Hope – Hoffnung auf das Glück Jackie Merritt
Bianca 1342 26 – 1/02
gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Sie war auf eine...
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Hope – Hoffnung auf das Glück Jackie Merritt
Bianca 1342 26 – 1/02
gescannt von Almut K.
1. KAPITEL Sie war auf einer Straße, das wusste sie genau. Strömender Regen. Und pechschwarze Nacht. Durchnässt bis auf die Haut rannte sie, bis sie kaum noch Luft bekam. Wie lange war sie schon unterwegs? Und war er hinter ihr? Sie schaute über die Schulter und sah nichts als den prasselnden Regen und Dunkelheit. Vielleicht trieb er ja auch ein grausames Spiel mit ihr und blieb außer Sichtweite, um sie jederzeit einzuholen? Sie spürte, wie sie panisch wurde und rannte schneller. Ihre Kräfte schwanden. Wenn sie sich doch nur ein wenig ausruhen könnte! Nein, sie musste weiter, denn sie war auf der Flucht vor dem Schrecklichsten, was sie je erlebt hatte. Käme doch nur jemand vorbei. Ein Streifenwagen vielleicht. Doch es war sinnlos, auf Rettung zu hoffen. Und dann, so plötzlich, dass sie fast erstarrt wäre, tauchte ein Lichtschein vor ihr auf. Er war nicht nah und schien im sintflutartigen Regen zu schwanken. Eine Lampe? Ein Haus, in dem Menschen wohnten, die ihr helfen würden? Ohne zu zögern rannte sie direkt auf das Licht zu und merkte erst nach einigen Sekunden, dass sie zwischen Dornenbüsche geraten war. Ihre Brust schien zu brennen, die rechte Hüfte schmerzte, und die Beine protestierten bei jedem Schritt. Aus fester Erde war Schlamm geworden, und sie fiel mehrmals hin. Aber das Licht machte ihr Hoffnung. Kurz darauf spürte sie wieder festen Boden unter den Füßen, eine Straße, eine andere als die, auf der sie zuvor gewesen war. "Danke", flüsterte sie, denn auf einmal hatte sie das Gefühl, dass diese Straße sie in die Sicherheit führen würde. Keuchend rannte sie die kleine Anhöhe hinauf. Der Schlamm hatte den Boden spiegelglatt gemacht. Sie hatte es fast geschafft, als sie den Halt verlor und nach hinten fiel. Sie prallte mit dem Kopf gegen einen Zaunpfahl, verlor das Bewusstsein, landete auf dem Rücken, und der Regen prasselte gnadenlos auf ihren leblosen Körper und das verschlammte Gesicht. Matt McCarlson hatte den Regen die ganze Nacht hindurch gehört. Bei Tagesanbruch goss es noch immer in Strömen. Grimmig zog er sich an, um nachzusehen, welche Schäden das Unwetter angerichtet hatte. Die gelbe Öljacke und der breitkrempige Hut boten nicht viel Schutz, als er zum Stall ging, um Dex zu satteln. Bei einem solchen Wetter ließ sich die Ranch nur zu Pferd inspizieren. Es war so schlimm, wie er vermutet hatte. Wo das Wasser schon abgelaufen war, hatte es eine Schlammwüste hinterlassen. Vorsichtig lenkte Matt sein Pferd um die Äste herum, die der Sturm von den Bäumen gerissen hatte. Die sonst so gemächlich fließenden Bäche waren über die Ufer getreten. Kopfschüttelnd wendete er das Pferd und ritt zum Haus zurück. Es regnete unaufhörlich. Er würde seinem Vorarbeiter Chuck Crawford sagen, dass die Männer heute frei hatten. Matt hatte schon fast den Stall erreicht, als ihm einfiel, dass er die Post von gestern noch nicht aus dem Kasten an der Straße geholt
hatte. Vermutlich wieder Rechnungen, dachte er trocken, während er die Einfahrt entlangritt. Als Matt sich von seinem Pferd aus hinabbeugte, um in den Kasten zu greifen, fiel sein Blick auf etwas Dunkles. "Was zum Teufel?" murmelte er. Da, im schlammigen Wasser lag reglos ein Mensch, über und über mit Schlamm bedeckt. Wie war die Person hergekommen? Matt konnte nirgendwo einen Wagen sehen. Die McCarlson-Ranch war meilenweit von Hawthorne und der nächsten Ranch entfernt. Matt stieg aus dem Sattel und schaute sich den leblosen Körper genauer an. Es war eine Frau! Eine Frau, die er nicht kannte. Hatte sie einen Unfall gehabt? Oder eine Reifenpanne? Er musste feststellen, ob sie lebte. Zögerlich ging er in die Hocke. Er war immerhin Rancher, kein Sanitäter. Und dann entdeckte er das Blut in der schlammigen Brühe neben ihrem Kopf. Hastig zog er den rechten Handschuh aus und tastete nach dem Puls. Er fand ihn und seufzte erleichtert. "Ma'am? Miss? Können Sie mich hören?" rief er und überlegte, wie er die Frau in sein Haus transportieren sollte, wenn sie nicht zu sich kam. Wer weiß, welche Verletzungen sie hatte, da konnte er sie ja schlecht wie einen Kartoffelsack quer über den Sattel legen. Es ging nicht anders: Er musste seinen Geländewagen holen. "Miss, ich muss ein paar Minuten fort, aber Sie brauchen keine Angst zu haben, okay? Ich werde nur kurz meinen Wagen..." Er brach ab, als sie die Augen aufschlug. "Hallo", sagte er sanft. Sie starrte ihn an, erwiderte jedoch nichts. "Warten Sie." Matt zog die Öljacke aus und deckte sie damit zu. Ihre Augen waren blau, ein wunderschönes Blau, aber sie blickten matt und ausdruckslos. "Können Sie mich hören?" fragte er. "Tut Ihr Kopf weh? Oder etwas anderes?" „ Nein", flüsterte sie. "Ihr Kopf tut nicht weh?" „Vielleicht ein wenig. Hinten." "Ich frage das, weil ich Sie ins Haus bringen will. Aber ich möchte Sie nicht bewegen, wenn ich Ihre Verletzungen dadurch verschlimmere." Sie schloss die Augen. "Bitte, lassen Sie mich einfach nur schlafen." "Nein! Sie müssen wach bleiben", entgegnete Matt scharf, und ihre Lider zuckten wieder hoch. "Ich bringe Sie ins Haus, verstehen Sie?" Sie brauchte Wärme, trockene Kleidung und einen Arzt. Und zwar so schnell wie möglich. Matt traf eine Entscheidung. "Keine Angst", sagte er. "Ich werde Sie jetzt ins Haus tragen. Bewegen Sie sich nicht, ich mach das schon." Sie wehrte sich nicht, als er sie auf die Arme nahm. Langsam trug er sie den Weg entlang. Gott sei Dank war sie nicht besonders schwer. Dennoch - als er endlich das Haus erreichte, tat ihm alles weh, vor allem der Rücken.
"Wir sind da", keuchte er und tastete nach dem Türknauf. Er trug sie in das erstbeste Schlafzimmer und legte sie behutsam aufs Bett. Himmel, die Frau war verletzt, durchnässt und von Kopf bis Fuß mit Schlamm bedeckt. Zu ihrem schlechten körperlichen Zustand kam die Apathie. Sicherlich stand sie unter Schock. Matt wünschte, außer ihm und den Cowboys wäre eine Frau auf der Ranch, denn jemand musste ihr die klitschnassen verdreckten Sachen ausziehen. "Okay", sagte er leise. "Als Erstes rufe ich den Doc an. Adam Pickett ist ein guter Arzt. Und ein Freund. Ich bin gleich wieder da." Er nahm ihr die Öljacke ab und deckte sie mit einer warmen Decke zu. "Bleiben Sie wach." Er eilte in die Küche. Er riss den Hörer unwirsch von der Gabel. Es gab kein Freizeichen. Der Sturm musste die Leitung beschädigt haben. "Verdammt!" Matt schaltete das Licht ein. Immerhin, Strom war noch da. Zurück im Gästezimmer sah er voller Erschrecken, dass die Frau entweder eingeschlafen oder wieder in Ohnmacht gefallen war. Oder gestorben? Nein! So schlimm waren die Verletzungen doch nicht, oder? Er eilte ans Bett, fühlte ihr den Puls und stellte überrascht fest, dass er stärker pochte als vorhin. Was sollte er jetzt tun? Der Schlamm in ihrem Haar wurde bereits zu einer Kruste. Er würde ihn entfernen müssen, bevor er die Wunde an ihrem Kopf versorgte. Vorsichtig zog er die Decke ein Stück nach unten. Wäre sein Schützling ein Mann, würde er keine Sekunde zögern, ihm die nassen Sachen auszuziehen. Aber eigentlich spielte das jetzt doch keine Rolle, oder? Die Frau war in Not, ein Mensch, der allein und verletzt war. Würde es ihm etwas ausmachen, wenn eine unbekannte Frau ihn unter solchen Umständen auszog? Natürlich nicht. Er musste für sie tun, was er konnte, bis er Doc Pickett erreichte. Entschlossen ging Matt davon, um warmes Wasser, Waschlappen und Handtücher zu holen. Und den Erste-Hilfe-Kasten. Eine Stunde später stand Matt in der Küche und starrte brütend aus dem Fenster über der Spüle. Er hatte ein mulmiges Gefühl im Magen, das der Anblick von Miss X im Gästezimmer bei ihm hinterlassen hatte. Bevor er die Frau ausgezogen und gewaschen hatte, war sie nur ein hilfloses Opfer gewesen. Sicher, ihm war nicht entgangen, dass sie sehr attraktiv war. Sie war jung und hübsch, und ihr Körper war ... na ja, perfekt, ein anderes Wort gab es dafür nicht. Volle Brüste, eine schmale Taille, lange Beine und ein wohlgeformter fester Po. He, was sollte das? Es war ja wohl nicht der richtige Zeitpunkt, von ihrem sinnlichen Aussehen zu schwärmen. Wichtig war jetzt nur, dass die Frau wieder einigermaßen sauber und die Wunde, die er unter ihrem dunkelbraunen Haar entdeckt hatte, versorgt war. Matt hatte es geschafft, ihr einen Jogginganzug
anzuziehen. Der war ihr zwar viel zu groß - sie war mindestens einen Kopf kleiner als er. Aber wenigstens würde sie nicht nackt aufwachen und frieren. "Verdammt", murmelte er zum wiederholten Mal und warf dem Telefon einen wütenden Blick zu. Die Leitung war noch immer unterbrochen, und nur der Himmel wusste, wie lange die Ranch noch von der Außenwelt abgeschnitten sein würde. Wer war sein rätselhafter Gast? Woher war die Frau gekommen? Wie hatte sie es bis zur Ranch geschafft? Wie lange hatte sie im Regen gelegen? Und was war mit den blauen Striemen an ihren Handgelenken? Hatte jemand sie gefesselt? War es etwa möglich, dass einer seiner Männer sie mit auf die Ranch gebracht hatte, um ihr etwas anzutun? Hatte sie sich befreien können? Nein, Matt wollte nicht glauben, dass einer der Cowboys, die hier mit ihm lebten und arbeiteten, zu so etwas fähig war. Aber es könnte eine Erklärung sein. Wie würde sie reagieren, wenn sie wieder zu sich kam? Würde sie ihm dankbar sein? Oder würde sie hysterisch werden, wenn sie begriff, dass sie sich in einem fremden Haus befand? Und dass ein ebenso fremder Mann sie ausgezogen und den Schlamm von ihrem nackten Körper gewaschen hatte? Matt seufzte schwer. Plötzlich sah er Chuck aufs Haus zukommen. Sein Vorarbeiter hielt etwas in der Hand, und als er Matt bemerkte, grüßte er lässig. "Was für ein miserabler Morgen", knurrte er, als er die Küche betrat. "Das Telefon ist tot“, erwiderte Matt. "Und wahrscheinlich fällt als Nächstes der Strom aus. Was hast du da?" „Eine Damenhandtasche. Und die Post und die Zeitung von gestern." Chuck legte die Post und die Zeitung auf den Tisch, bevor er Matt die Tasche reichte. "Was meinst du, wo die herkommt? Ist ziemlich viel drin, ich hab schon nachgesehen." Matt öffnete die Tasche und nahm das Portemonnaie heraus. Er klappte es auf und entdeckte einen Führerschein, der in Massachusetts ausgestellt worden war. Das Foto zeigte die Frau, die er gerettet hatte. "Ihr Name ist Hope LeClaire", sagte er leise. "Wessen Name ist Hope LeClaire?" fragte Chuck neugierig. Matt schob die Brieftasche zurück und stellte die Tasche auf den Tisch. Dann sah er den Vorarbeiter an und erzählte ihm, was am Morgen passiert war. Chuck war fünfzig, hatte sein ganzes Leben als Cowboy gearbeitet, ein freundlicher und loyaler Mann. Er hatte viel durchgemacht und war durch kaum etwas, das zwischen Himmel und Erde geschah, zu überraschen. Das Einzige, was ihn an der Geschichte störte, waren die Striemen an Hope LeClaires Handgelenken. "Das könnte eine ernste Sache sein, Matt", sagte er. "Glaube ich auch. Chuck, wir können nur raten, was ihr gestern Abend zugestoßen ist. Aber wie zum Teufel ist sie hergekommen, zu Fuß und in einem der schlimmsten Unwetter seit Jahren?" "Hast du sie gefragt?"
"Nein. Sie hat nicht viel gesagt und wirkte verwirrt. Ich dachte mir, sie steht unter Schock, da wollte ich sie nicht mit Fragen belasten. " "Wenn sie das nächste Mal die Augen aufmacht, solltest du es tun." Chuck ging zur Tür. "Die Männer sind in der Unterkunft. Gibt es etwas, das du erledigt haben willst?" "Nicht in diesem Regen. Sag ihnen, Mutter Natur hat ihnen einen freien Tag gegönnt. Wenn sie es in die Stadt schaffen, können sie ihn vielleicht sogar genießen." Chuck schüttelte den Kopf. "Die Straße ist überflutet, stellenweise sogar ganz weg." "Bist du sie abgeritten?" "Bis zum Damm." "Du hast nicht zufällig ein liegen gebliebenes Fahrzeug gesehen?" "Nein. Bis später." Chuck ging hinaus. Rastlos wanderte Matt im Haus umher, bis er den Mut fand, nach Hope LeClaire zu sehen. Sie war wach und schaute ihm mit großen Augen entgegen. "Hi", sagte er so fröhlich wie möglich. "Wie fühlen Sie sich?" Sie zögerte. "Ganz gut, glaube ich. Aber wo bin ich?" "Ich bin Matt McCarlson, und Sie sind auf meiner Ranch." "Und die ist ... wo?" Matt runzelte die Stirn. "In Texas." "Kennen wir uns?" "Angesichts der Tatsache, dass ich Sie vor ein paar Stunden zum ersten Mal gesehen habe, kann ich nicht gerade sagen, dass wir alte Freunde sind", erwiderte er trocken, während in ihm eine böse Vorahnung aufstieg. "Kann es sein, dass Sie Probleme haben, sich an bestimmte Dinge zu erinnern?" "Ich ... kann mich an gar nichts erinnern", flüsterte sie. "Nicht einmal an meinen Namen." Sollte er ihr glauben? Matt war siebenunddreißig, kein naiver Teenager mehr. Und er war misstrauisch, wenn es um das andere Geschlecht ging. Dafür hatte seine auf tragische Weise gescheiterte Ehe gesorgt, und selbst riesige blaue Augen und ein hinreißender Körper änderten nichts an seiner Einstellung. Er dachte an die Handtasche in der Küche. "Warten Sie", sagte er. "Es gibt da etwas, das Sie sehen sollten." Eine Minute später kehrte er mit der Tasche zurück. "Ich nehme an, die gehört Ihnen?" Hope nahm die Tasche. Sie war aus schwarzem Leder und recht elegant, aber sie erkannte sie nicht wieder. War es ihre? Enthielt die Tasche etwas, das ihr verraten würde, wer sie war? "Schauen Sie in die Brieftasche", forderte Matt sie auf. Hope sah Matt McCarlson an. Er war groß und kräftig gebaut, ein auf natürliche Weise attraktiver Mann mit kastanienbraunem Haar und braunen Augen. Wenn sie sich nicht kannten, warum war sie hier, auf seiner Ranch, noch dazu im Bett? Sie war verwirrt und verängstigt, kurz davor, die Fassung zu
verlieren. Aber sie durfte jetzt nicht in Panik geraten, denn wenn sie das tat, würde sie die unzähligen Fragen, die sie quälten, vielleicht nie beantworten können. Zum Beispiel die, warum dieser Mann sie nicht ernst zu nehmen schien. Sie hatte ihm gesagt, dass sie sich an nichts erinnerte, nicht einmal an ihren Namen, doch offenbar glaubte er ihr nicht. Mit zitternden Fingern nahm sie die Brieftasche heraus und starrte auf das Foto im Führerschein, bis ihr bewusst wurde, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie aussah. "Ist das ein Foto von mir?" fragte sie. "Das soll ein Scherz sein, richtig?" "Wenn Sie das glauben ... haben Sie einen eigenartigen Sinn für Humor", entgegnete sie kühl. Sie hob die Decke an. "Dort drüben ist ein Spiegel. Ich stehe jetzt auf und sehe selbst nach." "Bleiben Sie liegen", knurrte Matt. "Ich bringe Ihnen einen Handspiegel." "Warum soll ich liegen bleiben?" "Weil Sie vielleicht umfallen, wenn Sie aufstehen." Er eilte hinaus. Hope sah ihm nach. Warum lag sie überhaupt im Bett? Nun ja, ihr Kopf schmerzte ein wenig. War sie gestürzt? Vorsichtig tastete sie über das Haar und fühlte einen Verband. Ängstlich schaute sie sich in dem fremden Zimmer um. Angeblich war sie erst seit ein paar Stunden hier. Wo war sie vorher gewesen? Der Führerschein stammte aus Massachusetts. Was hatte sie bitte in Texas verloren, wenn sie an der Ostküste zu Hause war? Und wie war sie ausgerechnet auf einer Ranch gelandet? Sie atmete mehrmals tief durch, bekam ihre Gefühle wieder in den Griff und betrachtete gerade das Foto, als Matt hereinkam und ihr einen Spiegel reichte. Hope schaute hinein. Blaue Augen. Dunkles Haar. Es war das Gesicht auf dem Foto. "Ich bin es", sagte sie leise und biss sich auf die Lippe. "Ich bin Hope LeClaire." "Ihren Namen zu kennen hilft nicht?" Matt fing langsam an, ihr zu glauben. Wie gingen Ärzte mit Gedächtnisverlust um? Was konnte er als Laie tun? "Nein. Es hilft nicht." Hastig zog sie einige Karten aus der Brieftasche. "Das sind Kreditkarten. Hier, sehen Sie, eine Karte, auf der steht, dass man im Notfall meine Mutter Madelyn LeClaire verständigen soll. Eine Telefonnummer steht auch drauf." "Das Telefon ist wegen des Sturms ausgefallen." „Ein Sturm?" "Seit gestern." "Dann kann ich Madelyn wohl nicht verständigen, was? Aber wenn sie meine Mutter ist und ich mit Nachnamen LeClaire heiße, bin ich wohl nicht verheiratet."
