistungen im Einzelfall tatsächlich angerechnet werden, bleibt im Zuständigkeitsbereich der Hochschulen. Der politische Wille der KMK zur Umsetzung dieser Möglichkeiten wurde in einem Folgebeschluss erneut bekräftigt (vgl. KMK 2008f). Ad b: Anerkennung Die Anrechnung von Studienleistungen setzt grundsätzlich die Anerkennung der Qualifikation voraus, die notwendig ist, um überhaupt in einem Studiengang zugelassen zu werden (z. B. einen Abschluss der Sekundarstufe II). Die Anerkennungspraxis ist damit ein wichtiges Instrument zur Steuerung des Zugangs zu Bildungsgängen. Innerhalb Deutschlands ist dabei vor allem umstritten, inwiefern berufsbildende und allgemeinbildende Qualifikationen vergleichbar sind. Mit Blick auf Europa stellt sich die Fra-
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ge, welche Berechtigungen aus anderen Bildungssystemen in Deutschland anerkannt werden können. Die wichtigste Antwort auf diese Frage ist das Lissabonner Abkommen, das in Deutschland im Jahr 2007 ratifiziert wurde (vgl. Abschnitt 2.1.1). Wegen rechtlicher Bedenken war die Ratifizierung immer wieder verschoben worden, bis dann ein „Äquivalenzbeauftragter“ der KMK zehn Jahre nach der Unterzeichnung des Abkommens feststellen konnte, dass es keinen weiteren „gesetzgeberischen Handlungsbedarf“ gäbe, da der vom Lissabonner Abkommen geforderte Rechtszustand bereits erreicht sei.19 Bei diesem Abkommen geht es insbesondere darum, transparente, einheitliche und zuverlässige Verfahren und Kriterien für die Bewertung und Anerkennung von Qualifikationen anzuwenden. Die Berechtigung und Informationen über deren Bedeutung sind die Grundlage dafür, ob ein Antrag auf Anerkennung von der aufnehmenden Institution akzeptiert wird. Grundsätzlich müssen die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zu hochschulischer Bildung anerkannt werden, sofern nicht „ein wesentlicher Unterschied zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen“ nachgewiesen werden kann. Dabei liegt die Beweispflicht nun bei der durchführenden Stelle und nicht mehr bei der Bewerberin (vgl. Lissabonner Abkommen 1997, S. 262 f.). Durch die Ratifizierung des Lissabonner Abkommens sind die Rechte und Möglichkeiten der Anerkennung von Qualifikationen der Studienbewerber gegenüber den aufnehmenden Hochschulen wesentlich verbessert worden. V. Qualifikationsrahmen Das Konzept der Qualifikationsrahmen schließt direkt an die Problematik der Anerkennung an. In Deutschland wurde als Gegenstück zum Europäischen Qualifikationsrahmen von der KMK (2005) in Zusammenarbeit mit der HRK und dem BMBF ein nationaler Qualifikationsrahmen für die Hochschulabschlüsse verabschiedet. Der deutsche Qualifikationsrahmen sei kompatibel mit seinem europäischen Pendant, stellte die für die Implementierung verantwortliche Steuerungsgruppe (2008) fest; er unterscheidet sich aber doch in drei Punkten, nämlich a) der Einteilung der Deskriptoren, b) der Unterscheidung allgemeinbildender und beruflicher Qualifikationen und c) der Betrachtung von Lerninputs bzw. Outputs.
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Vgl. die Anlage zum Nationalen Bericht 2006: „National Action Plan For Recognition – Germany“ (KMK/BMBF 2006, S. 1 ff.).
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Ad a: Deskriptor-Kategorien Sowohl im Europäischen Qualifikationsrahmen als auch im deutschen Gegenstück (Bereich der Hochschulabschlüsse) finden sich je drei Kategorien (siehe Tabelle 3.1 auf S. 92). Tabelle 3.1: Kategorien des europäischen und deutschen Qualifikationsrahmens (Hochschulbereich) im Vergleich Europäischer Qualifikationsrahmen
Deutscher Qualifikationsrahmen
Kenntnisse (Theorie- und Faktenwissen)
Wissen und Verstehen (Fachkompetenz)
Fertigkeiten (kognitiver und praktischer Art)
Können (Methodenkompetenz, kommunikative und soziale Kompetenzen)
Kompetenzen (im Sinne der Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit)
Formale Aspekte (Zugangsvoraussetzungen, Dauer, Anschluss- sowie Übergangsmöglichkeiten)
(Quelle: EU-Kommission 2008, S. 12 f. bzw. KMK 2005, S. 5 und Anhang S. 2)
Man sieht sofort, dass diese Kategorien nicht übereinstimmen: Im deutschen Qualifikationsrahmen werden beispielsweise keine Aussagen bezüglich der Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit als Konkretisierung des Kompetenzbegriffs gemacht. Deutlich wird, dass insbesondere diese Kategorie nicht einheitlich verwendet wird. Ad b: Allgemeinbildende bzw. berufsbildende Ausrichtung Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland traditionell zwischen Universitäten und Fachhochschulen essentielle Unterschiede konstruiert werden (hinsichtlich des generellen Niveaus der Abschlüsse sowie in Bezug auf eine eher berufsbildende bzw. eher forschungsorientierte Ausrichtung, vgl. Abschnitt 4.1.2), ist es wichtig festzuhalten, dass diese Unterschiede im Qualifikationsrahmen nicht abgebildet werden (vgl. KMK 2005, S. 4). Dies deutet auf einen weiteren Schritt zur Gleichstellung beider Hochschultypen hin. Allerdings wird dies im selben Dokument wieder dementiert, indem die unterschiedlichen Bildungsziele beider Institutionen behauptet werden (vgl. KMK 2005, S. 4). Also findet zwar eine formale Gleichstellung von Quali-
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fikationen statt; diese ist aber kaum relevant, weil die Unterschiedlichkeit über inhaltliche Aspekte hergestellt wird, die die alte Rangordnung zwischen Universitäten und Fachhochschulen erneut legitimiert. Insbesondere die HRK will die Unterschiede von wissenschafts- und forschungsbasierten bzw. anwendungsorientierten Qualifikationen (mit anderen Worten: den behaupteten Unterschied zwischen universitären und fachhochschulischen Abschlüssen) erhalten wissen und begründet dies damit, dass Deskriptoren zwar bildungsübergreifend gültig sein sollten, aber „nicht zu einem allgemeinen Absinken des Qualitätsniveaus führen“ (HRK 2007a, S. 4) dürften. Ad c: Inputs vs. Outputs Der dritte Unterschied ist die im deutschen Konzept enthaltene Kategorie „formale Aspekte“ (s. Tabelle 3.1 auf S. 92), die generell dem Ansatz der Qualifikationsrahmen widerspricht, ausschließlich Lernergebnisse zu beschreiben. Der Wechsel von der Input- zur Output-Orientierung wird im deutschen Qualifikationsrahmen also nicht konsequent vollzogen. Dies mag daran liegen, dass die HRK auf die Unverbindlichkeit des Konzepts gepocht hat: Aufgrund der Entscheidungshoheit der aufnehmenden Institution gelte, „dass die Zuordnung einer Qualifikation zu einem Referenzniveau Hinweise zu deren Einschätzung liefer[e], nicht jedoch eine bindende Information für ihre Anerkennung oder Bewertung“ (HRK 2007a, S. 4). Zusätzlich seien Informationen über Inhalte, Profil, Lernort und Dauer einer Ausbildung oder eines Studiengangs notwendig. Genau diese Informationen werden im deutschen Qualifikationsrahmen in der Kategorie der formalen Aspekte gefordert. Es deutet sich also an, dass ein deutscher Qualifikationsrahmen seinen „Mehrwert hinsichtlich der zu erreichenden Transparenz“ (KMK 2005, S. 2) gegenüber dem traditionellen Anerkennungsverfahren nicht entfalten wird, solange weiterhin Ausbildungszeiten und Zulassungskriterien für einen Vergleich verschiedener Bildungswege herangezogen werden. Daher verwundert es auch nicht, dass die verantwortliche Steuerungsgruppe (2008, S. 7) konstatiert, dass „die Orientierung von Anrechnungs- und Anerkennungsverfahren am Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse noch nicht als zufriedenstellend bezeichnet werden“ kann. Der nationale Qualifikationsrahmen bleibt wie sein europäisches Gegenstück als Referenzrahmen ohne fachliche Spezialisierung. Die fachspezifische Ausgestaltung wird in den Fächern von den Hochschulen geleistet, die die Lernergebnisse ihrer Studiengänge beschreiben und zum Bestandteil der Studien- und Prüfungsordnungen machen. Die Beschreibung studiengangs-
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pezifischer Lernergebnisse ist nicht nur mit großem Aufwand verbunden; überdies ist bislang ungeprüft, inwieweit die Konzeption auf dem Papier mit der hochschulischen Realität im Einzelfall (z. B. in Hinsicht auf ein bestimmtes Modul), aber auch allgemein übereinstimmt: Bestehen tatsächlich wesentliche Unterschiede, wenn der alte Begriff der Lehrziele durch den der Lernergebnisse abgelöst worden ist? Diese Frage kann im Einzelfall nur durch einen detaillierten Vergleich (in Bezug auf Didaktik, Methodik, Curriculum, Lernleistung etc.) der alten und neuen Studienordnungen vor dem Hintergrund der durchgeführten Lehrveranstaltungen und Prüfungen geklärt werden. Auf allgemeiner Ebene ist nur dann ein Unterschied zu erwarten, wenn die neuen Begriffe (Lernergebnisse, Qualifikationsniveau, Kompetenzen etc.) nicht nur als Variablen für ein altes Denken verwendet, sondern klar definiert, theoretisch fundiert und zweckmäßig angewendet werden. Einer der wenigen Versuche, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen, ist das Projekt „Tuning Educational Structures in Europe“ 20 , wo im Verbund einiger europäischer Hochschulen seit dem Jahr 2000 versucht wird, Lernergebnisse für bestimmte Studiengänge (u. a. Geologie, Erziehungswissenschaften, Geschichte, Physik, Pflegewissenschaften) zu entwickeln und die verschiedenen bestehenden Studiengangkonzepte (inklusive vereinbarter gemeinsamer fachlicher Standards) aneinander zu orientieren, d. h. zu „tunen“ und abschließend festzuschreiben. Das Ergebnis sind aufwendig konstruierte Kompetenzlisten, die, so Wex (2005, S. 184), „die fast als hilflos zu bezeichnenden Abstimmungsprozesse“ belegen. Außerdem ist zu kritisieren, dass das Tuning-Projekt zwar die Begrifflichkeit der Output-Orientierung verwendet, diese aber durch den Fokus auf dem Vergleich fachspezifisch definierter Lerninhalte kaum eine Rolle spielt. Auch einige deutsche Hochschulen (Göttingen, Leipzig, Zwickau, Osnabrück u. a.) sind am TuningProjekt beteiligt, allerdings hat diese Initiative keine Breitenwirkung bei der Entwicklung neuer Studiengänge entfaltet. Es scheint, dass der Versuch, output-orientierte Deskriptoren zu formulieren immer wieder mit einer input-orientierten Denkweise kollidiert. Warum ist das so? Nicht-fachliche und output-orientierte Qualifikationsrahmen dienen nur der Vergleichbarkeit von Leistungsniveaus (graduell). Fachspezifische Ausgestaltungen zielen auf die Flexibilisierung und Vervielfältigung von Lernwegen; sie sollen Kompetenzprofile beschreiben. Der Versuch, diese fachliche Vielfalt mit einem Umweg über gemeinsame Standards (z. B. 20
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Im Internet unter: http://tuning.unideusto.org/tuningeu/
das Tuning-Projekt) wieder einzuholen, ist in der Theorie genauso widersprüchlich wie der Vorschlag, den formalen Rahmen durch fachliche Zusätze (z. B. forschungs- oder anwendungsorientiert) für eine Hierarchisierung zweckzuentfremden. VI. Lebenslanges Lernen Der Begriff „Lebenslanges Lernen“ wurde in den 1970er Jahren durch internationale bildungspolitische Diskussionen (u. a. auf Initiative des Europarats, der UNESCO und der OECD) geprägt.21 Der Begriff beinhalte, so Tippelt (2007, S. 110), „das Aufnehmen, das Erschließen und das Einordnen von Erfahrungen und Wissen über die gesamte Lebensspanne.“ Also gehören sowohl die formale (schulische) Bildung als auch die Erwachsenenbildung, das non-formale und informelle Lernen dazu. Während vor allem die frühen Diskussionen der 1970er Jahre getragen wurden von der Vorstellung, durch Lebenslanges Lernen den gesellschaftlichen Fortschritt positiv vorantreiben zu können (vgl. exemplarisch den UNESCO-Report von Faure 1973), werden mit diesem Begriff zunehmend ökonomische Motive verbunden, die darauf zielen, die Einzelne für sich ständig wandelnde Arbeitsmärkte zu qualifizieren (vgl. Bredl et al. 2006, S. 17; Bittlingmayer 2005, S. 212). Ein Beispiel für dieses eher ökonomische Denken ist das Konzept der OECD (1996) „Lifelong Learning for All “, das im Lebenslangen Lernen einen wichtigen Faktor für die Förderung von Beschäftigung und damit für die ökonomische Entwicklung der OECD-Staaten sieht (vgl. OECD 1996, S. 13). Dieses Konzept beruht auf der Annahme, dass alle Menschen lernfähig seien und daher lebenslang zum Lernen motiviert werden sollten (vgl. OECD 1996, S. 27). Kritisiert wird, dass es der OECD nur darum gehe, das ‚Räderwerk‘ betriebsfähig zu halten, die gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu stabilisieren, die Verantwortung für Bildung vom Staat zu den Individuen zu schieben und gleichzeitig den Bildungsbegriff auf den Aspekt der 21
Zur Entwicklung der Idee des Lebenslangen Lernens seit den 1970er Jahren im internationalen, europäischen und deutschen Kontext vgl. Kraus (2001). Als Ziele, die mit der Umsetzung des Lebenslangen Lernens verbunden werden, extrahiert sie durch eine Dokumentenanalyse der wichtigsten Papiere (Fundamentale des Europarats, Weißbuch der EU, Faure-Report der UNESCO, Recurrent Education der OECD, Delors-Report der UNESCO, Lifelong Learning for All der OECD): Demokratie, Chancengleichheit, Ganzheitlichkeit, europäische Identität, Beschäftigungsfähigkeit, Fortschritt, Humanismus, Abbau sozialer Ungleichheiten, sozialer Zusammenhalt, Persönlichkeitsentwicklung und wirtschaftliches Wachstum (vgl. ebd., S. 111). Die Prioritätensetzung ist bei den unterschiedlichen Akteuren allerdings als sehr uneinheitlich, wenn nicht als gegensätzlich einzustufen.
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beruflich verwertbaren Qualifikationen zu verengen. Um den Unterschied der Konzepte zum Ausdruck zu bringen, wird im Englischen zwischen Lifelong Learning und Lifelong Education differenziert (vgl. Boshier 2005). Der Begriff Lifelong Learning scheint gegenwärtig stärker geprägt von einer neoliberalen, ökonomisch gefärbten Denkweise, während Lifelong Education explizit das Verständnis zum Ausdruck bringt, dass durch Lernen die einzelnen Menschen gewinnen und darüber hinaus die gesellschaftliche Entwicklung positiv beeinflusst werden kann. Fazit: Der Begriff des Lebenslangen Lernens ist aufgrund seiner Mehrdeutigkeit für verschiedene politische Interessen verwendbar (vgl. Kraus 2001, S. 117): Während für die Einen mit diesem Konzept Chancen für verbesserte Lebensbedingungen des Einzelnen und aller verbunden sind, fürchten die Anderen eine ‚Pädagogisierung‘ der gesamten Lebensspanne und kritisieren Dritte die notdürftige Verschleierung von Marktinteressen. Wie wird von den politischen Akteuren in Deutschland das Konzept des Lebenslangen Lernens konkretisiert? Im Nationalen Bericht (KMK/BMBF 2004, S. 15 f.) zeigt sich zuerst eine Tendenz zur ökonomisch orientierten Interpretation im Sinne des Lifelong Learning. So wird die Aktionslinie vor allem in der Forderung nach beruflicher Weiterbildung durch die Konzeption spezieller Masterstudiengänge aufgegriffen. Durch das Aktionsprogramm „Lebensbegleitendes Lernen für alle“ vom BMBF (2001) und die Entwicklung einer Strategie für das Lebenslange Lernen von Bund und Ländern (BLK 2004) zeichnet sich zumindest der politische Wille ab, das Lernen aller „Bürger in allen Lebensphasen und Lebensbereichen, an verschiedenen Lernorten und in vielfältigen Lernformen“ (ebd., S. 14) anzuregen und im Sinne der Lifelong Education zu unterstützen. Wie Straka (2005, S. 162) allerdings kritisiert, fehlen diesen Papieren die konkreten Ziele (die auch als Indikatoren für den Erfolg des jeweiligen Programms gelten könnten) und das Vorgehen bleibt daher unbestimmt. Wie könnten solche konkreten Ziele des Lebenslangen Lernens aussehen? Man müsste ein System kreieren, das die Zugänge zu Bildungsangeboten öffnet, z. B. durch eine Vervielfältigung und Flexibilisierung der Zugangswege. Daher sollten die Bildungsinstitutionen „vielfältige Eingänge und Ausgänge ohne Sackgassen aufweisen, so dass ein hohes Maß an Durchlässigkeit und Mobilität gewährleistet ist“, empfiehlt Wolter (2005a, S. 255). Allerdings besteht die Gefahr, dass dieser soziale Aspekt von wirtschaftlichen Gesichtspunkten verdrängt wird, wenn nämlich durch schrumpfende Etats die Hochschulen veranlasst werden, ihr Angebot kommerziell zu konzipieren, um zusätzliche Mittel zu akquirieren (vgl. Bloch et al. 2006, S. 72).
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Eine weitere Maßnahme, die Möglichkeiten für Lebenslanges Lernen zu stärken, ist die bessere Anerkennung von non-formalem und informellem Lernen. Dies bedeutet nicht nur eine adäquatere Wertschätzung der auf heterogenen Wegen erworbenen Kompetenzen der Menschen, sondern Dohmen (2001, S. 164 f.) macht zu Recht auch darauf aufmerksam, dass ein „Zurückbleiben weiter Bevölkerungskreise vor den Anforderungen schulisch abstrahierender Qualifikationen [. . .] zu einer wachsenden Zahl von Modernisierungsverlierern und Ausgeschlossenen“ führen könnte. Dem müsse bildungspolitisch mit einem „bewussteren, reflektierteren, kohärenteren und diskursfähigeren [L]ebenslangen Lernen aller“ (ebd.) entgegengewirkt werden. Er sieht im „Ausbau einer für alle Menschen offenen kooperativen Lerngesellschaft und bürgerlichen Lernkultur als motivierendes Umfeld und stützender Rahmen“ auch die Chance, die durch Globalisierung, Wettbewerb und prekäre Beschäftigungsverhältnisse verursachte „Entwurzelung und Vereinzelung vieler Menschen“ aufzufangen, indem neue soziale Beziehungen aufgebaut und solidarisch weiter entwickelt werden können. In Deutschland ist insgesamt noch offen, ob die Aktionslinie des Lebenslangen Lernens den Beginn einer großen Veränderung des Bildungsverständnisses in Deutschland markiert oder nur die schlichte Strategie gemeint ist, angesichts des schnellen Wissensverfalls in vielen Bereichen durch individuelle Fortbildungsmaßnahmen ‚auf dem Laufenden‘ zu bleiben (vgl. Schreiber-Barsch/Zeuner 2007, S. 699 f.). VII. Beschäftigungsfähigkeit (Employability) Bereits im ersten Hochschulrahmengesetz von 1976 ist die Vorbereitung der Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld als ein Ziel des Studiums festgelegt worden (vgl. Schaeper 2005, S. 209). Daher kann die Forderung nach Beschäftigungsfähigkeit nicht als besonders innovativ gelten. Trotzdem stehen die Universitäten dieser Aufgabe distanziert gegenüber: Zwar haben die Hochschulen schon immer auf Arbeitsfelder außerhalb der Wissenschaften vorbereitet, allerdings wurde und wird das Prinzip der reinen Wissenschaftlichkeit als Widerspruch zur Berufsausbildung wahrgenommen (vgl. Abschnitt 4.1.2). So wird begreiflich, warum diese Forderung vor allem bei den Hochschullehrenden auf Widerstand gestoßen ist, die sich einer Tradition der zweckfreien, universitären Wissenschaft besonders verpflichtet fühlen. In der deutschen Diskussion zeigt sich ein Trend, auf den eher sperrigen Begriff „Beschäftigungsfähigkeit“ zugunsten des englischen Ausdrucks
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Employability zu verzichten.22 Rump und Eilers (2006, S. 21) definieren Employability als „Fähigkeit, fachliche, soziale und methodische Kompetenzen unter sich wandelnden Rahmenbedingungen zielgerichtet und eigenverantwortlich anzupassen und einzusetzen, um eine Beschäftigung zu erlangen oder zu erhalten.“ Genauer beschreiben sie den Begriff als ein „Bündel von Kompetenzen“, das neben fachlichen Kompetenzen Schlüsselqualifikationen wie „Initiative, Eigenverantwortung, unternehmerisches Denken und Handeln, Engagement, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Lernbereitschaft, Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit, Konfliktfähigkeit, Veränderungsbereitschaft, Reflexionsfähigkeit“ (Rump/Eilers 2006, S. 69) beinhaltet. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig vielfach prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt zielt Employability auf ein verändertes Selbstbild der potentiellen Arbeitnehmer, die aufgefordert werden, „Strategien der Selbstkontrolle, Selbst-Ökonomisierung und Selbstrationalisierung“ (Bloch et al. 2006, S. 63) mit dem Ziel zu entwickeln, gewinnbringend für die Arbeitgeber zu sein, also eine ‚Marktfähigkeit‘ der eigenen Person zu erreichen. Es gelte, „von der ‚Vollkasko-Mentalität‘ ab[zu] rücken“ und zum „Unternehmer in eigener Sache“ zu werden, so Rump und Eilers (2006, S. 70). Ebenso bilanzieren auch Brümmer und Szogas (2006, S. 164), dass aus „gesamtwirtschaftlicher Sicht [. . .] die Employability der Erwerbstätigen unabdingbar für die nachhaltige Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ sei. Dabei, kritisiert Schindler (2004, S. 23), werde den Absolventen unterstellt, dass sie selbst die ausschließliche Verantwortung für ein Gelingen oder Scheitern ihrer Karriere trügen. Solche Argumentationen werden bevorzugt in Krisensituationen verwendet und dabei wird offensichtlich bewusst übersehen, dass der Übergang auf 22
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Vgl. detaillierter Kraus (2006, S. 56 ff.) mit einer Darstellung von fünfzehn verschiedenen Begriffsdefinitionen und der kritischen Bilanz, dass eine „kompakte und greifbare Definition“ (ebd., S. 57) in Deutschland fehle. Im Kern gehe es aber um ein „Repertoire an Fähigkeiten und Bereitschaften, über das Personen verfügen (sollen), um in Bezug auf Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsmarkt bestehen zu können“ (ebd., S. 61). Im Gegensatz zur Verwendung des Begriffs „Beschäftigungsfähigkeit“, der eher gebräuchlich ist für Personengruppen, die aufgrund ihrer geringen schulischen Qualifikation von Arbeitslosigkeit bedroht sind, wird in der englischen Tradition Employability so definiert: „Employability is a set of achievements – skills, understandings and personal attributes – that make graduates more likely to gain employment and be successful in their chosen occupations, which benefits themselves, the workforce, the community and the economy“ (Yorke/Knight 2003, zitiert nach Brennan 2008, S. 38). Vgl. auch Teichler (2005a, S. 315 ff.), der verschiedene Möglichkeiten beschreibt, wie die Hochschulen die Anforderung der Employability bei der Neugestaltung ihrer Studiengänge umsetzen.
den Arbeitsmarkt und die beruflichen Aufstiegschancen durch Rahmenkonstellationen bedingt werden, auf die die Absolventen zu einem großen Teil keinen Einfluss haben. Auch Winkler (2005, S 26 f.) bemerkt kritisch, dass die Employability-Forderung darauf ziele, „einen Habitus zu erzeugen, in welchem das Subjekt vollkommen verwertet werden kann und diese Verwertbarkeit zu seiner eigenen Angelegenheit macht.“ Dem Ruf nach Employability stehen jedoch wenig Konzepte gegenüber, mit denen dieses Ziel in den neuen Studiengängen verankert und realisiert werden könnte. Gensch und Schindler (2003) haben exemplarisch für Bayern gezeigt, dass der Begriff Employability für Bachelor-Studiengänge bislang bedeutungslos ist. Schindler kommt zu dem Schluss: „So positiv der mit dem Begriff Employability verbundene Anspruch, Studierende für das ‚ganze Berufsleben‘ fit zu machen, grundsätzlich sein mag, bislang gibt es keinen Grund anzunehmen, dass dieses Ziel in Bachelorstudiengängen [. . .] erreichbar sein wird“ (Schindler 2004, S. 21).
Eine interessante Variante des Employability-Begriffs besteht in der Erweiterung dieses Ziels um die Aspekte des staatsbürgerlichen Engagements und der Arbeitsmarktorientierung, die zusammen mit dem Ziel der Employability im Bergener Kommuniqué (2005, S.7) formuliert worden sind. So kann den wirtschaftlichen Bedürfnissen in Bezug auf die Schlüsselqualifikationen (Flexibilität, Engagement etc.) Rechnung getragen werden, aber gleichzeitig wird deutlich, dass der Erwerb dieser Kompetenzen auf die Förderung und Stärkung verantwortlichen Handelns überhaupt zielt. Dies entspricht einer emanzipatorischen Perspektive, die, so Bloch et al. (2006, S. 64), „den Beitrag von Employability zur Verbesserung individueller Entscheidungsfähigkeit und somit der Stärkung verantwortlichen Handelns [betont], wobei auf Konzepte wie citizenship und Zivilgesellschaft Bezug genommen wird.“ Zur Folge hätte diese Auffassung dann eine Relativierung derjenigen Schlüsselqualifikationen, die von den Verfechtern des EmployabilityKonzepts ausschließlich unter ökonomischen Gesichtspunkten interpretiert werden. So könnte beispielsweise (in Anlehnung an Lewin et al. 2006, S. 114) gefragt werden, ob die in der Hochschulbildung zu erwerbenden Kompetenzen die individuellen Fähigkeiten fördern, Handlungsfolgen abzuschätzen und gesellschaftlich einzuordnen, Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen, Paradoxien, Dilemmata, Zielkonflikte, Alternativen zu denken, damit insgesamt verantwortliches Urteilen und Handeln gelernt werden kann. Auf diese Weise wird dem Employability-Begriff eine gesellschaftskritische und innovative Bedeutung beigemessen.
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Welche Position wird von den politischen Akteuren eingenommen? Im Nationalen Bericht (KMK/BMBF 2007, S. 11) zur Londoner Konferenz ist dargelegt, dass bei Bachelor-Studiengängen darauf geachtet werde, „wissenschaftliche Grundlagen, Methodenkompetenz und berufsfeldbezogene Qualifikationen“ zu vermitteln. Auch Kompetenzen und Lernziele würden arbeitsmarktorientiert definiert. Darüber hinaus werde der Erwerb von Schlüsselqualifikationen (Sozialkompetenz, Präsentationskompetenz, bereichsunspezifische Sachkompetenzen, insbesondere Fremdsprachenkompetenz) als obligatorischer Bestandteil des „berufsqualifizierenden“ Bachelors verstanden. Diese Interpretation von KMK und BMBF bleibt deutlich hinter den zuvor entwickelten Erwartungen an das Ziel zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit in emanzipatorischer Absicht zurück. VIII. Qualitätssicherung Auch auf Initiative des Europäischen Rates sind alle Mitgliedsstaaten aufgefordert, Qualitätssicherung an ihren Hochschulen zu betreiben. Dazu dient das ENQA, das insbesondere den Austausch von Erfahrungen und Informationen der einzelnen Staaten fördern, aber auch zur Entwicklung von Qualitätssicherungsstandards beitragen soll. Die KMK (2000a, S. 3) bewertet diese Entwicklung als sehr relevant, da sich abzeichne, „dass von diesem Netzwerk erhebliche Rückwirkungen auf die Bildungssysteme der Mitgliedstaaten ausgehen werden.“ Ziele der Qualitätssicherung seien es, die Lehre zu verbessern, Schwächen zu erkennen und die verfügbaren Ressourcen optimal zu nutzen. Die zwei wichtigsten Maßnahmen in diesem neuen Qualitätssicherungssystem sind gemäß der KMK die Evaluation „als Instrument zur Bewertung der Aufgabenerfüllung“ (KMK 2002a, S. 7) und die Akkreditierung von Studiengängen. Auf diese Weise werden studiengangspezifische Rahmenprüfungsordnungen obsolet gemacht, da diese ohnehin zeitaufwendig und innovationshemmend seien, einen fachlichen Konsens voraussetzten und damit vor allem nicht für Studiengänge in kleinen, neuen und zukunftsweisenden Fachrichtungen taugten, „in denen noch keine hinreichende fachliche Konsolidierung erfolgt ist“ (KMK 2002a, S. 3). Nun soll das Akkreditierungsverfahren die „Gewährleistung fachlich-inhaltlicher Mindeststandards und die Überprüfung der Berufsrelevanz der Abschlüsse“ (KMK 2002a, S. 4) leisten. Die neuen Studiengänge bedürfen de facto aber nicht nur der Akkreditierung, sondern zusätzlich weiterhin der staatlichen Genehmigung, bei der das zuständige Ministerium die „Kompatibilität des Studiengangs mit der Landesplanung, die vorhandenen Ressourcen für
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die Einrichtung des Studiengangs, die Kompatibilität mit dem Landesprüfungsrecht“ (KMK 2002a, S. 6) abwägt. Daher ist festzuhalten, dass die Akkreditierung den Hochschulen längst nicht so viel Autonomie lässt, wie man zunächst denken könnte. Zusätzlich zu Evaluation und Akkreditierung werden Rankings für die Hochschulen immer wichtiger als Instrumente der Qualitätssicherung.23 Mit diesen kristallisiert sich eine vertikale Differenzierung im deutschen Hochschulwesen heraus (vgl. Schaeper/Wolter 2008, S. 609), die politisch durch die verstärkte Exzellenz-Förderung vorangetrieben wird. Diese Verfahren der Qualitätssicherung sind (wie bereits im Abschnitt 3.2.1 zur Prozessstruktur angemerkt) ein Zeichen für die neue Gewichtung der wettbewerblichen Strukturen im Bildungswesen. IX. Das Doktorat als dritter Studienzyklus Das Doktorat ist das Scharnier zwischen dem Bildungs- und dem Forschungsauftrag der Hochschulen, da es sowohl ein Studium als auch eine selbstständige Tätigkeit in Wissenschaft und Forschung umfasst. Durch diese ambivalenten Funktionen ist der Status von Promovierenden in Deutschland unklar: Teilweise gelten sie als Studierende im dritten Studienzyklus und teilweise als Berufstätige (Nachwuchswissenschaftler). Dementsprechend gibt es in Deutschland zwei Typen der Promotion, nämlich das traditionell und gegenwärtig vorherrschende „Meister-Schüler-Modell“ und das Modell der Promotionsstudien (als Studierende in einem strukturierten Promotionsprogramm, z. B. einem Graduiertenkolleg), in denen etwa ein Fünftel aller Doktoranden organisiert ist (vgl. Krischke 2008). Bislang fehlen jedoch genaue Statistiken zum dritten Studienzyklus. Auch dies hängt damit zusammen, dass der Status der Promotionskandidaten oft nicht klar geregelt ist (vgl. Janson et al. 2007, S. 61 ff.). Das Meister-Schüler-Modell zeichnet sich dadurch aus, dass nur „ein geringer Strukturierungs- und Formalisierungsgrad [besteht], die Doktoranden [. . .] in der Mehrheit als Mitarbeiter am Lehrstuhl beschäftigt“ sind und „eine vergleichsweise hohe Abhängigkeit vom Doktorvater“ bzw. der Doktormutter besteht (ebd. S. 60). Das im US-amerikanischen System der Doktorandenausbildung vorherrschende Modell der Promotionsstudien gewinnt durch den Bologna-Prozess auch in Deutschland laufend an Bedeutung. Erhofft wird, dass im Verbund mit anderen und einem festen Studienprogramm eine Promotion schneller gelingt 23
Eine Übersicht über weitere Verfahren und Instrumente der Qualitätssicherung an Hochschulen bietet Pasternack (2004).
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und die Zahl der Abschlüsse weiter erhöht werden kann. Zugleich wird von einer stärker strukturierten Promotionsphase erwartet, die Abbruchquote zu verringern und eine zielgerichtetere Forschungsausbildung zu erreichen (vgl. Kehm 2007, S. 135). In den Hochschulgesetzen der Bundesländer ist nicht nur festgeschrieben, welche Hochschulen über das Promotionsrecht verfügen. Unterschiedlich detailliert werden auf Länderebene zusätzliche Regelungen vorgegeben, die hauptsächlich den Zugang zur Promotion betreffen. Im Zuge des BolognaProzesses fasste die KMK (2000d) den Beschluss, dass formal jeder Master-Abschluss unabhängig vom Hochschultyp zur Promotion berechtigt und dass bereits Bachelorabsolventen der direkte Zugang zur Promotion ermöglicht werden kann. Die genaue Ausgestaltung des Promotionszugangs und des -verfahrens regeln die Universitäten und gleichgestellten Hochschulen, die das Promotionsrecht besitzen. Dazu gehören auch so genannte Eignungsfeststellungsverfahren. Wie der Name schon sagt, wird dabei festgestellt, ob eine Bewerberin grundsätzlich dafür geeignet ist, promovieren zu können. Doch nicht alle Promotionswilligen durchlaufen dieses Verfahren, sondern es kommt insbesondere (und oft in Kombination mit weiteren Auflagen wie dem Nachweis zusätzlicher Studien, Prüfungen o. ä., vgl. HRK 2007e, S. 33) bei Fachhochschulabsolventen zum Einsatz.24 Mit dem Hinweis auf die hohen fachlichen Anforderungen einer Promotion werden daher eigentlich universitäre Promotionswillige im Verhältnis zu fachhochschulischen Bewerbern bevorzugt. Entgegen dem Motiv, durch die Einführung des gestuften Systems den Statusunterschied zwischen Universitäten und Fachhochschulen zu verringern, zeigt sich erneut, dass eine fachhochschulische Qualifikation nach wie vor als zweitklassig angesehen wird. Das sieht man auch an der Forderung der HRK, auf der einen Seite zwar eine grundsätzliche Durchlässigkeit zwischen den Hochschultypen sicherzustellen, auf der anderen Seite jedoch zu betonen, dass eine rein formale Anerkennung nicht adäquat sei, sondern die fachliche Qualifikation der Promotionsbewerberin entscheidend sein müsse. Damit bewahren die Universitäten ihr Privileg, den Zugang zum dritten Studienzyklus und die damit verbundenen Karrierewege zu kontrollieren. Allerdings wächst die Zahl der Ausnahmen, die diese Regel bestätigen. Ein Beispiel ist die Differenzierung zwischen wissenschaftlich oder eher berufspraktisch angelegten Promotionen (z. B. berufsbegleitende Promotionen in der Industrie, die gemeinsam von universitärer und fachhochschulischer Seite betreut werden). 24
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Auch für Bachelorabsolventen, die die Masterphase überspringen möchten, können solche Eignungsfeststellungsverfahren vorgesehen sein (vgl. HRK 2007e, S. 22 ff.).
X. Soziale Dimension Die soziale Agenda scheint bislang weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene einen nennenswerten Einfluss auf die Gestaltung des Hochschulraums genommen zu haben. Dies könne etwas damit zu tun haben, so Schnitzer (2003, S. 7), dass in „den Augen der Hauptakteure [. . .] soziale Belange gegenüber den akademischen Strukturbelangen immer eine nachrangige Rolle spielen.“ Auch besitze der Begriff „keine positive konstruktive Ausstrahlung“, sondern werde „assoziiert mit Notwendigkeiten der Schadensbegrenzung und der lästigen Sorge für Randgruppen des Systems“ (Schnitzer 2003, S. 8). Der Punkt „Soziale Dimension“ benennt weder ein Vorhaben noch ein Ziel, sondern meint eher eine Art Versprechen, bei den geplanten Veränderungen soziale Aspekte nicht gänzlich außen vor zu lassen. Wichtige Themen, die mit diesem Ziel verknüpft werden, sind a) die Verbesserung der Lebens- und Studienbedingungen der Studierenden sowie b) der Abbau von sozialen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten beim Hochschulzugang und bei den Bildungsabschlüssen. Ad a: Lebens- und Studienbedingungen Wie bereits im Bergener Kommuniqué (2005, S. 7) festgestellt, fehlen bislang in vielen Bologna-Staaten die Daten, um überhaupt zu erfassen, welcher Art und wie groß die Probleme bei den Lebens- und Studienbedingungen sind. Diese Aufgabe wird mittlerweile durch das Projekt „Eurostudent“ 25 ausgefüllt. In Deutschland liefert das Deutsche Studentenwerk mit den Sozialerhebungen26 die wichtigste Datenbasis (die auch in die Eurostudent-Berichte einfließt). Insbesondere geht es dabei um die Aspekte Hochschulzugang und Studienverlauf, soziale Zusammensetzung der Studierendenschaft, Studienfinanzierung sowie Lebenshaltungskosten (z. B. Wohnsituation). Wichtig ist, welche Möglichkeiten die Studierenden haben, ihre Studienzeiten selbst einzuteilen, um ggf. auch einer Erwerbstätigkeit oder familiären Verpflichtungen nachgehen zu können. Um die Lebens- und Studienbedingungen zu verbessern, gelte es zunächst, so Scholz (2005, S. 22), die bedarfsdeckende, von Eltern unabhängige Förderung von Studierenden zu rea25
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Eurostudent sammelt europaweit vergleichbare Daten zum sozioökonomischen Hintergrund und den Lebensbedingungen von Studierenden. Im Internet unter: http://www.eurostudent.eu Vgl. Isserstedt et al. (2007); Informationen über die Gruppe der Studienanfänger werden seit vielen Jahren auch durch die HIS-Studienanfängerbefragungen dokumentiert; den derzeit aktuellen Stand haben Heine et al. (2007) erhoben.
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lisieren und „die Sicherstellung der sozialen Infrastruktur an den Hochschulen, wie die Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum, Verpflegungseinrichtungen, Beratungs- und Betreuungsangeboten sowie die Berücksichtigung sozialer Aspekte in den neuen Studien- und Prüfungsordnungen“ zu gewährleisten. Auch die Qualität der Lehre ist ein Faktor, der zum Gelingen eines Studiums maßgeblich beiträgt. Hier betont die HRK (2005b), dass hochschulische Reformaktivitäten nötig seien, um eine Verbesserung der Studiensituation zu erreichen. Neben den im Bologna-Prozess explizit vereinbarten Neuerungen Diploma Supplement, Modularisierung, Einführung des ECTS etc. würden weitere Maßnahmen benötigt: Studierende sollten mehr eingebunden, Selbstlernzeiten begleitet, Interdisziplinarität verstärkt, eigenständiges Lernen gefördert, Qualitätssicherung (Feedback-Kultur) und umfassende Studienberatung betrieben sowie neue Lehr- und Lernformen genutzt werden. Die HRK stellt fest, dass solche Maßnahmen bislang nur punktuell eingeführt werden konnten, weil eine „breite finanzielle und personelle Ausstattung“ (HRK 2005b, S. 5) fehle. Auch die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008, S. 136) konstatiert, dass in den letzten Jahren keine wesentlichen Verbesserungen der Studienbedingungen (z. B. in Bezug auf die Betreuungsrelationen) erreicht worden seien. Ob es nun an an einem Mangel der Ressourcen liegt oder daran, dass in einigen Fächern kaum Bereitschaft für Veränderungen in der Lehre zu finden ist, kann doch resümiert werden, dass durch den Bologna-Prozess an den Hochschulen curriculare und hochschuldidaktische Reformen in den Fachbereichen mehr oder weniger intensiv diskutiert und teilweise auch realisiert worden sind, auch wenn wesentliche Neuerungen in diesem Bereich eher ausblieben. Ad b: Ungleichheiten Ist in Deutschland Chancengleichheit insofern erreicht, als die Studierendenschaft die sozioökonomische und kulturelle Vielfalt der Bevölkerung beim Hochschulzugang und beim -abschluss abbildet? Auf diese Frage (ein Indikator, der im Anschluss an die Bergener Konferenz entwickelt wurde) antworten KMK und BMBF mit der Feststellung, dass der „gleichberechtigte Zugang zu den Hochschulen [. . .] in Deutschland gesetzlich garantiert“ sei (KMK/BMBF 2004, S. 14, KMK/BMBF 2007, S. 20). Die Studienanfängerquote betrug im Studienjahr 2007 36,6 Prozent (vgl. DESTATIS 2007). Damit nimmt bereits über ein Drittel eines Altersjahrgangs der Bevölkerung ein Studium auf. Diese Quote soll nach Plänen der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 auf 40 Prozent erhöht werden (vgl. Bundesregierung 2007). Den-
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noch ist die Studierendenschaft keineswegs ein Abbild der sozialen Zusammensetzung der Gesellschaft, sondern Studierende aus sozial privilegierten Herkunftsgruppen sind deutlich überrepräsentiert. So hat die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks erneut gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Beteiligung an Hochschulbildung sehr eng ist: Nur 17 Prozent der Arbeiterkinder beginnen ein Studium, während der Anteil der Kinder von Angestellten 40 Prozent beträgt. Mehr als jedes zweite Kind aus der Gruppe der Selbstständigenfamilien (52 Prozent) und fast zwei Drittel aus der Gruppe der Beamtenkinder (65 Prozent) partizipieren an Hochschulbildung. Damit ist die Chance, ein Studium zu beginnen, von Kindern aus Selbstständigenfamilien dreimal, die der Beamtenkinder viermal höher als die der Arbeiterkinder (vgl. Isserstedt et al. 2007a, S. 6). Becker und Hecken (2007, S. 101) haben nachgewiesen, dass die Arbeiterkinder durch die Bildungsexpansion zwar beim Übergang in die Sekundarstufe I Gewinne erzielten, diese aber beim Hochschulzugang als „immer noch sozial exklusiven Bereich der tertiären Bildung“ nicht fortsetzen konnten, während die Studienchancen der Beamtenkinder weiter steigen. Die Situation der Personen mit Migrationshintergrund ist ebenfalls kritisch, da sie eine „vergleichsweise niedrige Bildungsbeteiligung [. . .] und einen niedrigeren Bildungsstand“ (Arbeitsgruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 213) erreichen. Mittlerweile häufen sich zwar die Studien, die diese sozialen Disparitäten bestätigen, allerdings sind kaum Maßnahmen dagegen zu finden. Das deutsche Bildungswesen ist heute dementsprechend für seine soziale Selektivität bekannt (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 171 ff. und S. 211 ff.; Opielka 2005, S. 137; Bauer/Bittlingmayer 2005, S. 14; Isserstedt et al. 2004, S. 116 f.; Becker/Lauterbach 2004; Ehmke et al. 2004; Baumert/Schümer 2002). Wolter (2005c, S. 34) stellt heraus, dass gerade das Hochschulsystem „obgleich in besonderer Weise dem Leistungsprinzip verpflichtet, die Anforderungen individueller Leistungsgerechtigkeit systematisch“ verletze. Dies drückt sich auch in der Wahl des Hochschultyps aus: Knapp 60 Prozent der universitären Studienanfänger haben Eltern (Mutter und/oder Vater) mit einem Hochschulabschluss (44 Prozent davon einen universitären, 15 Prozent einen fachhochschulischen). An der Fachhochschule besitzen die Eltern der Studienanfänger hingegen überdurchschnittlich oft keinen gymnasialen, sondern nur einen Real-, Volks- oder Hauptschulabschluss (vgl. Heine et al. 2007, S. 51). Für den Hochschulzugang bedeutsam ist darüber hinaus, in welcher Schulform die Studierenden welche Hochschulzugangsberechtigung erworben ha-
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ben und welchen Hochschultyp sie im Anschluss wählen. Denn soziale Ungleichheiten entstehen nicht erst an der Hochschule, sondern es müssen auch die sozialen Exklusionsmechanismen in den Blick genommen werden, die dem Hochschulzugang vorgelagert sind. Die Gymnasiale Oberstufe fungiert nach wie vor als Hauptzuträger für die Hochschulen: 2005/2006 waren insgesamt 78 Prozent der Studienanfänger Absolventen dieser Schulform (die grundständige Gymnasien, Oberstufengymnasien, die Gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule, die Beruflichen Gymnasien und das Abendgymnasium beinhaltet). Aufgeschlüsselt nach Hochschultyp und besuchter Schulform haben ca. 86 Prozent der universitären Erstsemester ihr Abitur an einem Gymnasium erworben, weitere 9 Prozent stammen von einem Fachgymnasium (vgl. Heine et al. 2008, S. 43, 46). Etwa die Hälfte der Studienanfänger an Fachhochschulen besitzt auch die Berechtigung für ein universitäres Studium, allerdings haben von dieser Hälfte nur etwa zwei Fünftel diese am Gymnasium erworben. Mit 97 Prozent besitzen fast alle Studienanfänger an den Universitäten im Wintersemester 2007/08 eine Allgemeine Hochschulreife; an den Fachhochschulen haben immerhin 43 Prozent diese Art der Berechtigung erworben. Knapp die Hälfte (49 Prozent) der Fachhochschulstudierenden im ersten Semester besitzt eine Fachhochschulreife, etwa 6 Prozent eine Fachgebundene Hochschulreife27 (vgl. Heine et al. 2007, S. 47). Deutlich wird an diesen Zahlen der Zusammenhang zwischen Hochschulzugangsberechtigung sowie Hochschultyp: An der Universität wird kaum jemand ohne Allgemeine Hochschulreife immatrikuliert. Abgesehen von diesen Bildungsgängen gibt es verschiedene alternative Wege zur Hochschule für so genannte „nicht-traditionelle“ Studierende. Damit sind insbesondere Studierende gemeint, die über den dritten Bildungsweg an den Hochschulen zugelassen werden (vgl. Lüthje/Wolter 2005, S. 71; Teichler/Wolter 2004; Wolter 2008a, S. 86). Scholz (1995, S. 286 f.) stellt fest, „dass in Deutschland der direkte Weg aus einem nichtakademischen Beruf in ein Hochschulstudium strukturell verbaut, zumindest aber erheblich erschwert ist.“ Denn die übrigen Bildungswege zur Hochschule bedeuten 27
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Die Fachhochschulreife berechtigt zum Studium an einer Fachhochschule, beinhaltet einen schulischen und einen beruflichen Anteil und kann z. B. an Berufskollegs oder Fachoberschulen erworben werden. Die Fachgebundene Hochschulreife hingegen berechtigt sowohl zu einem Fachhochschulstudium als auch zu einem Universitätsstudium in bestimmten Fächern. Im Gegensatz zur Allgemeinen Hochschulreife beinhaltet die Fachgebundene Hochschulreife nur eine statt zwei Fremdsprachen. Sie kann beispielsweise an Beruflichen Gymnasien erworben werden.
meist einen Umweg über das Abitur oder vergleichbare Prüfungen. Dies ist eine Erklärung dafür, warum die Möglichkeiten des Hochschulzugangs über den dritten Bildungsweg insgesamt wenig genutzt werden: Nur drei Prozent der deutschen Studienanfänger im Wintersemester 2005/06 werden mit einer Fachgebundenen Hochschulreife zugelassen, weniger als ein Prozent nutzte die Möglichkeit, eine Studienzulassung durch die Anerkennung besonderer beruflicher Qualifikationen zu erreichen (vgl. Heine et al. 2007, S. 47). Diese Daten belegen die fortgesetzt enorme Bedeutung des Königswegs in Deutschland. Die steigenden Schülerzahlen an den Gymnasien (vgl. DESTATIS 2008) deuten darauf hin, dass auch zukünftig die überragende Mehrheit der Studienanfänger vom Gymnasium zu den Hochschulen (und insbesondere an die Universitäten) strömen wird. Die Bedeutung der übrigen Wege zum Studium ist bislang vergleichsweise gering, aber das Potential für eine weitere Erhöhung der Studierendenzahlen muss angesichts „der nahezu vollständigen Ausschöpfung der traditionellen Bildungsmilieus“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 136) primär hier gesehen werden. Bei der Gleichstellung von Männern und Frauen als weiterem Aspekt von gesellschaftlicher Ungleichheit zeigen sich indes große Fortschritte: Die Absolventinnenzahlen bei Studienbeginn und beim ersten Hochschulabschluss liegen bei ungefähr 50 Prozent.28 Der Anteil der Frauen wächst seit vielen Jahren zwar langsam, aber stetig. Doch ein genauerer Blick zeigt, dass es im Hochschulbereich nach wie vor deutliche Geschlechterunterschiede bei den Studienfachwahlen gibt: Der Anteil der Studentinnen liegt mit über 70 Prozent in den Sprach- und Kulturwissenschaften sowie mit mehr als 60 Prozent in den Bereichen Kunst und Medizin weit über dem der Männer. Diese wiederum sind besonders stark in den Ingenieurwissenschaften mit fast 80 Prozent und in Mathematik sowie den Naturwissenschaften mit über 60 Prozent vertreten (vgl. GEW-Gender-Report 2004, S. 9). Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede spiegeln sich auch bei der Wahl des Hochschultyps: Frauen immatrikulieren sich durchschnittlich häufiger als Männer an Universitäten (53 Prozent im Studienjahr 2005), während Männer häufiger an Fachhochschulen zu finden sind (vgl. Heine et al. 2007, S. 27). Inwiefern wirkt sich die Stufung des Studiensystems auf das Geschlech28
Je höher dann der Qualifikationsgrad steigt, desto mehr sinkt dieser Anteil: Bei den Promotionen finden sich nur noch knapp 41 Prozent, bei den Habilitationen etwa 22 Prozent Frauen (vgl. DESTATIS 2008a, S. 29).
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terverhältnis aus? Bislang gibt es einen Trend, dass der Anteil der Frauen an Masterstudiengängen sinkt (vgl. Becker et al. 2006, S. 49 ff.; Sonderegger 2007, S. 72). Dies steht in Übereinstimmung mit der europaweiten Beobachtung, dass Frauen in weiterführenden Studiengängen, die den Weg zu einer wissenschaftlichen Karriere eröffnen, unterrepräsentiert sind. Im Jahr 2001 lag die Quote von Frauen in diesen Studiengängen mit nur etwa 35 Prozent in Deutschland sogar noch unter dem europäischen Durchschnitt von 37 Prozent (vgl. Hering/Kruse 2003, S. 17). Es ist ferner zu vermuten, dass auch die fehlende Flexibilität bei der Studiengestaltung (z. B. Möglichkeiten für ein Teilzeitstudium) insbesondere für Frauen nachteilig sein könnte, da die traditionelle Verteilung familiärer Verpflichtungen immer noch vorherrschend ist (vgl. Lischka et al. 2006, S. 33). Repräsentative Untersuchungen sind derzeit noch nicht vorhanden, da das Gros der Studierenden, die mit einem Bachelor begonnen haben, den Master noch nicht abgeschlossen hat. Fazit: Der Abbau von sozialen Ungleichheiten stellt ein ungleich schwierigeres Vorhaben dar als beispielsweise die Einführung von gestuften Studiengängen (vgl. Schnitzer 2004, S. 172). Trotzdem wird es eine unerlässliche Frage sein, ob der Bologna-Prozess dazu beitragen kann, diese Ungleichheiten zu verringern. Schnitzer (2004, S. 172) weist zu Recht darauf hin, dass diese Problematik die „ihr zustehende Priorität erlangen“ müsse, damit sich „auch gemeinsame Vorstellungen entwickeln lassen, wie durch soziale Fördersysteme die sozialen Ungleichheiten im Bildungszugang und in der Wahrnehmung von Bildung in fairer Weise modifiziert werden können.“ Seit der Londoner Konferenz 2007 scheint diese Aktionslinie allmählich mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen. So ist von der deutschen Arbeitsgruppe zur Fortführung des Bologna-Prozesses als Teil des Nationalen Berichtes zur nächsten Bologna-Konferenz 2009 ein Papier vorbereitet worden, in dem die nationalen Strategien zur Sozialen Dimension des Bologna-Prozesses formuliert sind (vgl. Greisler/Hendriks 2008). Die Definition von acht Zielen (darunter z. B. die Erhöhung der Studienanfängerquote auf 40 Prozent durch Steigerung der Beteiligung von Studierenden aus bildungsfernen und einkommensschwachen Herkunftsfamilien sowie von Studierenden mit Migrationshintergrund oder die Steigerung des Anteils von Studienanfängerinnen in den Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) stellt einen nächsten Schritt auf dem Weg zu einem „sozial ausgewogeneren Hochschulraum“ (Greisler/Hendriks 2008, S. 10 ff.) dar.
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XI. Globale/europäische Dimension Aus dem ursprünglich in der Bologna-Erklärung eingeführten Ziel, die europäische Dimension zu fördern, ist die „Strategie zur Förderung des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums in einem globalen Setting“ (BFUG 2008, S. 17 f.) geworden. Worum ging es ursprünglich? Der Begriff „Europäische Dimension“ spielte bereits Anfang der 1990er Jahre in der europäischen Bildungspolitik eine Rolle, als 1993 die Europäische Kommission das „Grünbuch der Europäischen Dimension des Bildungswesens“ (zitiert nach Hrbeck 1994, S. 118–132) veröffentlichte. Darin wird als Reaktion auf die Gründung der Europäischen Gemeinschaften gefordert, „die Jugendlichen auf die Übernahme von Verantwortung in einem erweiterten wirtschaftlichen und sozialen Raum vorzubereiten“ (ebd.). Durch die Entwicklung einer europäischen Dimension im Bildungswesen könne zur „Anpassung des Bildungsprozesses an die neuen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten“ (ebd.) beigetragen werden, insbesondere durch die Verbesserung von Sprachkenntnissen, die gegenseitige Kenntnis von und Respekt vor den „Gepflogenheiten und Kulturen“ (ebd.) und die Fähigkeit zur Kooperation mit anderen Nationalitäten. Ziel sei es, „eine bessere Eingliederung in die Gesellschaft und eine größere Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung als europäischer Bürger [zu] begünstigen“ (ebd.). Das Grünbuch sollte dazu dienen, eine Diskussion über die Bedeutung der europäischen Dimension in den Mitgliedsstaaten zu initiieren (vgl. Hörner 1996, S. 27). Im Rahmen der Bologna-Diskussion wurde die europäische Dimension unterschiedlich interpretiert. Während Schick (2004, S. 120) in diesem Ziel einen „strukturell eingreifende[n] Schritt in die Veränderung des Bezugsrahmens und der Fokussierung von wissenschaftlicher Bildung auf Europa“ sieht, „wissenschaftliche Ausbildungen zu schaffen und den Gedanken der europäischen Einigung aus den Nischen der Spezialstudiengänge oder Wahlpflichtfächer [. . .] herauszuholen und als Curriculum-Struktur zu verankern“, ist Wex (2005, S. 51) der Ansicht, dass die Maßnahme im Zusammenhang mit den Erfordernissen der Globalisierung schlicht als Einführung einer Marke für den Weltbildungsmarkt zu sehen sei: Europäische Bildung solle global als Qualitätsprodukt identifizierbar gemacht werden. Ob die europäische Dimension in Deutschland als Chance zur ‚Europäisierung‘ der Bürger oder nur als Marketingstrategie für das Bildungsangebot gesehen wird, ist unklar: Die HRK (2001) interpretiert diese Aktionslinie zu Beginn des Bologna-Prozesses als „Vorwegnahme künftiger Strukturen der
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Kooperation“ in Europa. Dabei werde der Hochschulbereich zum Vorreiter der freiwilligen Zusammenarbeit europäischer Staaten, die „der gesamtpolitischen Realität vorgreifen und sich als wegweisend für diese erweisen können“ (ebd.). Die europäische Dimension bedeutet dann nicht nur curriculare Veränderungen, sondern die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Identität durch eine veränderte Hochschulbildung, die Europa für die Menschen persönlich bedeutsam macht. Die HRK betont dabei, dass überzeugte Europäer „nicht durch politische Beschlüsse geschaffen [werden], sondern durch entsprechende Bildung und eigenes Erleben“ (ebd.). Die Förderung der europäischen Dimension könne dazu beitragen, „soziale Verwerfungen, Ausgrenzungen und Fremdenfeindlichkeit zu minimieren“ (ebd.). KMK und BMBF sehen die europäische Dimension im Verlauf des Prozesses dagegen als Marketingstrategie: Im Nationalen Bericht (KMK/BMBF 2004) werden in Bezug auf dieses Ziel nur einige Projekte zur Förderung des Bildungsund Forschungsraums Deutschland genannt, die vom DAAD koordiniert werden (z. B. „GATE-Germany“ 29 ). Im Bericht zur Londoner Konferenz verweisen KMK und BMBF (2007) darüber hinaus auf neue internationale Studiengänge, bei denen sich die europäische Dimension in den Curricula finden lasse. Inwiefern die Förderung der europäischen Dimension in Deutschland eher dem kleinen Anspruch der curricularen Europäisierung einzelner Studiengänge oder dem ambitionierten Vorhaben entspricht, mit einer veränderten Hochschulbildung Europa mitzugestalten, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Der Anteil europäisch-orientierter curricularer Neuerungen gemessen am gesamten Bildungsangebot ist in jedem Fall marginal. Dies wiederum lässt erahnen, dass der Anspruch kaum erfüllt werden kann, mit der Aktionslinie europäische Integrationsprozesse zu beeinflussen. Vielleicht ist die Einsicht in die zu hoch gesteckten Erwartungen ein Grund dafür, dass statt der Maßgabe zur Förderung der europäischen Dimension nun die globale Perspektive als Ziel gefasst wird (vgl. BFUG 2008, S. 18), die dann allerdings im Kern nur noch auf die Attraktivität europäischer Hochschulbildung im weltweiten Wettbewerb zielt (vgl. Wolter 2006, S. 305). Zgaga (2006, S. 7) bestätigt, es sei mittlerweile klarer geworden, dass die Referenz auf die europäische Dimension von Anfang an immer auch eine externe, d. h. außer-europäische Zielrichtung impliziert habe: Die Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums werde notwendig, 29
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Im Internet unter: http://www.gate-germany.de. GATE (Guide for Academic Training and Education) hat zur Aufgabe, mit Mitteln des BMBF und der Hochschulen das Marketing für deutsche Studien- und Forschungsangebote zu unterstützen.
um im globalen Bildungsmarkt besser zu bestehen. Beispielsweise können europäische Studienabschlüsse weltweit leichter anerkannt werden, wenn sie gemeinsamen europäischen Standards genügen. Zudem kooperieren Hochschulen in vielen Bereichen seit jeher über nationale Grenzen hinaus (nicht nur durch die Mobilität von Studierenden und dem hochschulischen Personal, sondern auch in der Forschung). Die Berücksichtigung dieser Dimension spiegelt also nur den Stand der Dinge (vgl. Teichler 2003, S. 21). Die Entwicklung zur Wissensgesellschaft bewirkt allerdings einen Zuwachs der Internationalität, da nicht nur „randständige Phänomene beobachtet“ (Teichler 2002, S. 5 f.) werden, sondern grundsätzlich das „Verstehen fremder Kulturen und Gesellschaften und anderer Wissenschaftsverständnisse“ (ebd.) relevant sei. Insgesamt nehme, so die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008, S. 117), „der internationale Anpassungs- und Wettbewerbsdruck auf die deutschen Hochschulen zu.“ Zusammengefasst: Die europäische Dimension wurde im Bologna-Prozess zunächst als Chance für eine umfassende Europäisierung diskutiert. Die Aktionslinie zielte dann allerdings nur auf die Entwicklung ökonomischer Strukturen im Bildungswesen. Diese Strukturen nützen Europa als Zweckgemeinschaft, um im globalen Wettbewerb besser zu bestehen (vgl. Teichler 2002, S. 8). Auf diese Weise ist im Übrigen zu erklären, warum die globale Dimension bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland letztlich keine Rolle spielt: Nicht Deutschland, sondern Europa (bzw. die EU) positioniert sich im weltweiten Bildungsmarkt gegenüber anderen Regionen mit dem Anspruch, der weltweit dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum zu sein (vgl. Abschnitt 2.3.1). 3.2.3
Bologna-Rhetorik und ernüchternde Entwicklungen
Zunächst ist unabhängig von den Ergebnissen der einzelnen Policy-Prozesse zu betonen, dass der Bologna-Prozess als Bildungsreform insgesamt allein schon deshalb ein politischer Erfolg ist, weil überhaupt – und sogar in sehr großem Maße – Veränderungen im Bildungswesen erreicht worden sind. Mit Bologna hat sich ein bildungspolitisches Reformklima ausgebreitet, in dem die verkrusteten Strukturen aufgebrochen werden konnten, um längst bekannte Probleme im Hochschulbereich endlich anzugehen. Bilanzierend fällt dennoch auf, dass ein gemischtes oder sogar ernüchterndes Bild der Reformwirkungen des Bologna-Prozesses entsteht, wenn man die Einschätzungen und Zielsetzungen der Akteure BMBF, KMK sowie HRK mit den
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Beobachtungen der Hochschulforschung kontrastiert. Die Einführung des neuen gestuften Studiensystems kann am ehesten als gelungen gelten, denn die Vorgaben der Regierungsseite führten zu einer schnellen Umsetzung an den Hochschulen, was als Chance genutzt wurde, intensiv über Lehren, Lernen und die Konzeption von Studienangeboten zu diskutieren. Ferner scheinen die Regelstudienzeiten zumindest in den Bachelorstudiengängen nun realistischer bemessen. Kritisch ist allerdings, dass die Studienabbrecherquote nach wie vor sehr hoch ist. Durch die Einführung der Label Bachelor und Master ist es gelungen, die vielfältigen Abschlussbezeichnungen in Europa transparenter und einheitlicher zu machen. Die neue Konzeption der Studiengänge hat für die Mehrheit der Studierenden allerdings kaum dazu beigetragen, an internationaler Mobilität teilzuhaben. Bei anderen Bologna-Programmpunkten zeigt sich, dass entweder auf Regierungsseite oder auf hochschulischer Seite Einstellungen bestehen oder Entscheidungen getroffen wurden, die einen durchgreifenden Erfolg der jeweiligen Ziele behindern oder sogar ausschließen. Dazu gehört beispielsweise der Punkt Anerkennung: Durch die Möglichkeiten der Anrechnung informellen und non-formalen Lernens sowie durch die Ratifizierung des Lissabonner Abkommens sind politisch die Rahmenbedingungen geschaffen worden, um vielfältige Zugangswege zu ermöglichen. An den Hochschulen werden sie aber kaum genutzt und sind teilweise sicher auch nicht einmal bekannt. Eine ähnliche Situation zeigt sich bei der Etablierung des ECTS: Das theoretisch im Wesentlichen fundierte und von Regierungsseite forcierte Konzept wurde an den meisten Hochschulen schlicht mangelhaft eingesetzt. Beim Postulat der Gleichstellung von allgemeiner und beruflicher Bildung, das in Deutschland hinter der Idee der Qualifikationsrahmen steht, sowie bei der formalen Gleichstellung universitärer und fachhochschulischer Abschlüsse beim Zugang zum dritten Studienzyklus (Doktorat) lassen die Minister den Hochschulen weitgehend freie Hand, was dazu führt, dass die Hierarchie durch die einflussreichen Universitäten eingefordert und bewahrt wird. Die tatsächliche Gleichstellung bleibt weiterhin eine Ausnahme. Hinsichtlich der Qualitätssicherung wiederum scheinen die Hochschulen und insbesondere die mit der Akkreditierung befassten Institutionen gute Arbeit geleistet zu haben. Allerdings ist das Ziel einer relevanten Autonomieerhöhung deswegen nicht eingetreten, weil diesmal die Regierungsverantwortlichen nicht dazu bereit waren, die Neuerungen in dem Maße umzusetzen, wie es durch einen weiter gefassten Verzicht der Ministerien auf die Einflussnahme bei der Studiengangplanung möglich gewesen wäre.
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Die Aktionslinie zur Förderung der europäischen bzw. später globalen Dimension verweist auf das besonders von der EU lancierte Anliegen der wirtschaftlichen Blockbildung im globalen Bildungsmarkt. Die großen Erwartungen an die Entwicklung einer europäischen Dimension, die für die Menschen in den europäischen Gesellschaften eine positive Bedeutung haben sollte, müssen daher politischer Rhetorik zugerechnet werden: Weder die Regierungsseite noch die Hochschulen haben diese Hoffnung konkretisiert. Ähnlich sieht es bei der Frage aus, inwiefern durch den Bologna-Prozess ein anderes Verständnis des Lebenslangen Lernens nahe gelegt wird. Das Festhalten am Kernziel „Beschäftigungsfähigkeit“ deutet darauf hin, dass die ökonomisch orientierte Interpretation der Hochschulreform in Deutschland sehr einflussreich ist. Schließlich ist die Berücksichtigung der Sozialen Dimension angesichts der sozialen Selektivität im deutschen Bildungswesen eine große Herausforderung. Programme für ein Angehen dieser Aufgabe fehlen. Insgesamt wird deutlich, dass die hohen Erwartungen, die mit den BolognaReformen vor allem zu Beginn des Prozesses verknüpft wurden, in vielen Punkten nicht oder nur teilweise erfüllt werden konnten. Der Bologna-Prozess stellt in Deutschland ein Reformpaket dar, das vorrangig durch ökonomisch motivierte Veränderungen geprägt ist, die sich in die politische Agenda der späten 1990er Jahre einpassen: Die Beschlüsse der Regierungsverantwortlichen zeigen, dass die Strukturreform zum Anlass genommen wird, den Wettbewerb im Hochschulwesen zu steigern, die einzelnen Elemente des Studiums marktgerecht zu fassen und das deutsche Hochschulsystem, in dem marktförmige Elemente „strukturell eher fremd“ waren (vgl. Kehm 2004, S. 13), insgesamt stärker zu ökonomisieren. Die neuen Strukturen entsprechen den Konturen für einen „dynamischen Wirtschaftsraum“ des Lissabonner Prozesses. In diesem Sinne bewertet Kellermann (2006, S. 58) den Bologna-Prozess als neue Strategie, „Hochschulbildung und Wissen einerseits als Mittel zur Stärkung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit [auszurichten], andererseits als Waren auf Märkten“ anzubieten. Wenn Globalisierung bedeutet, dass alle nach den gleichen Regeln des Marktes agieren, trägt der Bologna-Prozess mit der Etablierung gestufter, vergleichbarer, mit einem Leistungspunktsystem ausgestatteter, akkreditierter und berufsbefähigender Studiengänge genau dazu bei.
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3.3
Paradigmen des Bologna-Prozesses
Die Bologna-Inventur macht deutlich, dass die auf europäischer Ebene dominierenden Argumentationsmuster zur Wissensgesellschaft und der OutputOrientierung in Deutschland ebenfalls präsent sind. Angesichts des großen Einflusses auf supranationaler Ebene durch die EU und der Relevanz internationaler und transnationaler Akteure (BFUG, OECD, EUA etc.) auf die nationale Bildungspolitik trägt der Bologna-Prozess dazu bei, diese Argumentationsmuster in alle Bologna-Mitgliedsländer (und sogar in andere Teile der Welt) zu tragen und zu verbreiten. Interessant ist, dass gleichzeitig mit dieser Diffusion isomorpher Strukturen im Bildungsbereich der Erhalt von regionalen oder nationalen Besonderheiten verbunden bleibt und die Souveränität der Nationalstaaten (bzw. der Kulturhoheit der deutschen Bundesländer) betont wird. Meyer und Ramirez (2007, S. 295), die das Phänomen der weltweiten Ausbreitung von relativ einheitlichen Bildungsmodellen und Lernkonzepten untersucht haben, betonen, dass innerhalb der angepassten Formen viel Raum für Diversität bleibt. Durch diese Doppelstrategie wird einerseits das Individuelle anerkannt und andererseits nahegelegt, die andernorts als erfolgreich wahrgenommenen Vorgehensweisen zu kopieren und ebenfalls vor Ort anzuwenden. Insbesondere durch die Globalisierung der Scientific Community in den Erziehungswissenschaften und der Hochschulforschung mit ihren spezifischen Theorien und auch Ideologien sowie durch das Entstehen und Erstarken weltweit agierender Organisationen, die entsprechende Konzepte und Modelle ‚guter‘ Bildungssysteme in die Nationalstaaten tragen, nimmt der Druck zur Anpassung und Vereinheitlichung im Bildungswesen deutlich zu (vgl. Meyer/Ramirez 2007, S. 296). So kann das Argumentationsmuster der Wissensgesellschaft – mit dem Fortschritt, Zukunfts- und Innovationsfähigkeit suggeriert werden – zumindest in allen Industrienationen als geläufig gelten. Die Output-Orientierung wiederum ist nicht nur im Zusammenhang mit der Hochschulreform bekannt, sondern gegenwärtig als Denklinie quer durch das gesamte Bildungswesen und darüber hinaus anzutreffen. Die Argumentationsmuster diffundieren also einerseits räumlich und greifen andererseits fachlich auf andere Bereiche bzw. Themenfelder über. Dieses Phänomen wird hier begrifflich als Paradigma gefasst, mit dem ein allgemeiner Konsens über Annahmen, Wissen, Werte, Überzeugungen usw. gemeint ist, um bestimmte Probleme zu identifizieren und unterschiedliche Fragestellungen mit ähnlichen Lösungsstrategien anzugehen. Anders gesagt:
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Ein Paradigma ist ein vorherrschendes Denkmuster in einer bestimmten Zeit, das von bestimmten Akteuren geteilt und getragen wird. Wird ein solches Denkmuster durch ein anderes ersetzt (z. B. weil angesichts veränderter Probleme oder in Folge einer Krise nach neuen Denkwegen gesucht wird), spricht man von einem Paradigmawechsel. Geprägt hat diesen Begriff Thomas S. Kuhn (allerdings spezifisch im Kontext wissenschaftlicher Revolutionen). Er beschreibt sehr anschaulich, dass ein Paradigmawechsel dazu führt, die Welt anders zu sehen: „Unter der Führung eines neuen Paradigmas verwenden die Wissenschaftler neue Apparate und sehen sich nach neuen Dingen um. [. . .] Es ist fast, als wäre die Fachgemeinschaft plötzlich auf einen anderen Planeten versetzt worden, wo vertraute Gegenstände in einem neuen Licht erscheinen und auch unbekannte sich hinzugesellen“ (Kuhn 1976, S. 123).