„Es gibt Ausnahmen. Ein Beruf, in dem man lieber seinen Mädchennamen führt, zum Beispiel." "Machen Sie es mir nicht noch schwerer, als es ist“, bat sie. Matt war es nicht gewohnt, getadelt zu werden, und straffte sich unwillkürlich. "Vergessen Sie es einfach. Haben Sie Hunger?" Hope überlegte. „Ja, ich glaube, das habe ich." "Suppe und ein Sandwich?" "Was immer Sie haben." "Milch, Kaffee oder Tee?" "Heißen Tee, bitte." Matt McCarlson verließ den Raum, und Hope seufzte verzweifelt. Ihr war danach, sich die Augen auszuweinen, aber war würde das schon nützen? Angstvoll schaute sie in die Handtasche, aber alles, was sie fand, waren Kosmetika, eine Tafel Schokolade, ein Buch mit Kreuzworträtseln und ein Kugelschreiber. Sie ließ sich aufs Bett zurückfallen und starrte an die Decke. Sie hieß Hope LeClaire und lebte in Massachusetts. Was um alles in der Welt tat sie in Texas? Und warum lag sie im Bett eines Mannes, der sie erst seit wenigen Stunden kannte? Die Panik ließ sich nicht mehr unterdrücken. Am ganzen Körper zitternd drehte sie sich auf die Seite, vergrub den Kopf unter dem Kissen und weinte.
2. KAPITEL In der Küche setzte Matt das Teewasser auf, probierte das Telefon, und als er den Hörer mit einem verärgerten Laut auflegte, fiel sein Blick auf die Post und die Zeitung auf dem Tisch. Er griff nach der Zeitung, um den Wetterbericht zu lesen, kam jedoch nicht weiter als bis zur Titelseite. Die Schlagzeile verkündete, dass die Stockwell-Erbin vermisst wurde. Rasch überflog er den Artikel. Der Name der Erbin war Hope LeClaire, und ihr letzter bekannter Aufenthaltsort war der Flughafen von Grandview in Texas. Die Fluggesellschaft war sicher, dass sie dorthin geflogen war, aber niemand hatte sie nach der Landung ihrer Maschine gesehen. Die Stockwells hatten eine Belohnung von fünfzigtausend Dollar für Hinweise auf ihren Verbleib ausgesetzt, und die Zeitung kündigte an, in der nächsten Ausgabe ein Foto der verschwundenen Erbin abzudrucken. "Na, großartig", murmelte Matt. "Genau, was ich brauche. Noch eine reiche Frau, die mein Leben auf den Kopf stellt." Er war mit einer Frau verheiratet gewesen, die reich geboren und reich gestorben war. Schon nach kurzer Zeit war sie das harte Leben auf der Ranch
leid gewesen und hatte sich nach der feinen Gesellschaft von Texas zurückgesehnt. Matt hatte ihr geholfen, ihre Sachen in ihren Wagen zu laden, als sie ihn wegen des Sohns einer Bankiersfamilie verlassen wollte. Sie stritten sich. Ein Jeep voller betrunkener Teenager kam vorbeigerast. Matt versuchte, seine Frau zur Seite zu reißen, aber einer der Insassen jagte ihm eine Ladung Schrot ins Bein. Während Matt zu Boden stürzte, krachte der Jeep in ihren Wagen. Die Teenager überlebten es nicht. Ebenso wenig wie Trisha. Matt hatte nie aufgehört, sich Vorwürfe zu machen. Und er hatte sich geschworen, nie wieder eine Frau in seine Nähe zu lassen - erst recht keine reiche, denn Trishas Lebensstil hatte bei ihm einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Und was war aus seinem Vorsatz geworden? In seinem Gästezimmer lag eine Millionenerbin, und er war dabei, ihr Tee, Suppe und Sandwichs zu machen. Der Sturm wütete noch immer, die Straßen waren unpassierbar, und das Telefon funktionierte nicht. Sicher, fünfzigtausend Dollar waren nicht zu verachten. Damit könnte er die überfälligen Raten auf die Hypothek und die Schulden bei den Kaufleuten in Hawthorne bezahlen. Die einzigen Rechnungen, die er stets mühsam beglich, waren die der Versorgungsunternehmen, denn ohne Strom und Telefon wäre die Ranch verloren. Chuck mitgerechnet hatte er nur halb so viele Cowboys wie früher, und die arbeiteten überwiegend für Kost und Logis. Und das auch nur aus Loyalität. Die McCarlson-Ranch war profitabel gewesen, bis eine Seuche im letzten Jahr den Großteil der Rinder dahingerafft und jeden zweiten Rancher an den Rand des Ruins gebracht hatte. Matt gehörte dazu. Die Zeiten waren hart, und er fragte sich, wie lange er noch durchhalten konnte. Er könnte die von den Stockwells ausgesetzte Belohnung gut gebrauchen, aber bevor er jemandem von Hope erzählte, musste er herausfinden, was ihr zugestoßen war. Geld war nicht alles. Vielleicht wollte sie gar nicht gefunden werden? Vielleicht war ihr Gedächtnisverlust nur ein Trick, um von den Stockwells wegzukommen ... ? Nein, er würde ihr den Artikel zeigen. Matt wärmte eine Dosensuppe auf, machte das Sandwich und legte auch die Zeitung auf das Tablett. In der Tür des Gästezimmers blieb er stehen. Hope schluchzte so heftig, dass ihre Schultern bebten. Matt schluckte. Falls sie den Gedächtnisverlust nur vortäuschte, musste sie einen triftigen Grund haben. Und falls nicht, war sie nicht in der Verfassung, in der Zeitung über sich zu lesen. Unauffällig ließ Matt die Zeitung zu Boden fallen, betrat das Gästezimmer und stellte das Tablett auf die Kommode. "Hope?" Er setzte sich auf die Bettkante und legte eine Hand auf ihre Schulter. "Kommen Sie", sagte er sanft. Hope fühlte seine große warme Hand und wunderte sich, wie sehr die Berührung sie beruhigte. "Tut mir Leid", wisperte sie. "Gibt es etwas, das Ihnen Leid tun müsste?"
"Ich habe mich Ihnen aufgedrängt." "Das Bett stand ungenutzt herum, und ich wohne allein in diesem Haus, also nehmen Sie niemandem Platz weg." "Deshalb müssen Sie noch lange keine Streuner aufnehmen", murmelte sie und rang sich ein mattes Lächeln ab. "Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?" Matt holte das Tablett. "Setzen Sie sich auf. Sie müssen erst mal etwas essen." Hope gehorchte, er stellte ihr das Tablett auf den Schoß, und sie begann zu essen. Er nahm sich einen Stuhl und sah ihr zu. "Sie haben Appetit. Das ist ein gutes Zeichen." "Sie heißen Matt?" "Matthew McCarlson. Aber alle nennen mich Matt." "Und das hier ist eine ... Rinderfarm?" Er nickte. "In Texas? Wo genau in Texas?" "Die nächste Großstadt ist Dallas, der nächste Ort Hawthorne. Schon mal gehört?" "Nein. Habe ich an Ihre Tür geklopft?" fragte sie. "Sie erinnern sich nicht?" "Nur daran, dass ich in diesem Bett aufgewacht bin", erwiderte sie so leise, dass es Matt kalt den Rücken herunterlief. Er glaubte ihr, auch wenn er nicht wusste, warum er es tat. Vielleicht weil sie so überzeugend geweint hatte. Oder weil ihr Gedächtnisverlust so glaubwürdig wirkte. Warum auch immer, er war sicher, dass sie ihm nichts vorspielte. Hope LeClaire wusste so wenig über ihre Vergangenheit wie er. Eigentlich noch weniger, denn er hatte den Zeitungsartikel über ihr Verschwinden gelesen. "Nein", widersprach er sanft. "Sie haben nicht an meine Tür geklopft. Ich habe Sie heute Morgen im Schlamm neben dem Briefkasten gefunden." Entsetzt starrte sie ihn an. "Ich habe Sie ins Haus getragen und ins Bett gelegt. Dann wollte ich einen Arzt rufen, aber das Telefon funktioniert nicht." "Sie haben mich ins Bett gelegt? Aber ... was ich anhabe, sind doch nicht meine Sachen. Haben Sie mich ausgezogen, oder hat eine Frau es für Sie getan?" „Auf dieser Ranch gibt es keine Frau. Sie waren vollkommen durchnässt. Mir blieb keine andere Wahl, also muss es Ihnen nicht unangenehm sein." Hope legte den Löffel hin und presste die Fingerspitzen an die Schläfen. "Das hier kann nur ein Albtraum sein." "Ich kann verstehen, dass Sie sich so fühlen", sagte Matt. "Aber ich habe Ihnen die Wahrheit erzählt. Sie waren bewusstlos und klitschnass. Und Sie hatten eine Verletzung am Kopf, die vermutlich auch der Grund für die Amnesie ist." Hope schluckte. "Amnesie?" flüsterte sie. „Ja, so würde ich Ihren Gedächtnisverlust nennen. Natürlich kann Doc Pickett zu einer anderen Diagnose gelangen. Sobald das Telefon wieder funktioniert, werde ich ihn anrufen." "Bitte nehmen Sie das Tablett weg", sagte sie dumpf.
"Ich bringe es in die Küche." "Haben Sie eine Ahnung, wie ich hergekommen bin? Haben Sie in der Nacht ein Auto gehört? Oder haben Sie heute Morgen eins gesehen?" "Nein, Hope", erwiderte er bedauernd. "Ich habe absolut keine Ahnung, wie Sie auf diese Ranch gekommen sind." Er ging hinaus. Hope lag einen Moment reglos da, bevor sie vorsichtig aufstand. Ihr war schwindlig, und die Beine schmerzten, als hätte sie Muskelkater. "Seltsam", flüsterte sie, als neue Fragen auf sie einstürmten. Sie ging ans Fenster. Es regnete in Strömen. Das Haus, in dem sie sich befand, und die anderen Gebäude waren von riesigen Pfützen umgeben. Und dahinter ... nichts. Nichts als endloses Land, das einer Seenplatte glich. "Mein Gott ... Wie bin ich hergekommen?" Jemand musste sie in diese Einöde gefahren haben ... und aus dem Wagen geworfen haben. Doch warum sollte jemand so etwas tun? Aber es gab noch eine andere Erklärung. Sie hatte entsetzlichen Muskelkater. Möglicherweise war sie gelaufen. Bloß woher? Hope verließ das Schlafzimmer und schaute unschlüssig nach beiden Seiten. Als sie kurz darauf die Küche betrat, drehte Matt sich überrascht um. "Sind Sie sicher, dass Sie kräftig genug sind, um schon aufzustehen?" Hope winkte ab. "Ich habe Kopfschmerzen und Muskelkater, das ist alles. Kann ich mit Ihnen reden?" Matt führte sie zu einem Stuhl. "Sicher, Aber Sie sind barfuss, ich hole Ihnen erst einmal ein Paar Socken." Er eilte davon. Sie sah sich in der Küche um. Die Möbel waren weiß, die Arbeitsflächen, Kacheln, Fliesen und Vorhänge gelb. Die hellen Farben machten diesen trüben grauen Tag ein wenig erträglicher. Hier fühlte Hope sich wohler als im Schlafzimmer - wenn man in ihrer Lage überhaupt von wohl fühlen sprechen konnte. Verzweifelt wehrte Sie sich gegen die Tränen und war froh, als Matt McCarlson zurückkehrte. Bevor sie protestieren konnte, hockte er sich vor sie und streifte ihr Wollsocken über die Füße. "Danke", murmelte sie. "Gern geschehen. Möchten Sie noch einen Tee?" "Nein danke. Matt, vielleicht wollte ich hier in der Gegend jemanden besuchen. Es muss doch einen Grund geben, warum ich in Texas bin. Kennen Sie irgendwelche LeClaires hier? Sie könnten Rancher wie Sie sein oder in dem Ort wohnen, den Sie erwähnten." "Hawthorne." "Ja." Er sah in ihr hoffnungsvolles Gesicht und dachte an den Zeitungsartikel. Sie wirkte viel ruhiger als vorhin, aber wenn er sie jetzt mit dem überfiel, was er wusste, würde sie vielleicht wieder in Panik geraten. Er beschloss, erst mit Doc Pickett zu reden.
"Es tut mir Leid", sagte er. "Ich kenne keine LeClaires." Das war die Wahrheit. In dieser Gegend lebte niemand, der diesen Namen trug. Hope gelang es nicht, ihre Enttäuschung zu verbergen. "Und Sie kennen die meisten Leute hier?" "Jedenfalls dem Namen nach. Hope, ich bin auf dieser Ranch geboren und aufgewachsen. Dies ist eine ländliche Gegend, und man muss nicht mit allen befreundet sein, um ihre Namen zu kennen." Hope nickte. "Gibt es in Hawthorne ein Hotel?" Matt wusste, dass sie nicht als Touristin nach Texas gekommen war. "Es gibt ein paar Motels. Ich hätte längst dort angerufen und gefragt, ob eine Frau, auf die Ihre Beschreibung passt, dort abgestiegen ist. Aber das Telefon ist außer Betrieb." "Können wir nicht hinfahren? Ich will Ihnen nicht noch mehr zur Last fallen als jetzt schon, aber …“ "Die Straße ist unpassierbar", unterbrach Matt sie. "Vorläufig sitzen wir alle auf der Ranch fest." "Wir alle? Es sind noch andere Leute hier?" "Die Männer, die für mich arbeiten. Die Cowboys und Chuck Crawford, mein Vorarbeiter" "Wo sind sie?" „In ihrer Unterkunft. Dort essen sie auch." "Alles Männer." „Ja.“ Hope schwieg einen Moment. "Die Sachen, die ich anhatte, als Sie mich gefunden haben - wo sind die?" fragte sie aufgeregt. „Im Müll. Sie waren zerrissen und..." "Warum sollten sie zerrissen sein? Ich möchte sie sehen." "Hope, ich musste Ihnen die Kleider vom Körper schneiden, um Sie nicht mehr als nötig zu bewegen. Ich konnte nicht wissen, wie schwer Ihre Verletzungen waren, und..." Er sah die Entschlossenheit in ihren Augen und brach seufzend ab. „In Ordnung, ich hole sie. Aber es sind nicht mehr als nasse Lumpen." "Lumpen!" wiederholte sie empört. Grimmig senkte Matt den Kopf. Trotz ihrer Amnesie war die Lady offensichtlich überzeugt, dass sie nur das Beste trug, was man mit Geld kaufen konnte. Die Stockwells waren nicht nur wohlhabend, sie zählten zu den Superreichen. Er sah in ihr hübsches Gesicht und die ängstlich blickenden Augen und wünschte plötzlich, sie wäre eine ganz normale Frau, keine Millionenerbin. Es war verdammt lange her, dass er sich über eine Frau so viele Gedanken gemacht hatte - und das beunruhigte ihn zutiefst. Hastig kehrte er ihr den Rücken zu. "Ich wühle sie heraus. Überzeugen Sie sich selbst." Sie runzelte die Stirn. Sein Ton war plötzlich frostig, fast wütend. Kein Wunder, dachte sie. Ich habe sein Leben schon genug durcheinander gebracht, und jetzt verlangte ich auch noch von ihm, wieder in den Regen hinauszugehen.
Aber sie konnte sich nicht einfach ins Bett legen und nichts tun. Muskelkater und Kopfschmerzen waren kein Grund, untätig zu sein. Im Gegenteil, vielleicht waren sie ein Hinweis auf das, was ihr passiert war. Genau wie ihre Kleidung. Nein, es war richtig, dass sie sich sie ansehen wollte. Sie musste ihrem Instinkt vertrauen. Er war schließlich alles, was sie gerade noch hatte. Matt kehrte mit einem Arm voll dunkelgrüner Sachen zurück und kippte sie auf den Tisch. "Bedienen Sie sich", sagte er. "Ich glaube, ich habe Ihre Schuhe retten können. Ich bin gleich wieder da." Hope beugte sich über den Stapel. Als Matt mit einem Paar schwarzer Lederschuhe neben sie trat, nahm sie sie ihm aus der Hand. "Die sind ziemlich ... lädiert.“ "Ja, sie scheinen einiges durchgemacht zu haben", meinte er. "Als wäre ich durch sehr unwegsames Gelände gelaufen." "Stimmt. Aber es könnten auch alte Schuhe sein", erwiderte er. Sie hob ein Kleidungsstück hoch. "Sieht aus, als wären Sie zwischen Dornenbüsche geraten", sagte Matt. "Gibt es hier welche?" "Viele." "Sagen Sie, habe ich keine Unterwäsche getragen, oder wäre es Ihnen peinlich gewesen, sie mitzubringen?" "Damenunterwäsche ist mir nicht peinlich", entgegnete er kühl. "Ich habe Ihnen einen BH und einen Slip ausgezogen, und nachdem ich Ihren nassen, zitternden Körper gewaschen und in einen Jogginganzug und meine wärmsten Wolldecken gehüllt hatte, habe ich Ihre zarten Stücke gespült und in der Waschküche zum Trocknen aufgehängt." "Sie haben mich... gewaschen?" "Sparen Sie sich die Entrüstung, Lady. Sie waren mit Schlamm bedeckt. Hätte ich Sie so ins Bett legen sollen?" Hope errötete. "Aber das ist ziemlich ... intim.“ "Glauben Sie mir, heute Morgen war mir nicht nach Intimität zu Mute." Das war eine glatte Lüge, aber Matt brachte sie über die Lippen, ohne mit der Wimper zu zucken. Hope versuchte, dem peinlichen Gespräch eine andere Richtung zu geben. "Das ist wohl Ihr Jogginganzug, den ich da anhabe, oder? Er ist sehr groß." "Ich kann die Hosenbeine abschneiden, wenn Sie möchten", bot Matt an. „Auf gar keinen Fall." "Wie Sie wollen. Brauchen Sie die nassen Sachen noch?" "Nein. Oh, warten Sie." Sie starrte auf ein Etikett und seufzte, denn es sagte ihr nichts. "Ich hatte gehofft ..." "Ich gehe jetzt besser mal zur Unterkunft, um nach meinen Cowboys zu sehen. Hope, es würde mir leichter fallen, Sie allein zu lassen, wenn Sie im Bett wären." "Okay", sagte sie. Matt half ihr beim Aufstehen und führte sie ins Gästezimmer, ohne sie loszulassen. Hope befahl sich, nicht darauf zu achten,
wie groß, sexy und attraktiv Matt McCarlson war. Sie war heilfroh, als sie endlich wieder unter der Decke lag und Matt den Raum verließ. Sie seufzte tief. Sie hatte ihr Gedächtnis verloren und befand sich auf einer fremden Ranch, ohne zu wissen, wie sie dorthin gelangt war. Wie kam sie nur dazu, unter diesen Umständen zu registrieren, wie gut dieser Mann aussah? War sie vielleicht so eine Frau? Eine Frau, die mit jedem Mann schlief, der ihr gefiel. Vielleicht war sie ein ... Flittchen! Tränen liefen ihr über die Wangen. Matt McCarlson hatte sie nicht nur ausgezogen, sondern auch gewaschen. Vielleicht sollte sie sich lieber fragen, was für ein Mensch er war. Schließlich war sie ihm hilflos ausgeliefert gewesen! Matt trank mit seinen Männern einen starken Kaffee und hörte sich ihre Klagen an. Er konnte sie gut verstehen. Cowboys waren es gewöhnt, im Freien zu arbeiten. Die Unterkunft kam ihnen vermutlich wie ein Gefängnis vor. Aber keiner von ihnen erwähnte Hope LeClaire. Es gab keine spöttischen Kommentare oder anzüglichen Bemerkungen. Er wechselte einen Blick mit Chuck und sah seinem Vorarbeiter an, dass er den Männern nichts von dem Gast erzählt hatte. Matt nickte ihm dankbar zu, und Chuck nickte wissend zurück. Die Unterkunft hatte eine Küche, in der mehrere Tische und Stühle standen. Als Matt seinen Becher ausspülte, sah er die große Pfanne auf dem Herd. Offenbar ließen seine Cowboys sich vom Wetter nicht den Appetit verderben. Himmel, er würde Hope etwas zum Abendessen kochen müssen. Ohne sie hätte er mit seinen Leuten zusammen gegessen, wie immer an solchen Tagen. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er hatte einen Gast und musste sich um ihn kümmern. Plötzlich verspürte er eine unbändige Wut auf diese Laune des Schicksals, die ihm nicht nur eine Stockwell beschert hatte, sondern noch dazu inmitten eines Sturms, der die Ranch vom Rest der Welt abschnitt. Ihm waren die Hände gebunden. Er konnte niemanden anrufen. Nicht den Doc, nicht Hopes Mutter, nicht die Stockwells - keinen, der ihm helfen würde, die Lady wieder loszuwerden. Er fühlte sich so eingesperrt wie seine Männer, aber die brauchten nur einander zu ertragen. Mürrisch verabschiedete er sich von ihnen und kehrte ins Haus zurück. Nachdem er sich die schlammigen Stiefel ausgezogen hatte, ging er auf Socken ins Wohnzimmer und ließ sich in seinen Lieblingssessel sinken. Das graue Halbdunkel im Raum verschlechterte seine Laune noch, und er tastete nach der Stehlampe. Der Schalter klickte, doch sonst passierte nichts. Fluchend sprang Matt auf und probierte die anderen Lampen. Keine funktionierte. "Dieser verdammte Sturm", murmelte er, während er ans Fenster trat und zur Unterkunft der Cowboys hinüberschaute. Auch dort war das Licht, das eben noch gebrannt hatte, aus.
Er ging zum Sessel zurück und setzte sich wieder. Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit ihm. Keine Elektrizität bedeutete keine Wärme, kein Kochen, kein Licht. Und das mit einer Frau im Haus, die unter Gedächtnisverlust litt. Wie zum Teufel sollte er mit alldem bitte fertig werden?
3. KAPITEL Vorsichtig stand Hope auf und tastete sich zur Tür. Auf dem Flur war es noch dunkler als im Gästezimmer, und plötzlich kam ihr die Stille im Haus unheimlich vor. Kalt lief es ihr den Rücken hinunter. Sie umklammerte den Türrahmen wie einen Rettungsring. "Matt?" rief sie zaghaft. Sofort tauchte am Ende des Flurs ein Licht auf und kam schnell näher. Dahinter konnte sie die Umrisse einer großen Gestalt erkennen. "Matt?" wiederholte sie ängstlich. „Ja. Sie haben ganz schön lange geschlafen." "Stimmt“, erwiderte sie erleichtert. "Offenbar funktioniert jetzt auch der Strom nicht mehr." "Richtig." "Ich hatte gehofft, duschen oder baden zu können. Das geht jetzt wahrscheinlich nicht mehr, oder?" "Vielleicht doch. Das Wasser im Heißwasserspeicher ist bestimmt noch warm. Sind Sie sicher, dass Sie das schon schaffen?" "Ich bin mir sogar sehr sicher." Sie wollte ihre Haare waschen und sich am ganzen Körper einseifen. "Okay. Nehmen Sie diese Laterne mit. Ich habe noch andere. Und lassen Sie die Badezimmertür bitte unverschlossen. Nur für den Fall, dass Sie doch noch nicht so kräftig sind, wie Sie glauben, und Hilfe brauchen. Und genieren Sie sich nicht, mich zu rufen. Wenn Sie fertig sind, essen wir was. Ich habe meinen Campingkocher auf der hinteren Veranda aufgebaut. Wenn Sie aus der Dusche kommen, können Sie mir ja sagen, worauf Sie Appetit haben, einverstanden?" Er hielt ihr die Laterne hin, und Hope nahm sie. Matt McCarlson wollte also erneut zu ihrer Rettung eilen, wenn sie ihn rief. Hoffte er, noch einen Blick auf ihre nackte Haut zu erhaschen? Oder hatte ihr nackter Körper ihn gar nicht interessiert? Vielleicht war er ja gar nicht betrachtenswert. Irgendwie gefiel ihr diese Vorstellung nicht. Sie beschloss, sich im Bad anzusehen, was sie Männeraugen zu bieten hatte. "Nach allem, was Sie schon für mich getan haben, dürfte ich Sie eigentlich um keinen einzigen Gefallen mehr bitten. Aber dieser Anzug ist mir viel zu groß,
und ich dachte mir, vielleicht haben Sie einen alten, bei dem ich die Ärmel und Hosenbeine kürzen könnte." "Klar", antwortete er. "Ich bringe Ihnen einen. Und eine Schere." Und damit verschwand er in der Dunkelheit. Nervös sah Hope sich um. Der Lichtschein der Laterne warf unruhige Schatten auf die Wand, als sie den Gang entlanglief. Hatte sie schon immer so eine Angst vor der Dunkelheit gehabt oder lag das an dem Gedächtnisverlust? Endlich fand sie das Badezimmer und stellte die Laterne neben das Waschbecken. Dann beugte sie sich vor, bis ihre Nase nur noch eine Handbreit vom Spiegel entfernt war, und betrachtete ihr Gesicht. Keine Erinnerung, nichts. Als ob sie neu geboren wäre. Mehr noch - Hope hatte den Eindruck, dass sie nicht einmal beurteilen konnte, ob sie hübsch war. Sie studierte das Gesicht, das ihr im Spiegel entgegenschaute. Blaue Augen, strahlend blau sogar. Aber sie hatte bemerkt, dass Matts braun waren, und vielleicht waren braune Augen ja viel schöner als blaue? Ihr dunkles Haar sah möglicherweise ganz gut aus, wenn es sauber und lockig war. Wie trug sie es üblicherweise? Hope hatte das Badezimmer nicht abgeschlossen, und Matt kam einfach herein. "Hier haben Sie mehrere Sachen, die Sie zerschneiden können." Er legte einen Stapel Kleidung auf die andere Seite des Waschtischs. "Tut mir Leid, ich habe nichts Kleineres, aber Ihre Größe trage ich seit der fünften Klasse nicht mehr." "Sie sind ... ziemlich groß", murmelte sie. "Eins-fünfundachtzig." Er ging zur Tür. "Denken Sie daran wenn Sie Hilfe brauchen, rufen Sie mich. Lassen Sie die Tür einen Spaltbreit auf, dann kann ich Sie besser hören." "Ich ... schätze, das geht." Sein belustigtes Lächeln entging ihr nicht. "Vielleicht bin ich es ja gewöhnt, die Badezimmertür offen zu lassen, aber irgendwie stört mich der Gedanke." Matt begriff, dass Hope in ihrer Lage nichts amüsant finden konnte. "Machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde nicht durch den Spalt schauen. Erstens würde ich nichts sehen, was ich nicht schon gesehen habe. Und zweitens ist es nicht meine Art, heimlich Frauen beim Baden oder Duschen zu beobachten. Schon gar nicht eine, die so niedergeschlagen ausschaut." Er ging hinaus und ließ die Tür einige Zentimeter auf. Hope konnte es kaum fassen. Er hatte ihr unverblümt gesagt, dass sie bemitleidenswert aussah! Kein Wunder, dass er keine Probleme damit gehabt hatte, sie auszuziehen und zu waschen. Sie duschte hastig, wusch sich vorsichtig das Haar und wagte kaum, ihren Körper zu betrachten. Warum sollte sie sich etwas so ... Trauriges ansehen? Später aß sie mit Matt auf der Terrasse. Es gab überbackene Käsesandwichs, die er in einer Pfanne auf dem Campingkocher zubereitet hatte, und Fruchtcocktail aus der Dose. Im Schein der Laterne wirkten seine kantigen Züge milder. Obwohl sie wahrlich andere Sorgen haben sollte, musterte sie Matt McCarlson immer wieder unauffällig.
Natürlich dachte sie nicht im Traum daran, dass er ihr Interesse erwidern könnte. Schließlich hatte er keinen Zweifel daran gelassen, wie reizlos er sie fand. Selbst wenn sie kerngesund wäre, ihr Gedächtnis perfekt funktionierte und sie halbwegs passende Sachen anhätte, würde er sie wohl kaum als Frau wahrnehmen. Leise seufzend und ohne großen Appetit schob sie den Löffel in den Fruchtcocktail und kaute lustlos, als in ihrem Kopf plötzlich etwas aufblitzte. Etwas, das mit Pfirsichen zu tun hatte. Etwas, das sie nicht verstand. "Sie sind sehr still", meinte Matt. "Geht es Ihnen gut?" „Ich glaube, mir ist gerade etwas eingefallen." "Wirklich? Was denn?" "Nichts Erdbewegendes. Es hatte mit Pfirsichen zu tun." Matt lehnte sich zurück. "Mit Pfirsichen? Warum um alles in der Welt sollten Sie sich als Erstes an Pfirsiche erinnern?" "Glauben Sie mir, wenn ich bestimmen könnte, woran ich mich als Erstes erinnere, wären es ganz sicher nicht Pfirsiche", erwiderte sie trocken. "Außerdem war es sehr verschwommen. Ich meine, ich weiß nicht einmal, ob ich Pfirsiche gegessen, gekauft oder gepflückt habe." Sie machte eine Pause. "Vielleicht habe ich ja auch damit geworfen - nach einem unfreundlichen Mann, zum Beispiel." Matts Augenbrauen zuckten hoch. "Sie halten mich für unfreundlich?" "Habe ich Sie damit gemeint?" "Da ich im Moment der einzige Mann bin, den Sie kennen, kommt sonst keiner in Frage." "Seien Sie nicht albern", murmelte Hope. "Sie sind wütend. Nicht nur das, Sie sind wütend auf mich. Was ist los? Was habe ich getan?" Hope schwieg. Er hatte ja Recht. Sie war so gekränkt und zornig, dass sie ihn am liebsten mit etwas beworfen hätte. Sicher, er hatte sie gerettet, aber er fand sie so unattraktiv, dass sie ebenso gut ein streunender Hund hätte sein können, den er aus Mitleid aus dem strömenden Regen in sein Haus geholt hatte. Doch das konnte sie ihm ja schlecht sagen, also log sie einfach. "Tut mir Leid, da irren Sie sich. Ich bin kein bisschen wütend auf Sie. Warum sollte ich? Sie haben mir vermutlich das Leben gerettet, auch wenn es ein erbärmliches zu sein scheint." Matt runzelte die Stirn. "Warum glauben Sie, dass Sie ein erbärmliches Leben geführt haben?" Sollte er ihr den Zeitungsartikel geben? Was er darin gelesen hatte, machte wahrlich nicht den Eindruck, als wäre Hope LeClaires Leben erbärmlich, im Gegenteil: sie war eine Millionenerbin und sah auch nicht gerade schlecht aus. Im Gegenteil, noch nie hatte er einen makelloseren Körper gesehen. Volle, perfekt geformte Brüste mit rosigen Knospen, wie geschaffen für einen Männermund. Nein, was Hope zu bieten hatte, lag nicht nur auf Bankkonten und in Tresoren.
"Haben Sie schon jemanden gesehen, der nach mir sucht?" entgegnete sie. "Würden Sie Ihr Leben nicht auch für ziemlich erbärmlich halten, wenn es keine Menschenseele interessiert, wo Sie sind und was Ihnen zugestoßen ist?" "Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass die Straßen unpassierbar sind. Selbst wenn der Regen aufhört, kann es noch Tage dauern, bis sie wieder befahrbar sind." "Wenn jemand, der mir etwas bedeutet, vermisst wäre, würde ich nichts unversucht lassen, ihn zu finden. Ich würde mich von Regen oder überschwemmten Straßen nicht aufhalten lassen", fauchte sie. Matt hörte den leicht hysterischen Unterton in ihrer Stimme. Das Letzte, was er und seine Männer jetzt auf der Ranch brauchten, war eine Frau, die die Fassung verlor und ihre Lage noch schwieriger machte. Nein, er würde ihr den Artikel nicht zeigen. Vielmehr würde er alles tun, um Hope von ihrer misslichen Situation abzulenken. "Sie haben nicht viel von Ihrem Sandwich gegessen. Möchten Sie etwas anderes?" "Sie wollen das Thema wechseln", erwiderte sie erschöpft. "Das ist okay, mich langweilen meine Probleme auch. Ich habe zwar höllische Angst, aber es hat keinen Sinn, mit dauernd klarzumachen, was ich alles nicht weiß. Ich wette, Sie wünschten, Sie hätten mich nicht gefunden." Verdammt richtig, Baby! "Unsinn", sagte Matt so besänftigend wie möglich. "Wissen Sie was? Sie bleiben hier sitzen, während ich abräume, dann bringe ich Sie in Ihr Zimmer zurück." „Ja", antwortete sie matt. Er nahm die Teller und trug sie zur Spüle. "Wieso haben Sie eigentlich keine Möglichkeit, in einem Notfall mit ... der Stadt Verbindung aufzunehmen?" fragte sie. Matt registrierte den Vorwurf in ihrer Frage. "Ich bin wie viele Rancher. Ich mag Leute nicht besonders, schon gar nicht die aus der Stadt, und lieber warte ich auf besseres Wetter, als mir von einer Horde aufdringlicher Wohltäter sagen zu lassen, was ich tun und lassen soll." "Und ich nehme an, die Männer, die für Sie arbeiten, sehen das genauso?“ "Meine Männer sind erfahrene Cowboys. Sie wissen, was das Leben auf dem Land an Risiken birgt, und nehmen Rückschläge hin, ohne sich zu beklagen." "Wie Sie." "Haben Sie mich jammern gehört? Lassen Sie es mich so sagen, wie es ist, Hope LeClaire. Sie sind der einzige Mensch auf dieser Ranch, der sich darüber beklagt, dass er hier festsitzt. Natürlich erwarte ich von Ihnen nicht, dass Sie sich freuen ..." "Wie großzügig von Ihnen", unterbrach Hope ihn. "Ich möchte wissen, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie ohne Gedächtnis an einem unbekannten Ort aufgewacht wären." Sie stand auf. "Ich gehe jetzt zu Bett und brauche dazu Ihre Hilfe nicht, also versuchen Sie gar nicht erst, mir Ihren starken männlichen Arm anzubieten."
"He, mein Arm ist stark und männlich, und Ihr Sarkasmus ändert nichts daran. Nehmen Sie wenigstens die Laterne mit, damit Sie nicht auf Ihr undankbares Gesicht fallen! " "Undankbar? Wie soll ich Ihnen meine Dankbarkeit beweisen? Indem ich Ihnen die Füße küsse? Ich habe mich bereits mehrfach bedankt. Entweder haben Sie das vergessen oder Sie waren zu unsensibel, um es zu bemerken." "Ich bin nicht unsensibel, Lady", knurrte Matt. "Aber da Sie es sind, sollte man meinen, Sie wären taktvoll genug, es niemand anderem vorzuwerfen." "Sie Idiot!" rief sie, während sie die Laterne vom Tisch nahm und davonschwebte wie eine Königin nach der Audienz. „Ja, ich bin ein Idiot“, murmelte Matt und entzündete eine zweite Laterne für sich selbst. "Und du bist so blasiert wie jede andere verwöhnte Prinzessin, die ich gekannt habe." Eine Stunde später ging Matt zu Bett. Er lag in der Dunkelheit und lauschte dem Regen. Der Sturm hatte nachgelassen, aber man konnte nicht wissen, ob er sich noch einmal aufbäumen würde, bevor er endgültig abzog. Und wenn es so weit war, würde die Arbeit beginnen. Überall waren ausgewaschene Straßen, Schlammwüsten und über die Ufer getretene Flüsse. Matt überlegte gerade, was es ihn kosten würde, sämtliche Schäden auf der Ranch zu beseitigen, als ein, markerschütternder Schrei ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Er sprang aus dem Bett und rannte zu Hopes Zimmer. Im Schein ihrer Laterne sah er, dass sie träumte. Sie strampelte mit den Beinen, schlug um sich und gab Laute von sich, die jedem Horrorfilm Ehre gemacht hätten. Matt eilte hinüber und legte sich neben sie. "Hope ... Hope", sagte er und nahm sie in die Arme. "Es ist nur ein Traum, Hope, nur ein Traum. Ich bin bei Ihnen. Sie sind in Sicherheit." Sie öffnete die verweinten Augen und hörte Matts ruhige Stimme. Er hatte die Arme um sie gelegt, und ihr Gesicht ruhte an seiner nackten Brust. Sie fühlte sich warm und geborgen und wehrte sich nicht gegen seine Nähe. "Ich hatte einen Albtraum.", flüsterte sie mit zitternder Stimme. "Einen schrecklichen Albtraum.“ "Ich weiß. Ich war in meinem Zimmer, und Sie haben so laut geschrieen, dass ich dachte, ein Ungeheuer knabbert Ihren großen Zeh an." Sie rang sich ein Lächeln ab. "Sie wollen mich aufheitern." "Wirkt es?" "Ja", gab sie zu. Auch bei ihm wirkte etwas. Es war Hope und die Tatsache, dass sie an ihn geschmiegt dalag und er jede erregende Kurve ihres Körpers fühlen konnte. Er schloss die Augen und stöhnte innerlich auf. Es war ganz natürlich, dass ein Mann es genoss, eine schöne Frau in den Armen zu halten, aber diese Frau sollte für Ihn tabu sein. Er hatte geschworen, sich nie wieder mit einer Frau
einzulassen, die mehr Geld als er hatte. Was im Moment so ungefähr die gesamte weibliche Bevölkerung von Texas ausschloss. Seit Trishas Tod war er kaum noch ausgegangen, hatte jedoch nie das Gefühl gehabt, etwas zu verpassen. Aber jetzt kamen ihm die ersten Zweifel. Mit einer so attraktiven Frau im Bett zu liegen verstieß gegen seinen wohl gemeinten Schwur. Die Ranch bereitete ihm genug Sorgen, und eine intime Beziehung, die keine Zukunft hatte und ihm vermutlich nur das Herz brechen würde, wäre ein zusätzliches Problem, das er sich nicht aufhalsen sollte. Auf der anderen Seite ... Doch gerade als er jegliche Vernunft über Bord werfen und seinen Schwur brechen wollte, hob Hope den Kopf. "Der Mann in meinem Traum hatte mich gefesselt und..." "Und?" fragte Matt, als sie verstummte. „Es ist seltsam", fuhr sie fort. "Ich weiß nicht, ob er mich zu verführen versuchte ... oder ich ihn. Man sollte meinen, dass ich den Unterschied kenne, nicht wahr?" "Nun ja, eine Verführung kann viele Formen annehmen." Allein das Wort auszusprechen, steigerte das Verlangen in ihm. Er musste aufstehen und in sein eigenes Bett zurückkehren, bevor etwas tat, was er bereuen würde. "Sind Sie wieder okay? Kann ich sie allein lassen?" Panik schnürte Hope die Kehle zu. Hastig schlang sie die Arme um Matts Hals. "Bitte lassen Sie mich nicht allein! Bitte!" Matt biss die Zähne zusammen und verdrängte jeden Gedanken an ihren Körper. Na ja, zumindest versuchte er es. "Ich bleibe, aber dann brauche ich mehr Platz." "Oh, tut mir Leid." Sie ließ ihn los und rückte etwa einen Fingerbreit von ihm ab. "Ist das besser?" "Ja." Ihr Kopf lag noch auf seinem Arm und ihre Hand auf seiner Brust. Er nahm seinen anderen Arm von ihrer Taille und presste ihn neben sich auf die Matratze. "Versuchen wir, ein wenig zu schlafen." "Natürlich ... Aber ich glaube, der Traum war symbolisch für etwas, das wirklich passiert ist." "Symbolisch?" "Ich kann nur hoffen, dass es symbolisch war", fuhr sie fort. "Ich meine, was, wenn irgendein schrecklicher Mann mich wirklich gefesselt hat." Sie rieb sich die Handgelenke und schrie auf - "Matt, ich habe Striemen an den Handgelenken! Ich war gefesselt!" Genau das hatte er auch gedacht, aber nichts gesagt, weil er sie nicht noch mehr beunruhigen wollte. "Sie sollten Ihre Fantasie zügeln", erwiderte er. "Diese Druckstellen an meinen Handgelenken hier bilde ich mir doch nicht nur ein, Matt. Der Mann in meinem Traum war kein Fantasieprodukt. Er ist ein lebender Mensch aus Fleisch und Blut, der mir etwas antun will. Aber warum?" murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Matt.