Scheuerl (1995, S. 117) weist darauf hin, dass ein Kuhn’sches Paradigma als grundlegendes und innovatives Theoriegebäude zu verstehen sei, von dem eine Gruppe von Anhängern angezogen wird. Gleichzeitig müsse das Paradigma offen sein, damit es von der neuen Fachgemeinschaft als Antwort auf „alle möglichen ungelösten Probleme“ (ebd.) eingesetzt werden könne. Welche Akteure bilden diese Gemeinschaft im Kontext des Bologna-Prozesses? Im Unterschied zur Kuhn‘schen Konzeption, in der die Gruppe der Wissenschaftler über Wahrnehmung und wissenschaftliche Wahrheit entscheidet, ist eine „Fachgemeinschaft Bologna“ komplexer zusammengesetzt, da staatliche und nicht-staatliche Akteure aus unterschiedlichen Disziplinen und Politikebenen sowie Agenten verschiedener Organisationen beteiligt sind. Die Grenzen der Zugehörigkeit zur Akteursgruppe verlaufen nicht strikt, sondern eher graduell. Im Zentrum der Gruppe wiederum bündeln sich politische Macht und wissenschaftliche Kompetenz – zwei entscheidende Größen, die einem Paradigma Relevanz verleihen können. Zum Kern der deutschen Bologna-Fachgemeinschaft sind die Akteure zu zählen, die in Abschnitt 3.2.1 bereits angesprochen wurden, insbesondere die KMK und die HRK. Darüber hinaus nehmen durch fachwissenschaftliche Expertise Vertreter aus den Disziplinen Hochschulforschung, Bildungsökonomie, Pädagogik etc. Einfluss. Die deutsche Akteursgruppe unterscheidet sich damit von den Trägern des Bologna-Prozesses auf europäischer Ebene, in der die supranationalen und transnationalen Akteure dominieren. Akteure und Paradigmen bedingen sich jeweils wechselseitig: Während beispielsweise die Meinung renommierter Bildungsökonomen relevant für ein Paradigma werden kann, ist andererseits ein Paradigma auch stilgebend
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für wissenschaftliche Forschungsansätze und erst recht für die Politik. Charakteristisch für ein Paradigma ist ferner, dass die zentralen Begriffe nicht scharf definiert sind. Nach einer anfänglichen Phase der Definitionsversuche während der Etablierung eines Paradigmas werden exakte Definitionen zunehmend überflüssig (man denke z. B. an den Kompetenzbegriff). Denn nur der selbstverständliche Gebrauch der zentralen Begriffe weist eine Akteurin als souveränes Mitglied der Fachgruppe aus (vgl. Senge/Hellmann 2006, S. 26). Im Folgenden soll gezeigt werden, dass es sich bei den Argumentationssträngen zur Wissensgesellschaft und der Output-Orientierung nicht nur um vergleichsweise begrenzte Diskurse einer kleinen, europäisch orientierten Akteursgruppe handelt, sondern dass sich diese Argumentationsmuster zu Paradigmen entwickelt haben, deren Gültigkeit innerhalb des BolognaRahmens unbestritten ist, aber auch weit darüber hinaus reicht. Dazu werden die Denkschemata daraufhin untersucht, wie sie jeweils zeitlich zu verorten sind, bei welchen Problemen und Handlungsfeldern sie angewendet werden und welche Funktionen sie dabei übernehmen. Wenn Paradigmen ausdrücken, wie Diskurse ‚funktionieren‘, ist das Ergebnis dieser Analyse eine Lesart für das Zustandekommen des Bologna-Reformpakets zwischen Problematik, Programmatik, Implementierung und Evaluation der Maßnahmen. 3.3.1
Wissensgesellschaft
Wie auch auf europäischer Ebene beruhen viele Argumentationen über Reformprozesse in Deutschland auf der Annahme, dass gegenwärtig der Wandel zur Wissensgesellschaft in vollem Gange ist. Der Begriff der Wissensgesellschaft wurde zwar schon in den 1960er Jahren eingeführt (vgl. Lane 1966, S. 650 ff.), entfaltete seine zentrale Bedeutung allerdings erst mit der Etablierung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und dem Ausbau von Arbeitsmärkten in diesen Bereichen. Bis heute ist der Begriff der Wissensgesellschaft nicht klar definiert, sondern umfasst ein Sammelsurium verschiedener Bedeutungen und Assoziationen (vgl. Leidhold 2001; Lischka et al. 2006, S. 12 ff.; Eckl 2004, S. 15–29). Bittlingmayer (2005, S. 73) stellt heraus, dass Wissensgesellschaften als „modernste Form kapitalistischer Gesellschaften“ gelten. So werde suggeriert, dass es ratsam sei, sich möglichst zu dieser Gesellschaftsform weiterzuentwickeln, um gesellschaftlichen Wohlstand zu erreichen oder zu sichern. Außerdem werden Assoziationen geknüpft, die „Hoffnungen auf ein wirtschaftlich prosperie-
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rendes, sozial ausgeglichenes und friedliches Europa für alle Mitgliedsstaaten“ (ebd.) und ihre Bürger wecken. Die Wissensgesellschaft wird also als Gesellschaftsmodell verstanden, das am ehesten in der Lage ist, für alle Menschen eine positive Zukunft zu ermöglichen. Dies hängt mit der besonderen Eigenschaft von Wissen als Kapital zusammen, das (im Gegensatz zu Ressourcen, die verbraucht werden) unbegrenzt wachsen kann. Ein wichtiger Unterschied gegenüber vorherigen Denkmustern ist, dass Wissen zum zentralen Wirtschaftsfaktor erhoben und dementsprechend (statt einer zyklischen Nachfrage) nun eine möglichst große und immer weiter wachsende Zahl von Akademikern erwünscht wird (vgl. Herrlitz et al. 1993, S. 220). Der Paradigmawechsel besteht also darin, dass in der Wissensgesellschaft die Annahme einer „nicht überschreitbaren Summenkonstanz jede Plausibilität verloren“ (Pechar 2006, S. 24 f.) hat. Die wichtigste Herausforderung besteht folglich darin, für Menschen Lernumgebungen zu arrangieren, in denen sie sich bilden können, um innerhalb der Wissensgesellschaft leben und mit Wissen arbeiten zu können. Dabei kommt insbesondere den Hochschulen die Funktion zu, die Ausbildung in den wissensbasierten Arbeitsfeldern sicherzustellen, die weit über die Hochschulen hinausreichen. Das Paradigma der Wissensgesellschaft ermöglicht es allgemein, gesellschaftliche Veränderungen direkt auf das Bildungssystem zu übertragen, um dort Umbildungsmaßnahmen zu rechtfertigen (vgl. Wiesner/Wolter 2005, S. 31), weil das Bildungssystem gewissermaßen als Keimzelle für eine prosperierende Wissensgesellschaft angesehen wird. Diesen großen Hoffnungen entspricht, wie bereits angemerkt, kein konsistentes theoretisches Modell – muss es auch nicht, denn es kommt eher auf den selbstverständlichen Gebrauch der Begriffe an. Wiesner und Wolter (2005, S. 35) gehen davon aus, dass es sich bei der Wissensgesellschaft letztlich nur um einen „Typus des sozialen Wandels“ handele, bei dem Wissen zum zentralen „wirtschaftlichen Wachstums- und Produktivitätsfaktor“ erhoben und gleichzeitig als gesellschaftlich und persönlich bedeutsam wahrgenommen werde. Sie weisen darauf hin, dass Wissen in dieser Vorstellung mehr sei als nur isolierte Informationen, neue Medien, Datensammlungen oder Schulwissen. Vielmehr gehe es (über inhaltliches Grundwissen hinaus) primär um „komplexere kognitive Operationen, individuelle Strategien der Informationsverarbeitung und -nutzung, so dass sich Wissen und anspruchsvollere analytische Kompetenzen begrifflich nicht mehr unterscheiden lassen.“ (Wiesner/Wolter 2005, S. 33) Welche Konsequenzen hat es, wenn Wissen als Wirtschafts- und Wohlstandsfaktor immer wichtiger wird und die Teilhabe an sowie das Verständ-
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nis von Wissensprozessen anspruchsvoller? Es besteht die Gefahr, dass sich die Gesellschaft in zwei Gruppen spaltet, nämlich in diejenigen, die an der Wissensgesellschaft teilhaben, und diejenigen, die das nicht können oder wollen (vgl. Dewe/Weber 2007, S. 9). Die Wissensgesellschaft beinhaltet aber auch die Vorstellung oder Hoffnung auf eine positive Zukunft für alle. Mit dieser Hoffnung wird die Aufgabe verbunden, von politischer Seite der befürchteten gesellschaftlichen Spaltung entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund werden die Aktionslinien der Anerkennung/Anrechnung, der Konzeption der Qualifikationsrahmen und die Diskussion um das Lebenslange Lernen (im weiteren Sinne der Lifelong Education) verständlich. Der Wandel zur Wissensgesellschaft wird gleichzeitig als unausweichlich gesehen und als richtig eingeschätzt, um eine dynamische Entwicklung des Wirtschaftsraums Europa zu unterstützen (vgl. die Zielsetzungen des Lissabonner Prozesses in Abschnitt 2.3.1). Der Raum für aktive politische Gestaltungen und Aushandlungsprozesse scheint dabei allerdings ständig zu schrumpfen. Denn diese werden oft als antiquiert oder zeitaufwendig wahrgenommen und deshalb zusehends aufgegeben. Ein Beispiel ist die Einführung einer stark hierarchisch gegliederten Struktur in der Hochschulorganisation: Während die Kompetenzen von Hochschulleitung, Dekanaten und externen Kontrollgremien (wie dem Hochschulrat) erhöht werden, um schnelles und effizientes Handeln zu ermöglichen, schwindet der Einfluss der nach Gruppen gewählten Gremien (wie des Senats oder Fachbereichsrats). Aufgrund der wahrgenommenen ständigen Beschleunigung der Wissensproduktion und des gleichzeitigen -verfalls wird suggeriert, dass eine politische Gestaltung der Gesellschaft kaum noch möglich und daher durch ein flexibles Management zu substituieren wäre (vgl. Bittlingmayer 2007, S. 15). Besonders deutlich zeigt sich dies an der Privatisierung von Bildung und Wissen, die seit einigen Jahren nicht nur in Deutschland, sondern weltweit forciert wird (vgl. Lischka et al. 2006, S. 20). Dabei werden Bildungsangebote als Dienstleistungen gedacht, die kommerziell nutzbar sind. Das wohl bekannteste Beispiel dafür ist das GATS (General Agreement on Trade in Services): Dieses Vertragswerk der Welthandelsorganisation (WTO) zielt auf eine Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes und umfasst auch den Bildungssektor, wovon in erster Linie private Anbieter von Bildungsangeboten profitieren (vgl. Kopp 2003; Scherrer 2008). Ein weiteres Vertragswerk der WTO, das TRIPS (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) führt dazu, dass der Zugang zu Wissen eingeschränkt wird, um es ebenfalls vermarkten zu können.30 Dies führt zu dem grundsätzlichen 30
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Die Verträge GATS und TRIPS finden sich im Internet auf den Seiten der Welthan-
Problem, dass der Zugang zu Bildungseinrichtungen und Wissensbeständen stärker als bereits jetzt vom Geldbeutel der nachfragenden Personen abhängen wird, da die Kosten zunehmend ins Private verlagert werden. In der Konsequenz könnte eine weitere Verstärkung sozialer Ungleichheiten erfolgen, die zu einer Destabilisierung der Gesellschaft führt (vgl. Lischka et al. 2006, S. 17). Von politischer Seite sind Interventionen nicht zu beobachten, die dieser Gefahr entgegensteuern könnten. Wolter (2006, S. 307) bemerkt zu Recht, dass selbst die Forderung der zweiten Bologna-Konferenz in Prag, Bildung als öffentliches Gut zu erhalten (Prager Kommuniqué, S. 292), nicht mehr sei als eine „rhetorische Wendung, die sehr unterschiedliche Auslegungen [zulasse] und bislang keinen der Bologna-Signaturstaaten an der Einführung von Studiengebühren (wie z. B. in England und Österreich) oder anderweitigen Formen der Privatisierung der Hochschulbildung gehindert“ habe. Dass in diesem Punkt politisch kaum eingegriffen wird und auch keine relevanten Maßnahmen zu erwarten sind, kann wieder mit dem Paradigma erklärt werden, mit dem suggeriert wird, dass es keine Alternative zur Wissensgesellschaft gebe. Diese vermeintliche Alternativlosigkeit bezeichnet Bittlingmayer (2007, S. 17) ironisierend als „Märchen [. . .] von den geschwundenen politischen Gestaltungsräumen.“ Dieser Ausdruck trifft das Phänomen in seinem Kern: Mit dem Paradigma der Wissensgesellschaft wird es möglich, politische Entscheidungen im Bildungswesen durchzusetzen und gleichzeitig zu suggerieren, dass dies keine Entscheidung der Politik, sondern ein Sachzwang sei. Bei der Analyse der Bologna-Aktionslinien ist jedoch durchaus deutlich geworden, dass in jeder Phase politische Gestaltungsräume vorhanden sind und Entscheidungen getroffen wurden, die auch anders hätten ausfallen können. 3.3.2
Output-Orientierung
Output-Orientierung ist eine Strategie, die derzeit in allen Bereichen des Bildungswesens zu finden ist. Sie bedeutet das Evaluieren von Ergebnissen zum Zweck der Optimierung organisatorischer Abläufe, eingesetzter Methoden und verwendeter Ressourcen (vgl. Leschinsky/Cortina 2005, S. 46 ff.). Dazu gehören im Bologna-Reformpaket der Vergleich von Lernergebnissen statt Lernwegen durch Qualifikationsrahmen und die Einführung des ECTS delsorganisation unter: http://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/26-gats.pdf und http://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/27-trips.pdf
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sowie die Qualitätssicherung durch die Etablierung und Gewährleistung von fachlichen Standards. Auch die Absicht, die Studierendenquote zu erhöhen und die Studienabbruchquote zu verringern, ist zunächst eine Frage des Outputs, während die Inputs in den Hintergrund treten. Da die Wirksamkeit politischen Handelns an den Ergebnissen gemessen wird, liegt es nahe, dass Outputs für die Bildungspolitik durchgängig sehr wichtig sind. Denn aus ihnen schöpft die Bildungspolitik einen Legitimationsgewinn in der Öffentlichkeit (vgl. Tillmann 2006, S. 20). Durch das Formulieren von Leistungsanforderungen und deren Überprüfung wird die Output-Orientierung von oben nach unten (top down) weitergegeben. Allerdings gerät dabei leicht in Vergessenheit, dass die OutputOrientierung als Hilfestellung zu einer Flexibilisierung der Wege (bottom up) gemeint ist, um also unterschiedliche Voraussetzungen der Akteure zu berücksichtigen und ihnen Gestaltungsspielraum zu geben, damit sie ihre Möglichkeiten optimal nutzen können. Damit wird auf die zentrale Chance der Output-Orientierung verwiesen, mit selbstverantworteten Konzepten neue Wege zu beschreiten und Reformarbeit zu leisten. Ohne die Methode der Output-Orientierung wären beispielsweise die Anrechnung von informell und non-formal erworbenen Kompetenzen, aber auch die Konzeption von Qualifikationsrahmen nicht denkbar. Sie muss daher als Beitrag zu einer Rationalisierung der Anforderungen gesehen werden, indem individueller Bildungsweg und Qualifikationsprofil einer Person entkoppelt werden können: Output-Orientierung verlangt als entscheidendes Kriterium, was eine Person weiß und kann; Informationen darüber, ob diese Person ihre Kompetenzen an einem Gymnasium oder einer Fachoberschule, an einer Eliteuniversität oder einer Provinzfachhochschule erworben hat, spielen in diesem Zusammenhang erst einmal keine Rolle. Der Begriff der Output-Orientierung entstammt ursprünglich nicht einer pädagogischen, sondern einer ökonomisch-geprägten Denkweise. OutputOrientierung lasse sich, so Klieme et al. (2003, S. 12), „zwanglos mit einem gewandelten Verständnis staatlicher Steuerung verbinden, wie es auch in anderen Bereichen der Gesellschaft zu beobachten“ sei. Daher erklärt sich, warum oft auch finanzielle Anreize gesetzt werden, um bestimmte Outputs zu erreichen. Ein Beispiel dafür ist die „Leistungsorientierte Mittelvergabe“ an vielen Hochschulen. Im Kontext der Bildungsreform ist generell auf das NPM zu verweisen, bei dem ebenfalls der Fokus auf Outputs gelegt wird, die mit der Einführung von wettbewerblichen Strukturen optimiert werden sollen. Der wichtige Aspekt des Wettbewerbs innerhalb der Output-Orientierung beruht auf der Annahme, dass insgesamt bessere Leistungen erzielt
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werden, sobald wettbewerbliche Strukturen in einem Feld etabliert sind. Die Logik des Wettbewerbs impliziert jedoch gleichzeitig, dass die Outputs nicht von allen gleichermaßen gut erreicht werden, sondern dass es immer bessere und schlechtere Ergebnisse gibt. Ausstehende Effizienzbelege in einigen Bereichen des Bildungssystems lassen erahnen, dass die Einführung der Wettbewerbsstrukturen allein weder eine allgemeine Verbesserung noch die Generallösung für alle möglichen Probleme bedeuten kann. Weiß (2003) beispielsweise gibt zu Bedenken, dass die Einführung von „Quasi-Märkten“ im Schulwesen dazu geführt habe, bestehende Leistungsdisparitäten und Chancenungleichheit durch das Erzeugen von Gewinnern und Verlierern des Systems tendenziell noch zu vergrößern. Gleichzeitig bestätigt er aber auch die Existenz des OutputParadigmas, indem er folgert, dass eine „grundsätzliche Abkehr von diesem Steuerungsregime schon wegen seiner Bedeutung für die Legitimationssicherung des politischen Systems wenig wahrscheinlich“ sei, solange „die Modernität signalisierende Adaption von Steuerungsstrukturen aus der privaten Wirtschaft ihre suggestive Wirkung behält“ (Weiß 2003, S. 119). Anders als beim Paradigma der Wissensgesellschaft, bei dem ein grundlegender Konsens auszumachen ist, dass Wissensgesellschaft auf jeden Fall ‚passiert‘ und strittig nur Fragen nach Konsequenzen und Möglichkeiten sind, hat sich in Reaktion auf die Fokussierung von Outputs eine Gegenbewegung herausgebildet, die grundsätzlich den Sinn und Zweck der OutputOrientierung im Bildungswesen bezweifelt. Die Kritik kann mit den Thesen skizziert werden, dass Bildung durch Output-Orientierung auf abprüfbares Wissen reduziert, statt individueller Förderung und einer schülerorientierten Pädagogik nur das Messen und Vergleichen von Lernleistungen betrieben und Wettkampf statt Solidarität eingeübt werde (vgl. statt vieler Groeben 2005). Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Output-Orientierung seit etwa einem Jahrzehnt in der deutschen erziehungswissenschaftlichen Diskussion, vor allem aber auch in der Bildungspolitik als Weg aus der Krise gilt, die durch das schlechte Abschneiden der deutschen Schüler in den internationalen Schülerleistungsvergleichsstudien ausgelöst wurde. So resümieren beispielsweise Klieme et al. (2003, S. 11 f.), dass TIMSS und PISA eine „grundsätzliche Wende“ für die Bildungspolitik und -verwaltung in Deutschland eingeleitet haben, und Baumert (2007, S. 358) spricht von „Meilensteine[n] auf dem Wege zur Herstellung von Leistungstransparenz im Bildungswesen.“ Statt einer Input-Steuerung durch eine kameralistische Haushaltsführung, Lehrpläne, Rahmenrichtlinien etc. wird nun gefordert,
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dass die Bildungsorganisation an ihren Ergebnissen (den vergebenen Zertifikaten) orientiert werden sollte, die auf einer Prüfung von Kompetenzen beruhen. Es können aber auch bestimmte Einstellungen und Werthaltungen als Outputs definiert werden, die zu den Persönlichkeitsmerkmalen der Lerner gehören (z. B. die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen). Klieme (2005, S. 6) weist darauf hin, dass der Ursprung der Output-Orientierung im Schulkontext in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu verorten ist, als in England die Finanzierung von Elementarschulen vom Erfolg der Schüler im Lesen, Schreiben und Rechnen abhängig gemacht wurde. Langfristig konnte dieses Gesetz allerdings nicht durchgesetzt werden. Erst während der Thatcher-Regierung in den 1980er Jahren wurde die Idee der OutputOrientierung im englischen Bildungswesen wieder aufgenommen und ein „Office for Standards in Education“ eingerichtet, das zum Ziel hatte, transparente Lernstandards zu formulieren und deren Erreichen zu überprüfen. Parallel entwickelten sich auch in anderen Staaten output-orientierte Leistungsmessungsverfahren. In Deutschland hingegen setzte man stattdessen weiter auf eine input-orientierte Steuerung, da die in den 1970er Jahren gefassten Hoffnungen an die Planbarkeit des Bildungswesens, das mit Hilfe der Bildungsforschung reformiert werden sollte, weitgehend als enttäuscht galten (vgl. Zedler 1985, S. 520). Mit dem ‚PISA-Schock‘ setzte sich dann in der öffentlichen Diskussion die Überzeugung durch, dass die internationalen Vergleichsstudien die bisherigen Annahmen über die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungssystems als bloßen Schein entlarvt hatten – insofern hat hier ein Paradigmawechsel stattgefunden. Dies belegen beispielsweise Klieme et al. (2003, S. 11) mit ihrer These, dass die output-orientierten Studien „nach fast 20 Jahren erstmals die Realität der Schulen analysiert“ haben.31 Output-Orientierung sichert nun eine größere Klarheit in Bezug auf die intendierten Ziele zu und soll Gewissheit darüber schaffen, ob diese Ziele auch erreicht werden. Im Bereich der allgemeinbildenden Schulen meint Output-Orientierung primär den Vergleich von Schülerleistungen, von denen wiederum auf verschiedene Aspekte des Schulsystems (Schulform, Klassengröße, Lehrerhandeln etc) zurückgeschlossen wird. Ein Beispiel ist die Einführung von „Bil31
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Holzapfel (2003, S. 170) weist zu Recht darauf hin, dass es internationale Vergleichsuntersuchungen, „die Deutschland sowohl eine hohe soziale Selektivität als auch ein schlechtes Leistungsniveau nachwiesen“, bereits in den siebziger Jahren gegeben habe. „Sie blieben wirkungslos“, so Holzapfel weiter, „weil sie auf ein Bewusstsein trafen, dass sich auch durch Empirie nicht seine Überzeugung von der Überlegenheit der deutschen Schule nehmen lassen wollte.“ Im alten Paradigma sind diese Ergebnisse also letztlich nicht wahrgenommen worden.
dungsstandards“ als standardisierte Tests für das vierte, neunte und zehnte Schuljahr sowie für das Abitur, die vom neu eingerichteten Institut zur Qualitätsentwicklung an der Humboldt-Universität zu Berlin (kurz: IQB) entwickelt werden.32 Die Qualitätssicherung auf der Grundlage dieser Standards gehört daher nicht zufällig zu den Maßnahmen, die die KMK als unmittelbare Reaktion auf die PISA-Ergebnisse beschlossen hatte (vgl. Tillmann 2006, S. 18 f.). Diese Tests sollen Aufschluss darüber geben, ob bestimmte Kompetenzniveaus in verschiedenen Schulfächern erreicht werden, die vorher möglichst exakt bestimmt wurden. Im Hochschulbereich geht es um ähnliches, wenn versucht wird, durch die Qualifikationsrahmen und die Akkreditierung Standards zu definieren und darauf aufbauend ein Kompetenzmodell zu etablieren, um Lernergebnisse erheben und vergleichen zu können (vgl. die Abschnitte 2.3.2 und 3.2.2). Sind mit Outputs also explizit Lernleistungen gemeint, dann geht es immer auch um Standards, Kompetenzmodelle und Testverfahren: Standards bezeichnen Bildungsziele, es handelt sich also um normative Setzungen. Sie können fachlich (z. B. im Tuning-Projekt) oder nicht-fachlich (wie in den Qualifikationsrahmen) abgefasst werden. Dabei bedarf es zunächst grundsätzlicher Überlegungen, welche Ziele überhaupt adäquat als Standards definiert werden können und welche nicht. Denn viele Bildungsziele entziehen sich einer Output-Messung (z. B. „Allgemeinbildung“ oder „Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung“), da sie nicht operationalisierbar sind. Standards allerdings müssen so formuliert werden können, dass sie angemessen überprüfbar sind, weil andernfalls die Output-Orientierung keinen Sinn ergibt. Eine Operationalisierung wird in der Regel durch eine Zerlegung der Standards in einzelne Kompetenzen erreicht. Dies dient dazu, möglichst genau anzugeben, was jemand wissen, verstehen und können soll. Dabei wird ein Stufenmodell zu Grunde gelegt, um graduell messen zu können, wie stark die jeweilige Kompetenz ausgeprägt ist. Problematisch ist, dass der Kompetenzbegriff uneinheitlich verwendet wird, was darauf zurückzuführen ist, dass es zwar keine präzise Definition, aber einen sprunghaft gestiegenen Gebrauch des Wortes in der öffentlichen Diskussion gibt (vgl. Weinert 2001) – ein Zeichen für die Ausbreitung des neuen Paradigmas. In etwa wird unter diesem Begriff ein System von Fähigkeiten, Kenntnissen und Fertigkeiten verstanden, die notwendig oder zumindest hinreichend 32
Mehr dazu im Internet beim IQB unter: http://www.iqb.hu-berlin.de und bei der KMK (2005d). Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards vgl. Klieme et al. (2003).
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sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Weinert (2001a, S. 21 f.) definiert Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ Diese Definition Weinerts ist in der Bildungsforschung von vielen übernommen worden und stellt damit eine praktikable Verwendungsweise des Kompetenzbegriffs dar. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit Kompetenz in den vermeintlich souveränen Diskussionen politischer und fachwissenschaftlicher Akteure alles und nichts gemeint sein kann. Wichtig ist jedoch, dass mit Kompetenz nicht nur auf Wissen rekurriert wird, „sondern auch konzeptuelles Verständnis und praktische Anwendung“ (Baumert 2007, S. 359) berücksichtigt werden. Das (graduelle) Vorhandensein von Kompetenzen wird in einem letzten Schritt (durch größtenteils aufwendige Verfahren) getestet – schließlich sollen die tatsächlichen Outputs als deutliche Ergebnisse zu erkennen sein. In diesem Zusammenhang erklärt sich die wachsende Zahl der Prüfungen und empirischen Vergleichsstudien sowie die große Bedeutung, die ihnen gegenwärtig zugestanden wird. Teilweise gilt der Einsatz von Kontrollen im NPM selbst schon als Steuerungselement. Dies ist allerdings umstritten. Während beispielsweise Bellmann (2006, S. 499) davon ausgeht, dass eine Lenkungswirkung schon durch die Tatsache erreicht werden könne, „dass flächendeckende Qualitätskontrollen durchgeführt werden“, lässt sich die Kritik an diesem Vorgehen mit der Bauernregel summieren, dass ‚durch das Wiegen allein das Schwein nicht fetter‘ (vgl. Heinemann 2000) werde. Letztlich muss jedoch für eine Zertifizierung von Kompetenzen aus rechtlicher Sicht ein Nachweis über deren Existenz (i. d. R. durch eine Prüfung) erbracht werden (vgl. EU-Kommission 2008, S. 11). Zusammengefasst: Die Grundidee der Output-Orientierung beim Vergleich von Lernleistungen ist zunächst das Formulieren klarer und erreichbarer Ziele. Output-orientierte Standards können so einen Fortschritt zu (teilweise überhöhten) Vorgaben darstellen, deren Wirksamkeit in der Vergangenheit oft ungewiss geblieben ist.33 Als Outputs können nur Elemente bestimmt 33
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So haben Vollstädt et al. (1999) nachgewiesen, dass sich in der Schulpraxis kaum jemand an Lehrplänen (Inputs) orientiert. Ähnliche Ergebnisse gäbe es vermutlich auch, wenn Studienordnungen auf ihre Relevanz für die Lehre überprüft werden würden.
werden, die adäquat als Standards mit einer Übersetzung in gestufte Kompetenzmodelle formuliert sind. In diesen Fällen dient die Output-Orientierung der Herstellung und Gewährleistung von Vergleichbarkeit, die als Voraussetzung dafür zu sehen ist, unterschiedliche Wege leichter anzuerkennen. Das Ziel der besseren Anerkennung von Unterschieden steht in einer gewissen Spannung zum ebenfalls als Element der Output-Orientierung ausgemachten Aspekt des Wettbewerbs. Denn die Etablierung wettbewerblicher Strukturen kann sowohl zu einer Verschärfung von Ungleichheiten führen als auch zum Weg für eine Neuverteilung von Chancen werden. Es ist davon auszugehen, dass tendenziell Ungleichheiten dann verstärkt werden, wenn ausschließlich Wettbewerbselemente eingeführt werden, ohne dass von politischer Seite Maßnahmen ergriffen werden, um die gerade durch die OutputMessung ggf. festgestellten Disparitäten zu bewältigen. Wirft man einen Blick auf die Bologna-Ziele hinsichtlich ihres Operationalisierungs- und Umsetzungsgrads, erkennt man deutliche Zusammenhänge: Die Vorgabe zur flächendeckenden Einführung gestufter Studiengänge bis zum Jahr 2010 ist nicht nur gut messbar, sie wird im Wesentlichen auch erreicht. Das Erheben der Daten zu den Lebens- und Studienbedingungen der Studierenden im Rahmen der Sozialen Dimension muss als Voraussetzung dafür verstanden werden, um die Forderung nach einer Verringerung von sozialen Ungleichheiten angehen zu können. Die Zahlen zur studentischen Mobilität, aber auch zum Studienabbruch zeigen bereits jetzt schon Handlungsbedarf und auch die Notwendigkeit von Korrekturen im bisherigen Vorgehen an. Fehlten solche output-orientierten Standards, bliebe es ungewiss, ob eine Aktionslinie Veränderungen bewirken wird und wenn ja, wie diese zu bewerten sind (z. B. bei der Förderung des Lebenslangen Lernens oder bei der europäischen Dimension). So überzeugend und zweckdienlich sich das Messen von Outputs in Bezug auf die Förderung von wirksamen Reformen und erwartete Effizienzgewinne gezeigt hat, bleibt einzuschränken, dass die Output-Orientierung, wenn sie alle Bereiche erfasst, in diesem Sinn also als Paradigma begriffen wird, keinen Raum mehr für das lässt, was nicht standardisiert gemessen werden kann. So erscheinen Ziele, die nicht operationalisiert werden können, als vage, überhöht oder rhetorisch – jedenfalls als nicht steuerbar, nicht kontrollierbar und damit nicht erreichbar. Diese scheinbar konsequente Auffassung würde den Gestaltungsspielraum von Bildungsreformen deutlich einschränken. Die Frage ist also, ob durch das Output-Paradigma nicht etwas Wesentliches verloren geht, wenn implizit ein Verzicht auf Utopien oder Bildungsideale nahegelegt wird, die sich einer Output-Messung entziehen.
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3.4
Resümee
In zwei Schritten wurden Funktionsweise, Akteure, Motive, Ziele sowie Probleme betrachtet, die das Projekt zur Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums bestimmen. Dabei ging es darum, die politischen Entscheidungen zu verstehen und deren Implementierung im Hochschulbereich zu verfolgen. Im ersten Schritt (Kapitel 2) hat die Analyse des Bologna-Prozesses auf europäischer Ebene ergeben, dass sich – beflügelt vom Erfolg der ersten Konferenzen durch attraktive und ambitionierte gemeinsame Ziele und eine ständig wachsende Mitgliederzahl – das Bologna-Programm dynamisch weiterentwickelt hat, und dass es umfassender und gleichzeitig verbindlicher geworden ist. So fand durch die regelmäßigen Bologna-Konferenzen eine Optimierung der Strategien und eine Konkretisierung der Ziele statt. Der Bologna-Prozess bildet eine funktionierende Struktur, mit der europäische Bildungs- und Wirtschaftspolitik betrieben wird. Im zweiten Schritt (Kapitel 3) wurde die Bedeutung des Bologna-Prozesses für Deutschland erörtert. Dabei hat sich gezeigt, dass das Agenda Setting genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgte: Die Probleme des deutschen Hochschulwesens waren längst identifiziert, es fehlten allerdings überzeugende Beweggründe und die Festlegung der politischen Akteure auf ein tragfähiges gemeinsames Programm. Diesem standen einerseits das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern, andererseits auch der Bundesländerregierungen untereinander entgegen. Durch den Föderalismus werden übergreifende Reformen tendenziell verhindert, weil dieses Feld zur parteipolitischen Profilbildung genutzt wird (vgl. Fuchs 2004, S. 394 ff.). Grundsätzlich bemerkt Benz (2004a, S. 128), dass kooperierende Akteure zwar „unter normalen Bedingungen in der Lage sind, sich zu einigen, allerdings nicht auf eine innovative, Strukturen verändernde“ Politik. Das breite europäische Bündnis der Bologna-Mitgliedsstaaten und das als überzeugende Programm für einen Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum bildete in Deutschland den Rahmen, um die als notwendig erkannten Reformen anzugehen. Unterstützt vom BMBF und die im Hochschulwesen einflussreiche HRK erwies sich die KMK als handlungsfähig und in den Hochschulen waren sehr schnell deutliche Veränderungen festzustellen. Anhand einer Gegenüberstellung der bildungspolitischen Programmatik und den ersten wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Umsetzung konnte dabei gezeigt werden, dass sich die großen Erwartungen, aber auch Befürchtungen bis dato nur teilweise erfüllt haben. Unklar ist, ob Anfangsschwierigkeiten zukünftig gelöst
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oder ob diese sich zu beständigen Problemen ausweiten werden. Der Blick auf Einstellungen und Überzeugungen, Problembewusstsein und Lösungsstrategien, die für die Wahrnehmung des Bologna-Programms konstitutiv sind, machte schließlich zwei Paradigmen sichtbar, in denen die einzelnen Maßnahmen zu verorten waren: Durch die positive Zukunftsvision einer Wissensgesellschaft werden die Bologna-Kernziele inhaltlich legitimiert und mit der ‚Generalmethode‘ der Output-Orientierung vermeintlich optimal gesteuert. Die selbstverständliche Verwendung dieser sich ergänzenden Paradigmen macht ebenfalls deutlich, dass in Deutschland ein Paradigmenwechsel stattfindet – von den zyklischen Warnungen vor zu vielen Akademikern zur unbegrenzt wachsenden Wissensgesellschaft sowie von der vorschreibenden Input- zur wettbewerblich orientierten Output-Steuerung.
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II
Der Hochschulzugang
4
Die Institution des Hochschulzugangs
Wenn sich etwas so stark verändert, wie derzeit durch den Bologna-Prozess die Hochschulen, dann hat das Konsequenzen für die benachbarten Bereiche, die durch Übergänge miteinander verbunden sind. Daher ist es nur folgerichtig, dass das Thema des Übergangs von der Hochschule in die Arbeitswelt im Bologna-Diskurs selbst sehr präsent ist, was der hohe Stellenwert der Themen „bessere Lesbarkeit“ und „Vergleichbarkeit der Abschlüsse“, die Forderungen nach Employability, die Mitarbeit von Vertretern der Arbeitgeber bei der Konzeption und Akkreditierung neuer Studiengänge etc. zeigen. Schwarz-Hahn und Rehburg (2003, S. 270 f.) haben empirisch die „Bemühungen um eine gute Anbindung an den Arbeitsmarkt“ festgestellt (vgl. auch Greisler/Hendriks 2008a, S. 11 f.). Der andere Übergang jedoch, nämlich der von der Schule in die Hochschule, wurde bis jetzt weitgehend ignoriert. Selbst die Gymnasiale Oberstufe als quantitativ und qualitativ bedeutendster Weg zum Studium wurde bislang kaum in die deutsche Bologna-Diskussion einbezogen. Der Hochschulzugang wird seit gut 220 Jahren durch die Reifeprüfung staatlich normiert und kontrolliert. Die Überlegungen in diesem Kapitel beziehen sich also auf einen beachtlich großen Zeitraum, der mit den drei Preußischen Verordnungen zur Maturitätsprüfung beginnt: 1788 wurde durch die Preußische Reifeprüfungsordnung das Abitur als Voraussetzung für den Erhalt öffentlicher Stipendien oder anderer Zuwendungen (z. B. Freitische) an den Universitäten vorgeschrieben. Dabei handelte es sich um einen Akt der „verschärften Restriktionspolitik gegen die niederen Stände“, wie Herrlitz (1973, S. 108) feststellt. Im Jahr 1812 wurde als zweiter Schritt mit dem „Edikt über die Abiturienten-Prüfungen“ für alle Studenten – gleich welcher Herkunft – die Reifeprüfung als Voraussetzung für den Abschluss des Studiums durch ein Staatsexamen verbindlich (vgl. Jeismann 1996a, S. 376 ff.); das heißt, eine spätere Tätigkeit im Staatsdienst war nur mit Maturitätsprüfung möglich. Damit wurde das Gymnasium primär durch seine studien- und wissenschaftspropädeutischen Funktionen definiert. Die bislang ebenfalls wahrgenommenen Aufgaben als Stadtschule gab das Gym-
131 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
nasium in der Folge mehr und mehr an das Bürger-, Real- und Mittelschulwesen ab (vgl. Wolter 1987, S. 253 f.). 1834 wurde dann festgelegt, dass die Maturitätsprüfung ausschließlich an Gymnasien abgelegt werden kann; für die Gymnasien bedeutete dies eine „erhebliche Steigerung ihrer Verantwortlichkeit, aber auch ihrer sozialen Bedeutung und Macht“ (Jeismann 1996b, S. 212). Das Jahr 1834 ist insofern als der Zeitpunkt zu sehen, an dem die vollständige staatliche Regulierung des Hochschulzugangs errichtet war, auch wenn von einer flächendeckenden Umsetzung erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gesprochen werden kann (vgl. Wolter 2008a, S. 82). Die gesetzlichen Hochschulzugangsbestimmungen haben sich im Einzelnen im Lauf der Geschichte mehrfach verändert, allerdings ist das zentrale Moment dieser staatlichen Kontrolle des Hochschulzugangs bis heute erhalten geblieben. Erst seit den letzten Jahren finden sich Tendenzen, die auf wichtige Veränderungen in diesem Punkt hinweisen – beeinflusst durch den Bologna-Prozess (vgl. Abschnitt 5.3). Insgesamt hat sich der Hochschulzugang in seiner traditionellen Form, über die Jahrhunderte gesehen, als erstaunlich beständig erwiesen.34 Es gibt nur sehr wenige historische Stationen, die echte Veränderungen bewirkt haben. Aber auch diese haben – rückblickend betrachtet – die traditionelle Beziehung von Gymnasium und Universität bewahrt oder sogar gefördert. Dabei ist geschichtlich insbesondere an die formale Gleichstellung der Höheren Schulen 1900 und (in Verbindung mit der Bildungsexpansion) an die Reform der Gymnasialen Oberstufe von 1972 zu denken. In diesem Kapitel wird versucht, diese alten und stabilen Strukturen, die das soziale Regelwerk zwischen Gymnasium und Universität ausmachen, mit kurzen Blicken auf die einschlägigen historischen Stationen zu rekonstruieren. Es geht also darum, die gegenwärtigen Strukturen durch die Sicht auf die Geschichte besser zu verstehen. Neo-institutionalistischer Forschungsansatz In der neo-institutionalistischen Forschung werden Institutionen hinsichtlich ihrer kognitiven, normativen oder regulativen Strukturen untersucht (vgl. Scott 1995, S. 33 ff.), um herauszufinden, wie solche sozialen Regelwerke ‚funktionieren‘. Je nach Forschungsansatz wird üblicherweise jeweils 34
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Seit der Einführung des Abiturs sind nur zweimal die gymnasialen Strukturen und Bindungen an die Universität aufgegeben worden, nämlich während der Zeit des Nationalsozialismus sowie in der SBZ/DDR. Beide Male haben sich jedoch die alten Strukturen wiederhergestellt, durch die Restauration des Bildungswesens nach dem zweiten Weltkrieg in Westdeutschland und nach der Wende 1989 auch in Ostdeutschland.
einer dieser drei Betrachtungsweisen eine entscheidende Bedeutung zugemessen. Scott (1995, S. 145) betont, dass sich regulative, normative und kognitive Strukturen – die er als „Säulen“ (Pillars) einer Insitution bezeichnet – aber auch wechselseitig festigen und verstärken können. Der Hochschulzugang stellt m. E. deshalb eine besonders stabile und dauerhafte Institution dar, weil er fest auf allen drei Säulen steht. In der folgenden Analyse werden diese institutionellen Säulen genauer betrachtet (siehe den Überblick in Tabelle 4.1 auf S. 133): In Abschnitt 4.1 geht es zunächst mit Blick auf die kognitive Säule um das Selbstverständnis und die Selbstverständlichkeiten der Bildungsorganisationen, die den Hochschulzugang ‚tragen‘: Gymnasium und Universität. Anschließend werden in Abschnitt 4.2 die Ziele und Inhalte der „Hochschulreife“ erörtert, die die Abiturienten bzw. die Studienbewerber bei ihrem Übergang vom schulischen zum hochschulischen Bildungssektor auszeichnen soll; das ist die Trias aus „vertiefter Allgemeinbildung“, „allgemeiner Studierfähigkeit“ und „wissenschaftspropädeutischer Bildung“ (vgl. KMK 2006). Diese drei Ziele repräsentieren die normative Dimension des Hochschulzugangs. Sodann gilt der Blick in Abschnitt 4.3 der regulativen Säule, dem ‚Nadelöhr‘ des Hochschulzugangs zwischen schulischer Studienberechtigung und hochschulischer Zulassung. Tabelle 4.1: Drei Säulen der Institution Hochschulzugang Institutionelle Säule ‚tragende‘ Elemente
kognitiv
normativ
regulativ
Organisationen und Kategorien
Ziele und Erwartungen
Gesetze und Verordnungen
im Hochschulzugang repräsentiert durch
Schulform Gymnasium und Hochschulart Universität
Allgemeinbildung, Studierfähigkeit, Wissenschaftspropädeutik
Studienberechtigung (Abitur) und Hochschulzulassung
Die drei Säulen sind miteinander eng verbunden: Was im Gymnasium und der Universität gelehrt wird, ist Ausdruck einer bestimmten Wahrnehmung und eines spezifischen Verständnisses dieser Bildungseinrichtungen. Diese bilden den Rahmen für die Definition von Werten, Zielen und Inhalten. Als regulatives Element ist im Hochschulzugang das Abitur entscheidend, das gleichzeitig auch mit bestimmten Vorstellungen und Annahmen
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verbunden ist, z. B. mit der traditionell hohen gesellschaftlichen Anerkennung des Abiturs. Auch werden durch diesen Abschluss für alle Bildungsgänge, die zu den Hochschulen führen, die Standards festgelegt (vgl. Tenorth 1975, S. 31), die durch gymnasiale Bildungsvorstellungen wiederum kognitiv und normativ geprägt sind (vgl. Lüthje/Wolter 2005, S. 72). Dies betrifft nicht nur bestimmtes Wissen und Können, sondern auch die Einstellungen und Haltungen der Lehrenden und Lernenden gegenüber Wissenschaft, Leistungsorientierung, Selbstständigkeit etc. Insgesamt kommt dem eng zusammenhängenden Gefüge aus Denkmustern, Wahrnehmungen, Werten und Gesetzen eine eigene, nicht-persönliche Realität zu (vgl. Scott 1995, S. 33 f.), die ‚normalerweise‘ fortlaufend von allen Beteiligten entlang der institutionellen Säulen konstruiert und somit bestätigt wird. Auf diese Weise erhält sich die Institution gewissermaßen selbst und kann bis zu einem gewissen Grad auch Veränderungen aufnehmen. 4.1
Selbstverständlichkeiten von Gymnasium und Universität
Sowohl das Gymnasium als auch die Universität sind durch ihre Geschichte und ihre Akteure in ihrem jeweiligen Selbstverständnis bestimmt. Es ist allerdings kaum möglich, systematisch darzulegen, was genau zum facettenreichen Selbstverständnis einer Schulform und einer Hochschulart gehört, die über einen derart langen Zeitraum geprägt worden sind. Daher wird hier nur der Versuch unternommen, anhand ausgewählter Aspekte Einblicke in das Wesen des Gymnasiums und der Universität zu geben. Zu diesen Einblicken gehören die grundlegenden Ziele von Gymnasium und Universität, wichtige Entwicklungsschritte, die Betrachtung der Akteure (Lernende und Lehrende) sowie erziehungswissenschaftliche bzw. allgemeine Kritik. Der lange Schatten Humboldts Vor der Darstellung der jeweiligen Besonderheiten sei an dieser Stelle auf eine zentrale Verbundenheit hingewiesen: Beide Bildungseinrichtungen orientieren sich an einem gemeinsamen Leitbild, das mit dem Namen Wilhelm von Humboldts verknüpft ist. Weniger als historische Person, sondern vielmehr als Inbegriff für oft nicht klar definierte humanistische Grundvorstellungen („der alles überdeckende gleichförmige Brei des Humanismusgeredes“, Blättner 1960, S. 132) von Gymnasium und Universität wird er als Gewährsmann für eine Tradition verstanden, die es wahlweise zu erhalten oder neu zu beleben gelte. Historisch betrachtet ist Humboldt ein Wegbereiter für die Reform des höheren Schulwesens und der Universität in
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Preußen; seine Vorstellungen von Bildung trugen dazu bei, neue Strukturen im Bildungssystem zu etablieren. Allerdings erklärt das allein noch nicht, warum Humboldt bis heute für das Gymnasium und die Universität eine derart herausgehobene Autorität zugesprochen wird. So verleiht eine vermeintliche Übereinstimmung mit ihm einem Argument oft schon hinlängliche Evidenz. In Bezug auf die kognitive Säule der Institution ist bis heute vor allem die These Humboldts von der Trennung zwischen Allgemeinbildung und Berufsbildung wirksam: Gymnasium und Universität verstehen sich explizit als zuständig für eine „allgemeine Bildung“ bzw. eine „reine Wissenschaft“, deren Gehalt die jeweiligen Lerninhalte transzendiert, also auf einen höheren Wert verweist. Als Effekt ist eine früher strikte (derzeit sich aber tendenziell auflösende) Abgrenzung von der beruflichen Bildung zu beobachten (vgl. Blankertz 1982a, S. 324), die sich auch in Formen der Abwertung äußert, so dass berufsqualifizierende Elemente – wenn überhaupt – nur über Widerstände beider Bildungseinrichtungen35 ihren Eingang in gymnasiale und universitäre Lehr- und Studienpläne gefunden haben. Tatsächlich ist die berufliche Ausbildung zumindest als genuiner Bestandteil des universitären Studiums zu verstehen, da an den klassischen höheren Fakultäten die Ausbildung der Mediziner, Juristen und Theologen erfolgte. Schelsky (1971, S. 56) geht dennoch davon aus, dass die „Idee einer wissenschaftlichen Hochschule als Berufsausbildungsstätte [. . .] das dauerhafte Gegenbild der deutschen Universität“ darstelle. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass bei allem Rufen nach zweckfreier Allgemeinbildung von jeher der Weg über das Gymnasium und die Universität in lukrative Berufe führte und bis heute führt. Bultmann (2007, S. 24 f.) bemerkt, dass geradezu ein Paradoxon bestehe, weil sich gymnasiale und universitäre Bildung gleichermaßen über ihre „Berufsferne“ definierten, „de facto aber als engmaschige und sozial selektive berufsständische Elitenproduktion überwiegend für den höheren Staatsdienst (zu dem auch die Gymnasiallehrer gehörten) funktionierten“ (Hervorh. im Orig.). Humboldts Idee zielte darauf, allen Menschen eine freie und umfassende „Menschenbildung“ durch Entfaltung aller Kräfte zu ermöglichen, ohne dass bereits die Kinder oder Jugendlichen durch ihren jeweiligen sozialen Stand sehr früh auf spezielle berufliche Anforderungen festgelegt wurden (vgl. Jeismann 1996a, S. 346 ff.). Dammer (2002, S. 35) ist deshalb überzeugt, dass Humboldt auf diese Weise „zur Überwindung der berufsständisch geordneten Gesellschaft des Spätab35
Vgl. für die Schule Rademacker (2002, S.55) und für die Hochschule die Diskussion um Employability in Abschnitt 3.2.2, Punkt VII.
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solutismus beitragen [wollte], die sich bis dahin als gegen grundlegende Reformversuche resistent erwiesen hatte.“ Dass sich Humboldts entsprechend dieser Auffassung nach Stufen gegliedertes Schulmodell nicht durchsetzen konnte, deutet allerdings auf ein Beharren ständischen Denkens hin. Es wäre wohl ein Missverständnis der humboldtschen Intention, wenn der Auftrag der Allgemeinbildung dem Gymnasium in besonderer Weise zugeschrieben wird – er gilt für den Schulunterricht insgesamt. Folglich ist im Sinne Humboldts auch die gegenwärtig weit verbreitete Auffassung unzutreffend, dass Berufsbildung in erster Linie an Volks- oder Hauptschulen angeboten werden sollte (vgl. Dedering 2002, S. 18). Dieses Missverständnis bestätigt aber, dass Humboldts bildungstheoretisches Erbe für die Gestaltung der Haupt- und Realschulen in Deutschland wenig Relevanz besitzt, sondern tatsächlich eine gymnasiale (und universitäre) Besonderheit darstellt. Um den Bogen zu schließen, muss die Frage wieder aufgenommen werden, warum die Referenz auf den durch Humboldt personifizierten Neuhumanismus für Gymnasium und Universität nach wie vor derart präsent ist. Herrlitz erkennt in der Bezugnahme auf Humboldt ein konservatives Begründungsmuster, um den Nachweis der Hochschulreife nicht fachlich, sondern autoritär zu führen: „In dem Maße, wie sich das Gymnasium immer noch als eine ‚Bildungsanstalt‘ im Sinne Humboldts zu begreifen und darzustellen sucht, besteht offenbar auch die Neigung, den neuhumanistischen Begriff von Hochschulreife aus seinem konkreten, lehrplan- und gesellschaftsgeschichtlichen Kontext herauszulösen und daraus Argumente oder gar Rezepte abzuleiten, deren ‚Gültigkeit‘ bereits durch ihre Herkunft erwiesen zu sein scheint.“ (Herrlitz 1982, S. 91)
Sowohl Gymnasium als auch Universität verfügen demgemäß bis heute über eine zuverlässige Argumentationsfigur, um Veränderungen und Reformversuche zu bewerten, einzufordern oder auch abzuwehren. Paletschek (2002, S. 204) sieht sogar im „Rekurs auf Wilhelm von Humboldt und den Neuhumanismus [. . .] im 20. Jahrhundert eine Art Allzweckwaffe.“ Ein Beispiel aus dem Themenfeld des Bologna-Prozesses zeigt, dass auch gegenwärtig dieser Autoritätenbeweis gern angewendet wird: Hanika (2004, S. 29) konstatiert, dass die Hochschulen sich durch Bologna zunehmend von ihrem humboldtschen Leitbild entfernen. Schick (2004) versucht im Gegenteil nachzuweisen, dass diese neuen Strukturen Humboldts Vorstellungen noch viel besser entsprechen als vorher. Obwohl also Gegensätzliches intendiert wird, berufen sich beide Autoren gleichermaßen auf die humboldtsche Autorität. Sie beziehen sich, folgt man Herrmann, damit auf einen „Mythos“, verstanden
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als geheimnisvolle und wirkmächtige Erzählung von den Anfängen. „Jeder“, so erklärt Herrmann (1999, S. 8 f.) die Funktionsweise dieses HumboldtMythos, „der sich auf ihn beruft, kann dem Mythos seinen Sinn beilegen, unabhängig davon, wie es um historische Tatsächlichkeit oder Richtigkeit bestellt ist.“ Es komme nur darauf an, dass „der Mythos überzeugte Gewissheit verbreitet und dass er unserer suchenden Ungewissheit die Richtung in die bessere Zukunft zu weisen vermag, und läge sie auch in der Vergangenheit“ (ebd.). Im Folgenden wird versucht, dem im Schatten Humboldts stehenden Gymnasium und der Universität nachzuspüren. Dabei wird zunächst das Selbstverständnis des Gymnasiums auf seiner Gratwanderung zwischen elitärer Standesschule und leistungsorientierter Regelschule thematisiert (Abschnitt 4.1.1), um sodann einen Blick auf die Universität zu werfen, die sich der ‚reinen Wissenschaft‘ verpflichtet sieht (Abschnitt 4.1.2). 4.1.1
Das Gymnasium – „Standesschule“ oder „Volksschule“?
Seit der preußischen Neukonstitution im 19. Jahrhundert spricht man vom modernen Gymnasium. Selbstverständlich stellt das heutige Gymnasium etwas ganz anderes dar als zu jenen Zeiten, denn mit den gesellschaftlichen Bedingungen haben sich Schritt für Schritt die Lerninhalte, der Umgang mit den Schülern (und später auch Schülerinnen), die Lehrkräfte, die Raumgestaltung etc. verändert. Trotzdem ist diese Schulform mit ihrer ursprünglichen Ausrichtung auf das Leistungsprinzip sowie dem Ziel der Qualifikation zukünftiger Studierender erhalten geblieben und immer noch gilt sie als beste im deutschen Schulsystem. In der Geschichte des Gymnasiums hat es nur sehr selten wirklich scharfe Eingriffe gegeben (vgl. Furck 1998, S. 282). Hervorzuheben sind im Folgenden allerdings a) die Gleichstellung der Höheren Schulen 1900 und b) die Reform der Gymnasialen Oberstufe 1972. Anschließend wird c) die grundsätzliche Kritik am Gymnasium referiert. Ad a: Gleichstellung der Schultypen 1900 Bei der Schulkonferenz im Jahr 1900 ist die lang umstrittene Gleichstellung von Gymnasium, Realgymnasium (mit Latein) und (lateinloser) Oberrealschule hinsichtlich des Abiturs beschlossen worden. Damit wurde der Kampf um das Gymnasialmonopol beendet, der die Entwicklung der Höheren Schulen in Deutschland während des gesamten 19. Jahrhunderts beeinflusst hatte (vgl. Blankertz 1982, S. 125). Realgymnasium und Oberrealschule über-
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nahmen in der Folge ihrer Aufwertung durch das Abiturmonopol mit der Zeit auch begrifflich den Titel „Gymnasium“ (vgl. Blankertz 1982, S. 171) und passten sich in ihrer Identität aneinander an. Dies hat dazu beigetragen, dass das Gymnasium als alleiniger Zuträger zu den Universitäten erhalten blieb, denn das Abiturmonopol wurde zwar ausgeweitet, aber nicht aufgehoben. Durch die Anerkennung eines eigenen Bildungswertes der Realien (d. h. Naturwissenschaften und moderne Fremdsprachen) ist der gymnasiale Fächerkanon allerdings wesentlich erweitert und modernisiert worden. Damit sind Forderungen von Seiten der Wirtschaft und des Militärs aufgenommen worden, die für ihren Nachwuchs den Zugang zu hochschulischer Bildung erleichtern wollten (vgl. Kraul 1984, S. 114). Dies erschien angesichts der gestiegenen Anforderungen, die sich z. B. an die Ausbildung von Kaufmännern, Technikern oder Offizieren stellten, gesellschaftlich, wirtschaftlich und in Bezug auf den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt auch dringend geboten. Dennoch soll die Gleichstellung der Höheren Schulen nicht darüber hinweg täuschen, dass sich im Sozialprofil der Schultypen „die Tendenz einer gemäßigten schichtenspezifischen Differenzierung“ (Kraul 1984, S. 119; vgl. auch Friedeburg 1989, S. 179 ff.) bestätigte. Ad b: Reform der Oberstufe 1972 Die „Neu Gestaltete Oberstufe“ (NGO) hat sich trotz heftiger Kritik36 etabliert und gewiss ausschlaggebend dazu beigetragen, das Gymnasium angesichts neuer gesellschaftlicher Aufgaben zu reformieren und die Gymnasiale Oberstufe als eine Art eigenständiger Schulform zu etablieren. So begreift Freisel (2007, S. 64 f.) die Oberstufenreform als „entscheidende Öffnung“, weil nicht nur neue Fächer und Möglichkeiten zur selbstbestimmten Fächerwahl implementiert wurden, sondern (zusätzlich zur hochschulischen Qualifikation) der Weg vieler Abiturienten in eine berufliche Tätigkeit anerkannt und als weiteres Ziel der Gymnasialen Oberstufe aufgenommen wurde (vgl. KMK 1972, S. 15). Die Gymnasiale Oberstufe ist seitdem das ‚Herzstück‘ des Gymnasiums, denn sie beinhaltet die Qualifizierungsphase des Abiturs, das wiederum das wichtigste Ziel des gymnasialen Bildungswegs aus bildungspolitischer Sicht ist. Aus pädagogischer Sicht, stellt Fuchs aber zu Recht heraus, gibt es „keine plausible Begründung dafür, die Weiterentwicklung der gymnasialen Unter- und Mittelstufe gegenüber der der Oberstufe so zu vernachlässigen, wie dies in der KMK, zugleich allerdings auch in der Fachwissenschaft seit mehr als drei Jahrzehnten geschieht“ (Fuchs 2004, 36
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Vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kritik bei Gass-Bolm (2005, S. 383 ff.).
S. 430; vgl. auch Böttcher/Rösner 1998, S. 46). Fuchs führt diesen Umstand auf die Dominanz des Politischen gegenüber dem Pädagogischen angesichts der gesellschaftlichen Bedeutung des Abiturs zurück. Durch die Reform von 1972 gelang es, die zunehmend chaotischer gewordene Vielfalt unterschiedlicher Gymnasialtypen in einer einheitlichen Bildungseinrichtung aufzufangen und dem Bedürfnis nach gemeinsamer Grundbildung und inhaltlicher Vielfalt in der Balance zwischen Pflicht- und Wahlpflichtbestandteilen im Oberstufencurriculum nachzukommen. Darüber hinaus sollte die neue Organisation in nach Niveau differenzierten Kursen statt fester Jahrgangsklassen dazu beitragen, „die soziale und organisatorische Starre des alten Gymnasiums“ (Wicke 1998, S. 47) aufzubrechen, „in einer Weise, dass Schülern wie Lehrern – vom Ansatz her – Möglichkeiten der Eigenwahl und mitentscheidbaren sozialen Kooperation geboten werden“ (ebd.). Auch im Verhalten der gymnasialen Lehrkräfte, die nicht umsonst die amtliche Bezeichnung eines „Studienrats“ tragen, wird traditionell eher eine Geringschätzung des Pädagogischen, dafür aber eine Hochschätzung der fachlichen Bedeutung des Abiturs als wissenschaftliche Prüfung angenommen. So stellt Furck (1998, S. 309) fest, dass das Gymnasium „dem Selbstverständnis seiner Lehrer nach auf seinen Abschluss, die Reifeprüfung, hin orientiert“ ist. Ein Grund dafür könnte in der Verteidigung ihres nach wie vor herausgehobenen Status gegenüber Lehrkräften anderer Schulformen zu finden sein. Denn die Höheren Schulen unterscheiden sich „in ihrer Zielsetzung nur solange von anderen Schulen [. . .], wie sie auf die Universitäten hingeordnet sind“ (Tenorth 1975, S. 87). Um diese Unterscheidung aufrecht zu erhalten, die sich u. a. auch in der höheren Besoldung der Studienräte dieser Laufbahnen im Vergleich zu Lehrkräften aller anderen Schulformen widerspiegelt, wird die Abhängigkeit von der Universität in Kauf genommen. Dementsprechend ist das Selbstverständnis des Gymnasiallehrers lange Zeit in erster Linie das eines Wissenschaftlers oder Gelehrten gewesen.37 Ad c: Kritik und Lob am Gymnasium Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg bis in die späten 1970er Jahre stand 37
Dies deutete sich, so Paulsen (1921, S. 391 f.), etwa seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts an und gilt seit dem 19. Jahrhundert: Die „Lehrer des Gymnasiums sind jetzt eigentliche Gelehrte; sie sind auf der Universität zur wissenschaftlichen Forschung gebildet worden. In der Tat, das Lehrerkollegium eines heutigen großen Gymnasiums stellt eine kleine Akademie dar [. . .]. Hierauf vor allem beruht das Ansehen des deutschen Lehrerstandes; die Schätzung gilt mehr dem Gelehrten als dem Lehrer.“
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das Gymnasium im Kreuzfeuer der Kritik – sowohl aus erziehungswissenschaftlicher, politischer als auch aus soziologischer Sicht: Das Gymnasium galt als überholte Standesschule mit unzureichender demokratischer und pädagogischer Ausrichtung. Die Strukturen des Gymnasiums haben sich seit den 1970er Jahren nicht relevant verändert. Und doch ist das Gymnasium heute attraktiv wie nie: Gegenwärtig wird das Gymnasium von etwa einem Drittel eines Altersjahrgangs besucht (mit weiter steigender Tendenz). Schon aufgrund dieser großen Schülerschaft – ein Langzeiteffekt der Bildungsexpansion (vgl. Böttcher/Rösner 1998, S. 47) – stellt sich die Frage, ob das Gymnasium seine ehemaligen Funktionen als Eliteschule und Ausleseanstalt verloren hat. Tatsächlich erfährt das Gymnasium seit einiger Zeit auch in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion eine Aufwertung, da es sich „von der Stätte der Elitenbildung zum Ort der Qualifizierung großer Schülerzahlen für den gestiegenen Bedarf der modernen Gesellschaft“ gewandelt habe, meint u. a. Gass-Bolm (2005, S. 412). Ähnlich äußern sich auch die Expertenkommission (1995, S. 30), Mack (1997, S. 356) sowie Baumert et al. (2006, S. 487), wobei letztgenannte davon ausgehen, dass das Gymnasium nunmehr das attraktivste Programm einer kognitiv anspruchsvollen Grundbildung biete. „Das Gymnasium blüht, wächst und gedeiht“, resümiert Hilbert Meyer (2000, S. 48). Ist diese Schulform heute infolgedessen aufgrund der hohen Schülerzahlen zutreffender als „Höhere Volksschule“ (Liebau 1989) zu charakterisieren? Gass-Bolm (2005, S. 412 f.) geht davon aus, dass sich das Gymnasium des 19. Jahrhunderts als Ort, „an dem eine bürgerliche Leistungselite für den Bedarf des expandierenden Staates herangezogen wurde“, seit 1945 schrittweise und spätestens nach 1970 erkennbar aufgelöst hat. Er begründet seine These damit, dass die gymnasiale Klientel seit den 1980er Jahren nicht mehr als bürgerlich verstanden werden könne, da sich die altbewährten identitätsstiftenden Merkmale eines Bürgertums (wie ein eigener bürgerlicher Wertekanon und Lebensstil) nicht mehr ausmachen ließen. GassBolm (2005, S. 414) konstatiert einen steten Bedeutungsverlust konservativer Deutungsmuster seit Ende der 1950er Jahre, was er als „Preisgabe von ‚Bürgerlichkeit‘ “ wertet. Daher habe das Gymnasium „seine Funktion verloren, das ‚Nadelöhr‘ des Aufstiegs für eine sich als soziale Einheit verstehende Leistungselite zu sein und durch die Vermittlung von ‚Bildung‘ entscheidend zum Selbstverständnis dieser sozialen Gruppe beizutragen“ (ebd.). Da das Gymnasium seit einiger Zeit also auf konservative Begründungsmuster bei sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen verzichtet, ist Gass-Bolm (2005, S. 421) davon überzeugt, dass das heutige Gymnasium
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sich gewissermaßen von seinem bürgerlichen Vorläufer im 19. Jahrhundert emanzipiert habe. Die Vervielfältigung von Lebensentwürfen und die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse sind sicherlich augenfällige Zeichen dafür, dass sich die Gesellschaft in Bezug auf ‚Bürgerlichkeit‘ verändert hat. Sie sind aber kein Beweis dafür, dass der prägende bürgerliche Einfluss am Gymnasium komplett weggefallen ist. Ähnlich meint Oelkers (2005, S. 33), dass sich das Bürgertum in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zwar verbreitert habe und an den Rändern schwerer zu bestimmen sei, aber die Gymnasien seien „wohl noch die Schulen des Bürgertums“. Dennoch bilanziert er, dass „mit den alten Bildungseliten [. . .] auch die alte Form des Gymnasiums verschwunden“ (ebd.) sei, da das Gymnasium sich geöffnet und demzufolge nachhaltig verändert habe. Das sieht auch Tenorth, wenn er die Entwicklung des Gymnasiums seit den 1980er Jahren so anerkennt: „In den Selbstbeschreibungen inzwischen nüchterner und selbstbewusster, in der Praxis deutlich reformiert und pädagogisiert, entfaltet sich eine Wirklichkeit, die – aus der Opposition gegen gesamtschulische Systeme – immer noch als ‚konservative Tendenzwende‘ bezeichnet werden muss, aber doch zeigt, dass das Gymnasium seinen eigenen Weg in die ‚Moderne‘ gefunden hat“ (Tenorth 2006, S. 204).
Zu diesem „eigenen Weg“ gehört nach wie vor die Ausrichtung des Gymnasiums auf das Leistungsprinzip. So bemerkt Friebertshäuser (2004, S. 50), dass „Bildungserfolge an Vergleichstests, Notendurchschnitten und Absolventenzahlen“ gemessen werden und sich die gegenwärtigen Debatten um die Gestaltung des Gymnasiums „an Wirtschaftlichkeits- und Nützlichkeitserwägungen“ ausrichten, was sie als durchaus berechtigt einstuft. Die Betonung des Leistungsgedankens gilt nach wie vor auch und insbesondere seit den großen Schulleistungsvergleichsstudien primär für die Schulform, die traditionell die kognitiven Leistungen ihrer Schülerschaft in den Mittelpunkt stellt. Im Unterschied zu bürgerlich-humanistischen Vorstellungen von Bildung als zweckfreie Vervollkommnung des Menschen haben mittlerweile aber auch im gymnasialen Selbstverständnis utilitaristische und ökonomische Sichtweisen ihren festen Platz, was sich ebenfalls in der Bemerkung Friebertshäusers widerspiegelt. Ist das Gymnasium denn derweil eine Schule für alle Kinder, wie durch die Formulierung der neuen „Höheren Volksschule“ suggeriert wird? Dies muss verneint werden (vgl. Böttcher/Rösner 1998; Wolter 1997, S. 53 f.; Hartmann 2006a). Ein differenzierter Blick auf die gymnasiale Schülerschaft zeigt, dass die gehobenen, bildungsnahen Schichten (v. a. Kinder von Beamten und Selbstständigen) über- und die unteren Schichten (d. h. vor al-
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lem Arbeiterkinder) unterrepräsentiert sind. Das Gymnasium kann darüber hinaus auch nicht als Ort gesehen werden, an dem solche sozialen Ungleichheiten ausgeglichen werden – im Gegenteil: Denn von der Selektion an den Übergangsschwellen (in die Sekundarstufe I, in die Sekundarstufe II und zur Hochschule) sowie der ‚Durchlässigkeit nach unten‘ durch Abschulung von Schülern sind vorwiegend Kinder aus unteren sozialen bzw. bildungsfernen Schichten betroffen. Isserstedt et al. (2007, S. 108 f.) zeigen in der 18. Sozialerhebung anhand des „Bildungstrichters“ an einem Vergleich der Gruppen „Kinder von Akademikervätern“ und „Kinder von Vätern ohne Hochschulabschluss“, dass durch die schulischen Selektionsmechanismen die Chancen der beiden Gruppen gegenwärtig zunehmend auseinander driften. Auch die Autorengruppe Bildungsbericht (2008, S. 211) bestätigt, dass Kinder aus höheren sozialen Schichten „bei vergleichbaren schulischen Leistungen“ eher eine Gymnasialempfehlung bekommen, als „15jährige einen deutlichen Kompetenzvorsprung“ erreichen und „überproportional häufig anspruchsvolle berufliche Ausbildungsgänge“ oder ein Hochschulstudium aufnehmen. 4.1.2
Die Universität – Bildung durch Wissenschaft
Die moderne deutsche Universität nimmt ihren Ausgang ebenfalls mit Humboldt: Während seiner Amtszeit als Direktor der Sektion für Kultus und Unterricht im Preußischen Innenministerium war er federführend an der Gründung der Berliner Universität 1810 beteiligt, die Spranger (1960, S. 199) als „Humboldts größte Tat“ bezeichnete. So existierte vor allem ab dem 20. Jahrhundert die Vorstellung, dass der (ehemalige) Weltruhm deutscher Universitäten maßgelblich auf dem humboldtschen Ideengut zur Gestalt der Universitäten beruhe (vgl. Oehler 1998, S. 420). Welche Vorstellungen sind nun damit verbunden? In Anlehnung an Paletschek (2002, S. 183 f.) sind fünf Kennzeichen des neuhumanistisch geprägten Universitätsideals auszumachen: 1. Die Einheit von Forschung und Lehre. 2. Die Freiheit von Forschung und Lehre. 3. Das Ziel der zweckfreien reinen Wissenschaft (in Abgrenzung zur zweckdienlichen akademischen Berufsbildung). 4. Die Überzeugung, dass sich der Mensch durch wissenschaftliche Studien allseitig (auch moralisch) bildet, um zukünftig verantwortungsvoll
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Führungspositionen übernehmen zu können. 5. Die Einheit der Wissenschaften, die durch die Disziplinen der philosophischen Fakultät gestiftet wird. Gemäß Paletschek (2002, S. 184) haben sich damit die Grundprinzipien der Universität vom 19. zum 20. Jahrhundert verschoben: Das neuhumanistische Leitbild sei erst im 20. Jahrhundert „erfunden“ worden, während im 19. Jahrhundert noch eine dreifache Aufgabenbestimmung für die Universität vorherrschend war, nämlich die wissenschaftliche „Berufsausbildung (insbesondere für den Staatsdienst), die Fortentwicklung der Wissenschaften sowie die Vermittlung von Allgemeinbildung“ (ebd.). Erst ab den 1920er Jahren und abermals verstärkt in den 1960er Jahren wandelte sich das Leitbild zur Universität humboldtscher Prägung, forciert erst durch Eduard Spranger und Carl Heinrich Becker, später u. a. durch Helmut Schelsky, die alle im Rückgriff auf die neuhumanistischen Universitätsschriften Schleiermachers, Fichtes und natürlich insbesondere Humboldts die alten Ideale neu belebten, um sie als hochschulpolitische Argumente zu verwenden. Deutlich anzumerken ist, dass es hier nicht um den tatsächlichen universitären Alltag ging, – das humboldtsche Ideal stand und steht in vielfacher Weise sogar im Gegensatz zur Realität an den Hochschulen –, sondern dass aus diesem Ideal der jeweilige hochschulpolitische Diskurs seine Legitimation bezog (vgl. Ash 1999, S. 10; Bruch 1999, S. 38; Herrmann 1999, S. 9). Jarausch (1999, S. 58) spricht sogar von einem „Humboldt-Syndrom“, dass dazu führte, dass die „offizielle Universitätsrhetorik mehr mit den Inspirationen einer entrückten Vergangenheit als den Herausforderungen der unmittelbaren Gegenwart zu tun“ habe. Vor allem seit der Nachkriegszeit habe der Bezug auf Humboldt als eine Art später Gründungsmythos fungieren können, „der das Selbstverständnis der deutschen höheren Bildungspolitik prägte und ihre institutionelle Entwicklung lange Zeit dominierte“ (ebd.). Die auch heute noch charakteristischen Strukturen der Universitäten können nur im Kontext des humboldtschen Leitbilds adäquat verstanden werden, was kurze Blicke auf die fünf von Paletschek genannten Kennzeichen der deutschen Universität des 20. Jahrhunderts illustrieren: 1. Das Kennzeichen der Einheit von Forschung und Lehre führt letztlich zurück auf das Ideal, dass sich Lehrende und Lernende auf gleicher Ebene treffen, gemeinsam nur angetrieben von ihrem Streben nach Erkenntnis, Selbstvervollkommnung und Wahrheit. Dabei herrschte die Auffassung vor, dass „gute Lehre“ eine Art Nebenprodukt „guter Forschung“ sei (Wolter 2006b, S. 116), womit letztlich die traditionell eher geringe Aufmerk-
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samkeit der deutschen Universitäten für die Lehre begründet werden kann. Gleichzeitig wird mit der These von der Einheit von Forschung und Lehre der Anspruch an die Studierenden gestellt, sich durch aktive Teilnahme an der Forschung zu bilden.38 In den letzten Jahren zeigte sich ein neuer Trend zur Trennung von Forschung und Lehre. So hatte auch der Bologna-Prozess ursprünglich nur die Verbesserung der Lehre – unabhängig von der Forschung – als Ziel festgeschrieben. Durch das Insistieren der EUA (Graz Erklärung) wird durch die im Berliner Kommuniqué (2003) eingebrachte zehnte Aktionslinie zur Bindung des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums an einen parallelen gemeinsamen Forschungsraum versucht, dieser Trennung nachträglich etwas entgegenzusetzen. Aber auch die Einführung von Lehr- oder Forschungsprofessuren sowie die Schaffung von Hochdeputatsstellen für die Lehre auf der einen und die Förderung von Forschungseinrichtungen jenseits der Universitäten auf der anderen Seite bewirkt eine weitere Trennung beider Bereiche. 2. Die Freiheit von Forschung und Lehre hingegen ist fester Bestandteil in allen Länderhochschulgesetzen und auch im 21. Jahrhundert präsent an den Hochschulen. Allerdings hat bereits zu Beginn der 1970er Jahre Schelsky (1971, S. 257) festgestellt, dass „diese Forderung aus einem Leitbild der deutschen Universität längst zu einer unüberprüften Leerformel geworden [sei], die von allen Seiten, Professoren, Assistenten und Studierenden, verwendet wird, wenn ihnen Rationalisierungen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit abverlangt oder vielfach überholte Privilegierungen aberkannt werden sollen.“ Unabhängig davon ist zu konstatieren, dass die Freiheit von Forschung und Lehre ein wichtiges Element in demokratischen Gesellschaften ist, da diese eine Prüfinstanz für Entwicklungen in allen Bereichen darstellt, die durch die Wissenschaften erforscht und an den Hochschulen gelehrt werden. 3. Die Vorstellung, dass ein universitäres Studium ein Ziel an sich sei und erst sekundär auf eine akademische Berufsausbildung ziele, ist je nach Fachkultur heute sehr unterschiedlich verbreitet. Gegenwärtig forciert durch den Bologna-Prozess und seine Betonung der Employability, wird versucht, ins38
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Dass die Studierenden diesem Anspruch tatsächlich genügen, bezweifelte bereits Paulsen (1902, S. 211): Er ging davon aus, dass es immer nur eine „beschränkte Zahl unter den Studierenden“ gegeben habe, „die es zu eigentlich selbstständiger Arbeit in der Wissenschaft“ (ebd.) bringe. Allerdings behauptet er doch von den meisten Studierenden zumindest, dass sie „von der Idee, frei die Wahrheit zu suchen, berührt worden“ (ebd.) seien.
gesamt die Funktion der wissenschaftlichen Berufsausbildung in den Vordergrund zu rücken. Diese Versuche kommen allerdings weniger aus den Universitäten selbst, sondern eher aus der Wirtschaft und der Politik, die die Hochschulen in einer Wissensgesellschaft als zentralen Ausbildungsort ansehen (vgl. Abschnitt 3.3.1). Insbesondere in den 1960er Jahren hat sich das Hochschulstudium angesichts der neuen sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen einschneidend verändert: Es wurde nicht nur ein wesentlich erhöhter Bedarf an Universitätsabsolventen gefordert (Picht 1964), sondern angesichts des technischen Fortschritts galt es ebenfalls, mehr hoch qualifizierte Fachleute für einen gewandelten Arbeitsmarkt auszubilden. In diesem Zusammenhang ist auch die Etablierung eines einheitlichen Fachhochschulwesens zu sehen, das die Nachfrage nach bzw. den Bedarf an berufsfeldorientierten Studiengängen decken sollte und sich damit sichtlich von den universitären Einrichtungen abhob. Die Universitäten besitzen bis heute Privilegien (z. B. das Promotionsrecht), die sicherstellen, dass der höhere Status gegenüber den Fachhochschulen aufrecht erhalten bleibt. Allerdings ist die Einführung gestufter Studiengänge als Absicht zu interpretieren, die vertikale Gliederung zwischen Universitäten und Fachhochschulen – repräsentiert in ihren jeweiligen Studienabschlüssen – durch die horizontale Gliederung der Bachelor- und Masterabschlüsse zu verringern. 4. Während das Leitbild des Studiums früher wesentlich deutlicher auf eine gelehrte Formung des Menschen für die gesellschaftliche (bürgerliche) und wissenschaftliche Elite zielte (vgl. Banscherus 2007, S. 45), klingt der Gedanke heute eher fremd, dass durch das wissenschaftliche Studium gleichzeitig auch „sittliche Führungspersönlichkeiten“ (Paletschek 2002, S. 184) ausgebildet werden sollen. Die (teilweise fehlende) Formulierung von ethischen Ansprüchen (Sittlichkeit, Übernahme von Verantwortung etc.) an die Elite ist gleichwohl ein immer wieder neu diskutiertes Problem. Die fachliche Elitebildung gehört jedoch unzweifelhaft zum gegenwärtigen universitären Selbstverständnis. Allerdings gab es (wie am Gymnasium) vor allem in den 1960er und 1970er Jahren heftige Kritik am elitären Charakter der Universitäten. So sah Prahl (1978, S 29) die Universitäten beispielsweise als „Minderheits-Institutionen, weil sie durch Zugangsschranken, besondere Sprachformen, Rituale und Zeremonien elitär und gegenüber der übrigen Gesellschaft abgegrenzt sind.“ In der Folge bemühte man sich, die sichtlichen Zeichen der Elite abzubauen oder zumindest mit dem Hinweis auf veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse und begrenzte Ressourcen neu zu legitimieren. Dennoch lassen Prüfungen „noch immer mittelalterliche Rituale erahnen, akademische Titel deuten auf ihren Ursprung im Lateinischen
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hin, Fakultäteneinteilung und Fächerzuordnung sind vielfach über Jahrhunderte konstant geblieben und werden gegen Änderungswünsche massiv verteidigt“, so Prahl und Schmidt-Harzbach (1981, S. 9). Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass solche Rituale und Zeremonien weiter belebt werden. Gegenwärtig wird versucht, diese alte Hierarchie mit neuen Möglichkeiten der Eliteförderung aufzubrechen. Insbesondere durch die „Exzellenzinitiative“ soll eine stärkere vertikale Gliederung im Hochschulwesen erreicht werden, von der nur noch einzelne Hochschulen (Universitäten und Fachhochschulen) profitieren.39 Dieser Ansatz beruht auf der Vorstellung, dass eine Leistungsspitze besonders gefördert werden müsse, um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Gleichzeitig wird mitgedacht, dass für eine gute Ausstattung des gesamten Hochschulsystems aber zu wenige Ressourcen vorhanden seien. 5. Im 20. Jahrhundert hat es die Vier-Fakultäten-Universität bereits nicht mehr gegeben, in der die Philosophie den Rang eines verbindenden und auch einführenden studium generale innehatte. Die verschiedenen Bereiche der Philosophie (Erkenntnistheorie, Ethik, Anthropologie) werden heute kaum noch als Rahmen für die übrigen Fachwissenschaften verstanden. Aber als eine Art Relikt dieser philosophischen Grundlegung der Wissenschaften finden sich auch gegenwärtig als verbindende Elemente der verschiedenen Wissenschaften dieselben philosophischen Ziele (z. B. Wahrheit) und Prinzipien (z. B. Rationalität und Objektivität). Statt der Einheit der Wissenschaft gilt als Charakteristikum der Hochschulen heute die Vielfalt der Fachdisziplinen, die sich fortlaufend weiter verzweigen, differenzieren und doch nebeneinander bestehen. Diesen theoretischen, ideellen und praktischen „Pluralismus der Wissenschaft“ sieht Schelsky (1971, S. 259) als „unaufhebbares Kennzeichen moderner Wissenschaftssysteme und ihrer Hochschulen.“ Besonders das Aufkommen der Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert führte inneruniversitär zu dieser Vervielfältigung der ‚Wissenschaft‘. Neue Ordnungsraster bildeten sich aus, vor allem die Gegenüberstellung von Geistesund Naturwissenschaften. Schelsky (1971, S. 141) ist überzeugt, dass diese Einteilung der Wissenschaften „strukturell das Wesen der Universität bis in ihre Organisation hinein“ verändert habe. Die Organisation der Fächer und Forschungsansätze in den universitären Einheiten (u. a. Fakultäten, Insti39
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Vgl. die „Exzellenzinitiative“ des Bundes und der Länder in der Präsentation durch das BMBF: http://www.bmbf.de/de/1321.php sowie ihre elitekritische Analyse durch Hartmann (2006). Vgl. auch den „Wettbewerb exzellente Lehre“ von KMK und Stifterverband: http://www.exzellente-lehre.de/.
tute, Sonderforschungsbereiche) spiegelt bestimmte Traditionslinien, aber auch immer ein zeitgebundenes Verständnis der Wissenschaften überhaupt. Die Universität wird auf allen Wissensgebieten als Ort des wissenschaftlichen Fortschritts gesehen, deren Universalität, so Oehler (1998, S. 420), ausschlaggebend dafür gewesen sei, dass sie den gewandelten Anforderungen der Gesellschaft, des Arbeitsmarkts sowie neuen Forschungsaufgaben gerecht werden konnte. Insgesamt können die von Paletschek aufgelisteten Kennzeichen der Universität humboldtscher Prägung des 20. Jahrhunderts auch heute noch Geltung beanspruchen. Kurze Blicke auf die Akteure der Hochschulen, die Studierenden und die Lehrenden, bestätigen dies: Ein Universitätsstudium hebe, so schrieb Paulsen (1902, S. 149) vor über 100 Jahren, „die studierende Jugend“ und auch „die gelehrten Berufe auf eine höhere Stufe vergeistigten Daseins“. Er grenzt dabei die Gruppe derjenigen, die durch ihre universitäre Bildung in akademische Berufe gekommen sind, von der übrigen Bevölkerung ab und sieht in ihr „eine Art geistiger Aristokratie“: „Im ganzen bilden die Inhaber dieser [akademischen] Berufe eine homogene gesellschaftliche Schicht; sie erkennen sich, eben auf Grund der akademischen Bildung, als sozial Gleichstehende an [. . .]. Umgekehrt: wer keine akademische Bildung hat, dem fehlt in Deutschland etwas, wofür Reichtum und vornehme Geburt nicht vollen Ersatz bieten. [. . .] Und die Folge ist, dass die Erwerbung der akademischen Bildung zu einer Art gesellschaftlicher Notwendigkeit bei uns geworden ist, mindestens die Erwerbung des Abiturientenzeugnisses, als des potentiellen akademischen Bürgerrechts“ (Paulsen 1902, S. 149).
Paulsen rekurriert damit auch auf die Ausrichtung des Hochschulzugangs am Leistungsprinzip, das die ständische Gesellschaftsordnung vor allem im 19. Jahrhundert veränderte. Allerdings beschreibt er nicht einen Ausgleich mit den sozial schwächeren Schichten, sondern vielmehr ein anderes Begründungsmuster für eine gesellschaftliche Elite, die sich nicht mehr durch den Adel und den Besitz, sondern durch wissenschaftliche Leistung rekrutieren sollte. Dies führte dazu, dass auch die sozial hoch stehenden Schichten die Wege über die gelehrte höhere Bildung in die neue (Leistungs-)Elite suchten und auch fanden, während der offene Bildungsaufstieg für die niederen Stände bald wieder eingeschränkt wurde. So vermerkt Paulsen: „Jene gesellschaftliche Schicht, deren Kinder früher als Bettelschüler sich durch die Lateinschule und unter günstigen Verhältnissen, auch
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durch die Universität und in den gelehrten Beruf brachten, ist auf dem Gymnasium und der Universität nicht mehr vertreten. Dagegen empfängt jetzt der Adel, die höchsten Spitzen nicht ausgenommen, auf den Gymnasien seine Bildung; [. . .] Man nehme, um den ungeheuren Wandel der Dinge mit einem Blick vor Augen zu haben, das Programm des Gymnasiums zu Kassel vom Jahre 1877 zur Hand: in der Abituriententabelle findet sich unter 17 Namen ganz gleichmäßig auch der des Prinzen Wilhelm von Preußen, des späteren Deutschen Kaisers, eingetragen, und ebenso gewissenhaft wie bei den Nachbarn wird Konfession, Geburtsort, Stand des Vaters, gewählter Beruf usw. angegeben“ (Paulsen 1921, S. 391) .
Die Trennlinie zwischen gehobenen und niederen Ständen bzw. sozialen Schichten verläuft seitdem einmal mehr, einmal weniger klar zwischen denjenigen, die an höherer Bildung teilhaben, und denjenigen, die davon ausgeschlossen sind. Je höher die Bildungskarriere, desto stärker sind diese Schnitte in der sozialen Struktur der jeweiligen Bildungseinrichtung erkennbar. Die verschiedenen Bildungsgänge verfestigen diese Strukturen, was sich gegenwärtig beispielsweise in der sozialen Zusammensetzung der Studierendenschaft von Universität und Fachhochschule abhängig von der sozialen Herkunft der Studierenden und der in der Sekundarstufe II besuchten Schulform widerspiegelt (vgl. Abschnitt 3.2.2, X. Aktionslinie). Die Professoren gelten als Repräsentanten der Hochschulen, denn sie verkörpern mit ihren Denominationen ihre Fachwissenschaft. Selbstverständlich sind Aussagen über diese Personengruppe nicht pauschal zu treffen, aber es gibt durchaus ein bis heute wirksames Leitbild des (männlichen) Universitätsprofessors, der durch seine Person die Verbindung von Forschung und Lehre (vgl. das erste Kennzeichen) herstellt (auch wenn heute die Indikatoren für wissenschaftliche Reputation von einer ökonomischen Linie durchzogen werden). Dieses Vorbild des forschenden und lehrenden Universitätsprofessors beschreibt ebenfalls bereits Friedrich Paulsen bis heute verblüffend treffend: „Nach deutscher Auffassung ist der Universitätsprofessor zugleich Lehrer und wissenschaftlicher Forscher, und zwar steht letzteres in erster Linie, so dass man eigentlich sagen muss: in Deutschland sind die wissenschaftlichen Forscher zugleich die Lehrer der akademischen Jugend; womit denn gegeben ist, dass auch der akademische Unterricht in erster Linie ein rein wissenschaftlicher ist; nicht die Vorbildung für den praktischen Beruf, sondern die Einführung in die wissenschaftliche Erkenntnis und Forschung steht vorne an“ (Paulsen 1902, S. 4).
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Auch für den akademischen Nachwuchs gilt diese Orientierung an der Forschung (vgl. das dritte Kennzeichen). Jeder Hochschulabschluss, aber insbesondere der Doktortitel ist mit erheblichem gesellschaftlichem Ansehen verbunden.40 Dabei gelang es im 19. sowie 20. und gelingt es auch im 21. Jahrhundert Kindern aus gehobenen Schichten offensichtlich besser, einen „möglichst exklusiven Akademikerhabitus“ (Büchner/Brake 2006, S. 119) auszubilden, was nach Bourdieu (1992) als eine Begründung für den hohen Anteil der Akademikerkinder im universitären Feld gilt. Wie Hartmann (2004, S. 137 f.) herausgefunden hat, ist die Promotion unter den Angehörigen der gesellschaftlichen Eliten (insbesondere in den Chefetagen der Wirtschaft) sehr verbreitet (vgl. viertes Kennzeichen). Allerdings weist Hartmann (2004, S. 146) darauf hin, dass sich durch die langfristig gestiegene Zahl der Promotionen der Zugang zu den deutschen Eliten nicht erweitert, sondern eher geschlossen habe. Dies spricht dafür, dass die gemeinsame Identität der Akademiker bröckelt, wie sie Paulsen (1902, S. 149) als „eine Art geistiger Aristokratie“ beschrieben hat, weil sich die gesellschaftlichen Eliten wieder stärker abhängig von der sozialen Herkunft rekrutieren. 4.2
Die Suche nach Zielen und Inhalten der Hochschulreife
Genauso alt wie das Gymnasium ist die Frage danach, was eigentlich gelernt und gelehrt werden soll, um auf die Universität adäquat vorzubereiten. Es gab in der Geschichte viele Versuche zu definieren, über welche Einstellungen, welches Wissen und Können, oder, moderner formuliert, über welche Kompetenzen Abiturienten verfügen sollen, um als „hochschulreif“ zu gelten. Diese Frage konstituiert institutionell die normative Säule des Hochschulzugangs. Im Unterschied zur kognitiven Säule, die von beiden Seiten des Hochschulzugangs – Gymnasium und Universität – getragen wird, muss die normative Säule im Wesentlichen auf der schulischen Seite verortet werden. Eine Diskussion über spezifische Ziele des Studienanfangs findet kaum statt. Auch dies ist letztlich ein Erbe Humboldts (1809), das auf seine Unterscheidung von drei Arten bzw. Stufen des Unterrichts (Elementar-, Schul- und Universitätsunterricht) im Königsberger und Litauischen 40
Kehm (2007, S. 149) bemerkt, dass sich die Bedeutung des Doktorats für die Generation des neuen Wissens jedoch geändert habe: „Doctoral education and research training is no longer regarded exclusively as curiosity driven and as the disinterested pursuit of knowledge. Instead the generation of new knowledge has become an important strategic resource and economic factor. It thus becomes a commodity and its shape acquires a more utilitarian approch.“
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Schulplan zurückgeht. Die Trennung zwischen der zweiten und der dritten Unterrichtsstufe manifestierte sich in der bewussten Abgrenzung des schulischen Lernens vom universitären als Spezifikum im deutschsprachigen Raum. Damit sind die Aufgaben der mittelalterlichen Artistenfakultät (vergleichbar mit einem studium generale zur Vorbereitung auf die höheren Fakultäten) bei der Etablierung des Gymnasiums dieser Schulform zugesprochen worden (vgl. Wolter 2001a, S. 51 f.; Huber 1997, S. 333). Das schulische Lernen bekam auf diese Weise einen eher vorbereitenden, aber auch unselbstständigen Charakter, der sich heute noch etwa in der pejorativen Bedeutung des Ausdrucks ‚verschult‘ zeigt. Schulisches Lernen wird demgemäß an den Hochschulen als ungebührlich abgelehnt, weil universitäres Lernen mit Freiheit und Selbstständigkeit im Medium der Wissenschaft assoziiert wird. Die Andersartigkeit von schulischem und universitärem Lernen begründet sich durch die angenommene, unterschiedlich weit entwickelte Fähigkeit zum selbstständigen Denken und Lernen.41 Blankertz (1982, S. 132) erklärt, dass die „auf die Freigabe des Menschen zur Selbstbestimmung tendierende humanistische Pädagogik [. . .] ihr erzieherisches Ziel mit dem Abschluss des Gymnasiums erreicht haben [sollte] – in der Sphäre der Wissenschaft war für pädagogische Eingriffe kein Platz mehr.“ Daher soll mit dem Beginn des universitären Studierens alle Vorbereitung abgeschlossen sein; denn nur ausschließlich selbstbestimmte, also freie Subjekte sollten sich gemäß Humboldts These an der Universität der wissenschaftlichen Vernunft verpflichten dürfen. Es ist paradox, dass gerade diese von Humboldt angelegte Stufung der Anforderungen als ursächlich für die Trennung schulischer und universitärer Lehr- und Lernkulturen anzusehen ist: Denn statt der Idee des systematisch angelegten Übergangs hat sich ein Bruch zwischen den Bildungsstufen aufgetan. Die fortwährende Diskussion des Themas – insbesondere über die vermeintlich ‚fehlende Hochschulreife‘ der nachfolgenden Generationen – ist 41
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Vgl. beispielsweise Bloch et al. (2006, S. 74 f.): „Hier gilt nach wie vor die Humboldtsche Unterscheidung: An Schulen wird weitgehend kanonisiertes Wissen vermittelt, an den Hochschulen Wissen, das prinzipiell unabschließbar ist [. . .]. Deutlich wird diese Unterscheidung zwischen Schule und Hochschule immer dann, wenn ehemalige Schüler [. . .], die nun Studierende sind, sich von der Hochschule vollständig überrascht zeigen: Plötzlich wird ihnen nicht mehr kanonisiertes Wissen vermittelt, sondern ProfessorInnen offerieren Wissensmodule, die sie ausdrücklich als noch nicht abschließend geklärt bezeichnen, bieten alternative Erklärungsmöglichkeiten an, fordern die Studierenden auf, sich in ihren Studien entsprechend urteilsfähig zu machen und eigene Entscheidungen zu treffen, welche Hypothese sie für plausibler halten und welche für weniger plausibel.“
Ausdruck für den steten Wandel der gesellschaftlichen, pädagogischen und politischen Überzeugungen. Die Probleme jedoch bleiben dieselben: Der Versuch der Bestimmung einer studienvorbereitenden Bildung ist doppelt problematisch, a) durch die zunehmende Heterogenität der quantitativ wachsenden gymnasialen Schülerschaft und b) durch das steigende Tempo der Wissensproduktion. Ad a: Heterogenität der wachsenden Schülerschaft Bis in die 1950er Jahre lag der Anteil der Studierenden gemessen am jeweiligen Altersjahrgang unter einem Zehntel. Diese verhältnismäßig kleine Gruppe rekrutierte sich weitgehend aus dem bürgerlich geprägten Umfeld. Die Vorstellungen darüber, was das Gymnasium wie zu leisten habe und was die Hochschulen dementsprechend von allen Studierenden voraussetzen konnten, waren deshalb einheitlicher, weil die gymnasiale Klientel und deren Zukunftsperspektiven homogener waren (vgl. Meyer 1995, S. 256). In den Phasen der stärkeren Öffnung des Zugangs zu gymnasialer Bildung – insbesondere durch die Bildungsexpansion der späten 1960er und 1970er Jahre –, aber auch durch kulturelle Wandlungsprozesse, die die Individualität betonen (vgl. Wolter 2008, S. 19), fällt die Heterogenität der Schülerund Studierendenschaft hinsichtlich ihrer Vorbildung, ihrer Wertvorstellungen und Zukunftspläne etc. stärker ins Gewicht. Sofern die Bestimmung der Hochschulreife nicht ausschließlich formal und abstrakt sein soll, muss eine inhaltliche Ausgestaltung folgen. So ist auch der Erwerb von Fähigkeiten (z. B. Lesen, Schreiben) fachspezifisch an Inhalte geknüpft, die als bedeutsam für die lernende Generation angesehen werden. Es ist dabei sowohl schwierig, sich von tradierten Wissensinhalten zu trennen als auch aktuelle neue Entwicklungen zu berücksichtigen und in ihrer allgemeinbildenden Funktion zu bewerten. Dies führt regelmäßig zu überfüllten Lehrplänen, über deren zeitgemäße Bedeutung gestritten wird (vgl. Expertenkommission 1995, S. 23 ff.). Obwohl es nicht darum gehen kann, ständig neue Inhalte aufzunehmen und jedem Trend nachzulaufen, erweist sich der gymnasiale Fächerkanon alles in allem als wenig flexibel und kaum veränderbar. Die Kluft zwischen diesem starren schulischen Fächerkanon und den sich ständig weiter differenzierenden Wissenschaften wird zusehends größer (vgl. Wolter 2008, S. 19). Ad b: Wissensproduktion Die Hochschulreife ist seit jeher mehr gewesen als die Summe ihrer Inhalte im Sinne von enzyklopädischem Wissen. Zwar werden nur bestimmte
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Fächer „als Kern der Arbeit“ (vgl. Expertenkommission 1995, S. 11) unterrichtet und geprüft, aus ihrem Zusammenspiel verspricht man sich aber Bildungsprozesse, die über die Unterrichtsinhalte weit hinausgehen. Beispielsweise formuliert die KMK (2006, S. 5) als Zweck des gymnasialen Unterrichts „eine Erziehung, die zur Persönlichkeitsentwicklung und -stärkung, zur Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung sowie zur Mitwirkung in der demokratischen Gesellschaft befähigt.“ Die Herausforderung aller Bestimmungen der Hochschulreife ist es daher, ausgehend von den Inhalten einen besonderen bildenden Wert (Persönlichkeitsentwicklung, Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung etc.) zu begründen. Denn nur auf diese Weise lassen sich Argumente dafür finden, warum gerade dem gymnasialen Bildungsweg eine besondere Bedeutung zukommt. Überblickt man die Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte, so haben sich insbesondere drei Begriffe herausgebildet, mit denen um die „pädagogische Substanz“ (Oehler 1998, S. 426) der Allgemeinen Hochschulreife gestritten wird. Diese Trias der Ziele findet sich (verankert in den verschiedenen Bestimmungen zur NGO und explizit bestärkt durch die Expertenkommission 1995) bei der KMK in ihrer Fassung der Ziele der Gymnasialen Oberstufe, nämlich „vertiefte Allgemeinbildung, allgemeine Studierfähigkeit sowie wissenschaftspropädeutische Bildung“ (KMK 2006, Abschnitt 2.1). Die drei manchmal nicht ganz trennscharfen und sich ergänzenden Begriffe werden als wesentliche Ziele der Gymnasialen Oberstufe angesehen (vgl. Trautwein/ Lüdtke 2004, S. 327; Huber 1997), die „in ihrer Gesamtheit [. . .] den komplexen Anspruch [repräsentieren], den Gymnasiale Oberstufen traditionell vertreten haben“ (Expertenkommission 1995, S. 74). Im Folgenden werden die drei Begriffe daher genauer analysiert. 4.2.1
„Vertiefte Allgemeinbildung“
Während an den Hochschulen die Spezialisierung in einem bestimmten Fach im Vordergrund steht, gilt die Vermittlung einer vertieften Allgemeinbildung als Aufgabe der Gymnasialen Oberstufe. Dabei merkt Herrlitz (1973, S. 96) an, dass dieses Konzept der Aufgabenverteilung in einer „vorgestellten Kontinuität von schulischer und akademischer Lehre“ nur normativ gesetzt, aber nicht pädagogisch durch „Kriterien für die Grenzbestimmung zwischen beiden Lehrstufen“ entwickelt wurde. Daneben wird mit Allgemeinbildung auch ein Eigenwert, d. h. ein oberstes Ziel bezeichnet, weil in der neuhumanistischen Tradition Bildung als Ausweis des freien und mündigen Menschen gilt. Blankertz (1982, S. 101) interpretiert diesen aufkläre-
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rischen Gedanken so, „dass keine Generation, kein Zeitalter, kein einzelnes Individuum [. . .] für die Zukunft als bloße Durchgangsstufe angesehen werden, kein Mensch [. . .] bloßer Kulturdünger sein“ sollte, vielmehr gehe es um die Aufgabe der Individualität selbst. Daher steht der Gedanke der Menschenbildung im Gegensatz zur bloßen Ausstattung des Individuums mit nützlichen Kenntnissen. Jenseits von solchen Einzelzwecken, zu denen auch die Studien- oder Berufsvorbereitung gehört, erfüllt der Bildungsbegriff damit als „zentrale Kategorie“ im Sinne von Klafki (2007, S. 44) die Funktion, alle pädagogischen Maßnahmen und persönlichen Lernbemühungen zu begründen und zu verantworten. Bildung wird somit nicht nur zum Ziel aller pädagogischer Bemühungen von Schule, sondern erscheint für das menschliche Leben insgesamt als sinnstiftend (vgl. neben Klafki auch Schulz 1988; 1995, S. 155–168; Hentig 1996, S. 39 ff.). Allgemeinbildung bedeute, die „Voraussetzungen zu schaffen, die für eine verständige, kritische und selbstdistanzierte Teilhabe am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben angesichts von Normdissens und der Tatsache vielfältiger Traditionen und Kulturen unentbehrlich sind“ (Expertenkommission 1995, S. 72). Insofern beinhaltet dieser Bildungsbegriff freilich auch ein gewisses Pathos. Für die Inhalte dieser Allgemeinbildung fungieren seit jeher die gymnasialen Schulfächer als das wichtigste Ordnungsprinzip. Die Expertenkommission (1995, S. 97 f.) sieht „Fachlichkeit und Fachgebundenheit des Lernens [als] das zentrale Medium der Arbeit und [als] das grundlegende Ausgangsdatum schulischer Anstrengung.“ Stübig (2000, S. 10) macht darauf aufmerksam, dass die Fächer „zu mächtigen und berechtigten Platzhaltern für Lernen und Bildung geworden“ seien, die sich sukzessive angesichts bestimmter gesellschaftlicher und ökonomischer Bedingungen entwickelt haben. Daher muss für jedes Fach (stärker als für die einzelnen Inhalte) begründet werden, warum es im Ensemble der gymnasialen Schulfächer einen Bildungsgehalt besitzt. Diese Begründungsprozesse kann man erkennen, wenn sich der Fächerkanon merklich verändert, was in der Geschichte des modernen Gymnasiums bislang nur drei Mal der Fall gewesen ist, nämlich a) bei der Etablierung des Preußischen Gymnasiums selbst, b) bei der Gleichstellung von Gymnasium, Realgymnasium und Oberrealschule 1900 und c) bei der Oberstufenreform 1972. Ad a: Etablierung des Gymnasiums Mit der Etablierung des Preußischen Gymnasiums durch die staatliche Hoheitsmacht und die Reformkonzepte der Neuhumanisten gab sich das Gymnasium säkularisiert und entwand sich der Kirche, die bis dahin das höhere
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Schulwesen getragen hatte. Dennoch blieb das Christentum von großer Bedeutung für die sittliche Erziehung der Gymnasiasten (und für die Stabilisierung der Herrschaftsverhältnisse). Zum Fächerkanon des neuhumanistischen Gymnasiums gehörten Griechisch, Latein, Deutsch, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und Geographie, Religion, Zeichnen und teilweise auch Hebräisch sowie Gesang und Gymnastik.42 Die wichtigsten Fächer sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts Latein und Griechisch gemäß der Leitbilder des Christentums und der Antike. Die klassischen Sprachen erhielten ihre besondere Bedeutung aus der damals modernen Vorstellung, dass die Antike das Feld sei, „an dem grundlegende Erkenntnisse erworben werden konnten, die die Erschließung anderer (neuer) Sachverhalte wesentlich erleichterten“ (Stübig/Stübig 2007, S. 185). Latein repräsentierte obendrein in besonderer Weise die Anbindung an das Christentum. Dieses Fach wurde im Lauf der Zeit höher gewichtet als das Griechische. Im Zuge des wachsenden Nationalismus wird gegen Ende des 19. Jahrhunderts wiederum das Fach Deutsch bedeutsamer. So verkündet Wilhelm II. auf der Schulkonferenz von 1890: „Wir müssen als Grundlage für das Gymnasium das Deutsche nehmen; wir sollen junge Deutsche erziehen, und nicht junge Griechen und Römer“ (zitiert nach Gass-Bolm 2005, S. 30 f.).
Doch diese Idee, dem Leitbild der nationalen Kultur durch die Betonung des Faches Deutsch mehr Gewicht zu verleihen, muss eher als Legitimation für Zwecke verstanden werden, die wenig mit dem Bildungsideal selbst zu tun haben; an erster Stelle wird wohl das Motiv gestanden haben, dass die Schule staatstreue Untertanen als Bollwerk gegen neue sozialistische Ideen produziert. Die jeweiligen Leitbilder, ob nun Antike, Christentum oder die deutsche Nation, erklären die Stellung der gymnasialen Schulfächer im Curriculum. Diese sind, wie das Beispiel Wilhelm II. zeigt, eng mit gesellschaftlich-politischen Überlegungen verflochten. Die gymnasialen Schulfächer geben damit, wie Stübig und Stübig (2007, S. 185) herausstellen, „eine Antwort auf eine spezifisch historisch-gesellschaftliche Situation“. Ad b: Gleichstellung der Höheren Schulen Der formellen Gleichberechtigung der drei Typen Höherer Schulen 1900 lief eine lange Diskussion voraus, in der die Verfechter der realistischen höheren 42
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Die schematische Darstellung des Lehrplans des humanistischen Gymnasiums nach Süvern von 1813 findet sich in Spranger (1960, S. 254 f.).
Lehranstalten auszuweisen versuchten, dass auch moderne Fremdsprachen und natürlich die Naturwissenschaften einen eigenen Bildungswert besitzen. Blättner (1960, S. 299) meint sarkastisch, „man bemühte sich, nachzuweisen, dass auch die Naturwissenschaften – ganz und gar nicht wegen ihrer Nützlichkeit (bewahre: sie war nur zufällig!), sondern wegen ihrer geistbildenden Kraft in die Schule eintreten durften.“ Das gymnasiale Credo des allgemeinbildenden Werts der Schulfächer wurde mit der Neuaufnahme bzw. Aufwertung der Realien im gymnasialen Fächerkanon zwar nicht verletzt, wohl aber unterlaufen. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass die realistischen höheren Schultypen den Charakter von Vorbereitungsschulen für bestimmte Fächer (z. B. die Naturwissenschaften und die Medizin) hatten, die in der Gesellschaft im Zuge des wissenschaftlichen Fortschritts und vor allem in den Einzelwissenschaften der Universitäten mehr und mehr an Relevanz gewannen. Somit war die Aufwertung der Realien in erster Linie eine Konsequenz gesellschaftlicher, wirtschaftlicher sowie wissenschaftlicher Entwicklungen und in zweiter Linie eine Strategie zur Erhaltung des gymnasialen Fächerkanons – wenn auch um den Preis der gleichberechtigten Anerkennung weiterer gymnasialer Schulformen –, denn sonst wäre das altsprachliche Gymnasium seinerseits ins Abseits gerückt. Die Argumentation verlief dabei allerdings immer umgekehrt: Nicht „zuerst des künftigen (realistischen) Berufs wegen, sondern weil die ‚Zeit‘, die Gegenwart, später die ‚Kultur‘ es verlangte“ (Blättner 1960, S. 21). Durch die ‚realistischen‘ Veränderungen verliert das Motiv der allgemeinen Menschenbildung an Bedeutung, aufgegeben wird es allerdings nicht (vgl. Blättner 1960, S. 241). Blankertz (1982a, S. 333) ist zuzustimmen, dass das Gymnasium zu keiner Zeit beanspruchte, „mit seinen Unterrichtsfächern auf die diesen Fächern entsprechenden Wissenschaften speziell vorzubereiten.“ Trotzdem hat es die Aufgabe der Vorbereitung übernommen – durch die „wiederholt betonte Abgrenzung der Allgemeinbildung von der Berufsbildung einerseits und die faktische Anerkennung berufsbezogener Bildungsgänge andererseits“ (Furck 1998, S. 326). Seitdem findet sich eine Mehrdeutigkeit der Funktionen des gymnasialen Fächerkanons: Dieser besitzt einen allgemeinbildenden Wert, wird darüber hinaus als gegenwärtig relevant eingestuft und scheint auch als Einführung in die Fachwissenschaften zu taugen. So schrieb Wilhelm Flitner (1961, S. 108) Anfang der 1960er Jahre, dass die Schulfächer „gleichsam als unterstes Stockwerk aller gesellschaftlich wichtigen Wissenschaften angesehen“ werden. Dies stelle den Versuch eines Lehrplans dar, „in dem möglichst alle Elementarstufen jener Wissenschaften zusammengestellt werden, was dann als ‚Allgemeinbildung‘ bezeichnet“ (ebd.)
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werde. Flitner selbst zielte dem gegenüber mit seinem Versuch der Bestimmung der Hochschulreife auf etwas anderes: Mit seinem ersten Tutzinger Maturitätskatalog (1958) gewichtete er die formale Bildung (durch das Konzept der „vier Initiationen“) stärker, um eine Lösung für die überquellenden Stoffkataloge zu finden, an denen die Gymnasien zu ersticken drohten. Diesem Konzept fügte er einen „Minimalkatalog“ bei, in dem die gymnasialen Lehrinhalte doch wieder in Form eines materialen Stoffkatalogs festgeschrieben waren, in dem sich das bekannte Ensemble der Schulfächer wiederfand. Letztlich konnte auch mit dem Tutzinger Maturitätskatalog der stete Legitimationsverlust des gymnasialen Fächerkanons angesichts der wachsenden Verzweigung der Wissenschaften nicht aufgehalten werden. Ad c: Reform der Gymnasialen Oberstufe Mit der Reform der Gymnasialen Oberstufe von 1972 ordnete die KMK in der Bonner Vereinbarung (KMK 1972) die alten Schulfächer (gemeinsam mit neuen, z. B. Pädagogik, Rechtskunde, Geologie, Technologie, Wirtschaftslehre) drei Aufgabenfeldern zu (siehe Tabelle 4.2 auf S. 157), die seitdem die weiterentwickelte curriculare Grundstruktur der NGO darstellen. Damit könne, so die Expertenkommission (1995, S.10), dieses „Modell der Ordnung des Wissens [. . .] als ein moderner Versuch der Abbildung der Welt im Wissen der Schule verstanden werden.“ Man kann davon ausgehen, dass die Reform von 1972 ebenfalls eine Reaktion darauf war, dass die alten Lehr- und Lernanforderungen nicht mehr einer „als gültig erlebbaren Bildungswelt“ (Blankertz 1982a, S. 334) entsprachen. Stattdessen hat der gymnasiale Bildungsweg während der Bildungsexpansion durch sein Berechtigungszertifikat zunehmend an Bedeutung gewonnen (vgl. Abschnitt 4.3). Dazu passt, dass in der Bonner Vereinbarung kein ethisch begründetes Bildungsziel angegeben wird (vgl. Zimmermann/ Hoffmann 1985, S. 22, 72; Wicke 1998, S. 48). Dies wird erst 1977 mit der Formel von der „Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung“ nachgereicht. Um die Hochschulreife zu erwerben, müssen alle drei Aufgabenfelder abgedeckt werden. Innerhalb dieser Aufgabenfelder sind Wahlmöglichkeiten vorgesehen, so dass nicht alle Schüler den gleichen Stundenplan zu absolvieren haben. Diese Wahlmöglichkeiten dienen dazu, individuelle thematische Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen. Auffallend ist, dass die überwiegende Mehrheit der Fächer wiederum dem traditionellen Fächerkanon entspricht. Roeder und Gruhn (1996, S. 516 f.) folgern, dass sich daher in allen Bundesländern gleichermaßen „trotz individueller Wahlen ein ge-
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Tabelle 4.2: Aufgabenfelder und zugeordnete Schulfächer in der Gymnasialen Oberstufe. Aufgabenfeld
Fächer
Sprachlich-literarischkünstlerisch
Deutsch, Fremdsprachen, Kunst, Musik und ggf. weitere Fächer des künstlerischen Spektrums
Gesellschaftswissenschaftlich
historische, politische, soziale, geographische, wirtschaftliche, rechtliche und – je nach Länderregelung – auch philosophische, ethische oder religiöse Fragestellungen
Mathematik, Naturwissenschaften (Biologie, MathematischChemie, Physik), Informatik, technische Fächer naturwissenschaftlichtechnisch Sport wird keinem Aufgabenfeld zugeordnet. Die Zuordnung des Fachs Religionslehre richtet sich nach den jeweiligen Bestimmungen der Länder. (Quelle: KMK 1972, i. d. F. 2006, S. 6 f.)
meinsamer Kernlehrplan der [Gymnasialen Oberstufe ergebe], der für praktisch alle Schüler die Fächer Deutsch, Mathematik, ein bis zwei Fremdsprachen, ein bis zwei Naturwissenschaften, ein bis zwei sozialwissenschaftliche Fächer, Religion/Philosophie, Musik/Bildende Kunst und Sport umfasst.“ Trotz dieser Reform, die eine erhebliche Erweiterung des gymnasialen Fächerspektrums ermöglichen sollte, hat sich realiter wieder der traditionelle Fächerkanon durchgesetzt. Die NGO ist ein Ausdruck für ein zeitgemäßes Wissenschaftsverständnis. Im Unterschied zu den verschiedenen Maturitätskatalogen aus früheren Zeiten wird durch das Prinzip der Wahlen dem Umstand Rechnung getragen, dass die Entwicklung der Wissenschaften nicht mit einer bloßen Modernisierung und ggf. dem Austausch von Unterrichtsinhalten eingeholt werden könne. Stattdessen gewinnt der Gedanke an Überzeugungskraft, dass Wissenschaft exemplarisch an solchen Inhalten gelernt werden müsse, deren Prinzipien, Problematik und Bedeutung sich auch auf andere Bereiche übertragen lasse. Beachtlich ist ebenfalls, dass Möglichkeiten zur unter-
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schiedlichen inhaltlichen Füllung der Hochschulreife nun von den Schülern selbst wahrgenommen werden können (vgl. Höhne 1974, S. 70). Den Lernern wird so innerhalb des Gymnasiums ein Mitspracherecht für den eigenen Bildungsprozess zugestanden und ihre Heterogenität wird sowohl in den Voraussetzungen als auch in den persönlichen Zielen stärker berücksichtigt. Insbesondere seit dieser Reform ist allerdings auch strittig, inwiefern Wahlmöglichkeiten die Idee der gymnasialen Allgemeinbildung konterkarieren. Denn wenn man tatsächlich durch weitgehend beliebige bildende Inhalte (mit denen ‚nur‘ die drei Aufgabenfelder abgedeckt werden müssen) entsprechende Kompetenzen und Fähigkeiten entwickeln kann, um die Allgemeine Hochschulreife zu erreichen, erübrigt sich die spezielle gymnasiale Schulform und wird deren traditioneller Fächerkanon schlicht weiter in Frage gestellt; denn die Idee der Aufgabenfelder als Ordnungsprinzip wäre leicht auf andere Schulformen in der Sekundarstufe II zu übertragen – zu denken ist hier natürlich an eine Übertragung auf beruflich orientierte Schulen. Zur Verteidigung des gymnasialen Allgemeinbildungsanspruchs wurde der Anteil der Wahlmöglichkeiten schon wenige Jahre nach 1972 mit dem Hinweis auf die zentrale Bedeutung bestimmter Schulfächer wieder eingeschränkt. Dies erklärt, warum die Oberstufenschüler bei den Kurswahlen vorrangig die traditionellen Fächer wählen: Ihnen bleibt wenig anderes übrig. Bestimmten Schulfächern wurde der Status eines gymnasialen Kerns zugestanden: In der „Vereinbarung zur Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe“ von 2006 wird den drei Schulfächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache besondere Bedeutung für die Ziele des gymnasialen Unterrichts zugesprochen (vgl. KMK 2006, Abschnitt 2.1). Diese Fächer werden wieder als „Hauptfächer“ verstanden, kritisiert Huber (2008, S. 24), „alle anderen zu Nebenfächern degradiert.“ Es liegt auf der Hand: Je höher der Anteil an Pflichtfächern und -stunden, desto größer wird der Abstand der Gymnasialen Oberstufe zu den übrigen Schulformen. So vermutet Herrlitz (1982, S. 106), „dass der Versuch einer verbindlichen Kanonisierung des Hochschulreifebegriffs immer eine restriktive, gesellschaftspolitisch konservative Tendenz enthält.“ Durch die inhaltliche Festlegung erfolgt dementsprechend eine institutionelle Normsetzung, durch die das Gymnasium seinen eigenen Status behaupten kann, was an drei wichtigen Entwicklungsstationen des Fächerkanons illustriert wurde. Gleichzeitig zeigt sich daran das Problem, mit dem alle inhaltlichen Bestimmungen der Allgemeinen Hochschulreife zu kämpfen haben: Wie kann
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bildungstheoretisch ein Grundstock an allgemeiner Bildung für alle Abiturienten gelegt und gleichzeitig der fachlichen Spezialisierung und Differenzierung genüge getan werden (vgl. Wolter 1987, S. 304)? Diese Kernfrage muss immer wieder neu beantwortet werden, solange am Abitur als Ausweis der Allgemeinbildung und der Hochschulreife festgehalten wird. Allgemeinbildung als Ziel der Gymnasialen Oberstufe wird aber auch grundsätzlich kritisiert, weil der Begriff aus Sicht der Kritiker verschwommen sei. Allgemeinbildung diene nur noch als „Leerformel in der schulpolitischen Auseinandersetzung“, meint beispielsweise Furck (1998, S. 326 f.; ähnlich bereits ders. 1965, S. 12) und daher wisse letztlich niemand, was das eigentlich sei. Auch Tenorth (1974, S. 16) bemerkte früher kritisch, dass in der umgangssprachlichen Fassung des Begriffs „sowohl die schulpolitische wie bildungstheoretische, didaktische wie Statusproblematik in einer Weise gebündelt [sind], die den Begriff vage und verschwommen, für Missverständnisse und divergierende Interpretationen offen in einer Weise verwenden lässt, die es erlaubt, beliebige Assoziationen zu wecken, aber kaum strittige Fragen zu klären.“ Insgesamt liegt der Schluss nahe, dass mit Listen von Schulfächern und Stundentafeln keine überzeugende Fundierung eines Allgemeinbildungskonzepts gelingen kann. So hat die Festlegung der KMK (1997, S. 2) von 265 Jahreswochenstunden Unterricht ab der 5. Klasse als Minimum bis zur Abiturprüfung ebenso wenig mit Allgemeinbildung zu tun wie die Vorgabe der KMK (2006, Abschnitt 7.3), dass in der Einführungsphase der Gymnasialen Oberstufe zwei Fremdsprachen belegt werden müssen.43 Wenn man weiterhin auf das gymnasiale Ziel der „vertieften Allgemeinbildung“ setzt, dann muss man nicht die Fächer, sondern den Bildungsgehalt an Inhalten untersuchen. Es gilt also, den ‚Spieß umzudrehen‘ und nach Wegen zu suchen, wie Allgemeinbildung erreicht werden kann. Dies ist von Klafki in Angriff genommen worden: Statt eine Summe von Schulfächern oder prüfungsrelevanten Inhalten erst festzulegen, diese dann als gymnasialen Standard zu definieren und mit dem Etikett „allgemeinbildend“ zu erhöhen, geht er von der Person aus, die sich an zentralen Problemen (den „epochaltypischen Schlüsselproblemen“) bildet. Allgemeinbildung, so Klafki (2007, S. 56), „bedeutet in dieser Hinsicht, ein geschichtlich vermitteltes Bewusstsein von zentralen Problemen der Gegenwart und – soweit voraussehbar 43
„Für die Verständigung in unserer Kultur – wie für die Orientierung in unseren Wissenschaften – sind beispielsweise zwei Sprachen ebenso zu wenig wie eine oder gar keine. Wer dies nicht weiß, ist nicht allgemein gebildet, gleich ob er nun Latein oder Englisch oder beides kann“ (Hentig 1980, S. 140, Hervorhebung im Original).
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– der Zukunft zu gewinnen, Einsicht in die Mitverantwortlichkeit aller angesichts solcher Probleme und Bereitschaft, an ihrer Bewältigung mitzuwirken.“ Durch gezielte Fragen müsse sich der bildungstheoretische Gehalt eines Inhalts begründen lassen (vgl. auch Langewand 2002, S. 79). Klafkis Überlegungen zum Bildungsbegriff haben maßgeblich dazu beigetragen, den Allgemeinbildungsbegriff zu rehabilitieren und durch die didaktische Analyse ein Verfahren zur Konzeption und Prüfung von Lehrplänen anzubieten. So kann Klafkis Bildungsbegriff, der den Anspruch einer zeitgemäßen Aktualisierung beinhaltet, auf die Schule angewendet werden, um eine „produktive Spannung“ (Mack 1997, S. 364) zwischen institutionalisiertem Bildungsangebot auf der einen und unverfügbaren Bildungserfahrungen der Subjekte auf der anderen Seite zu erzeugen. Überblickt man die verschiedenen Allgemeinbildungskonzepte, lassen sich zwei Ebenen unterscheiden, nämlich die allgemeine Frage nach Bildung selbst und die spezielle nach einer adäquaten Studienvorbereitung. Der zweite Aspekt hat in den letzten Jahrzehnten sehr an Bedeutung gewonnen, so dass er sich vom Allgemeinbildungsbegriff abgespalten und zu einem eigenen Topos weiterentwickelt hat: „Studierfähigkeit“. 4.2.2
„Allgemeine Studierfähigkeit“
Dass „Studierfähigkeit“ als Ziel der Gymnasialen Oberstufe ein enormer Stellenwert zugeschrieben wird, verdeutlicht einmal mehr die zentrale Ausrichtung der Gymnasien auf die Hochschulen. Denn dass die Allgemeine Hochschulreife auch den Weg in eine „vergleichbare berufliche Ausbildung“ (KMK 2006, Abschnitt 1) ermöglichen soll, ist nach wie vor (oder mehr denn je) ein nachgeordnetes Ziel. Der Begriff Studierfähigkeit, der erst seit den 1970er Jahren breitere Verwendung gefunden hat (vgl. Huber 1998, S. 152) kann als modernere Fassung des Hochschulreifebegriffs gelten: Gemeinsam ist beiden Begriffen, dass etwas über die allgemeinen Anforderungen des Hochschulstudiums ausgesagt wird, denen eine Studienanfängerin genügen soll. Während der Reifebegriff dabei als Eigenschaft einer Person zu gelten hat, steht hinter dem Fähigkeitsbegriff die dynamische Vorstellung, dass etwas erlernt worden ist: „Reife ist ein Zustand, Fähigkeit ist eine Eigenschaft, das eine ‚ist‘ man, das andere ‚hat‘ man – es lässt sich also von der Person losgelöst definieren, erfassen, messen“, erläutert Hentig (1980, S. 144). Studierfähigkeitskonzepte sind besonders für die Hochschulen interessant, denn diese können auf diese Weise ihre Erwartungen an die Fähigkeiten der Abiturienten formulieren. Bildlich formuliert, brauchen sie also die Studi-
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enanfänger nicht dort abzuholen, wo sie tatsächlich stehen, sondern sie können definieren, wo sie aus ihrer (in der Regel fachwissenschaftlich geprägten) Sicht stehen sollten. Sie dort hinzubringen ist dann die Aufgabe der Gymnasialen Oberstufe. Darüber hinaus besteht auch das Interesse der Hochschulen, mit diesen Anforderungen Zugangskriterien zu den Hochschulen zu definieren (vgl. Tenorth 1974, S. 22). Im Gegensatz zum normativen Allgemeinbildungsbegriff wird mit Studierfähigkeit zumindest ein Anspruch empirischer Wissenschaft assoziiert, der im Prinzip daran überprüft werden muss, ob die als studierfähig geltenden Abiturienten tatsächlich erfolgreich studieren (könnten).44 In der Praxis gestaltet sich dieses Vorhaben allerdings aus zwei Gründen sehr schwierig: Erstens ist die Debatte über die Studierfähigkeit von subjektiven Wahrnehmungen und Einzelmeinungen überlagert.45 Dagegen gibt es bislang nur sehr wenige empirische Studien, die durch die Entwicklung entsprechender Konzepte und Kriterien diese Debatte hätten versachlichen können. Zweitens ist mit dem Begriff in der Gymnasialen Oberstufe immer eine allgemeine (ausdrücklich keine fachspezifische) Studierfähigkeit intendiert, die also gleichermaßen auf das Studium aller Einzelwissenschaften vorbereiten soll. Angesichts der sehr unterschiedlichen Fachkulturen, die sich zudem stetig ausdifferenzieren, ist diesem Anspruch nur schwer oder vielleicht auch gar nicht nachzukommen – zumal keineswegs alle Studiendisziplinen im gymnasialen Fächerkanon repräsentiert sind. Insgesamt besteht zumindest, folgt man der Expertenkommission (1995, S. 79), ein Konsens darin, „dass Studierfähigkeit kognitive, motivationale, ethische und soziale Dimensionen des Handelns und Verhaltens von Personen bündelt.“ Studierfähigkeit sei „solides Können und Wissen in bestimmten Fächern, Beherrschen von Lern- und Studiertechniken und Einstellungen und Verhaltensweisen, die für intensives geistiges Arbeiten unverzichtbar sind“ (ebd., S. 94 f.). Allerdings gibt es nach wie vor einen Dissens 44
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Aber auch diese Definition ist nicht unproblematisch: Selbst wenn Studierende nicht erfolgreich studieren, bzw. ihr Studium abbrechen, muss das nicht auf ‚mangelnde Studierfähigkeit‘ zurückzuführen sein. Denn wie aus den HIS-Befragungen zum Thema hervorgeht, erfolgt nur „ein kleiner Bruchteil der Studienabbrüche [. . .] wegen Überforderung“ (Lewin 1999, S. 19). Weitaus die meisten Abbruchentscheidungen sind auf „persönliche Konstellationen sowie auf Arbeitsmarkteinschätzungen“ (ebd., S. 20) zurückzuführen. Die Geschichte dieser meist scharfen Klagen ist dokumentiert bspw. bei Anweiler (1995), Expertenkommission (1995, S. 23 f. mit einer Liste von „Mängelhypothesen“), Hentig (1980, S. 144–150) und Huber (1994; 1997 und 1998).
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darüber, wie Studierfähigkeit theoretisch beschrieben und wie sie realisiert werden könnte. Im Folgenden werden drei Studien zur Studierfähigkeit vorgestellt, um die Bandbreite und das Potential der vorliegenden Studierfähigkeitskonzepte bewerten zu können, nämlich a) die vom Hochschulverband unterstützte Mitgliederbefragung von Heldmann (1984), b) die fortlaufenden Studienanfängerbefragungen der HIS (hier: Heine et al. 2007) und c) die auf Schulleistungsstudien zurückgreifenden Überlegungen von Köller und Baumert (2002). Ad a: Heldmann Werner Heldmann geht in seiner Studie „Studierfähigkeit“ (1984), einer Befragung von Hochschullehrern, davon aus, dass angesichts der Entwicklung der Einzelwissenschaften die Gestaltung des Gymnasiums regelmäßig überprüft werden müsse, um sicherzustellen, „dass mit dem Abitur auch die allgemeine Studierfähigkeit erworben wird“ (ebd., S. 21). Obzwar Heldmanns Studie seinerzeit zweifellos auf einer großen Datenbasis beruhte, ist sie nicht repräsentativ für alle Hochschullehrer, weil nur die Mitglieder des als konservativ geltenden Hochschulverbands befragt, und von ihnen auch nur etwa 11 Prozent geantwortet haben. Zudem macht Huber (1997, S. 339) die Kritik geltend, dass Befragungen von Hochschullehrern Antworten produzieren, „in denen Deskriptionen der Tätigkeiten und Anforderungen im jetzigen Studium nur zu kleinem Teil, eigene Erfahrungen zurückliegender Bildung und zum größten Teil daraus extrapolierte eigene Normenvorstellungen zur Allgemeinbildung (z. B.: ‚gute Geschichtskenntnisse‘ !) – mehr als nur Studierfähigkeit – von vornherein zusammenfließen.“ Weiter kann bemängelt werden, dass die empirischen Ergebnisse von Heldmann nur teilweise seine Thesen über den Zusammenhang von Studierfähigkeit und Allgemeiner Hochschulreife verifizieren, der Autor aber seine Ergebnisse so interpretiert, dass sie dennoch seine Annahmen stützen. Dies zeigt sich u. a. schon in der Anlage der Studie: Heldmann fragt zwei große Bereiche ab, nämlich das „Gewicht der formalen Fähigkeiten und kategorialen Erfahrungen“ (z. B. „Denkvermögen“ oder „Kontaktfähigkeit“) und den „Anteil der Schulfächer für die Aufnahme von Fachstudien“ (Heldmann 1984, S. 67). In Bezug auf letzteres listet er den bestehenden gymnasialen Fächerkanon auf und ermittelt, inwiefern z. B. das Fach Mathematik im Allgemeinen sowie Elementargeometrie im Besonderen aus Sicht des Hochschullehrenden relevant seien (vgl. zur Entwicklung des Fragebogens: Heldmann 1984, S. 67–83). Also wird der Fächerkanon insgesamt gar nicht erst zur Disposition gestellt.
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Während die aufgelisteten formalen Fähigkeiten kaum als empirische Indikatoren taugen, weil sie viel zu allgemein oder abstrakt sind (z. B. „Denkvermögen“), ergeben die Einschätzungen der gymnasialen Schulfächer durch die Hochschullehrer letztlich genau so viele verschiedene Profile wie Fachkulturen (was eher die Hypothese stützt, dass die Hochschullehrenden sich für fachspezifische, aber nicht für die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung aussprechen müssten). Diese verschiedenen Profile werden von Heldmann dann zu drei „Schwerpunktprofilen“ gebündelt, nämlich ein geistes-, ein sozial- und ein naturwissenschaftliches Profil (ebd., S. 235). Daneben gewinnt Heldmann das Ergebnis, dass alle Befragten die beiden Fächer Deutsch und Englisch für ihre Fächer als zentral einschätzen (ebd., S. 386). Heldmanns Studie ist weniger wegen ihrer empirischen Ergebnisse, sondern aufgrund des dort entwickelten allgemeinen Studierfähigkeitskonzepts bekannt geworden, in dem Studierfähigkeit als „Gefüge von personalen, formalen und materialen Bildungsvoraussetzungen“ definiert wird (ebd., S. XIX). Heldmann geht von fünf Dimensionen der Studierfähigkeit aus, nämlich „Ausbildungsinteresse, Vorhandensein elementarer Voraussetzungen für wissenschaftliches Arbeiten, Formen geistigen Tätigseins, Ausprägung der Persönlichkeit, Interesse und Engagement“, auf die noch weitere allgemeine Leistungskriterien verteilt werden (ebd., S. 385). Ob diese Dimensionen der Studierfähigkeit durch Heldmanns Studie tatsächlich empirisch fundiert wurden, ist indes fraglich. Letztlich bestätigt diese Studie nur normativ den Status quo des Hochschulzugangs (u. a. die Rolle der gymnasialen Schulfächer und die Ansprüche der Hochschulen). Aber Heldmanns „Dimensionen der Studierfähigkeit“ zeigen noch etwas anderes: Es handelt sich eigentlich nur um eine Liste von persönlichen Eigenschaften oder Haltungen, die nicht objektiv gemessen, sondern nur subjektiv behauptet werden können. Ein vermeintlicher Mangel an Studierfähigkeit (z. B. eine „wenig ausgeprägte Persönlichkeit“) wäre damit ein persönlicher Makel, der das Übergangssystem insgesamt nicht in Frage stellt. Dieses Vorgehen kann insbesondere in Überfüllungssituationen das institutionelle Problem verschleiern, indem die vermeintlichen Gründe für die Krise ins Private verlagert werden. Ad b: HIS-Studienanfängerbefragungen Die Studienanfängerbefragungen der HIS verfolgen einen anderen Ansatz: Sie befragen nicht die Hochschullehrenden, sondern die Studierenden, die im Rückblick ihre eigene Vorbildung hinsichtlich einiger Schulfächer und bestimmter formaler Kompetenzen einschätzen sollen. Die HIS-Studien gehen
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dabei pragmatisch vor mit dem Ziel, eher unstrittige Aspekte empirisch zu fundieren. So fragen Heine et al. (2007, S. 226) die Studienanfängergeneration des Wintersemesters 2005/06 nach Kenntnissen in Deutsch, Englisch, Mathematik, weitere(n) Fremdsprache(n), Politik und Naturwissenschaften sowie formalen Fähigkeiten u. a. „selbstständige Lebensführung“, „kommunikative Fähigkeiten im Umgang mit Hochschullehrern und Studierenden“ und „Wissenslücken eigenständig füllen“. Hinzu kommt noch der traditionelle Begriff „Allgemeinbildung“, sowie die beiden Items „praktische Computerkenntnisse“ und „Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens“. Ihre Ergebnisse sind hinsichtlich der erfassten Stärken und Schwächen interessant: So gaben nur 57 Prozent der Studienanfänger an, über ausreichende Kenntnisse und Fertigkeiten zu verfügen, um das Studium selbstständig gestalten zu können. Jeder siebte Studierende fühlt sich nicht ausreichend vorbereitet (vgl. Heine et al. 2007, S. 227). Stärken bescheinigen sich die Studierenden indessen sowohl hinsichtlich ihrer Selbstsicherheit als auch in Bezug auf die Eigenständigkeit in der Lebensführung. In den Bereichen Deutsch und Englisch ist eine Mehrheit der Meinung, gut vorbereitet zu sein. In Mathematik ist allerdings knapp über die Hälfte der Studierenden nicht davon überzeugt, über ausreichende Kenntnisse zu verfügen. Aufgeschlüsselt nach den gewählten Studienfächern präsentiert sich abermals ein anderes Bild: Hier ist ein Zusammenhang zwischen der selbst wahrgenommenen Kompetenz und der Einschätzung der Relevanz des jeweiligen Faches für das eigene Studium erkennbar. Beispielsweise attestieren sich die Kunst/Kunstwissenschaften-Studierenden wenig mathematische Kompetenz, sind aber mehrheitlich auch davon überzeugt, in diesem Bereich keine solchen Kenntnisse zu brauchen (vgl. Heine et al. 2007, S. 229). Insgesamt bestätigt sich für alle Fachgruppen, dass die Studierenden eher zu bezweifeln scheinen, dass sie den breiten gymnasialen Kanon für ihre persönliche Studierfähigkeit benötigen. Im Gegenzug zeigt sich aus ihrer Perspektive, dass je nach gewähltem Studienfach die entsprechenden gymnasialen Unterrichtsfächer besondere Relevanz besitzen (vgl. ebd.). Auch wenn die Autoren der Studie nicht diesen Schluss ziehen, kann dieser Befund als Argument gegen allgemeine und für fachspezifische Konzeptionen von Studierfähigkeit interpretiert werden. Ob die Studierenden ihre Stärken im Bereich der Selbstkompetenz mehrheitlich der Gymnasialen Oberstufe verdanken bzw. ihre Schwächen bei den Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens dieser Schulform anlasten, wird in den HIS-Studien offengelassen. Doch kann mit Lewin et al. (2000, S. 13) „mit Sicherheit angenommen werden, dass die studienvorbereitende Schule die entscheidende Quelle für
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das zum Einstieg in das Studium benötigte Wissen darstellt.“ Das besondere Verdienst der bundesweit repräsentativen Studienanfängerbefragungen der HIS liegt alles in allem darin, die Studierfähigkeitsdebatte ‚vom Kopf auf die Füße‘ zu stellen, u. a. durch das Ergebnis, dass „die schulische Vorbereitung auf das Studium von den Studienanfängern über die vergangenen 20 Jahre hinweg überwiegend und mit bemerkenswerter Konstanz kritisch gesehen“ wird (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 175). Die HIS-Studien liefern also keine normativen Konzepte, aber sie artikulieren durch das Erfassen der studentischen Sicht begründeten und konkreten Veränderungsbedarf. Ad c: Köller und Baumert Der Beitrag von Olaf Köller und Jürgen Baumert „Das Abitur – immer noch ein gültiger Indikator für die Studierfähigkeit?“ (2002) ist für die ‚NachPISA-Ära‘ in Deutschland bezeichnend: Obwohl PISA in der Sekundarstufe I stattfindet, stellte die Nachricht, dass selbst die Gymnasiasten keine herausragenden Ergebnisse bei den internationalen Leistungsvergleichsstudien erreicht hatten, auch die Effizienz der Gymnasialen Oberstufe in Frage. Köller und Baumert kritisieren, dass in Deutschland über Jahrzehnte hinweg „Ergebnisse empirischer Forschung im ideologischen Streit einfach unbeachtet“ (ebd., S. 13) blieben und Langzeituntersuchungen fehlten. In der Tradition des Deidesheimer Kreises (1997) erörtern sie gängige standardisierte Verfahren, die in verschiedenen Ländern zur Prüfung der Studientauglichkeit eines Bewerbers verwendet werden, z. B. Kenntnistests, die auf die Überprüfung fachlichen Wissens zielen, Studierfähigkeitstests, die allgemein studienrelevante Fähigkeiten und Fertigkeiten abfragen, sowie Fremdsprachentests. Ihre Bilanz ist, „dass sich erfolgreiche Schulkarrieren, die in guten Abschlussnoten zum Ausdruck kommen, an der Universität fortsetzen“ (ebd., S. 16). Das Abitur sei demgemäß nach wie vor der beste Einzelindikator für Studierfähigkeit. Dies liege daran, dass die Schulnoten indirekt „Maß einer globalen intellektuellen Leistungsfähigkeit und eines lernförderlichen Verhaltens“ (ebd., S. 15) seien. Darüber hinaus bekräftigen Köller und Baumert (2002, S. 19) den Vorschlag der Expertenkommission (1995), die Studierfähigkeit durch vertiefte Kenntnis in Mathematik, der ersten Fremdsprache und Deutsch verbessern zu können, denn die mäßigen Ergebnisse der Schüler in den drei Tests TIMSS, TOEFL und BIJU, mit denen entsprechende Kompetenzen in diesen Fächern gemessen wurden, zeigten „Optimierungsbedarf“ für das deutsche Bildungssystem. Sie kommen zu dem Schluss, dass „im bundesdeutschen System der Sekundar-
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stufe II die Vorbereitung auf das Studium gelingt, wenn Mindeststandards in den Kernfächern erreicht werden“ (ebd.). In ihrer Untersuchung wird ein interessantes Phänomen sichtbar: Verkürzt man die Frage nach sinnvollen Studierfähigkeitskonzepten auf den Vergleich der Abiturdurchschnittsnote mit einem erfolgreich abgeschlossenen Studium, wird die Gymnasiale Oberstufe bestätigt: Gute schulische Leistungen (d. h. gute Noten) weisen auf die höhere Wahrscheinlichkeit hin, ein Studium erfolgreich abzuschließen. Die Abiturnote funktioniere als Studierfähigkeitsindikator, weil sie sich aus vielen Einzelleistungen zusammensetzt, die über einen längeren Zeitraum von verschiedenen Lehrkräften gemessen wurden, resümieren Köller und Baumert. Überblickt man diese Studien, ist in Hinblick auf den zu Beginn dieses Abschnitts (s. S. 161) als doppelt schwierig eingestuften Ansatz von Studierfähigkeitskonzepten Folgendes zu bilanzieren: Erstens scheint es nur in bescheidenem Maß möglich zu sein, auf empirischem Weg den ‚Bedarf‘ für eine Weiterentwicklung von Studierfähigkeitskonzepten zu erfassen, da entsprechende Indikatoren noch weitgehend fehlen. Eine Verschränkung der verschiedenen Forschungsansätze könnte jedoch zur Weiterentwicklung der Studierfähigkeitsfrage beitragen, wie es – m. E. einmalig in Deutschland – von Kazemzadeh et al. (1987) in ihrer Mehrebenen-Analyse versucht wurde: Neben den Hochschullehrenden wurden auch Studierende und Gymnasiallehrkräfte schriftlich befragt, Einzelinterviews geführt, empirische Daten anderer Untersuchungen ausgewertet und die Beziehung von Gymnasium und Hochschule problemgeschichtlich eingeordnet. Auf diese Weise könnte zumindest die Studierfähigkeitsdebatte versachlicht werden. Zweitens offenbart die Frage danach, ob es so etwas wie eine allgemeine oder doch nur fachspezifische Studierfähigkeit geben kann, ein Dilemma: Während die Ergebnisse von Köller und Baumert (ferner: Schuler 2006; Kraus 2006a; Hinneberg 2003 u. a.) für eine allgemeine Studierfähigkeit sprechen, die von der Gymnasialen Oberstufe vermittelt und im das Abitur bescheinigt wird, weisen die Ergebnisse der HIS-Untersuchungen und tendenziell auch die von Heldmann (1984) in Richtung fachspezifischer Studierfähigkeiten. Ein Blick in die Geschichte bietet für den letzten Befund einen Erklärungsansatz: Die Klagen über mangelnde Studierfähigkeit gab es bereits im 18. Jahrhundert (vgl. Herrlitz 1973, S. 99 ff.) und ebenso wurden Kataloge gefordert und auch konzipiert, in denen die schulischen Voraussetzungen
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für ein Studium aufgelistet wurden. Allerdings sind diese, wie Blankertz schreibt, aus zwei Gründen nie verbindlich durchgesetzt worden. Denn: „Einerseits hätte eine am Ideal der Berufs- und Standeserziehung orientierte Didaktik zu keinen inhaltlichen Aussagen über die Studierfähigkeit generell, sondern nur fakultäts- und fachspezifisch kommen können [. . .]; andererseits hätte eine genau definierte Zulassungsprüfung eine Leistungsselektion bedeutet, die nicht mit dem Standesprinzip zu vereinbaren gewesen wäre.“ (Blankertz 1982, S. 126)
Entspricht diese Deutung auch den heutigen Gegebenheiten? Das würde in Übereinstimmung mit den HIS-Ergebnissen bedeuten, dass das Ziel „Berufsqualifizierung“, die für die große Mehrheit der Studierenden heute wichtigster Zweck des Studiums ist, durch eine fachspezifische schulische Vorbereitung adäquater realisiert werden könnte. Außerdem weist das Fehlen differenzierter Studierfähigkeitskonzepte (und entsprechender Prüfungen) darauf hin, dass an dieser Stelle die Zugänge offensichtlich nicht nach individuell zu prüfender Eignung eines Studierenden (im Sinne der von Blankertz angesprochenen Leistungsselektion) gestaltet werden. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Köller und Baumert (2002) werden stattdessen unmittelbar das Abitur und der gymnasiale Fächerkanon als Nachweis der Studierfähigkeit gestärkt, wovon wiederum das Gymnasium und die gymnasiale Klientel profitieren. Für diese Interpretation spräche darüber hinaus, dass die Kritik über die vermeintlichen Bildungsdefizite und Untauglichkeit der Studienanfänger nicht abreißt, obwohl es keine stichhaltigen Belege dafür gibt. Bloch et al. (2006, S. 74) weisen darauf hin, dass sich bereits länger als ein Jahrhundert „stabil die Auffassung zahlreicher Hochschullehrer [halte], dass ein Drittel der Studierenden nicht studierfähig sei“ (vgl. auch Konegen-Grenier 2002). Das Klagen über anhaltend sinkende Leistungen scheint also mehr zu sein als nur „eine Begleiterscheinung des Älterwerdens derer, die es feststellen,“ wie Flitner (1961, S. 104) spitz mutmaßte. Zwar lebt die Studierfähigkeitsdiskussion hauptsächlich von „mehr oder weniger plausiblen subjektiven Eindrücken, Beobachtungen und Unterstellungen“ (Lischka/Wolter 2001, S. 13), bemerkenswert ist aber die Beobachtung von Wolter (1987, S. 306), dass solche Diskussionen „vor allem in besonderen Expansionsphasen bzw. (tatsächlichen oder nur vermeintlichen) Überfüllungskrisen“ auftreten, genau dann also, „wenn bestimmte Filterfunktionen beim Übergang“ (ebd.) nicht ausreichend angewendet werden können. Tenorth (1994, S. 120) vermutet in den „schwachen Begründungen der starken Klagen“ desgleichen bildungsrestriktive Absichten, „die Zahl der Studierenden zu begrenzen, das Studium als Standesprivileg zu erhalten und die
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Universitäten in ihrem exklusiven Status zu bewahren.“ Aus ideologiekritischer Perspektive wird Studierfähigkeit damit zum „gesellschaftlich konstruierten Merkmal“ (vgl. Wolter 1987, S. 307), das je nach politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen- und Bedarfslage bestimmten Personengruppen zu- oder abgesprochen werden kann. Als Ergebnis der Studierfähigkeitsdiskussion ist festzuhalten: Zwar ist die Abiturdurchschnittsnote als Indikator für künftigen Studienerfolg empirisch belegt worden. Daraus folgt aber nicht, dass ein im Wesentlichen aus „Kernfächern“ (Deutsch, Mathematik, Fremdsprache) bestehendes Abitur besser auf ein Studium vorbereitet als ein Modell mit vielen Wahlmöglichkeiten (vgl. Keuffer 2008, S. 282). Denn der Wunsch nach einem Abitur-Kanon zur Fixierung von Lehrplänen und Unterrichtinhalten (verbunden mit dem Argument, das Niveau der Prüfung zu sichern) bedeutet nicht mehr als die fortgesetzte Begünstigung des gymnasialen Königswegs. Offen bleibt die Frage, ob und wie das Dilemma von fachspezifischer oder allgemeiner Studierfähigkeit gelöst werden kann. Die Aufgabe besteht darin, die Elemente herauszufinden, die nur für ein bestimmtes Fachstudium oder für jedes Studium notwendig sind. Ein Beispiel für ein solches Studierfähigkeitskonzept ist von dem ehemaligen Leiter des Bielefelder Oberstufenkollegs, Ludwig Huber, entwickelt worden. Er vermeidet die ‚Falle‘ des gymnasialen Fächerkanons, um eine Weiterentwicklung oberhalb der schulischen bzw. universitären Fächer zu versuchen (allgemeinere, formale Fähigkeiten und Haltungen) und unterhalb, nämlich in kleineren Einheiten, die er „basale Fähigkeiten“ nennt. Das sind „Sprachkompetenz in der deutschen Sprache, Kommunikationsfähigkeit in Englisch, zumal als Sprache der internationalen Wissenschaft, und Verständnis elementarer mathematischer Funktionen sowie der Wahrscheinlichkeitsrechnung“ (Huber 1997, S. 340). Diese Fähigkeiten im Bereich der kognitiven Operationen ergeben sich – laut Huber (1995, S. 163, 170) empirisch überprüft – als gemeinsame Schnittmenge aus allen Fachperspektiven. Zum Erlernen genügten einige Grundkurse in der Oberstufe, die auf der Mittelstufe aufbauen. Auf diese Weise könne man mit „deren bewusst begrenzter Definition [. . .] Raum für das eigentliche Ziel, die Allgemeine Bildung“ (ebd.) gewinnen. Auf welchem Niveau dieser basale Bereich anzusetzen ist, versucht Huber (1995, S. 170–176) qualitativ und quantitativ zu bestimmen. Zu den allgemeinen Haltungen gehören (gegenstandsbezogen) Studienmotivation, Lernbereitschaft, Neugier, (zukunftsbezogen) Orientierung in der Berufsperspektive und Fachwahl, (sozialitätsbezogen) Kontakt- und Kommunikationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit, (selbstbezogen) Selbstvertrauen und Ich-
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Stärke, sich auf Infrage-Stellungen einzulassen. Huber geht es hierbei um verschiedene Dimensionen der Selbstständigkeit (inhaltlich, methodisch, organisatorisch und lebenspraktisch). Hubers Konzept fand in politischen Kreisen offensichtlich Beachtung. So taucht der Begriff des „Basalen“ neu in der „Vereinbarung zur Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ in der Fassung von 2006 auf: „Von besonderer Bedeutung sind [. . .] vertiefte Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den basalen Fächern Deutsch, Fremdsprache und Mathematik.“ (KMK 2006, Abschnitt 2.1, Hervorhebung von SK)
Diese Formulierung der KMK kann allerdings nur als Missverständnis eingestuft werden, da sie Hubers Intention zuwider läuft: In seinem Sinne entsprechen „basale Fähigkeiten“ nicht bestimmten Schulfächern (vgl. auch Huber 1998, S. 168 f.). In der vorherigen Fassung von 2003 (KMK 2003c, Abschnitt 2.4) standen bereits diese drei Fächer als Kern eines gymnasialen Kanons fest, jedoch wurden sie dort nicht als „basal“ bezeichnet. Nur in dieser älteren Version finden sich jedoch Erläuterungen zur Studierfähigkeit, die Hubers Idee der „basalen Fähigkeiten“ gerecht werden könnten: Für die Studierfähigkeit seien drei Kompetenzbereiche relevant, nämlich „sprachliche Ausdrucksfähigkeit“, „verständiges Lesen komplexer fremdsprachlicher Sachtexte“ und der sichere „Umgang mit mathematischen Symbolen und Modellen“ (KMK 2003c, Abschnitt 2.7). Diesen Abschnitt bilanzierend ist auf den sozial-restriktiven Charakter hinzuweisen, den auf ein ‚hartes‘ Abitur und den rigiden gymnasialen Fächerkanon pochende Studierfähigkeitskonzepte durchweg annehmen. Darüber hinaus kann auch heute noch das Urteil Geltung beanspruchen, das von Hentig (1980, S. 147) über damalige Konzepte fällte: „Sowohl die besondere wie auch die allgemeine Studierfähigkeit erweist sich als ein vages, empirisch gänzlich ungesichertes Konstrukt aufgrund von Expertenmeinungen und statistischen Korrelationen, von Prognose und Erfolg bei einem noch hohen Prozentsatz ungeklärter Varianz der Studienergebnisse.“ 4.2.3
„Wissenschaftspropädeutik“
Im Gegensatz zum Begriff der Studierfähigkeit zielt Wissenschaftspropädeutik nicht ausschließlich auf das Hochschulstudium. In einer „Wissensge-
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sellschaft“ (vgl. Abschnitt 3.3.1) bedeutet eine entsprechende Propädeutik (als Vorbildung und Vorübung) zunächst eine Art Einführung in die Gesellschaft überhaupt. Da die Hochschulen in der Wissensgesellschaft aber eine Schlüsselposition innehaben, liegt es auf der Hand, dass der enger gefasste Begriff von Wissenschaftspropädeutik auf die hochschulische Wissenschaft zielt. Besonders intensiv und kritisch hat sich von Hentig (1967; 1980; 2003) im Zuge der Etablierung des Oberstufenkollegs an der Universität Bielefeld mit der Frage auseinandergesetzt, was Wissenschaft überhaupt und ihre Propädeutik in der Sekundarstufe II bedeuten (sollen). Er geht davon aus, dass Wissenschaft selbst als ein „Objekt des Lernens“ (Hentig 1980, S. 106) angesehen werden müsse. Das heißt, es ist Aufgabe der Schulen, dass die Schüler Bedeutungen, Prinzipien und Methoden von Wissenschaft lernen, die nicht nur an den Hochschulen oder in einer anspruchsvollen Berufsausbildung, sondern überall in der Gesellschaft als das rationale Prinzip gilt, mit dem die Wahrheit einer Sache begründet werden kann. Wissenschaftspropädeutik hat sowohl eine formale als auch eine materiale Seite: Formal geht es darum, wissenschaftliche Arbeitsweisen kennenzulernen und einzuüben, z. B. Möglichkeiten der Überprüfung von Wissen, Formen des Kritisierens sowie Verfahren, um neues Wissen zu generieren. Es soll ferner eine wissenschaftliche Denkhaltung und ein Ethos der Verantwortlichkeit entwickelt werden. Auf materialer Seite (d. h. im Sinne des spezifischen Inhalts „Wissenschaft“ in der Schule) geht es darum, Kenntnisse wesentlicher Elemente von Wissenschaft (z. B. die Pluralität der Wissenschaften oder die „Verwissenschaftlichung“ der Lebensbereiche) zu erlangen sowie diese hinterfragen zu lernen, d. h. sowohl deren bedeutende Möglichkeiten, aber auch Grenzen und Versuchungen zu reflektieren (vgl. KMK 1977, S. 561, mit der ersten ausführlicheren Definition von Wissenschaftspropädeutik). Damit ist klar, dass Wissenschaftspropädeutik etwas anderes sein muss als nur eine beliebige Methode, die in der Gymnasialen Oberstufe angewendet wird, um das Studieren einzuüben. Es handele sich vielmehr um eine „universelle Methode“, so Roth (1969, S. 6. Hervorh. im Original), der als Sprecher des Deutschen Bildungsrats in den späten 1960er Jahren maßgeblich dazu beitrug, dass gymnasiale Bildung fortan mit dem Prinzip der Wissenschaftlichkeit verknüpft wurde (vgl. Messner 1998, S. 68 f.). Angesichts der „Verwissenschaftlichung“ aller Dinge soll eine entsprechende Wissenschaftspropädeutik dazu befähigen, selbstbestimmt und verantwortungsvoll leben zu können. Diese Aspekte zusammenfassend, unterscheidet Huber (1997, S. 348) drei Ebenen des Begriffs Wissenschaftspropädeutik, „das Lernen und Einüben
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in Wissenschaft (Grundbegriffe, -methoden), an Wissenschaft (eine Haltung des Immer-Weiter-Fragens und Gründe-Gebens) und über Wissenschaft (kritische Reflexion in größeren Zusammenhängen)“. In Abgrenzung zum Begriff der Wissenschaftsorientierung, bei dem Unterricht sich nur an wissenschaftliche Erkenntnisse anlehne, versteht Huber (2000, S. 31) Wissenschaftspropädeutik als Prinzip für die Arbeit in der Gymnasialen Oberstufe, bei dem wissenschaftliche Erkenntnisprozesse selbst zum Thema werden, um auf ein selbstständiges Leben in der Wissensgesellschaft vorzubereiten. In einem Rechtstext findet sich der Begriff Wissenschaftspropädeutik erstmals im Bonner Beschluss der KMK von 1972 (vgl. Huber 2000, S. 29) im Zusammenhang mit der Einführung von Leistungskursen: „Leistungskurse vermitteln vertieftes wissenschaftspropädeutisches Verständnis und erweiterte Spezialkenntnisse, auch im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten der Wissenschaften und Künste.“ (KMK 1972, S. 16 f.)
In den weiteren Fassungen der „Vereinbarung zur Neugestaltung der Gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ (11.04.1988; 28.02.1997; 22.10. 1999; 16.06.2000; 02.06.2006; 24.10.2008) und den verschiedenen Versionen der dazugehörigen „Empfehlungen zur Arbeit in der Gymnasialen Oberstufe“ vollführt die KMK einen begrifflichen ‚Schlingerkurs. Dass die Auffassung von Wissenschaftspropädeutik im Zusammenhang mit dem Konzept von Grund- und Leistungskursen in der KMK offensichtlich strittig ist, zeigt besonders deutlich ein Vergleich der Fassungen von 2000 und 2006. Die entsprechenden Abschnitte lauten im Jahr 2000: In Absatz 2.8.: „Verbindendes Merkmal des Unterrichts in der Gymnasialen Oberstufe ist das wissenschaftspropädeutische Arbeiten, das exemplarisch in wissenschaftliche Fragestellungen, Kategorien und Methoden einführt. Dabei geht es um die Beherrschung eines fachlichen Grundlagenwissens als Voraussetzung für das Erschließen von Zusammenhängen zwischen Wissensbereichen, von Arbeitsweisen zur systematischen Beschaffung, Strukturierung und Nutzung von Informationen und Materialien, um Lernstrategien, die Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie Team- und Kommunikationsfähigkeit unterstützen.“ (KMK 2000c, S. 4) Weiter in Absatz 7.1.3.: „Grundkurse repräsentieren das Lernniveau der Gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer grundlegenden wissenschaftspropädeutischen Ausbildung. Sie sollen
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- in grundlegende Sachverhalte, Problemkomplexe und Strukturen eines Faches einführen, - wesentliche Arbeitsmethoden des Faches vermitteln, bewusst und erfahrbar machen, - Zusammenhänge im Fach und über dessen Grenzen hinaus in exemplarischer Form erkennbar werden lassen. Leistungskurse repräsentieren das Lernniveau der Gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer wissenschaftspropädeutischen Ausbildung, die exemplarisch vertieft wird. Sie sind gerichtet auf eine - systematische Befassung mit wesentlichen, die Komplexität und den Aspektreichtum des Faches verdeutlichenden Inhalten, Theorien und Modellen - vertiefte Beherrschung der fachlichen Arbeitsmittel und -methoden, ihre selbständige Anwendung, Übertragung und theoretische Reflexion, - reflektierte Standortbestimmung des Faches im Rahmen einer breit angelegten Allgemeinbildung und im fachübergreifenden Zusammenhang.“ (KMK 2000c, S. 8 f.)
In der Fassung der KMK von 2006 sind die Erläuterungen zum Begriff der Wissenschaftspropädeutik gemeinsam mit den Definitionen zu Grund- und Leistungskursen gestrichen worden. Statt dessen findet sich nur noch die wesentlich kürzere Formulierung in Absatz 3.2.: Unterricht repräsentiert „mit grundlegendem Anforderungsniveau das Lernniveau der gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer wissenschaftspropädeutischen Bildung. Unterricht mit erhöhtem Anforderungsniveau repräsentiert das Lernniveau der Gymnasialen Oberstufe unter dem Aspekt einer wissenschaftspropädeutischen Bildung, die exemplarisch vertieft wird.“ (KMK 2006, Abschnitt 3.2)
An diesem Vergleich der beiden Fassungen ist zu sehen, dass im Zuge der Aufweichung des Prinzips der Grund- und Leistungskurse auch das Konzept von wissenschaftspropädeutischer Bildung aufgegeben wurde. Ebenfalls zentral verbunden mit dem Prinzip der Wissenschaftspropädeutik ist der Ansatz des fächerübergreifenden und fächerverbindenden Unterrichts. Denn aus der Einsicht in die faktische Begrenztheit der einzelnen Fächer heraus wird für ein Lernen argumentiert, das die engen Begrenzungen eines Faches dadurch sichtbar machen kann, indem es genau diese Grenzen zu überwinden sucht (vgl. Expertenkommission 1995, S. 101, 166). In diesem Sinne argumentiert auch Stübig (2000, S. 11) dafür, den Begriff
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der Wissenschaftspropädeutik „in seinem ursprünglichen Sinne neu zu verstehen“, also „die Funktion und Arbeitsweisen von Wissenschaft generell zu erhellen“, indem die Orientierung an Problemen, übergreifenden Fragestellungen und bereichstypischen Methoden gestärkt wird. Fazit: Wissenschaftspropädeutik intendiert, Bildungsprozesse zu ermöglichen, die auf eine Teilhabe an Wissenschaft zielen und ein Leben in der Wissensgesellschaft vorbereiten sollen. Sie ist demgemäß als Teil einer zeitgemäßen Allgemeinbildung zu verstehen, insofern Wissenschaft selbst ein Produkt der Gesellschaft ist und als „unverzichtbare Erkenntnismethode“ (Liebau 2000, S. 143) alle gesellschaftlichen Bereiche erfasst. Der prominenteste Versuch, konsequent wissenschaftspropädeutische Ansätze im Hochschulzugang zu integrieren, ist das Oberstufenkolleg Bielefeld (vgl. Hentig 1971; Huber et al. 1999; Huber 2001). Das Oberstufenkolleg ist aus verschiedenen Gründen kritisiert worden; warum aber die hier erprobte Zusammenarbeit von Oberstufen- und Hochschullehrkräften sowie von hochschulisch und schulisch ausgerichteten Kursen (im Zusammenspiel mit Ergänzungsunterricht etc.) so wenig für eine Weiterentwicklung der Gymnasialen Oberstufen in Deutschland beigetragen hat, ist kaum nachvollziehbar. Offen bleibt, warum sich diese Art der Kollegstufe nicht durchsetzen konnte. 4.3
Zwischen Studienberechtigung und Hochschulzulassung
Geschichtlich betrachtet war der Hochschulzugang in Deutschland durch die Abiturprüfung vollständig geregelt, da diese Prüfung nicht nur als höchster schulischer Abschluss, sondern auch als allgemeine Hochschulzugangsberechtigung fungierte. Mit der verstärkten (Wieder-)Einführung von hochschulischen Aufnahmeprüfungen ist eine zusätzliche Hürde im Hochschulzugang entstanden. Der Hochschulzugang setzt sich damit rechtlich aus zwei Elementen zusammen, nämlich der schulischen Studienberechtigung, die durch eine (Allgemeine, Fachgebundene oder Fach-)Hochschulreife erworben wird, und der hochschulischen Zulassung für ein Studium, die von weiteren Kriterien (wie dem erfolgreichen Durchlaufen eines Auswahlverfahrens) abhängig sein kann. Im folgenden Abschnitt 4.3.1 geht es zunächst um die außerordentliche Bedeutung der Abiturprüfung für das deutsche Bildungswesen. Sodann werden in Abschnitt 4.3.2 die Gründe für die Einführung hochschulischer Aufnahmeprüfungen skizziert, Typen von Auswahlverfahren vorgestellt und Konsequenzen für den Hochschulzugang diskutiert.
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Diese Entwicklungen werden in Abschnitt 4.3.3 im Kontext der Bildungsexpansion erörtert. 4.3.1
Das Abitur – zur falschen Zeit am falschen Ort?