Gegen seinen Willen dachte er über ihre Worte nach. Seine Ranch lag weit draußen - Hope musste zumindest einen großen Teil des Weges mit dem Auto gefahren sein, nur zu Fuß war es über ein Tagesmarsch von Hawthorne aus. Doch wo war ihr Wagen? Oder war sie mit jemandem gefahren? Und dann? Hatte man sie aus dem Auto geworfen? War sie geflohen? In der Zeitung stand nur, dass sie verschwunden war. Vielleicht war sie auch nur mit einem Liebhaber durchgebrannt, der sich dann nicht als der nette Kerl erwies, für den sie ihn gehalten hatte. Vielleicht war das Ganze nur eine gescheiterte Romanze. "Können Sie sich daran erinnern, wie der Mann in Ihrem Traum aussah?" fragte er. "Nein, aber ich weiß, dass er ein schrecklicher Mensch war." "Wie können Sie da so sicher sein, Hope? Ich will Sie nicht quälen, aber wie können Sie ohne Gedächtnis überhaupt etwas mit Sicherheit wissen?" Sie zögerte, dann stützte sie sich auf einen Arm und sah ihn an. "Ich verlasse mich auf meinen Instinkt." Himmel, selbst im milden Schein der Lampe waren ihre Augen so blau wie eine texanische Kornblume. Sie war nicht nur hübsch, sie war sexy. Jedenfalls brachte sie ihn dazu, wieder an Sex zu denken. Sie trug eins seiner alten Hemden, das zufällig so blau wie ihre Augen waren, und sah darin ungemein verführerisch aus. "Instinkt ist ... meistens ... ein guter ... Gradmesser", stammelte er, in Gedanken fast ausschließlich bei dem, was Hopes Anblick in ihm auslöste. Fast hätte er es ihr gesagt. Dass er die Hände nicht von ihr lassen könnte, wenn er die Nacht in ihrem Bett verbrachte. Am liebsten hätte er sie gefragt, ob es ihr ähnlich ging. Hope konnte Matts Gedanken nicht lesen, aber in seinem Blick lag etwas, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Deine Fantasie geht mit dir durch, dachte sie. Wenn der Mann dich attraktiv fände, hättest du es längst gespürt. Schlaf endlich ein, bevor du dich vollkommen lächerlich machst! Sie legte sich wieder hin und kehrte ihm den Rücken zu. "Ich bin plötzlich sehr müde. Gute Nacht." Matt stieß einen stummen Seufzer der Erleichterung aus. Morgen früh würde alles sich normalisiert haben. Und wenn das Telefon wieder funktionierte, würde er die Stockwells wissen lassen, dass Hope in Sicherheit war. Okay, da war noch der Gedächtnisverlust, aber mit ihrem Geld konnten die Stockwells sicherlich die besten Ärzte für Hope engagieren. Und er? Er würde sein Verlangen nach ihr unterdrücken und sie irgendwann vergessen. Was blieb ihm anderes übrig? Hope konnte nicht einschlafen. Sie hatte Matt nicht absichtlich in ihr Bett gelockt, aber jetzt, da er neben ihr lag, schaffte sie es nicht, seine Nähe zu ignorieren. Er trug nichts als Boxerthorts, und das Gefühl, seine nackte Haut an ihrer zu spüren, ließ sie nicht mehr los. Sie zwang sich, ruhig zu atmen, Die Vorstellung, dass Matt merkte, wie sehr sie sich danach sehnte ...
Hope legte die Stirn in Falten. Wonach sehnte sie sich? Geküsst zu werden? In seinen starken Armen zu liegen? Trotz ihrer Erregung konnte sie sich nicht ausmalen, mit einem Mann zu schlafen. Und warum nicht, um alles in der Welt? Sie hatte kein Problem, sich an ganz normale Dinge zu erinnern. Essen, Duschen, Anziehen. Sogar ans Küssen. Wieso konnte sie sich nicht daran erinnern, wie es war, mit einem Mann zu schlafen? Sicher nicht deshalb, weil ich kalt wie ein Fisch bin, dachte sie wütend. Sonst würde ich nicht hier liegen und mir wünschen, Matt McCarlson würde mich endlich wieder berühren!
4. KAPITEL Die Stockwells, Hopes texanische Familie, und ihre Angehörigen in Massachusetts versuchten, nicht an das Schlimmste zu denken. Doch je mehr Zeit verging, ohne dass sie etwas von ihr hörten, desto größer wurde ihre Angst um Hope. Vor allem Kate telefonierte immer wieder mit ihrer Mutter an der Ostküste. Dass sie mit Madelyn LeClaire sprechen konnte, erschien ihr noch immer wie ein Wunder. Denn erst auf dem Sterbebett hatte ihr Vater Caine Stockwell seinen Kindern gebeichtet, dass er sie jahrelang angelogen hatte - dass ihre Mutter nicht ertrunken war, sondern noch lebte. Kate und ihre Brüder hatten sich auf die Suche nach ihr gemacht und sie schließlich in Massachusetts gefunden. Ihre Mutter, ihren Onkel Brandon und ihre Halbschwester Hope. Sie hatten Hope zur Testamentseröffnung eingeladen, und es gab Beweise dafür, dass Hope nach Texas aufgebrochen war. "Mom, sie hat ihr Flugticket nach Grandview benutzt, also muss sie irgendwo in Texas sein", sagte Kate in den Hörer. "Es sei denn, jemand anders hat das Ticket benutzt", erwiderte Madelyn. "Kann es sein, dass Hope einen kleinen Abstecher gemacht hat, ohne ... jemanden zu informieren?" Kate stellte die Frage so taktvoll wie möglich. "Ich bin sicher, dass Hope nichts tun würde, was ihrer Familie Sorgen bereitet", erwiderte Madelyn leise. "Nein, wo immer sie jetzt ist, sie ist nicht freiwillig dort." "Du meinst, jemand hat sie dazu gezwungen?" "Es ist die einzige Erklärung, die Sinn ergibt, Kate. Hope ist gekidnappt worden." Kate erstarrte. "Aber Mom, wenn das stimmt, warum hat sich noch niemand bei uns gemeldet, um ein Lösegeld zu fordern?" "Kate, was glaubst du, warum ich nicht längst zu euch nach Texas geflogen bin? Damit ich zu Hause bin, wenn ihre Entführer anrufen. Brandon und ich sind wohlhabend, aber verglichen mit dem Vermögen der Stockwells ist unseres
winzig. Aber vielleicht stammen die Entführer aus dieser Gegend und wissen nichts von den Stockwells. Mein Name und mein Foto stehen oft genug in den Bostoner und New Yorker Zeitungen, und wer immer Hope in seiner Gewalt hat, glaubt vermutlich, dass bei uns genug zu holen ist. Aber natürlich können die Kidnapper auch aus Texas kommen, also solltet ihr gut auf die Kinder aufpassen." "Du denkst, sie könnten wieder zuschlagen?" fragte Kate entsetzt. "Ich weiß nicht, was ich denken soll, Kate. Seid einfach nur vorsichtig, ja?" "Du auch, Mom", flüsterte Kate. Sie musste unbedingt mit ihrem Bruder Rafe sprechen. Rafe war U.S. Marshal. Vielleicht konnte er ihr weiterhelfen. Hope erwachte vom Prasseln des Regens auf dem Dach, aber es klang sanfter als zuvor. Offenbar hatte der Sturm nachgelassen. Plötzlich musste sie an den Albtraum der letzten Nacht denken. Und daran, wie sie sich an Matt geschmiegt und ihn angefleht hatte, sie nicht allein zu lassen. "Oh, nein", stöhnte sie, als ihr einfiel, wie geborgen sie sich in seinen Armen gefühlt hatte - und dass sie kein Geheimnis daraus gemacht hatte. "Was muss er jetzt von mir denken?" Sie hatten sich nicht geküsst, keine intimen Zärtlichkeiten ausgetauscht, aber hatte es nicht genügend unnötige Bewegungen gegeben, die sich nur als eine Art von erotischem Vorspiel beschreiben ließen? Offenbar hatte Matt es auch gemerkt, sonst hätte er sie nicht um mehr Platz im Bett gebeten. Mit anderen Worten, dachte Hope beschämt, er weiß, wozu so viel Nähe führen kann und wollte es nicht. Sie hatte deutlich gefühlt, wie sehr erregt er war. Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können? Vielleicht hatte sie eine Beziehung mit einem anderen, an den sie sich nur nicht erinnerte. Mit jemandem, der in genau diesem Moment vor Sorge um sie außer sich war. Hope starrte an die Decke und fragte sich, wann Matt aufgestanden und aus ihrem Zimmer gegangen war. Sie seufzte. Vielleicht hatte sie einen Fehler begangen, aber wenigstens hatte sie sich in seinen Armen nicht allein und verloren gefühlt. Und wenn es irgendwo einen Mann gab, der sie liebte, würde er sie verstehen und sich sogar bei Matt dafür bedanken, dass er sich um sie gekümmert hatte. Schluchzend warf Hope sich herum. Warum konnte sie sich an nichts erinnern? Wenn es nun wirklich einen Mann gab, den sie von ganzem Herzen liebte? Würde ihr Körper so auf Matts Nähe reagieren, wenn sie einen anderen liebte? "Hör auf", befahl sie sich laut und stand auf. Erstaunt stellte sie fest, dass sie sich viel kräftiger als gestern fühlte. Entschlossen holte sie ihre Unterwäsche und die Schuhe aus der Waschküche. Im Badezimmer erlebte sie eine freudige Überraschung der Strom war wieder da. Sie duschte und zog die Jeans an, die Matt ihr gestern gegeben und deren Beine sie abgeschnitten hatte. Das blaue TShirt war viel kleiner als erwartet. Vermutlich war es irgendwann einmal in der Waschmaschine eingelaufen und Matt zu klein geworden. Zum Glück hatte sie in ihrer Handtasche einige Kosmetika gefunden. Hope legte etwas Rouge auf und zog die Lippen nach. Ihr Haar war glatt, wenn es nass war, sobald es
trocknete, wurde es wellig. Sie bürstete es nach hinten und stellte dabei fest, dass die Wunde am Hinterkopf nicht mehr schmerzte. Sie öffnete die Schränke, zog die Schubladen auf und fand ein Stück Bindfaden, das sich als Gürtel verwenden ließ. Als sie sicher war, dass die Jeans nicht mehr rutschte, ging sie in die Küche. Erstaunt stellte sie fest, dass Matt kaum Lebensmittel vorrätig hatte. Vermutlich aß er immer mit den Cowboys zusammen in der Unterkunft. Na ja, wenigstens hatte er Eier, Butter und Käse da. Daraus ließ sich ein gutes Frühstück machen. Als Matt hereinkam, saß sie schon am Tisch und aß. Wie angewurzelt blieb er stehen und starrte sie an. Unwillkürlich fragte er sich, ob er jemals eine so schöne Frau gesehen hatte. Hope brauchte keine Designerkleidung. Selbst in seinen eigenen Jeans und dem eingelaufenen blauen T-Shirt hätte sie sämtliche Blicke auf sich gezogen. Sie räusperte sich. "Guten Morgen." Verlegen kehrte Matt auf die Erde zurück. "Guten Morgen. Sie haben also gemerkt, dass wir wieder Strom haben." "Voller Freude, ja." "Und Sie fühlen sich wirklich schon kräftig genug, um aufzustehen und Frühstück zu machen?" fragte er skeptisch. "Es geht mir gut", versicherte sie. "Körperlich jedenfalls. Mein Gedächtnis funktioniert leider immer noch nicht." Er fuhr sich durchs Haar. "Was essen Sie da?" "Ein Omelett." "Sie können kochen? Wieso sieht es so ... locker aus?" "Weil es anders zubereitet wird als ein normales Omelett. Möchten Sie etwas davon? Ich habe nur ein wenig von diesem Ende gegessen. Sie könnten die andere Seite nehmen." Er lächelte und sah so gut aus, dass Hope fühlte, wie ihr heiß wurde. Du meine Güte, reiß dich zusammen! Er hat dich nur angelächelt, dachte sie. Was wirst du tun, wenn er erst seinen Charme spielen lässt? Hecheln? "Danke, ich würde gern ein bisschen probieren." Matt holte einen Teller und eine Gabel und setzte sich zu ihr. "Nur ein kleines Stück. Ich habe schon vor zwei Stunden gefrühstückt, aber so ein Omelett habe ich noch nie gegessen, und es sieht extrem lecker aus." Hope schnitt eine Ecke ab und legte sie auf seinen Teller. Er nahm einen Bissen und erklärte, es sei das beste Omelett, das er je geschmeckt hatte. "Wo haben Sie gelernt, so gut zu kochen?" Sie erstarrte. "Ich ... weiß es nicht." "Sie haben dieses Omelett zubereitet, ohne sich daran zu erinnern, wie man es macht?" „Ja." "Ohne darüber nachzudenken?" Sie nickte.
Matt runzelte leicht die Stirn, bevor er sein Stück verspeiste. "Die Schränke hier sind ziemlich leer", sagte er wie beiläufig. "Ich möchte wissen, was Sie mit mehr Zutaten zustande bringen könnten.“ "Tja, ich weiß nicht." "Möchten Sie es herausfinden?" "Und wie?" "Ich könnte einige Lebensmittel aus der Unterkunft der Cowboys holen. Seit der Koch gekündigt hat, bereiten sie ihre Mahlzeiten selbst zu. Sie haben eine Menge Vorräte, und wenn ich uns ein paar davon hole, würde es Ihnen vielleicht Spaß machen, etwas…“ "Sie brauchen eine Köchin", unterbrach Hope ihn trocken. "Nein. Sie verstehen das falsch. Natürlich würden sich alle über etwas Abwechslung auf dem Teller freuen, aber wir kommen auch ohne Koch verdammt gut zurecht. Darum geht es nicht. Ich sehe dieses Omelett sozusagen als Mittel, Ihrem blockierten Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen." "Ach, wirklich?" „Ja, wirklich. Seien Sie nicht so misstrauisch, Hope. Glauben Sie allen Ernstes, ich würde Ihnen schmeicheln, nur um Ihre Kochkünste kostenlos genießen zu können?" "Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie und Ihre Männer umsonst bekochen würde? Vorausgesetzt, ich könnte es." Matt lehnte sich zurück und sah sie an. "Es gibt da einen Spruch, an den Sie sich vermutlich nicht erinnern. Er lautet ungefähr so: Eine Hand wäscht die andere.“ "Oh, ich verstehe. Sie haben meine Hand gewaschen, indem sie mich aus dem Sturm gerettet haben, und jetzt bin ich an der Reihe, ja?" "Wenn Sie es unbedingt so sehen wollen", entgegnete er lächelnd. "Aber wir wissen noch gar nicht, ob Sie wirklich kochen können. Vielleicht sind lockere Omeletts das einzige Gericht, das Sie beherrschen." "Vielleicht", wiederholte Hope und griff wieder nach ihrer Gabel. In Matt McCarlsons Küche herumzuexperimentieren wäre allemal besser, als in seinem Gästezimmer an die Decke zu starren. "Einverstanden", sagte sie und hob das Kinn. "Holen Sie die Lebensmittel her. Ich versuche es." "Gut. Ich gehe gleich hinüber." Matt stand auf und schenkte ihr ein Lächeln, bei dem ihre Knie weich wurden, obwohl sie saß. Als er fort war, legte sie den Kopf in den Nacken und stöhnte laut auf. War sie schon immer so empfänglich gewesen, oder war dieser Mann etwas Besonderes? Sie sprang so ungestüm auf, dass der Stuhl nach hinten kippte. Hastig stellte sie ihn wieder auf und räumte den Tisch ab. Könnte sie doch nur ihre Mutter anrufen. Diese Madelyn LeClaire von der Karte in ihrer Brieftasche. Oder den Arzt, den Matt erwähnt hatte. Würde ihr Leben je wieder normal sein? Und was war überhaupt für sie, Hope LeClaire, normal?
Matt schlüpfte durch die Hintertür in die Unterkunft und füllte einen großen Karton mit Lebensmitteln aus der Speisekammer. Früher oder später würden die Männer Hope bemerken, zumal sie nicht mehr im Bett lag. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund wäre es ihm lieber, wenn sie noch eine Weile unentdeckt blieb. Schon deshalb, weil die Cowboys etwas denken würden, was absolut nicht zutraf. Sobald das Telefon funktionierte, würde er Doc Pickett anrufen. Der Strom war wieder da, also konnte es nicht mehr lange dauern, bis auch die Telefonleitungen repariert waren. Und sobald Hope LeClaire die Farm verlassen hatte, würde sein Leben sich wieder normalisieren. Matt konnte es kaum abwarten, sie nach Hawthorne zu fahren und in Doc Picketts Obhut zu geben. Er runzelte die Stirn. Oder doch nicht? Was zum Teufel war mit ihm los? Wäre es ihm etwa lieber, dass sie auf der Ranch blieb? "Natürlich nicht", murmelte er grimmig. Chuck Crawford betrat den Raum. "Du führst Selbstgespräche?" fragte er grinsend. "Liegt das am Wetter oder an deinem Hausgast?" "An beidem." Matts Vorarbeiter starrte auf den Karton. "Was tust du da?" "Ich hole ein paar Lebensmittel. Chuck, was hältst du davon, wenn wir gleich unsere Pferde satteln, um die Ranch abzureiten?" "Das habe ich schon getan, Matt. Genau deshalb muss ich mit dir reden. Lawana Creek ist über die Ufer getreten. Wir haben dort draußen zwei eingezäunte Weiden. Auf jeder davon sind etwa vierzig Rinder, die nicht weg können. Wir müssen sie auf andere Weiden treiben. Dringend." Matt nickte. "Ich hole noch ein paar Sachen aus dem Kühlschrank und der Truhe, dann bin ich fertig. Sag den Männern, sie sollen sich in ihr Regenzeug werfen. Wir treffen uns in zehn Minuten an der Scheune." „Okay." Chuck eilte davon, und Matt füllte den Karton und trug ihn zurück in seine Küche. Dort stellte er ihn auf den Tisch. "Also, dann ran an die Arbeit, Hope!" Verblüfft starrte sie auf den Inhalt. Für wen hielt er sie? Eine ausgebildete und erfahrene Köchin? "Die Männer und ich werden bis zum späten Nachmittag fort sein", sagte er. "Wir müssen Rinder auf höher gelegene Weiden treiben." "Oh", erwiderte sie matt. "Natürlich. Sie müssen arbeiten." Matt ließ sie nicht aus den Augen, während er Lederhandschuhe anzog. "Kommen Sie ein paar Stunden allein zurecht?" „Ja." "Sind Sie so sicher, wie Sie klingen?" "Soll ich Ihr Bein umklammern und Sie anflehen, mich nicht allein zu lassen?" „Sarkasmus steht Ihnen nicht", sagte er scharf. "Nein? Vielleicht bin ich sarkastisch veranlagt." „Vielleicht auch nicht", erwiderte Matt nur. "Bis später."
„Ja, bis später", murmelte sie, als er fort war. Nachdem sie einige Minuten wütend auf und ab gegangen war, machte sie sich daran, den Karton auszupacken. Matt und Chuck ritten zusammen. Die anderen Männer folgten in kurzer Entfernung und sprachen untereinander über das Wetter. "Miss LeClaire scheint es besser zu gehen", meinte Chuck leise. "Erinnert sie sich auch daran, wer..." "Nein", unterbrach Matt ihn. "Sie erinnert sich an gar nichts. Findest du es nicht auch seltsam, dass sie trotzdem in der Lage ist, ein verdammt leckeres Omelett zu machen?" "Meinst du, sie spielt dir etwas vor? Warum sollte sie das tun?" "Keine Ahnung", erwiderte Matt seufzend. "Chuck, sie geht mir auf die Nerven. Ob sie sich nun erinnert oder nicht, sie ist ganz schön streitlustig." "Warum zum Teufel streitet ihr euch?" "Gute Frage, Chuck. Verdammt gute Frage. Wie gesagt, manchmal macht sie mich einfach wahnsinnig. Und ich sie wohl auch." Matt schwieg eine Weile. "Chuck, es gibt da etwas, das du über Hope nicht weißt." "Was denn?" Chuck warf ihm einen neugierigen Blick zu. "Es stand in der Zeitung, die du aus dem Briefkasten geholt hast. Sie wird vermisst." "Vermisst?" "Offenbar war sie auf dem Weg von Massachusetts nach Texas und ist einfach verschwunden. Chuck, sie ist eine Stockwell. Hope LeClaire ist eine von Caine Stockwells Töchtern." Chuck stieß einen leisen Pfiff aus. "Eine Stockwell? Verdammt, Matt, dann ist sie vermutlich steinreich." Er sah Matt an. "Genau das ist das Problem, was? Du hast das Gefühl, dass sie wie ... Tut mir Leid. Ich weiß, du redest nicht gern über ... na ja, du weißt schon." "Stimmt. Ich rede nicht gern darüber." Mit finsterer Miene schaute Matt in die Ferne. Hope war die erste Frau, die unter seinem Dach wohnte, seit seine Ehe auf so tragische Weise zu Ende gegangen war. Sie war am Geld gescheitert. Hope war eine Stockwell und steinreich. Stinkreich. Er konnte nicht erwarten, dass Chuck sich keine Gedanken machte. "Matt, du weißt, dass ich normalerweise keine Fragen stelle. Aber ich bin verdammt neugierig, wie Hope auf das reagiert hat, was in der Zeitung steht." „Ich habe es ihr nicht erzählt", gestand Matt. „Im Ernst? Warum nicht?" "Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich mit jemandem umgehen soll, der unter Amnesie leidet, Chuck. Sobald das verdammte Telefon wieder funktioniert, werde ich Doc Pickett anrufen." "Heißt das, wenn ich ihr über den Weg laufe, soll ich den Mund halten?" „Vorläufig ja." „Ich bin nicht sicher, ob das richtig ist, aber wenn du es so willst ...“
"Ich bin mir auch nicht sicher", gab Matt unumwunden zu. "Da vorn ist die erste Weide. Machen wir uns an die Arbeit."
5. KAPITEL Sie waren noch eine Meile von der Ranch entfernt, als Matt die Augen zusammenkniff. Die Sonne ging bereits unter, und durch den Nieselregen war der Hof schwer zu erkennen. Hinzu kam, dass nirgendwo ein Licht brannte. Er fluchte. "Der verdammte Strom ist wieder weg." Chuck nickte. "Sieht so aus." "An Tagen wie diesem frage ich mich, warum ich die Ranch nach dem Tod meines Vaters nicht verkauft habe", murmelte Matt grimmig. „Kann ich gut verstehen." "Ich möchte wissen, wie lange Hope schon ohne Strom ist." "Meinst du, es macht ihr Angst?" "Sie hat ihr Gedächtnis verloren, Chuck. Da macht ihr fast alles Angst." Schweigend ritten sie weiter. "Ihre Familie hat eine Belohnung von fünfzigtausend Dollar für Hinweise auf ihren Verbleib ausgesetzt", fuhr Matt nach einem Moment fort. "Das ist eine Menge Geld", erwiderte sein Vorarbeiter. "Damit könntest du viele Rechnungen bezahlen." "Stimmt. Aber ich glaube nicht, dass ich es annehmen könnte." Chuck überlegte. Jetzt vielleicht nicht. Aber wenn sie wieder bei ihrer Familie ist ... Es geht mich zwar nichts an, aber du hast nie ein Geheimnis aus deiner finanziellen Lage gemacht." "Wie auch? Wenn die Männer keinen regelmäßigen Lohn bekommen und ich dauernd Heu und Vieh verkaufen muss, damit sie mir den Strom nicht abstellen? Mit den Zahlungen für die Hypothek bin ich drei Monate im Verzug. Vielleicht solltest du dich langsam nach einem anderen Job umsehen", sagte Matt grimmig. "Man kann nie wissen, was der nächste Tag bringt", antwortete Chuck ruhig. "Außerdem mag ich diesen Job." "Ich würde dich auch ungern verlieren." Endlich erreichten sie den Hof. Die Männer stiegen von ihren Pferden und sattelten sie ab. "Ich kümmere mich um Dex", bot Chuck an. Matt nickte. "Danke." „Isst du mit uns, Matt?" rief einer der Cowboys ihm nach. "Nein, heute nicht. Ich bin ziemlich kaputt und werde mich wohl mit einem Sandwich begnügen. Gute Nacht", erwiderte Matt, ohne sich umzudrehen. Das Haus war so dunkel. Warum hatte Hope keine Laternen angezündet?
Auf der Veranda stampfte er mehrmals auf, um sich den Schlamm von den Stiefeln zu klopfen, bevor er hineinging. Im Haus war es nicht nur zu dunkel, sondern auch still. Viel zu still. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass Hope LeClaire für ihn mehr als nur ein Schützling war. Das verblüffte ihn, denn seit Jahren war er sicher, dass er nie wieder etwas für eine Frau empfinden würde. Schon gar nicht für eine reiche. Er hing seine nassen Sachen auf und setzte sich in die Küche, um die Stiefel auszuziehen. Danach ging er in die Waschküche, um eine Laterne zu holen. Sie waren noch alle da. Also hatte Hope nirgendwo Licht gemacht. Hastig zündete er eine Laterne an und machte sich auf die Suche nach ihr. Das Gästezimmer war leer. "Hope? Wo sind Sie?" Hope schlug die Augen auf. Hatte sie nur geträumt, dass jemand nach ihr rief? "Hope?" Matt betrat das Wohnzimmer und sah sie auf der Couch liegen. Sie hatte ihre Bettdecke mitgebracht. Blinzelnd hob sie den Kopf. "Matt?" „Ja. Sind Sie okay?" Der Ärger, der sich in ihr angestaut hatte, entlud sich explosionsartig. "Nein, ich bin nicht okay! Wir haben keinen Strom, keine Heizung, kein Licht, und ich bin seit Stunden allein! Wo waren Sie so lange?" "Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich den ganzen Nachmittag brauchen werde." "Der Nachmittag ist längst vorbei. Es ist dunkel!" "Warum haben Sie keine Laterne angezündet?" "Das habe ich versucht", rief sie schrill. "Aber ich habe diese ... vorsintflutlichen Dinger nicht anbekommen." "Schreien Sie mich nicht an", sagte Matt mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich schreie, solange ich will. Sie sitzen nicht ohne Gedächtnis in einem wildfremden Land fest!" "Sie sind nicht in einem fremden Land, Sie sind in Texas!" "Es fühlt sich fremd an. Genau wie Sie! " Hope begann zu weinen. "Alles fühlt sich fremd an. Ja, ich habe Angst", schluchzte sie. "Ich will es nicht, aber ich kann nichts dagegen tun." Sie klang so verzweifelt. Wie eine Frau, die alles verloren hatte. Seit er in Geldnot war, hatte Matt sich oft gefragt, was er tun würde, wenn es zum Schlimmsten kam und er sein Zuhause verlor. Plötzlich tat sie ihm Leid. "Bleiben Sie unter der Decke", sagte er sanft. "Ich mache ein Feuer im Kamin, dann wird es wenigstens hier schön warm.“ Während er das Holz aufschichtete, ging ihm auf, wie verbittert und zynisch er in den letzten Jahren geworden war. Er durfte seine Frustration nicht an einer Frau auslassen, die wahrlich nicht freiwillig unter seinem Dach war. Er wartete, bis das Feuer brannte. "Ich bin gleich wieder da", sagte er und ließ die Laterne bei ihr zurück.
Hope wischte sich die Augen ab. Sie hätte ihn nicht anschreien dürfen. Er hatte ihr vermutlich das Leben gerettet. Aber es war so dunkel gewesen, und ohne Elektrizität hatte sie nicht einmal kochen können, um sich abzulenken. Matt kehrte mit Bettzeug und einer zweiten Laterne zurück. "Ich mache Ihnen ein Bett am Kamin." "Matt, ich ... Es tut mir Leid, dass ich Sie angeschrieen habe." Er breitete zwei Daunenschlafsäcke vor dem Kamin aus, bevor er sich zu ihr umdrehte. "Vergessen Sie's", knurrte er, während er ein sauberes Laken über die Schlafsäcke legte. "Ich hole ein paar Kissen und Decken", sagte er und ging wieder hinaus. Hope starrte in die lodernden Flammen und fragte sich zum tausendsten Mal, warum sie ausgerechnet in diesem gottverlassenen Teil von Texas gelandet war. Matt kam zurück. "Machen Sie es sich vor dem Kamin bequem", sagte er, als das Bett fertig war. "Ich hole etwas zu essen." Zaghaft stand sie auf. Er wartete nicht, bis sie sich hingelegt hatte, sondern eilte in die Küche. Hope streckte sich auf den Schlafsäcken aus und spürte, wie die Wärme sie entspannte. Als sie mit den Fingern durch ihr zerzaustes Haar strich, ertastete sie die verheilende Wunde am Hinterkopf. Und sofort spürte sie wieder die Panik in sich aufsteigen. Warum hatte sie ihr Gedächtnis verloren? Hatte sie ein Verbrechen begangen? "Oh, mein Gott", flüsterte sie. Matt betrat mit einem beladenen Tablett das Wohnzimmer und sah, wie Hope mit weit aufgerissenen Augen ins Feuer starrte. Sein Herz schlug schneller. Rasch stellte er das Tablett ab und setzte sich zu ihr vor den flackernden Kamin. "Sie dürfen den Mut nicht verlieren", sagte er leise. "Amnesie muss kein Dauerzustand sein. Ihr Gedächtnis kann jederzeit zurückkehren." Sie sah ihn an und legte die Hände an seine Brust. "Matt, was ist mit mir passiert?" Ihr Blick flehte um Hilfe, und spontan nahm er ihre Hände in seine. "Hope, können Sie nicht aufhören, daran zu denken?" "Ist das Ihre einzige Antwort?" Er wusste, dass sie eine Stockwell war. Er wusste, was über ihr Verschwinden in der Zeitung stand. Aber wusste er auch etwas, das ihr die Angst nehmen konnte? Nein. "Wenn ich eine bessere hätte, hätte ich sie Ihnen längst gegeben", erwiderte er behutsam. "Jetzt lassen Sie uns etwas essen. Ich bin hungrig. Sie auch?" Hope seufzte. "Ich glaube schon." Stunden später schreckte Matt auf. Er hatte auf der Couch geschlafen, um das Feuer im Kamin im Auge zu behalten - und Hope, die davor auf den Schlafsäcken lag. Er hatte sich stündlich von seiner Armbanduhr wecken lassen,
um rechtzeitig Holz nachzulegen. Außerdem hatte er jeden Laut registriert, den Hope im Traum von sich gab. Was ihn jetzt hochfahren ließ, war kein gequältes Wimmern oder Seufzen, sondern ein lauter Entsetzensschrei. Matt sprang von der Couch, eilte zu Hope und nahm sie in die Arme. Sofort beruhigte sie sich, und er wagte nicht, sie wieder loszulassen. Also blieb er bei ihr, aber er war so hundemüde, dass er nach einer Weile einschlief. Das Feuer brannte herunter, doch Matt war zu erschöpft, um den leisen Weckton seiner Uhr zu hören. Erst als es im Raum kühl wurde, kroch er schläfrig unter die Decken und schmiegte sich an Hopes warmen Körper. Sie trug eins seiner Hemden, doch es war hochgerutscht, und bis auf den seidigen Slip, den er ihr an jenem ersten Morgen ausgezogen hatte, war sie darunter nackt. Auch ohne aufzuwachen spürte er, wie ihre langen Beine sich an seinen rieben. Wie von selbst begann seine Hand Hopes hinreißende Kurven zu erkunden. Hinter seinen geschlossenen Lidern formten sich erotische Bilder, und der Wunsch, das brennende Verlangen nach dieser Frau zu stillen, wurde immer unbändiger. Hope erwachte langsam. Matts Finger glitten über ihre Haut, und sie fühlte an ihrer Hüfte, wie sehr er sie begehrte. Es machte ihr keine Angst. Im Gegenteil, was sich in ihr ausbreitete, war einfach zu herrlich, um es nicht zu genießen. Es konnte nur am Gedächtnisverlust liegen, dass es ihr vorkam, als wäre dies das erste Mal, dass ein Mann sie so intim liebkoste. Das war natürlich unmöglich. Schließlich bewies ihr Führerschein, dass sie achtundzwanzig Jahre alt war. Und auch ohne sich zu erinnern, wusste Hope, dass eine Frau in dem Alter wahrscheinlich nicht mehr unberührt war. Dennoch fragte sie sich, während Matts Hand immer wagemutiger wurde, ob sie so etwas Atemberaubendes schon jemals erlebt hatte. Erst als er ihr den Slip auszuziehen begann, ging ihr auf, wohin dieses sinnliche Vergnügen unweigerlich führen würde, wenn sie ihm keinen Einhalt gebot. "Matt", wisperte sie und hielt seine Hand fest. Ihre Stimme machte ihn schlagartig hellwach. Er erstarrte, seine Hand unter ihrer. "Schätze, ich habe geschlafen", sagte er heiser. "Ich auch." "Bist du sauer auf mich?" "Nein", flüsterte sie. "Wie könnte ich denn? Dazu hat es sich ... zu gut angefühlt. Aber dürfen wir es tun, Matt? Was, wenn ich verheiratet bin? Oder verlobt?" "Ich glaube, du bist keins davon." In der Zeitung hatte nichts über einen Ehemann oder Verlobten gestanden. "Aber du kannst es nicht mit Sicherheit wissen", erwiderte sie sanft. "Und ich auch nicht." Nur eins wusste sie ganz genau. Dass sie nicht so liegen bleiben durfte. Aber sie wollte es so sehr. Am liebsten hätte sie seine Hand wieder
losgelassen und Matt gestattet, mit ihr zu machen, was er wollte. Verzweifelt wehrte sie sich gegen das fiebrige Verlangen. Auch in Matt kämpften Vernunft und Leidenschaft miteinander. Bestimmt waren schon mehrere Artikel über Hope erschienen. Hätte er seine Zeitung regelmäßig erhalten, wüsste er jetzt vermutlich, ob sie zum Zeitpunkt ihres Verschwindens einen Partner gehabt hatte. Doch ohne sicher zu sein, durfte er sie nicht zu einer intimen Beziehung drängen. Und nicht nur ihretwegen, dachte er. Auch sein eigener Seelenfriede stand auf dem Spiel. Eine hoffnungslos verwöhnte Frau aus reichem Haus war genug für einen Mann. Hinzu kam das tragische Ende seiner gescheiterten Ehe. Beides zusammen sollte ihn für immer davon abhalten, sich mit einer Frau einzulassen, die für ihr Geld nicht zu arbeiten brauchte. Hope hatte Recht. Sie durften das hier nicht tun. Er zog seine Hand unter ihrer hervor, ließ den anderen Arm jedoch unter ihrem Kopf. "Lass uns schlafen", sagte er leise. "Möchtest du, dass ich mich wieder auf die Couch lege?" Sie zögerte. "Ich fühle mich sicher, wenn du neben mir liegst. Bitte bleib." "Gerne." Es dauerte eine Weile, doch irgendwann schlief Matt wieder ein. Hope dagegen konnte nur so tun, als würde sie schlafen. Sie kam nicht zur Ruhe. Was war sie für eine Frau, dass ein Mann sich nur neben sie legen und sie berühren musste, damit sie ... Wonach sehnte sie sich? Nach einem nächtlichen Abenteuer? Tat sie so etwas häufiger? Ihr erhitzter Körper sagte Ja, aber der Verstand antwortete Nein. Niemals! Sie dachte an den Mann, der neben ihr schlief. Ihre ganze Welt bestand momentan aus Matt McCarlson. War es da verwunderlich, dass sie so auf seine Berührung reagierte, wenn er doch der Einzige war, auf den ihre Emotionen sich richten konnten? Hope lag da und zerbrach sich den Kopf, bis sie etwas Erstaunliches registrierte: Es regnete nicht mehr. Vorsichtig stand sie auf, ging ans Fenster und schaute hinaus. Der Himmel war wolkenlos, und über der Ranch stand der Mond. Plötzlich wurden ihre Knie weich. Jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis das Telefon wieder funktionierte. Und dann würde sie sich der Welt stellen müssen. Würde sie das schaffen? Sie stellte sich vor, wie sie Madelyn LeClaire anrief, die Frau, die laut der Karte in ihrer Brieftasche ihre Mutter war. Sie erschrak. Was sollte sie zu einer Mutter sagen, an die sie sich nicht erinnerte? Und an wen erinnerte sie sich noch alles nicht Schwestern, Brüder, Freunde? Gab es andere außer Madelyn, die sie anrufen musste? Und würde sie dann diese Ranch verlassen und in eine unbekannte Welt hinausgehen müssen? Was sie zu Matt gesagt hatte, war die Wahrheit. Bei ihm fühlte sie sich sicher. Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie sich anderswo, bei einem anderen Mann nicht sicher fühlen würde. Jedenfalls nicht bevor ihr Erinnerungsvermögen zurückkehrte. Das würde es doch, oder? "Lieber Gott, hilf mir", flüsterte sie. "Bitte, hilf mir."