Die Abiturprüfung verkörpert den Kern des „für die Nachwelt erhaltenswert betrachteten Kulturwissens“ (Gass-Bolm 2005, S. 13), ist das Symbol privilegierter Bildung, der Inbegriff für das reglementierte Prüfungssystem der KMK und die Eintrittskarte in die Wissenschaft. Kritik gibt es zwar von vielen Seiten (vgl. Wolter 1987, S. 294), aber dennoch steht das Abitur mit seiner doppelten Bedeutung von gymnasialer Abschlussprüfung und Hochschulzugangsberechtigung fest. Begreift man den Hochschulzugang als Übergang, so ist pädagogisch wenig einsichtig, dass das Abitur genau dort einen scharfen Schnitt setzt, wo eigentlich begleitende und fördernde Maßnahmen zu erwarten wären. Wird das Abitur als Aufnahmeprüfung für ein Studium gesehen, muss gefragt werden, warum die Schulen und nicht die Hochschulen dafür zuständig sind, obwohl dies angesichts der Pluralität der Wissenschaften (im Unterschied zum 19. Jahrhundert) mittlerweile eine ineffiziente Regelung zu sein scheint. Findet das Abitur also zur falschen Zeit am falschen Ort statt? Wie bereits angesprochen, führte Preußen als erster deutscher Staat das Abitur mit den drei Reglements zwischen 1788 und 1834 ein. Die schulische Prüfung wurde zur Voraussetzung für die Aufnahme an der Universität (und für den Eintritt in den öffentlichen Dienst). Damit hatte die traditionelle Freizügigkeit des Zugangs zur Universität ein Ende. Die Verstaatlichung des Hochschulzugangs führte dazu, dass der bildungstheoretische Begriff der Studierfähigkeit „entleert und formal mit dem erfolgreichen Abschluss des gymnasialen Unterrichtskurses identifiziert“ wurde, so Wolter (1987, S. 266). Auf diese Weise entwickelte sich das Abitur zu einem „administrativen Steuerungsinstrument, das der bedarfsgerechten und herrschaftskonformen Selektion des Beamtennachwuchses diente“ (Herrlitz 1982, S. 89). Indem der Staat festsetzt, welche Leistungen für das Abitur zu erbringen sind, verfügt er nach wie vor über ein entscheidendes Mittel, um den Zugang zu den Hochschulen zu kontrollieren und zu normieren (vgl. Schäfer-Koch 1997, S. 193). Der Staat gewährt seinen Abiturienten dafür eine Hochschulberechtigung, die seit den 1970er Jahren sogar mit einem Rechtsanspruch auf einen Studienplatz verbunden ist. Die Inhaber des Abiturs können damit im Prinzip jedes Studienfach an einer staatlichen deutschen Hochschule studieren (vgl. Meyer 1995, S. 256). Das Abitur ist somit das
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Element, an dem sich der Hochschulzugang auf die Problematik der Hochschulzugangsberechtigung verdichtet. Die detaillierten Prüfungsbestimmungen und die zugrunde liegenden prüfungsrelevanten Inhalte des Abiturs haben sich während seiner langen Geschichte fortwährend verändert. Dieser andauernde Reformprozess habe letztlich zur Flexibilität des Abiturs und damit sogar zu seinem Fortbestehen beigetragen, denn „wechselnde zeithistorische Einflüsse [haben] stets innerhalb des Abiturs als stabile Institution aufgefangen und verarbeitet werden“ können, resümiert Wolter (1987, S. 293 f.). Daher konnte das Abitur als „Gelenkstelle zwischen Schule und Universität [. . .] alle bedeutenden zeitgeschichtlichen Zäsuren und Neuansätze mit einer bemerkenswerten institutionellen Kontinuität überstehen“ (ebd.). Die wenigen Inhaber des Abiturs galten früher in der Gesellschaft selbstredend als gebildete Persönlichkeiten, die sich von der Masse gleichzeitig durch ihre privilegierte soziale Stellung abhoben. Mit der Expansion der Abiturientenquote verliert dieses Zertifikat allerdings immer mehr seine sozial-distinktive Funktion. Das Abitur ist längst nicht mehr wegen seines Allgemeinbildungsanspruchs bzw. des Ausweises von Gelehrtheit gefragt, sondern es gilt im Sinne einer Optionslogik als beste Chance für die Zukunft. Primär geht es nicht um Kompetenzen, Fähigkeiten, Wissen, Persönlichkeitsbildung – und auch nicht um Allgemeinbildung, Studierfähigkeit und Wissenschaftspropädeutik, sondern um die Berechtigung, die mit dem Abschluss verbunden ist: 77 Prozent der Studienberechtigten 2006 geben in einer HIS-Studie an, dass der Grund für den Erwerb der Hochschulreife für sie hauptsächlich im Bestreben liegt, einen Schulabschluss zu erwerben, der alle Möglichkeiten offen lässt. 58 Prozent dieses Jahrgangs schätzen noch konkreter den Aspekt der Hochschulzugangsberechtigung für sich als besonders wichtig ein (vgl. Heine et al. 2007a, S. 8). Ein spezifischer Bildungsauftrag der Gymnasialen Oberstufe wird von den Abiturienten kaum wahrgenommen. Stattdessen sind die Erwartungen, die an das Gymnasium als Bildungseinrichtung gestellt werden, eher vage (vgl. Lenz/Wolter 2001, S. 197 f.), was dadurch begründet werden kann, dass die alten Ansprüche (v. a. sozial herausgehobener Status und ausgezeichnete Arbeitsmarktperspektiven) nicht mehr garantiert sind. Trotzdem bleibt der erste Rang des Abiturzertifikats hinsichtlich des höchsten Tausch- und Markt- sowie Prestigewerts (vgl. Lenz/Wolter 2001, S. 198) vor allen anderen Schulabschlüssen unbestritten. Auf diese Weise wird das Abitur zur Standardausstattung der Jugendlichen und zur Voraussetzung für alle möglichen nachschulischen Karrierewege in und außerhalb der Universität. Denn das Abitur gilt nicht
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nur zwischen Schule und Hochschule, sondern fungiert auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als zentrale Qualifikation. Dementsprechend wünscht sich eine Mehrheit aller Eltern für ihr Kind eine gymnasiale Ausbildung (vgl. Kiper 2005, S. 301). Die Bedeutung von Bildungsabschlüssen für die beruflichen und privaten Zukunftsperspektiven scheint also immer mehr Menschen bewusst zu werden: Das Erreichen des Abiturs ist ein zentrales Anliegen bei der Wahl des gymnasialen Bildungswegs. Allerdings sollen die Gründe für die wachsende Schülerschaft am Gymnasium nicht ausschließlich in den Karrierewünschen der Eltern verortet werden; es handelt sich ebenso um ein Phänomen des Wandels zur Wissensgesellschaft (vgl. Wolter 1999, S. 11). Da der Nachweis des Abiturs nicht nur als Eingangsqualifikation der Hochschulen verlangt wird, sondern Voraussetzung für alle möglichen nichtuniversitären Berufskarrieren ist und dort zumeist auch einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern bedeutet, die nur einen Abschluss der Mittleren Reife (bzw. einen noch darunter liegenden Abschluss oder gar keinen) besitzen, hat diese Prüfung, wie Trautwein et al. (2007a, S. 23) betonen, „elementare Konsequenzen für die individuell realisierbaren Bildungslaufbahnen“: Damit konnte das staatliche Berechtigungswesen „seine Funktion als gesellschaftliches Steuerungsmedium sowohl innerhalb des Bildungssystems als auch zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem sogar noch weiter ausbauen“ (Wolter 1987, S. 294). 4.3.2
Die Hochschulzulassung
Bis zur Einführung des Abiturs haben die Universitäten selbst die Aufnahme der Studierenden geregelt. Durch das Abitur wurde diese Aufgabe von den staatlichen Behörden komplett übernommen. Solange die Anzahl der Studienplätze in etwa mit der Zahl derjenigen übereinstimmte, die studieren wollten, handelte es sich dabei um eine effiziente Regelung. Nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere ab den 1970er Jahren stieg die Zahl der Abiturienten mit Studienwunsch allerdings rapide an. Die große Nachfrage führte zu überfüllten Hochschulen und zu einer Vielfalt an lokal von den Universitäten eingeführten Beschränkungsmaßnahmen – vor allem in den Studiengängen, die zu hochdotierten und prestigereichen Berufen führten. Im so genannten Numerus Clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.05.1972 (BVerfGE 33, 303) wurde diese Problematik aufgegriffen. Dabei wurden die Rechte der Studierenden hinsichtlich der Hochschulzulassung gestärkt, während die Universitäten angesichts der ‚Massen‘ der
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Studierbewerber das Nachsehen hatten: Festgestellt wurde, dass aus dem Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte (gemäß Artikel 12, Absatz 1 des Grundgesetzes) in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzips das Recht der Abiturienten folgt, in einem selbst gewählten Studiengang zugelassen zu werden. Dabei wurden allerdings Einschränkungen gemacht: Die Zulassung richtet sich nach den Studienplatzkapazitäten der Hochschulen. Wenn diese Kapazitäten voll ausgeschöpft sind, können Zulassungsbeschränkungen eingerichtet werden, die allerdings nur dann zulässig sind, wenn sie allen formal qualifizierten Studienbewerbern eine Chance bieten.46 Das heißt, es muss sichergestellt sein, dass alle Abiturienten die Möglichkeit haben, ihr gewünschtes Studium auch beginnen zu können (vgl. Geis 2007). Ferner wuchs die Kritik an der bundesweiten Vergleichbarkeit der Abiturnoten, da es keine einheitlichen Bewertungsmaßstäbe gäbe. Im „Bonus/ Malus-Beschluss“ vom 3.04.1974 (BVerfGE 27, 104) stellte das Bundesverfassungsgericht die Aussagekraft der Zeugnisnoten dann sogar grundsätzlich in Frage. Damit reagierte das Gericht auf das Phänomen, dass die Abiturdurchschnittsnoten bundeslandspezifisch variierten. Um diese Unterschiede bei der Bewerbung um einen Studienplatz auszugleichen, sei deshalb ein Bonus oder Malus anzurechnen. Darüber hinaus kritisierte das Bundesverfassungsgericht, dass durch den Numerus Clausus die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten der Abiturienten gefährdet seien. Geis (2007, S. 13) macht zu Recht auf diese aus heutiger Sicht bemerkenswerte Entscheidung aufmerksam, „weil sie der persönlichen Selbstentfaltung den klaren Vorzug gegenüber dem Leistungsprinzip gibt.“ Durch ein weiteres Urteil vom 6.11.1975 (BVerfGE 40, 352) konkretisierte das Bundesverfassungsgericht, dass sogar Abstriche bei den Studienbedingungen zu machen seien, um möglichst vielen Studierenden ein Studium zu ermöglichen. Das bedeutet, dass die Hochschulen die Rahmenbedingungen für ihre Lehre weitgehend nicht mehr selbst bestimmen konnten, sondern im Konfliktfall richterlich eine Kapazitätsfeststellung durchgeführt werden musste. Eine Hochschule kann seitdem nicht selbstständig entscheiden, we46
Es handelt sich dabei um relative Auswahlverfahren, bei denen nur eine Reihung der Bewerber vorgenommen wird, wenn ein Bewerberüberhang besteht. Trotzdem müssen alle Bewerber – ggf. nach entsprechender Wartezeit – zugelassen werden, sofern sie die Qualifikation, das Abitur, für das Studium besitzen. Im Unterschied zu den relativen Auswahlverfahren gibt es auch absolute Eignungsfeststellungsverfahren, bei denen als Voraussetzung für die Studienaufnahme nachgewiesen werden muss, dass eine besondere Eignung für das gewünschte Studium besteht. Diese Verfahren werden z. B. bei künstlerischen oder musischen Studiengängen angewendet.
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niger Studierende aufzunehmen, um beispielsweise besonders gute Studienbedingungen zu ermöglichen. Stattdessen werden durch Kapazitätsverordnungen (kurz: KapVO) auf Länderebene so genannte Curricularnormwerte (kurz: CNW) festgeschrieben, mit denen genau definiert wird, wie viele Lehrveranstaltungsstunden benötigt werden, um ein ordnungsgemäßes Studium in einem bestimmten Studiengang zu absolvieren. Mit anderen Worten: Die CNW geben an, was die Ausbildung einer Studentin in einem spezifischen Studiengang an dem jeweiligen Hochschultyp kosten soll. Gehen die tatsächlichen Kosten darüber hinaus, muss die betroffene Hochschule selbst Wege finden, die so entstandene Finanzlücke zu schließen. Aus Sicht der Hochschulen ist damit der Anreiz für Qualitätsverbesserungen in der Lehre und damit der Wettbewerb um Studienbedingungen und Studierende praktisch ausgeschaltet, da in der Rechtsprechung die so genannte ‚Niveaupflege‘ der Hochschulen als irrelevant oder zumindest als nachrangig gegenüber den kapazitären Aspekten eingestuft wurde (vgl. Geis 2007, S. 23). Im zweiten Numerus Clausus-Urteil (BVerfGE 43, 291 ff.) von 8.02.1977 wird im Wesentlichen diese Rechtslage bestätigt: - Alle qualifizierten Studienbewerber müssen in zulassungsbeschränkten Studiengängen eine Chance haben. - Die Studiengangkapazitäten müssen voll ausgeschöpft werden und können in besonderen Situationen (z. B. bei zeitweiliger erhöhter Nachfrage) sogar darüber hinaus belastet werden („Überlastquote“). - Der Numerus Clausus trägt nicht zur individuellen Entfaltung der Schüler bei. Die Notenpraxis ist generell nicht objektiv. Die Kritik an der Aussagekraft des Numerus Clausus veranlasste das Bundesverfassungsgericht, für die besonders nachgefragten Studiengänge andere Auswahlverfahren einzufordern (z. B. den so genannten Medizinertest). Das heißt, dem Abitur wurde abgesprochen, generell ein guter Indikator für die Befähigung eines Studienbewerbers zu sein. Insgesamt zeigen diese vier Urteile aus den 1970er Jahren (vgl. detaillierter Geis 2007), wie sich das politische Klima dieser Zeit vom gegenwärtigen unterscheidet: Während die Numerus Clausus-Rechtsprechung die Rechte des Einzelnen in den Vordergrund rückte und dessen Chancen beim Hochschulzugang zu maximieren suchte (vgl. Lüthje 2007, S. 34), werden heute prioritär die Stärkung der Autonomie der Hochschulen, Profilbildung und
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Qualitätssteigerung durch Wettbewerb als entscheidende Argumente bei der Gestaltung des Hochschulzugangs diskutiert. Dennoch ist die Rechtsprechung aus dieser Zeit bis heute gültig, was zu Widersprüchlichkeiten führt: Wie beispielsweise soll die Qualität der Lehre erhöht werden, wenn eine finanzielle und personelle Maßnahme sofort kapazitätswirksam wird (d. h. entsprechend mehr Studierende zugelassen werden müssten)? Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland die Studierendenzahlen zukünftig wesentlich erhöht und gleichzeitig eine Qualitätsverbesserung der Lehre durch einen Wechsel von der Input- zum Outputsteuerung erreicht werden soll, wird deutlich, dass die Frage der Zulassung weiterhin virulent bleibt. Ein erstes Zeichen dafür ist die seit Ende der 1990er Jahre wieder verstärkt geführte Diskussion um Auswahlverfahren. Mittlerweile gibt es vielerorts einen „Kampf um die besten Köpfe“, indem Studierende gezielt für eine Hochschule geworben werden. Dabei geht es nicht nur um Prestige für die Hochschulen, sondern auch um Geld: Die staatlichen Mittel sind im Zuge der „Leistungsorientierten Mittelvergabe“ (ein Instrument des NPM) zu einem erheblichen Teil an Absolventenzahlen gebunden. Also sind die Hochschulen aufgefordert, Strategien zu entwickeln, um diese Finanzquellen zu sichern und möglichst viele Studierende (in der Regelstudienzeit) zu einem erfolgreichen Studienabschluss zu führen. Dafür böten sich mehrere Möglichkeiten, z. B. der Einsatz hochschuldidaktisch geschulter Lehrender, eine bessere Betreuung der Studierenden, kleinere Seminare etc. Viele dieser Möglichkeiten sind aber durch das Kapazitätsrecht de facto kaum zu realisieren. Deutlich wird insgesamt, dass Hochschulzugangsrecht, Auswahlverfahren und Kapazitätsrecht in unmittelbarem Zusammenhang stehen (vgl. Kluth 2008, S. 146). Wenn also die Studienbedingungen kaum verändert werden können, ist es naheliegend, durch Auswahlverfahren die studentische Klientel zu gewinnen, von der man annimmt, dass sie für einen bestimmten Studiengang an einer bestimmten Hochschule gut geeignet ist. Hauptsächlich werden drei Typen solcher Auswahlverfahren unterschieden, nämlich a) nach Schulnoten, b) durch Tests und c) mit Verfahren, die auf eine gegenseitige Passung der Bewerber und Anbieter zielen. Ad a: Schulnoten Die Auswahl nach Einzelfachnoten beruht auf der Annahme, dass gute Leistungen in ausgewählten Schulfächern entscheidend für bestimmte Studiengänge seien. Beispielsweise geht man davon aus, dass gute schulische Mathematikleistungen für ein Mathematikstudium notwendig sind. Die tatsächlich belegte Validität der Einzelfachnoten liegt über alle Fächer hinweg
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allerdings unter der des Numerus Clausus (vgl. Deidesheimer Kreis 1997, S. 80 f.) und variiert stark fachspezifisch. Zudem gibt es für viele Studiengänge keine entsprechenden Schulfächer, z. B. Medizin oder Jura. Vor dem Hintergrund, dass es nicht Aufgabe der Gymnasialen Oberstufe ist oder sein solle, eine fachspezifische Studierfähigkeit herzustellen (vgl. Abschnitt 4.2.2), um eine zu frühe Spezialisierung zu vermeiden, erscheint eine Gewichtung von Einzelfachnoten als Auswahlkriterium aus Sicht der Gymnasialen Oberstufe ferner nicht folgerichtig. Der Numerus Clausus ist nach wie vor das bekannteste und am meisten angewendete Auswahlverfahren. Einen bundesweiten Numerus Clausus, der eine Studienplatzbewerbung bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (kurz: ZVS) notwendig macht, gibt es nur für wenige Studiengänge. Lokal hingegen ist er in vielen Studiengängen angesichts steigender Studierendenzahlen oft gerade im Zuge der Umstellung auf das gestufte Studiensystem eingeführt worden. Die Auswahl nach der Abiturdurchschnittsnote bedeutet für die Hochschulen in Relation zu anderen Verfahren am wenigsten Aufwand bzgl. Verwaltung, Durchführung und Gesamtkosten. Durch dieses Auswahlverfahren werden insbesondere diejenigen Studierenden für einen Studiengang gewonnen, die bereits in der Schule erfolgreiche Lerner waren. Die Validität des Numerus Clausus als derzeit zuverlässigster Prädiktor für den späteren Studienerfolg hat sich im übrigen über Jahrzehnte hinweg mehr oder weniger gleichbleibend bestätigt und widerlegt damit die Annahme, dass das Abitur an ‚Wert‘ verloren haben könnte (vgl. Schuler 2006, S. 536 f.). Ein gewandeltes Curriculum oder unterschiedliche Wahlmöglichkeiten scheinen also wenig an der Bedeutung des Abiturs als Indikator für zukünftigen Studienerfolg zu verändern. Dies verwundert umso mehr, wenn man an die begründete Kritik an der vermeintlichen Objektivität der Zensurengebung denkt. Warum ‚funktioniert‘ trotzdem das Abitur als Indikator? Baumert, Roeder und Watermann (2005, S. 506) führen dies auf die „breite Urteilsbasis“ zurück, denn es sind neben den punktuellen Abiturprüfungen auch mindestens 22 Grund- und acht Leistungskurse, die über zwei Jahre hinweg in die individuelle Bewertung eingehen. Somit werden eventuelle Beurteilungsfehler von Einzelnoten ausgeglichen (vgl. Heine et al. 2006, S. 16). Man könnte ferner vermuten, dass systematisch organisationskonformes Verhalten honoriert wird: Gute Noten erhält, wer sich an die Normen hält, die von den Lehrkräften gesetzt werden, die wiederum selbst erfolgreich durch das Bildungssystem gegangen und so sozialisiert worden sind. Erfolg und Zufriedenheit mit den schulischen Bedingungen
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und Werten gehen Hand in Hand. Darauf verweist auch eine HIS-Studie (Heublein/Sommer 2002, S. 5), die einen engen Zusammenhang zwischen den Abiturnoten und der Einschätzung der eigenen schulischen Vorbildung belegt: Je besser die Durchschnittsnote, desto zufriedener sind die Studienanfänger mit ihrer schulischen Vorbereitung. Die gelungene schulische Sozialisation stellt demgemäß ein Kriterium für ein gelingendes Studium dar. Ad b: Tests Mit Tests sollen unabhängig von oder in Ergänzung zu den schulischen Leistungen die Fähigkeiten, Kompetenzen und das Wissen der Studienbewerber erfasst werden (vgl. Wissenschaftsrat 2004, S. 76). Es geht darum, „das Lehrerurteil anhand eines Außenkriteriums“ (Heine et al. 2006, S. 17) zu objektivieren und bestimmte Mindeststandards zu sichern. Dabei unterscheidet man zwischen Studierfähigkeits- und Kenntnistests. Während bei einem Studierfähigkeitstest (wie dem Medizinertest) allgemeine oder studiengangspezifische Fähigkeiten abgefragt werden, zielen Kenntnistests auf die Überprüfung von Wissen bzw. das Vorhandensein eines bestimmten Kompetenzniveaus wie beispielsweise der „Test of English as a Foreign Language“, dessen Bestehen als Bedingung dafür angesehen wird ein Englisch-Studium erfolgreich absolvieren zu können. Die Konzeption und Durchführung der Tests ist oft mit einem hohen personellen und finanziellen Aufwand verbunden und die Aussagekraft der Ergebnisse ist in Bezug auf den künftigen Studienerfolg nicht so hoch wie beim Numerus Clausus (vgl. Deidesheimer Kreis 1997, S. 87). Kenntnistests gelten als valider als Studierfähigkeitstests; außerdem gibt es Anzeichen dafür, dass letztere stärker vom sozialen Hintergrund der Studienbewerber abhängen als Kenntnistests. So vermutet Tarazona (2006, S. 77), dass bei Studierfähigkeitstests „die intellektuellen Faktoren stärker durch den sozioökonomischen Hintergrund geprägt sind als das Wissen, welches ein Studienbewerber bis zur Bewerbung akkumuliert“ hat. Mit anderen Worten, tritt je nach Konzeption der Auswahlverfahren die ‚Nebenwirkung‘ der sozialen Selektivität unterschiedlich stark auf. Ad c: Passungsverfahren Passungsverfahren bezwecken, die individuellen Kompetenzen und Fähigkeiten der Studienbewerberin auf die spezifischen Studienanforderungen und das Studiengangprofil (z. B. hinsichtlich möglicher Studienschwerpunkte) zu beziehen (vgl. Lewin/Lischka 2004, S. 35). Ziel ist es, eine genauere
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Passung zwischen Bildungsanbietern und -nachfragern herzustellen. Auch ein Abgleich der Interessen und Ziele mit dem Studienangebot ist intendiert, das der Selbstüberprüfung und Selbstselektion der Studienbewerberin dienen soll. Dabei müssen zwei Arten der Passung unterschieden werden, nämlich die subjektiven und die an Kompetenzen orientierten Verfahren. Subjektiv orientierte Passungsverfahren beruhen auf der Einsicht, dass die Schwierigkeiten des Übergangs hauptsächlich darin liegen, einen persönlichen Zugang zur hochschulischen und fachspezifisch geprägten Kultur zu finden. Die Bewerberin erhält einen vertieften Einblick in die Studiensituation, kann bereits Kontakte zu Lehrenden herstellen, den Hochschulort entdecken und sich selbst mit ihren Stärken präsentieren. Es geht damit also nicht unmittelbar um die Vorhersagekraft eines Auswahlverfahrens in Bezug auf den wahrscheinlichen Studienerfolg, sondern primär um den Habitus. Damit sind im Sinne Bourdieus (2006, S. 360) „die Prinzipien zur Generierung von unterschiedlichen und der Unterscheidung dienenden Praktiken“ gemeint. Die Anbieterin als Repräsentantin einer fachspezifischen Kultur hat bestimmte Erwartungen an die Bewerberin, die sie für angemessen und selbstverständlich hält. Bei der Prüfung der Passung fließen die Haltungen, die Sprache, der Stil oder der Geschmack der beteiligten Personen mit ein. Bourdieu (2001, S. 41) hat explizit darauf hingewiesen, dass die Erwartungen an die Einstellungen und Fähigkeiten allerdings nur deswegen von einer bestimmten kulturellen Klasse als natürlich angesehen werden, „weil sie die Kultur (im ethnologischen Sinn) dieser Klasse ausmachen“. Dies führt zu der Situation, dass Passungsverfahren für die einen dazu beitragen können, den Übergang an die Hochschule durch persönliche Anknüpfungspunkte zu erleichtern, während sie für die anderen, die keinen kulturell-habituellen Zugang finden, eher eine weitere Hürde oder sogar einen Ausschluss bedeuten. „Desillusionierung, Enttäuschung, psychischer Stress, Selbstselektion“ können bei einer Nichtpassung dann mögliche Folgen sein, so Schlüter und Faulstich-Wieland (2006, S. 226). Hartmann (2006a, S. 223) stellt klar, dass solche Auswahlverfahren „ganz eindeutig die Bewerber aus den oberen Schichten und Klassen der Gesellschaft [begünstigen]. Die Kandidaten, die aus diesem Milieu stammen und den für die Auswahl zuständigen Personen dementsprechend in ihrem Habitus ähneln [. . .], werden auch in Deutschland wesentlich bessere Aussichten haben, an den begehrten Hochschulen aufgenommen zu werden.“ Die beiden bekanntesten Verfahren dieser Art sind vermutlich das Auswahlgespräch und das Bewerbungsschreiben. Anzumerken ist, dass auch die Prognosekraft von Auswahlgesprächen sinkt, je weniger diese vorstrukturiert und formalisiert sind (vgl. Wissenschafts-
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rat 2004, S. 79 ff.). Vor diesem Hintergrund ist daher fraglich, ob die Berücksichtigung der subjektiv-individuellen Faktoren, die immer wieder als großer Vorteil solcher Verfahren herausgestellt werden, tatsächlich zur sozial gerechten Verteilung von Studienplätzen beiträgt. Passungsverfahren, die an Kompetenzen orientiert sind, blenden den Einfluss des Habitus aus; in solchen Verfahren werden ausschließlich standardisierte Werte (z. B. Lernergebnisse und Modulbeschreibungen) eingesetzt. Das Kompetenzprofil der Studienbewerberin und das Anforderungsprofil des Studiengangs werden miteinander verglichen, um zu prüfen, ob ein reibungsloser Anschluss gelingen kann. Beide Profile müssen nicht deckungsgleich sein, sondern sie sollen im Sinne einer Eingangsdiagnostik dafür genutzt werden, Kompetenzen, aber auch Fähigkeitslücken sichtbar zu machen, (vgl. auch Bloch et al. 2006, S. 75; Heine et al. 2006, S. 9), um die Studienpläne darauf besser abzustimmen und ggf. entsprechende Fördermaßnahmen zu vereinbaren. So können Studienabbrüche vermieden und vielleicht auch kürzere Studienzeiten erreicht werden. Die aufwendigen Verfahren dürften dabei allerdings einen guten Teil der Ressourcen in Anspruch nehmen, die durch das erwartete effizientere Studienverhalten ‚eingespart‘ werden können. Beide Arten der Passungsverfahren bedeuten einen hohen personellen und finanziellen Aufwand. Dafür können sie die Studienzufriedenheit beim Übergang zur Hochschule erhöhen, als Beratungsinstrument dienen sowie eine stärkere Identifizierung der Studierenden mit ihrem Studiengang erreichen (vgl. Haug 2006, S. 104 f.). In Bezug auf die Frage nach einer gerechten Gestaltung des Hochschulzugangs müssen am Habitus orientierte Passungsverfahren jedoch mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Weitere, aber kaum verbreitete Varianten für die Studierendenauswahl sind Essays, Empfehlungsschreiben, berufliche Erfahrung, Persönlichkeitstests oder Assessment-Center sowie Kombinationen der verschiedenen Instrumente – wobei ein Nachweis aussteht, dass die Kombination mehrerer Verfahren besser ist als eines allein (vgl. Moser 2007, S. 476). Jedes Verfahren stellt den Versuch dar, durch eine gezieltere Bewerberauswahl „die spezifischen Erwartungen an den Kompetenzerwerb in diversifizierten Studiengängen besser mit den individuellen Vorkenntnissen, Neigungen und Erwartungen der Studierenden zu koppeln“ (Leszczensky 2007, S. 49 f.). Das gilt sowohl für den Numerus Clausus, weil ein guter Abiturdurchschnitt (vergleichsweise höchste Validität in Bezug auf den potentiellen Studienerfolg) als Ausweis erfolgreichen Lernens interpretiert wird, als auch für die Ge-
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wichtung von Einzelschulnoten (fachspezifisch unterschiedlich valide), insofern sie eine fachliche Studierfähigkeit suggerieren. Mit der sinkenden Bedeutung des Abiturs wächst die Popularität von Tests (vergleichsweise mittlere Validität), die über schulisches Wissen hinaus spezifische Kenntnisse einer Kandidatin prüfen. Die größte Kopplung individueller Voraussetzungen und studienspezifischer Anforderungen versprechen subjektive Passungsverfahren (aber: keine oder nur geringe Validität). Die Validität der Vorhersagbarkeit des Studienerfolgs nimmt also tendenziell ab, je individueller die Verfahren gestaltet werden, während der Einfluss des sozioökonomischen und kulturellen Hintergrunds steigt.47 Auswahlverfahren werden in erster Linie dann eingefordert und angewendet, wenn die Nachfrage die bestehenden Kapazitäten übersteigt und selektiert werden muss. Auswahlverfahren können aber auch allokativ eingesetzt werden, um denjenigen einen Hochschulzugang zu ermöglichen, die beispielsweise über keine Allgemeine Hochschulreife verfügen (Relativierung des Abiturmonopols). Diesen Verfahren könnte zudem eine kompensierende Funktion zukommen, beispielsweise um gezielt Studierende für wenig nachgefragte Studiengänge zu gewinnen. Solange die Nachfrage nach Studienplätzen im Verhältnis zu den Kapazitäten indes hoch ist, muss davon ausgegangen werden, dass Auswahlverfahren zur Limitierung des Zugangs eingesetzt werden (müssen) und die allokative oder die kompensierende Funktion dann kaum bzw. nicht greifen (können). 4.3.3
Konsequenzen der Bildungsexpansion
Die augenfälligen Bedeutungsveränderungen der Abiturprüfung sind vorrangig auf die Bildungsexpansion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Diese fing etwa in den 1950er Jahren an und gewann durch ein verändertes bildungspolitisches Bewusstsein im Laufe der 1960er und 1970er Jahre an Fahrt: Neue ökonomische und soziologische Ansätze u. a. von Helmut Schelsky, Friedrich Edding, Ralf Dahrendorf und Georg 47
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Äußerst kritisch ist es daher, wenn in einigen Bundesländern (z. B. in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern) generell kein Widerspruchsrecht für die von den Hochschulen erlassenen Zulassungsbescheide installiert wird. Während Haug (2006, S. 109) dies als sinnvolle Regelung bewertet, die der „Entlastung der Hochschulen“ diene, da bei Auswahlgesprächen „eine höchstpersönliche Wertungssituation vor[liege], die in einem Widerspruchsverfahren kaum konkret nachvollzogen werden könnte“ (ebd.), ist darauf hinzuweisen, dass sich die Studierenden einem äußerst subjektiven Verfahren unterziehen müssen, ohne sich dagegen rechtlich wehren zu können.
Picht nahmen die Abiturientenzahlen als Indikatoren für die Zukunftschancen einer Gesellschaft, für Demokratie und wirtschaftliches Wachstum in den Blick. Vom Statussymbol, das seine wenigen Besitzer deutlich von der Mehrheit abhob, wandelte sich das Abitur – mit den Einstellungen der Eltern, die für ihre Kinder zunehmend höhere Abschlüsse anstrebten als sie selbst besaßen – zu einer Standard-Qualifikation (vgl. Böttcher/Rösner 1998, S. 48). Denn die Bildungsexpansion war, wie bereits angedeutet, nicht die Folge der Bildungsreformen aus den 1960er Jahren, sondern ist in erster Linie zurückzuführen auf Entscheidungen der Eltern, die ihre Kinder am Bildungsaufstieg teilhaben lassen wollten (vgl. Blankertz 1982a, S. 329; Becker 1983, S. 330 f.). Wie Maaz (2006, S. 33) herausgearbeitet hat, wurden in der Rückschau zunächst irrtümlich gesellschaftliche und politische Reformbestrebungen als Auslöser der Bildungsexpansion identifiziert. Bei diesem Erklärungsversuch handelte es sich aber um eine Überschätzung der politischen Steuerbarkeit, denn die Bildungsexpansion wurde jenseits der politischen Parolen von den Eltern angestoßen und entwickelte alsbald eine Eigendynamik, die von den politischen Maßnahmen dann aber forciert werden konnte. Abgesehen vom Gesamtschulversuch der 1970er Jahre ist zu konstatieren, dass die Bildungsexpansion kaum dazu geführt hat, Hochschulzugangswege jenseits des Abiturs auszubauen. Dies mag daran liegen, dass die aufstrebende Generation nicht an solchen Wegen interessiert war, da sie ja von der Hoffung getragen wurde, an den Privilegien partizipieren zu können, die das Gymnasium traditionell bot. Davon wiederum konnte das herkömmliche Abitur profitieren, als immer mehr Menschen die gymnasiale Laufbahn mit dem Abitur als eine wichtige Voraussetzung für den Zugang zur höheren Bildung oder den Wechsel in attraktive Berufe ansahen. In der Folge konnte durch die Reifeprüfung allein gerade diese gewünschte Zugehörigkeit zu einer Bildungselite am Gymnasium nicht mehr garantiert werden (vgl. Gass-Bolm 2005, S. 359; Freisel 2007, S. 66). Diese Entwicklung entspricht der vielfach wahrgenommenen Entwertung der formalen Bildungsabschlüsse (insbesondere beim Abitur und nun auch beim ersten Hochschulabschluss, dem Bachelor): Der Wert des jeweiligen Bildungszertifikats schwindet, je mehr Personen darüber verfügen. Die Bildungsexpansion, bewirke „im Grunde nur eine Inflation der Bildungszertifikate“, folgert Pechar (2006, S. 27). Weder das Abitur noch der erste akademische Abschluss reichen heute aus, um überdurchschnittliche Statusvorteile zu erlangen. Dies führe dazu, so Wolter (1987, S. 302 f.), dass „die Selektionsentscheidungen vom Sekundarschulwesen stärker auf spätere Phasen des Qualifikationsprozesses
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(in der Hochschule selbst oder beim Übergang in den Beruf) verschoben“ wurden. Klemm und Weegen (2000, S. 134) haben durch eine Untersuchung der hohen Abbrecherquoten nachgewiesen, dass die Bildungsexpansion tatsächlich „in den Hochschulen nur zum Teil und am Ausgang der Hochschulen, beim Abschlussexamen, gar nicht angekommen“ war. Dies bedeutet auch, dass im Schulbereich eher eine Annäherung der Bildungslaufbahnen zu verzeichnen ist (z. B. insofern das Abitur zunehmend als ‚Normalausstattung‘ verstanden wird), während im Tertiärbereich weitere Selektionsmechanismen erforderlich sind, um die besonders attraktiven Güter (z. B. Studien- oder Arbeitsplätze) zu verteilen. Neue Auswahlverfahren beim Hochschulzugang sind daher ebenfalls als Konsequenz der Bildungsexpansion zu sehen. Schließlich kann bildungsökonomisch erklärt werden, warum die Bildungsexpansion allein nicht reichte, um die soziale Selektivität im Bildungswesen zu mildern: Die Bildungsbeteiligung erhöhte sich stärker als das Angebot an qualifizierten und entsprechend dotierten Arbeitsplätzen, die diese Bildungszertifikate voraussetzen. Mit anderen Worten: Bleibt die Zahl der zu vergebenden Chancen und Positionen gleich oder verringert sie sich sogar (z. B. durch den Abbau von Arbeitsplätzen), verlieren die Abschlüsse real an Wert. Das Abitur und ein Hochschulabschluss gelten mittlerweile zwar weitgehend als Voraussetzung für prestigereiche Berufe, allerdings garantieren sie schon lange keinen Arbeitsplatz mehr (vgl. Bittlingmayer 2005, S. 251). Daher werden zusätzliche Qualifikationen und besondere Leistungen immer relevanter in der Konkurrenz um Beschäftigung und sozialen Status insgesamt. Einige Akteure (z. B. der Philologenverband) versuchen diesen Upgrading-Prozessen entgegen zu wirken, indem sie sich für ein ‚starkes Abitur‘ einsetzen, um „die mit der quantitativen Expansion des höheren Schulwesens einhergehende Entwertung des elitären Status der gymnasial Gebildeten wenn nicht zu verhindern, so doch zumindest abzuschwächen oder zu verzögern“ (Fuchs 2004, S. 423). So wird erklärbar, warum einige auch heute noch für eine Stärkung der Selektionsfunktion plädieren, obwohl die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften weiter steigt und die im internationalen Vergleich relativ niedrigen Abiturienten- und Hochschulabsolventenzahlen de facto einen Nachteil für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands bedeuten. Mit Blick auf die Eliteforschung Hartmanns (2004) verwundert es dennoch nicht, dass das Gymnasium in den letzten Jahrzehnten viel von seiner
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ursprünglichen Selektivität verloren hat.48 Angesichts der großen Schülerzahlen hätte eine rigide Leistungsselektion auch die wachsende Zahl der Kinder aus mittleren und gehobenen Schichten gefährdet. Die Schulen werden durch ökonomische und soziale Faktoren, die meist ineinander fließen, entscheidend bestimmt. Leistungsselektion wird auf diese Weise teilweise durch soziale Selektion ersetzt (vgl. bereits Müller 1981, S. 209). Diese Prozesse sind auch schon länger bekannt. Keim (2001, S. 136) betont, dass die von konservativer Seite betonte höhere Chancengleichheit, die durch die Bildungsexpansion erreicht werden konnte, sich doch „stets in sehr engen Grenzen gehalten“ habe und „inzwischen sogar rückläufig [sei], vor allem wenn man neue benachteiligte Gruppen wie ethnische Minderheiten, beispielsweise türkische Jugendliche“ berücksichtige. Wolter (2004, S. 12) interpretiert die Wirkungen der Bildungsexpansion sogar als „Paradoxie“, denn diese habe – belegt durch die absoluten Zahlen – insgesamt zwar zu einer wesentlich größeren Studierchance für den einzelnen geführt; davon habe jedoch vor allem die Gruppe profitiert, deren Chance auf eine Hochschulbildung bereits immer beachtlich größer war. Auch Becker und Hecken (2007, S. 101) bestätigen, dass beim Hochschulzugang die Bildungsexpansion „an den Arbeiterschichten und unteren Mittelschichten größtenteils vorbeigegangen“ ist. Es lässt sich zusammenfassen, dass durch die Bildungsexpansion zunächst eine Entflechtung von Leistungs- und sozialer Selektion erreichbar schien. Gerade dies erwies sich aber als trügerisch, da das Abitur als genuines Instrument für eine transparente Leistungsselektion – wenn es für viele erreichbar ist – nicht zum Abbau von sozialen Ungleichheiten beitragen kann, da sich dann die Selektionsprozesse auf andere Bereiche verschieben. Die sozialen Unterschiede bleiben dabei im Wesentlichen erhalten, bzw. sie werden sogar durch das Bildungssystem mit seinen Schulformen und -prüfungen, Hochschultypen und hochschulischen Auswahlverfahren neu legitimiert. Eine soziale Öffnung des akademischen Systems rufe, resümiert Wolter (2005c, S. 24), „eine ‚Entwertung‘ der Titel und Zertifikate durch ein erneutes ‚Upgrading‘ hervor, welches zumeist weniger die formalen, sondern die sozialdistinktiven Anforderungen betrifft“: 48
Vgl. Wolter (1999, S. 10 f.): „Das Risiko des vorzeitigen Scheiterns im Gymnasium hat sich erheblich verringert. Nach der niedersächsischen Schulstatistik ist die gymnasiale Erfolgsquote von 43,4 % beim Abiturientenjahrgang 1960 auf über 80 % bei den Entlassjahrgängen in den neunziger Jahren gestiegen.“ Wolter macht ferner darauf aufmerksam, dass auch die Zahl der Sitzenbleiber am Gymnasium über die Jahre abgenommen hat. Daher stimme auch die These nicht, dass das Gymnasium überfüllt sei „mit Schülern, die dort vom Scheitern bedroht seien“ (ebd.).
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„Den bevorteilten Gruppen gelingt es leichter, ihren Vorsprung weiter auszubauen oder zu halten, indem die bisher geltenden Bildungsstandards eine Stufe höher geschraubt werden. Der auf diese Weise inszenierte meritokratische Wettlauf geht in eine Art Teufelskreis über, indem sich die sozialen Abstände zwischen den Gruppen auf einem insgesamt höheren Niveau neu einpendeln und damit letztlich unverändert bleiben“ (Wolter 2005c, S. 24).
Analog schließt Schnitzer, dass das alte Credo der Aufklärung, durch Bildung am sozialen Aufstieg teilnehmen zu können, bildungsgeschichtlich nur wenig bestätigt werden konnte. Eher habe „sich Bildung als Hebel der Produktion sozialer Ungleichheit erwiesen“ (Schnitzer 2004, S. 167). Allerdings ist daran zu erinnern, dass zunächst durchaus ein Aufstieg durch Bildung stattgefunden hat (Aufstieg des Bildungsbürgertums im 18. und 19. Jahrhundert). Nachdem die neue bürgerliche Gesellschaftsordnung etabliert war, hat sich jedoch an den relativen Ungleichheiten zwischen den sozialen Gruppen bis heute wenig geändert, auch wenn alle Gruppen ihren Anteil an höherer Bildung steigern konnten („Fahrstuhleffekt“). Ohne politische Intervention lassen sich soziale Ungleichheiten nicht abbauen. Schnitzer (2004, S. 171) merkt dabei an, dass politische Willenserklärungen zur Gleichheit der Bildungsbeteiligung allein jedoch wenig hilfreich seien, da sie sich oft „als naiv übersteigert“ erwiesen, insofern sie auf individuelle Unterschiede des Bildungszugangs rekurrierten, die immer gegeben wären. Oder aber diese Willenserklärungen blieben nur rhetorisch, „indem soziale Disparitäten herunter gespielt werden und die auf Statuserhalt unterschwellig ausgerichtete Wirkung von Bildungssystemen verleugnet wird“ (ebd.). Insgesamt ist es bemerkenswert, wie sich in Deutschland „die überkommenen Strukturen in ihrer Grundsubstanz“ (Keim 2001, S. 135) bewahrt haben: Der vertikale Weg vom Gymnasium zur Universität wird durch den Erfolg des Abiturs als begehrtestem Schulabschluss weiter privilegiert (vgl. Huber 1997, S. 333). Das bedeutet aber ebenfalls, dass mögliche Alternativen zum bisherigen Berechtigungssystem auch und gerade für diejenigen wenig attraktiv sind, die einen ‚Aufstieg durch Bildung‘ anstreben. Unter den gegebenen Arbeitsmarktbedingungen führt dies zwangsläufig dazu, „die Konkurrenz um privilegierte Positionen noch zu verschärfen und die Hoffnungen gerade derer am bittersten zu enttäuschen, die dieser Konkurrenz am wenigsten gewachsen sind“ (Herrlitz 1997, S. 185 f.).
188
4.4
Die Stabilität des Königswegs
Dieses Kapitel begann mit dem Erstaunen darüber, dass der Übergang von der Gymnasialen Oberstufe zur Universität in den Bologna-Diskussionen nicht nennenswert beachtet wird, obwohl der Hochschulzugang eine wichtige Weichenstellung für das gesamte Bildungssystem darstellt. Eine Erklärung dafür ist, dass der Königsweg deshalb nicht problematisiert wird, weil der Weg vom Gymnasium an die Universität am besten von allen Wegen von der Sekundarstufe II zu den hochschulischen Bildungsgängen funktioniert, was kurz und knapp durch die hohen Übergangsquoten bewiesen wird: Permanent steigt die Zahl der Gymnasiasten, was (nach der früher zyklischen Entwicklung durch „Überfüllung“ und „Mangel“, vgl. Herrlitz et al. 1993, S. 220) seit den 1960er Jahren im Wesentlichen auch für die Zahl der Studierenden gilt. Sollte man – mit Blick auf die überragende Mehrheit der Studierenden, die den Übergang vom Gymnasium zur Universität erfolgreich meistern – also das Augenmerk stattdessen auf die nicht-traditionellen Wege zur Hochschule richten? Denn ein Ausbau dieser Bildungswege erscheint plausibel, um weitere Lernergruppen an die Hochschulen zu führen und neue Räume für persönlich bedeutsames Lernen zu erschließen. Ein Übergehen des Königswegs ist allerdings nicht möglich, solange dieser als Leitbild fungiert, an dem nach wie vor alle Hochschulzugangswege ausgerichtet werden (vgl. Lohmann 2008, S. 48). In diesem Sinn ist der Hochschulzugang insgesamt von der Gestaltung des Königswegs abhängig; er bildet den institutionellen Kern. Der Königsweg hat sich über die Jahrhunderte deshalb so stabil halten können, weil seine institutionellen Säulen gefestigt sind und sich gegenseitig stützen. Die wenigen gravierenden Neuerungen – wie die Gleichstellung der Gymnasialtypen 1900 und die Reform der Gymnasialen Oberstufe von 1972 – wurden als Anpassungen an gesellschaftliche Entwicklungen verstanden, die im Wesentlichen durch den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt notwendig wurden, der neue Bedürfnisse innerhalb des Beschäftigungssystems generierte. Diese Änderungen wurden in den institutionellen Strukturen des Hochschulzugangs aufgenommen, so dass seine Funktionsfähigkeit an die veränderten gesellschaftlichen Bedarfe angepasst werden konnte, ohne die traditionelle Form des Königswegs aufzugeben. Alles in allem erhält sich der Königsweg entlang der kognitiven Säule durch die beharrliche Abgrenzung der Universität gegenüber der Fachhochschule sowie des Gymnasiums gegenüber allen anderen Schulformen.
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Beständig sind desweiteren in normativer Hinsicht die Ziele, die mit der ‚Hochschulreife‘ verbunden werden, und die im bis heute gepflegten Bildungsideal humboldtscher Prägung aufgehoben sind. Auch das Abitur ist in regulativer Hinsicht als allseits bevorzugter Schulabschluss ein sehr stabiles Element des Hochschulzugangs. Die Strukturen des Königswegs sind insgesamt tief verwurzelt im deutschen Bildungssystem und werden als eine Art kulturelles Erbe gepflegt. Trotzdem funktioniert der Königsweg des Hochschulzugangs keineswegs problemlos: Durch die Statusabgrenzungen von Gymnasium und Universität werden sowohl soziokulturelle Disparitäten in der Studierenden- bzw. Schülerschaft tradiert, als auch Möglichkeiten für innere und äußere Bildungsreformen eingeschränkt. Bekannt sind in normativer Hinsicht die Klagen über die mangelnde Studierfähigkeit von hochschulischer Seite sowie die Kritik an der defizitären schulischen Vorbildung aus Sicht der Studierenden. Allgemeinbildung ist zu einem nachgeordneten Ziel geworden, dem nur noch ein Zehntel der Schüler entscheidende Bedeutung zumisst (vgl. Heine et al. 2007a, S. 9). Zudem deutet sich an, dass beachtliche Veränderungen an der regulativen Säule des Königswegs stattfinden: Durch die Upgrading-Prozesse und die Bildungsexpansion reicht die schulische Abschlussprüfung zur Regelung des Hochschulzugangs immer weniger aus. Im folgenden Kapitel wird zu zeigen sein, dass durch den Bologna-Prozess und andere aktuelle Veränderungen an der Schnittstelle von Gymnasium und Universität der traditionelle Königsweg in Deutschland weiter unter Druck gerät.
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5
Der Hochschulzugang unter dem Einfluss von Bologna
In diesem Kapitel geht es um eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Hochschulzugangs. Angesichts der großen Umwälzungen, die der BolognaProzess auf hochschulischer Seite verursacht (hat), ist davon auszugehen, dass sich diese auch im Hochschulzugang niederschlagen und in der Folge das institutionelle Normen- und Regelwerk verändern. Das Bologna-PolicyBündel stellt eine ganze Reihe von Selbstverständlichkeiten zur Disposition und rüttelt an alten Problemen des Hochschulzugangs: Angefangen mit der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen an Universitäten und Fachhochschulen ist nach den schulischen Berechtigungen zu fragen, die für die neuen Studiengänge vorausgesetzt werden. Wird das traditionelle deutsche Berechtigungssystem dysfunktional, wenn nicht mehr schulische Abschlüsse, sondern im Sinne der entsprechenden Bologna-Aktionslinien die Anerkennung und Anrechnung von (formal, informell und non-formal erworbenen) Lernergebnissen zum leitenden Prinzip erhoben wird? Büßt das Gymnasium seinen besonderen Status ein, wenn nicht gymnasiale Allgemeinbildung, sondern schulform-unabhängig zertifizierte Kompetenzen den Ausschlag für die Hochschulzulassung geben? Verändert die Aktionslinie zur Förderung der Employability das Selbstverständnis von allgemeinbildendem Gymnasium und Universität als Ort der reinen Wissenschaft? In diesem Kapitel wird also diskutiert, welche Spannungen gegenwärtig im Hochschulzugang durch das Zusammentreffen der alten schulischen und neuen hochschulischen Strukturen entstehen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es auch auf der schulischen Seite in den letzten Jahren Reformen gegeben hat, die länderübergreifend (wie die gymnasiale Schulzeitverkürzung) oder landesweit (z. B. die Abschaffung des Grund- und Leistungskurssystems in verschiedenen Bundesländern) die Bedingungen des Hochschulzugangs verändern. Erst die Zusammenschau der schulischen und hochschulischen Seite des Hochschulzugangs ermöglicht adäquate Antworten auf die beiden Fragen, ob, intranational gesehen, die Institution des Hochschulzugangs den neuen Anforderungen (z. B. Erhöhung der Bildungs-
191 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
beteiligung, Wissenschaftsdiversifikation etc.) gerecht wird und wie sich die deutsche Variante des Hochschulzugangs in das internationale Projekt des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums einfügt. Doch zunächst einen Schritt zurück: Wie ist eine Veränderung des soziokulturellen Regelwerkes, mit anderen Worten, eine „De-Institutionalisierung“ überhaupt möglich? Eine De-Institutionalisierung bezeichnet eine Schwächung der Institution, die „zur Erosion ihres Geltungsgrades beitragen oder diese ganz zum Verschwinden bringen“ kann, so Quack (2006, S. 176). Jede institutionelle Säule kann ‚angegriffen‘ und destabilisiert werden: In kognitiver Dimension bedeutet das ein Infragestellen oder Vergessen von Selbstverständlichkeiten; als Bestandteil der normativen Säule können Erwartungen nicht erfüllt oder abgelehnt werden; in regulativer Hinsicht wäre eine Missachtung oder die Nicht-Anwendung von Verordnungen und Gesetzen eine institutionelle Schwächung. In neo-institutionalistischer Perspektive ist von einer De-Institutionalisierung des Hochschulzugangs generell dann auszugehen, wenn seine Existenz in bekannter Form nicht mehr anerkannt ist, seine Werte nicht länger als wichtig oder bewahrenswert aufgefasst und die Regelungen durch Abitur und Hochschulrecht nicht angewendet, nicht eingehalten oder unterlaufen werden. Die europäische Hochschulreform ist ein ‚Angriff‘ auf die Institution des Hochschulzugangs, weil die bestehenden Strukturen direkt oder in der Folge anderer Veränderungen in Frage gestellt werden. Eine wahrscheinliche bzw. ‚normale‘ Reaktion auf solche De-Institutionalisierungsimpulse ist die Abwehr durch Agenten der Institution, die die Legitimität des Hochschulzugangs verteidigen. Auch „Reparaturstrategien“ (Quack 2006, S. 177) können entwickelt werden, um eine institutionelle Schwächung auszugleichen oder abzuwehren. Die handlungsleitenden Motive der verschiedenen Akteure werden sehr unterschiedlich gelagert sein: Geht es der einen um rationale und effektive Politikgestaltung, steht für die andere der Erhalt kultureller Werte im Vordergrund und mag für die dritte persönlicher Machtgewinn entscheidend sein. Allen Akteuren ist gemeinsam, dass sie ihr Vorgehen innerhalb der Institution und gegenüber der Umwelt legitimieren müssen (vgl. Hasse/Krücken 2005, S. 74 f.). Die Erfahrungen aus der Geschichte legen drei mögliche Entwicklungsszenarien des Hochschulzugangs nahe: - Notwendige Neuerungen: Der traditionelle Hochschulzugang wird künftig seine Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen, die das Bildungswahlverhalten der Stu-
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dienberechtigten beeinflussen, werden daher den Hochschulzugang radikal verändern und Neuerungen nach sich ziehen, die notwendig sind, damit das System insgesamt nicht zusammenbricht. - Keine Veränderungen: Der Anschluss des Gymnasiums an die Universität hat sich als weitgehend resistent gegenüber äußerem Veränderungsdruck erwiesen. Um den Königsweg zu sichern, werden auf den oberen Politikebenen Reformen durch gesellschaftlich und politisch einflussreiche Akteure abgewehrt, die über entsprechendes Entscheidungspotential verfügen. Denn sie eint – über parteipolitische Grenzen hinweg – ein konservatives Interesse am Status- und Machterhalt dieses Bildungswegs. Ebenso werden die schulischen und hochschulischen Akteure auf den unteren Ebenen ihr Implementierungspotential dazu nutzen, dass Reformen ins Leere laufen. Ein Beispiel wäre eine ablehnende Praxis bei der Prüfung von Hochschulzulassungsanträgen trotz der neuen Anerkennungsmöglichkeiten. Beide Verhaltensweisen zielen auf ein Aufrecht-Erhalten des Status quo. - Neue Legitimierung für alte Strukturen: Bestimmte Modifikationen werden durch die stabilen Strukturen absorbiert. Solche Prozesse haben beispielsweise bei der Gleichstellung der Gymnasialtypen 1900 dazu geführt, dass das Gymnasium das Abiturmonopol letztlich doch halten konnte. Rückblickend haben solche Umstellungen stets dazu beigetragen, die deutsche Variante des Hochschulzugangs im ‚Taumel‘ des gesellschaftlichen Wandels zu festigen. Im Folgenden werden analog zum Kapitel 4 die drei Säulen der Institution des Hochschulzugangs zwischen Gymnasialer Oberstufe und Hochschule zu Blickpunkten, an denen die gegenwärtigen Entwicklungen beleuchtet werden: In Abschnitt 5.1 wird die kognitive Dimension des Hochschulzugangs vor dem Hintergrund der aktuellen gymnasialen Schulzeitverkürzung sowie durch die Förderung von hochschulischer Profilierung betrachtet. In Abschnitt 5.2 wird an der durch Ziele und Lerninhalte repräsentierten normativen Säule beobachtet, wie durch das gestufte Studiensystem die humboldtsche Trennung der schulischen und hochschulischen Lehr- und Lernkulturen ins Wanken gerät. Mit Blick auf die regulative Säule, die das Berechtigungsund Zulassungssystem trägt, werden im Abschnitt 5.3 neue Allokationsund Selektionsprozesse diskutiert, die sich einerseits durch eine zunehmende Entkopplung von Schulform bzw. Hochschultyp und entsprechenden Abschlüssen sowie andererseits im Hochschulzulassungsrecht abzeichnen. In
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Abschnitt 5.4 werden die Resultate gegenwärtiger Bildungspolitik und gesellschaftlicher Entwicklungen in Hinblick auf das soziokulturelle Regelwerk des Hochschulzugangs zusammenfassend bewertet. 5.1
Momente der Prestigesicherung
Sowohl das Gymnasium als auch die Universität wurden in Abschnitt 4.1 als ausnehmend statusorientiert charakterisiert, denn beide Bildungseinrichtungen verteidigen in einer Hierarchie aller staatlichen Einrichtungen auf einer Bildungsstufe jeweils die oberste Position: Im Verhältnis zur Real-, Haupt- oder Gesamtschule scheint das Gymnasium nicht nur anders, sondern besser zu sein. Das Gleiche gilt auch für das Verhältnis von Universität und Fachhochschule. Die Begründungen für diesen herausgehobenen Status finden sich in den alten Strukturen, beispielsweise durch den Verweis auf das vermeintlich höhere fachliche Niveau der Universitäten – oder sie fehlen einfach, weil die Unterschiede als selbstverständlich wahrgenommen werden. Ebenfalls kennzeichnend für das Gymnasium und die Universität ist der Anspruch, zukünftige Eliten auszubilden. Durch die Setzung berufsferner Ziele (z. B. Allgemeinbildung oder zweckfreie Wissenschaft) grenzen sich dabei beide Bildungseinrichtungen tendenziell von der Aufgabe der Berufsbildung ab, obwohl klar ist, dass die weitaus meisten Schüler und Studierenden den Königsweg gerade wegen seiner Berufsqualifizierung wählen. Im folgenden Abschnitt 5.1.1 wird erörtert, inwiefern die mittlerweile in allen Bundesländern durchgesetzte Verkürzung des gymnasialen Bildungswegs von neun auf acht Jahre dazu beiträgt, dass das grundständige Gymnasium seine besondere Stellung unter den weiterführenden Schulen behaupten kann. Sodann wird in Abschnitt 5.1.2 diskutiert, ob die gewünschte stärkere Profilierung der Hochschulen die bestehende Hierarchie zwischen den Hochschultypen verändert. Beide Entwicklungen werden in Abschnitt 5.1.3 miteinander in Beziehung gesetzt. 5.1.1
Die gymnasiale Schulzeitverkürzung
Ein wenig überraschend haben alle Bundesländer, die bislang das Abitur im 13. Schuljahr vorsahen, die gymnasiale Schulzeit auf acht Jahre verkürzt. Überraschend, weil Diskussionen um eine Schulzeitverkürzung seit den 1960er Jahren zwar immer wieder geführt wurden, aber ebenso oft
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ergebnislos im Sande verlaufen sind (vgl. Bitz 1991). Das verkürzte Gymnasialmodell wird mit dem Namen „G8“ bezeichnet. Anknüpfend an die in Abschnitt 4.1.1 vorgestellten gymnasialen Charakteristika werden nun die Gründe für die Einführung der gymnasialen Schulzeitverkürzung sowie deren Umsetzungsvarianten und Folgen diskutiert. Bis zum Zusammenbruch der DDR gab es in der damaligen Bundesrepublik eine breite Zustimmung für die neunjährige gymnasiale Schulzeit. Eine Kürzung, so Wiater (1996, S. 122), wurde als „curricular nicht möglich, organisatorisch nicht machbar und im Blick auf die Studierfähigkeit der Abiturienten [als] nicht verantwortbar“ verworfen. Während in der DDR überlegt wurde, die Schulzeit als Konsequenz auf die gestiegenen Anforderungen an die Bildungsqualifikationen der Abiturienten um ein Jahr zu verlängern, fiel die Mauer. In der Folge der Wiedervereinigung wurde das Schulsystem der DDR zugunsten des vertikal gegliederten West-Systems aufgegeben. Dies bedeutete vor allem die Etablierung von Gymnasien, die – wie in den alten Bundesländern – nach neun Jahren zum Abitur führen sollten. Nur Thüringen und Sachsen hielten an einer zwölfjährigen Schulzeit fest. Bereits Anfang der 1990er Jahre drängten dann jedoch die Finanzminister der Bundesländer zur Schulzeitverkürzung, indem diese zum „solidarischen Sparbeitrag West zum Aufschwung Ost“ (Wiater 1996, S. 130) deklariert wurde. Dabei ging es um die Einsparung von Lehrerstellen, eine Verringerung des Raumbedarfs für Gymnasien und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Abiturienten, die so ein Jahr länger in die entsprechenden Alters- und Sozialsicherungssysteme etc. einzahlen könnten (vgl. Klemm 1993, S. 8 ff.). Die Bildungsexpansion bewirkt darüber hinaus, dass immer mehr Schüler den gymnasialen Bildungsweg wählen. Auch dies zieht steigende Kosten nach sich, da die durchschnittliche Verweildauer im Sekundarschulbereich verlängert wird (neun statt sechs Jahre). Es sind also maßgeblich ökonomische Motive, die zunächst durchaus nicht auf Zustimmung in den Kultusministerien der Bundesländer stießen. Letztlich wurde die Verkürzung dann durch eine Einigung der KMK (1997, S. 2) auf eine verbindliche Gesamtzahl von 265 Wochenstunden Unterricht (statt einer Festschreibung der Schuljahre) ermöglicht. Insofern hat im Wesentlichen keine Verkürzung, sondern eine Verdichtung der Schulzeit stattgefunden. Während Anfang der 1990er Jahre die Schulzeitverkürzung auch als Möglichkeit diskutiert wurde, den Zugang zum Gymnasium (durch die Straffung des Lehrstoffs und eine damit verbundene Anhebung des Leistungsniveaus) stärker zu begrenzen, um die Zahl der Abiturienten zu verringern (vgl. Bosse 1993, S. 15), trat dieses Argument etwa ab Mitte desselben Jahrzehnts in
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den Hintergrund. Stattdessen müssen zwei weitere Argumente als einschlägig für G8 eingestuft werden, die auch im Bologna-Prozess relevant sind: Erstens geht es um die zu langen Ausbildungszeiten der deutschen Schüler als Wettbewerbsnachteil gegenüber den meisten anderen vergleichbaren Nationalstaaten, in denen ebenfalls zwölf Jahre Schulzeit als Voraussetzung für den Übergang an die Hochschulen vorgeschrieben sind. Zweitens wird darauf hingewiesen, dass die Zeit der Erstausbildung bis zum Abschluss der Sekundarstufe II verkürzt werden könnte, da es im Zuge des Lebenslangen Lernens ohnehin notwendig sei, zusätzliche Bildungsphasen (z. B. für eine spätere berufliche Weiterqualifikation) nach Abschluss der schulischen Erstausbildung einzuplanen. In vielen Bundesländern wurden zunächst Pilotprojekte gestartet, die unterschiedliche G8-Modelle erproben sollten. Dazu gehören auch Klassen, die für besonders ‚begabte und lernwillige‘ Schüler eingerichtet wurden, um ihnen ein schnelleres Durchlaufen des gymnasialen Bildungsgangs zu ermöglichen (betitelt beispielsweise als „Turbo-Klasse“, „Schnellläuferklasse“ oder „D-Zug“). Gleichzeitig werden durch diese Klasseneinteilung nach Leistungsniveau vermeintlich homogenere Lerngruppen innerhalb der gymnasialen Schülerschaft gebildet. Das heißt, die ohnehin hohe Selektivität des dreigliedrigen Schulsystems würde um ein weiteres Glied verstärkt. Vor dem Hintergrund der flächendeckend geplanten Schulzeitverkürzung macht dieses Modell dennoch wenig Sinn: Denn damit würde impliziert, dass G8 nicht für die gesamte gymnasiale Schülerschaft, sondern nur für eine Teilmenge der besonders ‚Begabten‘ konzipiert sei. Soll also die Schulzeitverkürzung doch einen Akt der verschärften Selektion verschleiern? Nein, denn die steigenden Schülerzahlen an den Gymnasien werden derzeit nicht als Problem, sondern als Erfolg der gymnasialen Schulform dargestellt. Daher wundert es nicht, dass mit den meist nur kurze Zeit später gefassten Beschlüssen zur flächendeckenden Implementierung von G8 diese Turbo-Klassen schon wieder verschwinden.49 Denn die bereits angesprochenen Einspareffekte lassen sich mit einzelnen Turbo-Klassen nicht erreichen. Wenn aber ökonomisches Kalkül der Hauptgrund für G8 ist, dann muss von Anfang an die landesweite Schulzeitverkürzung für die gesamte gymnasiale Klientel das Ziel gewesen sein. Schnellläuferklassen sind demzufolge eher als eine Art ‚Versuchsballon‘ zu werten, mit dem die grundsätzliche Akzeptanz der Schulzeitverkürzung 49
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In den Schulgesetzen einiger Bundesländer, z. B. in Sachsen, findet sich allerdings weiterhin die Möglichkeit, spezielle Bildungsgänge für besonders begabte Schüler am Gymnasium einzurichten.
ausgelotet werden sollte.50 Die einzelnen Bundesländer haben verschiedene Arten der Implementierung von G8 gewählt, die theoretisch unterschiedliche Konsequenzen für die Stellung des Gymnasiums innerhalb des gesamten Sekundarschulsektors erwarten lassen.51 Denn die einen kürzen (formal) die Dauer der Sekundarstufe I, die anderen die der Sekundarstufe II. Bei der letztgenannten Variante wird suggeriert, dass für die erfolgreichen Absolventen des Mittleren Bildungsabschlusses anderer Schulformen (insbesondere die vergleichbar qualifizierten Gesamt- und Realschulabsolventen) ein Übergang ohne Zeitverlust in die Gymnasiale Oberstufe möglich sei. Tatsächlich müssen diese Absolventen aber nach wie vor eine dreijährige Oberstufenzeit bis zum Abitur anschließen, weil sie nicht in die elfte Jahrgangsstufe, sondern nur in die zehnte Klasse des Gymnasiums oder in eine dreijährige Form der gymnasialen Oberstufe (mit Einführungsphase) eingestuft werden. Daher unterscheiden sich die beiden Varianten wider Erwarten kaum.52 Stattdessen überwiegen die Gemeinsamkeiten: Überall wird G8 nur an grundständigen Gymnasien eingeführt. Unterschiedliche Regelungen finden sich für spezielle Gymnasien (z. B. das Berufliche Gymnasium). Für (integrierte) 50
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Tatsächlich konnte dann auch nachgewiesen werden, dass beispielsweise die Lehrer, Schüler und Eltern aus den G8-Modellversuchen in Brandenburg die Schnelläuferklassen als „vollen Erfolg“ bewerteten (vgl. Ludwig/Siebert/Lütgert 2008, S. 8 f.). Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass in diesen Pilotprojekten „die im jeweiligen Jahrgang insgesamt leistungsfähigsten und persönlichkeitsstärksten Schülerinnen und Schüler eines Einzugsgebiets zusammengefasst waren“ (ebd., S. 97), die von besonders engagierten Lehrern unterrichtet und von einer versuchsinteressierten Elternschaft unterstützt wurden. Interessant an der Studie von Ludwig, Siebert und Lütgert ist im Übrigen, dass gleich zwei Modelle erprobt wurden, nämlich so genannte Leistungsprofilklassen (acht Jahre Gymnasium im Anschluss an eine vierjährige Grundschulzeit) und das 6+6-Modell (sechsjährige Grundschule plus sechsjähriges Gymnasium). Dabei zeigte sich, dass sich für eine Teilnahme an den Leistungsprofilklassen insbesondere Kinder und ihre Eltern aus bildungsnahen Familien interessierten (ebd., S. 46 ff.). Insgesamt sehen die Autoren (ebd., S. 100) in den Schulversuchen die Tendenz bestätigt, „dass gegliederte Schulsysteme zu sozialer Selektivität beitragen.“ Gemäß der aktuellen Schulgesetze der Bundesländer (Stand: Dezember 2007). Eine Liste der Internetadressen dieser Schulgesetze hat der Dokumentations- und Bildungsinformationsdienst der KMK (2008d) bereit gestellt. Eine Ausnahme ist Berlin: Dort werden die Schüler der Gesamtschule mit Oberstufenberechtigung und leistungsstarke Schüler mit Mittlerer Reife (die die Zulassungsvoraussetzungen zur Abiturprüfung ohne einen Besuch der Einführungsphase erfüllen) in die zweijährige Form der Gymnasialen Oberstufe zugelassen und somit den G8-Abiturienten gleichgestellt (vgl. Schulgesetz für das Land Berlin 2008, § 28, Absatz 4).
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Gesamtschulen allerdings ist G8 ausdrücklich nicht vorgesehen. Mit anderen Worten: Alle übrigen Schulformen, die einen Übergang in die Gymnasiale Oberstufe ermöglichen, behalten die 13-jährige Schuldauer. Ansonsten ist es ausschließlich nach Einzelfallprüfung (wiederum nur für besonders ‚begabte‘ bzw. leistungsstarke Schüler) möglich, durch Überspringen der Orientierungsphase bereits nach zwölf Jahren das Abitur abzulegen. Abgesehen vom Wust der Formulierungen in den einzelnen Schulgesetzen scheinen die Konsequenzen gleich: Vor dem Hintergrund der gymnasialen Charakteristika bedeutet G8 eine Privilegierung des Königswegs, weil - die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen abgebaut, - der Leistungsdruck erhöht, - die Einführungsphase der Oberstufe gekürzt oder aufgegeben wird - und Fördermöglichkeiten gestrichen werden. Beide G8-Varianten schränken die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen in der Sekundarstufe I ein, weil ein Übergang zum Gymnasium in dieser Stufe aufgrund der veränderten Lehrpläne in der Unterund Mittelstufe kaum noch möglich ist (vgl. Trautwein et al. 2007, S. 167). Konsequenz ist, dass sowohl die vertikale Gliederung des deutschen Schulsystems zementiert als auch der grundständige Königsweg weiter von den übrigen Bildungsgängen abgekoppelt wird. Wird so nicht ein „Zwei-Klassen-Abitur“ eingeführt, wie Fuchs (2004, S. 431) kritisch bemerkt? Denn ein kurzer und ein langer Weg zur Hochschulreife bedeutet mehr Differenz, „zugleich aber auch (noch) mehr Ungleichheit“ (ebd.). Überdies werden die Schüler benachteiligt, die nicht den Königsweg zum Abitur wählen, da sie ein Jahr mehr Schulzeit in Kauf nehmen müssen (vgl. Trautwein et al. 2007, S. 167). Eine längere Schulzeit ist wiederum vor allem für die Familien problematisch, die darauf angewiesen sind, dass die Kinder möglichst schnell finanziell unabhängig sind oder in denen von den Kindern sogar ein eigener Beitrag zum Familieneinkommen geleistet werden muss. Muss nun demzufolge schon der Übergang von der Gesamt- oder Realschule in die Gymnasiale Oberstufe zum zweiten Bildungsweg gerechnet werden? Es ist unbestritten, dass G8 ohne größere zeitliche und inhaltliche Kürzungen eine Komprimierung der schulischen Anforderungen bedeutet, die sich in höherem Leistungsdruck, längeren Schultagen und zudem mehr Hausaufgaben äußert. Größere inhaltliche Kürzungen soll es gemäß der
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Verlautbarungen der verantwortlichen Bildungspolitiker jedenfalls nicht geben – allenfalls punktuelle Verdichtungen oder ‚Entschlackungen‘ – da das gymnasiale Niveau keinesfalls gesenkt, sondern erhalten, wenn nicht gar gestärkt werden müsse. Auch Wolter (2001a, S. 20) hat festgestellt, dass „die Schulzeitdebatte durchgängig auf der Prämisse [basiert], innerhalb kürzerer Lernzeiten mindestens das gleiche, wenn nicht sogar ein höheres Pensum zu erreichen.“ Holst (2005, S. 48) konstatiert als „Motto der Bildungspolitik für die Gymnasiale Oberstufe in den letzten Jahren ein höheres Leistungsniveau durch gesteigerte Leistungsanforderungen“ . Die Befürchtung, dass es zu einer „Renaissance des Gymnasiums als Elite-Einrichtung“ (Turner 2001, S. 57) kommen könnte, ist jedenfalls nicht einfach von der Hand zu weisen, da der erhöhte Leistungsdruck viele Eltern davon abhalten könnte, ihre Kinder auf das G8-Gymnasium zu schicken. Im Zuge der erwarteten verstärkten Leistungsselektion könnte sich auch die soziale Selektion innerhalb des Gymnasiums weiter ausprägen, da zu erwarten ist, dass Schüler aus finanziell gut gestellten Familien den erhöhten Leistungsdruck ggf. durch private Bildungsinvestitionen (z. B. durch Nachhilfe53 ) leichter kompensieren können. Der höhere Leistungsdruck verkürzt überdies die Zeiträume, die für die unterschiedlichen Lerntempi einer heterogenen Schülerschaft zugemessen werden können. Den Möglichkeiten der Differenzierung und Individualisierung im Unterricht werden damit enge Grenzen gesetzt. Demgemäß beschreibt Bönsch (2008, S. 36) die Auswirkungen von G8 auf den Unterricht als „unbarmherzige Ablauforganisation“, die „Schüler und Lehrer in eine Hetze [zwingt], in der keiner mehr zur Besinnung kommt.“ So seien z. B. im 9. Schuljahr 34 Wochenstunden geplant, was dazu führe, dass ein Unterrichtstag acht bis neun Stunden dauere, verbunden mit ständigem Fachund Lehrerwechsel. Die Schulzeitverdichtung beinhaltet also ein Dilemma: Bleiben alle Anforderungen und Inhalte im Lehrplan, führt das zwangsläufig zu einer höheren Belastung der Schüler und Lehrer. Will man diese entlasten, müssen Anforderungen oder Inhalte reduziert werden. Dies würde das Eingeständnis bedeuten, dass die bisherigen Lehrpläne ‚Überflüssiges‘ enthalten hätten, das nun ohne Verlust gestrichen werden könne. Solche Diskussionen werden von den politisch Verantwortlichen vermieden, so dass die Schulzeitverkürzung bei gleichbleibenden Inhalten nur durch die Erhöhung 53
Der Spiegel berichtet, dass im Saarland die Zahl der akkreditierten privaten Nachhilfeeinrichtungen seit der Umstellung auf G8 im Jahr 2001 um ein Viertel gestiegen sei. In Baden-Württemberg habe sich „die Zahl der Fünft- und Sechstklässler, die in Nachhilfe-Institutionen pauken, etwa verdreifacht“ (Bartsch et al. 2008, S. 49).
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der Anforderungen umgesetzt, also durch eine Leistungssteigerung der Lehrer und Schüler ermöglicht werden kann. Es liegt auf der Hand, dass eine politisch verordnete Schulzeitverkürzung ohne pädagogisch kompensierende Veränderungen in der Schul- und Unterrichtsgestaltung keinesfalls zu einer qualitativen Verbesserung des gymnasialen Bildungswegs führt. Ähnlich urteilt Wolter (2001a, S. 58), dass die Schulzeitverkürzung bislang „eher der Rationalisierung als der Qualitätsverbesserung“ gedient habe. Das zehnte Schuljahr wird durch G8 stärker verändert als alle übrigen, weil es hier nicht nur um eine erhöhte Wochenstundenzahl geht, sondern um eine Doppelung der Aufgaben: Denn für die Gymnasiasten bedeutet die erfolgreich abgeschlossene zehnte Klasse das Erreichen des Mittleren Bildungsabschlusses (ggf. verbunden mit Schulabgang oder -wechsel) und obendrein ist in diesem Jahr die Einführungsphase für die Gymnasiale Oberstufe vorgesehen. Die Einführungsphase konnten die Schüler bisher dafür nutzen, individuelle Defizite (beispielsweise durch gezielte Kurswahlen) auszugleichen – was speziell für die Übergänger von anderen Schulformen wichtig war – sowie Stärken und Interessen weiter auszubauen. Durch Projekte, Praktika oder Auslandsaufenthalte konnten zusätzliche Gelegenheiten eingerichtet werden, die auf eine Klärung der persönlichen Lebens- und Berufsplanung zielten (vgl. Huber 2004, S. 24). Aufgrund der verdoppelten Aufgaben in diesem Schuljahr bleibt dafür jetzt weniger oder keine Zeit mehr. Auch die Brückenfunktion der Einführungsphase, den Übergang vom Klassen- zum Kurssystem zu erleichtern (vgl. KMK 1997a, Absatz 7.1.2), fällt teilweise weg. Zudem zeigt ein Vergleich der Fassungen der „Vereinbarung zur Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ von 2003 und 2006, dass gegenwärtig bereits nur noch solche Schüler in die Einführungsphase aufgenommen werden sollen, die auf Grund ihrer Leistungen einen erfolgreichen Durchgang durch die Oberstufe erwarten lassen. In der vorherigen Fassung wurde dies erst für den Eintritt in die Qualifikationsphase – also ein Jahr später – vorgeschrieben. Demzufolge findet sich in der Version 2006 auch nicht mehr der Hinweis darauf, dass die Länder entsprechende Fördermaßnahmen zum Ausgleich unterschiedlicher Voraussetzungen in der Einführungsphase sicherzustellen haben (vgl. KMK 2003c, Abschnitt 7.2.2. und KMK 2006, Abschnitt 5.2.). Fazit: Die Schulzeitverkürzung lässt die Qualifikationsphase der Oberstufe unangetastet. Dies weist darauf hin, dass die Qualifikationsphase der Gymnasialen Oberstufe mit Ausrichtung auf das Abitur nach wie vor als ‚Herz-
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stück‘ des Gymnasiums angesehen wird. Ferner ‚passt‘ es zu dieser Schulform, den Leistungsdruck zu erhöhen, da eine entsprechende Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Schülerschaft postuliert wird. Ähnlich wie beim Übergang zur Hochschule werden die tatsächlichen Lernvoraussetzungen der Schüler und ihre Bedürfnisse dabei deutlich nachrangig behandelt. Der Abbau der Durchlässigkeit zwischen den Schulformen trägt dazu bei, die frühe Selektion durch die Wahl der weiterführenden Schulform zu festigen. Da durch G8 außerdem die Möglichkeiten reduziert werden, innerhalb der Institution Ungleichheiten zu kompensieren, die auf heterogene Voraussetzungen der Schüler zurückzuführen sind, scheint das Gymnasium seinem alten Ruf als ständischer Eliteschule von Neuem gerecht werden zu sollen. 5.1.2
Hochschulische Profilierungsbestrebungen
Durch die Bologna-Reformen wird das hierarchische Verhältnis der Hochschultypen in Frage gestellt. Dies geschieht allein schon durch die Harmonisierung des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums, in dem der Fachhochschule auch sprachlich ein universitärer Rang zugesprochen wird, z. B. als University of applied sciences in England oder institut universitaire de technologie in Frankreich. Bewirkt der Bologna-Prozess infolgedessen in Deutschland eine Gleichstellung der Hochschultypen? Diese Frage ist für den Hochschulzugang deshalb wichtig, weil traditionell unterschiedliche Berechtigungen für die Universität und die Fachhochschule qualifizieren. Die Unterschiede zwischen Allgemeiner sowie Fachgebundener Hochschulreife und Fachhochschulreife sind aber nur dann haltbar, wenn sie durch das Profil und die Anforderungen der aufnehmenden Institution begründet werden können. In Deutschland gilt ein universitäres Studium mehr und anderes als ein fachhochschulisches, da ein höheres Niveau und eine unterschiedliche Ausrichtung der Studien behauptet werden. Daher werden traditionell die wesentlichen Unterschiede weniger zwischen einzelnen Hochschulen, sondern vielmehr zwischen den Hochschultypen konstruiert, obwohl sich die Aufgaben von Fachhochschulen und Universitäten seit Jahren sukzessive angenähert haben. Die Trennung zwischen Universität und Fachhochschule ist eine Variante des „Bildungsschismas“. Mit diesem Begriff beschreibt Baethge (2007, S. 97 f.) die spezifisch deutsche „dauerhafte wechselseitige Abschottung von Bildungsbereichen gegeneinander“, die das Verhalten der Mitglieder über ein System aus Regeln und Normen, Werten sowie Zielen steuert. Im Folgenden wird dargelegt, inwiefern die Berücksichtigung von
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Employability einerseits und die Veränderungen zur Wissensgesellschaft andererseits zu einer Überlappung der traditionellen Abgrenzungen zwischen Universität und Fachhochschule führen. Anschließend wird gezeigt, dass insbesondere die Implementierung des gestuften Studiensystems die Entwicklung forciert, dass Profilierung und Statussicherung primär nicht mehr zwischen den Hochschultypen, sondern zwischen vielfältig miteinander konkurrierenden einzelnen Hochschulen erfolgen wird. Der Bologna-Prozess sieht mit der Aktionslinie zur Förderung von Employability für alle Studiengänge eine Orientierung an arbeitsmarktrelevanten Kompetenzen vor. Während dies für die Fachhochschulen nichts Neues bedeutet, haben viele universitäre Akteure (sowohl Lehrende als auch Studierende) darauf zunächst mit Ablehnung reagiert, was vor dem Hintergrund des universitären Selbstbildes verständlich wird: Beschäftigungsfähigkeit als verbindliches Studienziel festzuschreiben, bedeutet einen Affront gegen das Ideal der zweckfreien Wissenschaft. Dabei gelten universitäre Studiengänge als weniger praxisbezogen als fachhochschulische. Seit Jahren werden daher von den Studierenden mehr Praxisanteile im Studium als Verbesserung der Bildungsgänge angesehen. Denn an Universitäten seien viele Studiengänge einseitig auf die inneruniversitäre Forschung ausgerichtet, während die Vorbereitung auf die beruflichen Tätigkeitsfelder im Hintergrund stehe.54 Die Employability-Kontroverse ruft in Erinnerung, dass der größte Teil auch der universitären Studierenden keine wissenschaftliche Laufbahn einschlägt. Primär die Universitäten werden durch die BolognaAktionslinie daher aufgefordert, die beruflichen Karrierewege ihrer Absolventen stärker zu berücksichtigen, die außerhalb der Hochschulen liegen. Der Wissenschaftsrat (2006a, S. 9) stellt in seinen Empfehlungen zur Rolle der Universitäten im Wissenschaftssystem klar, dass sich die Universitäten zukünftig nicht von den Fachhochschulen abgrenzen können, indem sie sich 54
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Vgl. Briedis (2007, S. 21): „Obwohl mehr als 90 Prozent der Hochschulabsolventen das unmittelbare Segment der Hochschule und der wissenschaftlichen Forschung über kurz oder lang verlassen, ist die Vorbereitung auf die berufliche Praxis diesseits der Universität immer noch ihr ‚Stiefkind‘.“ Bargel et al. (2008, S. 21) haben zudem festgestellt, dass der Praxisbezug für die Studierenden „einen höheren Stellenwert [hat] als die Forschungsteilnahme, an den Universitäten fast in gleichem Umfang wie an den Fachhochschulen.“ 97 Prozent der Studierenden an Fachhochschulen und 88 Prozent an Universitäten halten den Praxisbezug für wichtig. Damit wird die Bedeutung des Forschungsbezugs übertroffen, den an Fachhochschulen nur 57 Prozent und an Universitäten 60 Prozent der Studierenden als wichtig oder sehr wichtig einstufen. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass unter ‚Praxisbezug‘ subjektiv Unterschiedliches verstanden wird; das Spektrum reicht von der Reflexion möglicher Anwendungsfelder bis hin zur Theoriefeindlichkeit.