6. KAPITEL Die Sonne ging gerade auf, als Matt leise aufstand, seine Sachen aufsammelte und auf Zehenspitzen aus dem Wohnzimmer schlich. Er ging in sein Badezimmer, betätigte automatisch den Schalter an der Tür und blinzelte überrascht, als das Licht aufflackerte. Vielleicht funktioniert das Telefon ja auch wieder, dachte er und eilte zu dem Apparat neben seinem Bett. Das Freizeichen, das aus dem Hörer kam, erschien ihm wie wunderschöne Musik. Endlich konnte er etwas unternehmen. Hope war eine gefährliche Frau, und je früher er sie den Stockwells übergab, desto besser. Es war höchste Zeit. In der vergangenen Nacht hatten sie fast miteinander geschlafen. Besonders beunruhigte ihn, dass sie so leidenschaftlich reagiert hatte, obwohl sie es für möglich hielt, dass sie einen anderen Mann liebte. "Frauen", murmelte Matt und war heilfroh, dass sie beide der Versuchung widerstanden hatten. Wenigstens einer von ihnen hatte die Notbremse gezogen. Gut so. Nachdem er sich rasiert, die Zähne geputzt und sich angezogen hatte, ging er zum Telefon zurück. Konnte er Doc Pickett zu dieser frühen Stunde schon anrufen? Immerhin war Hope nicht körperlich verletzt, im strengen Sinn lag also kein Notfall vor. Aber was, wenn das Telefon nur zeitweilig funktionierte? Nein, für Höflichkeit war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt - wichtig war nur, Hope so schnell wie möglich von der Ranch zu bekommen. Damit er endlich sein Leben weiterführen konnte. Hastig wählte er Adam Picketts Privatnummer. Er hörte, wie es am anderen Ende läutete, doch bevor jemand abnahm, drang etwas anderes an sein Ohr. Es war Hope. Sie weinte laut, fast hysterisch. Er legte sofort auf und rannte ins Wohnzimmer. Hope lag nicht mehr auf den Schlafsäcken, sondern eilte umher, als wäre der Teufel hinter ihr her. "He, he, ganz ruhig." Matt hielt sie an den Schultern fest, und sie wirbelte herum, mit wild blitzenden Augen, die Hände zur Abwehr erhoben. Rasch packte er ihre Handgelenke und drückte sie nach unten. "Guter Gott, Hope, was ist los mit dir?" "Lass mich allein. Lass mich los!" "Hope, verdammt, beruhige dich." Das nackte Entsetzen in ihrem gehetzten Blick machte ihm Angst, doch dann begriff er, dass sie gar nicht ihn sah, sondern jemand anderen. Jemand, der ihr wehgetan hatte? Denjenigen, der ihr das angetan hatte, was sie durch den Gedächtnisverlust verdrängte? "Hope, wie heiße ich?" fragte er sanft. "Wer bin ich? Sieh mir ins Gesicht. Du kennst mich. Sag meinen Namen.“ Sie hatte aufgehört, sich gegen ihn zu wehren, und langsam drang seine Stimme zu ihr durch. Blinzelnd starrte sie ihn an.
"Matt", flüsterte sie, und dann gaben ihre Beine nach. Er fing sie auf, trug sie zur Couch, setzte sich und nahm sie auf den Schoß. "Was ist passiert? Hast du wieder geträumt?" Schluchzend vergrub sie das Gesicht an seiner Schulter. "Es war schrecklich. Ein Mann hat versucht ... mich zu ... du weißt schon." "Dich zu vergewaltigen?" „Vielleicht. Erst hatte ich Angst, aber dann ... war es, als würde ich versuchen, ihn zu ... verführen. " "Das ist ein ziemlich seltsamer Traum, Hope." "Ich weiß." "War es der Mann, der auch in den anderen Albträumen vorkam? Hattest du das Gefühl, ihn zu kennen? Erinnerst du dich an sein Gesicht?" "Ich weiß es nicht", sagte sie unter Tränen. "Aber ich bin sicher, dass wir in einem Hotel ... oder Motel waren." Hope hob den rechten Arm und betrachtete die roten Striemen am Handgelenk. "Mir ist etwas Grauenhaftes passiert, Matt. Ich war gefesselt, diese Spuren beweisen es." "Warst du in diesem Traum auch gefesselt?" Sie dachte kurz nach. "Nicht, dass ich mich erinnere. Matt, was, wenn das alles nicht nur ein Traum ist? Wenn ich immer wieder durchlebe, was man mir angetan hat?" "Das ist möglich. Lass es uns logisch angehen. Das nächste Motel von hier ist am Ortsrand von Hawthorne. Wie solltest du von dort hierher gekommen sein?" "Vielleicht hat der ... schreckliche Mann mich hergebracht." "Aus welchem Grund? Warum sollte er das tun? Wenn dein Traum einen wahren Kern hat, warst du schon in seiner Gewalt." "Aber irgendwie muss ich hergekommen sein", flüsterte sie. "Bin ich… vielleicht gelaufen?" Matt runzelte die Stirn. Ihre Kleidung war zerrissen gewesen. Sie war sicher durch einige sehr dornige Büsche gelaufen, aber den ganzen Weg von Hawthorne hierher? "Unwahrscheinlich", sagte er. Oder hatte jemand sie entführt, und sie war ihm irgendwie entkommen? Und wenn der Täter es gar nicht auf sie, sondern auf das Geld der Stockwells abgesehen hatte? Vielleicht war er noch immer hinter ihr her und beobachtete aus sicherer Entfernung die Ranch, warm und trocken in seinem Wagen. Trotz dieser Gedanken wurde Matt plötzlich bewusst, dass seine Hand Hopes hinreißend geformten Po umschloss und ihre Brüste sich bei jedem Atemzug an ihm rieben. Schlagartig spürte er, wie sehr ihn das erregte. Verdammt! Hastig schob er sie von seinem Schoß und stand auf. "Ich muss ein paar Anrufe erledigen." "Das Telefon funktioniert wieder?" Die Angst in ihrer Stimme überraschte ihn. "Der Sturm ist vorüber, Hope. Es wird Zeit, dass die Ranch wieder zum Normalbetrieb übergeht." "Und ich?" fragte sie mit zitternder Stimme. "Was ist für mich normal?"
"Genau das müssen wir herausfinden. Ich werde Doc Pickett anrufen, und vielleicht solltest du dich bei deiner Mutter melden.“ Hope zuckte zurück, als hätte sie Angst. "Fürchtest du dich davor, mit deiner Mutter zu sprechen?" "Ich kenne sie nicht“, wisperte Hope. "Bitte, Matt. Ich möchte vorläufig mit niemandem reden. Irgendwann. Bald. Aber im Moment bin ich noch nicht in der Lage, mit ... Fremden zu sprechen. " Okay, dachte Matt. Er war Rancher, und kein Arzt. Sollte Doc Pickett sich darum kümmern. "Vergiss, was ich gesagt habe. Ich bin in meinem Büro. Klopf an, wenn du etwas Bestimmtes brauchst." "Ja." Hope sah ihm nach. Matt McCarlson war nicht für sie verantwortlich, sie durfte nicht so tun, als wäre es seine Pflicht, sie vor ihren Ängsten zu beschützen. Voller Verzweiflung stützte sie den Kopf in die Hände und schloss die Augen. Ich halte es nicht mehr aus, dachte sie. Matt ruft diesen Doc Pickett an. Wird er mir helfen können? Was, wenn er herkommt, mich untersucht und mich in eine psychiatrische Anstalt einweist? Hope ballte die Hände zu Fäusten. Niemals! Egal, was der Doktor sagte, sie würde nicht von hier weggehen! Matt hatte mittlerweile Dr. Adam Pickett in der Leitung. "Sie erinnert sich an gar nichts?" fragte der Doc. "Das behauptet sie jedenfalls, und mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr zu glauben. Sie kannte nicht einmal ihren Namen, bis sie ihren Führerschein sah." "Und Sie haben sie draußen im Regen gefunden?" „Im Schlamm. Bewusstlos. Ich habe keine Ahnung, wie sie hergekommen ist. Sie auch nicht." "Seltsame Geschichte. Matt, ich weiß, Sie kennen die Frau nicht. Aber haben Sie sie vorher mal gesehen? In Hawthorne vielleicht?" "Nein." Matt verschwieg ihm, dass sie eine Stockwell war. Natürlich war Doc vertrauenswürdig, aber vorläufig fand Matt es besser, wenn niemand wusste, wo sie war. Die Theorie, dass Hope gekidnappt worden war, erschien ihm immer plausibler. Und wenn der Entführer irgendwo dort draußen wartete ... "Könnten Sie herkommen, Doc? Mit Ihrem Geländewagen könnten Sie es schaffen." "Wie ist der körperliche Zustand der Lady?" "Die Platzwunde am Kopf ist fast verheilt. Sie hat einige Blutergüsse." Und Striemen an beiden Handgelenken, die durchaus von Fesseln stammen könnten, dachte Matt. "Dann werde ich nicht kommen, Matt. Durch den Sturm sind etliche Leute schwer verletzt worden, und die kann ich nicht allein lassen, um nach einer Frau zu sehen, die nicht in Lebensgefahr schwebt." "Aber was soll ich tun? Ich meine, kann ich ihr irgendwie helfen, ihr Gedächtnis zurückzuerlangen?"
"Erkundigen Sie sich bei der Polizei, ob jemand eine Vermisstenmeldung erstattet hat", riet der Arzt. „Ja, ja", erwiderte Matt ungeduldig. "Aber gibt es etwas, das ich selbst für sie tun kann?" "Behandeln Sie sie wie jeden anderen, Matt. Die Lady wird ihr Gedächtnis schon irgendwann zurückerlangen. Das kann scheibchenweise passieren, nach und nach, oder sie erinnert sich schlagartig an ihr ganzes Leben. Die Erinnerung kann durch ein scheinbar belangloses Ereignis ausgelöst werden. Oder durch einen Duft, den Klang einer Stimme, alles Mögliche." "Großartig", murmelte Matt. Er war nicht wirklich schlauer als vorher - nur dass er jetzt wusste, dass er vorläufig auf sich allein gestellt war. Es sei denn, er übergab Hope ihrer Familie. Doch diese Idee war für ihn nicht mehr annähernd so reizvoll wie noch gestern. Aber es gab noch eine Frage, die er dem Arzt stellen musste. "Doc, besteht die Gefahr, dass ich etwas tue, was ihre Amnesie zum Dauerzustand macht?" "Das ist sehr unwahrscheinlich, Matt. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Sagen Sie, ist sie deprimiert?" "Wären Sie das an ihrer Stelle nicht auch?" entgegnete Matt trocken. Doc Pickett seufzte mitfühlend. "Doch, das wäre wohl jeder. Matt, wenn Sie die Frau in einem Ihrer Geländewagen nach Hawthorne bringen, werde ich mir ein paar Minuten nehmen, um mit ihr zu sprechen." Matt erstarrte. Nach Hawthorne? Wo jeder sie sehen konnte? Auch der, der wahrscheinlich für ihren Gedächtnisverlust verantwortlich war? Niemals. "Danke. Vielleicht tue ich das", antwortete er, obwohl er nicht die Absicht hatte, Hope einer solchen Gefahr auszusetzen. Er verabschiedete sich von Doc Pickett, legte auf und lehnte sich nachdenklich zurück. Hope hatte Angst, mit "Fremden" zu reden. Er nicht. Sollte er die Stockwells anrufen und ihnen sagen, dass Hope lebte und in Sicherheit war? Vielleicht nicht. Aber was war mit Sheriff Cliff Braeburn? Cliff war ein guter Freund und eine ehrliche Haut. Genau, das war's, er würde ihm weiterhelfen können. Kurz entschlossen rief Matt sein Büro in Hawthorne an. "Hier ist Matt McCarlson. Ist Cliff da?" "Augenblick. Ich sehe nach." Kurz darauf drang Cliffs Stimme an Matts Ohr. "Hallo Matt. Und, könnt ihr da draußen auf euren Weiden noch schwimmen?" "Zum Glück nicht mehr, Cliff. Hör mal, ich möchte etwas mit dir bereden. Vertraulich. Könntest du mich über deine abhörsichere Leitung zurückrufen?" "Klingt ernst." "Ist es auch." "Bis gleich." Matt legte auf. Sekunden später läutete es, und er nahm wieder ab. "Okay, was ist los?" fragte Cliff unverwandt. Matt kam sofort zur Sache. "Hope LeClaire ist bei mir auf der Ranch." "Die Stockwell-Erbin?"
"Genau die." "Was zum Teufel tut sie bei dir? Ganz Texas sucht nach ihr." "Das kann ich mir denken, aber bis heute Morgen hätte ich dich nur über Rauchsignale erreichen können", erwiderte Matt. "Kein Telefon, was?" "Und kein Strom. Ich habe die Lady halb ertrunken und bewusstlos im Schlamm neben meinem Briefkasten gefunden. Am zweiten Morgen des Sturms. Ich habe sie ins Haus geschafft. Sie hat sich erholt, nur ihr Gedächtnis nicht. Sie hat es verloren." "Woher weißt du dann, wer sie ist?" "Aus der letzten Zeitung, die ich bekommen habe. Außerdem hatte Hope eine Brieftasche mit Papieren bei sich. Aber sie selbst erinnert sich an nichts. Ich habe ihr nichts von dem Bericht in der Zeitung erzählt. Ehrlich gesagt, Cliff, ich habe Angst, etwas falsch zu machen. Und Doc Pickett hat gerade zu viele Patienten mit ernsthaften Verletzungen, um herzukommen", berichtete Matt dem Sheriff. „Ja, der Sturm hat viele Verletzte hinterlassen." "Was soll ich tun?" fragte Matt. "Ich bin Sheriff, kein Arzt." "Hör zu, Cliff. Ich habe keine Ahnung, wie Hope zu meiner Ranch gekommen ist. Sie hat Albträume, in denen ein Hotelzimmer und ein ziemlich unsympathischer Typ vorkommen. Um ehrlich zu sein: Ich glaube, Hope wurde gekidnappt und in einem Zimmer festgehalten. Irgendwie hat sie es geschafft, ihrem Entführer zu entkommen. Ihre Handgelenke sehen aus, als hätte man sie gefesselt." "Man hat sie in einem Hotelzimmer gefesselt, sie ist geflüchtet, und was dann? Sie hat es zu Fuß bis zu deiner Ranch geschafft?" "Gut möglich, Cliff. Oder sie hat den Wagen des Kidnappers genommen, ist im Sturm liegen geblieben und herumgeirrt. Verdammt, ich habe keine Ahnung. Aber was immer ihr das Gedächtnis geraubt hat, es kann nicht sehr angenehm gewesen sein." Der Sheriff antwortete nicht. "Cliff?" "Ich bin noch da. Angenommen, sie ist wirklich entführt worden ... dann dürfte der Kidnapper längst das Weite gesucht haben. Und da sie unter Amnesie leidet, kann sie uns keine brauchbare Beschreibung liefern." "Was, wenn der Entführer noch hier ist und auf eine neue Chance wartet, den Stockwells etwas von ihrem Geld abzuknöpfen?" "Du meinst auf die Chance, sie ein zweites Mal zu kidnappen?" fragte Cliff Braeburn. "Cliff, ich weiß, das alles ist reine Spekulation, aber ich finde, wir sollten kein Risiko eingehen." "Stimmt, Matt. In Ordnung. Als Erstes sollte ich die Stockwells verständigen." "Würdest du bitte auch Hopes Mutter in Massachusetts anrufen? Hope will mit niemandem reden, und ich will sie nicht dazu zwingen. Ihre Mutter heißt Madelyn LeClaire." Matt nannte ihm die Nummer von der Karte. "Cliff, ich bin
sicher, dass der Entführer noch nicht aufgegeben hat. Deshalb solltest du ihre Angehörigen auffordern, Hopes Aufenthaltsort für sich zu behalten. Was meinst du?" "Einverstanden. Ich werde ihnen auch raten, die Presse nicht zu informieren, dass ihre Tochter wieder gefunden wurde. Wenn es denn tatsächlich einen Entführer gibt, lassen wir ihn noch ein bisschen im Ungewissen." "Gute Idee." "Warten wir es ab", erwiderte der Sheriff. "Ich werde tun, was ich kann, Matt." "Danke." Matt legte auf. Wenigstens würde Hopes Familie sich bald keine Sorgen mehr machen müssen. Nur seine Situation hatte sich nicht wirklich verändert. "Verdammt!" Leise fluchend verließ er das Büro. Der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee lockte ihn in die Küche, wo Hope am Herd stand. Sie spürte seine Anwesenheit und sah über die Schulter. "Ich habe uns Frühstück gemacht. Überbackene Toasts und Schinkenspeck. Der Kaffee ist fertig, also nimm dir einen Becher und setz dich. Die Pfannkuchen sind auch gleich fertig. Ich konnte nirgendwo Sirup finden, aber ich mache uns welchen." Langsam nahm Matt sich einen Becher und füllte ihn fast in Zeitlupe. Hope war wie verwandelt. Als hätte sie den schlimmen Albtraum nie gehabt. Was war los? War ihr Erinnerungsvermögen zurückgekehrt? Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und räusperte sich. "Wie machst du Sirup?" "Mit braunem Zucker, Butter und ein wenig Wasser." "Du bist eine kleine Meisterköchin, was?" Hope nahm den Blick von der Pfanne und sah ihn an. "Das würde ich gern wissen." Matt versuchte, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Ihr war nichts Wichtiges eingefallen. Offenbar war das Kochen für sie so selbstverständlich wie das Atmen, und ... Augenblick mal! Hatte in dem Artikel nicht etwas über Hope LeClaire und eine Kochschule gestanden? Er stellte den Becher ab. "Ich bin sofort wieder da." "Beeil dich. Das Frühstück ist gleich fertig." Matt eilte in die Waschküche und zog die Schublade auf, in der er die Zeitung versteckt hatte. Er überflog den Artikel. Tatsächlich. Dort stand, dass Hope LeClaire die berühmte Londoner Kochschule Le Cordon Bleu absolviert hatte. Er legte die Zeitung zurück und ging wieder in die Küche. "Du siehst ... seltsam aus", sagte Hope. "Stimmt etwas nicht?" "Du meinst, abgesehen vom Offensichtlichen?" "Tut mir Leid", antwortete sie. "Ich weiß, ich bin eine Last. Aber ... Matt, hast du Madelyn LeClaire angerufen?" "Nein." Er nahm den Becher und setzte sich. "Das duftet alles sehr lecker, und ich habe riesigen Hunger." "Das ist gut", sagte Hope leise.