„auf eine Arbeitsteilung berufen, wonach sie selbst für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zuständig sind, für die Berufsqualifizierung in wissenschaftsbasierten Berufsfeldern hingegen allein die Fachhochschulen.“ Stattdessen müsse auch das Universitätsstudium adäquat auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Während mit dem neuen Begriff der Employability die alte Forderung nach einer stärkeren Berufsorientierung aufgenommen wurde, wird mit dem Hinweis auf den gesellschaftlichen Wandel die Relevanz der allgemeinen Wissenschaftsorientierung betont. Auch die Fachhochschulen sind daher aufgerufen, entsprechende Studiengänge zu konzipieren, die auf den anspruchsvollen Umgang mit Informationen, Wissen und theoretischen Modellen vorbereiten. Denn angesichts der rasanten Entwicklungen (gerade bei den Technologien, die in den Ingenieurwissenschaften der Fachhochschulen verankert sind), gewinnen zunehmend formale Kompetenzen an Bedeutung, die dazu befähigen, immer wieder neue Herausforderungen bewältigen zu können. Die Ansprüche an die Ausbildungsziele beider Hochschultypen nähern sich in diesem Sinne an. Dieser Annäherungsprozess wird durch die Spezialisierung der Wissenschaften insgesamt begünstigt, da die Universitäten nicht mehr generell in allen Bereichen eine Vormachtstellung gegenüber den Fachhochschulen behaupten können. Sowohl Universitäten als auch Fachhochschulen werden zukünftig stärker auswählen, welche der mannigfaltigen Erwartungen und Aufgaben sie übernehmen, die an sie herangetragen werden. Die Hochschulen sind dabei gehalten, spezifische Profile zu entwickeln, z. B. im Bereich der Lehre durch eine fachliche Konzentration oder besondere Vielfalt, durch curriculare oder hochschuldidaktische Akzentsetzungen, durch hohe Leistungsanforderungen oder die Konzentration auf bestimmte studentische Zielgruppen. Profilbildung bezweckt auf der einen Seite das Studienangebot durch mehr Differenzierung zu erweitern, andererseits ist damit aber auch, wie Leszczensky (2007, S. 53) herausstellt, „aus Sicht der Hochschulen [die] Absicht verbunden, Status und Prestige zu erhöhen.“ Können die Hochschulen solche Entscheidungen tatsächlich selbstverantwortlich treffen, ist zu erwarten, dass sie sich unterschiedlich profilieren. Genau dies ist politisch gewollt; beispielsweise fordert der Wissenschaftsrat (2006a, S. 11), dass es ein hochschulpolitisches Ziel sein müsse, „Profilbildung und Wettbewerb zu fördern und mehr institutionelle Differenzierung zuzulassen“, da so die Leistungen der einzelnen Bildungseinrichtungen gesteigert und das Angebot insgesamt besser und flexibler an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedarf angepasst werden könne. Der Wissenschaftsrat nimmt
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damit die Argumentationsweise der Output-Orientierung auf, die darauf zielt, durch die Flexibilisierung der Wege und die Etablierung von Wettbewerbsstrukturen insgesamt Leistungssteigerungen zu erreichen. Führen diese Profilbildungsprozesse und die politisch und wirtschaftlich gewünschte sowie von Studierenden nachgefragte stärkere Orientierung an beruflichen Kompetenzen (Stichwort: „Praxisbezug“) in den Studiengängen dazu, dass im Hochschulsektor die Grenze zwischen den Hochschultypen sukzessive verwischt? Bargel et al. (2008, S. 24) stellen tatsächlich fest, dass seit einigen Jahren in der Lehre der Fachhochschulen der Forschungsbezug akzentuiert worden ist, während an den Universitäten der Praxisbezug stärker herausgestellt wurde. Beide Hochschultypen hätten in der Wahrnehmung der Studierenden jedoch „trotz der dabei eingetretenen Angleichung bei den Schwerpunkten [. . .] ihre spezifische Ausrichtung bewahrt“ (ebd.). Während also gegenwärtig davon auszugehen ist, dass sich die Unterscheidung der Hochschultypen noch in der Wahrnehmung erhalten hat, ist abzusehen, dass zukünftig die Grenzen zwischen den Hochschularten doch weniger strikt gezogen werden, da die einzelnen Profile gegenüber den Hochschultypen an Bedeutung gewinnen. Die wichtigste Reform, die diese Entwicklung weiter forcieren könnte, ist die Einführung der gestuften Studiengänge, die a) mehr Übergänge zwischen den Hochschultypen erlaubt, die b) die damit verbundenen Profilierungsmöglichkeiten den einzelnen Hochschulen überlässt und mit der c) der Masterzyklus stärker eliteorientiert gestaltet werden könnte. Ad a: Übergänge zwischen den Hochschultypen Neue Studierendenströme könnten zukünftig die Hierarchie zwischen Fachhochschule und Universität abschleifen, wenn die Studierenden das gestufte Studiensystem stärker für Übergänge zwischen den Bildungseinrichtungen nutzen. Dafür ist die vom Hochschultyp unabhängige Klassifizierung der Abschlüsse eine maßgebliche Voraussetzung. Die KMK (2007b) unterstützt diese Entwicklung durch ihren Beschluss, sowohl universitäre als auch fachhochschulische Bachelorabschlüsse als Voraussetzung für den Zugang zum gehobenen Dienst bzw. die Masterabschlüsse für den Zugang zum höheren Dienst anzuerkennen. Auf diese Weise wird die horizontale Stufung betont, die zu einer Gleichstellung unterschiedlich profilierter Studiengänge beiträgt (vgl. KMK 2005, S. 4) und dazu ermutigt, die vorgegebenen Bahnen zu verlassen. Angesichts des Umsetzungsstands liegen zu dieser Hypothese noch keine verlässlichen Daten vor. Erste Stellungnahmen von Hochschulvertretern und Erfahrun-
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gen von Studierenden weisen allerdings darauf hin, dass ein Übergang von der Universität zur Fachhochschule weitaus weniger problematisch ist als umgekehrt. Zwar hat auch die HRK darauf hingewiesen, dass nicht generell fachhochschulische Bachelor-Absolventen von universitären Masterstudiengängen ausgeschlossen werden, jedoch können individuelle Zugangshürden diesen Bildungsweg de facto eng halten (vgl. die Punkte I und V in Abschnitt 3.2.2). Ad b: Typische Profilierungen trotz neuer Möglichkeiten Zudem wird die Masterstufe dazu genutzt, die Unterscheidung zwischen forschungsbezogenen und anwendungsbezogenen Studiengängen zu aktualisieren (vgl. KMK 2003a; KMK 2008b; Wissenschaftsrat 2006a, S. 29). Obwohl es Fachhochschulen und Universitäten rechtlich freigestellt ist, zwischen den verschiedenen Optionen zu wählen, ist zu erwarten, dass aus der Tradition der jeweiligen Hochschule heraus entsprechende Kontinuitäten im Lehrangebot entwickelt werden (müssen). Witte (2006, S. 196) weist darauf hin, dass viele Aspekte wie Finanzierung, personelle Ausstattung und Besoldung, Lehrverpflichtungen etc. unverändert blieben, so dass die jeweiligen institutionellen Realitäten hinter den gemeinsamen Abschlüssen überdauerten. Insbesondere für die Fachhochschulen sei es angesichts der üblichen kürzeren Studiengänge im Vergleich zu den Universitäten daher nicht einfach, Ressourcen für die Einführung von Masterprogrammen zu gewinnen. Ein weiterer Hinweis darauf ist im Gesamtangebot der neuen Studiengänge in Deutschland zu sehen (vgl. Tabelle 5.1 auf S. 205). Tabelle 5.1: Anzahl von Bachelor- und Masterstudiengängen in Deutschland Fachhochschulen (ohne Promotionsrecht)
Universitäten und gleichgestellte Hochschulen
Bachelor
Master
Bachelor
Master
2295
1350
3269
3224
Verhältnis: 1,7 : 1
Verhältnis: 1 : 1
(Quelle: http://www.hochschulkompass.de, Stand: November 2009; eigene Berechnungen.)
An den Universitäten werden nicht nur im Verhältnis zu den Fachhochschulen wesentlich mehr Masterstudiengänge angeboten, sondern auch in
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Bezug auf die Anzahl der Bachelorabschlüsse: Während an Fachhochschulen das Verhältnis von Master- zu Bachelorabschlüssen statistisch gesehen 1 zu 1,7 beträgt, kommt auf jeden universitären Master auch ein Bachelor. Dieser Unterschied deutet auf ein größeres Profilierungs- und Spezialisierungspotential der Universitäten hin. Gleichermaßen ist ablesbar, dass insbesondere an den Fachhochschulen der Bachelor als der Abschluss verstanden wird, der für die Mehrheit der Studierenden zu einer Einmündung in den Arbeitsmarkt führen soll. Ad c: Elitebildung mit Masterstudiengängen Durch die angestrebte Steigerung der Studierendenzahlen wächst der kapazitäre Druck an allen Hochschulen. Diese sehen sich in der Pflicht oder werden dazu angehalten, Studiengänge anzubieten, die auf der Bachelorebene möglichst viele Studierende aufnehmen können. Dies gilt für die Masterebene nicht, denn die Regierungsverantwortlichen setzen prioritär auf die Erhöhung der Studierenden mit erstem hochschulischen Abschluss. So könnten in internationalen Vergleichen der Absolventenquote gute Steigerungsraten erzielt werden. Durch die Logik der gestuften Studiengänge wird außerdem impliziert, dass den Masterzyklus deutlich weniger Studierende absolvieren als den Bachelorzyklus. Dementsprechend betont der Wissenschaftsrat (2000, S. 26) unter Exzellenzgesichtspunkten die restriktive Gestaltung des Masterzugangs angesichts der erwarteten weiteren Bildungsexpansion. Diesen Ansatz unterstreicht die KMK mit der Festlegung, dass der Master nicht nur den ersten Abschluss voraussetzt, sondern dass er auch von weiteren Zugangsvoraussetzungen abhängig gemacht werden soll (vgl. KMK 1999; KMK 2003a; KMK 2008b, S. 4 f.; KMK/BMBF 2007, S. 10). Zwar ist mit dieser Vorgabe der KMK zur Begrenzung des Zugangs zum Master „keine fixe Quote“ (KMK/BMBF 2004, S. 17) festgelegt, aber dennoch können die Hochschulen mit Masterstudiengängen ebenfalls Profilbildung im Sinne einer akzentuierten Eliteförderung betreiben (vgl. Bloch et al. 2006, S. 91). Dabei spiele auch die Vorstellung eine Rolle, den Master-Zugang zu nutzen, um „innerhalb der Massenuniversität ein geschütztes Reservat für den eigentlichen akademischen Nachwuchs zu schaffen“, merkt Wolter (2001a, S. 31) an. Die traditionellen Vorstellungen und Ansprüche, die mit dem Niveau eines universitären Studiums bislang verbunden waren, scheinen nun stärker im spezialisierteren Master verortet zu werden, während der Bachelor für viele Hochschullehrende nur einen einführenden Charakter hat (bei dem das Niveau im Verhältnis zu den traditionellen Stu-
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diengängen tendenziell gesenkt worden sei).55 Ob solche Urteile tatsächlich an den jeweiligen Anforderungen der Bachelor- und Masterstudiengänge derart pauschal zu fällen sind, darf indes bezweifelt werden. Die Einführung des gestuften Studiensystems stellt alles in allem den Versuch dar, eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Dies gelingt allerdings nur dann, wenn die Mehrheit der Studierenden nach dem ersten Abschluss auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechselt. Geht man davon aus, dass erstens die zur Verfügung stehenden Mittel für die Lehre in etwa gleich bleiben, zweitens politisch außer Frage steht, dass die Studierendenquote erhöht werden soll, gleichzeitig aber drittens die neuen Studiengänge (aufgrund erhöhter Betreuungszeiten, aufwendiger Auswahlverfahren, kleinerer Seminare etc.) teurer sein werden als die alten, dann werden zwangsläufig weniger Kapazitäten für die Masterstudiengänge zur Verfügung stehen. Leszczensky (2007, S. 46) kommt angesichts dieser Rahmenbedingungen zu dem Schluss, dass schon die Vorgabe eines Landes, genau so viele Studienplätze zur Verfügung zu stellen wie zur Zeit der traditionellen Studiengänge, dazu führen wird, dass nur noch der Hälfte aller Bachelorabsolventen überhaupt ein Masterstudienplatz angeboten werden könne (vgl. auch Bülow-Schramm 2008, S. 37). Will eine Hochschule die neuen Möglichkeiten der Profilierung aber dazu nutzen, verstärkt Masterprogramme aufzulegen, bedeutet das (in Anlehnung an Leszczensky 2007, S. 54) eine Vernichtung von Ausbildungskapazitäten für grundständig Studierende. Welche Konsequenzen sind nun durch die Einführung des gestuften Systems zu erwarten? Man kann davon ausgehen, dass in erster Linie der Zugang zum Master von den Hochschulen restriktiv gestaltet wird: - Durch den Versuch, bestimmte (herausragende) Studierende mit dem Ziel der Elitebildung an sich zu binden. Teichler (2001a) erläutert, dass Profilbildung u. a. mit der Absicht geschehe, an einzelnen Hochschulen in „Exzellenzzentren“ Studierende mit ähnlicher Leistungsfähigkeit zusammenzufassen, da deren Leistungshomogenität dazu beitragen könne, die Leistungen insgesamt zu erhöhen. Auf diese Weise werde eine bessere Arbeitsteilung und größere Spezialisierung der Wissenschaftler ermöglicht, was zu Kosteneinsparungen führen könne. 55
Vgl. statt vieler Snelting (2008, S. 475), der davon ausgeht, dass die Umstellung auf Bachelor-Studiengänge in den technischen Fächern zu einer Ausdünnung wissenschaftlicher Grundlagen geführt habe, die er als „Verfachhochschulung“ bezeichnet.
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Aus pädagogischer Sicht ist diese Argumentation allerdings fraglich, da auch (und insbesondere) in heterogen zusammengesetzten Lerngruppen durch entsprechend gestaltete Lernumgebungen große Leistungspotentiale erschlossen werden können. - Durch Zulassungsbeschränkungen, die garantieren, dass auch bei einer hohen Nachfrage nach bestimmten Masterstudienplätzen der Zugang ausreichend kontrolliert werden kann. Parallel zu den quantitativen Beschränkungen sollen auf diese Weise auch qualitative Verbesserungen der Studienbedingungen ermöglicht werden, z. B. eine stärkere Betreuung der Studierenden durch die Hochschullehrenden. Dazu müssten allerdings die Curricularnormwerte angepasst bzw. flexibilisiert werden (vgl. Abschnitt 4.3.2). Seit einiger Zeit gibt es dazu bereits auf Länderebene erste Ansätze. Geis (2007, S. 22) sieht in dieser Entwicklung eine „Renaissance der Wertschätzung der Lehre“, da die „Pflicht zur nachhaltigen ‚Niveaupflege‘, die die Rechtsprechung so lange als irrelevant disqualifiziert hatte, [. . .] nunmehr unter haushaltsrechtlichen wie dienstrechtlichen Vorzeichen einen zentralen Charakter“ (ebd., S. 23) gewinne. - Durch das Erheben von Studiengebühren, um neue Finanzquellen zu erschließen. Denn parallel „zur massiven Differenzierung und Hierarchisierung der Universitätslandschaft durch das Exzellenzprogramm und ähnliche Maßnahmen werden sich auch die Gebühren je nach Attraktivität von Universität und Studienfach auseinander entwickeln“, so Hartmann (2006b, S. 38). Im Zentrum stehen dabei die weiterbildenden Masterprogramme. Zwar werden diese in allen Hochschulgesetzen der Länder den hochschulischen Aufgaben zugerechnet, allerdings soll die Finanzierung zunehmend privat erfolgen. Daher schließt die HRK (2008a, S. 2), dass sich der Staat „hier offenbar weniger in der Pflicht sieht als bei grundständiger Lehre und bei Forschung.“ Auch wenn innerhalb Deutschlands zu erwarten ist, dass die Gleichstellung der Hochschultypen zunächst durch die Institutionen selbst unterlaufen wird, da nach wie vor traditionelle Unterschiede als ausschlaggebend angesehen werden, die die Universitäten und Fachhochschulen durch ihr jeweiliges Selbstverständnis konstruieren, ist langfristig doch anzunehmen, dass die Hierarchien im Hochschulbereich neu geordnet werden (vgl. Altvater 2008, S. 10). Im Zuge der Internationalisierung und Globalisierung wird es kaum möglich sein, das nationale System von den europäischen Entwick-
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lungen abzuschotten. Die sprachliche Anpassung an europäische Konventionen ist dabei nur der erste Schritt. Selbst wenn innerhalb Deutschlands kurzfristig keine größeren Änderungen stattfinden werden, ist langfristig davon auszugehen, dass die politisch durchgesetzte Etablierung von Wettbewerbsstrukturen, die Förderung von „Exzellenz“ und die rahmengebende Gleichstellung von forschungs- und anwendungsorientierter Bildung im Hochschulsektor durch entsprechende Gesetze und Verordnungen darauf hinwirken werden, dass zukünftig in erster Linie einzelne Hochschulen miteinander in Konkurrenz treten. Bedenkt man die Ähnlichkeiten der heutigen Situation mit der Gleichstellung der Höheren Schulen 1900, in deren Folge die realistisch-orientierten höheren Schulen auch die gemeinsame Bezeichnung „Gymnasium“ angenommen haben (vgl. Abschnitt 4.1.1), muss man den Gedanken einer tatsächlichen Durchsetzung der Gleichstellung der Hochschultypen in Deutschland letztlich nicht abwegig finden: Auch damals ging der entscheidende Druck von veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen und Bildungswahlen der Menschen aus. Wiederholt sich hier also ein historisches Phänomen an anderer Stelle im mittlerweile gut hundert Jahre älteren Bildungssystem? Dann wäre allerdings ebenfalls zu erwarten, dass sich in den Sozialprofilen der Bildungseinrichtungen trotz der formalen Gleichstellung schichtenspezifische Differenzierungen tradieren, wie es Kraul (1984, S. 119) und Friedeburg (1989, S. 179 ff.) in den Höheren Schulen an der Wende zum 20. Jahrhundert festgestellt haben. 5.1.3
Hervorhebung vertikaler Gliederungslinien
In Bezug auf das (Selbst-)Bild der Bildungseinrichtungen sind unterschiedliche Entwicklungen im Schul- bzw. Hochschulbereich deutlich geworden: Während sich das Gymnasium als Schulform von den anderen Schularten durch G8 regelrecht abgrenzt, sprechen die Profilierungsmöglichkeiten der Hochschulen dafür, dass das jeweilige Studienangebot zukünftig entscheidender gewichtet wird als die Zugehörigkeit zu einem Hochschultyp. Im Letzteren wird das Potential gesehen, dass die Hochschulen konstruktiv mit den gewachsenen Erwartungen und der Herausforderung sich ständig weiter verzweigender Wissenschaften umgehen können. Mit der Diversifizierung des Lehrangebots an Fachhochschulen und Universitäten wird die Unterscheidung zwischen Allgemeiner, Fach- und Fachgebundener Hochschulreife zunehmend obsolet, da eine Differenzierung nach Anwendungs- oder Forschungsbezug auf der Bachelorebene nicht vorgese-
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hen ist (vgl. KMK 2003a; KMK 2008b). Stattdessen pocht die KMK auf den Charakter des Bachelors als Regelabschluss mit einem eigenständigen berufsqualifizierenden Profil, „das durch die innerhalb der Regelstudienzeit zu vermittelnden Inhalte deutlich werden muss“ (ebd.). Daher fehlt durch die Einführung der gestuften Studiengänge mehr denn je die Begründung dafür, warum die Besitzer der Allgemeinen Hochschulreife für alle Studiengänge „studierfähig“ sein sollen, während die Inhaber eines Fachhochschulabiturs nur für Fachhochschulen qualifiziert sind. Die stärkere Differenzierung der neuen Studiengänge legt stattdessen nahe, dass die konkreten Anforderungen des gewünschten Studiengangs und das persönliche Kompetenzprofil der Studienbewerber relevanter für die Zulassung sein müssten als der schulische Abschluss. Wird beim Hochschulzugang die Unterscheidung nach Hochschultyp und zugehöriger Art der Hochschulreife inhaltlich bedeutungslos und hält man dennoch an diesem Zulassungskriterium fest, bewirkt das eine Fortsetzung der Kanalisierung von Studierendenströmen gemäß der bereits mehrfach vorsortierten Schüler. Dazu trägt im schulischen Bereich gesetzlich verordnet G8 wesentlich bei durch den Abbau der Durchlässigkeit, die Erhöhung des Leistungsdrucks und durch die Streichung von schulischen Fördermöglichkeiten bzw. die Verlagerung dieser Aufgabe in den privaten Bereich. Im Hochschulsektor wiederum wird die Entscheidungskompetenz bei der Studierendenauswahl im Zuge neuer Autonomiemodelle mehr und mehr auf die einzelnen Einrichtungen übertragen. Die Realisierung der Gleichstellung der Hochschultypen auf der Bachelorebene wird so in die Beliebigkeit der einzelnen Hochschulen gestellt. Ein bedenkenswertes Beispiel für mögliche Konsequenzen dieser neuen Freiheiten ist die auf ihrem Profilierungsweg bereits fortgeschrittene Stiftungsuniversität Frankfurt: Sie hat ihre neuen, besonders weitreichenden Selbstbestimmungsrechte dazu genutzt, durch Senatsbeschluss vom 31.01.2008 ab dem Wintersemester 2008/09 generell keine Schulabgänger mit Fachhochschulreife mehr zum Studium zuzulassen (vgl. Hartmann 2008). Die Verflechtung des alten Berechtigungssystems mit den neuen Strukturen erzeugt im Hochschulzugang höhere Selektionshürden (vgl. Tabelle 5.2 auf S. 211): Einerseits werden die Schüler durch G8 (im intranationalen Vergleich zum neunjährigen Gymnasium und im internationalen Vergleich zu gesamtschulischen Systemen) stärker ausgelesen und andererseits müssen sich auch die Studienbewerber schärferen Selektionsprozessen unterziehen (insofern die Hochschulen von ihren neuen Auswahlrechten im Zuge der Profilierung Gebrauch machen). Dabei liegen beide Logiken quer zueinander: Eine starke schulische Vorselektion (insbesondere durch die frühe Zuwei-
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Tabelle 5.2: Selektion am Hochschulzugang Sekundarbereich
Tertiärbereich
früher
+ Selektion Durch Zuweisung auf hierarchisch geordnete Schulformen nach der Grundschule, Sitzenbleiben und Abstufung
- Selektion An der Schwelle zur Hochschule reicht das Abitur in der Regel aus.
zukünftig
++ Selektion G8 bedeutet eine zusätzliche vertikale Differenzierung bei den Schulformen, eine Zementierung der einzelnen Glieder des Schulsystems und die Verschärfung der Leistungsselektion
+ Selektion Miteinander konkurrierende Hochschulen und starke Studiennachfrage bewirken, dass neben das Abitur weitere Auswahlkriterien treten. Im gestuften System wird innerhalb des tertiären Bereichs mit dem Masterzugang eine zusätzliche Hürde installiert.
sung auf unterschiedliche Schulformen) ist die historische Begründung dafür, warum in Deutschland beim Hochschulzugang keine weiteren Auswahlmechanismen neben dem Abitur notwendig waren (vgl. Wolter 2008, S. 18; Pechar 2006, S. 120). Dementgegen sind in anderen Ländern gewöhnlich die Hochschulzulassungsverfahren schärfer, in denen auf die frühe schulische Selektion verzichtet wird. Das deutsche Bildungswesen setzt sich nun aus zwei Teilen unterschiedlicher Systeme zusammen, die zusammen stark selektiv wirken. Auch Klemm (2004, S. 204) bemerkt, dass die Diskussion um das Schul- und Hochschulsystem „merkwürdig gespalten“ verläuft, denn im „Schulbereich wird die vertikal zergliederte Struktur des deutschen Schulsystems mit ihren bildungsbegrenzenden und sozial selektiven Effekten nicht nur nicht zur Disposition gestellt, sondern internationalen Tendenzen zuwider laufend eher noch verstärkt“, während im Hochschulbereich „eine Übernahme der durch Bachelor- und Masterabschlüsse gekennzeichneten horizontalen Stufung“ zu finden sei, die nach dem ersten Studienzyklus erneut stark sortiert. Daher befürchtet Klemm (2004, S. 208), dass die „Aufpfrop-
211
fung eines Selektionssystems aus Ländern, die sehr hohe Jahrgangsanteile bis in ihre Hochschulen führen, die ihre Auslese erst vor der letzten Stufe des Bildungssystems wirklich hart wirksam werden lassen, auf das deutsche Schulsystem, das diese Selektion gleichsam als ‚Vorleistung‘ erbringt, [. . .] zu einem Ausmaß an Selektivität [führe], das sozial unerträglich und ökonomisch schädlich sein“ werde. Die Verstärkung der Selektion wird über die von Klemm genannten Elemente hinaus durch das Zusammentreffen der gesetzlich gewollten Privilegierung des Gymnasiums mit den rechtlich weitgehend freigegebenen Profilierungsoptionen der Hochschulen eine drastische Hervorhebung der vertikalen Gliederungslinien innerhalb des Bildungswesens bewirken (vgl. auch Leuze/Allmendinger 2008, S. 77). 5.2
Neues Abstecken der Ziele und Inhalte?
In Abschnitt 4.2 wurde einleitend die Trennung des schulischen Lernens vom universitären als ein Ideal des humboldtschen Bildungsverständnisses vorgestellt, das bis heute ein Spezifikum im deutschsprachigen Raum bildet. Diese Trennung ist historisch darauf zurückgeführt worden, dass die Aufgabe der Studienvorbereitung von der Artistenfakultät auf das Gymnasium übertragen wurde. Welche Entwicklungen hat es in anderen Ländern gegeben? Interessant ist ein Blick auf die angelsächsischen Staaten, in denen bereits seit langer oder zumindest längerer Zeit gestufte Studiensysteme bestehen: Wurde die Einführung des Bachelor- und Mastersystems in Deutschland tatsächlich an anglo-amerikanischen Vorbildern angelehnt, wie es der KMK (1997, S. 6) bereits vor Start des Bologna-Prozesses vorschwebte (vgl. Abschnitt 3.1)? Dann wären ggf. Verschiebungen der Inhalte und Zielsetzungen zu erwarten, die in Deutschland angesichts der Persistenz der Schnittstelle zwischen schulischem und hochschulischem Lernen als ungewöhnlich zu gelten hätten und Hinweise auf ein durch den BolognaProzess verändertes Verständnis des Hochschulzugangs lieferten. Ziel dieses Abschnitts ist es also, solche Veränderungen zwischen dem alten und dem neuen System aufzuspüren. Da sich die Bildungssysteme der angelsächsischen Länder erheblich voneinander unterscheiden56 – auch in Bezug auf die hier relevante Frage der jeweiligen inhaltlichen Zielsetzungen –, soll das Beispiel des US-amerika56
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Siehe Witte et al. (2004) mit einem Vergleich der Bachelormodelle von England, Kanada, den USA und Australien; ebenso Schnitzer (1998), der über die genannten Länder hinaus die gestuften Systeme in Japan, Schweden, Dänemark und in den Niederlanden untersucht.
nischen Modells zwischen High School und College/University den Blick schärfen für die Suche nach veränderten Zielen und Inhalten in Deutschland. Das Modell der Vereinigten Staaten eignet sich besonders, weil der amerikanische Bachelor nicht als ‚verkürztes‘ Fachstudium, sondern als traditionsreiche eigenständige Bildungsstufe anerkannt ist. Außerdem wird immer wieder behauptet, dass die deutschen Reformen am Vorbild der Vereinigten Staaten angelehnt seien (vgl. Feldmann 2007, S. 59). Im Folgenden wird untersucht, ob und inwiefern sich gegenwärtig durch den Bologna-Prozess auf der hochschulischen Seite (Abschnitt 5.2.1) und durch G8 sowie aktuelle Oberstufenreformen in verschiedenen Bundesländern im Schulsektor (Abschnitt 5.2.2) die Ziele und Inhalte verschieben, die traditionell in die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche von Gymnasialer Oberstufe bzw. Hochschule fallen: Wird die Oberstufe also weiterhin auf Allgemeinbildung, Studierfähigkeit und Wissenschaftspropädeutik verpflichtet, während an den Hochschulen dies dann alles als gegeben erachtet wird und Wissenschaftsorientierung sowie Spezialisierung als genuine Ziele in den Vordergrund treten? Denkbar ist, dass die gegenwärtigen Entwicklungen das humboldtsche Erbe der Trennung zwischen schulischem und hochschulischem Lernen nicht in Frage stellen; möglich wäre aber auch, dass das deutsche Bildungswesen vom US-amerikanischen Modell mehr übernimmt als nur die Bezeichnung der Abschlüsse. In Abschnitt 5.2.3 wird diese Frage zusammenfassend beantwortet. 5.2.1
Die USA als Vorbild
Die Bezugnahme auf das US-amerikanische Studiensystem bezweckt, ein besseres Verständnis der Vorstellungen zu gewinnen, die die Reformen in Deutschland begleitet haben; es handelt sich nicht um den Versuch nachzuweisen, welche Elemente tatsächlich aus den Vereinigten Staaten übernommen worden sind. Der Blick über den Atlantik dient nur dazu, am Maß des Anderen die deutsche Problematik der Ziele Allgemeinbildung, Studierfähigkeit und Wissenschaftspropädeutik zu reflektieren. Zum Aspekt der Allgemeinbildung Am Thema Fächerkanon verdichtet sich die Diskussion darüber, was das Ziel einer vertieften Allgemeinbildung in der Gymnasialen Oberstufe sein soll. Viele Begründungsversuche zielen darauf, den traditionell bestehenden gymnasialen Fächerkanon zu konservieren. Dabei entstehen Legitimationsschwierigkeiten durch zunehmende Diskrepanzen zwischen der Schulbildung
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und dem gegenwärtig und zukünftig für relevant gehaltenen Wissen. Die amerikanische High School ist gesamtschulisch konzipiert und umfasst die letzten drei bzw. vier Jahre der Sekundarstufe. Nach Leistungsniveau differenziert sind dabei Wahl- und Pflichtfächer zu belegen. Die Schüler der High School müssen sich nicht auf bestimmte Fächer spezialisieren, die sie später studieren wollen – sie können es aber. Witte et al. (2004, S. 40) bemerken dazu, dass viele Schüler „von sich aus durch eine geschickte Schulfachwahl“ dafür sorgen, ihre Aufnahmechancen im kompetetiv gestalteten Hochschulauswahlverfahren zu verbessern. Relevanter als die einzelnen schulisch absolvierten Fächer sind für die Zulassung jedoch einerseits der schulische Notendurchschnitt und andererseits auch die Ergebnisse des sogennanten SAT (Scholastic Assessment Test), d. i. ein standardisierter, allgemeiner Studier- und Lernfähigkeitstest. Darüber hinaus können auch andere Auswahlkriterien wie außerschulisches Engagement, Empfehlungsschreiben von Lehrern, Bewerbungsschreiben u. a. eine erhebliche Rolle spielen. Ein wichtiger Unterschied zum deutschen System besteht darin, dass mit dem Erreichen eines High School -Abschlusses keine Studienberechtigung erworben wird. Der erfolgreiche Abschluss berechtige, so Schnitzer (1998, S. 17), „allenfalls zur Antragstellung, nicht aber zur Zulassung.“ Die Annahme der Studierenden an den (z. B. in Bezug auf die Qualität, das Renommee, das Profil und die angebotenen Studiengänge) sehr unterschiedlichen amerikanischen Hochschulen liegt in der Verantwortung der aufnehmenden Bildungseinrichtung. Ein Bachelorstudium kann an einem College oder einer University begonnen werden. Während des meist vierjährigen Studiums sind in den ersten ein bis zwei Jahren vorrangig allgemeinbildende Fächer aus einem breiten Fächerspektrum zu wählen, um erst dann die Wahl eines Hauptfachs und weiterer Nebenfächer zu treffen (vgl. Witte et al. 2004, S. 6 f.). Allgemeinbildung ist folglich wesentliches Studienziel für die so genannten Freshmen und Sophomores, das sind die Studierenden im ersten und zweiten Studienjahr. Der amerikanische Bachelorabschluss, betont Feldman (2007, S. 64), „stellt nicht das Studium in einem Spezialfach dar, sondern eine Art Allgemeinbildung über vier Jahre.“ In erster Linie habe dieser Abschluss „mit der persönlichen Entwicklung, dem Erwachsenwerden und der Trennung vom Elternhaus zu tun und weniger mit einer Berufsausbildung an sich“, so Feldman (2007, S. 66) weiter. Das amerikanische Verständnis von Allgemeinbildung meint allerdings weniger einen verbindlichen Kanon bestimmter Inhalte, sondern vielmehr ein fachlich breit angelegtes Studieren. Die General Education umfasst einen
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großen und wichtigen Teil des Bachelor-Studiums (vgl. Witte et al. 2004, S. 37) und zielt auf formale Bildung im Sinne von Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz, aber auch auf Fachkompetenz (allerdings mit Akzent auf den Erwerb von Überblickswissen). Interessant dabei ist, dass der Anteil an Lehrverstaltungen, die einem klassischen Liberal arts-Programm zugeordnet werden können, mit dem Renommee der anbietenden Hochschule meist steigt. Zugespitzt formuliert gilt also auch in den USA vertiefte Allgemeinbildung als ein Zeichen von Elite. Grundsätzlich entsprechen den verschiedenen Stufen im amerikanischen System auch unterschiedliche Zielsetzungen: Die Bachelorstufe wird mehr mit einer breiten, allgemeinen Bildung in Verbindung gebracht, die sich durch die spätere Wahl von Haupt- und Nebenfächern fachlich ausdifferenziert. Der Master dient dann vorrangig der fachspezifischen und erst das Doktorat der eigentlich wissenschaftlichen Qualifikation (vgl. Schnitzer 1998, S. 19). Da die institutionelle Vielfalt im Hochschulsektor allerdings ausgesprochen groß ist, ist diese horizontale Einteilung eher als idealtypisch zu begreifen. Durchaus der Realität entspricht jedoch die Vorstellung, dass der Bachelor einen berufsqualifizierenden Regelabschluss darstellt, der auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt im Sinne einer allgemeinen Berufsbefähigung anerkannt ist (vgl. Witte et al. 2004, S. 37). Ein Bachelorabschluss muss also nicht unbedingt auf ein konkretes Berufsfeld zugeschnitten sein; die Bachelorabsolventen gelten gerade wegen ihrer General Education als fähig, um in ganz unterschiedlichen Gebieten arbeiten zu können (vgl. Feldman 2007, S. 65). Eine spezielle berufliche Ausbildung erfolgt erst an der Arbeitsstelle und in der Verantwortung der Arbeitgeber. Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht bei Studiengängen für akademische Berufe mit einem hohen Professionalisierungsgrad (wie Juristin, Lehrerin oder Medizinerin) gilt; diese sind auf der Bachelorebene generell nicht anzutreffen, da sie nur als graduate-Studien entweder an so genannten Professional Schools oder an Universities angeboten werden. Das amerikanische Vorbild erklärt die für das deutsche Bildungssystem ungewöhnliche Forderung der KMK (1997), dass der neu eingeführte Bachelor ausnahmslos „berufsqualifizierend“ sein müsse. Dahinter steht die Annahme, dass zukünftig deutsche Bachelorabsolventen ähnlich wie ihre amerikanischen Kommilitonen – trotz der kürzeren Regelstudienzeit – gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben sollten, wenn die Studiengänge kompetenzorientiert aufgebaut sind. Bei der Einführung der neuen Bachelorabschlüsse in Deutschland ist jedoch keineswegs überall General Education als relevanter Studienbestandteil verankert
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worden. Stattdessen deutet sich an, dass die Vielfalt und zum großen Teil auch Spezialisierung der Studiengänge im Vergleich zu den traditionellen Studiengängen sogar noch zugenommen hat. Ist also alles beim Alten geblieten? Nein, auf der Bachelorstufe finden sich bemerkbare Ansätze für einen lehr-lerntheoretischen Wechsel: - Akzente in der formalen Bildung: Die Hochschulen sind dazu aufgefordert, so genannte „Schlüsselkompetenzen“ wie Sozial-, Präsentationsoder Fremdsprachenkompetenzen und weitere überfachliche Kompetenzen in den neuen Studiengängen zu verankern (vgl. KMK/BMBF 2007, S. 11). Freilich ist der Anteil dieser Angebote meist klein. - Das Können der Studierenden im Fokus: Der Blickwechsel vom Lehren zum Lernen zielt darauf, die Lernergebnisse, Kompetenzen und Qualifikationen der Studierenden bei der Konzeption neuer Studiengänge besser zu berücksichtigen. Diese Subjektorientierung ist neu für traditionell sachorientierte Studiengänge, deren Aufbau ganz durch die jeweilige wissenschaftliche Disziplin vorgegeben wurde. - Keine Differenzierung der Bachelorprogramme nach Hochschultyp: Der Verzicht auf eine Unterscheidung der Studiengänge nach Forschungs- oder Anwendungsorientierung bzw. die Festlegung des Bachelorabschlusses auf die Berufsqualifizierung sind ebenfalls wichtige Neuerungen im deutschen Bildungswesen, die im amerkanischen System längst üblich sind. Statt einer gesetzlichen Unterscheidung bleibe es dort, so Witte et al. (2004, S. 11), „den einzelnen Hochschulen überlassen, den Stellenwert berufs- und wissenschaftsorientierter Elemente im curricularen Gesamtangebot zu bestimmen.“ In Abschnitt 4.2.1 wurde herausgearbeitet, dass die Diskussion um Allgemeinbildung in Deutschland mit dem Problem der Kanonisierung von Inhalten zu tun hat. Dieses Problem existiert im US-amerikanischen System nicht, da die Kurswahl sowohl auf der High School als auch in der CollegeStufe flexibler gehandhabt wird, was als Merkmal dafür zu sehen ist, dass Allgemeinbildung im Sinne von General Education hauptsächlich im Sinne formaler Bildung begriffen wird. Allgemeinbildung wird folglich nicht zum (Selektions-)Kriterium für den Hochschulzugang wie im deutschen System, in dem eine Allgemeine Hochschulreife wesentlich durch den gymnasialen Fächermix hergestellt werden soll. Dies hängt damit zusammen, dass das College – in den USA bildungspolitisch erwünscht – möglichst offen gestaltet wird, um einer Mehrheit der Bevölkerung den Hochschulzugang zu er-
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möglichen. Dieses Motiv ist in Deutschland trotz der Bekenntnisse für eine steigende Studierendenquote heutzutage noch keinesfalls selbstverständlich (vgl. auch Abschnitt 5.2.2). Zur Aufgabe der Studierfähigkeit In Abschnitt 4.2.2 wurde herausgearbeitet, dass Studierfähigkeit herzustellen in Deutschland traditionell als Aufgabe der Schule gesehen wird. Dies ist im gestuften System der Vereinigten Staaten anders: Studierfähigkeit liegt im Zuständigkeitsbereich der Colleges – also auf hochschulischer Seite (vgl. Witte et al. 2004, S. 44). Besonders die ersten ein bis zwei Jahre der Bachelorstudiengänge sind in den USA an diesem Ziel orientiert (vgl. Schnitzer 1998, S. 19). Ein weiterer Unterschied zu US-amerikanischen Vorstellungen liegt darin, dass den Lernern in Bezug auf die Studierfähigkeit Entwicklungszeit und -raum zugestanden wird (vgl. Schnitzer 1998, S. 18). Diese Auffassung ist dem deutschen Bildungswesen traditionell eher fremd: Den Übergang von der Schule zur Hochschule zu bewältigen bedeutet, sich an die jeweilige Organisation mit ihren neuen Regeln, Werten und Kommunikationsformen anzupassen. Dies ist durch die ursprüngliche Bedeutung des Gymnasiums als einzigem ‚Zubringer‘ zur Universität zu erklären, von dem sich die Bedingungen heute jedoch grundlegend unterscheiden: 1824 besuchten nur ca. 1,7 Prozent aller männlichen Schulpflichtigen in Preußen das Gymnasium (vgl. Gass-Bolm 2006, S. 32), die eine weitgehend ähnliche sozioökonomische Herkunft und entsprechende Bildungsaspirationen hatten. Die Heterogenität der Studienberechtigten heute ist im Vergleich zu dieser Zeit (z. B. hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Zukunftswünschen usw.) enorm. Das andere Verständnis von Studierfähigkeit spiegelt sich demgemäß in der Gestaltung der Lehre: Da hierzulande gerade an den Universitäten das Ideal eines selbstbestimmten Studiums (in „Einsamkeit und Freiheit“) immer noch präsent ist, erscheint das amerikanische Bachelor-Studium aus deutscher Sicht ‚verschult‘, weil es stärker strukturiert und reglementiert ist. Witte et al. (2004, S. 10) weisen darauf hin, dass „eine klare Studienorganisation, eine vergleichsweise hohe Arbeitslast und dichte Taktung der zu erbringenden Leistungen, verbindliche Anwesenheitsregelungen sowie eine enge Betreuung durch die Dozenten den Studienverlauf“ kennzeichnen. Durch das Leben auf dem Campus kann die Internalisierung bestimmter Haltungen und Werte gefördert werden. Daher meint Studieren und Studierfähigkeit in einem ganzheitlicheren Verständnis das Zurechtkommen mit den neuen Herausforderungen (beispielsweise Ortswechsel, Trennung
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von der Familie, andere Lehrer, neue Kommilitonen, erhöhte Leistungsanforderungen etc.), mit denen die Studierenden im und durch das College als gemeinsamen Lebensraum nicht allein gelassen werden. Es wäre zwar etwas kühn zu behaupten, dass das amerikanische Campusleben inklusive straff organisierter Studienpläne, die durch ausführliche Beratung und große Wahlmöglichkeiten individuell zugeschnitten werden, eine Lösung für die nach wie vor hohen Studienabbruchquoten in Deutschland sein könnten; denn hier wie dort kann das Phänomen des Studienabbruchs nicht eindimensional erklärt werden. Allerdings scheint das amerikanische Modell Lösungsansätze für solche Probleme zu liefern, die von deutschen Studierenden als relevante Motive für ihre Entscheidung zum Studienabbruch angegeben werden, wie mangelnde Betreuung durch die Hochschullehrer, schlechte Studienorganisation, Anonymität, fehlende Identifikation mit dem Studiengang und Isolation an der Hochschule (vgl. Heublein et al. 2003). Die Zusammenfassung von Lehrveranstaltungen zu systematisch aufgebauten Modulen, die Kontrolle der studentischen Anwesenheit, die Einforderung von mehr Mitarbeit und der Wechsel zu studienbegleitenden Prüfungen zielen genauso wie neue Versuche zum Ausbau von Beratungs- und Tutoring-Konzepten darauf, die Studienerfolgsquote vor dem Hintergrund überzogener Regelstudienzeiten und hoher Drop Out-Quoten zu verbessern. Diese Maßnahmen, die oft von Kritikern als Verlust des freien Studiums und als Gängelung der Studierenden abgelehnt wurden, tragen auch dazu bei, dass die Hochschuleinrichtungen stärker in die Pflicht genommen werden, ihre Studierenden zu unterstützen. Sie können als Schritt zur Annäherung der Lehr- und Lernkulturen interpretiert werden, in dessen Folge das Konstrukt der Trennung zwischen schulischem und universitärem Lernen an Bedeutung verliert. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, weil in Deutschland traditionell kaum Studierfähigkeit als Prozess gesehen wird, dessen Begleitung zu den Aufgaben der Hochschulen und Hochschullehrer gehört. Zur Wissenschaftspropädeutik Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen, die wissenschaftliche Fragestellungen, Methoden und Ergebnisse mehr und mehr in den Lebensalltag integrieren, wurde Wissenschaftspropädeutik in Abschnitt 4.2.3 als wichtiger Teil des Bildungsauftrags der Schule herausgestellt: Wissenschaftspropädeutik beinhaltet drei Aspekte, nämlich die Einführung in wissenschaftliche Methoden und Grundbegriffe, die Übernahme einer Haltung des kritischen Fragens und Begründens sowie das Kennenlernen wissenschaftstheoretischer Ansätze.
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In den Vereinigten Staaten ist im Bachelor die Einübung wissenschaftlicher Arbeitsweisen im Sinne einer grundlegenden Orientierung an wissenschaftlichen Standards zentral. Dabei geht es aber nicht darum, am Ende des Bachelor-Studiums in einem bestimmten Fach selbstständig forschen zu können; Forschungskompetenz gewinnt erst in den Graduiertenstudien an Relevanz. Wissenschaftlichkeit wird im amerikanischen Bachelor eher als Prozess und als allgemeines Prinzip verstanden. Daher sei, so Witte et al. (2004, S. 49), „die Lehre im US-amerikanischen Bachelor-Studium zwar wissenschaftlich fundiert, jedoch nicht unbedingt fachwissenschaftlich ausgerichtet.“ Tatsächlich scheint die Einführung des gestuften Systems in Deutschland dazu beigetragen zu haben, dass von den Bachelorstudierenden weniger erwartet wird, selbst Forschung als genuinen Bestandteil ihres Studiums zu betreiben. Damit gerät das Ideal der Verbindung von Forschung und Lehre als Anspruch an die Studierenden weiter aus dem Blick. Insofern hat die Einführung der gestuften Studiengänge aber auch eine plausible Stufung der Anforderungen bewirkt: Während der Bachelor in erster Linie der Berufsqualifizierung dienen soll, werden erst die Masterstudiengänge stärker forschungsorientiert (oder anwendungsorientiert) konzipiert. Dem Bachelor kommt damit die neue Funktion eines mittleren Abschlusses zwischen Schulbildung und spezialisierten Fachstudien zu. Diese Entwicklungen könnten der Diskussion um die Etablierung einer Kollegstufe in Deutschland neuen Antrieb geben, da bereits die Bachelorstufe von Ansprüchen entlastet wird, denen die alten Studiengänge kaum nachkommen konnten und wohl auch meist nicht nachgekommen sind. 5.2.2
Oberstufenreformen in den Bundesländern
Nachdem im vorigen Abschnitt 5.2.1 die hochschulische Seite des Hochschulzugangs im Vordergrund stand, wechselt jetzt der Fokus auf die schulische Seite zu den Gymnasialen Oberstufen. Werden auch hier Ziele und Inhalte neu abgesteckt? Berücksichtigen gegenwärtige Reformen die neue Situation an den Hochschulen oder finden sie unabhängig davon statt? Die gymnasiale Schulzeitverkürzung gehört sicherlich zu den folgenreichsten Veränderungen für das deutsche Bildungswesen der letzten Jahre. Über der lebhaften Diskussion der Vor- und Nachteile von G8 sollten aber nicht die Veränderungen in den Gymnasialen Oberstufen aus dem Blick geraten, die derzeit darüber hinaus in vielen Bundesländern stattfinden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie als Fortsetzung der Abstandnahme von dem 1972 erzielten Konsens über die Neugestaltung der Gymnasialen Oberstufe gelten
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müssen. Solche Veränderungen haben Auswirkungen auf die Gestaltung des Hochschulzugangs und sind Ausdruck für ein gewandeltes Verständnis bzw. eine neue Gewichtung der gymnasialen Ziele und Inhalte. Es gibt derzeit in allen Bundesländern solche kleineren und größeren Veränderungen in den Gymnasialen Oberstufen, die hier nicht vollständig dokumentiert und analysiert werden können. Diese Reformwelle begann etwa mit Beginn des neuen Jahrtausends (forciert durch PISA und die Folgen). An ausgewählten Beispielen werden nun die wichtigsten Veränderungen aufgezeigt, nämlich a) weitere Konsequenzen der gymnasialen Schulzeitverkürzung auf die Lehr- und Lernbedingungen, b) die Einschränkung von Wahlfreiheiten zugunsten einer Stärkung des ‚gemeinsamen gymnasialen Kerns‘ und c) Kompetenzorientierung und Standardisierung bei den Abiturprüfungen. Ad a: Weitere Konsequenzen von G8 Die Frage nach der Zahl der Schuljahre vor Studienbeginn hat bislang kaum eine Rolle in den Bologna-Diskussionen gespielt (vgl. Teichler 2005a, S. 321). Es gab demgemäß keine Auseinandersetzungen darüber, ob die Einführung eines Bachelors für oder gar gegen eine Schulzeitverkürzung spräche und inwiefern Lernziele und Anforderungsniveaus neu aufeinander abgestimmt werden müssten oder sollten. Stattdessen geht man eher davon aus, dass mit dem Abschluss des Abiturs nach 13 oder zwölf Jahren dasselbe Niveau, derselbe Standard und dieselben Ziele erreicht würden. Formal wird dies begründet durch die 1997 von der KMK festgelegte Gesamtstundenzahl, die bei beiden Modellen 265 Stunden nicht unterschreitet. In Abschnitt 5.1.1 wurde bereits darauf hingewiesen, dass bei dieser ‚Gleichung‘ der steigende Leistungsdruck für Lehrer und Schüler, die Konsequenzen auf das soziale Leben in und außerhalb der Schule (u. a. durch den verlängerten Unterrichtstag), die eingeschränkten Entfaltungs- und Fördermöglichkeiten der Schüler durch das Verschwinden der Einführungsphase der Oberstufe in der 10. Jahrgangsklasse etc. nachrangig behandelt oder ganz außer Acht gelassen wurden. Die Einführung von G8 wird darüber hinaus mit einer notwendigen Anpassung der Schulzeit an andere europäische Staaten begründet, denn die deutschen Schüler und Studierenden sollen im europäischen Wettbewerb nicht das Nachsehen haben – wobei letztlich unklar gelassen wird, worin genau die Benachteiligung bei einer längeren Schul- oder Studienzeit besteht. Darüber hinaus wird fast schon als Vorwurf geltend gemacht, dass die deutschen Hochschulabsolventen länger als ihre europäischen Kommilito-
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nen brauchen, um ihre Abschlüsse zu erreichen, obwohl bei diesem Vorwurf die vielen Unterschiede zwischen den Bildungssystemen nicht berücksichtigt werden (bezüglich der Grundstruktur des Bildungswesens, der Ganz- oder Halbtagsorganisation, des Einschulungsalters, der Feriendauer etc.). Nachdem G8 in Deutschland vorrangig als institutionelle Privilegierung des Königswegs gegenüber den anderen Bildungsgängen eingestuft wurde, ergibt sich durch den Blick auf Europa eine neue Perspektive: G8 kann auch eine Harmonisierung der Schulzeiten mit anderen Bildungsgängen bedeuten, die im Anschluss an die Mittlere Reife innerhalb von zwei Jahren zur Fachhochschulreife führen. Dies könnte zunächst Konsequenzen bei der Wahl der Sekundarschulform nach sich ziehen und würde in der Folge erneut die hochschulartspezifischen Zugangsberechtigungen in Frage stellen: Die Wahl der weiterführenden Schulform wird durch G8 noch schicksalshafter, da die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen durch die veränderten Lehrpläne abnimmt. Bislang ist noch nicht untersucht worden, welche Konsequenzen G8 für die Schulwahl am Ende der Grundschulzeit haben wird. Es liegt jedoch nahe, dass sie noch stärker durch die sozioökonomische Herkunft der Kinder bestimmt werden könnte, als bereits jetzt schon. Denn neben das Kriterium der schulischen Leistungen tritt die Frage, welche Risiken und Erträge mit der Wahl verbunden sind: G8 beinhaltet durch den höheren Leistungsdruck eine größere Wahrscheinlichkeit zu scheitern, verspricht gleichzeitig aber auch einen größeren Gewinn – die Allgemeine Hochschulreife statt ‚nur‘ die Fachhochschulreife. Die Hypothese liegt nahe, dass diese Erhöhung der Risiken eher die Kinder aus bildungsfernen Schichten von der G8-Wahl abhält, da diese die Option ‚Fachoberschule‘ als weniger riskant einstufen. Denkbar scheint freilich auch, dass die Gesamtschule von G8 profitiert, wenn Eltern den erhöhten Leistungsdruck für ihre Kinder vermeiden wollen. Andererseits könnte auch der gegenteilige Effekt eintreten, indem das verkürzte Gymnasium eine Sogwirkung auf die (durch die Bildungsexpansion) wachsende Gruppe entfaltet, die die Bedeutung des Abiturs als beste Option für die zukünftigen Karrierewege ihrer Kinder erkannt haben. So rechnet bereits Wiater (1997, S. 60) mit einem stärkeren Zulauf zum verkürzten Gymnasium, wenn diejenigen, die bislang eher die berufsbildende Schule präferiert haben, nun öfter den gymnasialen Weg wählen, um bei gleicher Schuldauer (und deshalb vergleichbaren Investitionen in den jeweiligen Bildungsgang) den höherwertigen Abschluss zu erreichen. In der Folge könnten die Schüler an Fachoberschulen, Berufsoberschulen und Berufsfachschulen ausbleiben, wenn für sie und ihre Eltern „nicht mehr nachvollziehbar ist,
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warum der zwölfjährige Bildungsweg von Realschule plus Fachoberschule ein Weniger an Berechtigung erteilt als ein dann zwölfjähriger Bildungsweg via Gymnasium,“ wie Kraus (2001) vermutet. Erstes Zwischenfazit: Es ist zu erwarten, dass eine Abwanderungswelle vom G8-Gymnasium zu anderen Schulformen in der Phase erhöhter Unsicherheit durch die Umstellung auftritt, langfristig aber doch weiterhin die Schulwahl bevorzugt auf das Gymnasium fallen wird, solange sich an seinem Status als hochrangigste Schulform innerhalb des Schulsystems nichts verändert. Denn in Deutschland gibt es – trotz der gleichen Zahl der Schuljahre bis zum Erwerb einer der Hochschulreife-Zertifikate – bislang keine Hinweise auf eine weitergehende Harmonisierung der allgemeinen und beruflichorientierten Bildungswege in der Sekundarstufe II. Diese wäre erst dann erreichbar, wenn einerseits die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen (wieder-)hergestellt würde und andererseits die verschiedenen Bildungszertifikate vergleichbar attraktiv ausgestattet wären. Ad b: Einschränkung der Wahlmöglichkeiten Die Einführung von G8 wird in vielen CDU/CSU-geführten Ländern von Maßnahmen begleitet, die darauf zielen, das seit der Einführung durch die NGO charakteristische, aber umstrittene Kurswahlsystem weiter einzuschränken. Denn die Kurswahlen – so die gängige Kritik – würden statt zu vertiefter Allgemeinbildung nur zu Beliebigkeit führen und auf diese Weise dazu beitragen, dass die Schüler ihre Wahlfreiheit ‚missbrauchen‘, um die Kurse strategisch so zu wählen, dass das Erreichen guter Noten besonders leicht scheint (vgl. die Ausführungen zur NGO in Abschnitt 4.2.1). Diese Kritik hält sich, obwohl bereits vielfach belegt wurde, dass die Wahlmöglichkeiten tatsächlich primär zu interesse- und fähigkeitsgeleiteten Schwerpunktsetzungen genutzt werden (u. a. Baumert/Köller 2000; Roeder/Grühn 1996). Was verbirgt sich hinter dieser Klage? Die Beliebigkeitskritik, die implizit ein moralisch falsches oder zumindest fragwürdiges Handeln der Schüler behauptet, stellt das Vorhandensein der Wahlen zur Disposition, da diese es ermöglichen, nicht nur Stärken auszubauen und Interessen zu vertiefen, sondern (wenn auch in eher geringem Ausmaß) Fächer gezielt abzuwählen. Die curriculare Grundstruktur der NGO ist den Kritikern also zu offen. Die gegenwärtigen Veränderungen in den Oberstufen zielen deshalb darauf, umfassender festzuschreiben, welche Kurse bzw. Kurskombinationen von allen Schülern zu absolvieren sind. Demgemäß wächst der Stundenund Fächeranteil, der zum verpflichtenden Kern des Gesamtcurriculums zu
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rechnen ist, während die Wahlmöglichkeiten der Oberstufenschüler sukzessive reduziert werden. An zwei Beispielen wird dies im Folgenden illustriert. Im ersten Beispiel wird der Trend zur Etablierung von Profiloberstufen aufgegriffen und im zweiten Beispiel das Vorgehen beschrieben, Leistungskurse durch erweiterte gymnasiale ‚Kernfächer‘ zu ersetzen. Erstes Beispiel: Mit Beginn des Schuljahrs 2009/10 treten die grundständigen G8-Schüler in Hamburg gemäß „Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife“ in eine veränderte Gymnasiale Oberstufe, die „Studienstufe“ ein, die der gymnasialen Qualifikationsphase entspricht (vgl. APO-AH 2008, § 3). Etwa ein Drittel des neuen Hamburger Oberstufencurriculums ist für den Unterricht in einem Profilbereich vorgesehen. Ein Profil besteht aus einem Fächerverbund mit einem sprachlichen, naturwissenschaftlich-technischen, gesellschaftswissenschaftlichen, künstlerischen oder sportlichen Schwerpunkt. In dem jeweiligen Fächerverbund sind ein profilgebendes Fach auf erhöhtem Anforderungsniveau, begleitende Unterrichtsfächer (von denen mindestens eines zu einem anderen Aufgabenfeld gehört) und ein Seminar zusammengeschlossen, das speziell wissenschaftlichen Arbeits- und Präsentationsformen sowie fächerverbindendem Arbeiten vorbehalten ist (vgl. APO-AH 2008, § 6). Diese Profilbereiche sollen es den Schülern ermöglichen, „ihre Ausbildungsschwerpunkte individuell zu setzen“ (ebd.). Das Angebot an Profilen bestimmt das jeweilige Gymnasium im Rahmen eigenständiger Schulentwicklung weitgehend selbst. Damit sind die am jeweiligen Profil beteiligten Lehrer aufgefordert, ihren Unterricht stärker didaktisch aufeinander abzustimmen und fächerübergreifend zu gestalten, als dies bislang durch die voneinander weitgehend isolierten Lehrpläne möglich war. Auch in Bezug auf die sozialen Strukturen innerhalb der Schülerschaft finden Veränderungen statt, da diese nicht mehr von Kurs zu Kurs neu zusammengesetzt werden, sondern je nach Profil feste Lerngruppen bilden. Im Sinne des mehrdimensionalen Begriffs von Wissenschaftspropädeutik ist festzuhalten, dass die Profile durch den fächerübergreifenden Unterricht einen konzeptuellen Rahmen bilden, um Bildung in, an und über Wissenschaft zu ermöglichen. Ebenso werden in Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein (sowie als Modellschulen in weiteren Bundesländern) derzeit Varianten von Profiloberstufen eingerichtet, die eine fachliche Ausdifferenzierung der Gymnasialen Oberstufe bewirken. Die Profiloberstufen stellen eine Zwischenform zwischen allgemeinen Gymnasien und altbekannten Gymnasialtypen dar, weil sie einerseits zwar immer noch innerinstitutionelle Wahlen beinhalten und der curricularen Grundstruktur der NGO durch die Aufgabenfelder
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entsprechen, andererseits aber die Einführung fester Stundenpläne mit bestimmten Schwerpunkten in konstant zusammengesetzten Lerngruppen bedeuten, die eher charakteristisch für die „zersplitterten“ Gymnasialtypen der 1950er Jahre waren. Diese hatten sich in den drei Besatzungszonen in Westdeutschland sehr unterschiedlich entwickelt, was zu Problemen bei der Anerkennung führte (vgl. Gass-Bolm 2005, S. 94 f.). Um die Vergleichbarkeit wiederherzustellen, wurde durch das Düsseldorfer Abkommen von 1955 zwischen den Ministerpräsidenten der Länder (mit Ausnahme Bayerns) die Bildung von Gymnasialtypen ausgeschlossen. Diese Regelung galt bis 2006. Bemerkenswert ist, dass sich in der aktuellen Version der „Vereinbarung zur Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe“ dieser Passus nicht mehr findet.57 Zweites Beispiel: Die KMK (2006, Abschnitt 3.2) hat vereinbart, wahlweise das System von Leistungs- und Grundkursen fortzuführen oder es durch Unterricht auf unterschiedlichen Anspruchsniveaus zu ersetzen. Letzteres haben jetzt u. a. Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Hamburg wahrgenommen, um statt zwei von den Schülern gewählter fünf- bzw. sechsstündiger Leistungskurse nun Fächer festzulegen, die in der Regel vierstündig absolviert werden müssen. Diese Fächer werden als „Kernfächer“, „Hauptfächer“ oder „Basiskompetenzfächer“ bezeichnet. Zu ihnen zählen Deutsch, Mathematik und eine fortgeführte Fremdsprache. Dazu kommen landesspezifische Regelungen, die oft auch eine deutliche Stärkung der Naturwissenschaften vorsehen. Konkret: Gemäß „Abiturverordnung Gymnasien der Normalform“ müssen in Baden-Württemberg die „Kernkompetenzfächer“ Deutsch, Mathematik und eine fortgeführte Fremdsprache während der Qualifikationsphase mit je vier Wochenstunden belegt werden. Zusätzlich sind zwei (jeweils zweistündige) naturwissenschaftliche Fächer verbindlich. Beim so genannten „Neigungsfach“ und beim „Profilfach“ können die Schüler noch wählen: Das Neigungsfach ist ein weiteres vierstündiges Fach aus dem gymnasialen Fächerspektrum; das Profilfach bezeichnet im Unterschied zur Profiloberstufe keinen Fächerverbund, sondern nur ein Fach mit naturwissenschaftlichem, sprachlichem oder ggf. Kunst-, Musik- oder Sportprofil (vgl. NGVO, § 2). Insgesamt sieht die Gymnasiale Oberstufe Baden-Württembergs damit fünf jeweils vierstündige Hauptfächer vor. Dazu kommen (nach NGVO, 57
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Vgl. KMK (2003c, Abschnitt 3), in der die Bildung von Gymnasialtypen noch ausgeschlossen wurde, bzw. KMK (2006), in der diese Regelung nicht mehr erwähnt wird. Die ursprüngliche Bildung von Gymnasialtypen geht zurück bis auf die (durch die Gleichstellung der Höheren Schulen 1900) angelegte Differenzierung des altsprachlichen, neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Typs.
§ 12) weitere Belegpflichten in vier jeweils zweistündigen Kursen (also während der gesamten Dauer der zweijährigen Qualifikationsphase) in einem der Fächer Bildende Kunst oder Musik, in Geschichte, in Geographie und Gemeinschaftskunde, in Religionslehre oder Ethik, in zwei der Fächer Physik, Chemie oder Biologie sowie in Sport. Ein ähnliches Modell ist auch in Bayern gemäß „Verordnung zur Änderung der Gymnasialschulordnung“ (2008) eingeführt worden: Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache sind vierstündig, zwei Naturwissenschaften jeweils dreistündig zu belegen. Überdies stehen zweistündige Kurse in Religion/Ethik, Geschichte, Sport, Geographie oder Wirtschaft und Recht sowie Kunst oder Musik auf dem gemeinsamen Stundenplan. Zur besseren Vorbereitung auf das Studium werden ein wissenschaftspropädeutisches Seminar (zweistündig) und ein Projektseminar zur Berufs- und Studienorientierung (zweistündig) verpflichtend gemacht. Von 132 Halbjahreswochenstunden sind in Bayern mittlerweile nur noch zehn für eine individuelle Belegung vorgesehen (vgl. Verordnung zur Änderung der Gymnasialschulordnung 2008, Anlage 6). Erhardt (2006, S. 144 f.) resümiert, dass „die Idee der individuellen Schwerpunktsetzung auf Grundlage der Gleichwertigkeit wissenschaftlich orientierter Fächer [. . .] sukzessive relativiert“ wurde. Zweifelsohne sieht man am bayrischen Beispiel, dass sich die Oberstufe durch die Erhöhung der Belegungsverpflichtung in der Tat von Neuem dem Modell vor 1972 angenähert hat. Anzumerken ist, dass diese Einschränkungen bei der Wahlfreiheit in vielen Bundesländern mit der Einführung eines Fünf-Fächer-Abiturs einhergehen. Dies wird z. B. begründet mit dem Wunsch nach „mehr Breite in der studienvorbereitenden Grundbildung“ (Kraus 2006a, S. 682). Allerdings ist fraglich, ob allein die Ausweitung der Prüfungen zu einer qualitativen Verbesserung oder Verbreiterung der gymnasialen Bildung führen kann. Dagegen spricht ferner, dass dort kaum Gelegenheit für die Vertiefung individueller Interessen und Schwerpunkte bleibt, wo durch Verordnung viele Prüfungsbindungen bestehen. Dies ist sowohl in Bayern als auch in Baden-Württemberg der Fall, weil generell die Hauptfächer Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache als Abiturprüfungsfächer eingebracht werden müssen, oder anders ausgedrückt, drei von fünf Fächern bereits im Vorfeld gesetzt sind. Beide Bundesländer gehen damit noch über die KMK-Vereinbarung (KMK 2006, Abschnitt 8) hinaus, in der nur zwei der drei Kernfächer als verbindliche Abiturbestandteile vorgesehen sind. Huber (2008, S. 24) weist zu Recht darauf hin, dass auf diese Weise die Fächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprache „zu Hürden aufgebaut [werden],
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an denen sich Curricula und Schulerfolg entscheiden.“ An den Oberstufenverordnungen von Baden-Württemberg und Bayern wird exemplarisch deutlich, dass die verbleibenden individuellen Wahlmöglichkeiten nicht nur gemessen am gesamten Stundenbudget der Gymnasialen Oberstufe, sondern auch aus fachlicher Sicht marginal sind: Sie beschränken sich auf wenige Pflichtwahlen (z. B. zwischen Musik und Kunst oder innerhalb der angebotenen Fremdsprachen, vgl. Huber 2008, S. 25); neue, innovative Fächer – wenigstens im Wahlbereich – finden sich kaum. Dabei war gerade der Wahlbereich in der „Vereinbarung zur Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe“ bis 2006 für eine „Erweiterung des Fächerangebots der Schule“ (KMK 2003c, Abschnitt 5) und als „Raum für Anwendung (z. B. Kunst- oder Musikausübung, Anwendung der Mathematik in der Datenverarbeitung) und für berufsbezogene Kurse“ (ebd.) vorgesehen. In der Vereinbarungsversion der KMK von 2006 sind diese Ausführungen ersatzlos gestrichen worden. Es bedarf detaillierterer Untersuchungen, um zu klären, ob der Wegfall des Wahlangebots durch die Einführung der neuen Pflicht-„Seminare“ mit wissenschaftspropädeutischer bzw. berufsorientierender Ausrichtung kompensiert wird. Denkbar ist einerseits, dass durch die Übernahme dieser Themen in den Pflichtbereich des gymnasialen Curriculums ein systematischerer Aufbau entsprechender Kompetenzen erfolgen kann. Andererseits scheint sich zumindest in Baden-Württemberg abzuzeichnen, dass die Gymnasiale Oberstufe noch stärker auf den Übergang zur Hochschule fokussiert wird, indem Wissenschaftspropädeutik eher auf das Einüben universitärer Lernformen reduziert wird. Dies würde bedeuten, dass beispielsweise berufsbildende Elemente (nach wie vor) in der Gymnasialen Oberstufe keinen festen Platz bekommen. Zweites Zwischenfazit: Die stärkere Profilbildung und der Ausbau von Kernfächern, die das Leistungs- und Grundkurssystem ablösen, gehen in vielen Bundesländern auf Kosten von individuellen Wahlmöglichkeiten der Schüler. Der für alle verpflichtende Anteil am Gesamtcurriculum ist in vielen Bundesländern in den letzten Jahren gewachsen. Mit Blick auf die Geschichte ist dies als restriktive Entwicklung zu interpretieren (vgl. das Fazit aus Abschnitt 4.2.1). Denn erstens wird der Abstand des Königswegs zu den übrigen Wegen größer, je höher der Anteil an Pflichtfächern und -stunden ist; und zweitens werden die Schüler benachteiligt, deren Fähigkeiten und Interessen nicht primär in den Kernfächern liegen. Es ist anzunehmen, dass allein durch dieses Festsetzen eines großen Anteils von verbindlichen Fächern bzw. durch den Abbau der Wahlmöglichkeiten die Gymnasiale
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Oberstufe für einen Teil der Schüler inhaltlich unattraktiver und gleichzeitig ‚bedrohlicher‘ wird, da nun Defizite im vermeintlichen Kernbereich kaum noch durch gute Leistungen in anderen Fächern kompensiert werden können. Diese Reformen „mit ihrer Tendenz zur Verschärfung der Abiturerwerbsbedingungen“ (Fuchs 2008, S. 45) verengen daher letztlich den Hochschulzugang. Ad c: Bildungsstandards Abitur Als Gegengewicht zur Differenzierung der Gymnasialen Oberstufen in den einzelnen Bundesländern ist der Beschluss der KMK (2007c) zu sehen, nun auch das Abitur zu standardisieren (vgl. Abschnitt 3.3.2). Bildungsstandards sind zunächst in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache (Englisch/Französisch) sowie für die naturwissenschaftlichen Fächer (Biologie, Chemie, Physik) geplant. Die KMK begründet ihre Entscheidung mit den Ansprüchen, „die Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse und die Durchlässigkeit des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland zu sichern sowie einen Beitrag zur Unterrichtsentwicklung zu leisten“ (ebd.). Bildungsstandards für die Gymnasiale Oberstufe erlauben, erklärt die KMK (2008, o. P.), „eine Flexibilisierung der in der ‚Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II‘ vorgenommenen Festlegungen wie auch eine Überprüfung der einheitlichen Prüfungsanforderungen“. Daneben geht es der KMK auch um eine Garantie dafür, dass das Abitur vom acht- bzw. neunjährigen Gymnasium qualitativ und quantitativ vergleichbar bleibt. Die Einführung von bundesweit geltenden Bildungsstandards in Form von kompetenzbasierten Messungen von Lernergebnissen ist vor der geschichtlichen Entwicklung der Kontroverse über die Gestaltung des Abiturs ungewöhnlich: Als wichtigster und höchster deutscher Schulabschluss ist jede Veränderung nicht nur relevant für die Schüler und Eltern, die im Abitur eine Schlüsselqualifikation für weitere Karrierewege sehen; sondern dieses Zertifikat ist auch ein Politikum, da die durchschnittlichen Ergebnisse als ein Ausweis der Qualität des jeweiligen Bildungswesens (nicht nur der Gymnasien) in den einzelnen Bundesländern gelten. Daher sind bundesweite Veränderungen beim Abitur eher selten. Stattdessen haben im Großen und Ganzen seit 1972 die von der KMK vereinbarten Veränderungen den Bundesländern mehr Ausgestaltungsmöglichkeiten für ihr Abitur überlassen, z. B. bei der Frage nach vier oder fünf Prüfungsfächern, dem Format des fünften Prüfungsfachs oder der Durchführung von zentralen Prüfungen. Eine neue Phase der Vereinheitlichung begann dann mit der Festsetzung, dass
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zwei der drei „basalen“ Fächer Deutsch, Mathematik und Fremdsprache als Abiturprüfungsfächer in allen Bundesländern eingebracht werden müssen (vgl. KMK 2006, Abschnitt 8). Wenn nun zusätzlich Bildungsstandards in diesen Fächern eingesetzt werden, wird dadurch nicht nur die Transparenz und Vergleichbarkeit der Schülerleistungen in Deutschland erhöht, sondern könnten auch Rückschlüsse über die jeweilige Leistungsfähigkeit der verschiedenen Oberstufenmodelle gezogen werden. Wegbereiter des Beschlusses zur Einführung von Abitur-Bildungsstandards sind: - die Einführung von Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Abitur (kurz: EPA) seit Ende der 1970er Jahre; - die Einführung eines Zentralabiturs in allen oder in einem Teil der Fächer in mittlerweile fast allen Bundesländern (Ausnahme: RheinlandPfalz, vgl. KMK 2009); - die Einführung von Bildungsstandards beim Übergang vom Primarbereich in die Sekundarstufe und bei den Mittleren Schulabschlüssen als Reaktion der KMK auf TIMSS, PISA etc. in den Jahren 2003 und 2004 (vgl. KMK 2003d; KMK 2004; KMK 2004a). Im Folgenden werden diese drei Entwicklungsschritte erläutert, um zu zeigen, dass das Problem der objektiven Bewertung von Schülerleistungen als Basis für die gewünschte Vergleichbarkeit weiterhin bestehen bleibt. Im Jahr 1979 hat die KMK die Einführung von EPA beschlossen (vgl. KMK 2008c). Diese sollen fachspezifisch die Vergleichbarkeit der Abiturprüfungen in den Bundesländern sichern, ohne dabei in die Kultushoheit der Länder einzugreifen (vgl. Fuchs 2004, S. 373). Im Laufe der Zeit sind diese EPA immer wieder überarbeitet worden, zuletzt auch mit Berücksichtigung von Erkenntnissen aus internationalen Vergleichsuntersuchungen (vgl. KMK 2008c, S. 1). Sie bestehen aus einer Fachpräambel, einer Erläuterung der Lern- und Prüfungsbereiche differenziert nach Anforderungsniveau, einer Beschreibung der Aufgabenarten für die mündliche oder schriftliche Prüfung, Kriterien für die Bewertung und Beispielaufgaben. Die EPA stammen aus einer Zeit, in der die Debatte über Lern- und Prüfungsinhalte entscheidend war (vgl. Ackeren 2007, S. 12), und dienten der Steuerung durch Inputs. Dabei blieb die Entscheidung über eine dezentrale oder zentrale Organisation der Abiturprüfungen den Ländern überlassen. Trotz der konkreten Vorgaben durch die EPA wurde die Vergleichbarkeit der Abiturnoten bezweifelt und zwar sowohl zwischen den Bundesländern
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als auch zwischen den einzelnen Schulen und Schulformen. Dies führte dazu, dass im letzten Jahrzehnt erneut die Organisation des Abiturs in den Blickpunkt der Regierungsverantwortlichen getreten ist. Die Durchführung von zentralen Prüfungen ist insofern als abermaliger Versuch einer Antwort auf die Frage nach der Vergleichbarkeit der Abiturnoten zu verstehen, weil landesweit die gleichen Abituraufgaben in den schriftlichen Prüfungsfächern zentral durch die Schulaufsichtsbehörde gestellt werden. Ein Zentralabitur könnte dazu beitragen, die Vielfalt bei der Oberstufengestaltung im Vergleich der Bundesländer miteinander zumindest durch eine stärkere Vereinheitlichung der Prüfungen innerhalb eines Bundeslandes aufzufangen. Die Einführung von landesweit zentralen Abiturprüfungen wird demgemäß primär mit mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei der individuellen Notenvergabe, einer besseren Vergleichbarkeit der Abschlüsse und einer gemeinsamen Orientierung aller Schulen an gleichen Prüfungserwartungen begründet (vgl. Orth 2007, S. 19). Kritisiert wird an zentralen Prüfungen u. a., dass sie „normierend auf den Unterrichtsprozess“ wirken und „zu thematischer Engführung (‚teaching on the test‘)“ beitragen könnten, so van Ackeren (2007, S. 12). Dabei zeigten die Forschungsergebnisse, „dass die Einschätzung der Wirksamkeit zentraler Prüfungen ausgesprochen uneinheitlich und die Befunde theoretisch und empirisch wenig belastbar sind“ (ebd.). Als gesichert gilt jedoch, dass die Leistungsniveaus an verschiedenen Schulen und auch Schulformen weit auseinandergehen. Dies haben beispielsweise Köller, Baumert und Schnabel (1999) an einem Vergleich der Mathematikleistungen in den jeweiligen Oberstufen von grundständigen Gymnasien und von integrierten Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Diese Unterschiede lassen sich jedoch kaum in den Noten wiederfinden, da die Lehrer für die Notengebung vor allem schulinterne Referenzmaßstäbe verwenden, auf die auch Unterschiede zwischen den Schulen Einfluss nehmen können, beispielsweise hinsichtlich des sozialen Einzugsbereichs, des Fächerprofils oder des institutionellen Selbstverständnisses (vgl. Trautwein et al. 2004a, S. 23; Neumann/ Trautwein 2008). Solange also die Korrektur der Abituraufgaben schulintern erfolgt, sind demnach Zweifel an der Vergleichbarkeit der Abiturnoten nicht von der Hand zu weisen, sondern im Gegenteil die zu erwartende Folge. Zusammengefasst sind beim zentralen Abitur keine größeren Unterschiede bei der Notenvergabe zu erwarten, wenn zumindest die Erstkorrektur weiterhin von den Fachlehrern durchgeführt wird, die die Abiturienten selbst unterrichtet haben. Die zentrale oder dezentrale Organisation der Abiturprüfungen ist hinsichtlich des Ziels einer besseren Vergleichbarkeit
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der Ergebnisse kaum relevant, solange die schulinterne Referenz für die Notengebung maßgeblich ist. Ungeachtet dieser empirischen Befunde bleibt die Einführung oder Abschaffung des Zentralabiturs auf Länderebene ein Zankapfel, wobei der Streit um die Abiturorganisation überwiegend als politisch motiviert zu verstehen ist,58 denn die Prüfungsorganisation ist vornehmlich als Instrument der staatlichen Kontrolle im Berechtigungswesen zu sehen (vgl. Eikenbusch 2007, S. 6). Durch die internationalen Schülerleistungsvergleichsstudien ist erneut daran erinnert worden, dass das Ziel der Vergleichbarkeit durch die übliche Form der Notengebung weniger gut gewährleistet wurde, als man vielerorts dachte. Trautwein et al. (2004a, S. 25) kommen zu dem Schluss, dass „die Frage nach unmittelbar vergleichbaren Leistungsergebnissen an Bedeutung“ verliere und stattdessen „die schulübergreifende Sicherung abschlussbezogener (Mindest-)Standards wichtig“ werde. Insofern sind Bildungsstandards eine neue Antwort auf das alte Problem. In ihren Beschlüssen zur Einführung macht die KMK deutlich, dass sie in den Bildungsstandards die Möglichkeit sieht, um trotz Föderalismus im Bildungsbereich die notwendige Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu sichern. Und solange von den Schulnoten und Berechtigungen der Zugang zu den weiteren Bildungswegen abhängt, ist die Vergleichbarkeit besonders dann wichtig, wenn Ausbildungsund Studienplätze eher knapp sind (vgl. Trautwein et al. 2004a, S. 21). Wie bereits in Abschnitt 3.2.2 ausgeführt, beruhen solche Standards auf Kompetenzmodellen und dem Konzept der Output-Messung. Darin sah Wolter (1997, S. 74) bereits vor Einführung solcher Standards einen Ausweg aus der „festgefahrenen Kontroverse über Kanon und Wahlfreiheit“, da an Kompetenzen auch berufs- oder studienbezogene Schwerpunkte (z. B. Sprache, Recht, Gesundheit, Technik) konkretisiert werden könnten, wodurch eine Erweiterung und Erneuerung des gymnasialen Fächerkanons ermöglicht wird. Die Kompetenzorientierung verspricht also mehr Vergleichbarkeit durch Standardisierung der Lernergebnisse und kann darüber hinaus Impulse für die Weiterentwicklung des gymnasialen Curriculums geben. Obwohl die Entwicklung der Abitur-Bildungsstandards erst am Anfang steht, ist zu vermuten, dass sich diese hohen Erwartungen jedoch nicht erfüllen werden. Denn zunächst ist fraglich, was die neuen Begrifflichkeiten tat58
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Darüber hinaus spielen auch pädagogische Argumente beim Zentralabitur eine wichtige Rolle. Diese können hier unberücksichtigt bleiben, weil die pädagogische Kritik vor allem auf Konsequenzen für den Schulalltag und die Gestaltung von Lehr-LernProzessen zielt, aber nicht auf die Frage der Vergleichbarkeit.
sächlich leisten; in Abschnitt 3.3.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass insbesondere der Kompetenzbegriff selbst als vage anzusehen ist. Außerdem ist die Entwicklung von Bildungsstandards fachspezifisch geplant und betrifft nur die Kernfächer sowie die Naturwissenschaften. Dies zeugt von einer eher konservativen Ausrichtung auf bestimmte gymnasiale Fächer und entsprechendes Fachwissen. Deshalb befürchtet Huber (2004, S. 24), dass „eine Uniformierung des Oberstufen-Curriculums“ drohe, insofern „Standards durch kanonisierte Fachinhalte definiert werden (statt durch allgemeinere Kompetenzen) und diese wiederum für die Oberstufe durch ein Zentralabitur in einem Großteil der Fächer fixiert werden.“ Anders herum ist jedoch ebenso unklar, was Kompetenzen leisten können, wenn sie nicht an bestimmte Inhalte gebunden sind, denn dann verlieren sie an konkreter Bedeutung (vgl. Strobel-Eisele/Prange 2003, S. 639). Trotz dieser Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit, sind Bildungsstandards theoretisch ein essentieller Schritt zur Entwicklung der Qualifikationsrahmen (vgl. Abschnitt 2.3.2). Insofern liegt die Chance der Bildungsstandards darin, zu einer Öffnung von Bildungssystemen zueinander, zu der damit verbundenen Flexibilisierung verschiedener Lernwege und zur besseren Anrechnung bzw. Anerkennung von Lernergebnissen beizutragen.