Nachdem Sheriff Braeburn ihn angerufen hatte, berichtete U.S. Marshal Rafe Stockwell seinen Brüdern Jack und Cord sowie seiner Schwester Kate, dass Hope unverletzt und in Sicherheit war. Die Nachricht von ihrer Amnesie war für alle ein Schock. Sie fragten sich, was sie tun sollten. War dieser Matt McCarlson so vertrauenswürdig, wie Cliff Braeburn behauptete? Sie beschlossen, in einer Konferenzschaltung Madelyn LeClaire anzurufen. "Meint ihr, ich sollte nach Texas kommen?" fragte Hopes Mutter, nachdem sie die Neuigkeit erfahren hatte. "Du bist hier immer willkommen, Mom", erwiderte Rafe. „Aber es gibt noch etwas, das du wissen solltest. Hope leidet unter Amnesie. " "Amnesie?" wiederholte Madelyn entsetzt. "Davon hat der Sheriff mir nichts erzählt." "Niemand weiß, was sie verursacht hat", sagte Rafe leise. "Also ist sie nicht freiwillig verschwunden", erklärte Madelyn „ich wusste es. Rafe, findest du nicht, dass wir alle zu Matt McCarlson fahren und Hope nach Hause holen sollten?" "Hope ist sehr verängstigt, Mom", wandte Kate sanft ein. "Wir sollten uns ihr nicht aufdrängen. Vorläufig sollten wir damit zufrieden sein, dass sie bei Matt McCarlson in guten Händen ist." „Rafe, können wir diesem McCarlson denn vertrauen?" fragte Madelyn. "Sheriff Braeburn tut es. Und ich auch. Außerdem hat in dem Gebiet ein Sturm gewütet, und die Ranch ist nur schwer zu erreichen. In ein paar Tagen dürfte es wieder trocken sein, und bis dahin ist Hopes Erinnerungsvermögen vielleicht schon wieder da. Dann wird sie uns alle sehen wollen. Im Moment wären wir für sie nur Fremde." "Vermutlich hast du Recht." Sie versprachen einander, in engem Kontakt zu bleiben und keinem Außenstehenden zu verraten, wo Hope sich aufhielt. Sie würden abwarten müssen. Doch zwei brennende Fragen ließen sie nicht mehr los: Wer war dieser Matt McCarlson und wie war Hope auf seine Farm gekommen?
7. KAPITEL Hope stand am Fenster und schaute durch einen Spalt im Vorhang. Die Sonne schien, und die dunkle feuchte Erde dampfte. Sie wäre gern ins Freie gegangen, aber Matt hatte sie eindringlich davor gewarnt. Bisher hatte sie nie protestiert, aber jetzt fragte sie sich, warum sie selbst an einem so schönen Tag im Haus bleiben musste. Vor allem aber fragte sie sich, ob sie eine Frau war, die widerspruchslos selbst Anweisungen befolgte, deren Sinn sie nicht verstand.
Die Sonne schien so grell vom strahlend blauen Himmel, dass Matt seine Augen mit einer dunklen Brille schützte. Er ritt mit Chuck den Weg entlang, der vom Hof zur Landstraße führte. Seine Miene war grimmig. Er hatte nicht genug Geld, um die zahlreichen Auswaschungen mit schwerem Gerät reparieren zu lassen. Seine Männer und er würden es selbst tun müssen - mit Schaufeln, Spitzhacken und Schubkarren. "Warte", sagte Matt zu seinem Vorarbeiter und stieg aus dem Sattel. Chuck beobachtete, wie sein Chef zu einem Busch ging und etwas von einem Dornenzweig entfernte. "Was hast du da?" Matt betrachtete den dunklen Stofffetzen in seiner Hand. "Das hier stammt von dem Kleid, das Hope trug, als ich sie fand." Er runzelte die Stirn. "Wie weit sind wir von der Landstraße entfernt?" "Etwas weniger als eine Meile, schätze ich." "Und mindestens eine Meile vom Haus." Matt sah Chuck an. "Ich glaube, das hier beweist, dass sie von der Landstraße auf die Ranch gelaufen ist." Er schaute den Weg entlang. "Oder gerannt ist." "Du meinst, jemand hat sie verfolgt?" "Könnte sein." Er steckte den Fetzen ein und bestieg sein Pferd. "Haben die Männer schon gemerkt, dass sie auf der Ranch ist?" "Nein. Sie wundern sich nur, dass du plötzlich für dich selbst kochst. " Matt überlegte. "Chuck, vielleicht sollte ich es ihnen sagen. Dann könnten alle sie im Auge behalten, wenn sie das Haus verlässt, obwohl ich sie gebeten habe, es nicht zu tun." "Matt, inzwischen musst du doch ihre Familie angerufen haben. Warum machst du dir Sorgen?" Matts Miene verfinsterte sich noch mehr "Ich glaube, sie ist in großer Gefahr, Chuck. Ich bezweifle, dass sie freiwillig durch Wind und Regen gelaufen ist. Jemand war hinter ihr her und ist es vielleicht immer noch." Um sich abzulenken, erkundete Hope das Haus. Es besaß vier Schlafzimmer, drei Bäder und genügend Platz für eine große Familie. Neugierig öffnete sie Schränke und Schubladen. Unwillkürlich fragte sie sich, wie sie selbst in Massachusetts wohnte. Hatte sie ein Haus? Eine Wohnung? Allein? Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie noch bei ihrer Mutter lebte. Frustriert darüber, dass sie nicht einmal das wusste, knallte sie in der Waschküche ein Schubfach zu, das nichts als alte Zeitungen enthielt. Sie hatte gründlich gesucht, aber nirgendwo auch nur ein einziges weibliches Kleidungsstück gefunden. Sie war es leid, in diesen improvisierten Klamotten herumzulaufen. Hope seufzte. Was ging es sie an, ob Matt allein lebte und nie Damenbesuch hatte? Sie würde duschen, ihr Haar zurechtmachen, ein wenig Makeup auflegen und einmal mehr Matts Sachen anziehen.
Auf dem Weg über den Flur fiel ihr eine Luke in der Decke auf, von der ein kurzes Seil herabbaumelte. War das der Zugang zum Dachboden? Ihr Herz schlug schneller. Dachböden waren aufregende Orte, die viel über die Geschichte einer Familie verrieten. Hastig holte sie einen stabilen Stuhl, stieg hinauf und zog am Seil. Zum Vorschein kam eine ausziehbare Treppe. Sie stellte den Stuhl wieder weg und klappte die Treppe herunter. Sie nieste, als ihr Staub in die Nase rieselte, und musste lachen. Das Geräusch erstaunte sie, und plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie in diesem Haus noch nie gelacht hatte. Bestimmt hielt Matt sie für ziemlich humorlos. Hastig kletterte sie nach oben. Es war ein großer, lang gestreckter Raum, und an einem Ende verhüllten weiße Laken zahlreiche Gegenstände. "Was haben wir denn hier?" flüsterte Hope neugierig und ging hinüber. Auf den Laken lag eine dicke Staubschicht. Offenbar kam Matt nicht sehr oft her. Vorsichtig hob sie eins an und sah eine gold- und elfenbeinfarbig lackierte Frisierkommode. "Schlafzimmermöbel", rief sie staunend und wunderte sich, dass so schöne Stücke auf dem Dachboden herumstanden. Hastig deckte sie auch den Rest auf. Es handelte sich eindeutig um Möbel, die weiblichen Geschmack verrieten. Sie kniff die Augen zusammen. Vielleicht gab es momentan keine wichtige Frau in Matt McCarlsons Leben, aber es musste eine gegeben haben. Und er hatte alles aufbewahrt, was an sie erinnerte. Auch das Bett, in dem sie geschlafen hatte. Behutsam strich sie über jedes Möbelstück. Dass er nichts weggeworfen oder verkauft hatte, rührte sie zutiefst. Er musste diese Frau sehr geliebt haben. Wo war sie jetzt? Warum hatte sie ihre Sachen nicht mitgenommen? Hope ahnte, dass die Frau Matt verlassen hatte, weil sie ihn nicht mehr liebte. Und seitdem lebte er allein, einsam und ungewollt. "Wie traurig", wisperte sie. Armer Matt. Er hatte eine Frau geliebt und verloren. Er war ein guter freundlicher Mann und verdiente es nicht, den Rest seiner Tage wie ein Einsiedler zu verbringen. "Offenbar hat er mit der Vergangenheit abgeschlossen. Und mit der Frau." Vermutlich hätte er nichts dagegen, wenn sie einen Blick in die Schubladen und Kartons warf. Eine Stunde später war Hope atemlos vor Begeisterung. Die Frau hatte nicht nur ihre Möbel, sondern auch eine große Kollektion der verschiedensten Kleidungsstücke auf der Ranch gelassen. Sicher würde es Matt nicht stören, wenn sie ein paar Teile nahm. Hope suchte ein paar waschbare Hosen und Blusen aus. Und eine Baumwolljacke, ebenfalls waschbar, sowie einige Nachthemden und einen Bademantel. Sie fand auch Schuhe, die ungetragen aussahen. Eigentlich sah alles aus, als hätte die Frau es nur selten angehabt. Sie legte die Schuhe auf den kleinen Stapel und trug ihn nach unten. Dann versuchte sie, die Luke des Dachbodens zu schließen. Aber so sehr sie auch zog und zerrte, sie schaffte es nicht, die Treppe wieder nach oben zu befördern.
Hope war einfach noch zu schwach, um eine so schwere Last anzuheben. Wie würde Matt reagieren, wenn er merkte, dass sie auf dem Dachboden herumgeschnüffelt hatte? Was für eine absurde Sorge! Schließlich würde er sofort sehen, dass sie die Sachen seiner einstigen großen Liebe trug. Himmel, hatte sie mit ihrem Gedächtnis auch gleich ihr logisches Denkvermögen verloren? Seufzend nahm sie den Stapel und ging damit in die Waschküche. "Komm doch mit rein und lern sie kennen", lud Matt seinen Vorarbeiter ein, als sie am Nachmittag auf den Hof ritten. "Gern. Danke", erwiderte Chuck. Sie versorgten ihre Pferde und betraten das Haus. "Mmh, hier riecht es ja köstlich", meinte Chuck und schnupperte. "Du hast Recht." Sie gingen in die Küche. Zu Hope. Sie trug eine blassgelbe Baumwollhose und eine gelbweiß gestreifte Bluse. Das Haar kräuselte sich um ihr Gesicht, und sie hatte Make-up aufgelegt. Sie war zweifellos die hübscheste Frau, die Matt je gesehen hatte. Und daran, wie Chuck nervös von einem Fuß auf den anderen trat, war zu erkennen, dass es ihm ebenso erging. Als Hope den Vorarbeiter bemerkte, schlug ihr Herz wie wild. Ängstlich wich sie bis zur Arbeitsfläche zurück und umklammerte die Kante, als müsste sie Halt suchen. "Hope LeClaire, Chuck Crawford, mein Vormann", sagte Matt, obwohl er Hope ansah, wie sehr sie sich fürchtete. Er bereute es bereits, dass er Chuck mitgebracht hatte. Chuck nahm den Hut ab und lächelte freundlich. Auch er hatte Hopes Reaktion längst bemerkt, und dass diese hübsche Frau offenbar Angst vor ihm hatte, betrübte ihn. "Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Ma'am.“ "Danke", flüsterte sie. "Hope, Chuck ist mein Freund", sagte Matt. "Du hast also keinen Grund, sich vor ihm zu fürchten." Entschlossen wechselte er das Thema. "Was kochst du? Es riecht lecker." "Stimmt, Ma'am", bestätigte Chuck, als sie nicht sofort antwortete. "Das muss das Fleisch sein ... Ich habe zwei Braten im Ofen ... Schwein und Rind." Matt trat an den Herd. "Und was ist in den Töpfen?" "Kartoffeln und Gemüse." Matt musterte sie, und seine Stirn legte sich in nachdenkliche Falten. Hopes Hose und die Bluse kamen ihm irgendwie bekannt vor. Wo um alles in der Welt hatte sie sie her? Als er sich seine Frage selbst beantwortete, lief es ihm kalt den Rücken herunter. Es gab nur einen Ort, woher sie die Sachen haben konnte. Er spürte, wie der Zorn in ihm aufstieg. Wäre Chuck nicht hier, hätte er Hope heftige Vorwürfe gemacht. Was hatte sie auf dem Dachboden zu suchen?
Aber warum regte er sich auf? Was machte es schon, wenn Hope oder ganz Texas auf seinem Dachboden herumschnüffelte? Er hatte nichts zu verbergen. Sein Zorn legte sich so schnell, wie er gekommen war. "Ist es okay, wenn Chuck mit uns isst?" fragte er Hope. "Ja ... natürlich." "Danke für die Einladung", sagte Chuck rasch. "Aber ich werde mit den Männern essen, damit ich mit ihnen über die Straßenarbeiten sprechen kann." Er lächelte Hope zu. "Gute Nacht, Ma'am." Dann sah er Matt an. "Bis morgen früh." Er setzte den Hut auf und verließ das Haus. „Ich gehe duschen", sagte Matt so missmutig, dass Hope zusammenzuckte. Sie schaute ihm nach und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er danach zurück in die Küche kommen würde. Matt hatte die Treppe zum Dachboden wieder nach oben geschoben und die Luke geschlossen. Er hatte ganz vergessen, dass Trishas Sachen noch dort waren, sonst hätte er sie Hope längst angeboten. Eine halbe Stunde später kehrte er in die Küche zurück frisch geduscht, rasiert und umgezogen. Er trug alte Jeans und ein rotes Flanellhemd. Sein dichtes kastanienbraunes Haar war noch feucht und sah aus, als hätte er es mit den Fingern gekämmt. "Setz dich", sagte Hope. "Das Essen ist gleich fertig." "Warum setzt du dich nicht, und ich serviere das Essen?" entgegnete er. Sie spürte, wie wütend er darüber war, dass sie sich benommen hatte, als wäre sie hier zu Hause. Sie war nur ein Gast, noch dazu ein ungebetener, und er hatte jedes Recht, zornig auf sie zu sein. "Na gut", flüsterte sie und setzte sich an den Tisch. Dass er so geschickt mit den Töpfen und dem Bratrost umging, erstaunte sie. Schließlich nahm er Platz und reichte ihr die Schüssel mit dem Kartoffelpüree. "Danke", murmelte sie und nahm sich eine kleine Portion. So verlief die ganze Mahlzeit. Höflich, aber verkrampft. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. "Würde eine Entschuldigung helfen?" Matt legte seine Gabel ab. "Du bist eine bemerkenswerte Köchin. Das Essen war großartig. Aber ich finde, wir sollten ehrlich sein, okay? Eine Entschuldigung ändert nichts an dem, was geschehen ist, Hope. Sie besteht nur aus Worten." Hope straffte die Schultern. "Verstehe ich dich richtig? Du verbietest mir, mich zu entschuldigen?" "Warum sagst du mir nicht einfach, was du dir von einer Entschuldigung erhoffst?" Sie sprang auf und begann den Tisch abzuräumen. "Vergiss es einfach, okay?" "Was? Dass du jede Nacht nach mir rufst?" "Ich kann nichts dafür, dass ich Albträume habe!" "Natürlich nicht." Er ging zu ihr, und seine Stimme wurde sanfter. "Weißt du wirklich nicht, was du Nacht für Nacht bei mir anrichtest? Mit deiner weichen warmen Haut. Mit deinem Duft."
Entgeistert drehte sie sich zu ihm um. "Ist das dein Ernst?" "Ich will es mit keiner Frau mehr ernst meinen. Und genau deshalb ist das zwischen uns ein Fehler. Habe ich mich klar genug ausgedrückt oder soll ich noch deutlicher werden?" "Warum redest du so mit mir?" Sie wich zurück, bis sie die Tischkante an der Rückseite ihrer Oberschenkel fühlte. Er legte die Hände auf ihre Schultern und senkte den Kopf, bis seine Lippen nur einen Atemhauch von ihren entfernt waren. "Vielleicht sollte ich dir lieber zeigen, was ich meine", flüsterte er und legte seine Lippen auf ihre. Wann war ein Kuss nicht nur einfach ein Kuss? Wenn deine Knie weich werden, du Idiot, dachte er. Wie konntest du nur so leichtsinnig sein? Aber würde er eine Frau zurückweisen, die leise erregende Laute von sich gab und seinen Kuss erwiderte, als wolle sie ihn verschlingen? Nein. Er spürte, wie ihre Leidenschaft ihn ansteckte, und schob sie auf den Tisch. Ihre Beine waren gespreizt, und er schob sich dazwischen, bis sie Körper an Körper waren, Mann an Frau, Mund an Mund. Er küsste sie und hob den Kopf erst, als sie beide nach Luft schnappten. Er strich ihr das Haar aus dem erhitzten Gesicht und sah ihr in die Augen. "Machen wir weiter?" fragte er heiser. "Ist das ... allein meine Entscheidung?" "Ja, verdammt. Wenn du es zu meiner machst ... nehme ich dich gleich hier ... auf dem Küchentisch." Hope befeuchtete sich die Lippen. Ihr Atem ging noch schneller. Ihr erregter Körper drängte sie, alles Weitere ihm zu überlassen. "Was genau heißt ... weitermachen?" flüsterte sie. Er zog ihre Bluse aus der Hose, schob eine Hand hinein und unter ihren BH. Sie sah, wie er die Augen schloss, als er ihre nackte Brust umschloss. "Perfekt“, wisperte er. "Perfekt." Sie durfte es ihm nicht verwehren. Und sich selbst auch nicht. "Die Entscheidung liegt bei dir", sagte sie atemlos. "Ich überlasse sie dir ... freiwillig ... ungeduldig. Ich will, was du willst, und ich ... ich glaube nicht, dass ich mich jemals zuvor so gefühlt habe wie jetzt." "Doch, das hast du. Du erinnerst dich nur nicht daran." "Vermutlich", sagte sie und schloss die Augen, um jeden Moment, der jetzt kam, auszukosten. Matt schaute ihr ins Gesicht und unterdrückte die Bedenken, die sie gerade in ihm geweckt hatte. Sie war kein Kind mehr. Natürlich hatte sie schon mit einem Mann geschlafen.