Drittes Zwischenfazit: Die Vergleichbarkeit von Lernergebnissen ist in der Schule ein ebenso zentrales Thema wie an den Hochschulen. Standardisierung und Differenzierung gehen dabei Hand in Hand, denn mit der Standardisierung sollen die Unterschiede bei der Gestaltung der verschiedenen Wege zum Abitur aufgefangen werden. Die Vergleichbarkeit der Abiturnoten ist die Voraussetzung, damit beim Hochschulzugang eine (positive oder negative) Diskriminierung der Studienbewerber ausgeschlossen werden kann. Anzumerken ist, dass das Engagement der KMK für eine immer noch bessere Vergleichbarkeit der Schülerleistungen auffallend groß ist. Überlegungen über eine gerechtere Gestaltung dieses Bildungsabschnitts vor dem Hintergrund der nachgewiesenen hohen sozialen Selektivität werden bei den gegenwärtigen Oberstufenreformen hingegen ausgeklammert. Man sucht vergeblich in den entsprechenden Dokumenten (KMK-Vereinbarungen, Schulgesetzen und Oberstufenverordnungen) nach solchen Zielsetzungen, obwohl zu erwarten ist, dass G8 und die Einschränkungen bei den Wahlmöglichkeiten in der Gymnasialen Oberstufe insbesondere auf eher bildungsferne Schichten abschreckend wirken werden. Fuchs (2004, S. 395) weist darauf hin, dass die KMK das Insistieren auf Leistung als strategisches Argument
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benutzt, um die eigentlichen Handlungsmotive zu verschleiern; er vermutet, dass solche Forderungen dann erhoben werden, „wenn es darum geht, Reformen mit dem Ziel einer Öffnung des Schulwesens abzuwehren“ (ebd.). Die Standardisierungsbemühungen sind im Grunde genommen nur als Versuch der KMK zu sehen, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, indem dem Abitur wieder einmal vermeintliche Objektivität als Bewertungsmaßstab für den Hochschulzugang zurückgegeben werden soll, obwohl dieser im Großen und Ganzen nicht zu bezweifeln war: In Abschnitt 4.3.2 wurde hervorgehoben, dass über viele Jahre hinweg die Abiturnote als vergleichsweise guter und stabiler Prädiktor zur Vorhersage des Studienerfolgs bestätigt wurde – unabhängig davon, wie das Abitur in Bezug auf die genaue Anzahl der Prüfungen, möglichen Fächerkombination, der zentralen oder dezentralen Prüfungsorganisation etc. gestaltet worden ist. Es ist nicht zu erwarten, dass durch die Einführung von Bildungsstandards das Abitur tatsächlich wesentlich an ‚Wert‘ hinsichtlich der Gewährleistung von mehr Gerechtigkeit beim Hochschulzugang gewinnt. Hentig stellt in Bezug auf die Standards kritisch fest, dass der Staat auf diese Weise „zum Notar der Leistungen geworden“ sei. Aber, formuliert Hentig (2003a, S. 78 f.) an die Adresse der Erziehungswissenschaftler, „die Einheitlichkeit seiner Prüfungen [des Staates, SK] verdirbt nicht nur den pädagogischen Prozess, sie ist auch eine Illusion. Das könnte und sollte jetzt an der Schwelle zur europäischen Einheit offenbar werden, und die Zunft der Erziehungswissenschaftler sollte sich weigern, an der Übertünchung der Brüche und Risse mitzuwirken.“ Stattdessen sei es Aufgabe der Erziehungswissenschaft, „sinnvolle Bewährungsmuster“ (ebd.), also verschiedene Wege zu entwickeln, die flexibel für den Hochschulzugang genutzt werden können. 5.2.3
Konservative Antworten
Der Blick auf das US-amerikanische Vorbild in Abschnitt 5.2.1 hat zu erkennen gegeben, dass die gestuften Studiengänge in Deutschland mit Zielsetzungen verbunden sind, die klar von den Studienzielen der traditionellen Magister- und Diplomstudiengänge abweichen. In Bezug auf das Thema „Allgemeinbildung“ ist Employability als neues Ziel des Bachelorabschlusses hervorgetreten. Deswegen wird erwartet, dass in diesem Studienzyklus – wie im Modell der Vereinigten Staaten – formale Kompetenzen (bzw. „Schlüsselkompetenzen“) eine größere Rolle spielen als bisher. Die erhöhte Aufmerksamkeit für die Lernwege der Studierenden durch den shift from teaching to learning (enthalten im Konzept des ECTS, der Modularisie-
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rung, der Einführung studienbegleitender Prüfungen etc.) gehört zum Thema „Studierfähigkeit“. Dies ist ein Versuch, die aufnehmenden Bildungseinrichtungen stärker an der Aufgabe zur Förderung der Studierfähigkeit ihrer Studierenden zu beteiligen, anstatt Defizite in der Vorbildung einfach der schulischen Seite anzulasten oder die Studierenden ihrer „Einsamkeit und Freiheit“ anheimzugeben. Zum Stichwort „Wissenschaftspropädeutik“ wurde festgestellt, dass durch die Entlastung des Bachelors von überhöhten Erwartungen an die „Einheit von Forschung und Lehre“ eine bessere Stufung der Anforderungen erreicht werden kann, wenn Wissenschaftlichkeit und Wissenschaftspropädeutik nicht mit Forschungskompetenz verwechselt werden. In Bezug auf die Trias der Ziele ist zu resümieren, dass zwar konsequente und plausible Veränderungen intendiert sind, die sich aber im hochschulischen Alltag bislang nur ansatzweise durchsetzen konnten. Ist das deutsche System dem US-amerikanischen Vorbild ähnlicher geworden? Für die hochschulische Seite ist dies also im Ansatz zu bestätigen – und zwar für beide Hochschularten. Die Reformen auf schulischer Seite in den Gymnasialen Oberstufen sind jedoch nicht durch amerikanische Vorbilder motiviert. Daher ist der Schnitt zwischen den Lehr- und Lernkulturen der abgebenden und der aufnehmenden Bildungseinrichtung erhalten geblieben: Statt eine Diskussion über die Stufung der neuen Anforderungen zu führen, die die schulischen und hochschulischen Belange koordiniert und zu einem gemeinsam getragenen Konsens führen könnte, finden die Reformen diesseits wie jenseits des Abiturs nach wie vor unabhängig voneinander statt – ohne die Gelegenheit zu nutzen, diese Trennung mit Blick auf das US-amerikanische Vorbild ernsthaft zu hinterfragen. Statt auf die Entwicklung einer (gesamtschulischen) Kolleg-Stufe in der Sekundarstufe II zielen die derzeitigen Oberstufenreformen vielmehr auf eine Abgrenzung des Königswegs von anderen Bildungswegen. Dies wurde an drei Entwicklungen untersucht: Erstens ist die scharfe Trennung zwischen allgemeinem und beruflichorientiertem Bildungssektor nicht gemildert worden. Durch das achtjährige Gymnasium wird stattdessen die frühe Selektivität des gesamten deutschen Schulwesens beim Übergang in die Sekundarstufe I manifestiert. In der Folge wird der Zugang zur Gymnasialen Oberstufe stärker von den Schülern abgeschottet, die nicht das grundständige Gymnasium besucht haben. Ob diese Veränderungen den Zulauf zum Gymnasium langfristig stoppen oder im Gegenteil verstärken werden, ist bislang nicht abzusehen, da die Phase der Umstellung, die mit besonderen Schwierigkeiten belastet sein kann, noch nicht abgeschlossen ist.
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Zweitens ist in einigen Bundesländern eine restriktive Handhabung der Lehrplangestaltung in den Gymnasialen Oberstufen festgestellt worden, die sich in der Einführung eines fünften Abiturprüfungsfachs, noch gravierender aber im Wegfall des Grund- und Leistungskurssystems zugunsten eines weitgehend festgeschriebenen Oberstufencurriculums zeigt. Die Rekanonisierung steht in bemerkenswertem Kontrast zu den Ergebnissen der HISStudienanfängerbefragungen (vgl. Wolter 2008, S. 28): Die Studierenden sehen nämlich keine größeren Defizite in Bezug auf ihre schulische Vorbildung im Bereich der Kernfächer. Dies deutet darauf hin, dass die Gründe für das politische Insistieren auf der Stärkung dieser Fächer an anderer Stelle zu suchen sind. Fuchs (2004, S. 377 f.) bewertet zu Recht die „Reduzierung der Fächerwahloptionen“ verbunden mit der Erhöhung der Prüfungsanforderungen als Ausdruck einer „konservativen Schulpolitik“, die den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung erschwert. Er sieht als Konsequenz eine mögliche „Erweiterung des Fächerspektrums durch berufsbezogene Fächer“ beeinträchtigt und „damit letztlich die Möglichkeit einer weiteren Annäherung allgemeiner und beruflicher Bildung in der Sekundarstufe II“ (ebd.) verschenkt. Folgt man Fuchs, wird hier also die Trennung zwischen den Bildungsbereichen aktualisiert. Als Reaktion auf die föderalen Differenzierungen in den Gymnasialen Oberstufen hat sich die KMK drittens auf die Einführung von Abitur-Bildungsstandards in den Kernfächern und den naturwissenschaftlichen Fächern verständigt, um die Vergleichbarkeit der Schülerleistungen künftig besser zu gewährleisten. Die KMK verspricht sich von mehr Genauigkeit bei der Leistungsmessung auch mehr Gerechtigkeit. Dabei war zu kritisieren, dass von den Kultusministern Fragen nach sozialen, kulturellen oder geschlechterspezifischen Ungleichheiten unberücksichtigt gelassen werden. Zugespitzt formuliert, wird das schulische Leistungsprinzip (erneut) als Alibi benutzt, um über andere Ungleichheiten hinwegzusehen. Zu diesem Vorgehen passt auch der Abbau von institutionellen Fördermöglichkeiten innerhalb des Gymnasiums. Im Widerspruch zu den politischen Forderungen nach einer Erhöhung der Akademikerquote sind die eingeschlagenen Reformwege in den Gymnasialen Oberstufen als Maßnahmen für eine Verengung des Königswegs zu interpretieren. In Abschnitt 4.2 (S. 151 f.) wurde herausgestellt, dass die Gestaltung der studienvorbereitenden Bildung grundsätzlich eine doppelte Herausforderung darstellt: Wie soll mit der Heterogenität einer wachsenden Schülerschaft umgegangen werden? Und besteht die Bereitschaft, das gymnasiale
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Curriculum angesichts des dynamischen Wissenswandels zu modernisieren? Betrachtet man die begonnenen Reformen in den Gymnasialen Oberstufen, zeigen sich kaum Lösungsansätze: Statt mit einem vielfältigen Angebot auf die heterogene Schülerschaft zu reagieren, wird das Curriculum auf die Kernfächer verengt. Auch nach einer Modernisierung des gymnasialen Curriculums sucht man meist vergebens. Eine Ausnahme ist die Einführung von Profilen, die durch den Ausbau von fächerübergreifendem Lernen und durch neue Themen innovative Impulse für eine Weiterentwicklung des gymnasialen Fächerspektrums geben könnte. Während sich die Hochschulen also zumindest auf den Weg machen, den neuen Herausforderungen mit modernisierten Studiengängen und mit Ansätzen zur besseren Förderung der Studierenden zu begegnen, setzen sich die Gymnasien curricular verstärkt von den übrigen Hochschulzugangswegen ab. Der Übergang in den gymnasialen Bildungsweg wird durch den Wegfall von Fördermöglichkeiten zusätzlich erschwert und den Diversifizierungsprozessen an den Hochschulen eine Rekanonisierung und Standardisierung des Oberstufencurriculums entgegengesetzt. Alles in allem scheint es paradox, warum die (teilweise identischen) politischen Akteure einerseits durch den Bologna-Prozess an den Hochschulen couragierte Reformen initiieren und andererseits für die Entwicklung der Oberstufen nur konservative Antworten parat haben, die das Gymnasium zur alten, engen Eliteschule zurückführen. 5.3
Entwicklungen im Berechtigungs- und Zulassungssystem
Die schulische Studienberechtigung und die hochschulische Zulassung sind in Abschnitt 4.3 als zwei zusammengehörige Elemente erörtert worden, mit denen der Hochschulzugang gesteuert wird. Betont wurde die zentrale Funktion des Abiturs als Instrument für die bedarfsgerechte Selektion innerhalb des Bildungs- und auch des Beschäftigungssystems. Während lange Zeit das Abitur im Großen und Ganzen ausreichte, um die Selektion beim Hochschulzugang vollständig zu regeln, sind in der Folge der Bildungsexpansion ab den 1970er Jahren weitere Maßnahmen diskutiert und teilweise auch eingeführt geworden, um der großen Nachfrage nach Studienplätzen Herr zu werden. Während es zunächst nur darum ging, die Zulassung zu besonders nachgefragten Studiengängen (wie Medizin und Jura) möglichst gerecht im Sinne der Studienbewerber zu gestalten, pochen die Hochschulen seit den 1990er Jahren wieder verstärkt darauf, generell bei der Auswahl der Studierenden mitentscheiden zu können. Dieses Anliegen wurde damit begründet,
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dass das Abitur von der hochschulischen Seite immer weniger als hinreichend aussagekräftig in Bezug auf die schulische Vorbildung der beständig größer werdenden Bewerbergruppe eingeschätzt wurde. Nicht erst seit den 1960er Jahren, seitdem aber besonders relevant für die Wahrnehmung, Diskussion und den daraus resultierenden Regelungsbedarf des Hochschulzugangs ist die Erwartung an die zukünftige Studierendenquote im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedarfen an Akademikern: Wird es eine hohe Zahl von potentiellen Studienbewerbern geben? Wie gestaltet sich die Nachfrage nach einzelnen Studiengängen? Wie viele Studienberechtigte werden in den beruflichen Sektor abgelenkt, ohne ihre Studienoption einzulösen? Oder entstehen neue Studierendenströme über bislang weniger genutzte Hochschulzugänge? Angesichts unvorhersehbarer Ereignisse im Weltgeschehen sind die Antworten auf diese Fragen entsprechend unsicher, da sie nur auf der Grundlage des gegenwärtig zur Verfügung stehenden Wissens gegeben werden können. Für die Berechnung zukünftiger Entwicklungen ist die Annahme üblich, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen, aber auch das Übergangsverhalten der Schüler z. B. hinsichtlich der Schulformwahl oder der Erfolgsquote beim Abitur gleich bleiben werden (Status-quo-Prognose). In diesem Sinne sind die Prognosen ‚konservativ‘, dafür aber auch weniger anfällig für Fehler, die sich beispielsweise durch die Einberechnung überhöhter Erwartungen an politische Vorhaben ergeben können. Besonders wichtig für die bildungspolitische Diskussion sind die regelmäßig aktualisierten Schätzungen der KMK. Diese Daten sind nicht nur als Blick in die Zukunft, sondern auch als Momentaufnahme zu sehen, an der sich gegenwärtige Veränderungen des Hochschulzugangs messen und bewerten lassen. Gemäß der letzten „Vorausberechnung der Schüler- und Absolventenzahlen 2005 bis 2020“ der KMK (2006a) und der „Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen bis 2020“ (KMK 2005a) kennzeichnen die folgenden Entwicklungen die Wahrnehmung und Gestaltung des gegenwärtigen Hochschulzugangs: - Langfristiger Rückgang der absoluten Schülerzahl: Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung wird die Gesamtzahl der Schüler von 2005 bis 2020 (nach einem mittelfristigen Anstieg) um knapp 18 Prozent auf 10,1 Millionen sinken. Auch die Verkürzung der Schulzeit am Gymnasium wirkt sich vermindernd auf die Schülergesamtzahl aus, da eine Klassenstufe wegfällt (vgl. KMK 2006a, S. 16). - Weitere Expansion des Gymnasiums: Das Gymnasium wird die meist besuchte Schulart in der Sekundarstufe I bleiben. Nachdem bereits im
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Jahr 2005 etwa ein Drittel aller Schüler in den Klassen 7 bis 10 das Gymnasium besucht, erwartet die KMK (2006a, S. 40) eine weitere Steigerung bis zum Jahr 2020 auf über 37 Prozent. - Verzerrung durch G8 : Die Entwicklung der Abiturientenzahlen wird durch G8 verzerrt. Der langfristige Rückgang der schulischen Absolventen mit Fachhochschulreife oder Allgemeiner Hochschulreife aufgrund der demographischen Entwicklung wird durch die Doppeljahrgänge (insbesondere in den bevölkerungsreichen Bundesländern) in den Jahren 2011, 2013 und 2016 durch sprunghafte Anstiege unterbrochen. - Steigende Bildungsbeteiligung: Die KMK (2006a, S. 12, 85) geht davon aus, dass der Anteil der Studienberechtigen gemessen an der gleichaltrigen Bevölkerung weiter steigen wird. Während im Jahr 2005 etwa 42 Prozent des Altersjahrgangs über eine Studienberechtigung verfügten, wird dieser Anteil für das Jahr 2020 auf knapp 52 Prozent geschätzt. - Erhöhung der Studierendenzahlen bis 2014 : Gemäß KMK (2005a, S. 5 f.) wird die Anzahl der Studierenden insgesamt im Verhältnis zum Jahr 2004 bis 2014 um etwa 36 Prozent zunehmen, und die der Hochschulabsolventen bis 2019 sogar um mehr als 50 Prozent. In den Jahren 2012 bis 2014 erwartet die KMK den Höhepunkt der Entwicklung mit ca. 2,5 bis 2,7 Millionen Studierenden. Sie konstatiert, dass die „Zahl der Studierenden, die sich im Hochschulsystem befinden werden, [. . .] vor allem in den Jahren 2010 bis 2017 zu einer zusätzlichen Belastung der Hochschulen führen [wird], die in den Spitzenjahren gegenüber 2002 bis zu 430.000 zusätzliche Studierende ausbilden müssen“ (KMK 2005a, S. 39 f.). Bei diesen Vorausberechnungen ist (im Sinne der konservativen Prognose) nicht berücksichtigt, dass durch den Bologna-Prozess die Aufnahme eines Studiums für weitere Bewerberkreise attraktiver gemacht wird. Kurz wiederholt: Erstens sollen diejenigen für ein kürzeres Bachelor-Studium gewonnen werden, die bislang von der Länge eines traditionellen Studiengangs abgeschreckt wurden. Zweitens zielt die Einführung der international bekannten „Label“ Bachelor und Master (Teichler 2002, S. 7) darauf ab, den Anteil der ausländischen Studierenden im Zuge der gewünschten Internationalisierung deutscher Hochschulen zu vergrößern. Drittens soll der Hochschulzugang für nicht-traditionelle Studierende erleichtert und zusätzlich
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gefördert werden.59 Dementsprechend wäre durch diese politisch intendierten Maßnahmen zu erwarten, dass die absolute Zahl der Studienbewerber bis 2014 deutlich stärker wächst, als in den KMK-Prognosen berechnet, und während des demographisch bedingten Rückgangs auf einem höheren Niveau verbleibt. Der langfristige Rückgang könnte sogar gebremst werden, wenn die Maßnahmen zur Erhöhung der Akademikerquote (im Einklang mit dem Übergangsverhalten der zukünftigen Studienberechtigten) nachhaltig greifen. Auch der Wissenschaftsrat (2006, S. 9) erwartet für die kommenden Jahre eine deutliche Zunahme der Schulabsolventen mit Studienberechtigung; die Hochschulsysteme der Länder seien allerdings „auf eine entsprechende Steigerung ihrer Studienplatzkapazitäten“ nicht ausreichend vorbereitet. Die KMK steht damit vor einem großen Problem und sie will eine Lösung finden, ohne die Zulassungsbeschränkungen auszuweiten (vgl. KMK 2005a, S. 2). Eine wichtige Initiative dazu ist der Hochschulpakt 2020, in dem Bund und Länder die Schaffung von mehr als 90.000 zusätzlichen Studienplätzen für die Jahre 2007 bis 2020 vereinbart haben, um „die Chancen der jungen Generation zur Aufnahme eines Studiums zu sichern und die Innovationskraft in Deutschland zu erhöhen“ (BMBF 2007, S. 1). Wenn allerdings tatsächlich in den kommenden Jahren 430.000 ‚außerordentliche‘ Studierende zu versorgen sind, deckt der Hochschulpakt nicht einmal ein Viertel der zusätzlichen Nachfrage ab. Dabei ist mildernd anzumerken, dass sich durch das gestufte Studiensystem sowohl die Zahl der insgesamt im Studiensystem verweilenden Studierenden als auch die Hochschulabsolventenquote verändert: Wenn ein großer Teil der Studierenden zukünftig bereits nach dem Bachelor-Abschluss die Hochschule verlässt, wirkt sich dies entlastend auf die Gesamtkapazitäten aus, während gleichzeitig eine markante Steigerung der Absolventenquote erreicht werden dürfte. Bei den zukünftigen Entwicklungen wird unabhängig von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedarfen die Frage virulent sein, ob es gelingt, den Hochschulzugang im Hinblick auf bestehende Ungleichheiten bei der Bildungsbeteiligung gerechter zu gestalten (vgl. Zirfas 2008, S. 7). Bleibt der Hochschulzugang zukünftig also trotz der erwarteten Fortsetzung der Bildungsexpansion die Hürde, die überproportional viele Angehörige der bildungsfernen Schichten vom Studium abhält? Um dies zu diskutieren, werden im Folgenden zwei Entwicklungen näher beleuchtet, die die 59
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Beispielsweise wurde kürzlich eine Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung gestartet, die den „Aufstieg durch Bildung“ für beruflich Begabte (!) durch Aufstiegsstipendien fördern soll (vgl. BMBF 2008).
bisherige Steuerung des Hochschulzugangs durch Abitur und Hochschulauswahlverfahren verändern: In Abschnitt 5.3.1 wird zunächst die (teilweise) Entkopplung der Abschlusszeugnisse von den dazugehörigen Schulformen thematisiert. Anschließend wird in Abschnitt 5.3.2 gewissermaßen in der entgegengesetzten Richtung zu dieser Form der Allokation das neue Zulassungsrecht als Selektionsinstrumentarium problematisiert. Inwiefern diese Entwicklungen zu einer effizienten und gerechten Gestaltung des Hochschulzugangs beitragen können, wird in Abschnitt 5.3.3 resümiert. 5.3.1
Die Entkopplung von Zertifikat und (Hoch-)Schulform
Es war die Entscheidung der KMK (1997; 1999; 2003a), die im hochschulischen Bereich dafür sorgte, dass sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen die gleichen Abschlüsse vergeben werden. Die Einführung von Bachelor und Master bedeutet insofern nicht nur die Aufgabe der alten Magister und Diplome, sondern auch einen Systemwechsel. Die Entkopplung der Zertifikate von den Hochschularten ist durch den Bologna-Prozess innerhalb weniger Jahre zumindest formal Wirklichkeit geworden. Wie sieht es im schulischen Sektor aus? Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008, S. 170) stellt fest, dass eine „zunehmend größere Vielfalt von Bildungswegen“ zu einer Studienberechtigung führt. Die Fachhochschulreife und die Allgemeine Hochschulreife können an Gymnasien, Integrierten Gesamtschulen, Freien Waldorfschulen, Sonderschulen, Abendgymnasien, Abendrealschulen (nur Fachhochschulreife), Kollegs, als Externenprüfung, an Fachoberschulen, Fachgymnasien, Berufsoberschulen, Technischen Oberschulen, Berufsschulen im dualen System, Berufsfachschulen, Fachschulen und Fach-/Berufsakademien erworben werden (vgl. mit einer länderspezifischen Übersicht Heine/Quast 2009, S. 99–137). Wie bereits in Abschnitt 3.2.2, Punkt X, angesprochen, wird diese institutionelle Vielfalt allerdings regional sehr unterschiedlich angeboten und nachgefragt. Fend (2006) hat in der LifE-Studie zeigen können, dass etwa ein Viertel der Schüler andere, meist höhere Abschlüsse erreicht, als die Schulformen erwarten lassen, in denen sich die Schüler im 9. Schuljahr befinden.60 Er folgert, dass auf diese Weise „dank institutioneller Wahlmöglichkeiten (An60
In Fends (bundesweit nicht repräsentativer Studie) erwarben 30 Prozent der Hauptschüler im 9. Schuljahr später einen besseren Abschluss als den Hauptschulabschluss, ebenso erreichten 30 Prozent der Realschüler einen Abschluss, der über die Mittlere Reife hinausgeht. Allerdings erreichte ein Viertel der Gymnasiasten nicht die Allgemeine Hochschulreife, sondern nur die Mittlere Reife oder die Fachhochschulreife.
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schlüsse an Abschlüsse) die Bindungen der Abschlüsse an Schulformen für große Schülergruppen“ (Fend 2006, S. 275) aufgelöst werden. Trautwein et al. (2004a, S. 13) sehen in der Entwicklung, dass die schulischen Zertifikate nicht mehr ausschließlich an den entsprechenden Sekundarschulformen erworben werden können, ein „Modernisierungsphänomen, das in unterschiedlichen Realisierungen in der gesamten Bundesrepublik Deutschland beobachtbar ist.“ Ein genauerer Blick auf die entsprechenden Statistiken zeigt, dass die quantitative Bedeutung dieser Entkopplungsphänomene deutlich gestiegen ist: Im Jahr 2006 haben 40 Prozent der Inhaber einer Fachhochschulreife diese auch an einer Fachoberschule erhalten (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 270 f.). Interessant ist, dass dieser Anteil zehn Jahre vorher im Jahr 1996 noch bei etwa 48 Prozent lag. Der Anteil der Gymnasiasten, Gesamtschüler, Berufsoberschüler und Technischen Oberschüler an der Gesamtzahl aller Inhaber einer Fachhochschulreife ist demgemäß gestiegen. Dieselbe Entwicklung ist beim Abitur zu beobachten: Während im Jahr 1996 über 82 Prozent der Besitzer einer Allgemeinen Hochschulreife ein Gymnasium besucht hatte, ist diese Quote im Jahr 2006 auf knapp 76 Prozent gesunken, weil relativ mehr Absolventen an Integrierten Gesamtschulen, an Fachgymnasien oder an Berufsfachschulen das Abitur erworben haben. Auch wenn innerhalb der Dekade von 1996–2006 in absoluten Zahlen laufend mehr Schüler am Gymnasium zum Abitur geführt worden sind (1996: 196.474 bzw. 2006: 216.288), findet doch spürbar eine sukzessive Entkopplung des schulischen Abschlusses von der traditionell dafür vorgesehenen Schulform statt, da der Anteil derjenigen wächst, die auch über andere Bildungswege entsprechende Abschlüsse erreichen. Jedoch setzt sich diese Entwicklung nicht im selben Maße bei der Entscheidung fort, die Studienoption dann auch einzulösen. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008, S. 170) konstatiert, dass zunehmend weniger Studienberechtigte ein Studium beginnen; derzeit verzichtet etwa ein Viertel aller Studienberechtigten darauf. Die Übergangsquote für Absolventen mit Allgemeiner Hochschulreife lag 1980 noch bei knapp 92 Prozent, sank dann bis 1996 auf knapp 83 Prozent und liegt im Erhebungsjahr 2006 zwischen 73 bis 79 Prozent; die Quote der Absolventen mit Fachhochschulreife verringerte sich analog von 72 Prozent 1980 über 58 Prozent im Jahr 1996 auf nur noch 53 bis 61 Prozent (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 327). Im Bildungsbericht wird darauf hingewiesen, dass diese sinkenden Übergangsquoten vor allem mit dem wachsenden Anteil derjenigen zu erklären ist, die „bislang eine niedrigere Studierbereitschaft zeigten“ (ebd., S. 171). Damit bestätigt sich der Befund, dass sich
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sekundäre Effekte der sozioökonomischen Herkunft und des Bildungshintergrunds der Schüler auch durch unterschiedliche Bildungsentscheidungen am Hochschulzugang auswirken.61 Becker und Hecken (2007, S. 112) haben nachgewiesen, dass die Entscheidung für ein Studium abhängig von der Sozialschicht variiert: Je geringer die „soziokulturelle Distanz zum System höherer Bildung“, desto eher fällt die Entscheidung für ein Hochschulstudium (und desto besser ist ebenfalls die Prognose, das Studium später auch erfolgreich abzuschließen). Anders herum neigen eher Studienberechtigte aus nicht-akademischen Elternhäusern zum Studienverzicht. Eine weitere Form der Entkopplung von Schulabschluss und Studienberechtigung erfolgt im Rahmen der stärkeren Europäisierung bzw. Internationalisierung: Da einerseits ausländische Studierende in der Regel natürlich kein deutsches Abitur für ein Studium in Deutschland mitbringen, verliert das Abitur als Auswahlmaßstab gegenüber anderen Kriterien an Bedeutung (vgl. Haug 2006, S. 102). Außerdem kann kaum von einer sinnvollen Vergleichbarkeit des Abiturs mit anderen europäischen Abschlüssen der Sekundarstufe II (wie dem französischen Baccalauréat oder dem Advanced Level im Großbritannien) gesprochen werden, wenn schon zwischen den deutschen Bundesländern die Vergleichbarkeit der Abiturnoten als Problem eingestuft wird (vgl. Abschnitt 5.2.2 zu den Abitur-Bildungsstandards). Pechar (2006, S. 121) bezweifelt überhaupt, dass zukünftig der Hochschulzugang ausschließlich für ein nationales System konzipiert werden könne, da die „zunehmende grenzüberschreitende Mobilität im Bildungswesen [. . .] die Logik des Berechtigungswesens“ untergrabe. Stattdessen müssten „die Zugangsregelungen so modifiziert werden, dass sie der wachsenden Heterogenität der Studierenden gerecht werden“, so Pechar (ebd.). Auch im Zuge der hochschulischen Profilbildung machen die schulischen Abschlussnoten als einziges Regulativ für den Hochschulzugang wenig Sinn, da mit ihnen die hochschulische Vielfalt nicht antizipiert wird (vgl. Heine et al. 2006, S. 9). Die Heterogenität der Studierenden und die sich sukzessive verzweigenden 61
Die Unterscheidung von primären und sekundären sozialen Ungleichheiten geht zurück auf Boudon (1974, S. 28 ff.). Mit primären sozialen Ungleichheiten sind vor allem die verschiedenen ‚Startpositionen‘ gemeint, an denen die Kinder ihre Bildungskarriere beginnen und die vom sozioökonomischen und kulturellen Hintergrund der Herkunftsfamilie geprägt sind. Sekundäre soziale Ungleichheiten treten auf, wenn diese Kinder im Verlauf ihres Bildungswegs dann beispielsweise schlechter beurteilt werden, als vergleichbar leistungsstarke Kinder aus anderen sozialen Gruppen. „Solche sekundären Bildungsungleichheiten“, so Tillmann (2005, S. 129), „werden in unterschiedlicher Weise erzeugt: Das elterliche Entscheidungsverhalten gehört ebenso dazu wie die verdeckte oder offene Diskriminierung durch Schule und Lehrkräfte.“
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und spezialisierenden Studiengänge passen immer weniger zu dem System, das aufbauend auf einem starren Fächerkanon den Hochschulzugang regeln soll. Durch die Entkopplungsphänomene ist folglich ein fortschreitender Bedeutungsverlust des Abiturs als Studienberechtigung zu erwarten. Es gibt allerdings auch ungelöste Probleme bei solchen Entkopplungsprozessen: Hat beispielsweise eine 18jährige G8-Abiturientin ähnliche Erwartungen, verfügt sie über ein vergleichbares Leistungsniveau und hat sie dieselben Chancen auf einen Studienplatz wie die Studienbewerberin, die ihr Abitur in Kombination mit einer Lehre an einer Freien Waldorfschule absolviert hat? Legt man auch hier einen eher konservativen Prognosemaßstab an und geht davon aus, dass a) in Bezug auf die Bildungsaspirationen der Absolventen, b) der erreichten Kompetenzniveaus auf unterschiedlichen Schulformen und c) im Hinblick auf die realisierten Chancen die bisherigen Befunde fortbestehen, relativiert sich die Annahme, dass durch eine Entkopplung von Abschluss und Schulform sofort eine offenere und gerechtere Gestaltung des Hochschulzugangs erreicht werden könnte: Ad a: Bildungsaspirationen/Studierneigung? Wie bereits ausgeführt, erreichen zwar immer mehr Absolventen auch aus bildungsferneren Schichten eine Studienberechtigung, aber gerade diese nehmen seltener ein Studium auf als die bildungsnahe Klientel, selbst dann, wenn sie vergleichbar gute Abiturergebnisse erzielt haben. Dieses Phänomen wird vor allem auf die soziokulturelle Herkunft zurückgeführt (vgl. Choi/Schmidt 2006, S. 13; Lewin/Lischka 2004, S. 33; Heine et al. 2008a, S. 20) und spiegelt sich darin, dass weitaus mehr Abiturienten von Gymnasien als von Fachoberschulen ein Studium beginnen: Differenziert nach der Art der Hochschulreife streben fast drei Viertel der Abiturienten, aber nur etwa die Hälfte der Fachoberschulabsolventen ein Studium an (vgl. Heine et al. 2008, S. 17 f.). Auch wählen Frauen seltener als Männer ein Studium: 72 Prozent der männlichen Studienberechtigten des Jahrgangs 2006, aber nur 64 Prozent der weiblichen haben ein Studium begonnen (vgl. ebd.). Die Inhaber einer Studienberechtigung entscheiden sich aus sehr unterschiedlichen Motivlagen heraus für oder gegen ein Studium. Der Prozess der Studienaufnahme unterliegt einer Vielzahl direkter Faktoren (z. B. Anteil und Anzahl der Studienberechtigten, verfügbare Studienangebote) und indirekter Einflüsse (z. B. Finanzsituation öffentlicher und privater Haushalte), die komplex miteinander verknüpft sind (vgl. Lewin/Lischka 2004, S. 32 f.). Einzelne Ausschnitte dieser Zusammenhänge, die sich letztlich für jede Studienbewerberin zu einer individuellen Motivkonstellation zu-
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sammenfügen, sind bereits untersucht worden. Beispielsweise haben Heine et al. (2008, S. 148 f.) nachgewiesen, dass bei der Entscheidung für ein Studium die Hochschulart nicht unerheblich ist: So wird der Wunsch, ein Studium an der Universität aufzunehmen, häufiger mit persönlichem Fachinteresse begründet, während bei mehr berufsorientierten Studiengängen, wie sie vorrangig an Fachhochschulen angeboten werden, materielle Motive überwiegen wie die Aussicht auf gute Verdienstmöglichkeiten. Diese Motive sind dabei wiederum abhängig von der Bildungsherkunft. Watermann und Maaz (2004, S. 434) haben in der TOSCA-Studie herausgefunden, dass bei gleichen Noten „die Präferenz für ein Universitätsstudium mit dem elterlichen beruflichen Bildungsniveau“ steigt, während „zugleich die Präferenz für ein Studium an einer Fachhochschule bzw. Berufsakademie“ sinkt. Anders herum formuliert, ist die Fachhochschule vor allem für diejenigen attraktiv, die eher über wenig kulturelle Ressourcen verfügen. Ebenso wird die Entscheidung, auf ein Studium ganz zu verzichten, bei Kontrolle der schulischen Leistungen häufiger von Studienberechtigten getroffen, deren Eltern keinen akademischen Abschluss besitzen (vgl. Wolter 2008, S. 28; Becker/Hecken 2007). Diese Ergebnisse belegen, dass die Ausrichtung der Hochschule in Verbindung mit dem individuellen (vor allem kulturellen) Kapital für die Studienentscheidung relevant ist. Ad b: Kompetenzniveau? Durch die Angleichung von Lehrplänen und durch zusätzliche Förderangebote wurde es möglich, dass eine Studienberechtigung auf vielen unterschiedlichen Wegen erworben werden kann. Allerdings ist die Schulform dabei keineswegs einerlei für die erreichten Kompetenzniveaus. So haben bereits Baumert et al. (2000a, S. 58) im Rahmen der BIJU-Studie herausgearbeitet, dass die Leistungen der Schüler in bestimmten Fächern von der Schulform abhängen; diese „stellen trotz Strukturwandels und Neuorganisation der Sekundarstufe noch immer differentielle akademische Entwicklungsmilieus dar“. Daher muss gefragt werden, ob gleiche Noten für vergleichbare Kompetenzniveaus stehen (vgl. auch Trautwein et al. 2004a, S. 20). Durch die Einführung von zentralen Prüfungen in Form von Bildungsstandards könnte dieses Problem in Hinsicht auf die Schulfächer durchaus in den Griff zu bekommen sein. Offen bleibt jedoch, welche Rolle das schulformspezifische Entwicklungsmilieu für die Herausbildung der Kompetenzen spielt, die über die Leistungsniveaus in Schulfächern hinaus relevant für die Studierfähigkeit sein können wie Selbstständigkeit, Lernmotivation, Ich-Stärke etc. (vgl. Abschnitt 4.2.2).
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Ad c: Schulformen als Wettbewerbsvorteil? Unklar ist im Übrigen, ob und wenn ja, welche Effekte die Unterscheidung der zur Studienberechtigung führenden Bildungswege in hochschuleigenen Auswahlverfahren haben können. Bedeutet das Absolvieren einer vermeintlich ‚höherwertigen‘ Schulform einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern aus anderen Bildungsgängen, obwohl derselbe Abschluss erreicht wurde? Insbesondere in Auswahlverfahren, die auf eine individuelle Passung zielen (Auswahlgespräche, Bewerbungsschreiben etc.), bei denen der sozioökonomische und kulturelle Hintergrund der Studienbewerberin einen wesentlich größeren Einfluss hat als bei standardisierten Tests, könnte sich eine schulformspezifische Sozialisation direkt oder indirekt auswirken. Beispielsweise könnten Gymnasiasten gegenüber Mitbewerbern anderer Schulformen trotz des gleichen Abschlusses bevorzugt werden, weil ihnen eine höhere Allgemeinbildung zugeschrieben wird. Ein indirekter Einfluss könnte sich in der Form eines bestimmten Habitus zeigen, der schulformspezifisch erworben und im Auswahlverfahren dann als individueller Erfolg oder als Begabung wahrgenommen wird (vgl. Bourdieu 1992; Böttcher 2005, S. 68). Da bislang die Hochschulzulassung im Wesentlichen über die Schulabschlüsse geregelt wurde, fehlen in Deutschland entsprechende Erfahrungen. Es sollte daher untersucht werden, ob ein Einfluss der besuchten Schulform – unabhängig von der erreichten schulischen Leistung und unabhängig von der sozialen Herkunft – auf die Hochschulzulassung nachgewiesen werden kann. Letztlich steht und fällt alles damit, wie die aufnehmenden Bildungseinrichtungen von ihren neuen Auswahlmöglichkeiten Gebrauch machen; dies wird im Folgenden weiter ausgeführt. 5.3.2
Neues bei der Hochschulzulassung
Das Hochschulzulassungsrecht ist seit Beginn des Bologna-Prozesses mehrfach verändert worden. Dabei wurden die Möglichkeiten der Studierendenauswahl durch die Hochschulen deutlich erweitert, während die Argumentationen der 1970er Jahre mit Betonung der Studierendenrechte in den Hintergrund getreten sind (vgl. Abschnitt 4.3.2). 2003 verabschiedete die KMK (2003b) „Eckpunkte für die Neuordnung der Hochschulzulassung“, mit denen den Hochschulen weitreichende Möglichkeiten eingeräumt wurden, die Studierenden auch in bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen nach selbst festzusetzenden Kriterien auszusuchen. Dabei hat die KMK zwei Modelle vorgegeben: Entweder sollen zunächst die Hochschulen bis zu 50 Prozent ihrer Studienplätze selbst vergeben, während weitere
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25 Prozent der Studienplätze für die „Abiturbesten“ reserviert werden, um deren Hochschulwahlmöglichkeiten zu erweitern. Oder 25 Prozent der Studienplätze werden als erstes an die Abiturbesten vergeben und noch einmal so viele können dann durch die Hochschulen verteilt werden. (Nur das übrige Viertel bzw. die andere Hälfte der Studienplätze bleibt im zentralen Verfahren.) Beide Modelle der KMK bedeuten also einerseits eine Stärkung der hochschuleigenen Auswahlrechte im Zuge der Entwicklung autonomer und profilierter Hochschulen und andererseits eine Belohnung der leistungsstarken Abiturienten, mit der de facto die Bedeutung des Abiturs als allgemeine Studienberechtigung schwindet, während die des Numerus Clausus für den Hochschulzugang wächst.62 Dabei ist zu beachten, dass der Numerus Clausus als ein zusätzliches Auswahlinstrument anzusehen ist, denn die Auswahl der Abiturbesten hat mit dem besonderen Charakter der Allgemeinen Hochschulreife als Studienberechtigung nichts zu tun. Argumentativ steht die Bevorzugung der Abiturbesten in engem Zusammenhang mit der Etablierung von Abitur-Bildungsstandards: Wenn das beste Viertel der Abiturienten direkt zugelassen werden soll, muss evident sein, dass die Abiturdurchschnittsnoten objektiv und damit gut vergleichbar sind. Im Februar 2004 nahm die HRK (2004, o. P.) zur geplanten Neuregelung des Hochschulzulassungsrechts Stellung und bekräftigte, dass so die Studienerfolgsrate erhöht werden könne, da diese Orientierung an Wettbewerbskriterien zu Verbesserungen führe. Es liegt auf der Hand, dass die Hochschulvertreter daran interessiert sind, selbst qualitativ und quantitativ den Hochschulzugang steuern zu können (vgl. Fuchs 2004, S. 393). Noch im gleichen Jahr wurde die Hochschulzulassung durch eine Änderung des Hochschulrahmengesetzes (7. HRGÄndG 2004) auf Bundesebene reformiert: So können seit dem Wintersemester 2006/07 sogar 60 Prozent der Studienplätze im zentralen Verfahren von den Hochschulen vergeben werden. 20 Prozent der Studienplätze sind den Abiturbesten vorbehalten und für das übrige Fünftel greift das Kriterium der Wartezeit. Hochschulrahmenrechtlich ist dabei vorgesehen, dass bei der Auswahl durch die Hochschulen folgende Maßgaben berücksichtigt werden können: - Grad der Qualifikation (mit anderen Worten: Durchschnittsnote der Studienberechtigung), 62
Ist ein weiterer Hinweis darauf auch in der mittlerweile veränderten Wortwahl der KMK in der Vereinbarung zur Gestaltung der Gymnasialen Oberstufe enthalten? Die „Studienberechtigung für alle Studiengänge“ (KMK 1997a, S. 1) wurde nämlich reduziert auf die „schulische Abschlussqualifikation, die den Zugang zu jedem Studium [. . .] ermöglicht“ (KMK 2006, S. 1; Hervorhebungen von SK).
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- gewichtete Einzelnote (z. B. Abiturnote Mathematik für ein Mathematikstudium), - fachspezifischer Studierfähigkeitstest, - berufliche Qualifikationen, - persönliches Auswahlgespräch über Motivation und Identifikation mit dem gewünschten Studiengang bzw. angestrebten Beruf. Darüber hinaus ist festgeschrieben, dass dem Grad der Qualifikation in jedem Fall ein „maßgeblicher Einfluss gegeben werden“ (HRG § 32, 3) müsse. Im Jahr 2006, in dem diese Änderung des Hochschulrahmengesetzes in Kraft trat, war sie allerdings schon (fast) wieder obsolet, da die Länder durch die Föderalismusreform uneingeschränkt vom Hochschulzugangsrecht des Bundes abweichen können (vgl. Haug 2006, S. 99; Kluth 2008, S. 150). Neben den Regelungen für die zentral zu vergebenden Studienplätze finden sich in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliche Vorgaben für örtliche Zulassungsverfahren. Bei diesen Verfahren legt die jeweilige Hochschule die Auswahlregelungen im Rahmen der länderspezifischen Gesetzes- und Verordnungslage selbst fest. In Baden-Württemberg und Hamburg sollen auf diese Weise 90 Prozent der lokal beschränkten Studienplätze vergeben werden.63 Insgesamt ist in der Gesetzgebung auf allen Ebenen eine deutliche Deregulierung der Zulassungsverfahren festzustellen (vgl. Heine et al. 2006, S. 12). Es zeichnet sich dabei das Problem ab, dass zukünftig von Bundesland zu Bundesland, von Hochschule zu Hochschule und abhängig vom einzelnen Studiengang unterschiedliche Regelungen etabliert werden könnten, die für die Studienbewerber kaum noch zu überschauen sind. Die Deregulierung hat darüber hinaus dazu geführt, dass die Quote der Studienanfänger wächst, die über ein lokales Zulassungsverfahren zugelassen werden, während erwartungsgemäß die Gruppe derjenigen schrumpft, die durch das zentrale Verfahren (koordiniert durch die ZVS) zugeteilt werden (vgl. Tabelle 5.3 auf S. 247). Dabei ist ein mittelbarer Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess festzustellen, denn die Umstellung auf die neuen Studiengänge wurde und wird von den Hochschulen dazu genutzt, um lokale Zulassungsbeschränkungen neu einzuführen oder auszubauen (vgl. Wolter 2008, S. 23). Bereits Schwarz-Hahn und Rehburg (2003, S. 110) haben 63
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Vgl. mit einer Übersicht über alle Bundesländer Haug (2006, S. 106).
Tabelle 5.3: Studienplätze, die über ein lokales oder zentrales Auswahlverfahren vergeben wurden. Jahr
lokal
zentral
WiSe 2000/01 WiSe 2007/08
48 Prozent 74 Prozent
32 Prozent 22 Prozent (Quelle: Heine et al. 2008, S. 124 f.)
belegt, dass knapp die Hälfte der neuen Bachelorstudiengänge von vornherein begrenzt ist. Alles in allem steigt die Quote der Studienbewerber, die ein Auswahlverfahren durchlaufen müssen, und liegt im Wintersemester 2007/08 bereits bei 76 Prozent (vgl. Heine et al. 2008, S. 125). Interessant ist, dass sich dabei nur 14 Prozent aller Studienanfänger einer „über den Nachweis der Hochschulzugangsberechtigung bzw. Abschlussnote hinausgehenden Hochschuleingangs-, Aufnahme- oder Eignungsprüfung“ (Heine et al. 2008,S. 131) unterziehen mussten. Mit anderen Worten: Der Numerus Clausus ist das am meisten angewandte Auswahlverfahren. Wolter (2007, S. 3) stellt fest, dass sich die Hochschulen „durch ausufernde Zulassungsbeschränkungen zunehmend von der tatsächlichen Nachfrage“ abschotten können. Angesichts der überfüllten Hochschulen ist diese Strategie verständlich. Teilweise wird den Hochschulen auch nichts anderes übrig bleiben, solange der wachsenden Nachfrage schlicht zu wenig Studienplätze gegenüber stehen. Aus Sicht der Studienbewerber wäre eine solche Abschottungspraxis allerdings fatal. Die Zulassung durch die Hochschulen ist ein breit diskutiertes Thema in den letzten Jahren gewesen. Die Forderung nach hochschuleigenen Auswahlverfahren hängt (traditionell) damit zusammen, dass die Selektion durch das Abitur als unzureichend wahrgenommen wird. Überdies legt die zunehmende Diversifizierung der Hochschulen in den europäischen Gesellschaften nahe, dass auch der Hochschulzugang entsprechend differenziert zu gestalten sei (vgl. Heine et al. 2006, S. 5). Die Stärkung hochschuleigener Auswahlverfahren soll beispielsweise eine bessere Betreuung der Studierenden durch die Hochschullehrer bewirken (vgl. Dallinger 2003, S. 359). Das Argument ist in erster Linie psychologisch: Da die Hochschulen ihre Studierenden ausgewählt haben, sollen sie sich stärker für ihren Studienerfolg verantwortlich fühlen (vgl. Moser 2007, S. 476). In der Folge sollen kürzere
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Studienzeiten erreicht und Studienabbrüche sowie -wechsel vermieden werden. Wolter (2001, S. 271) weist kritisch darauf hin, dass von einigen Autoren „die Etablierung hochschuleigener Auswahlverfahren mit weitgespannten Erwartungen überfrachtet und mit geradezu missionarischem Eifer als letztes Mittel zur Rettung der deutschen Universität hingestellt“ werden. Ein Exempel dafür statuieren Schuler und Hell (2008, S. 11), die von den neuen Auswahlmöglichkeiten positive Effekte auf „das Leistungsverhalten, die Zufriedenheit und damit das Wohlbefinden der Studierenden“ erwarten, wodurch insgesamt auch die Kosten für die Studienplätze gesenkt, die Arbeitsmarktchancen der Absolventen gesteigert, die Hochschulen konkurrenzfähiger gestaltet sowie „bei strengen Zulassungsmodalitäten [. . .] auch deren Reputation gesteigert werden“ (ebd.) könnten. Darüber hinaus prognostizieren Schuler und Hell eine bessere Ausschöpfung der „geistige[n] Potenziale“ (ebd.) sowie einen effizienteren wirtschaftlichen Nutzen, da geringere BAföG-Leistungen erforderlich seien und sogar die Lebensarbeitszeit verlängert werde. Die Steuerung des Hochschulzugangs durch die Hochschulen selbst ist, wie Wolter (2008, S. 32) feststellt, „ihrer Tendenz nach nicht auf Expansion, sondern auf Begrenzung“ ausgelegt. Daher bezweifelt er, dass mit diesem Verständnis der Auswahlverfahren das Ziel einer Erhöhung der Studierendenquote erreicht werden könnte. Ferner weisen Heine et al. (2006, S. 9) darauf hin, dass hochschuleigene Auswahlverfahren „nicht als ‚Einbahnstraße‘ verstanden werden [dürften], mittels derer sich Hochschulen aus dem Potenzial der Studienbewerber in hoch selektiver Weise ‚bedienen‘.“ Stattdessen kommt es darauf an, die allokative Bedeutung der Auswahlverfahren beim Hochschulzugang herauszustellen. Mit dieser Zielsetzung sind Ansätze verbunden, die den Hochschulzugang gemäß des Prinzips zur optimierten wechselseitigen Passung der Studienbewerber und der aufnehmenden Hochschule gestalten wollen (z. B. das „Passfähigkeitkonzept“ von Lewin/Lischka 2004). Problematisch an diesen Ansätzen bleibt aber, dass sie im Wesentlichen von dem Fall ausgehen, in dem sich Angebot und Nachfrage einigermaßen die Waage halten; nur dann ist eine Balance der Interessen von Studienbewerbern (die Hochschulzulassung) und -anbietern (die Studierendenauswahl) gegeben. Bei starker Nachfrage nach bestimmten Studienplätzen können selbst solche Passfähigkeitsverfahren kaum eine allokative Wirkung entfalten. Denn welches Interesse sollte eine Hochschule entwickeln, um gezielt neue Studierendengruppen zu werben, wenn sie
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bereits dem sowieso bestehenden Andrang nicht gewachsen ist? Durch den Bologna-Prozess ergeben sich gleich drei Übergänge, die einer hochschulrechtlichen Zugangsregelung bedürfen, nämlich der Zugang zum Bachelor (der eigentliche Hochschulzugang), der Zugang zum weiterführenden Master und der Promotionszugang. Alle drei gestalten sich sehr unterschiedlich: In Abschnitt 3.2.2, Punkt XI wurde darauf hingewiesen, dass der Zugang zur Promotion derzeit fast ausschließlich durch die Universitäten (und gleichgestellten Hochschulen mit Promotionsrecht) kontrolliert wird. Der durch den Bologna-Prozess initiierte KMK-Beschluss, alle Master-Abschlüsse als formale Zugangsbedingung zur Promotion unabhängig vom Hochschultyp zuzulassen, soll eine Öffnung der dritten Studienphase für Fachhochschulabsolventen bewirken. Solange diese zusätzliche Nachweise ihrer Eignung/Befähigung zu erbringen haben, kann von einer gleichberechtigten Öffnung jedoch nicht die Rede sein. Im Gegensatz zum Promotionszugang wird der Hochschulzugang zur Bachelorphase nach wie vor staatlich reguliert. Zwar sind die Auswahlrechte der Hochschulen gestärkt worden, aber die einzelnen Quoten für die Studienplatzvergabe werden von den Gesetzgebern festgelegt. Bislang wird also das Recht auf Zulassung zu einem selbstgewählten Studienplatz gewährt. Zu erkennen bleibt dies an der Existenz einer Quote für die Zulassung nach Wartezeit – auch wenn diese Quote gegenüber den Hochschulauswahlrechten und dem Numerus Clausus in den aktuellen Gesetzen enorm an Bedeutung verloren hat. Der Zugang zum Master steht in Bezug auf die staatliche Einflussnahme zwischen Bachelor- und Promotionszugang. Im Unterschied zum Bachelorzugang nimmt der Staat auf den Masterzugang kaum Einfluss. In den meisten Hochschulgesetzen der Länder findet sich nur die Regelung, dass der erste Hochschulabschluss für den Masterzugang vorausgesetzt wird und die Hochschulen darüber hinaus weitere Zugangsvoraussetzungen definieren sollen oder können. Diese werden dann als notwendig erachtet, wenn wahlweise eine besondere studiengangspezifische Eignung des Studierenden nachgewiesen werden soll (subjektive Anforderung) oder wenn fachliche Voraussetzungen für einen Masterstudiengang als unabdingbar angesehen werden (objektive Anforderung). Während beim Zugang in den Bachelorzyklus das Recht des Einzelnen auf Zulassung zum Studium zumindest derzeit noch besteht, ist an der neuen Schwelle zum Masterzyklus längst im Wesentlichen gegen die Studierenden entschieden worden. Um es eindeutig zu
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formulieren: Ein Recht auf Zulassung findet sich am Zugang zum Masterstudium nicht mehr. Dies hängt mit der Definition des Bachelors als erstem berufsqualifizierenden Studienabschluss zusammen. Insofern bestätigt sich hier die Auffassung, dass das Recht auf freie Wahl des Berufs gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.05.1972 (vgl. Abschnitt 4.3.2) nur bis zum ersten Hochschulabschluss gelten soll. Ausnahmen müssten sich demgemäß allerdings bei den Studiengängen finden, bei denen zusätzlich zum Bachelor ein weiterführender Master als notwendige Voraussetzung für das Ergreifen eines bestimmten Berufs festgeschrieben ist (z. B. Juristin oder Lehrerin). Insgesamt bedeutet der staatliche Verzicht auf die Verantwortung für die Gestaltung des Masterzugangs, dass dieser nun ausschlaggebend den Regeln der Hochschulen unterworfen wird. Zu bilanzieren ist, dass diese Auslegung des Hochschulrechts beim Zugang zum Master und zur Promotion dem Ziel entgegenläuft, insgesamt eine höhere Bildungsbeteiligung zu erreichen, denn die Grenzen werden nur verschoben: Die Bemühungen um eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung im Bachelorzyklus werden auf Kosten einer Verengung des Zugangs zu den weiterführenden Masterstudiengängen durchgeführt. Zwar sollte auf diese Weise eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung beim ersten Hochschulabschluss erreichbar und nachweisbar sein; dabei gerät aber aus dem Blick, ob die Quote der Bildungsabschlüsse auf Master-Niveau zumindest gehalten wird, die in den traditionellen Studiengängen mit einem Magister oder Diplom bislang erreicht wurde. Zugangsbeschränkungen zum Master-Studium und zur Promotion stehen einer tatsächlichen Erhöhung des ‚Gesamt(human)kapitals‘ entgegen (vgl. Lenhardt 2004). In diesem Sinne stellen Bloch et al. (2006, S. 100) fest, dass die restriktive Beschränkung der Masterstufe „zu einer faktischen Einschränkung der Möglichkeiten der Partizipation an Hochschulbildung führen“ kann und somit der Zielsetzung einer fortgesetzten Expansion der Hochschulbildung zuwider läuft. 5.3.3
Auf das Vorzeichen kommt es an.
In Abschnitt 5.3 wurde erörtert, wie sich der Hochschulzugang gegenwärtig hinsichtlich Berechtigung und Zulassung verändert. Dabei wurde zunächst das Phänomen der Entkopplung von Abschlusszertifikaten von den zugehörigen Schulformen diskutiert. Es deutet sich an, dass zukünftig immer mehr Schüler – nicht nur auf dem Gymnasium und der Fachoberschule, sondern an einer Vielzahl unterschiedlicher Bildungseinrichtungen der Sekundarstufe II – eine Studienberechtigung erwerben können und dies auch tun werden.
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Das Konsortium Bildungsberichterstattung (2006, S. 194) weist darauf hin, dass durch die Entkopplung der Bildungsverlauf „variantenreicher und flexibler“ werde, wodurch nicht nur ein „Ausgleich von Bildungsdefiziten oder die Korrektur früherer Entscheidungen, sondern auch die schrittweise Entfaltung eigener Interessen und Leistungspotenziale“ (ebd.) ermöglicht werde. Auch Trautwein et al. (2007, S. 162) heben hervor, dass die Öffnung von Bildungswegen in Form der Entkopplung „wichtige Modernisierungschancen [biete], [. . .] von denen möglicherweise solche Schülergruppen besonders stark profitieren, die keine typische Gymnasialklientel darstellen.“ Eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung – gemessen an formalen Schulabschlüssen – wäre damit absehbar. Allerdings ist ebenfalls festgestellt worden, dass die mit dem schulischen Abschluss erworbene Studienberechtigung relativ weniger dafür genutzt wird, auch tatsächlich ein Studium zu beginnen. Anschließend wurde als derzeit wichtigste Veränderung auf hochschulischer Seite das neue Zulassungsrecht problematisiert. Dies beinhaltet einerseits eine Bevorzugung der leistungsstarken Abiturienten, da diesen die besten Chancen auf einen Studienplatz gemäß der eigenen Wünsche eingeräumt wird. Andererseits sind die hochschulischen Auswahlrechte gestärkt worden, was u. a. zu einer Ausweitung lokaler Zulassungsbeschränkungen geführt hat. Während beim Zugang zur Bachelorphase im Wesentlichen noch das Recht auf ein Studium im Sinne der freien Berufswahl gilt, soll sich der Zugang zum Masterzyklus in einer Art Markt zukünftig selbst regeln. Entscheidend ist dabei die Entwicklung des Angebots von und der Nachfrage nach Studienplätzen. Angesichts der einleitend skizzierten Entwicklungen der Absolventenzahlen und der Studiennachfrage bis zum Jahr 2020 ist für die nächste Zeit eine deutliche Schließung des Hochschulzugangs durch die Hochschulen zu erwarten, da die Zahl der Studienberechtigten wesentlich stärker steigt als die voraussichtliche Anzahl der verfügbaren Studienplätze. Um die Lehr-/Lernbedingungen durch überfüllte Hörsäle etc. nicht weiter zu verschlechtern, werden sich die Hochschulen der tatsächlichen Nachfrage entziehen (müssen). Im Sinne einer Status-Quo-Prognose ist zu vermuten, dass in dieser Situation vorrangig die Studienberechtigten aus bildungsfernen Schichten und Frauen ihre Studienoption unterdurchschnittlich oft einlösen werden. Sobald die absolute Studiennachfrage sinkt, ist eine Umkehrung dieses Trends zu erwarten, indem die allokative Funktion des Hochschulzugangs in den Vordergrund rückt. Die fortgesetzte Entkopplung von Abschlüssen und Berechtigungen könnte dann zu einer neuen Öffnung des Hochschulzugangs führen und die Auswahlrechte der Hochschulen könnten zur gezielten Wer-
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bung von Studierenden für bestimmte Studiengänge genutzt werden. Werden beide Entwicklungen (Entkopplung von Schulform und Art der Studienberechtigung sowie Ausbau hochschuleigener Auswahlverfahren) miteinander kombiniert, scheint eine markante Erhöhung der Bildungsbeteiligung auch im tertiären Sektor realisierbar. Fasst man diese Überlegungen zusammen, ist in Bezug auf die Prognosen der KMK zu konstatieren, dass mindestens bis zum Jahr 2017 beim Hochschulzugang die auf Begrenzung zielende Selektion im Vordergrund steht. Für die Folgezeit ist damit zu rechnen, dass der Hochschulzugang wieder geöffnet wird und verstärkt Möglichkeiten der Allokation (über die nicht-gymnasialen Bildungswege) ausgebaut werden. Mit anderen Worten: Je nach dem Vorzeichen, unter dem der Hochschulzugang steht – Selektion oder Allokation –, verändert sich sowohl die Bedeutung und Reichweite des Entkopplungsphänomens als auch des Hochschulzulassungsrechts. In den Zeiten, in denen das reale Angebot an Studienplätzen nicht genügt, um die Nachfrage zu decken, reicht das Abitur als einziges Hochschulzugangskriterium nicht aus und zusätzliche Selektionsinstrumente müssen eingesetzt werden. In anderen Zeiten, in denen ein Mangel an Studierenden konstatiert wird, erscheint das Abitur wiederum nicht angemessen, um mehr Studienberechtigte für ein Hochschulstudium zu gewinnen, da der Besitz des Zertifikats allein offensichtlich nicht genügt, um die Studierneigung wirklich zu erhöhen. Ist folglich das Abitur als zentrale Berechtigung für den Hochschulzugang verzichtbar geworden? Die Diskussion hat zum Ergebnis, dass diese Frage nur noch aufgrund eines Punktes zu verneinen ist: Das Abitur bleibt solange relevant, wie mit der schulisch erworbenen Studienberechtigung noch der Rechtsanspruch verbunden ist, ein Studium eigener Wahl aufnehmen zu können. 5.4
Gesamtbild des gegenwärtigen Hochschulzugangs
In Kapitel 5 wurden die wichtigsten schulischen und hochschulischen Reformen einander gegenübergestellt, die den Hochschulzugang gegenwärtig verändern. Dabei hat sich gezeigt, dass diese Reformen im Wesentlichen unabhängig voneinander stattfinden; das heißt, sie überschreiten nicht die Grenze zwischen der sekundären und der tertiären Bildungsstufe. Dieses Kapitel abschließend, werden die einzelnen Veränderungen wie Teile eines Puzzles zusammengefügt, um ein Gesamtbild der aktuellen Gestaltung des Hochschulzugangs zu erhalten.
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Angesichts der Erfahrungen aus der Geschichte des Hochschulzugangs wurde zu Beginn dieses Kapitels (vgl. S. 192) auf drei alternative Entwicklungsszenarien hingewiesen, nämlich - die Übernahme notwendiger Neuerungen angesichts veränderter Rahmenbedingungen, - die Abwehr bzw. das Unterlaufen von Modernisierungsprozessen oder - die Wiederherstellung alter Strukturen innerhalb der neuen Rahmenbedingungen. Im Folgenden wird bilanziert, dass sich der Hochschulzugang von hochschulischer Seite aus in diesem Sinne als ein Szenario darstellt, das von der Übernahme notwendiger Neuerungen geprägt ist. Dementgegen zielen die Reformen, die auf der schulischen Seite relevant für den Hochschulzugang sind, in erster Linie auf eine Restauration längst vergangen geglaubter Strukturen. Blickt man zunächst auf die Hochschulen, wird deutlich, dass durch den Bologna-Prozess der tertiäre Sektor insgesamt in Bewegung gekommen ist: Im Zuge der Europäisierung, Internationalisierung und Globalisierung (vgl. Teichler 2003, S. 20) werden an den Hochschulen als notwendig erachtete Reformen durchgeführt, die einerseits die Hochschulen dazu befähigen sollen in der Wettbewerbssituation zu bestehen, und die andererseits auf eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung in Deutschland zielen. Drei Entwicklungen wirken sich dabei besonders auf den Hochschulzugang aus, nämlich die Profilbildung der Hochschulen, der Beginn einer Modernisierung der Studiengänge und die Einführung des neuen Hochschulzulassungsrechts. Alle drei Veränderungen sind in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess zu sehen: Erstens ist die Profilbildung der Hochschulen nicht nur Element zur Etablierung von Wettbewerbsstrukturen, sondern auch eine Konsequenz des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums. Besonders offensichtlich ist dies bei der Frage nach dem Verhältnis von Fachhochschulen und Universitäten, das zukünftig stärker von der einzelnen Hochschule und weniger vom Hochschultyp abhängig sein wird. Die Ansätze zur Modernisierung der Studiengänge gehen zweitens insbesondere auf die Einführung der Bachelor- und Masterabschlüsse in Verbindung mit der Modularisierung und Stufung der Anforderungen zurück, die einen Kernbereich des Bologna-Prozesses darstellen. Drittens muss aber auch das neue Hochschulzulassungsrecht – obwohl es nicht direkt in den Bologna-Zielen verankert ist – als Konsequenz der europäischen Hochschulreform gesehen
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werden: Das traditionelle deutsche Berechtigungssystem ist nicht für größere Ströme ausländischer und nicht-traditioneller Studierender ausgelegt. Wenn beide Bewerbergruppen, die in der Regel kein (deutsches) Abitur erworben haben, zukünftig wachsen, muss der Hochschulzugang zunehmend über hochschulische Auswahlverfahren gesteuert werden. Dieses Prinzip der Regelung durch die aufnehmende (und nicht die abgebende) Bildungseinrichtung ist ein zentrales Element des Bologna-Prozesses, verankert u. a. in der Aktionslinie zur Anerkennung und Anrechnung. Die Veränderungen am Gymnasium bedeuten hingegen eine Rückkehr zu alten Strukturen und Werten. Diese Interpretation trifft sowohl auf die gymnasiale Schulzeitverkürzung und auf die gegenwärtigen Oberstufenreformen als auch auf das Projekt „Abitur-Bildungsstandards“ zu. Denn erstens wird durch G8 die Durchlässigkeit zwischen den Schultypen abgebaut, der Leistungsdruck verdichtet und es werden institutionelle Fördermöglichkeiten gestrichen. Während an den Hochschulen sowohl eine Vereinheitlichung der Studienzeiten als auch der Abschlüsse durchgesetzt wurde, die auf eine Gleichstellung der forschungs- und anwendungsorientierten Studiengänge zielt, hat die gymnasiale Schulzeitverkürzung nicht zu einer Aufwertung beruflich-orientierter Bildungswege im sekundären Bildungssektor geführt, weil die schulischen Abschlüsse nach wie vor hierarchisch geordnet sind. Das heißt, das allgemeinbildende Abitur wird im Vergleich zum Fachabitur weiterhin als höherwertig erachtet und verleiht ein Mehr an Berechtigung, obwohl beide Abschlüsse nach zwölf Schuljahren erworben werden. In Bezug auf die Inhalte und Ziele werden zweitens den Gymnasialen Oberstufen in vielen Bundesländern derzeit zusätzliche Maßnahmen verordnet, die eher an die Gymnasialstrukturen der 1950er Jahre erinnern: Die deutliche Verringerung von individuellen Wahlmöglichkeiten durch den Ersatz des Leistungsund Grundkurssystems zugunsten einer Stärkung der Kernfächer, die beispielsweise in Bayern die alten Gymnasialtypen nachzubilden scheint, kann weder als adäquate Antwort auf die Herausforderung einer größer und heterogener werdenden Schülerschaft noch auf die der Anpassung des Curriculums im Zuge des Wissenswandels verstanden werden. Drittens werden die Bemühungen der KMK um eine Standardisierung der Abiturprüfungen mit dem Ziel von mehr Gerechtigkeit durch eine bessere Vergleichbarkeit der schulischen Leistungen begründet. Im Fokus der KMK stehen primär die Schülerleistungen, während die institutionellen Faktoren – Defizite wie Fördermöglichkeiten – ausgeblendet werden. Daher sucht man vergeblich nach solchen Maßnahmen, die über das Feststellen von Leistungsunterschieden hinausgehen.
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Die sukzessive Entkopplung des Abiturs von der traditionell zugehörigen Schulform gehört nicht zu den Entwicklungen, die zu einer Wiederherstellung des Gymnasiums als ständische Eliteschule zu zählen sind. Dieses Phänomen unterscheidet sich essentiell von den anderen schulischen Veränderungen, da die Entkopplung letztlich unabhängig vom Gymnasium stattfindet. Weil die für den Hochschulzugang in Deutschland zentrale schulische Studienberechtigung zunehmend auf Bildungswegen jenseits des Gymnasiums erworben werden kann und wird, ist die Entkopplung als relevantes Phänomen zu werten, mit dem die frühe Aufteilung der Schüler auf die weiterführenden Schulformen korrigiert werden kann (vgl. auch Neumann/ Trautwein 2008, S. 117). Klemm (2004, S. 209) bemerkt, dass die „Verbreiterung des Sockels derer, die eine Studienberechtigung erwerben, [. . .] einer Zurücknahme früher Selektivität gleich“ käme. Unklar bleibt jedoch, ob die durch die Entkopplung erreichte Vergrößerung der Gruppe der Studienberechtigten auch zu einer Erhöhung der Studienanfänger und späteren Absolventen führt. Zwar konstatiert Fend (2006, S. 288) optimistisch, wenn „es geregelte Übergangsmöglichkeiten gibt, dann werden diese auch ergriffen“; aber die sinkenden Übergangsquoten belegen, dass die Entscheidung für ein Studium gerade denjenigen schwer fällt, die ihre Studienberechtigung nicht auf dem Königsweg erworben haben. Und solange die Nachfrage nach Studienplätzen wesentlich höher als das Angebot ist, wird von den Hochschulen im großen Umfang keine besondere Übergangshilfe als Allokationsangebot für diese Klientel zu erwarten sein. Für die schulische Seite des Hochschulzugangs ist daher zu bilanzieren, dass am Gymnasium als wichtigstem ‚Zubringer‘ trotz der Prognose eines weiteren relativen Wachstums keine Maßnahmen ergriffen werden, um der größer und heterogener werdenden Schülerschaft (beispielsweise durch die Aufnahme neuer Fächer) besser gerecht zu werden. Im Gegenteil handelt es sich bei den gegenwärtigen Reformen um strukturkonservative Antworten (vgl. Kiper 2005, S. 302): Das Gymnasium wird gegenüber den übrigen Bildungsgängen abgeschottet und die Gymnasiale Oberstufe sowie die Abiturprüfungen werden fachlich und in Bezug auf die individuellen Wahlmöglichkeiten verengt. Die Entwicklungen an den Hochschulen und den Gymnasialen Oberstufen bzw. dem Gymnasium sind an der Schnittstelle des Hochschulzugangs insgesamt als gegenläufig zu charakterisieren: Während sich die Hochschulen für den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum öffnen und entsprechende Strukturveränderungen sowie eine Modernisierung der Curricula durchfüh-
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ren, wird dem Gymnasium in den einzelnen Bundesländern (graduell unterschiedlich stark) ein curriculares und organisatorisches Korsett angelegt. Damit werden die Möglichkeiten für eine innere Schulreform begrenzt, die aber als Voraussetzung dafür zu sehen ist, dass das Gymnasium „seinen eigenen Weg in die Moderne“ (vgl. Tenorth 2006, S. 204) gehen kann. Ferner fällt auf, dass die gymnasiale Schulform bei den Ansätzen einer äußeren Schul(struktur)reform (z. B. in den Bundesländern, in denen ein zweigliedriges Schulsystem eingeführt wird) allerorts ausgenommen wird. Dies zeigt deutlich, dass das Gymnasium in seiner besonderen Form konserviert werden soll. Auch wenn die Entwicklungen an den Hochschulen diese alles in allem auf einem guten Weg zum Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum erscheinen lassen, führt die Kombination mit den schulischen Entwicklungen zu erheblichen Problemen, da die gewollte Differenzierung und Flexibilisierung der Bildungswege in eine Hierarchisierung des Hochschulzugangs umschlägt. In der Konkurrenz um Studienplätze werden insbesondere diejenigen vom Studium abgehalten oder auf weniger nachgefragte Programme verdrängt, die den bedarfsgerechten und organisationskonformen Selektionsprozessen am wenigsten gewachsen sind (vgl. Herrlitz 1997, S. 185 f.). Dies wird im Folgenden erläutert: Auf der einen Seite ist eine Öffnung des Hochschulzugangs unterhalb des Königswegs zu verzeichnen, die gegenwärtig im Phänomen der Entkopplung der Abschlüsse von den spezifischen Schul- bzw. Hochschulformen zu erkennen ist. Auch die Bemühungen um eine bessere Anrechnung und Anerkennung von non-formalem und informellem Lernen im Rahmen des Bologna-Prozesses sind Bestandteile dieser Öffnung nach unten. Durch die Möglichkeiten des Hochschulzugangs über den zweiten Bildungsweg (hier speziell als Entkopplung von Abschluss und Schulform bzw. Hochschulart gemeint) und über den dritten Bildungsweg (also durch Anerkennung und Anrechnung von Prior Learning) wird gewährleistet, dass jederzeit und relativ kurzfristig auf entsprechende ‚Begabungsreserven‘ zurückgegriffen werden kann, wenn wirtschaftliche oder gesellschaftliche Bedarfe zu befriedigen sind. Anzumerken bleibt, dass auf diese Weise die Zugangschancen direkt abhängig von der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nachfrage nach Akademikern sind, während die Nachfrage der Studienberechtigten eine deutlich nachgeordnete Rolle spielt. Deren Bedarf wird zwar u. a. durch den Hochschulpakt 2020 berücksichtigt, allerdings bleiben die geplanten Maßnahmen weit hinter der prognostizierten Zahl der Studienbewerber in den nächsten Jahren zurück. Durch die Doppeljahrgänge wird somit die
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Situation entstehen, dass bezogen auf alle Studienberechtigten sprunghaft der Anteil derjenigen steigt, die vom Gymnasium kommend eher große Bildungsaspirationen besitzen, welche sich traditionell in der relativ hohen Übergangsquote der Gymnasiasten manifestiert. Deshalb war zu prognostizieren, dass die Übergangsquoten der anderen Gruppen stärker sinken werden. Fehlen am oberen Ende entsprechende Chancen, werden mehr Studienberechtigte in berufliche Bildungswege abgelenkt. Da der Besitz des Abiturs als Vorteil in der Konkurrenz um Ausbildungsplätze gilt, werden sodann die Mitbewerber ausgebootet, die (in Bezug auf die Durchschnittsnote) schlechtere und vor allem niedrigere Schulabschlüsse aufzuweisen haben. Das Defizit der Chancen wird auf diese Weise bis ganz nach unten weitergereicht, so dass die eigentlichen Verlierer in diesem Wettbewerb die schulisch und sozial benachteiligten Jugendlichen sind (vgl. Lischka/Wolter 2001, S. 61), die aufgrund schlechter, geringer oder fehlender schulischer Abschlüsse abgedrängt werden. So gilt nach wie vor das Resümee von Titze (1996, S. 404), dass beim „Wettlauf um knappe Chancen [. . .] die Nachkommen aus den privilegierten Schichten resistenter gegen die periodisch wechselnden Selektionsklimas [sind], die mit den zyklisch pulsierenden Wellen des Zustroms in die Hochschulen und den verschlechterten Aussichten in den akademischen Berufen verbunden sind.“ Ob sich die Studienberechtigten der Doppeljahrgänge davon trösten lassen, dass aufgrund der demographischen Entwicklungen die Chancen für den Hochschulzugang in der zweiten Hälfte des kommenden Jahrzehnts auch wieder steigen werden? Denn dann verspricht die Öffnung nach unten nicht nur bessere berufliche Karrierewege und persönliche Entfaltungsmöglichkeiten durch Teilhabe an Bildung, sondern auch die politisch explizit und allgemein gewünschte Erhöhung der Bildungsbeteiligung für einen dynamischen wissensbasierten Wirtschaftsraum (vgl. Wissenschaftsrat 2006, S. 63). Es bleibt festzuhalten, dass gegenwärtig wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedarfe sowie die Interessen der Hochschulen über die Interessen des Individuums gestellt werden. Damit hat sich die Prioritätensetzung weitgehend umgekehrt, mit der noch in den 1970er Jahren zugunsten der Studierendenrechte eine Überfüllung der Hochschulen in Kauf genommen wurde. Auf der anderen Seite ist von einer tendenziellen Verengung des Hochschulzugangs oberhalb des traditionellen Königswegs vom Gymnasium zur Universität auszugehen, die vielleicht am treffendsten mit der Etablierung eines neuen ‚Kaiserwegs‘ beschrieben werden kann, der vom G8-Gymnasium über ein rigides Auswahlverfahren in die Zwischenstufe Bachelor und
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von dort nach dem ersten überdurchschnittlichen Hochschulabschluss zu einem besonders profilierten Master an einer Elite-Universität führt. Schaut man auf die bereits jetzt schon bestehenden Unterschiede bei der sozialen Zusammensetzung der Studierenden an Fachhochschulen und Universitäten, ist zu erwarten, dass durch G8 wie auch beim Übergang vom Bachelor zum Master die Sozialprofile einzelner Schulen und Hochschulen zukünftig noch deutlicher eine schichtenspezifische Differenzierung aufweisen werden. Ebenso geht Hartmann (2006b, S. 38) davon aus, dass die besonders attraktiven Universitäten zukünftig „überwiegend den Kindern des Bürgertums vorbehalten sein [werden], während die Masse der Studierenden an die weitgehend auf Ausbildung reduzierten Massenhochschulen verdrängt“ werde (vgl. auch Leuze/Allmendinger 2008, S. 77). Institutioneller Wandel? In Kapitel 4 wurde gezeigt, dass der Hochschulzugang insgesamt als sehr stabile und dauerhafte Institution anzusehen ist. Auch die neueren Entwicklungen, die in diesem Kapitel betrachtet wurden, haben daran bislang noch nicht viel geändert. Denn gegenwärtig ist zu beobachten, dass dem Modernisierungsschub der europäischen Hochschulreform zeitgleich institutionelle Reparaturprozesse zuwiderlaufen. Mit anderen Worten: Den De-Institutionalisierungsimpulsen durch den Bologna-Prozess stehen Entwicklungen gegenüber, die die alten Strukturen re-institutionalisieren (vgl. den Überblick in Tabelle 5.4 auf S. 259). Zunächst bewirkt die durch den Bologna-Prozess initiierte Gleichstellung der neuen Abschlüsse an Fachhochschulen und Universitäten einen ‚Angriff‘ auf die kognitive Säule des Hochschulzugangs, die wesentlich durch die Überlegenheit des Gymnasiums und der Universität gegenüber den anderen Einrichtungen auf der jeweiligen Bildungsstufe konstruiert wurde. In der Folge fehlt eine wichtige Legitimation für die traditionelle Abgrenzung des Königswegs gegenüber den anderen Hochschulzugangswegen und auch die hochschulart-spezifischen Studienberechtigungen verlieren ihren Sinn. Dieser De-Institutionalisierung wirken jedoch sowohl G8 auf schulischer Seite als auch neue Möglichkeiten zur Profilbildung auf hochschulischer Seite entgegen: So bedeutet die gymnasiale Schulzeitverkürzung eine Übernahme der institutionalisierten Erwartung an die besondere Leistungsorientierung dieser Schulform, mit der die stärkere Abgrenzung gegenüber den anderen Bildungswegen gerechtfertigt wird. Auf hochschulischer Seite finden sich weitere Belege für ein Festhalten an den alten Strukturen, beispielsweise die reservierte Haltung der HRK (2007a) gegenüber der Anerkennung fachhochschulischer Master-Abschlüsse als Qualifikation
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Tabelle 5.4: De- und Re-Institutionalisierung des gegenwärtigen Hochschulzugangs Institut. Säule kognitiv
De-Institutionalisierung
Re-Institutionalisierung
Tendenzielle Auflösung der Hierarchie zwischen den Hochschultypen.
G8 sowie hochschulische Profilbildungen tragen zum Statuserhalt des Königswegs bei.
normativ Stärkere Stufung der Anforderungen auf hochschulischer Seite; (Wahrgenommener) Bedeutungsverlust der gymnasialen Bildung (und des Abiturs).
Disqualifizierung hochschulischer Reformversuche; Stärkung der ‚Kernfächer‘ sowie ‚Eichung‘ des Abiturs durch Standardisierung auf schulischer Seite.
regulativ
Bevorzugung der Abiturbesten bei der Hochschulzulassung; Numerus Clausus generell wichtigstes Auswahlinstrument: Nicht jedes, aber das gute Abitur gibt den Ausschlag.
Öffnung des Hochschulzugangs durch sukzessive Entkopplung von (Hoch-)Schulform und traditionell zugehörigen Abschlüssen; Dereguliertes Hochschulzulassungsrecht.
für den dritten Studienzyklus. Die klarere Stufung und Modularisierung der hochschulischen Curricula im Zuge der Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem sind als Impulse für eine De-Institutionalisierung der normativen Säule des Hochschulzugangs zu deuten, da die traditionelle Trennung zwischen schulischem und hochschulischem Lernen und Lehren ins Wanken gerät. Statt einer Zuweisung aller Defizite auf die vermeintlich mangelnde schulische Vorbildung sollen die Studierenden an den Hochschulen besser beraten und beim Übergang in den tertiären Bildungssektor begleitet werden. Als Aushöhlung der Ideale eines Studiums in „Einsamkeit und Freiheit“ sowie der „Einheit von Forschung und Lehre“ sind viele dieser didaktischen Reformversuche wiederum abgelehnt worden. Die pauschale Disqualifizierung der neuen Elemente als unzulässige ‚Verschulung‘ des Studiums oder als Gängelung von Stu-
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dierenden und Lehrenden wird als eine Form der Re-Institutionalisierung gedeutet. Auch die angesprochenen Oberstufenreformen (die Abschaffung des Grund- und Leistungskurssystems sowie die Erhöhung verpflichtender Bestandteile gemessen am gesamten Lernpensum) in vielen Bundesländern zielen auf die Wiederherstellung alter Strukturen. Ferner bezweckt die bundesweit beschlossene Einführung von Abitur-Bildungsstandards, den Bedeutungsverfall des Abiturs durch die Upgrading-Prozesse und durch die verlorene Wahrnehmung eines besonderen Bildungswerts zu stoppen. Die Standardisierung soll die Hochschulreifeprüfung ‚eichen‘, das heißt, Objektivität suggerieren und damit Akzeptanz garantieren, damit das Abitur trotzdem als zentrales Instrument für die Steuerung des Hochschulzugangs fungieren kann. Die Beschlüsse der KMK (2002b; 2008f) zur Anrechnung von hochschulfern erworbenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen auf ein Hochschulstudium ist ein harscher ‚Angriff‘ auf die regulative Säule des Hochschulzugangs, weil das Abitur als Studienberechtigung quasi verzichtbar wird. Diesen Vorstoß scheint allerdings kaum jemand wahrgenommen zu haben, denn die neuen Möglichkeiten zur Anerkennung von Prior Learning werden – wie die alten – wenig in Anspruch genommen. Daran lässt sich die Stabilität der beiden anderen institutionellen Säulen gut zeigen: Der Beschluss der KMK bleibt vornehmlich wirkungslos, weil und solange die Vorstellung des Hochschulzugangs ohne schulische Studienberechtigung kognitiv nicht oder nur selten präsent ist. Dieses Beispiel belegt die Tragfähigkeit der bestehenden Institution: Der traditionelle Hochschulzugang erhält sich durch die in ihm gelagerten Denkmuster und Vorstellungen, die mehrheitlich getragen werden. Bildlich formuliert müssen diese ‚Angriffe‘ also nicht abgewehrt werden, weil sie bislang weitgehend ins Leere liefen. An der regulativen Säule finden sich weitere Momente der De- und ReInstitutionalisierung: Die zunehmende Entkopplung von (Hoch-)Schulform und Abschluss ist eine sehr behutsame De-Institutionalisierung des Hochschulzugangs, weil der Königsweg zwar umgangen werden kann, ohne dabei aber seine Strukturen offensiv in Frage zu stellen. Dennoch beinhaltet dieser Prozess ein großes Veränderungspotential, da durch die Entkopplung frühere Selektionsentscheidungen besser korrigiert werden können. Der Re-Institutionalisierungseffekt ist hierbei in der Bevorzugung der leistungsstarken Abiturienten bei der Hochschulzulassung zu sehen; die im neuen Hochschulauswahlrecht verankerte Reservierung von einem Viertel der Studienplätze für die Abiturbesten ist insofern als Strategie zum Erhalt des Abiturs zu interpretieren. Auch die Deregulierung des Hochschulzulassungsrechts de-in-
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stitutionalisert im Prinzip die regulative Dimension des Hochschulzugangs, da die Hochschulen zum großen Teil ihre Studierenden aussuchen können. Weil nach wie vor die weitaus meisten Auswahlverfahren auf dem Numerus Clausus beruhen, wird die institutionelle Bedeutung der schulischen Studienberechtigungen jedoch gewahrt. Im Hochschulzugang bleiben auch nach diesen De- und Re-Institutionalisierungsbewegungen Probleme zurück, die zum Auslöser für weitergehende institutionelle Modifikationen werden können. Diese im Wesentlichen altbekannten Probleme an den drei institutionellen Säulen bekommen durch die verschiedenen, teilweise gegenläufigen Entwicklungen auf beiden Seiten des Hochschulzugangs neue Aktualität: - Kognitiv. Die Hierarchisierung zwischen allgemeinen und beruflich orientierten Bildungsgängen: Die nach wie vor stattfindende Abschottung der Bildungsbereiche steht den Aktionslinien der Anerkennung/ Anrechnung, der Konzeption von Qualifikationsrahmen sowie der Förderung von Mobilität, insgesamt also dem Ziel der Öffnung von einzelnen Bildungsbereichen und -systemen zueinander entgegen. - Normativ. Der seit langem kritisierte abrupte Wechsel der Lehr- und Lernkulturen beim Übergang von der zweiten zur dritten Bildungsstufe: Durch den im Hochschulzugang steckengebliebenen Reformprozess steht den Diversifizierungsprozessen an den Hochschulen eine Rekanonisierung des Oberstufencurriculums gegenüber. Dies behindert zusätzlich die Durchlässigkeit zu den anderen Bildungswegen. - Regulativ. Die Dysfunktionalität des Hochschulzugangs, sobald Studienangebot und Nachfrage nicht in einem ausgewogenen Verhältnis stehen: So genügt das Abitur als allgemeine Studienberechtigung nicht, um den Hochschulzugang bei hoher Nachfrage ausreichend zu regeln (selektive Funktion); bei zu wenig Nachfrage wiederum scheint der Besitz des Abiturs allein nicht dazu beizutragen, die Studierneigung zu erhöhen (allokative Funktion). Ein kurzes Resümee von Teil II: In Kapitel 4 ist zunächst die Verkettung der schulischen und hochschulischen Seite des Hochschulzugangs in Deutschland durch den Blick auf die geschichtliche Entwicklung des Königswegs nachgezeichnet worden. In Kapitel 5 wurde anschließend gefragt, inwiefern der Zugang zur hochschulischen Bildung durch den Bologna-Prozess verändert wird. Angesichts der Zweiteiligkeit des Hochschulzugangs
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sind dabei auch die Reformen berücksichtigt worden, die (unabhängig vom Bologna-Prozess) gegenwärtig die schulische Seite betreffen. Die Kombination der verschiedenen Entwicklungen hat gezeigt, dass von einer tiefgreifenden Modernisierung des Hochschulzugangs in Deutschland bislang kaum die Rede sein kann. Stattdessen belastet der Königsweg als institutioneller Kern des Hochschulzugangs weiterhin die Anschlussfähigkeit zwischen den abgebenden und den aufnehmenden Bildungseinrichtungen. Folglich fehlt ebenso eine wichtige Voraussetzung für das noch weitaus größere Ziel der europäischen Kompatibilität nicht nur zwischen Bildungssektoren, sondern auch zwischen verschiedenen Bildungssystemen. Deshalb ist die Feststellung nicht überraschend, dass grundlegende Anforderungen des BolognaProzesses in Deutschland verpasst werden – wie die Aktionslinie zur Anerkennung und Anrechnung (bedenkt man das Problem der fehlenden Gleichstellung allgemeiner und beruflich-orientierter Bildung) oder die Aktionslinie zur Sozialen Dimension (angesichts der Verstärkung der Selektionshürden). Was sind die Erträge dieser neo-institutionalistischen Betrachtungsweise? Durch die Analyse der Institution sind Eigentümlichkeiten, Funktionen, Prinzipien und Werte des Hochschulzugangs verständlicher geworden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, wo alte Probleme und neue Schwierigkeiten liegen, die bewirken, dass der Hochschulzugang auch zukünftig ein bildungspolitischer Brennpunkt bleibt. Hasse und Krücken (2005, S. 105) machen darauf aufmerksam, dass durch institutionelle Analysen letztlich „Wertfragen“ offengelegt werden, die „sich nicht mit wissenschaftlichen Methoden und Theorien beantworten“ lassen, sondern „gesellschaftliche Definitions- und Aushandlungsprozesse“ erfordern. In diesem Sinne stellen diese Analysen eine Grundlage für die gesellschaftliche Diskussion der Institution dar, die Hasse und Krücken (ebd.) als „die vielleicht wichtigste Implikation des Neo-Institutionalismus“ verstehen. Im folgenden Teil III dieser Studie geht es um diesen nächsten Schritt in die politische Bilungsreformdiskussion.
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III
Die Herausforderung
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Reform des Hochschulzugangs für einen Bildungsraum Europa
Im Wandel der Zeit muss immer wieder neu diskutiert und bestimmt werden, welche Aufgaben die Bildungsinstitutionen innerhalb der Gesellschaft übernehmen sollen und wie sie diese umsetzen können (vgl. Picht 1958, S. 834). Überformt wird die stete Aufgabe zur Bildungsreform von den Machtinteressen derjenigen Akteure, die vom Erhalt der bestehenden Institutionen profitieren. Von Friedeburg (1989, S. 476) resümiert in seiner Geschichte der Bildungsreform in Deutschland, dass stets „das Interesse an bestimmten Formen sozialer Ungleichheit [. . .] neue Gruppen in die Fußstapfen der alten treten [ließ], um das Bildungssystem zu bewahren.“ Natürlich verändern solche Analysen und Interpretationen keine bestehenden Herrschaftsverhältnisse, aber sie weisen auf Probleme hin, können verborgene Machtinteressen sichtbar machen und sie bilden den argumentativen Rahmen für zukünftige Reformen. Nachdem in den ersten beiden Teilen dieser Arbeit die bildungspolitischen Programme und institutionellen Strukturen an der Schnittstelle zwischen der tertiären und der sekundären Bildungsstufe untersucht wurden, geht es in Teil III nun darum, bildungspolitische Konsequenzen des Bologna-Programms im Zusammenhang mit den erörterten Problemen des Hochschulzugangs zu ziehen. Aus erziehungswissenschaftlicher Sicht sollen dazu Denkanstöße formuliert werden, um die Bildungsreformdiskussion fortzuführen und zu erweitern. Hentig (2003a, S. 78) weist darauf hin, dass für Veränderungsvorhaben im Bildungsbereich zunächst eine Haltung der Offenheit und Akzeptanz für andere und neue Möglichkeiten erreicht werden müsse, denn die „Benennung, die Einteilung, die Gegenstände zu verändern – das wäre nicht schwer, aber es wäre auch unwirksam, weil und solange die Menschen ihre Ansichten, Denkgewohnheiten und Bewertungen beibehalten.“ Dieses Ziel, so Hentig (ebd.) weiter, sei eher „durch Liberalität eher als durch Zwang“ zu erreichen. Zu betonen ist, dass es demgemäß erst einmal weniger auf die Wahrscheinlichkeit zur konkreten Verwirklichung dieser Reformvorschläge, sondern vielmehr darauf ankommt, neue Sichtweisen und Orientierungen für die Gegenwart
265 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
zu bieten; die Vorschläge können daher zunächst utopisch, idealisierend und teilweise auch vereinfachend sein. Diese Auffassung entspricht der neoinstitutionalistischen Annahme, dass das Neu- oder Anders-Denken einer Institution bereits das Potential für Veränderungen beinhaltet. Die Notwendigkeit einer Erhöhung der Bildungsbeteiligung gehört in Deutschland zum bildungspolitischen Konsens. Auch meine Überlegungen für eine Weiterführung des europäischen Bildungsreformprojekts orientieren sich daran. Mir geht es dabei um expansive Bildungspolitik im Sinne Blankertz’ (1982a, S. 321), die „daran interessiert [ist], durch eine Reform des Bildungswesens die Expansion pädagogisch vertretbar und gesellschaftsfunktional zu halten, um sie im Interesse aller bewusst fördern zu dürfen.“ Außerdem stimme ich dem Prozess der europäischen Integration prinzipiell zu. Dieser Prozess muss aber so gestaltet werden, dass er den europäischen Gesellschaften insgesamt zum Vorteil dient und nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus gelenkt wird. Aus diesem Anspruch der europäischen Idee ergeben sich Konsequenzen für das Bildungswesen. Wiederum mit Rückgriff auf von Hentig formuliert: „Dass Europa die Schule in Deutschland und anderswo verändern werde, daran scheint niemand zu zweifeln, und da man Europa begrüßt – ein guter Deutscher ist ein guter Europäer –, kann man nicht gleichzeitig die Folgen seiner Entstehung für das Bildungswesen beklagen und abwehren“ (Hentig 2003a, S. 74).
Das Bildungswesen ist für Europa zentral angesichts der Bedeutung, die der Produktion von und dem Umgang mit Wissen als wirtschaftliche, gesellschaftliche und persönliche Ressource zugeschrieben wird. Die Etablierung des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums muss daher als Konsequenz des europäischen Integrationsprozesses gesehen werden. Weil Bildung im Sinne der Lifelong Education alle Lebensalter betrifft, reicht der Europäische Hochschul raum des Bologna-Prozesses allein dafür nicht aus; er ist nur ein Teil des Bildungsraums, der zukünftig alle Bildungsstufen (von der Kindertagesstätte bis zur Weiterbildung) umfassen müsste (vgl. Abschnitt 2.3.2). Das Bologna-Projekt ist dafür der erste, vielleicht aber auch der wichtigste Schritt, weil durch die Veränderung der höchsten Stufe des Bildungswesens der Auftrag für weitere Reformen auf den unteren Stufen bereits vorgezeichnet wird. Im Folgenden wird in Abschnitt 6.1 dargelegt, warum in den kommenden Jahren die Gelegenheit für zukünftige Veränderungen des Hochschulzugangs sehr günstig ist. Warum und wie im Sinne der europäischen Idee die schulische Seite des Hochschulzugangs – die Qualifikationsphase, die zum
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Erwerb einer Studienberechtigung führt – auf der internationalen Politikebene in das Bologna-Projekt aufgenommen werden könnte, wird darauf aufbauend in Abschnitt 6.2 skizziert. Anschließend wird in Abschnitt 6.3 angesichts der in Teil II ausgemachten Probleme des Hochschulzugangs das Modell für eine erweiterte Fachoberstufe zur Diskussion gestellt, welches auf der intranationalen Ebene die Adaption der Bologna-Ziele in der Sekundarstufe II innerhalb des deutschen Bildungssystems konkretisiert. 6.1
Agenda-Setting für eine Fortsetzung der Bildungsreform
Neo-institutionalistisch betrachtet ist generell das Festhalten an der Institution die Regel und eine Veränderung die Ausnahme. Daher lassen sich Institutionen nur schwer verändern, selbst dann, so Scharpf (2000, S. 82), „wenn die Umstände, die ursprünglich für ihre Schaffung verantwortlich waren und die sie ursprünglich auch gerechtfertigt haben mögen, gar nicht mehr existieren.“ Aufgrund der drei (sich gegenseitig stützenden) institutionellen Säulen des Hochschulzugangs hat der Königsweg bis heute nur wenig von seiner zentralen Bedeutung für das deutsche Bildungswesen eingebüßt, obwohl sich in der Tat die gegenwärtigen Bedingungen gravierend von denen unterscheiden, die vor rund 200 Jahren zu den Preußischen Maturitätsverordnungen geführt haben. Auch durch den Bologna-Prozess hat sich der deutsche Hochschulzugang im letzten Jahrzehnt nur wenig verändert, da die de-institutionalisierenden Entwicklungen durch re-institutionalisierende Gegenbewegungen aufgefangen werden. Eine Reform des Hochschulzugangs, der so tief und fest in gesellschaftlichen Selbstverständlichkeiten über das Bildungswesen repräsentiert ist, erfordert daher offensichtlich besondere Bedingungen. In den nächsten Jahren ergeben sich für eine solche Bildungsreform sehr gute Chancen, da erstens ein Paradigmenwechsel begonnen hat, zweitens ein Politikfenster geöffnet wird und drittens der Bologna-Prozess in eine nächste Runde gehen dürfte: Erstens findet – beflügelt von der Wirkmächtigkeit des Bologna-Prozesses – gegenwärtig ein Paradigmenwechsel statt, der zur Verbreitung von neuen Werten, Erwartungen und Strategien beiträgt. Kingdon beschreibt dieses Phänomen anschaulich so: „Success in one area increases the probability of success in adjacent areas. Events spill over into adjacent areas because politicians find there is a reward for riding the same horse that brought benefit before, because the winning coalition can be transferred to new issues, and because one can argue from precedent.“ (Kingdon 2003, S. 195)
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Auch wenn Kingdon das Vorgehen der Politiker persifliert, deutet er doch auf den wichtigen Punkt hin, dass die Übertragung von Themen und Strategien auf benachbarte Bereiche vor allem ihrem Erfolg geschuldet ist. Wiederholt sich die Übertragung an weiteren Stellen, breitet sich das neue Paradigma aus. Wie in Teil I (Abschnitte 2.4.2 und 3.3) dieser Studie ausgeführt, kann der Bologna-Prozess als Ausdruck neuer Denk- und Argumentationsmuster gelesen werden, die durch die Paradigmen der Wissensgesellschaft und der Output-Orientierung geprägt sind: Die Wissensgesellschaft zielt auf einen Paradigmawechsel, weil statt der Annahme eines begrenzten gesellschaftlichen Bedarfs an Akademikern (der sich in den zyklisch aufgebauten Szenarien von hochschulischer Überfüllung und Mangel gespiegelt hat) die Vorstellung leitend ist, dass nun eine fortwährende Erhöhung der Bildungsbeteiligung anzustreben sei. Die Output-Orientierung als ‚Universal-Methode‘ zum Erreichen beliebiger Ziele stellt einen Denkwechsel von der inputorientierten Steuerung dar, die bis zum ‚PISA-Schock‘ in Deutschland vorherrschend war. Sie verspricht darüber hinaus sowohl neue Möglichkeiten für die Verteilung von Chancen durch die Anerkennung vielfältiger Wege als auch Effizienzsteigerungen im Bildungswesen durch die Etablierung von wettbewerblichen Strukturen. Im Kontext des Hochschulzugangs wird durch den Paradigmenwechsel traditionellen Denkmustern die alte Legitimation entzogen. Mit anderen Worten, bestimmte Grundfesten der Institution geraten durch die ‚neuen Wahrheiten‘ ins Wanken: Die im Paradigma der Wissensgesellschaft enthaltene Idee einer fortwährenden Erhöhung der Bildungsbeteiligung impliziert z. B. einen Abschied von der Annahme, dass nur ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung für die Teilnahme an höherer Bildung überhaupt entsprechend ‚begabt‘ sei. An die Stelle des statischen Begabungsbegriffs muss die dynamische Vorstellung treten, dass alle zur Teilhabe an Bildung durch Bildung befähigt werden können. Insofern wird es zur Aufgabe der Bildungsanbieter, mit dem Aufbau eines vielseitigen und anregenden Angebots besser die Bedürfnisse und Interessen ihrer Lerner zu berücksichtigen, die zunehmend heterogener werden. Es geht demgemäß um die Akzeptanz und Förderung von Vielfalt. Dazu wiederum liefert das Output-Paradigma einen wichtigen Baustein, wenn die Kriterien für die Zu- und Übergänge im Bildungssystem offen gelegt und in der Folge die verschiedenen Hochschulzugangswege besser genutzt werden können. Die Idee der Output-Orientierung relativiert ferner Vorstellungen vom Gymnasium als generell bester Schulform, denn durch das Definieren und Messen von tatsächlich erreichten Ergebnissen wird der Wettbewerb zwischen verschiedenen Bildungsgängen
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transparenter und dann vielleicht auch fairer. Deshalb bedeutet die OutputOrientierung auch eine neue Chance für den Ausbau alternativer Wege zu den Hochschulen. Vor allem jedoch ist wichtig, dass während eines Paradigmawechsels mehr Aufmerksamkeit für neu als erforderlich wahrgenommene Veränderungensvorhaben besteht. Der zweite Grund für die besondere Aktualität der Bildungsreform ist die gymnasiale Schulzeitverkürzung: Durch G8 im Zusammenhang mit der Entwicklung der Schülerpopulation steigert sich in den kommenden Jahren beim Hochschulzugang der Reformdruck. Bemerkenswert daran ist, dass dieser Druck gerade durch eine Maßnahme bewirkt wird, die mit der kognitiven Säule des traditionellen Hochschulzugangs konform geht, da G8 im Grunde auf den Statuserhalt der gymnasialen Schulform gerichtet ist. In der Übergangsphase jedoch, in der die Doppeljahrgänge ihr Abitur ablegen, öffnet sich ein Politikfenster (vgl. Kingdon 2003, S. 174), in dem der Veränderung des Hochschulzugangs besonderes Augenmerk und Dringlichkeit zukommt: Durch den sprunghaften Anstieg der Studienberechtigtenquote verringern sich ad hoc die Bildungs- und Ausbildungschancen für ganze Jahrgänge von Schulabgängern, weil sich das Chancendefizit bis nach unten auswirkt, das durch das Fehlen von Studienplätzen angesichts der erhöhten Nachfrage entsteht. Dies ist im Sinne Kingdons (2003, S. 174) als drängendes Problem zu werten, das gesellschaftliche Aufmerksamkeit und politisches Handeln gleichsam erzwingt. In Verbindung mit der Stärkung hochschulischer Auswahlrechte (mit denen sich die Hochschulen der tatsächlichen Nachfrage weitgehend entziehen können) ist zu erwarten, dass sich in den kommenden Jahren vor den Toren der Hochschulen massenhaft Studienbewerber ‚stauen‘ werden, die auch nicht in größerem Umfang vom beruflichen Bildungssektor aufgenommen werden können. Das dritte Argument für das Bevorstehen einer weitergehenden Reform des Hochschulzugangs ergibt sich aus der Bologna-Inventur (vgl. Abschnitt 3.2): Es wurde deutlich, dass verschiedene Bologna-Policies (noch) nicht zu den intendierten Resultaten geführt haben. Die nun prioritär anstehende Evaluationsphase wird diese ersten Befunde vertiefen. Es ist davon auszugehen, dass in einem nächsten Policy-Zyklus daher die Probleme in den Blick kommen, die bislang als ungenügend bearbeitet wahrgenommen werden. Im Londoner Kommuniqué (2007, S. 8) haben die europäischen Bildungsminister diese Aufgabe bereits angesprochen, indem sie eine Zusammenarbeit auch nach 2010 für notwendig halten und sich verpflichten, dieses Jahr „als Gelegenheit zu begreifen, [die] Hochschulsysteme neu auf einen Kurs einzustellen, der über die unmittelbaren Belange hinausführt und die Hochschu-
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len in die Lage versetzt, sich den Herausforderungen zu stellen, die unsere Zukunft bestimmen.“ Geht man davon aus, dass Politik auf das Bearbeiten von Problemen gerichtet ist, dann heißt das Fazit über das Gelingen bzw. die ernüchternden Entwicklungen der einzelnen Bologna-Policies in Abschnitt 3.2.3, dass eine Terminierung des Problemverarbeitungsprozesses im Jahr 2010 in der Tat zu früh käme, denn bei den meisten grundlegenden Zielen von Bologna ist noch offen, ob sie überhaupt erreicht werden – wie bei der Förderung von Mobilität und Employability, der besseren Anerkennung und Anrechnung von Lernleistungen, bei den Bemühungen für das Lebenslange Lernen, der Herstellung von Vergleichbarkeit und der Qualitätssicherung von Lernangeboten, bei der Steigerung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums sowie nicht zuletzt hinsichtlich der Sozialen Dimension. Auch im Kommuniqué von Leuven/Louvain-la-Neuve (2009) bekräftigen die europäischen Bildungsminister, dass der Bologna-Prozess auf der politischen Tagesordnung bleiben soll. Und doch ist nicht zu übersehen, dass die europäische Reform an Schwung verliert. Dies könnte darauf zurückgeführt werden, dass die Politiker nur wenig Interesse daran haben, sich mit den Problemen zu beschäftigen, die ihnen wiederholt Schwierigkeiten bereiten, da dies dem Eingeständnis eines Misserfolgs nahe käme. Wenn es stimmt, dass der Bologna-Prozess politisch besonders von seinen schnell sichtbaren Ergebnissen profitiert hat, dann wird eine Fortsetzung der europäischen Bildungsreform also davon abhängen, ob neue Impulse gesetzt werden können, mit denen sich die bildungspolitischen Akteure weiterhin identifizieren wollen. Festzustellen ist, dass sowohl durch die Stärkung des Förderalismus in Deutschland als auch durch die Bologna-Reformen der Hochschulzugang nun in ein ‚Mehr-Ebenen-Spiel‘ verlagert worden ist, das einerseits zwischen den Bundesländern und andererseits mit allen Bologna-Mitgliedsstaaten verhandelt werden muss. Die Zeiten, in denen der Hochschulzugang eine im Wesentlichen nationale Angelegenheit gewesen ist, die seit Gründung des Preußischen Gymnasiums im Königsweg stabil aufgehoben war, scheinen damit endgültig vorbei zu sein. 6.2
Ausweitung des Bologna-Prozesses auf die Sekundarstufe II
Das Ideal des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums basiert auf der grundsätzlichen Kompatibilität seiner Bildungsstrukturen sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Hinsicht:
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- Vertikale Kompatibilität: Vor dem Hintergrund geänderter gesellschaftlicher Umstände und Ansprüche an das Bildungssystem müssen die Anschlussmöglichkeiten zwischen den abgebenden und den aufnehmenden Bildungsbereichen und -einrichtungen optimal aufeinander eingestellt werden, um Flexibilität für die Bildungswege der Lerner zu schaffen und den Übergang auf höhere Bildungsstufen zu erleichtern. - Horizontale Kompatibilität: Angesichts des Wegfalls innereuropäischer Grenzen im Bologna-Raum und mit Blick auf die föderalen Bildungsstrukturen, die sich in Deutschland zunehmend auseinander entwickeln, kommt es außerdem darauf an, die Durchlässigkeit zwischen den Bildungssystemen in Europa, zwischen den allgemein- und den berufsbildenden Bereichen sowie schließlich zwischen den einzelnen Bildungseinrichtungen zu verbessern bzw. Mobilitätshemmnisse abzubauen. Dementsprechend hängt das Projekt für den Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum von den Anschlüssen und Übergängen ab: Gelingt es, unterschiedliche Bildungswege zu fördern und gleichwertige Qualifikationen als solche anzuerkennen, auch wenn sie an unterschiedlichen Bildungseinrichtungen oder durch non-formales oder informelles Lernen erworben wurden? Die Analyse des Hochschulzugangs hat gezeigt, dass diese Frage mit Blick auf das deutsche Bildungswesen nicht zufriedenstellend beantwortet werden kann. Die Gründe dafür waren jedoch nicht allein an den Hochschulen zu suchen, sondern die Probleme können erst durch die Berücksichtigung beider Seiten der Schnittstelle zwischen dem tertiären und dem sekundären Bildungssektor voll erfasst werden. Denn entscheidende Weichen für den Hochschulzugang (z. B. die Abiturkriterien) werden bereits in der schulischen Qualifikationsphase gestellt; und obwohl die Reformen die Grenze zwischen dem schulischen und dem hochschulischen Bildungsbereich meist nicht überschreiten, überlappen sich doch deren Wirkungen (wie z. B. beim Hochschulzulassungsrecht). In der Konsequenz sollte die Sekundarstufe II als Bestandteil des Hochschulzugangs in den Bologna-Prozess aufgenommen werden. Dieser Vorschlag kann zunächst nur an das deutsche Bildungswesen gerichtet sein, in dem die Schule traditionell hauptverantwortlich für die Vergabe der Studienberechtigung ist, weil das gymnasiale Abitur im Wesentlichen mit einer Hochschulzulassung gleichzusetzen war. Die Studienzulassung bedeutet in den meisten anderen Bologna-Mitgliedsstaaten eine
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deutlich höhere Selektionshürde als in Deutschland, weil sie beispielsweise mit umfangreichen Zulassungsprüfungen oder anderen Auswahlverfahren verbunden sein kann. Es gehört aber zu den Gemeinsamkeiten aller dieser Bildungssysteme, dass schulische Studienqualifikationen existieren, die in der Regel eine notwendige – wenngleich meist keine hinreichende – Voraussetzung für die Hochschulzulassung darstellen. Da die schulischen Zeugnisse überall die Hochschulzugangswege bedingen, kann der Vorschlag zur Aufnahme der schulischen Seite des Hochschulzugangs in das europäische Reformprojekt auf den Bologna-Raum verallgemeinert werden: Der schulische Vorbereitungszyklus, der seinem Abschluss entsprechend als Abitur- oder Hochschulreife-Stufe zu charakterisieren ist, sollte den drei Studienzyklen Bachelor, Master und Doktorat hinzugefügt und vorangestellt werden. Dieser Vorschlag zur Ausweitung des Bologna-Prozesses entspringt aus der Idee zur Schaffung des europaweiten Bildungsraums. Was bedeutet es demgemäß, wenn auch die Bologna-Aktionslinien auf die Abitur-Stufe übertragen werden? Bevor dies in Abschnitt 6.2.2 erörtert wird, wird in Abschnitt 6.2.1 einleitend skizziert, wie derzeit die Anerkennung ausländischer schulischer Studienberechtigungen in den europäischen Regionen organisiert ist. 6.2.1
Anerkennung ausländischer Studienberechtigungen
Die schulischen Studienqualifikationen der (gegenwärtig) 46 Bologna-Mitgliedsstaaten unterscheiden sich nationalspezifisch nicht nur durch die curriculare Gestaltung, das Niveau, die Dauer oder die Prüfungsorganisation, sondern auch hinsichtlich ihres Berechtigungsumfangs:64 So kann mit der Allgemeinen Hochschulreife maximal der (fast) unbegrenzte Zugang zu allen Studiengängen aller Hochschulen verbunden sein, während minimal ein solches Zeugnis nur ein Kriterium für die Zulassung in einem Studienfach an einem bestimmten Hochschultyp darstellt. Bislang wird die Anerkennung der nationalen Studienqualifikationen für die Hochschulzulassung außerhalb des Herkunftslands, in dem diese erworben wurde, über verschiedene Abkommen geregelt. Die Bundesrepublik Deutschland beispielsweise hat zu diesem Zweck nicht nur mit verschiedenen Staaten bilaterale Äquivalenz64
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Vgl. Eurydice (2004) mit Übersichten über die Prüfungen und Abschlüsse von 30 Staaten der europäischen Region. Auch in der Datenbank „anabin“ (Anerkennung und Bewertung ausländischer Bildungsnachweise), ein Projekt der ZAB der KMK, kann man sich einen Eindruck von der bestehenden Vielfalt und der damit verbundenen Unübersichtlichkeit der verschiedenen Abschlüsse verschaffen. Siehe: http://www.anabin.de.
abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen geschlossen, sondern auch die „Europäische Konvention über die Gleichwertigkeit der Reifezeugnisse“ (Europarat 1953) im Jahr 1955 in Kraft gesetzt und das „Übereinkommen vom 21. Dezember 1979 über die Anerkennung von Studien, Diplomen und Graden im Hochschulbereich in den Staaten der europäischen Region“ (UNESCO 1979) im Jahr 1994 in deutsches Recht übertragen. Auch im Lissabonner Abkommen (1997) finden sich einschlägige Regelungen (vgl. Abschnitt 2.1.1). Im Kern zielen diese Vereinbarungen gemäß des Prinzips der Gegenseitigkeit auf die grundsätzliche Anerkennung der verschiedenen schulischen Studienqualifikationen. Exemplarisch heißt es im Lissabonner Abkommen: „Jede Vertragspartei erkennt für den Zweck des Zugangs zu den zu ihrem Hochschulsystem gehörenden Programmen die von den anderen Vertragsparteien ausgestellten Qualifikationen an, welche die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschulbildung in diesen Staaten erfüllen, sofern nicht ein wesentlicher Unterschied zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in der Vertragspartei, in der die Qualifikation erworben wurde, und denen in der Vertragspartei, in der die Anerkennung der Qualifikation angestrebt wird, nachgewiesen werden kann“ (Lissabonner Abkommen 1997, Artikel IV.1, S. 263).
Der Berechtigungsumfang, der mit dieser Anerkennung verbunden ist, soll dabei dem entsprechen, der im Herkunftsland gelten würde. Deshalb kann beispielsweise eine Fachgebundene Hochschulreife in einem anderen Staat nicht als Allgemeine Hochschulreife fungieren – selbst dann nicht, wenn sie inhaltlich und bezüglich des Leistungsniveaus identisch wäre. Jedoch ist zu betonen, dass diese grundsätzliche Anerkennung der schulischen Qualifikationen nicht der hochschulischen Zulassung entspricht, die von weiteren Voraussetzungen (Sprachkenntnisse, fachliche Vorkenntnisse, Prüfungen etc.) abhängig gemacht werden kann. Diese weiteren Anforderungen sollen wegen des Anspruchs der Gleichbehandlung aber denjenigen entsprechen, die auch von Bildungsinländern erwartet werden. Insgesamt ist gegenwärtig die Situation bei den schulischen Studienqualifikationen vergleichbar diffus und unübersichtlich – und deswegen problematisch für den Hochschulzugang – wie seinerzeit bei den hochschulischen Abschlüssen vor Beginn des Bologna-Prozesses. Dieser Umstand behindert die vertikale und horizontale Kompatibilität am Übergang zu den Hochschulen und zeigt deshalb politischen Handlungsbedarf an. In Ergänzung zur bisherigen Praxis, in der über die Anerkennung und Anrechnung von Qua-
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lifikationen letztlich in den Zulassungsverfahren die einzelnen Hochschulen fallabhängig entscheiden, käme es institutionell darauf an, gemeinsame Bedingungen und Möglichkeiten für die Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit der Bildungsstrukturen auszuarbeiten, festzuschreiben und umzusetzen. Auf diese Weise können vielfältigere Optionen, mehr Transparenz und Verlässlichkeit für die Planung von Bildungskarrieren geschaffen werden. 6.2.2
Das Bologna-Programm in der Sekundarstufe II
Gemeinsam die Vielfalt der bestehenden europäischen Bildungssysteme für den Ausbau individueller Bildungswege zu nutzen, ist der Schlüssel, um die unterschiedlichen Bildungstraditionen als europäisches Kulturgut zu bewahren, den wissenschaftlichen Fortschritt voranzutreiben und eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung zu erreichen. Damit die Vielfalt der europäischen Bildungssysteme zur Flexibilisierung der individuellen Bildungswege in diesen Systemen voll ausgeschöpft werden kann, braucht man jedoch ein gemeinsames Set von Regeln, mit denen die Zu- und Übergänge organisiert werden. Mit dem Bologna-Programm ist dafür im Hochschulbereich eine funktionsfähige Struktur gefunden worden. Der Vorschlag, das Bologna-Programm auf die Hochschulreife-Stufe zu übertragen, stellt einerseits eine Konsequenz aus der Betrachtung des Hochschulzugangs als Institution dar (vgl. Teil II) und ist andererseits ebenso als Folge der europäischen Bildungsreform (vgl. Teil I) zu verstehen: Einerseits muss berücksichtigt werden, dass der Hochschulzugang als Institution zwei Seiten hat, im Rahmen des Bologna-Prozesses aber bislang nur die hochschulische Seite angesprochen wurde. Besonders problematisch wird dies bei der Frage nach der Vergleichbarkeit der Voraussetzungen für die Hochschulzulassung über die nationalen Grenzen hinweg. Andererseits kann die europäische Hochschulstrukturreform als erster Schritt für das Schaffen des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums interpretiert werden; der Kopenhagen-Prozess ist ein weiterer. Daran anknüpfend ist logisch als nächstes die Sekundarstufe II in den Fokus der europäischen Bildungsreform zu stellen, weil auf dieser Stufe die neuen Bildungsprogramme des Hochschulsektors (und zum Teil auch die beruflichen Bildungsangebote) aufbauen. Im Folgenden wird skizziert, wie ein Transfer des Bologna-Programms auf eine ‚europäische Sekundarstufe II‘ aussehen könnte. Nicht alle Aktionslinien müssen dabei aufgegriffen werden, aber unverzichtbar sind a) diejenigen, mit denen eine gemeinsame Struktur aufgebaut werden kann,
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also die Bologna-Policies zur Einführung eines Systems vergleichbarer und gestufter Abschlüsse, zur Etablierung eines Leistungspunktsystems, zur Anerkennung und Anrechnung, zur Konzeption von Qualifikationsrahmen und zur Qualitätssicherung. Zudem können b) mit den Aktionslinien zur Förderung des Lebenslangen Lernens und der Employability sowie den Kernzielen zur Berücksichtigung der Sozialen und der Europäischen/globalen Dimension Akzente für eine Ausgestaltung dieser Bildungsstufe als Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums gesetzt werden. Ad a: Aufbau gemeinsamer Strukturen in der Sekundarstufe II In Abschnitt 5.2.1 wurde angesprochen, dass die gymnasiale Schulzeitverkürzung auch mit einer Anpassung an andere europäische Staaten begründet worden ist. Die Vereinheitlichung der Schuldauer gemäß der Aktionslinie I. Einführung eines Systems vergleichbarer und gestufter Abschlüsse analog zu den Regelstudienzeiten im Bachelor-Master-System verspricht in der Tat große Vorteile: Eine europäische Vereinbarung über eine „Regelschulzeit“ von zwei Jahren für den Bildungszyklus der HochschulreifeStufe ließe auf eine verbesserte Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen europäischen Systemen und in der Folge auch zwischen dem allgemeinbildenden und berufsbildenden Sektoren innerhalb der nationalen Systeme hoffen. Die Sekundarstufe II lässt sich (gemäß ISCED, Level 3: Upper Secondary Education) kennzeichnen durch das Eintrittsalter der Schüler, das bei etwa 15 oder 16 Jahren liegt, durch den Beginn nach dem Abschluss der Vollzeitschulpflicht und durch einen höheren Spezialisierungsgrad bei den angebotenen Bildungsprogrammen, die sowohl allgemeinbildend als auch berufsbildend ausgerichtet sein können (vgl. UNESCO 1997, S. 28 ff.). Die Festschreibung der zweijährigen Dauer ginge also über die Klassifizierung der UNESCO hinaus und bezweckt, die horizontale Gliederung in den europäischen Bildungssystemen stärker herauszustellen: Gesetzt wird, dass alle Programme (ob stärker allgemeinbildend oder berufsbildend) in dieser Bildungsphase zum grundsätzlich gleichen Kompetenzniveau führen. Mit anderen Worten: Die politische Setzung der Äquivalenz kommt zuerst! Erst danach beginnt die eigentliche Arbeit, um dieses Ziel auch zu erreichen. Im Bologna-Prozess wurde vorgeführt, wie es gehen kann: Zunächst ist die Festlegung auf zwei Jahre angesichts der gravierenden Unterschiede bei der Schulorganisation in den Bologna-Mitgliedsländern zu grob. Deshalb fällt das Augenmerk auf die Aktionslinie II. Etablierung eines Leistungspunktsystems. Ob für die Sekundarstufe II nun das ECTS der hochschulischen, das ECVET (European Credit system for Vocational
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Education and training) der beruflichen Bildung oder ein Mix aus beiden Leistungspunktsystemen am besten geeignet ist, kann in Modellversuchen erprobt werden. Entscheidend ist, dass auch in der Abitur-Stufe die erreichten Lernergebnisse als Basis bei der Festlegung der Kompetenzniveaus fungieren, um eine Diskriminierung der unterschiedlichen Lernwege zu verhindern. Außerdem kann das im ECTS enthaltene Credit-Modell, mit dem der zeitliche Arbeitsaufwand bemessen wird, für die Kalkulation des Umfangs von Bildungsprogrammen in der Sekundarstufe II eingesetzt werden. Es wäre zu erwarten, dass die richtige Umsetzung des Leistungspunktsystems darüber hinaus zu curricularen Modernisierungen beitragen und Effizienzsteigerungungen bewirken kann, weil (bildungsökonomisch formuliert) Kosten und Nutzen – also Arbeitsaufwand und Lernergebnis – explizit miteinander in Beziehung gesetzt werden müssen. Denn die Frage nach der „Studierbarkeit“ ist angesichts der überall stattfindenden Upgrading-Prozesse (z. B. durch G8) nicht nur im Hochschulbereich virulent. Die Einführung eines gemeinsamen Leistungspunktsystems ermöglicht es, wesentlich genauer die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der angebotenen Bildungsgänge in den europäischen Bildungssystemen zu erfassen, um sie miteinander vergleichen zu können. Ein Zweck solcher Vergleiche ist es, die Vielfalt der europäischen Bildungsgänge hervorzuheben, um das Bildungsangebot für die Lerner transparenter zu machen. Schließlich müssen diese aus dem großen Angebot die für sie individuell besten Wahlen treffen können. Auf der anderen Seite steht die Aktionslinie IV. Anerkennung und Anrechnung, bei der die Berücksichtigung der Bildungsgänge explizit ausgeklammert wird, weil die Zulassung zu Bildungsangeboten in Anerkennungsverfahren bzw. die Anrechnung von Prior Learning auf den gewählten Bildungsgang nur davon abhängen soll, über welche Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten jemand tatsächlich verfügt. Die Anerkennung und Anrechnung folgt also dem Paradigma der Output-Orientierung. Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, wie die Beschreibung und Zertifizierung der Lernergebnisse durchgeführt wird. Hentig weist darauf hin, dass Europa die Schule hinsichtlich der Standardisierung vor die Wahl stelle: „Entweder standardisierte Abschlussprüfungen machen die Reproduktion von Wissen zum obersten Maßstab des Erziehungs- und Bildungsvorgangs; die Schule wird, ob sie will oder nicht, zur Ausleseund Paukanstalt nach einem Maßstab, der nur für den administrativen, nicht aber für den sachlichen Zweck taugt. Oder jeder wird nach seinen Möglichkeiten gefordert und gefördert; die Verfahren und Ergebnisse der Schule entziehen sich der Standar-
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disierung; die Bewährung der Absolventen geschieht an den Anforderungen der Sache, der Lebenslage, der weiterführenden Einrichtung“ (Hentig 2003a, S. 78).
Die Vielfalt der Bildungswege in Europa stünde auf dem Spiel, wenn (zugespitzt formuliert:) das Ziel der Standardisierung in der Einführung eines europaweiten Zentralabiturs bestehen würde. Die EU-Kommission (2005, S. 5) hat treffend darauf hingewiesen, dass „die Zielgruppen, die Lehrmethoden, der Zu- und Abgang, der Mix aus Disziplinen und Kompetenzen in Studienplänen usw. wesentlich vielfältiger werden“ müssen, damit „Europas intellektuelles Potenzial geweckt und in der Wirtschaft und Gesellschaft zum Tragen kommen kann“ (ebd.). Der Zugang zum Hochschulbereich sollte daher nicht primär über schulformspezifische Abschlüsse gelenkt, sondern vom Nachweis eines bestimmten Kompetenzniveaus abhängig gemacht werden, das grundsätzlich sowohl in allgemein als auch in beruflich orientierten Bildungsprogrammen erreicht werden kann. Zur Beschreibung der Kompetenzniveaus sind Standards jedoch unverzichtbar – diese dürfen nur nicht auf abprüfbare Wissenseinheiten verengt werden, worauf von Hentig zu Recht insistiert. Die Lerner verfügen über vielfältigere Anschlussoptionen, wenn ihre unterschiedlichen Kompetenzprofile und nicht ihre Schullaufbahnen für den Hochschulzugang berücksichtigt werden, auch und gerade deshalb, weil sich in letzteren mehr oder weniger stark die Sozialprofile der Schüler spiegeln. Außerdem können auf diese Weise bereits in der Sekundarstufe II neue Zielgruppen für ein Hochschulstudium angesprochen werden. In Bezug auf die Anrechnungsverfahren wäre darüber hinaus in Anlehnung an die Modularisierung der Studiengänge darauf zu achten, dass nicht nur Abschlussprüfungen am Ende des Bildungszyklus stattfinden, sondern dass lernbegleitende, kompetenzorientierte Prüfungen durchgeführt werden, die die Mitnahme von Lernergebnissen z. B. bei einem Wechsel des Bildungsprogramms oder des Lernorts erleichtern. Schließlich sollen auch bei einer Korrektur von Bildungswahlen bereits erreichte Lernergebnisse möglichst nicht ‚verloren‘ gehen. Insgesamt geht es bei der Standardisierung von Lernergebnissen im Zuge der Einführung eines Leistungspunktsystems darum, anschlussbezogene Verfahren der Anerkennung und Anrechnung zu implementieren, die im Sinne von Hentigs an den fachlich und sachlich begründeten Anforderungen der weiterführenden Bildungseinrichtung (Bildungsanbieter) und dem Kompetenzprofil der Person (Bildungsnachfrager) orientiert sind. Dem gleichen Zweck dient auch die Aktionslinie V. Qualifikationsrahmen, in dem die unterschiedlichen Bildungszertifikate (analog zu den gestuften Studien-
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abschlüssen) nach Niveaustufe und gemäß der Deskriptoren „Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen“ (vgl. EU-Kommission 2008, S. 12 f.) eingeordnet werden. Im Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum müssen sich die Bildungsanbieter darauf einstellen, dass die Lerner in Bezug auf ihre Vorbildung, kulturelle Herkunft etc. noch einmal deutlich heterogener werden. Zudem liegt in einem großen und stark ausdifferenzierten Bildungsangebot die Gefahr der Unübersichtlichkeit, so dass die Bildungsnachfrager die zunehmend schwieriger werdende Aufgabe zu bewältigen haben, ein individuell passendes Angebot zu finden. Das Modell der Qualifikationsrahmen ist ein wichtiges Instrument zur Herstellung von Transparenz, mit dem die unterschiedlichen Bildungszertifikate kategorisiert und nach Niveaustufe sortiert werden können. Die Qualifikationsrahmen sollen als Basis für die Durchführung von Anerkennungsverfahren der Bildungsanbieter dienen; mit ihnen erhalten aber auch die Bildungsnachfrager eine Übersicht über das ihnen zur Verfügung stehende Bildungsangebot, mit dem eine Auswahl einzelner Programme erleichtert wird. Der Verbesserung der Lehre, dem Erkennen von Mängeln und der bestmöglichen Nutzung der verfügbaren Ressourcen gilt die Aktionslinie VIII. Qualitätssicherung. Dorn und Müller (2008, S. 55) bekräftigen die besondere Bedeutung der Qualitätssicherung, denn nur „wenn transparent und einfach nachvollziehbar ist, nach welchen Prinzipien zum Beispiel die Vergabe von Leistungspunkten oder die Zuordnung von Qualifikationen zu einzelnen Niveaustufen erfolgt, wird sich mehr Kompatibilität und eine bessere Anrechnung von in unterschiedlichen Systemen erbrachten Leistungen erzielen lassen.“ Unter den vielen Maßnahmen, mit denen die Qualität von Bildungsangeboten sichergestellt werden soll, kommt der Akkreditierung besonderes Gewicht zu. Denn je vielfältiger das Bildungsangebot ist, desto wichtiger ist die Gewährleistung von fachlich-inhaltlichen Mindeststandards. Eine Akkreditierung von Bildungsangeboten in der Abitur-Stufe könnte ähnlich organisiert werden wie im Hochschulbereich. Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, ob die Akkreditierung staatlich oder privat durchgeführt wird; entscheidend ist vielmehr, dass die Anerkennung von Zertifikaten sowohl für die Bildungsanbieter als auch für die -nachfrager nachvollziehbar und verlässlich gemacht wird. Die gegenseitige Akzeptanz der Akkreditierungsentscheidungen wäre dann ein Zeichen für das Funktionieren des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums. Ad b: Akzente für eine europäische Ausgestaltung der Abitur-Phase Die europäische Hochschulreform zielte anfangs nur auf die Herstellung
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durchlässiger Bildungsstrukturen als grundlegende Bedingung für einen Gemeinsamen Hochschulraum. Darüber hinaus ist im Bologna-Programm aber auch eine bestimmte Profilierung des Hochschulraums im zusammenwachsenden Europa intendiert, die an gemeinsamen (humanistischen und demokratischen) Werten orientiert ist. Die entsprechenden Aktionslinien können ebenfalls auf die Sekundarstufe II übertragen werden, um die Strukturreform mit europäischen Akzenten zu prägen. Dabei wäre zunächst an die Aktionslinie III. Förderung von Mobilität zu denken: Mit dem Ziel der Flexibilisierung von Bildungswegen gehört diese Aktionslinie eigentlich zu den Strukturmaßnahmen; sie kann aber auch als besonderes Kennzeichen des Gemeinsamen Bildungsraums interpretiert werden, wenn der Wechsel der Lernorte selbst als Bereicherung der individuellen Bildungsprozesse verstanden wird. Demgemäß kann die Teilnahme an Schüleraustauschprogrammen bzw. der Besuch einer Schule im Ausland für ein (halbes) Jahr dazu genutzt werden, Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, andere (Bildungs-)Kulturen kennenzulernen und die europäische Zusammengehörigkeit zu erfahren. Wie beim Auslandssemester während des Studiums darf jedoch das Grundproblem der Finanzierung nicht übersehen werden. Es müsste daher überlegt werden, wie der Zugang zu solchen Programmen auch Schülern aus einkommensschwachen Familien ermöglicht werden kann. Wie steht es mit der Aktionslinie VI. Lebenslanges Lernen? Die Sekundarstufe II ist der erste Bildungszyklus, der sich an die neun- oder zehnjährige Vollzeitschulpflicht anschließt, und die Schüler wählen nun zwischen stärker spezialisierten Bildungsangeboten. In dieser Bildungsphase können mit der Vermittlung von differenzierten Lernstrategien und mit einer Fokussierung auf die (Weiter-)Entwicklung einer positiven Lernhaltung zwei wichtige Grundlagen für das Lebenslange Lernen geschaffen werden: - Erstens werden die Schüler durch das Wissen über und die Anwendung von wissenschaftspropädeutischen Lernstrategien darauf vorbereitet, selbstständig neue Aufgaben zu definieren und bewältigen zu können. (Die hier gemeinten Lernstrategien der Abitur-Stufe bauen auf dem Wissen und Können der Sekundarstufe I auf.) In diesem Sinne ist „das Lernen zu lernen“ eine Schlüsselkompetenz, um auch nach der schulischen Erstausbildung immer wieder in neue Lernphasen eintreten zu können. Mit anderen Worten, in der Sekundarstufe II erschließen sich die Schüler ihren persönlichen Zugang zur Wissensgesellschaft.
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- Als zweite Grundlage für das Lebenslange Lernen ist zu sehen, dass die Schüler gerade innerhalb der schulischen Erstausbildung gute Lernerfahrungen machen sollten, mit denen sie (nachhaltig) eine positive Lernhaltung aufbauen können. Speziell nach dem Ende der Vollzeitschulpflicht gehört dazu die Wahrnehmung von Wahlmöglichkeiten, die zum Ausdruck bringt, dass die Lerner sich bewusst und selbstverantwortlich für ihren Lernweg entscheiden können. Dazu können Lernumgebungen beitragen, die eine Vielzahl von Erfahrungsmöglichkeiten für persönlich bedeutsames Lernen bereithalten, wie z. B. Praktika, Wettbewerbe, Schüleraustauschprogramme, Projektarbeiten etc. Es liegt auf der Hand, dass auch die Bildungsprogramme in der Hochschulreife-Stufe wesentlich vielfältiger werden müssen, um einer heterogenen Schülerschaft solche Anknüpfungspunkte für den Aufbau einer positiven Lernhaltung und viele Gelegenheiten zum Ausprobieren und Einüben differenzierter Lernstrategien zu bieten. Nicht in Deutschland, aber in den meisten anderen europäischen Staaten gilt es als selbstverständlich, dass „in allen Bildungsgängen allgemeine und berufliche Komponenten“ (Mitter 1993, S. 186) enthalten sein müssten. Diese Auffassung wird ebenso in der Aktionslinie VII. Beschäftigungsfähigkeit ausgedrückt. In Abgrenzung zu den Employability-Konzepten, die nur auf die Herstellung einer ‚Marktfähigkeit‘ des Individuums drängen, sollte mit dieser Aktionslinie in der Sekundarstufe II einerseits ein Akzent auf staatsbürgerliches Engagement und die Arbeitsmarktorientierung gelegt werden; andererseits könnte die teilweise immer noch strikte Trennung zwischen allgemeinen und beruflich-orientierten Bildungsprogrammen weiter gelockert werden. Die Chancen dazu sind gegenwärtig günstig, weil sich die Lernziele beider Bildungssektoren seit einiger Zeit tendenziell angleichen: Im Bereich der Berufsbildung gewinnen formale Kompetenzen an Wert (vgl. Baethge 2006, S. 465) und im hochschulischen Bachelor-Zyklus ist die Employability-Orientierung gefordert. Die Integration beruflicher Komponenten auch an allen allgemeinbildenden Schulformen liegt folglich auf der Hand und aktualisiert die alte Forderung nach Berufsorientierung als schulischer Querschnittsaufgabe (vgl. Schudy 2008). Ein Schwerpunkt der Aktionslinie X. Soziale Dimension ist der Abbau von sozialen Ungleichheiten bei der Zusammensetzung der Schüler- und Studierendenschaft. Mit den stärker spezialisierten Bildungsprogrammen ist die Sekundarstufe II die Bildungsstufe, in der bereits wichtige Vorentscheidungen für oder gegen den Hochschulzugang getroffen werden. Analog
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zu den Zielsetzungen der hochschulischen Aktionslinie käme es darauf an, eine Erhöhung der Absolventenquote insbesondere durch die Steigerung der Beteiligung von Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern zu erreichen. Für die Sekundarstufe II wäre daher die Zielmarke zu setzen, dass alle Schüler zu einem Abschluss geführt werden, der wiederum neue Anschlussoptionen eröffnet. Die Aktionslinien, mit denen die Strukturen für die flexible Anerkennung von Lernleistungen aufgebaut werden sollen, dienen daher insgesamt auch der Förderung der Sozialen Dimension. Der Begriff der Europäischen Dimension zielte Anfang der 1990er Jahre im Zusammenhang mit der Gründung der EU darauf, die Jugendlichen auf ihre Verantwortung als europäische Bürger vorzubereiten, indem Europa für die Menschen durch entsprechende Bildung persönlich bedeutsam gemacht werden sollte. Diese Interpretation kann ebenso für die Aktionslinie XI. Europäische/globale Dimension geltend gemacht werden. Gibt es demgemäß eine Art europäisches Curriculum für die Sekundarstufe II? Mitter (2002, S. 642) weist darauf hin, dass in den Lehrplänen der europäischen Länder seit jeher eine Art gemeinsamer Fächerkanon besteht, der die jeweilige Muttersprache, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte und eine Fremdsprache umfasst. Dies kann allerdings noch nicht als spezifisch europäisches Curriculum gelten. Angesichts der Vielfalt der Bildungsprogramme sollte man es vielleicht auch besser den einzelnen Einrichtungen überlassen, wie europäische Bezüge in der gemeinsamen Geschichte und anhand geteilter Werte hergestellt werden könnten. Hinzuweisen ist jedoch auf die besondere Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen, die in Anlehnung an die EUKommission (2008a, S. 5) dazu beitragen, „das Bewusstsein für den Wert der Sprachenvielfalt in der EU und für die von dieser Vielfalt ausgehenden Chancen zu schärfen und den Abbau von Hindernissen für den interkulturellen Dialog zu fördern.“ Deshalb sei es anzustreben, dass die europäischen Bürger nicht nur in ihrer Muttersprache, sondern zusätzlich in zwei weiteren Sprachen miteinander kommunizieren könnten. Übernimmt man diese Forderung, wird deutlich, dass hier schon ein übernächster Schritt für die Gestaltung des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums angesprochen ist: Der Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen beginnt in aller Regel spätestens in der Sekundarstufe I, meist sogar schon in der Primarstufe. In diesem Abschnitt wurde der Begriff „Sekundarstufe II“ synonym mit dem Ausdruck „Hochschulreife-“ oder „Abitur-Stufe“ gebraucht. Darf man überhaupt von einer Abitur-Phase sprechen, obwohl die beruflich orientierten Programme in der Sekundarstufe II traditionell nicht zum Studium führen?
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Diese Frage ist entschieden zu bejahen. Denn die wesentliche Neuerung der Sekundarstufe II im Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum würde genau darin bestehen, dass der Hochschulzugang prinzipiell für alle geöffnet wird, die ein entsprechendes (allgemein oder beruflich ausgerichtetes) Kompetenzniveau erreichen. Diese Öffnung ist konsequent und notwendig, um horizontal und vertikal die Kompatibilität des Hochschulzugangs in den europäischen Regionen angesichts der Vielfalt der Bildungsprogramme und der Heterogenität der Lerner zu maximieren. Wie könnte eine Umsetzung dieser europäischen Aktionslinien im deutschen Bildungswesen aussehen? Denkt man an die drei Säulen des Hochschulzugangs und seinen institutionellen Kern, d. h. an den Königsweg mit seinem privilegierten Status gegenüber anderen Hochschulzugangswegen (kognitive Säule), mit der Trennung zwischen schulischem und universitärem Lernen (normative Säule) und mit dem gymnasialen Abitur als allgemeine Studienberechtigung (regulative Säule), dann scheint ein Überführen der Sekundarstufe II in den Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum noch weit entfernt zu sein. Im Folgenden werden Denkanstöße formuliert, wie dennoch und vor allem jenseits des Königswegs eine Öffnung des Hochschulzugangs in Deutschland erreicht werden könnte. 6.3
Plädoyer für die Fachoberstufe
Aus den „Trümmern der Strukturdebatten“ (Klieme 2009, S. 46) entstand in den späten 1970er Jahren die Leitidee der „Schulentwicklung an Einzelschulen und der Schulautonomie“ (ebd.), mit der die Innere Schulreform vorangetrieben wurde. Diese Reformphase war von der Hoffnung getragen, dass sich Veränderungen, die an der Einzelschule ansetzten, leichter realisieren ließen als von außen bzw. von oben aufgezwungene Strukturmaßnahmen. Tatsächlich entwickelten einzelne Gymnasien unterschiedliche Wege, um beispielsweise durch Differenzierung und Profilbildung mit den steigenden Schülerzahlen besser umzugehen. Auch die neue Orientierung an Outputs, die Ende der 1990er Jahre eine neue Reformphase einleitete, bedeutete keinen Abschied von der Inneren Schulreform. Weil die Schul- und Unterrichtsentwicklung weitestgehend dem professionellen Handeln vor Ort überlassen bleibt (vgl. Klieme 2009, S. 45), passen die Begriffe Output-Orientierung und Innere Schulreform gut zusammen. Output-orientierte Steuerung bedeute, schreibt Tenorth (2004, S. 17), „die Arbeit von Bildungssystemen [. . .] durch die Formulierung von Standards und ihre ergebnisorientierte Prüfung“ zu normieren. Für die eigene Arbeit zur Erreichung der Stan-
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dards werde die Einzelschule jedoch freigesetzt. Es wäre daher denkbar, dass auch zukünftig die Modernisierung des Gymnasiums vor allem von innen erfolgt und angesichts der vielfältigen Erwartungen, die den Reformdruck an dieser Schulform erhöhen, auch erfolgen müsste. Die Innere Schulreform hat jedoch Grenzen. In Kapitel 5 wurde mehrfach deutlich, dass die gegenwärtigen Gymnasialreformen, die eine Erhöhung der Belegpflichten und Prüfungsbindungen sowie eine Verkürzung der Lehr- und Lernzeiten vorsehen, die Entfaltungsmöglichkeiten der einzelnen Gymnasien weiter eng halten. Also ist zu resümieren, dass die Hoffnung zur Weiterentwicklung der Gymnasien von innen zwar durch das Paradigma der Output-Orientierung bestätigt wird, die derzeitigen bildungspolitischen Entscheidungen dieser Erwartung aber nicht entsprechen. Deshalb wird hier ein anderes Reformmodell zur Diskussion gestellt, nämlich der Ausbau der Fachoberschule zu einer erweiterten Fachoberstufe. Dieser Vorschlag wird an den drei in Teil II identifizierten Problemfeldern des Hochschulzugangs konkretisiert und mit den zentralen Bologna-Anforderungen in Beziehung gesetzt. Zunächst wird in Abschnitt 6.3.1 diskutiert, wie durch den Ausbau der Fachoberschulen entlang der kognitiven Säule eine Annäherung von beruflicher und allgemeiner Bildung forciert werden kann, die nicht durch das institutionelle Selbstverständnis von Gymnasium und Universität torpediert wird. Welche Ziele und Inhalte das Fachoberstufenmodell in Bezug auf die normative Dimension beinhalten müsste, um Anschlussmöglichkeiten im Bildungssystem zu stärken, wird in Abschnitt 6.3.2 erörtert. In Abschnitt 6.3.3 geht es schließlich darum, wie hinsichtlich der regulativen Seite der Institution Berechtigungen und Hochschulzugangsrecht verändert werden könnten, um die hochschulischen, studentischen und gesellschaftlichen Interessen vor dem Hintergrund sich ausdifferenzierender Bildungsangebote und der sukzessiv steigenden Heterogenität der Bildungsnachfrager in eine neue Balance zu bringen. Ist dieses Vorhaben zur Etablierung einer erweiterten Fachoberstufe nicht nur die Wiederauflage einer alten Idee? Im Folgenden werden hauptsächlich bereits bekannte und erziehungswissenschaftlich diskutierte Konzepte aufgegriffen, von denen viele ursprünglich zur Weiterentwicklung des Gymnasiums gedacht waren, dort aber aufgrund institutioneller Beschränkungen nicht realisiert worden sind. Es ist die Einsicht in die Stabilität des Königswegs, die es nahelegt, nach einem anderen Ort für die Veränderungen zu suchen, deren Umsetzung angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen im Bildungswesen längst überfällig scheint. Es muss also keine neue Schulform erfunden werden, sondern nur gefunden – als institutioneller Raum, in dem
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sich diese Reformvorhaben verwirklichen lassen. 6.3.1
Abflachen von Hierarchien
„Gymnasien und Hochschulen sind Institutionen, die dem Erwerb von Privilegien dienen, und deren Selektionsmechanismen so eingerichtet sind, dass sie den ohnehin schon Privilegierten einen Vorsprung sichern“, urteilte Picht (1973, S. 676) trocken. Es handelt sich dabei um eine Art institutionellen Creaming-Effekt, der bewirkt, dass innerhalb der Vielfalt der (Hoch-)Schulformen auf einer Bildungsstufe doch immer wieder das Gymnasium bzw. die Universität den jeweils ersten Rang einnehmen. Die Geschichte der Gesamtschule in Deutschland dokumentiert im Wesentlichen das Scheitern der Versuche, das Gymnasium in ein nur gestuftes (und nicht zusätzlich noch vertikal gegliedertes) System einzuordnen. Bauer und Bittlingmayer (2005, S. 17) ist darin zuzustimmen, dass man es nicht wage, „die gymnasiale Sonderstellung in Deutschland aufzuheben“, da diese mittlerweile unverrückbar erscheine. Die neo-institutionalistische Analyse hat diese Sonderstellung nicht nur für das Gymnasium, sondern für den Königsweg insgesamt bestätigt. Mit anderen Worten: Jeder Versuch zur Gleichstellung der verschiedenen Hochschulzugangswege bedeutet einen Angriff auf die kognitive Säule des Hochschulzugangs, da die Gleichstellung letztlich auf eine Abwertung des Königswegs hinausläuft. Um dies zu vermeiden, wird im Folgenden nicht für die Gleichstellung der Hochschulzugangswege plädiert, obwohl diese sowohl im Sinne der europäischen Bildungsreform als auch vor dem Hintergrund des Postulats der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung angemessen wäre und das Ideal sein muss. Denn mit Blick auf den Creaming-Effekt des Königswegs ist davon auszugehen, dass das Anliegen einer Annäherung von unten erfolgversprechender ist, als ein weiterer Angriff auf den Status der Institution. Deshalb orientieren sich die folgenden Überlegungen an den Möglichkeiten zur Aufwertung der anderen Hochschulzugangswege, so dass die Hierarchie zwischen den beiden Bildungsbereichen – wenn schon nicht aufgehoben – doch möglichst flach gehalten wird. Statt zu einer Annäherung zu führen, bestätigen bzw. vergrößern die gegenwärtigen Entwicklungen auf schulischer Seite die alten Hierarchien zwischen den verschiedenen Hochschulzugangswegen jedoch, einerseits durch die (fast) gänzlich verlorene Durchlässigkeit zwischen den Schulformen als Konsequenz von G8 und andererseits durch die seit jeher bestehende höherwertige Berechtigung des gymnasialen Abiturs gegenüber der Fachhoch-
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schulreife (vgl. Abschnitt 5.1.1). Auf hochschulischer Seite hingegen bröckeln die Statusunterschiede zwischen den Hochschultypen durch die Einführung der gleichen Abschlüsse und werden zunehmend abgelöst von einem Wettbewerb zwischen einzelnen Hochschulen (vgl. Abschnitt 5.1.2). Alles in allem bewirken die Entwicklungen auf schulischer und hochschulischer Seite eine Verstärkung der Selektion im Hochschulzugang (vgl. Abschnitt 5.1.3), die angesichts des Ziels zur Erhöhung der Bildungsbeteiligung als unerwünscht einzuschätzen ist. Im Folgenden wird deshalb erläutert, wie a) durch ein Upgrading der nicht-gymnasialen Schulformen in der Sekundarstufe I die Durchlässigkeit insbesondere am Übergang zur Sekundarstufe II (wieder-)hergestellt werden kann. Darauf aufbauend wird b) das Modell für eine ebenfalls aufgewertete Fachoberstufe in der Sekundarstufe II eingeführt und c) hinsichtlich des Kompetenzniveaus verortet. Ad a: Upgrading der nicht-gymnasialen Schulformen in der Sekundarstufe I In der Sekundarstufe I unterscheidet sich durch G8 das gymnasiale Lernvolumen von dem anderer Sekundarschulformen. Im Schnitt ist es beispielsweise in Nordrhein-Westfalen bis einschließlich der 9. Klasse pro Schuljahr eine Stunde größer als an der Gesamt-, Real- oder Hauptschule (vgl. APO-S I, Anlage 1–4). Aber bereits diese wenigen Stunden bewirken vor dem Hintergrund des KMK-Schulzeitkompromisses (notwendiges Gesamtvolumen von 265 Jahreswochenstunden), dass Schüler aller nicht-gymnasialen Schulformen in der Regel ein dreizehntes Schuljahr absolvieren müssen, wenn sie das gymnasiale Abitur erreichen wollen. Um die Durchlässigkeit beim Übergang in die Sekundarstufe II wiederherzustellen, muss daher die Gesamtstundenzahl an den nicht-gymnasialen Schulformen auf das Niveau von G8 angehoben werden. Angesichts der damit verbundenen erhöhten Belastung von Schülern und Lehrern scheint dies auf den ersten Blick zwar keine gute Option zu sein, aber auch die Ganztagsschulbewegung profitiert gegenwärtig erheblich von der beschlossenen Stundenerhöhung am Gymnasium. Diese steht für neue Möglichkeiten beim Einsatz pädagogischer Konzepte (z. B. eine stärkere Öffnung der Schule, die Rhythmisierung des Schultags und eine Flexibilisierung der Lernzeiten sowie mehr Gelegenheiten für die individuelle Förderung), sofern die Ganztagsschule nicht nur als Fortsetzung des alten Sechs-Stunden-Schultags organisiert wird. Im Rahmen autonomer Schulentwicklung könnte eine Entscheidung für eine Erhöhung des Gesamtstundenvolumens zunächst den einzelnen Schulen überlassen werden. In diesem Zusammenhang wäre gleichermaßen denkbar, es auch den
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Gymnasien freizustellen, an G8 teilzunehmen oder sogar zum alten Modell zurückzukehren. Es bliebe abzuwarten, ob sich nach einer längeren Umstellungsphase beide Modelle etablieren oder eines präferiert wird. Wichtig ist, dass damit die Sekundarstufe I allgemein um die Einführungsphase verlängert (sechs- bzw. ohne Erhöhung des Stundenvolumens siebenjährig) und die Sekundarstufe II aller Schulformen auf die dann zweijährige Qualifikationsphase verkürzt wird; die Jahreswochenstundenzahl bliebe dieselbe. Was passiert mit der 10. Klasse im verkürzten Bildungsgang? Die Sekundarstufenschulen übernehmen vom achtjährigen Gymnasium desweiteren das Konzept der einjährigen Einführungsphase in die Sekundarstufe II. Diese findet im letzten Jahr der Sekundarstufe I statt und wird differenziert in zwei Profilen angeboten, nämlich als gezielte Vorbereitung auf den Übergang in die Gymnasiale Oberstufe oder in die Fachoberstufe. Die Schüler wählen am Ende der 9. Klasse ihr Profil für das Abschlussjahr. Auf diesem Weg kann auch die Brückenfunktion der Einführungsphase ohne Zeitverlust zum Gymnasium wiederhergestellt werden. Denn ein solches Einführungsjahr macht ein direktes Eintreten in die Qualifikationsphase der Gymnasialen Oberstufe für die nicht-gymnasialen Sekundarschüler möglich; es bezweckt also, die Wiederholung der zehnten Klasse am Gymnasium zu ersetzen, die bislang in den G8-Konzepten fast aller Bundesländer (als Privilegierung des Königswegs) vorgesehen ist. Insgesamt soll der Wechsel der Bildungseinrichtung am Übergang zur Sekundarstufe II für alle Schüler erleichtert werden. Die Schüler profitieren von der Wechseloption, insofern sie diese als Gelegenheit zur Übernahme von Verantwortung für den eigenen Lebenslauf wahrnehmen und den Übergang für persönliche interesse- und kompetenzorientierte Wahlen nutzen. Ferner wird auf diese Weise der Abbau von Wahlmöglichkeiten innerhalb der Gymnasialen Oberstufe zumindest teilweise (extern) kompensiert. Während der Übergang in die Fachoberstufe allen Absolventen mit einem mittleren Abschluss offen steht, wäre zu überlegen, ob der Zugang zur Gymnasialen Oberstufe zusätzlich von bestimmten Leistungen in Deutsch, Mathematik und einer Fremdsprache abhängig gemacht werden sollte, weil mindestens zwei dieser Kernfächer in der Gymnasialen Oberstufe in das Abitur eingebracht werden müssen und für sie in den meisten Bundesländern bereits erhöhte Belegpflichten bestehen. Ad b: Upgrading der Fachoberschule in der Sekundarstufe II Neben der Gymnasialen Oberstufe gibt es (wie bereits ausgeführt) viele verschiedene Bildungseinrichtungen in der Sekundarstufe II. Zunächst wird
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es jedoch nur um eine dieser Schulformen gehen: die Fachoberschule. Denn sie bietet einen zweiten direkten Hochschulzugangsweg an, der gewissermaßen das fachlich-fokussierte und gleichermaßen eingeschränkte Pendant zum Königsweg darstellt. Die Fachoberschule, die Ende der 1960er Jahre als spezifische Vorbildungsschule für die Fachhochschule konzipiert wurde, wird ebenso wie die Fachhochschule in der Regel nicht zum beruflichen Bildungssektor gezählt. Beide Bildungseinrichtungen gehören aber auch nicht zum klassischen allgemeinbildenden Bereich; sie stehen eher dazwischen und können deswegen eine besondere Rolle für die Überwindung des deutschen „Bildungsschismas“ (Baethge 2007) spielen. Die gegenwärtig bestehende Fachoberschule ist eine zweijährige Schulform, die einen mittleren Schulabschluss voraussetzt, der an allen Sekundarschulen nach der 10. Klasse oder mit dem Hauptschulabschluss und abgeschlossener Erstberufsausbildung erworben werden kann. Für diejenigen, die zunächst eine berufliche Ausbildung absolviert haben, ist ein direkter Eintritt in das zweite Jahr – also in die Jahrgangsstufe 12 – der Fachoberschule möglich (vgl. KMK 2008e). In einigen Bundesländern kann auch ein dreizehntes Schuljahr angeschlossen werden, um eine Fachgebundene Hochschulreife oder ggf. sogar die Allgemeine Hochschulreife zu erwerben. In der Regel schließt diese Schulform aber mit der Fachhochschulreife ab. Die Fachoberschule näherte sich „unter dem normierenden Druck des Allgemeinbildungskanons“ (Lipsmeier 1998, S. 463) den allgemeinbildenden Schulen an. Daher gehören Deutsch, eine Fremdsprache, Mathematik, Naturwissenschaften, Wirtschaft und Gesellschaft auch zu den Pflichtfächern dieser Schulart (vgl. Pahl 2007, S. 120). Das Besondere der Fachoberschule ist aber ihre Ausrichtung an bestimmten beruflichen Feldern, die dem Bildungsangebot der Fachhochschulen entsprechen: Dazu gehören Wirtschaft und Verwaltung, Technik, Gesundheit und Soziales, Gestaltung, Ernährung und Hauswirtschaft sowie Agrarwirtschaft (vgl. Pahl 2007, S. 414). Die Schüler wählen eine dieser Fachrichtungen aus, in der sie dann im ersten Jahr neben dem Unterricht auch ein längeres Praktikum absolvieren. Nachdem die bestehende Fachoberschule mit ihren Vor- und Nachteilen kurz eingeführt worden ist, geht es im Folgenden um die Möglichkeiten des Upgradings dieser Schulform zu einer erweiterten Fachoberstufe. Dieses Vorhaben knüpft explizit an das alte Konzept zur Etablierung einer Kollegstufe an, das beispielsweise prominent vom Deutschen Bildungsrat (1974) vertreten wurde. Auch wenn die intendierte „Neuordnung der Sekundarstufe II“ nicht realisiert werden konnte, haben die Gründe, die damals für die Einrichtung einer Kollegstufe sprachen, bis heute nichts von ihrer
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Aktualität und Berechtigung verloren: In den 1970er Jahren ging es ebenfalls um eine stärkere Verbindung von allgemeinem und beruflichem Lernen mit den Zielen, die Hierarchie zwischen den Bildungssektoren abzubauen und den Hochschulzugang stärker zu öffnen. Im Unterschied zum Vorhaben des Deutschen Bildungsrats wird die Gymnasiale Oberstufe jedoch nicht in die Reformüberlegungen einbezogen; sie soll ihren jetzigen Status wahren. Stattdessen geht es darum, einen anderen Hochschulzugangsweg auszubauen, der für die Schüler attraktiv ist, die nicht die Gymnasiale Oberstufe durchlaufen können oder wollen (vgl. Huber 2004, S. 26). Gymnasiale Oberstufe und Fachoberstufe repräsentieren zwei unterschiedliche Oberstufentypen. Der Begriff des „Typs“ soll veranschaulichen, dass mit beiden Modellen die Vielzahl der unterschiedlichen Bildungsangebote in der Sekundarstufe II kategorisiert werden kann: - Der Typ „Gymnasiale Oberstufe“ ist allgemeinbildend (gymnasialer Fächerkanon) und führt traditionell zur Allgemeinen Hochschulreife. - Der Typ „Fachoberstufe“ legt einen Schwerpunkt auf berufliches und anwendungsorientiertes Lernen und wird mit einer eingeschränkten Hochschulreife abgeschlossen. Beide Oberstufentypen umfassen dementsprechend verschiedene Schulformen; das Berufliche Gymnasium beispielsweise gehört dann zum Typ der Gymnasialen Oberstufe, während die Technische Oberschule zum Typ der Fachoberstufe zählt. Der Vorschlag zum Ausbau der bestehenden Fachoberschule soll eine wesentliche Erhöhung der Bildungsbeteiligung erreichbar werden lassen, die nur mit einer Kapazitätserweiterung der Gymnasialen Oberstufe nicht realisierbar wäre, weil davon auszugehen ist, dass sich das Gymnasium weiterhin – und durch G8 wahrscheinlich in noch größerem Umfang als bisher – der Schüler durch Abstufung ‚entledigt‘, die eine Anpassung an die neuen Anforderungen nicht leisten können. Denn in Anschluss an Pechar (2006, S. 102) werden die gehobenen Schulen kaum darauf verzichten, „die Schlechteren auf zweitklassige Schultypen abzuschieben“, sofern die Möglichkeit dazu besteht, „weil sie das von potentiellen Problemen entlastet“ (ebd.). Die engen Vorgaben tragen also maßgeblich dazu bei, dass aus dem Gymnasium keine neue Form der Gesamtschule wachsen kann. Diese Gründe bestätigen aus neo-institutionalistischer Sicht wiederum den besonderen Status der gymnasialen Schulform, die schlicht nicht für den Besuch von einer Mehrheit des jeweiligen Schüleraltersjahrgangs gedacht wird.
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Die neue Fachoberstufe kann und soll dementgegen durchaus breit geöffnet sein. Denn gemäß des Paradigmas der Wissensgesellschaft ist es ratsam, möglichst den ganzen Altersjahrgang zu einem Abschluss der Sekundarstufe II bzw. zu einer Studienberechtigung zu führen.65 Daher sollte die Fachoberstufe allen Absolventen eines mittleren Schulabschlusses ohne weitere Zulassungsbedingungen offen stehen. Darüber hinaus sollen auch die Schüler ohne Schulabschluss in die Fachoberstufe eintreten können, nachdem sie eine Erstberufsausbildung absolviert haben. Ihre Berufserfahrung könnte ihnen dabei (wie üblich) weiterhin angerechnet werden, damit ein direkter Einstieg in das zweite Jahr der Fachoberstufe möglich bleibt. Die Gymnasiasten können im Gegenzug bei einem Wechsel zur Fachoberstufe nach dem ersten Jahr der Qualifikationsphase ihre Lernergebnisse als schulischen Teil anrechnen lassen (analog zu den derzeit geltenden Voraussetzungen für den Erwerb der Fachhochschulreife, vgl. KMK 2006, Abschnitt 12). Ad c: Vergleichbares Kompetenzniveau Obwohl sich die Fachoberstufe von der Gymnasialen Oberstufe erkennbar unterscheiden soll, um das institutionelle Selbstverständnis des Königswegs nicht zu tangieren, sind einige Gemeinsamkeiten unverzichtbar, die zur Aufwertung der Fachoberstufe beitragen. Zu diesen Gemeinsamkeiten gehört, dass der zu absolvierende Arbeitsaufwand (Workload ) der Fachoberstufe dem der Gymnasialen Oberstufe entsprechen sollte. Die Fachoberstufe könnte dabei zunächst das Punktsystem der Gymnasialen Oberstufe zur Feststellung der Gesamtqualifikation in der Qualifikationsphase (s. KMK 2006, Abschnitt 9) übernehmen, das bereits kumulativ gestaltet ist. (Langfristig müssten dann beide Oberstufentypen ein gemeinsames Leistungspunktsystem einführen, das auf Lernergebnissen beruht.) Auf diese Weise wird formal klargestellt, dass trotz der unterschiedlichen Profile beide Wege in der Sekundarstufe II zur gleichen Kompetenzstufe führen. Damit wird das Prinzip des Bologna-Prozesses übernommen, den Arbeitsaufwand als Bemessungsgrundlage für die Konzeption von Lernzyklen zu nehmen. Der Abiturzyklus soll demgemäß für beide Schultypen zwei Vollzeit(schul)jahre umfassen. Wie kann nun sichergestellt werden, dass nach zwei Schuljahren tatsäch65
Dies ist gemäß Lohmann (2008, S. 48) die Voraussetzung dafür, um dann die Hochschulabsolventenquote auf etwa 50 Prozent erhöhen zu können. Die bereits schulisch erworbene Studienqualifikation könnte auch dazu beitragen, dass der Hochschulzugang nach Berufs- oder Familienzeiten im Sinne des Lebenslangen Lernens besser genutzt wird.
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lich die gleiche Kompetenzstufe erreichbar wird? Wie in Abschnitt 3.3.2 beschrieben, müssen dabei zunächst Standards entwickelt, also klare Ziele definiert werden, deren Erreichen im Sinne der Qualitätssicherung auch zu evaluieren ist. Dabei darf gemäß Klieme (2009, S. 45) nicht vergessen werden, dass die „Adressaten der Standards [. . .] aber nicht die einzelnen Schüler [sind], sondern die Institutionen.“ Primär ist es also die Aufgabe der Bildungseinrichtungen, entsprechende Lernumgebungen auszugestalten, damit für die Schüler die Kompetenzniveaus auch erreichbar werden. Über das Herstellen von Vergleichbarkeit verschiedener Wege durch Standardisierung wird die nötige Transparenz über die institutionell intendierten Kompetenzniveaus und die tatsächlich erzielten Lernergebnisse geschaffen. Dies fördert auch die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bildungsangeboten in der Sekundarstufe II, weil Teilqualifikationen leichter angerechnet werden können. Die Erarbeitung solcher Bildungsstandards hat für die Gymnasiale Oberstufe bereits begonnen (vgl. S. 227 ff.) und wäre auf die Fachoberstufe zu übertragen. Bildungsstandards sollen die „großen Linien“ (Klieme 2009, S. 45) der Kompetenzentwicklung erfassen; damit sind „die Grunddimensionen und Niveaustufen innerhalb eines Lernbereiches“ (ebd.) gemeint. Sie sind so zu präzisieren, dass mit ihnen belegt werden kann, ob das Bildungssystem insgesamt, die verschiedenen Schulformen und Bildungseinrichtungen sowie nicht zuletzt auch die Einzelschule den gestellten Aufgaben gerecht wird (vgl. Böttcher 2003, S. 220). Für die Einordnung verschiedener Bildungswege genügt gemäß des Entwurfs für den Europäischen Referenzrahmen bzw. für den Deutschen Qualifikationsrahmen schon weniger, nämlich die bildungsbereichsübergreifende Formulierung der Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen. Es wäre sinnvoll, dass diese lernbereichsunabhängigen Standards mit den -abhängigen Standards korrespondieren, auch um diese angemessen zu fundieren. Sie können aber nicht durch lernbereichsabhängige Standards ersetzt werden, weil dann die Idee der Vergleichbarkeit unterschiedlicher, aber gleichwertiger Profile aufgegeben würde. Ob der Qualifikationsrahmen trotzdem genügend Aussagekraft bekommt, wird sich an der Beschreibung, Prüfung und Akzeptanz der Zertifikate entscheiden. Für die Entwicklung sollten daher sowohl die Schulen als auch die Hochschulen die Verantwortung übernehmen. Neben der Herstellung von Vergleichbarkeit durch lernbereichsunabhängige Standards ist aber auch die angemessene Zertifizierung der lernbereichsabhängigen Kompetenzen als überfällige Aufgabe zu sehen, die für das Modell der Fachoberstufe entscheidend ist: Der Erwerb fachspezifischer
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Kompetenzen muss entsprechend anerkannt werden. Bislang hingegen wird die Fachkompetenz der Fachoberschüler institutionell fast völlig übersehen; sie hat beim Hochschulzugang keine entscheidende Bedeutung. Deshalb sind die Inhaber einer Fachhochschulreife gegenüber den Abiturienten der Gymnasialen Oberstufe benachteiligt. Die Forderung nach der adäquaten Anerkennung schulisch erworbener Fachkompetenzen bei der Aufnahme entsprechender Studiengänge ist unverzichtbar – gerade angesichts der institutionell wesentlich höheren Wertschätzung der Allgemeinen Hochschulreife gegenüber der Fachhochschulreife. Mit der Entwicklung eines Qualifikationsrahmens, der das ganze deutsche Bildungssystem umfasst, ist derzeit ein Arbeitskreis betraut, der (mit Beteiligung verschiedener nicht-staatlicher Akteure) von Bund und Ländern eingerichtet wurde. Dieser Arbeitskreis hat einen Entwurf vorgelegt (vgl. AK DQR 2010), in dem darauf verwiesen wird, dass mit dem Qualifikationsrahmen eine „umfassende, bildungsbereichsübergreifende Matrix zur Einordnung von Qualifikationen“ (AK DQR 2010, S. 4) geschaffen wird zum Zweck des Vergleichs der auf verschiedenen Bildungswegen erworbenen fachlichen und personalen Kompetenzen. Der Arbeitskreis (AK DQR 2010, S. 5) betont, dass dieser Qualifikationsrahmen das traditionelle Berechtigungssystem jedoch nicht ersetzen soll. Deshalb berechtige das Erreichen einer bestimmten Niveaustufe auch „nicht automatisch zum Zugang zur nächsten Stufe“ (ebd.) und sei darüber hinaus tarif- und besoldungsrechtlich unverbindlich. Verständlich wird diese Haltung entweder durch die Annahme einer (zukünftig) hohen Bildungsnachfrage, die nicht ausreichend befriedigt werden kann, oder aber der Grund für die Ablehnung einer Gleichsetzung der jeweils erreichten Kompetenzstufe mit dem Erwerb einer Zugangsberechtigung bzw. mit der Qualifikation für die nächst höhere Stufe liegt im fehlenden Vertrauen in die Aussagekraft des Qualifikationsrahmens. Bleiben die Standards und Kompetenzstufen des Qualifikationsrahmens jedoch unverbindlich, käme dem Deutschen Qualifikationsrahmen nicht mehr als eine orientierende Funktion zu, die die bisherige Anerkennungs- und Anrechnungspraxis kaum verändern wird. Das Konzept wäre somit weder für die Bildungsanbieter noch für die -nachfrager wirklich relevant. Noch ist die Entscheidung dieser Frage in Deutschland offen. Soll die Hierarchie zwischen den verschiedenen Bildungswegen jedoch abgeschliffen werden, ist die Antwort eindeutig: Mit dem Erreichen eines bestimmten Kompetenzniveaus sollte ein Anschluss zur nächsten Bildungsstufe verbunden werden. Entscheidend ist mit Bezug auf die kognitive Dimension des Hochschulzugangs zunächst nur das Ziel: Akzeptieren die aufnehmenden
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Bildungseinrichtungen grundsätzlich das Erreichen der vorherigen Kompetenzstufe als allgemeine Qualifikation, dann wäre es geschafft, als Leitidee Anschlüsse statt Abschlüsse im Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum zu etablieren. Dazu kommt als weiteres Prinzip die sachgemäße Standardisierung, bei der nicht Bildungswege den Ausschlag für die Hochschulzulassung geben, sondern die individuellen Kompetenzprofile der Lerner. Davon profitieren nicht nur die Absolventen der Fachoberstufe, sondern auch die nicht-traditionellen Studierenden, insofern die Grundlage für eine bessere Anerkennung von Prior Learning gestärkt wird. Zusammengefasst: Eine Annäherung an den Königsweg durch eine Aufwertung der übrigen Hochschulzugangswege scheint dann erreichbar, wenn die tatsächlich erworbenen (bildungsbereichsabhängigen und -unabhängigen) Kompetenzen der Lerner für den Hochschulzugang besser berücksichtigt werden, weil damit von den jeweiligen Bildungsgängen abgesehen werden kann. Dabei dient die bildungsbereichsunabhängige Feststellung der Lernergebnisse zur Erhebung des Kompetenzniveaus, während die lernbereichsabhängige Standardisierung die Basis für die Beschreibung von Kompetenzprofilen ist. In einem Satz: Das genauere Erfassen und Anerkennen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Lernergebnissen der Gymnasialen Oberstufe und der Fachoberstufe ist ein Mittel zum Abflachen der Hierarchie zwischen dem allgemeinen und dem beruflich orientierten Bildungssektor. 6.3.2
Eine curriculare Alternative zum Gymnasialkorsett
Der Blick auf die Geschichte des Hochschulzugangs in Deutschland hat gezeigt, dass die Aufgabe zur Gestaltung einer studienvorbereitenden Bildung immer wieder mit denselben Problemen konfrontiert ist (vgl. Abschnitt 4.2): Erstens taucht angesichts der anhaltenden Bildungsexpansion stets neu die Frage auf, wie mit der damit verbundenen Heterogenitätszunahme bei den Schülern umzugehen ist. Die zweite Daueraufgabe besteht wegen des wissenschaftlichen Fortschritts darin, die schulischen und hochschulischen Curricula in Bezug auf ihre Aktualität zu reflektieren und zu modernisieren, um sie an den wissenschaftlichen Fortschritt anzupassen. Die gegenwärtigen Antworten auf beide Herausforderungen sind auf schulischer Seite als unbefriedigend herausgestellt worden (vgl. Abschnitt 5.2.1): Denn durch G8 sind die Differenzierungsmöglichkeiten des Unterrichts als wichtigste Strategie zum produktiven Umgang mit der Heterogenität der Schüler tendenzi-
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ell geschrumpft. Zudem verhindern bundeslandspezifische Oberstufenreformen eine curriculare Modernisierung wegen des Aufbaus der ‚Kernfächer‘ zu neuen Hürden und der Erhöhung der Belegpflichten (Ausnahme: Profiloberstufen). Dieses enge curriculare Korsett des Gymnasiums kann nicht allen Schülern passen (und soll es wohl auch nicht). Angesichts der hochschulischen Bemühungen um eine Modernisierung der Curricula (z. B. neue Studiengänge), der Lernziele (Employability, Kompetenzorientierung) und Lernwege (Shift from teaching to learning, Modularisierung etc.) erscheint der gymnasiale Bildungsgang als eine Art Gegenentwurf, mit dem die Differenzierung der Wissenschaften und die Individualisierung der Lebensentwürfe und Bildungsinteressen aufgehalten werden (vgl. Abschnitt 5.2.2). Deshalb war zu bilanzieren, dass die Bildungsreform am Übergang von der Hochschule zur Schule steckengeblieben ist (vgl. Abschnitt 5.2.3). Nun ist zu fragen, wie die hochschulischen Reformbemühungen in der Sekundarstufe II fortgeführt werden können. Für die Notwendigkeit der Fortsetzung sprechen auch die Überlegungen von Huber (2008b), der befürchtet, dass die jüngsten Reformen zu einer Geringschätzung des persönlich bedeutsamen Lernens beitragen: „Von Jahrgang zu Jahrgang mehr werden nun die um einiges jüngeren Absolventen des auf acht Jahre verkürzten Gymnasiums in das Studium eintreten. Ihnen wird die Verkürzung der Mittelstufe [. . .] und die restaurierte Oberstufe, mit ihren stark reduzierten Wahlmöglichkeiten hier und zentralen Abschlussprüfungen da, vollends gelehrt haben, dass es auf die möglichst gute Erfüllung vorgegebener Leistungsanforderungen ankommt und dass auf die Entwicklung individueller Interessen und Profile weder Wert gelegt noch Raum für sie gelassen wird“ (Huber 2008b, S. 204).
Huber (ebd.) meint, dass die G8-Schüler als zukünftige Studierende „in den Bachelor-Studiengängen nur allzu leicht das ihnen vertraute, längst selbstverständliche Muster schulischen Lernens“ wiedererkennen. Die eng vorgegebenen Stundenpläne wie auch die von Beginn an hohe Prüfungsdichte in den neuen Studiengängen laden dazu gewissermaßen ein (vgl. Heublein et al. 2008, S. 6). Damit die Bologna-Reformen an den Hochschulen nicht diese Wirkung entfalten, sind die Hochschulen darauf angewiesen, dass ihre Studierenden bereits als Schüler gelernt haben, mit fremdbestimmten Erwartungen umzugehen und trotzdem selbstständig und selbstverantwortlich zu arbeiten. Der innere Zusammenhang zwischen der schulischen und der hochschulischen Seite des Hochschulzugangs wird an dieser Stelle einmal mehr deutlich. Daher muss auf beiden Seiten darauf geachtet werden,
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wie entsprechende Gelegenheiten für selbstbestimmtes Lernen institutionell verankert werden können, die Zeit und Raum für das Sammeln von Erfahrungen und die Entfaltung persönlicher Interessen und Stärken lassen. Wie kann mit Bezug auf die normative Säule der Institution also der Wechsel der Lehr- und Lernkulturen zwischen der schulischen Vorbereitungs- und der hochschulischen Bewährungsphase gestaltet werden, um den Hochschulzugang für eine größere und heterogenere Schüler- bzw. Studierendenschaft und angesichts der fortschreitenden Wissen(schaft)sexpansion zu öffnen? Mit einem vielfältigen Fächerangebot, das gegenüber der bisherigen Fachoberschule noch deutlich zu erweitern wäre, und einer stärkeren beruflichen Orientierung richtet sich die neue Fachoberstufe an diejenigen, deren Interessen und Kompetenzen nicht primär im engen Gymnasialangebot mit seinen neuen ‚Hauptfächern‘ Deutsch, Mathematik und einer fortgeführten Fremdsprache liegen. Das Bildungsangebot der Fachoberstufe soll eine Alternative zu dem der Gymnasialen Oberstufe darstellen, aber vergleichbare Anschlüsse – den Weg zum Studium oder in eine qualifizierte berufliche Ausbildung – eröffnen. Daher sollte sie aus drei Komponenten bestehen, nämlich a) einem fachlichen Schwerpunkt, b) einem halbjährigen Praktikum und c) einem Kerncurriculum. Die ersten beiden Elemente unterscheiden die Fachoberstufe von der Gymnasialen Oberstufe und könnten etwa die Hälfte der verfügbaren Lernzeit umfassen. Die andere Hälfte bliebe für ein neues ‚Kerncurriculum‘ mit denjenigen Inhalten reserviert, die für diese Phase des Hochschulzugangs im Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum als unverzichtbar gelten (sollen). Ad a: Fachlicher Schwerpunkt Das Bildungsangebot der Fachoberschule ist derzeit am Studienangebot der Fachhochschulen ausgerichtet. Diese Begrenzung des Fächerspektrums wird in der neuen Fachoberstufe mit dem Ziel aufgehoben, die Bildungswahlmöglichkeiten der Fachoberstufenabsolventen zu erweitern, um die Oberstufe für neue Schülergruppen attraktiv zu machen. Die Vergrößerung des Fächerspektrums ist als zusätzliche Maßnahme für die Öffnung des Hochschulzugangs zu sehen, mit der Absicht, besonders die Studienanfängerquote von Studierenden aus bildungsfernen und einkommensschwachen Herkunftsfamilien zu steigern – einerseits aus Gründen der Chancengerechtigkeit und andererseits deshalb, weil das Potential für eine Erhöhung der Studierendenzahlen (angesichts der hohen Übergangsraten der Studierenden aus dem traditionellen Bildungsmilieu, vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, S. 136) vor allem hier zu finden ist.
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Das Fächerspektrum an den Fachoberstufen wäre analog zur Klassifizierung der Bachelor-Fächergruppen (KMK 2003a; 2008b) zu differenzieren. Je nach Größe und Profil können einzelne Fachoberstufenschulen dann Schwerpunkte in einer oder mehreren dieser Fächergruppen anbieten: Sprachund Kulturwissenschaften, Sport und Sportwissenschaft, Sozialwissenschaften, Kunst bzw. Kunstwissenschaft, Mathematik, Naturwissenschaften, Medizin, Agrar- und Forstwissenschaften, Ernährungswissenschaft, Ingenieurwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften. Die Schüler sind damit aufgefordert, sich vergleichsweise früh in einem dieser Bereiche zu spezialisieren. Die Wahl eines solchen Schwerpunktes setzt die Reflexion von Lernzielen, persönlichen Stärken und Schwächen voraus und beruht auf der Übernahme von Verantwortung für den eigenen Bildungsweg. Nun könnte eingewendet werden, dass diese frühe Spezialisierung dem Erwerb von Allgemeinbildung zuwiderlaufe. Mit Bezug auf Abschnitt 4.2.1 wäre dieser Kritik dadurch zu begegnen, dass die in den drei Aufgabenfeldern repräsentierte Grundstruktur der Gymnasialen Oberstufe auch an der Fachoberstufe installiert werden könnte. Dennoch wird betont, dass dieses Konzept mit der Wahl eines Faches, das einen erheblichen Teil des Curriculums einnimmt, eine wirkliche Alternative zu dem rigide verordneten Fächermix des Gymnasiums darstellen soll. Der Zweck des fachlichen Schwerpunkts liegt darin, persönlich bedeutsames Lernen nicht auf später (auf die Zeit nach dem Abitur) zu vertagen, sondern den Schülern Lernumfelder zu bieten, die sie sich in relevantem Umfang und mit Bezug auf ihre persönliche Lebensplanung und ihre beruflichen Vorstellungen selbst wählen können. Zudem trägt dieses Konzept auch der Forderung Hubers (2001a, S. 498) Rechnung, dass Allgemeinbildung und Spezialisierung nicht mehr nacheinander, sondern miteinander erfahrbar werden sollten, was gleichermaßen zur pädagogischen Intention des Praktikums gehört. Ad b: Praktikum Ein Praktikum bezweckt durch die Einbindung außerschulischer Lernorte eine Öffnung der Schule. Im Sinne von Hentigs (2006, S. 68 f.) geht es um „das Hineinwachsen des Individuums in die komplexe und arbeitsteilige, auf politische Mitbestimmung angelegte, von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik bestimmte Welt.“ Auch Stübig (2007, S. 170) hebt die besondere Bedeutung des Praktikums als Ort heraus, an dem die Schüler „Ernsterfahrung sammeln und Lebenswirklichkeit erproben“ können. Damit biete es den Schülern die „Möglichkeit, sich neu einer Verbindung von Lebenswelt und abstraktem Lernen zu öffnen“ (ebd.). Ihre Forderung nach einem
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„halbjährigen Praktikum für alle“ nach der zehnten Jahrgangsstufe richtet sie daher konsequent an die Gymnasiale Oberstufe. Allerdings scheint dieser Vorschlag aufgrund von G8 und dem damit verbundenen Wegfall bzw. der Kürzung der Einführungsphase derzeit kaum realisierbar zu sein. Zudem wäre diesem Modell institutioneller Widerstand sicher, da in Bezug auf die kognitive Säule des Hochschulzugangs die Trennung von allgemeiner und beruflicher Bildung am deutschen Gymnasium weiterhin aufrechterhalten wird. Der Vorschlag zur Einrichtung eines halbjährigen Praktikums zielt deshalb darauf, im Bildungsprogramm der Fachoberstufe allgemeine und berufliche Komponenten stärker miteinander zu verzahnen. Die Integration von arbeitsweltorientierenden und berufsqualifizierenden Elementen in das schulische Curriculum ist insofern als Mittel zur Förderung der Employability in der Sekundarstufe II zu verstehen. Die Schüler absolvieren ihr Praktikum in einem Berufszweig, der zu ihrem gewählten Fachschwerpunkt passt. Die Einrichtung entsprechender Praktikumsplätze ist sicherlich eine große Herausforderung, jedoch ist der organisatorische Aufwand im Vergleich zur Bereitstellung von Lehrstellen im Dualen System als wesentlich niedriger einzuschätzen. Zur Vermeidung eines bloßen Nebeneinanders der Lernworte müsste besonderes Augenmerk auf die Kooperation zwischen den beteiligten Akteuren aus der Fachoberstufe und aus den Betrieben u. a. Einrichtungen, die einen Praktikumsplatz zur Verfügung stellen, gelegt werden. Eine bessere Verzahnung könnte beispielsweise dadurch erreicht werden, dass die Praktikanten innerhalb der Wochengestaltung jeweils einige Tage in ihren Ausbildungsbetrieben verbringen und während der übrigen Tage im Klassenverband miteinander lernen. Das Praktikum beinhaltet für die Schüler eine Möglichkeit zur Reflexion ihrer schulischen Lernerfahrungen (und umgekehrt). Es kann dabei helfen, ihre Einstellung zum Lernen zu erweitern, weil die Schüler im Praktikum die Gelegenheit bekommen, sich selbst in der beruflichen Welt in einer neuen Rolle zu erleben. Für die Schüler, die im gymnasialen Curriculum kaum persönlich bedeutsame Lerngelegenheiten wahrnehmen, ist das Praktikum attraktiv, da diese Lernform deutlich vom ‚normalen‘ Schulalltag abgesetzt ist. Die im fachlichen Schwerpunkt erworbenen theoretischen Kenntnisse werden durch fachpraktische Kompetenzen im Praktikum ergänzt. Die Fokussierung auf das Lernen in einem Schwerpunkt basiert auf der Annahme, dass der Erwerb von fachspezifischen Studierfähigkeiten mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommen muss, um auf diese Weise den Übergang (nicht nur) von der Schule ins Studium für die nicht-
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gymnasialen Schüler zu erleichtern. Denn obwohl die Geltung der Abiturdurchschnittsnote als bester Einzelindikator für eine allgemeine Studierfähigkeit nicht in Frage zu stellen ist (vgl. Abschnitt 4.2.2), reicht dieses Auswahlinstrument schlicht nicht aus: Wenn der Hochschulzugang vielfältiger werden soll, kann nicht nur mit dem „Maß einer globalen intellektuellen Leistungsfähigkeit und eines lernförderlichen Verhaltens“ (Köller/Baumert 2002, S. 15) gemessen werden. Die Entwicklung von fachspezifischen Studierfähigkeitskonzepten (in Kooperation zwischen den abgebenden und den aufnehmenden Bildungseinrichtungen) bezweckt, durch die genauere und fachlich differenzierte Definition der jeweiligen Lernziele und Studienanforderungen zur Öffnung des Hochschulzugangs für eine heterogene Studierendenschaft beizutragen. Ad c: Kerncurriculum Die Wahl eines fachlichen Schwerpunkts und das Absolvieren des Praktikums unterscheiden die Fachoberstufe von der Gymnasialen Oberstufe. Wie bereits im vorherigen Abschnitt 6.3.1 mit Bezug auf die kognitive Säule des Hochschulzugangs angesprochen, ist es aber auch notwendig, dass sich beide Oberstufentypen in Bezug auf bestimmte Aspekte gleichen. Diese Notwendigkeit begründet sich hinsichtlich der normativen Säule einerseits aus den gemeinsamen Zielsetzungen, die Schüler beider Oberstufentypen auf ein Hochschulstudium vorzubereiten bzw. ihnen den Weg in eine vergleichbare berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Andererseits geht es auch um Gleichheit in Bezug auf die Soziale Dimension, d. h. um die Offenlegung von Anforderungen und um die Sicherstellung eines Grundbestands gemeinsamer Bildung – das ist die Frage nach einem Kerncurriculum. Ein Beispiel für das hier Gemeinte sind die obligatorischen „Basiskurse“ am Bielefelder Oberstufenkolleg. Der Begriff des „Kerncurriculums“ als Synonym für einen gemeinsamen ‚Bildungskanon‘ wird im Folgenden im Sinne Böttchers (2005, S. 71) verwendet, der „die Orientierung an einem verbindlichen, transparenten, anspruchsvollen, aber gleichzeitig von jedem Schüler zu erreichenden Wissensund Kompetenzkanon [als] eine Voraussetzung für mehr Gleichheit“ fordert. Dieses Verständnis des Kerncurriculum-Begriffs steht im Gegensatz zur Position, die ausgehend von der vermeintlichen Gegebenheit unterschiedlicher Begabungen das gegliederte Schulsystem mit schulformspezifischen Curricula rechtfertigt. Angesichts der sozialen Selektivität des deutschen Bildungswesens besteht die Funktion des Kerncurriculums innerhalb eines gestuften Systems stattdessen gerade in der Förderung der Kinder aus bildungsfernen
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Schichten (vgl. Böttcher 2005, S. 72). Das Kerncurriculum dient daher nicht nur als Grundlage für Lehrpläne und Leistungsvergleiche, sondern auch als Messlatte für das Erreichen eines bestimmten Bildungsniveaus, das als Voraussetzung für die gleichberechtigte Teilnahme innerhalb der Gesellschaft definiert wird. Dabei liege es auf der Hand, so Böttcher (2005, S. 69), „dass Benachteiligte nicht weniger, sondern im Gegenteil mehr Aufmerksamkeit benötigen, wenn sie von der Schule profitieren sollen.“ Demgemäß impliziert die Forderung nach einem Kerncurriculum immer auch die Forderung nach differenzierten Fördermaßnahmen. In Anlehnung an Klemm (2004, S. 209) wäre eine „positive Diskriminierung“ anzustreben, damit die Lerngruppen vergleichbare Leistungen erreichen können, denen „der im Durchschnitt leistungsstärkere Teil (durch die [G]ymnasiale Oberstufe) entzogen wird.“ Mehr Sachmittel, bessere Lehrer und mehr Lehrerstellen als an den Gymnasien „gleichsam gegen das differentielle Lernmilieu“ (ebd.) wären demgemäß sowohl für die Klassen des berufsbildenden Systems (auf die sich Klemm bezieht), als auch für die der neuen Fachoberstufe zu fordern. Das Kerncurriculum im Böttcherschen Verständnis ist letztlich die Forderung nach einer Liste von Unterrichtsinhalten, mit denen der wichtige Begriff der Allgemeinbildung (vgl. Abschnitt 4.2.1) handhabbar, das heißt hier: beschreibbar und überprüfbar gemacht werden kann. Aus meiner Sicht ist ein solches Kerncurriculum eigentlich nichts anderes als eine aktualisierte Übersetzung von Klafkis Konzept der epochaltypischen Schlüsselprobleme in ein Kompetenzmodell. In diesem Modell kommt der Frage nach der Überprüfbarkeit besondere Bedeutung zu, weil durch die standardisierte Messung von Lernergebnissen offengelegt werden soll, inwiefern das Ziel einer Bildung für alle tatsächlich erreicht wird. Wie ein solches Kerncurriculum detailliert aussehen könnte, gehört nach wie vor zu den offenen Fragen. Eine erste Antwort darauf sind die beiden Bände für ein „Kerncurriculum Oberstufe“, die Tenorth (2001; 2004) herausgegeben hat. Er sieht die Kerncurricula als „Bestandteil der internationalen Bemühungen, die Leistungsfähigkeit von Schulen zu messen, ihre Qualität angesichts unübersehbarer Defizite zu steigern und die Praxis von Unterricht vor allem im Pflichtschulbereich mit Hilfe der Curricula zu normieren“ (Tenorth 2001, S. 11). Der Gerechtigkeitsaspekt taucht bei Tenorth jedoch nicht auf; das Kerncurriculum bezeichnet für ihn „allein das unentbehrliche Minimum der Themen, Inhalte und Lehrformen der Schule“ (Tenorth 2004, S. 18, Hervorh. im Original). Die Gefahr solcher rein fachlich-konzipierter Curricula liegt darin, (ungewollt) einen bürgerlichen Wissens- und Wertekanon aufzustellen, der von Anfang an Schüler aus bildungsnahem Elternhaus
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begünstigt und die bestehenden Ungleichheiten manifestiert, anstatt sie einzuebnen (vgl. Büchner 2008, S. 136; Liebau 2006, S. 54). Deshalb steht Tenorths Kerncurriculummodell hinter dem Ansatz Böttchers zurück. Böttcher, der sein Konzept in die Tradition Bourdieus (1992a) für eine „rationale Pädagogik“ stellt, insistiert zu Recht darauf, dass das Kerncurriculum ein unentbehrliches Element ist, um mit dem Abbau von Ungleichheiten beginnen zu können, weil auf diese Weise die Anforderungen der Bildungseinrichtungen als Kriterien der Allokation und Selektion zumindest durchsichtig gemacht werden. Es liegt auf der Hand, dass dabei ein solches Kerncurriculum gemäß der hohen theoretischen Ansprüche der Bildungsstandards zu konzipieren wäre, damit die individuelle Feststellung bzw. Prüfung von Lernergebnissen dann transparent und rational betrieben werden kann. Im Rahmen dieser Studie werden nur Ansprüche an das Kerncurriculum formuliert, die Konzeption selbst ist nicht zu leisten. In der BolognaAktionslinie zur Förderung der Europäischen Dimension steckt jedoch bereits ein Hinweis für eine inhaltliche Spezifizierung: Wenn es als Ziel der pädagogischen Bildungsarbeit darum gehen soll, eine europäische Identität zu entwickeln und das europäische Denken (vgl. KMK 2008g, S. 7) zu fördern, liegt es nahe, besonders über den Erwerb von Fremdsprachen zur Förderung der Kommunikation zwischen den europäischen Bürgern nachzudenken (vgl. Berliner Kommuniqué, S. 306). Welche Bedingungen finden sich dafür gegenwärtig in der Sekundarstufe II? Bislang gehören Kenntnisse in einer zweiten Fremdsprache primär zum gymnasialen Curriculum; die Gymnasiasten belegen üblicherweise bereits in der Sekundarstufe I mindestens vier Jahre lang zwei Fremdsprachen. In diesem Fall müssen sie in der Qualifikationsphase nur noch eine Fremdsprache fortführen (vgl. KMK 2006, Abschnitt 7.3). Dementgegen müssen diejenigen Schüler, die „keinen oder keinen bis zum Eintritt in die [G]ymnasiale Oberstufe durchgehenden Unterricht in einer zweiten Fremdsprache erhalten haben, [. . .] in der [G]ymnasialen Oberstufe durchgehend Unterricht in einer zweiten Fremdsprache mit einem Volumen von 12 Jahreswochenstunden belegen und dürfen dabei kein Schulhalbjahr in der Qualifikationsphase mit 0 Punkten abschließen“ (KMK 2006, Abschnitt 7.4). Infolgedessen wird diesen Schülern (über die Hürde des Zugangs zur Gymnasialen Oberstufe hinaus) durch diese Belegpflichten auch die Qualifikationsphase erschwert, weil sie stärker reglementiert wird. Bemerkenswert ist weiterhin, dass sich die Anforderungen für den Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife von denjenigen der Fachgebundenen Hochschulreife ebenfalls durch die zweite Fremdsprache unterscheiden. Mit anderen Worten, der allgemeine Zugang zur Uni-
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versität wird in Deutschland ganz erheblich über die zweite Fremdsprache gesteuert, genauer: über die Dauer dieses schulischen Fremdsprachenunterrichts (und nicht über die am Hochschulzugang tatsächlich festgestellte Fremdsprachenkompetenz der Studienbewerber). Nicht objektiv-geprüfte Lernergebnisse, sondern schulformspezifische Lernwege fungieren damit als Kriterien für den universitären Hochschulzugang. Weil die zweite Fremdsprache also eine nach Schulform selektierende Hürde bildet, sollte sie im Kerncurriculum der Oberstufe nicht verankert werden. Angesichts der zweifellos enormen Bedeutung der Mehrsprachigkeit für die Förderung der Europäischen Dimension wäre jedoch zu überlegen, ob der Unterricht in einer zweiten Fremdsprache stattdessen nicht bereits für alle Schulformen der Sekundarstufe I verbindlich gemacht werden könnte (und der Unterricht in der ersten Fremdsprache ab Beginn der Pflichtschulzeit). Fazit: Hinsichtlich der ersten Daueraufgabe bei der Konzeption einer studienvorbereitenden Bildung bietet die Fachoberstufe mit den beiden Komponenten des fachlichen Schwerpunkts und des Praktikums ein Angebot, das der zunehmenden Heterogenität der Schüler besser gerecht werden kann, weil eine Alternative zur Gymnasialen Oberstufe offeriert wird. Kurz: Der Hochschulzugang wird jenseits des Königswegs geöffnet. Ergänzend soll mit dem Kerncurriculum ein gemeinsamer Grundbestand an Bildung, also „Allgemeinbildung“ sichergestellt werden. Das Kerncurriculum basiert auf der Idee, durch Transparenz die Voraussetzungen für mehr Gerechtigkeit hinsichtlich der hohen sozialen Selektivität des deutschen Bildungswesens zu schaffen. Angesichts der zweiten Daueraufgabe, wie vor dem Hintergrund der Wissensexpansion eine bessere Passung bzw. Vorbereitung auf die Hochschulen erfolgen kann, intendiert die Fachoberstufe den Abschied von dem Konstrukt der „allgemeinen Studierfähigkeit“ zugunsten der Entwicklung fachspezifischer Studierfähigkeiten. 6.3.3
Anerkennung der Vielfalt als Antwort auf die verlorene Einheitlichkeit
In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis von Abitur und Hochschulzulassung in Deutschland merklich verändert: Angesichts der langfristig steigenden Abiturientenzahlen, die auch der Entkopplung von Abschluss und zugehöriger Schulform geschuldet ist (vgl. Abschnitt 5.3.1), wurde die Forderung nach hochschuleigenen Auswahlverfahren immer vehementer. Die neuen Bestimmungen des 7. HRGÄndG, die Einführung erweiterter Aus-
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wahlrechte für die Hochschulen und die Vorgabe, den Grad der schulischen Qualifikation bei der Studienplatzvergabe maßgeblich zu berücksichtigen, haben dann zu einem enormen Anstieg lokaler Zulassungsbeschränkungen – meist in Form des Numerus Clausus – geführt, von denen die Abiturbesten profitieren (vgl. Abschnitt 5.3.2). Während durch die Entkopplung der Abschlüsse von den Schulformen teilweise frühere Selektionsentscheidungen revidiert und variantenreichere Bildungsverläufe ermöglicht werden können, wirken die aktuellen Hochschulzulassungsgesetze der Bundesländer restriktiv, d. h. die Hochschulen nutzen ihre Auswahlmöglichkeiten primär zur Abgrenzung gegen die vermeintlich hohe Studiennachfrage und kaum zur Herstellung einer besseren Passung zwischen Studienangebot und Studienbewerberin. Daher war die Dysfunktionalität des Abiturs zu bestätigen und die Bedeutung der hochschuleigenen Auswahlverfahren situativ abhängig von einer hohen oder niedrigen Studiennachfrage zu unterscheiden (vgl. Abschnitt 5.3.3). In Bezug auf die regulative Säule wird das Studienangebot gemäß der Vorausberechnungen der Studienbewerberzahlen nicht ausreichen, um die in den kommenden Jahren durch die G8-Doppeljahrgänge entstehende erhöhte Nachfrage zu befriedigen. Die gymnasiale Schulzeitverkürzung droht in Folge dessen zum Nachteil für die betroffenen Jahrgänge zu werden. Dabei soll nicht vergessen werden, dass im Wettbewerb um knappe Chancen voraussichtlich vor allem diejenigen abgedrängt werden, deren Ausgangspositionen bereits schlechter waren. Wie kann – nicht nur in den nächsten Jahren – für einen gerechter gestalteten Hochschulzugang dementgegen speziell die Studienentscheidung von Studienberechtigten aus nicht-akademischen Elternhäusern unterstützt werden? Um insgesamt eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung zu erreichen, muss bereits im Schulsystem der Anteil am Altersjahrgang erhöht werden, der über die notwendigen Qualifikationen für ein erfolgreiches Studium verfügt (vgl. Wissenschaftsrat 2006, S. 29). Dies kann gelingen, wenn institutionell die Anschlussfähigkeit zwischen den abgebenden und aufnehmenden Bildungseinrichtungen verbessert wird. Hinsichtlich der regulativen Dimension des Hochschulzugangs wird deshalb vorgeschlagen, a) die Fachhochschulreife abzuschaffen und b) die allokativen Hochschulzulassungsverfahren auszubauen. Ad a: Abschaffen der Fachhochschulreife In der Fachoberschule wählen die Schüler einen fachlichen Schwerpunkt; trotzdem erhalten sie schließlich mit der Fachhochschulreife eine Studienberechtigung für das gesamte Fächerspektrum der Fachhochschule. Dies
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führt zu der paradoxen Situation, dass beispielsweise eine Fachoberschülerin mit dem Schwerpunkt Wirtschaft zwar an einer Fachhochschule einen Studiengang im Bereich Gestaltung studieren kann, ihr ein universitäres Wirtschaftsstudium jedoch versperrt bleibt.66 Mit anderen Worten: Die fachspezifischen Kompetenzen werden der Fachabiturientin nicht adäquat anerkannt, während ihr gleichzeitig eine unspezifizierte und empirisch nicht begründete ‚Fachhochschulstudierfähigkeit‘ attestiert wird. Deshalb sollte die Fachhochschulreife abgeschafft und durch die Fachgebunde Hochschulreife ersetzt werden. Die mit der Fachgebundenen Hochschulreife zertifizierten Kompetenzen bedeuten für die Fachoberstufe, in der der fachliche Schwerpunkt einen hohen Anteil des Curriculum ausmacht, eine adäquatere Anerkennung der tatsächlich erbrachten Leistungen. Die Berechtigung der Fachgebundenen Hochschulreife sollte dann gemäß des gewählten Schwerpunkts der schulischen Qualifikation für die entsprechende Fächergruppe der Bachelorstudiengänge gelten. Im Unterschied zum Konstrukt der Allgemeinen Fachhochschulreife wäre die Beschränkung der Berechtigung auf ein Fach bzw. eine Fächergruppe sachlich gerechtfertigt. Das Abschaffen der Fachhochschulreife könnte zunächst als Engführung wahrgenommen werden, weil mit der Fachgebundenen Hochschulreife kein allgemeiner Zugang mehr für das gesamte Studienangebot der Fachhochschule verbunden ist. Bedeutet das nicht, die Wahlmöglichkeiten der Fachhochschulabsolventen noch mehr einzugrenzen? Die Einschränkung der Berechtigung auf die entsprechende Fächergruppe ist aber dann keine Engführung, wenn auch die Möglichkeiten flexibilisiert werden, um innerhalb der Sekundarstufe II Wahlkorrekturen vorzunehmen zu können. Möchte beispielsweise nach einem Jahr eine Fachoberstufenschülerin ihren fachlichen Schwerpunkt wechseln, sollte es selbstverständlich sein, dass ihre bisher erworbenen Lernergebnisse weitestgehend angerechnet werden. Dennoch wird sich in diesen Fällen die Oberstufenzeit um ein halbes oder ganzes Schuljahr verlängern, damit das entsprechende Kompetenzniveau im neu gewählten fachlichen Schwerpunkt erreicht werden kann. Diese Verlängerung der Schulzeit dient dem Erwerb einer fachspezifischen Studierfähigkeit und soll als gezielte Vorbereitung auf ein entsprechendes Studium den Hochschulzugang erleichtern. 66
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Zwar war es bislang möglich, mit bestandener fachhochschulischer Vor- bzw. Zwischenprüfung eine Fachgebundene Hochschulreife zuerkannt zu bekommen (‚Bewährungsaufstieg‘), allerdings entfällt diese Übergangsmöglichkeit zur Universität durch die Einführung des gestuften Studiensystems, in dem die Möglichkeit eines Wechsels erst nach dem Bachelorabschluss vorgesehen ist.
Der Vorschlag zur Streichung der Fachhochschulreife lässt die Allgemeine Hochschulreife der Gymnasialen Oberstufe unberücksichtigt; damit bleibt ihr Berechtigungsumfang nach wie vor größer als derjenige der Fachgebundenen Hochschulreife. Trotzdem ist dieser Vorschlag als Upgrading und als Annäherung an die Allgemeine Hochschulreife zu verstehen, weil mit der Fachgebundenen Hochschulreife der Zugang nicht nur zu den Fachhochschulen, sondern auch zu den Universitäten eröffnet wird. Die sozial-selektive Lenkungswirkung der Fachhochschulreife zur Fachhochschule wird auf diese Weise institutionell aufgehoben. Allgemein ist das Abschaffen der Fachhochschulreife als Schritt zur Aufwertung beruflich orientierter Bildungsabschlüsse zu verstehen. Nachdem im Zuge des Bologna-Prozesses bei den Bachelor-Studiengängen nicht mehr grundsätzlich nach Hochschultyp unterschieden wird, sollten sich die hochschulartspezifischen Studienberechtigungen desgleichen erübrigen; auch das ist mit dem Verzicht auf die Fachhochschulreife intendiert. Nebenbei erwähnt, wird der Abschied von der Allgemeinen Hochschulreife voraussichtlich ebenfalls, aber auf einem anderen Weg erfolgen: Huber (2009, S. 187) geht davon aus, dass der „Geltungsanspruch des Abiturs als allgemeine Hochschulzugangsberechtigung [. . .] absehbar immer mehr zur Fiktion“ wird. Dafür sprechen zwei Entwicklungen, nämlich einerseits die gewachsene Bedeutung der hochschuleigenen Auswahlverfahren und andererseits die zu erwartende europäische Angleichung: Die hochschuleigenen Auswahlverfahren reduzieren einerseits die Bedeutung des deutschen Abiturs, da die schulische Qualifikation nur noch eine Voraussetzung für die Hochschulzulassung darstellt, aber kaum noch den Charakter einer allgemeinen Studienberechtigung hat. Die Öffnung der europäischen Bildungssysteme zueinander bewirkt andererseits langfristig eine Anpassung der Anerkennungspraktiken wegen des leitenden Prinzips der Gegenseitigkeit (vgl. Abschnitt 6.2.1), das gewissermaßen am ‚kleinsten gemeinsamen Nenner‘ ansetzt. Daher ist es nicht erstaunlich, dass auch in der Rahmenordnung für den Hochschulzugang mit ausländischen Bildungsnachweisen der KMK (2006b) geregelt ist, dass die Anerkennung ausländischer Qualifikationsvoraussetzungen (über die „im Rahmen von Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahren die Hochschulen“ entscheiden) in jedem Fall „auf den angestrebten Studiengang begrenzt“ (KMK 2006b, S. 2) ist. Mit anderen Worten: Selbst in Deutschland (mit seiner langen Tradition des Abiturs) wird prinzipiell keiner ausländischen schulischen Qualifikation der Status einer Allgemeinen Hochschulreife zugestanden (vgl. auch KMK/BMBF 2006, S. 3). Insgesamt kann daher prognostiziert werden, dass das gymnasiale Abitur mit seinem
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großen Berechtigungsumfang nicht zu halten sein wird. Am Ende dieser Entwicklung sollten dann hochschultyp-spezifische ‚Zubringer-Schulen‘ obsolet sein. In den meisten Bundesländern besteht bereits die Möglichkeit für die Hochschulen, von der Vorgabe abzuweichen, dass als Qualifikation für die Universität die Allgemeine Hochschulreife und für die Fachhochschule zumindest die Fachhochschulreife nachzuweisen ist. Beispielsweise darf in Niedersachsen eine Universität eine Öffnung ihrer Bachelorstudiengänge für Studienberechtigte mit Fachhochschulreife vornehmen (vgl. NHG, § 18, Satz 3). In Sachsen-Anhalt sollen generell die einzelnen Hochschulen selbst entscheiden, welche Studiengänge mit welcher Art der Hochschulreife aufgenommen werden dürfen (vgl. HSG LSA, § 27, Satz 2). Am weitesten geht derzeit Hessen: Hier wird als Nachweis für die Qualifikation für einen gestuften Studiengang an einer Universität die Fachhochschulreife überall und allgemein zugelassen (vgl. HessHG, § 63, Satz 2). Damit ist im Zuge der Umstellung auf das gestufte Studiensystem die Unterscheidung der hochschulart-spezifischen Qualifikationen de facto aufgegeben worden. Allerdings haben in Hessen die einzelnen Hochschulen wiederum die Möglichkeit, von dieser Regelung durch Satzung abzuweichen (siehe das Beispiel der Universität Frankfurt; Hartmann 2008). Darüber hinaus wird in einzelnen Studiengängen die Zulassung oft von Kriterien abhängig gemacht, mit denen bezweckt wird, den Zugang für Inhaber einer Fachhochschulreife gezielt zu erschweren (vor allem mit dem Nachweis von Kenntnissen in einer zweiten Fremdsprache). Salopp formuliert, geht es hier also um das Problem, dass die Hochschulen machen können, was sie wollen. Dabei wird insbesondere das Potential der allokativen Hochschulauswahlverfahren nicht ausgeschöpft. Ad b: Allokative Auswahlverfahren Für die Hochschulen bedeutet die Forderung nach einer weitergehenden Erhöhung der Bildungsbeteiligung in erster Linie ein Kapazitätsproblem. Deshalb werden die neuen Auswahlmöglichkeiten überwiegend für die Limitierung des Zugangs sowie für die Selektion der Studienbewerber genutzt und nicht für den Gewinn neuer Studierendengruppen (vgl. Wolter 2008, S. 33). Für die Studienberechtigten bewirkt diese Entwicklung letztlich eine Privilegierung des Abiturbesten, weil der (lokale) Numerus Clausus zum am meisten eingesetzten Zulassungsverfahren geworden ist. Mit dem Numerus Clausus werden die Kompetenzprofile der Studienberechtigten nicht angemessen berücksichtigt, weil in der Abiturdurchschnittsnote die spezi-
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fischen Fachkompetenzen nicht genügend abgebildet werden. Deshalb ist auch der Vorschlag der HRK (2008c) unbefriedigend, die Abschlussnoten von Aus- oder Weiterbildungen der beruflich Qualifizierten analog zur Abiturdurchschnittsnote in Numerus Clausus-Verfahren zu einzubeziehen.67 Stattdessen sollten die Kompetenzen der (Fach-)Abiturienten beim Hochschulzugang genauer berücksichtigt werden. Denn es müsste entgegen der an vielen Universitäten wohl vorherrschenden Meinung darum gehen, die Kriterien für Auswahlverfahren zu flexibilisieren anstatt ihre Selektionsfunktion zu verstärken. „Alternative Bildungswege müssten ebenso wie informell und nicht-formal erworbene Kompetenzen anerkannt werden,“ meinen auch Bloch et al. (2006, S. 95). In Abschnitt 4.3.2 wurde herausgestellt, dass für diesen Zweck insbesondere Passungsverfahren eingesetzt werden können, bei denen die spezifischen Studienanforderungen mit dem Kompetenzprofil der Studienbewerber abgeglichen werden. Statt subjektiver Auswahlgespräche, die einen sozial-restriktiven Charakter annehmen können, müssten allerdings objektive (standardisierte) Verfahren eingesetzt werden. Wiederum scheint die Orientierung an Kompetenzen dafür eine vielversprechende Lösung zu sein: Die schulischen Abschlüsse müssten langfristig eben auch als Kompetenzprofile lesbar gemacht und als solche in Zulassungsverfahren verwendet werden. Auf diese Weise würden sich der erste und zweite vom dritten Hochschulzugangsweg nicht mehr essentiell unterscheiden: Ob die notwendigen Kompetenzen für den Zugang zu einem bestimmten Studiengang nun an einem Gymnasium, der Fachoberstufe oder im Rahmen einer Berufstätigkeit erworben wurden, spielt dann keine Rolle mehr. Lüthje und Wolter (2005, S. 71) weisen zu Recht darauf hin, dass „[s]tudienqualifizierende Kompetenzen [. . .] heute keineswegs mehr allein im Rahmen schulischer (d. h. gymnasialer) Bildungs- und Lernprozesse erworben“ werden; auch berufliche Qualifikationswege können zu „Erfahrungen, Qualifikationen und Kompetenzen“ führen, um „die Anforderungen eines Hochschulstudiums erfolgreich zu meistern“ (ebd.). Die zusätzliche Einrichtung „einer Bildungsweg unabhängigen individuellen Kompetenzprüfung“, die Lüthje und Wolter (2005, S. 73) vorschlagen, liegt damit nahe. Stimmen Kompetenzprofil und Studienanforderungen nicht überein, könnten zudem in der hochschulischen Bewährungsphase kompensierende Bildungsangebote gemacht werden, um die Studienbewerber beim Hochschulzugang gezielt zu unterstützen. Wie können nun die Hochschulen dazu angehalten werden, ihre Hoch67
Eine positive Berücksichtigung der beruflichen Kompetenzen sieht die HRK (2008c) nur als ergänzende Option im Rahmen der o. g. Zulassungsverfahren.
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schulzulassungsverfahren stärker auf diese Weise zu arrangieren? Die Hochschulen haben stets bekräftigt, dass ihre Forderung nach mehr Auswahlrechten dadurch motiviert sei, „die individuellen studiengangspezifischen Eignungen der Studienbewerber [. . .], die nur von Hochschulen selbst bewertet werden können, bei der Zulassungsentscheidung besser als bisher zu berücksichtigen“ (HRK 2004, o. P.). Es hieße die Hochschulen nur bei ihrem Wort zu nehmen, wenn man die Einführung lokaler Zulassungsbeschränkungen an die Bedingung knüpfte, ausschließlich kompetenzorientierte, standardisierte Zulassungsverfahren anzuwenden, deren Validität, Reliabilität und Objektivität im Rahmen von Qualitätssicherungsmaßnahmen überprüft und bei der (Re-)Akkreditierung zu zertifizieren sind. Ein Element solcher Zulassungsverfahren könnte beispielsweise ein verpflichtender „Beratungsvorgang“ sein, der ganz im Sinne der HRK (2004, o. P.) „zur größeren Sicherheit der Studienentscheidung und daher zur Senkung der Abbruchquote“ beiträgt. Eine professioneller gestaltete und regelmäßig stattfindende Bildungslaufbahnberatung – nicht nur bei der Hochschulzulassung – könnte insgesamt die Studienerfolgsquote verbessern. Dem Problem der Doppeljahrgangsphase wird mit diesen Vorschlägen allerdings kaum mehr beizukommen sein, da ihre Umsetzung nicht ad hoc erfolgen kann. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel herausgestellt, kann es hier auch nicht um mehr gehen, als bestimmte Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen und neue Orientierungen zu bieten. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls der Vorschlag zu sehen, übergangsweise das Kriterium der Wartezeit bei der Hochschulzulassung stärker zu gewichten. Auf diese Weise könnten die Abiturienten der Doppeljahrgänge dafür ‚entschädigt‘ werden, dass sie aufgrund der höheren Konkurrenz um die zur Verfügung stehenden Studienplätze nicht dieselben Chancen für eine sofortige Zulassung haben wie andere Jahrgänge. Zwar wird auch damit nicht verhindert, dass das entstehende Chancendefizit weitergereicht wird, aber zumindest werden die Studienbewerber nicht zu lange auf ein ‚Abstellgleis‘ geschoben. Dieser Vorschlag ist gegen die Empfehlung der HRK (2004, o. P.) gerichtet, zukünftig ganz auf das Wartezeitkriterium „wegen seiner geringen Prognosekraft für den Studienerfolg, seiner sozialen Selektion und seiner Doppelbelastung des Ausbildungssystems künftig“ zu verzichten. Resümee: Durch das Abschaffen der Fachhochschulreife wird erstens die institutionelle Lenkungswirkung dieser Hochschulzugangsberechtigung aufgehoben. Die Substitution der Fachhochschulreife durch die Fachgebundene Hochschulreife ist ein weiterer Schritt zur Stärkung von Abschlüssen, die
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von den traditionell zugehörigen Schulformen entkoppelt werden. Allokative Passungsverfahren können zweitens dazu beitragen, den Hochschulzugang kontinuierlich zu flexibilisieren und langfristig die Studierendenquote in einer diversifizierten Hochschullandschaft relevant zu erhöhen. Den Hochschulen sollten dabei nicht nur Anreize gesetzt (z. B. „Geld folgt Studierenden“), sondern auch verbindliche Umsetzungsvorgaben gemacht werden (keine lokale Beschränkung von Studiengängen ohne den Nachweis über sachgemäße Zulassungsverfahren), damit allokative Auswahlverfahren auch in Zeiten erhöhter Studiennachfrage angewendet werden. Beide Vorschläge sind als Antworten auf die zerfallene Einheitlichkeit des Hochschulzugangs (vgl. Kapitel 1) zu verstehen. Gesellschaftliche und wissenschaftliche Diversifizierungsprozesse werden nicht länger ignoriert, sondern zum Anlass genommen für die adäquatere Anerkennung vorhandener Kompetenzen und die institutionelle Förderung der Studienbewerber, um die Kompatibilität zwischen unterschiedlichen Bildungssektoren sowie die Anschlussfähigkeit der abgebenden und aufnehmenden Bildungseinrichtungen (wieder) zu verbessern.
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Schritte und Schlüsse
Kurz zusammengefasst, ist in dieser Studie untersucht worden, inwiefern sich der Hochschulzugang unter den Bedingungen des Bologna-Prozesses verändert. Aufgezeigt wird, dass nur die hochschulische Seite dieser gewichtigen Institution des deutschen Bildungssystems modernisiert, die schulische Seite hingegen im Wesentlichen restauriert wird. Aufgrund dieser gegenläufigen Entwicklungen ist von einer grundlegenden Modernisierung des Hochschulzugangs in Deutschland nicht zu sprechen; mehr denn je muss hingegen die Kompatibilität zwischen den abgebenden und den aufnehmenden Bildungseinrichtungen bezweifelt werden. Dieser Befund wiederholt sich folgerecht auf der europäischen Ebene bei der Frage nach der Anschlussfähigkeit der nationalen Bildungssysteme. Beim Hochschulzugang kann bislang also das Ziel eines Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums noch nicht als erreicht gelten. Als mögliche Lösung für dieses Problem wird vorgeschlagen, die Sekundarstufe II in den Bologna-Prozess aufzunehmen. In diesem Rahmen ist auch das Plädoyer zu sehen, innerhalb Deutschlands die Fachoberschule zu einer Fachoberstufe auszubauen, um eine Öffnung des Hochschulzugangs jenseits des Königswegs zu erreichen. Die Hochschulreform wird ferner als erster Baustein für einen europäischen – alle Bildungsstufen umfassenden – Bildungsraum interpretiert, der ein zentrales Element für den gesellschaftlichen Wandel zu einem „Europa des Wissens“ darstellt. Abschließend erfolgt nun ein Blick auf den Argumentationsgang, der in Beziehung zu den theoretischen Leitlinien und methodischen Orientierungen gesetzt wird (vgl. Kapitel 1). Auf diese Weise sollen die wesentlichen Schritte und Schlüsse dieser Studie verdichtet dargestellt werden. (Ergänzend ist auf die Zusammenfassungen zu verweisen, die jeweils in die einzelnen Kapitel integriert worden sind.) Retrospektiv sind drei Thesen herauszuheben, die für den Gang meiner Überlegungen entscheidend waren: - Der Bologna-Prozess ist eine Politikstruktur, mit der sowohl international als auch intranational weitreichende Reformen im Bildungswesen initiiert werden konnten.
309 S. Klomfaß, Hochschulzugang und Bologna-Prozess, DOI 10.1007/978-3-531-93227-9_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
- Die alte Struktur des Hochschulzugangs (die aus einer schulischen und einer hochschulischen Seite besteht) wird durch den Bologna-Prozess in Deutschland zwar erschüttert, aber nicht umgeworfen. - Die europäische Hochschulreform ist nur ein anfänglicher, wenngleich entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Bildungsraum. Die Aufgabe ist es im Folgenden, die Schritte nachzuzeichnen, die zu diesen Schlüssen geführt haben. Bologna – von Problemverarbeitungsprozessen zum Reformklima Mit der Arbeit an Teil I dieser Studie habe ich im Jahr 2004 begonnen. Zu dieser Zeit war nicht sicher, wie sich der Bologna-Prozess in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts weiter entfalten würde; ein Versanden oder sogar eine Umkehr des Prozesses schienen noch möglich. Die Beantwortung der Frage, was der Bologna-Prozess überhaupt sei, erfolgte damit nicht in der Rückschau, sondern fast zeitgleich zum Fortgang der Reformen und musste daher parallel verfolgt werden. Vor allem in Kapitel 2 wird dies bei der Dokumentation der Bologna-Konferenzen und dem Aufbau des BolognaProgramms auf der internationalen Ebene deutlich. Obwohl es zeitweise etwas mühsam war, mit der Dynamik der Reformen Schritt zu halten, ist doch auf diese Weise die Relevanz des Prozesshaften sehr deutlich geworden, die sich in der methodischen Orientierung wiederfinden sollte. Dafür bietet die Policy-Forschung einen Ansatz, mit deren Phasenmodell das Bologna-Projekt als Problemverarbeitungsprozess gut zu erfassen ist. Mit dem Fokus auf der inhaltlichen Dimension von Politik, der Policy, wird die Entwicklung der unterschiedlichen Bologna-Aktionslinien von der internationalen, europäischen bis zur intranationalen Politikebene in Deutschland verfolgt. Unterdessen zeigt sich, dass einzelne Aktionslinien während des Prozesses verändert und insgesamt recht unterschiedlich bearbeitet und umgesetzt worden sind. Von einem einstimmigen Gelingen des Policy-Bündels kann daher nicht die Rede sein (vgl. Abschnitt 2.4.1 und 3.2.3). Trotzdem ist zu konstatieren, dass die europäische Hochschulreform ein bildungsreformerischer Erfolg ist, weil innerhalb von kurzer Zeit gravierende Veränderungen angestoßen werden konnten, die mit dem Verweis auf das große Ziel des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums legitimiert wurden. Zugleich muss auf die Mehrdeutigkeit dieses Ziels hingewiesen werden: Einerseits steht der Bologna-Prozess auf der internationalen Ebene für die Förderung der Kommunikation zwischen den europäischen Bürgern und die Entwick-
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lung einer gemeinsamen Identität, andererseits geht es um die Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte für den europäischen Arbeitsmarkt sowie um den Versuch der Blockbildung im globalisierten Bildungsmarkt. Hinzu kommen jeweils unterschiedliche Motive auf der intranationalen Ebene – in Deutschland sind das vor allem die als Problem wahrgenommenen langen Studienzeiten, die hohe Abbruchquote und auch die geringe internationale Attraktivität des Studienstandorts gewesen. Die Tragweite des nun aufgekommenen bildungspolitischen Reformklimas muss eigens hervorgehoben werden. Warum die europäische Hochschulreform so viel bewegt hat, mag daran liegen, dass erstens die kooperative Form der Modern Governance für das politische Vorgehen richtig gewählt wurde, dass zweitens mit einzelnen (nicht allen) Aktionslinien prägnante Policies formuliert werden konnten und dass drittens die große Idee des Projekts – das Schaffen des Gemeinsamen Europäischen Hochschulraums – von allen Akteuren als plausibles und wünschenswertes Ziel anerkannt wurde. Und doch bleibt es, in Anlehnung an Huber (2008b, S. 295), rätselhaft, „wie aus eigentlich nur einer Deklaration bei einem Treffen europäischer Wissenschaftsminister eine Art Systemzwang entstand, dem sich zahlreiche nationale und föderale Regierungen und Parlamente einfügten und ungezählte Hochschulen, wenn auch zögernd, beugten.“ Genau an diesem Punkt kommt der Policy-Ansatz an seine Grenzen: Denn im Rahmen eines Problemverarbeitungsprozesses kann ein solcher rätselhafter Systemzwang nicht erklärt werden. Um einerseits dieses Entstehen eines bildungspolitischen Reformklimas allgemein zu begreifen und andererseits das besondere Klima von Bologna zu erfassen, eignet sich das Paradigmenmodell von Thomas S. Kuhn (1976): Nachdem bereits auf der internationalen Bologna-Ebene auffällt, dass die Maßnahmen und Ziele immer wieder entlang von zwei Denklinien begründet worden sind (vgl. Abschnitt 2.4.2), ist dieses Phänomen dann in Abschnitt 3.3 als Paradigmenwechsel interpretiert worden. Die verschiedenen Bologna-Policies lassen sich dem Paradigma der Wissensgesellschaft bzw. dem der OutputOrientierung zuordnen. Durch die Suggestion von Fortschritt, Zukunftsund Innovationsfähigkeit der Wissensgesellschaft und die mit Wettbewerb und der Chance auf neue Wege assoziierte Generalmethode der OutputOrientierung sind spezifische Denkrahmen entstanden, in denen diskutiert und agiert wird. In Deutschland ist der Wechsel zu diesen Paradigmen im Vergleich zu anderen Ländern (z. B. Großbritannien, in dem die OutputMessung bereits während der Thatcher-Ära im Bildungswesen Einzug gehalten hatte) in relativ kurzer Zeit erfolgt. Aufgrund dieser Kürze und dem
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bis dahin beharrlichen Festhalten an den alten Paradigmen (also an der Vorstellung eines begrenzten gesellschaftlichen Bedarfs an Akademikern sowie an der Input-Steuerung) könnten die Bologna-Reformen hierzulande als besonders drastisch wahrgenommen worden sein. Die Paradigmentheorie von Kuhn bietet – über das Sichtbar-Machen solcher Denkschemata hinaus – ebenfalls eine Erklärung für das Aufkommen eines Reformklimas: Weil die bekannten Gegenstände „in einem neuen Licht erscheinen und auch unbekannte sich hinzugesellen“ (Kuhn 1976, S. 123), entsteht die nötige Aufmerksamkeit für Veränderungsvorhaben, die nun als notwendig und dringlich wahrgenommen werden. Damit ist der Argumentationsgang nachgezeichnet worden, der zum ersten Kernpunkt führt: Durch das Bologna-Projekt sind weitreichende Bildungsreformen möglich geworden. Die Institution Hochschulzugang und der Angriff der Bildungsreform In Teil II dieser Arbeit wurde untersucht, wie sich der Hochschulzugang in Deutschland unter den Bedingungen des Bologna-Prozess verändert. Anders formuliert: Was passiert, wenn ein politischer Prozess auf einen Stützpfeiler des deutschen Bildungssystems trifft? Um die Bologna-Argumentationslinie mit dem Hochschulzugang verbinden zu können, muss dieser zuvor jedoch genauer bestimmt werden. Mit Blick auf die Geschichte wird schnell evident, dass der auf dem alten Konstrukt des einheitlichen Übergangs vom Gymnasium zur Universität beruhende Königsweg bis heute die Grundstruktur des Hochschulzugangs in Deutschland darstellt. Was genau macht nun die bemerkenswerte Festigkeit und Dauerhaftigkeit des Königswegs aus? Für diese Frage ist eine neo-institutionalistische Betrachtungsweise insofern geeignet, als sich diese Forschungsrichtung mit den Strukturen von Institutionen beschäftigt. Untersucht wird, wie solche soziokulturellen Gefüge funktionieren, die Richard Scott (1995, S. 33 ff.) zufolge entlang kognitiver, normativer oder regulativer Säulen konstruiert werden können. Um diesem Ansatz entsprechend die institutionellen Strukturen aufzudecken, sind drei zentrale Elemente des Königswegs ausgewählt worden: In kognitiver Hinsicht ist den tradierten Selbstverständlichkeiten von Gymnasium und Universität zu folgen; in der normativen Dimension sind die Ziele und Inhalte der „Allgemeinen Hochschulreife“ repräsentiert. Maßgeblich mit dem Abitur, aber auch durch die Zulassungsverfahren wird der Hochschulzugang an der regulativen Säule gesteuert. Insgesamt kann die dauerhafte Stabilität des Königswegs auf die über die Jahrhunderte im deutschen Bildungssystem tief verwurzelten Strukturen zurückgeführt werden (vgl. Abschnitt 4.4).
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Mit den in der neo-institutionalistischen Theorie entwickelten Begriffen der De- und Re-Institutionalisierung wird die Argumentation in Kapitel 5 dann einen wichtigen Schritt vorangebracht: Im institutionellen Kontext erscheint die europäische Hochschulreform nun nicht mehr ausschließlich als ein im Großen und Ganzen rational ablaufender Problemverarbeitungsprozess, sondern sie muss als De-Institutionalisierung, d. h. als Angriff auf den Hochschulzugang gedeutet werden, in dessen Folge die alten Überzeugungen, Werte und Regeln des Königswegs ins Wanken geraten. Denn die Veränderungen, die der Bologna-Prozess auf hochschulischer Seite angestoßen hat – die Möglichkeiten zur hochschulischen Profilbildung, die gestuften und diversifizierten Studiengänge sowie die in der Folge verstärkt eingeführten Hochschulzulassungsverfahren –, entsprechen in kognitiver, normativer und regulativer Hinsicht nicht mehr der traditionellen Logik des einheitlichen Übergangs. Das ist der zweite zentrale Punkt meiner Argumentation, weil es dennoch nicht zu einem Zusammenbruch der alten Institution gekommen ist. Die Gründe dafür liegen vor allem auf der schulischen Seite des Hochschulzugangs, weil hier Re-Institutionalisierungen zu verorten sind, die den Entwicklungen der hochschulischen Seite gegenüber stehen: So müssen die gymnasiale Schulzeitverkürzung, die tendenziell restaurativen Oberstufenreformen und die beschlossene Einführung der Abitur-Bildungsstandards im institutionellen Kontext als Verteidigung des Königswegs interpretiert werden. Schließlich bleibt nur festzustellen, dass die Bologna-Reformen im Hochschulzugang zum Erliegen kommen, weil die hochschulischen Veränderungen nicht auf der schulischen Seite aufgegriffen werden (vgl. Abschnitt 5.4). Dies wäre aber die Voraussetzung für die gewünschte vertikale und horizontale Kompatibilität von den abgebenden zu den aufnehmenden Bildungseinrichtungen, zwischen dem allgemeinen und dem beruflichorientierten Bildungssektor sowie letztendlich der verschiedenen nationalen Bildungssysteme in den Bologna-Mitgliedsstaaten, die den Gemeinsamen Europäischen Hochschulraum am Hochschulzugang entsprechend auf der Mikro-, Meso- und Makroebene kennzeichnen müsste. Die Utopie des Gemeinsamen Europäischen Bildungsraums Die in der Institution nach wie vor existenten Probleme sind der Ausgangspunkt für den dritten Teil dieser Arbeit: Hinsichtlich der kognitiven Dimension bedeutet die anhaltende Privilegierung des Königswegs ein essentielles Hindernis, das auf der mittleren Ebene der Bildungssektoren keine Gleichstellung allgemeiner und stärker beruflich orientierter Bildungsgän-
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ge erlaubt. Zudem bleibt die normative Säule am gymnasialen Leitbild der Allgemeinen Hochschulreife verhaftet, sodass hinter dieser Idealisierung des Gymnasialmodells die übrigen Hochschulzugangswege (inklusive der neuen Möglichkeiten zur Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten) wie eh und je kaum zur Geltung kommen. Überdies ist an der regulativen Säule die Dysfunktionalität des Hochschulzugangs im Fall des nicht ausgewogenen Verhältnisses zwischen Studienangebot und Nachfrage zu erkennen, die sich besonders nachteilig für die Studienberechtigten der niedrigen sozialen Herkunftsgruppe auswirken kann. Diese Befunde ergaben sich aus der neo-institutionalistisch orientierten Analyse des Hochschulzugangs in Deutschland (vgl. Kapitel 5). Handelt es sich dabei also ausschließlich um eine deutsche Problemkonstellation? Bedenkt man die Konstruktion des Bologna-Prozesses, dann muss der Hochschulzugang auf beiden politischen Ebenen angesprochen werden. In der Tat stellen die schulischen Qualifikationen nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern im gesamten Bologna-Raum ein wesentliches Kriterium für den Hochschulzugang dar (vgl. Abschnitt 6.2.1). Damit kann der Vorschlag, die Bologna-Policies als Leitlinien für zukünftig zu leistende Reformen in der schulischen Qualifikationsphase zu verwenden, auf die internationale Ebene ausgedehnt werden. Die Idee zur Aufnahme der Sekundarstufe II in den Bologna-Prozess ist folgerichtig, weil damit die Zweiseitigkeit des Hochschulzugangs adäquater berücksichtigt werden kann. Insgesamt ist der in Abschnitt 6.2.2 skizzierte Transfer der Bologna-Aktionslinien angesichts der zunehmenden Heterogenität der Lerner sowie der Diversifizierung des Bildungsangebots an der Maxime ausgerichtet, durch die Reform eine weitestgehende Öffnung der gemeinsam zu nutzenden Bildungsräume zu erreichen, um flexible Bildungsgänge – basierend auf der gegenseitigen Anerkennung der Gleichwertigkeit – zu ermöglichen. Schon in dieser Transferskizze deutet sich an, dass das Weiterdenken der europäischen Bildungsreform auch am Übergang zur Sekundarstufe II kaum enden dürfte. Dies könnte man als Domino-Effekt der Bildungsreform bezeichnen: Denn ist erst einmal der erste Stein angestoßen, ist das Fallen der nächsten bereits absehbar; so sind im Beginn der Bildungsreform bereits Konsequenzen für die angrenzenden Bereiche vorgezeichnet. Reformiert man nun die oberste Stufe des Bildungssystems, sind Folgen zu erwarten, die sich (sukzessive) nach unten auswirken. In diesem Sinn kann der Bologna-Prozess als entscheidender erster Anstoß für den Aufbau eines – zukünftig alle Bildungsstufen umfassenden – europäischen Bildungsraums
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interpretiert werden. Diese Interpretation bildet den dritten Hauptpunkt meiner Überlegungen, weil auf diese Weise die Leitfrage des dritten Teils dieser Arbeit verständlich wird: Wie könnte eine Fortsetzung der BolognaReformen auf der inter- und der intranationalen Ebene gestaltet werden? Dabei dürfen die in Teil II gewonnenen Erkenntnisse nicht außer Acht gelassen werden: Aufgrund der institutionellen Stabilität sind große Modifikationen des Hochschulzugangs immer als mehr oder weniger realitätsfern einzuschätzen. Dies gilt natürlich auch für die beiden in Kapitel 6 entfalteten Ideen – die Ausweitung des Bologna-Prozesses auf der europäischen Ebene und der Ausbau der Fachhochschule zu einer aufgewerteten Fachoberstufe als Antwort auf die spezifisch deutsche Problemkonstellation. Unabhängig vom utopischen Ansatz lassen sich in dieser Arbeit jedoch noch mehr Argumente finden, mit denen die in Kapitel 6 aufgeworfene Frage nach einer Weiterführung der Bildungsreform gerechtfertigt wird: Zunächst ist der Bologna-Prozess selbst als Beweis für die Möglichkeit bislang unvorstellbarer Bildungspolitiken zu verstehen. Außerdem lassen der Paradigmenwechsel sowie das durch G8 entstehende Reformfenster auf einen günstigen Zeitpunkt für weitere Reformen schließen (vgl. Abschnitt 6.1). Schließlich ist daran zu erinnern, dass bereits das Neu- und Anders-Denken der Dinge erste Impulse für Veränderungen setzt. Dieser Gedanke findet sich als Implikation des neo-institutionalistischen Ansatzes bestätigt. Zu betonen ist, dass es insgesamt weniger um die Frage nach der Machbarkeit dieser Vorschläge geht, sondern vielmehr um die Begründung dafür, warum und wie der mit dem Bologna-Prozess eingeschlagene und für grundsätzlich richtig befundene Weg fortgesetzt werden sollte. Leider sind bereits gegenwärtig Anzeichen dafür zu erkennen, dass der erforderliche Schwung für eine Weiterführung der europäischen Bildungsreformen nicht zu erreichen sein wird: Denn einerseits haben auf der internationalen Ebene die letzten beiden Bologna-Konferenzen wenig innovativ wirken können und andererseits macht innerhalb Deutschlands gegenwärtig der Bologna-Prozess überwiegend negative Schlagzeilen (mit überfrachteten Studiengängen, schlechten Lernbedingungen etc.). Trotzdem möchte ich mit dem Appell schließen, die seltenen Gelegenheiten für Bildungsreformen beim Schopfe zu fassen. Damit folge ich Ludwig von Friedeburg, der im Herbst 2009 bei einem Vortrag in Kassel seine Erkenntnisse über die Bildungsreform wie folgt resümiert: „Wenn es eine Reform gibt, dann muss man ran, ran ran! Denn anschließend kommt die lange Phase der Restauration.“
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