8. KAPITEL Matt konnte gar nicht genug von Hope bekommen. Ihr Duft berauschte ihn, er konnte an nichts anderes denken, und jeder Kuss steigerte sein Verlangen. Mit zitternden Händen begann er sie auszuziehen und fühlte voller Erregung, wie sie an seiner Kleidung zerrte. Urplötzlich ging ihm auf, dass der Küchentisch nicht der geeignete Ort für das war, was er wollte. Er wollte kein Quicky, sondern alles, die Küsse und das Vorspiel, das sie beide um den Verstand bringen würde. Hope fühlte, wie er sie vom Tisch und auf seine Arme hob. "Was ... tust du?" Er trug sie aus der Küche. "Ich gehe mit dir ins Bett", erwiderte er und küsste sie. "Oh, Matt ... Matt." In seinem Schlafzimmer stellte er sie behutsam ab, hob sie jedoch gleich wieder an, bis ihr Mund auf einer Höhe mit seinem war. Sie schlang die Beine um seine Taille und die Arme um seinen Hals, und obwohl sie sich nicht an ihr bisheriges Liebesleben erinnerte, wusste Matt, dass sie den Sex mochte und instinktiv spürte, was einem Mann gefiel. Gut, dachte er. Wenn er schon gegen seine eisernen Vorsätze verstieß, wollte er es mit einer Frau tun, die wusste, worauf sie sich einließ. Eine Affäre, mehr nicht. "Lass uns diese Sachen loswerden", murmelte er. Sie nickte. "Ja." Er hatte sie schon einmal ausgezogen. Obwohl sie bewusstlos und voller Schlamm gewesen war, hatte er ihren makellos schönen Körper bewundert. Dieses Mal würde es ihm kein schlechtes Gewissen bereiten. Denn Hope ließ es nicht nur geschehen, sie machte mit. Ihre Augen verrieten, wie sehr sie es wollte, während sie an seiner Kleidung zerrte, genau wie er an ihrer. Sekunden später lagen ihre Sachen auf dem Boden, und sie standen da, ohne jede Scheu. Matt ließ seine Hand von ihrer Schulter zu einer rosigen Knospe gleiten. "Du bist sehr schön", sagte er. Der Widerspruch lag ihr auf der Zunge, aber sie sprach ihn nicht aus, sondern legte eine Hand an seine Brust, und als sie ihm in die Augen schaute, sah sie, dass sie feucht waren. "Küss mich.“ Er tat es, umarmte sie und legte sich mit ihr aufs Bett. Er küsste sie überall, ihr Gesicht, den Hals, die Brüste. Sie küsste ihn, wo immer ihre Lippen ihn erfühlten. Sie genoss es, unter ihm zu liegen, seinen festen Körper auf ihrem zu fühlen. Ohne dass er sie dazu drängen musste, spreizte sie die Beine, bis sie ihn dort spürte, wo es am intensivsten war. So atemberaubend und überwältigend die Lust war, sie war nicht genug. Sie drehte den Kopf auf dem Kissen hin und her. "Matt“, stöhnte sie. "Ich will ... Ich brauche..." Ihr Verlangen faszinierte ihn. Vielleicht war er noch nie mit einer so leidenschaftlichen Frau zusammen gewesen, vielleicht war das hier auch die Krönung seines Liebeslebens. Sicher, er hatte sich geschworen, sich nie wieder
mit einer reichen Frau einzulassen, aber wenn das hier eine Sünde war, so wollte er sie auskosten. Ohne daran zu denken, dass er es schon morgen bereuen könnte. Oder brauchte er das gar nicht zu befürchten? Offenbar war Hope eine Frau, die gar nicht mehr wollte als eine einzige Nacht voller Leidenschaft. Eine Frau, die sich gehen lassen konnte, ohne mehr zu erwarten und sich hinterher Vorwürfe zu machen. Bald würde sie die Ranch verlassen, für immer, und angesichts der Flut von Erinnerungen, die auf sie einstürmen würde, würde er unwichtig werden. Also ließ er seinem Verlangen freien Lauf und drang in sie ein. Nein, er versuchte nur, in sie einzudringen. Es ... ging nicht. Erstaunt hob er den Kopf und sah sie an. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht verriet nichts als Erregung. Er schluckte, starrte sie an, und endlich zuckten ihre Lider nach oben. "Was ist?" fragte sie. Sie kannte sich nicht aus, aber eine so lange Unterbrechung war sicher nicht normal. Matt hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. War sie noch Jungfrau? Konnte das sein? Er sprach es einfach aus. "Du hast es noch nie getan." Ihre Augen wurden groß. "Was meinst du?" "Du hast noch nie mit jemandem geschlafen." "Woher willst du das wissen?" "Hope, das hier ist mir ... ziemlich peinlich. Erinnerst du dich denn an gar nichts?" "An was, zum Beispiel?" fragte sie. Er schluckte mühsam. "An die ... Barriere, mit der jede Frau geboren wird." "Barriere?" wiederholte sie matt. "Wo ... soll die sein?" "Überleg doch mal." Er wollte sich von ihr lösen, aber sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an ihn. "Hope, begreifst du denn nicht, was das bedeutet? Verdammt, du bist noch Jungfrau!" Sie begann stumm zu weinen. "Wenn du nicht beendest, was du angefangen hast, werde ich es nicht überleben, Matt, das weiß ich. Warum sollte ich Jungfrau bleiben wollen? Du hast mich geküsst, mich berührt, und ich habe etwas gefühlt, das ich nie, nie vergessen werde. Bitte, Matt ..." "Du hast ja keine Ahnung, was du von mir verlangst", murmelte er. Wie hätte er ahnen sollen, dass sie unberührt war? Nichts an ihr hatte darauf hingedeutet. Weder ihr Aussehen noch ihr Verhalten und erst recht nicht die Art, wie sie sich nach ihren Albträumen an ihn geschmiegt hatte. Und heute Abend war sie so wild und erregt wie eine erfahrene Verführerin gewesen. Sie war noch immer erregt! Er sah es in ihren Augen und spürte es daran, wie sie sich an ihm rieb. Vielleicht hatte sie Recht. Warum sollte sie Jungfrau bleiben wollen?
"Du hast gewonnen", sagte er heiser und küsste sie. Sie stöhnte beglückt auf und schlang die Arme um seinen Hals. Matt konnte nicht länger warten und drang kraftvoll und ohne Vorwarnung in sie ein. Sie brach den Kuss ab und schrie auf. "Du hast mir nicht gesagt, dass es wehtun würde!" „Es wird nicht lange wehtun. Entspann dich einfach, überlass alles mir, und ich garantiere, du wirst es genießen." Zwanzig Minuten später schrie Hope erneut auf, aber dieses Mal tat sie es aus dem herrlichsten Gefühl heraus, das sie je erlebt hatte. Es erfüllte ihren ganzen Körper, trug sie weit weg von allen Ängsten und Zweifeln und ließ sie sanft und behutsam in die Realität zurückkehren. Matt lag neben ihr, und als sie die Augen öffnete, sah sie, dass seine geschlossen waren. Sie seufzte zufrieden und streckte sich wie eine Katze. Ob Matt wirklich schlief? Es gab so viele Dinge, über die sie gern mit ihm gesprochen hätte. Vor allem wollte sie ihn fragen, ob das, was sie gerade gefühlt hatte, normal war. Meine Güte, fast wäre sie vor Lust ohnmächtig geworden! Und noch eine Frage brannte ihr auf der Zunge. Ob sie es noch einmal tun konnten? Matt tat nur so, als würde er schlafen. Er konnte kaum fassen, was er gerade getan hatte. Hope war noch unberührt gewesen, verdammt. Eine Jungfrau! Und er hatte ihre Unerfahrenheit schamlos ausgenutzt. Das würde er sich nie verzeihen. Aber anstatt es ihr zu sagen, war er so feige, sich schlafend zu stellen und zu hoffen, dass sie aufstehen und ins Gästezimmer gehen würde. Es dauerte Stunden, bis er endlich Schlaf fand. Stunden voller Scham und Selbstvorwürfe. Er war das Mieseste, was es gab ein Lüstling, der über eine unschuldige Frau hergefallen war. Wenn er Hope nicht bald ihrer Familie übergab, würde er nie wieder der sein, der er mal gewesen war. Zuerst war Hope nicht sicher, ob sie träumte oder langsam wach wurde. Es war pechschwarz im Zimmer, und Matt schmiegte sich von hinten an sie und streichelte ihre Brüste. Nicht nur für ein oder zwei Sekunden, sondern lange erregende Minuten lang. Die Knospen waren fest und so empfindlich, dass die Erregung sich bis nach unten ausbreitete - dorthin, wo ihr Körper, wie sie erst vor kurzem gelernt hatte, ihr so große Lust bereiten konnte. Es war so herrlich, berührt und gestreichelt zu werden, dass sie es auch für ihn tun wollte. Hope konnte spüren, wie erregt Matt war. Er lag dicht hinter ihr. Natürlich könnte sie sich umdrehen, aber würde das nicht den Zauber des Moments vertreiben? Seine Hand wanderte abwärts und zog kleine Kreise auf ihrem Bauch, bevor sie noch weiter nach unten glitt. Hopes Mund wurde trocken. Ihr Körper verlangte nach mehr, und sie fragte sich, ob Matt ein besonders erotischer Mann war. Er musste es sein. Und sehr erfahren. Sie wünschte plötzlich, sie wüsste all dass, was er wusste.
Ich wünschte, ich wüsste alles über mich selbst, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Sie seufzte. Doch dann beschloss sie, sich nicht zu bemitleiden, sondern sich zu entspannen und die Lust zu genießen, die Matt ihr bereitete. Genau das tat sie, und als seine Hand sich zwischen ihre Schenkel schob, öffnete sie sie voller Vorfreude. "Du bist so weit“, flüsterte er ihr ins Ohr. "Wie weit?" wisperte sie zurück. Sein Zeigefinger streichelte sie immer schneller. "Magst du das?" "Ja ... ja." "Dann mache ich weiter." „Ja, bitte." Behutsam drehte er sie, bis sie fast auf ihm lag. Dann drang er in sie ein, ohne seine Hand fortzunehmen. Sie keuchte und seufzte und stöhnte. "Ich habe ... mich schon ... gefragt, wann ... wir es ... wieder tun würden." "Immer wieder ... wann immer wir wollen." "Wirklich?" "Mit einer kleinen Pause dazwischen." Er bewegte sich schneller, und seine Stimme wurde atemloser. "Wirst du mich dafür hassen, wenn dein Gedächtnis wieder da ist?" "Sei still", bat sie ihn. "Wir reden ... später." Plötzlich rollte er sich mit ihr herum, erhob sich über sie, und steigerte sein Tempo. Es dauerte nur Sekunden, bis sie erneut das erlebte, was sie niemals vergessen würde. Sie spürte, dass es auch ihm so erging, und dann sank er neben ihr zusammen und legte den Kopf zu ihrem aufs Kissen. "Möchtest du jetzt reden?" fragte Hope nach einer Weile, als ihr Herz ruhiger schlug. Er wandte sich von ihr ab, angewidert von sich selbst. "Du weißt, was das hier ist, oder?" "Ich glaube, ich verstehe nicht." Wo war die Wärme, die eben noch in seiner Stimme gelegen hatte? "Dann lass es mich deutlicher sagen. Du bist in meinem Haus, eine verdammt hübsche, sexy und unwiderstehliche Frau. Die bereitwilligste, der ich je begegnet bin. Was wir tun, ist das, was anständige Leute eine Affäre nennen. Andere nennen es Abenteuer oder One-Night-Stand. Kannst du mir folgen?" "Aber ..." Sie war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlug, bis sie den ersten klaren Gedanken fassen konnte. "Willst du damit sagen, dass du mich nicht liebst?" "Du meine Güte, wie kommst du darauf, dass ich dich lieben könnte?" "Gehört das denn ... nicht dazu, wenn man miteinander schläft?" "Verdammt, nein!" Hope war fassungslos. Wieso beharrte eine innere Stimme darauf, dass wer miteinander schlief sich auch liebte? Und warum war Matt so gemein, nachdem er eben noch so zärtlich und ... liebevoll gewesen war?
Schlagartig wurde ihr kalt. Weil du die bereitwilligste Frau bist, der er je begegnet ist, dachte sie. Und weil er sich genommen hat, was du zu bieten hattest. Sind alle Männer so? Kein Wunder, dass du noch Jungfrau warst! Ohne die Lampe einzuschalten, stand sie auf und rannte aus dem Zimmer. Erstaunt setzte Matt sich auf. Jetzt kam er sich noch mieser vor. Nur um sein schlechtes Gewissen zu besänftigen, hatte er Hope zutiefst verletzt! Außerdem hatte es nicht funktioniert. Sein Gewissen quälte ihn noch immer, und er bezweifelte, dass er heute Nacht ein Auge zutun würde. Verdammt, würde er denn nie begreifen, wie katastrophal es für einen Mann war, sich in die falsche Frau zu verlieben? Am nächsten Morgen, als Matt schon fort war, verließ Hope zum ersten Mal das Haus. Sie hielt das Gesicht in die Sonne und sog die frische klare Luft ein. Hier und dort gab es noch Pfützen, aber die Erde trocknete bereits, und es war leicht, dem Schlamm auszuweichen. Sie ging los und bemerkte, dass drei Männer an einem Gatter standen und sie mit offenem Mund anstarrten. Hatten sie etwa noch nie eine Frau gesehen? Angesichts ihres sexuell unersättlichen Chefs bezweifelte sie das. Lächelnd winkte sie ihnen zu. Das Trio eilte so hastig davon, dass sie einander fast umrannten. Lachend ging Hope weiter. Hatten die Cowboys etwa gar nicht gewusst, dass sie auf der Ranch war? Matt hatte keinen Grund, es geheim zu halten, aber wer wusste schon, was in seinem Kopf vorging, wenn er mal wieder einer "bereitwilligen" Frau begegnet war? Die Beschreibung kränkte sie noch immer, und einmal mehr schwor sie sich, ihm nie zu vergeben. Allein die Vorstellung, dass Matt McCarlson sie ausgezogen und gewaschen hatte, als sie bewusstlos war! Im großen Pferdestall hob Matt den Kopf, als drei seiner Männer hereingestürmt kamen und gleichzeitig auf ihn einredeten. Erst nach einem Moment verstand er, dass Hope offenbar wütend genug auf ihn war, um gegen seinen ausdrücklichen Willen das Haus zu verlassen. "Okay, jetzt wisst ihr es", sagte er. "Bei mir im Haus wohnt eine Lady. Deshalb habe ich auch nicht mehr mit euch gegessen. Und wenn ihr das unbedingt den anderen erzählen wollt, tut euch keinen Zwang an. Hat Chuck euch gezeigt, wo ihr mit der Reparatur der Straße beginnen sollt?" Das Trio nickte. "Okay. Wir sehen uns später." Kaum waren die drei fort, ging Matt ins Freie und entdeckte Hope, die scheinbar sorglos über den Hof spazierte. "Oh, verdammt", knurrte er und eilte hinter ihr her. Kurz bevor er sie einholte, drehte sie sich um. "Sag jetzt nichts. Ich gehe nicht ins Haus zurück", verkündete sie schnippisch. "Dann eben nicht." Hope blinzelte verwirrt. "Aber du hast mir doch verboten..." "Nur weil es hier draußen so rutschig war." Matt tat, als würde er sich umsehen. "Aber inzwischen ist es trocken genug." „Für wie dämlich hältst du mich?" entgegnete sie aufgebracht.
"Okay, reg dich nicht auf." Er nahm die Sonnenbrille ab und sah ihr in die Augen. "Du bist wütend auf mich, was?" Er atmete tief durch. "Dazu hast du jedes Recht. Ich hätte dich nicht anfassen dürfen." "Du hast mich nicht nur ... angefasst.“ "Ich weiß und ich versuche gerade, mich dafür zu entschuldigen.“ "Ich dachte, du hältst nichts von Entschuldigungen?" "Jede Regel hat ihre Ausnahme." "Aber nur weil Leute wie du sie sich je nach Bedarf ausdenken. Du verheimlichst mir doch etwas. Und beleidige meine Intelligenz nicht, indem du damit weitermachst. Warum lügst du mich an? Komm schon, heraus damit!" fuhr sie ihn an. "Na gut! Ich befürchte, dass deine Albträume nicht völlig unbegründet sind." Hope kniff die Augen zusammen. "Das soll heißen..." "Dass es den Mann, von dem du träumst, vielleicht wirklich gibt und du vor ihm hierher geflüchtet bist. Und dass er nur auf eine Gelegenheit wartet, dir ... wieder wehzutun. " Kalt lief es Hope den Rücken herunter. Nervös sah sie sich um. "Mit einem Fernglas könnte er eine Meile entfernt sein, Hope. Zum Beispiel auf dem Hügel dort." Matt zeigte nach links. "Was?" Sie wirbelte herum, starrte hinüber. "Wenn du das wirklich glaubst, warum hast du nicht die Polizei gerufen?" "Das habe ich", entgegnete er ruhig. "Ich habe mit Sheriff Cliff Braeburn gesprochen." Hope starrte ihn an. "Und was will er unternehmen? Herkommen und mich holen?" "Möchtest du das?" "Nein!" Sie rannte zum Haus zurück. Matt folgte ihr, und sie erreichten die Haustür etwa gleichzeitig. In der Küche sah er die Panik in ihrem Blick. Sie war kurz davor, die Fassung zu verlieren. Rasch nahm er sie in den Arm und drückte sie an sich, bis ihr Zittern sich legte. Dann sah er ihr ins Gesicht. "Du musst nirgendwohin, solange du nicht bereit dazu bist." Die Tränen in ihren Augen ließen ihn verschwommen erscheinen, dennoch nahm sie seine Freundlichkeit wahr. Warum war er gestern Abend so grausam zu ihr gewesen? Es passte so gar nicht zu ihm. "Ich verstehe gar nichts mehr", flüsterte sie. "Ich weiß. Aber ich möchte, dass du in Sicherheit bist, bis alles geklärt und der Staub sich gelegt hat, okay?" "Okay", erwiderte sie und legte den Kopf an seine Brust. Matt strich ihr über das Haar, und sie schmiegte sich an ihn. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, hart zu bleiben, drückte er sie an sich. Sie duftete so gut - und er war schließlich auch nur ein Mensch.
Er küsste sie auf den Kopf. "Du schaffst es immer wieder, dass ich dich begehre." Genau wie sie ihn. Besaß sie denn gar keine Willenskraft? Ein Flittchen konnte sie nicht sein, schließlich war sie bis gestern unberührt gewesen. Aber Matt raubte ihr immer wieder die Beherrschung. War sie denn noch nie einem so charmanten Mann begegnet? Trotzdem konnte sie nicht vergessen, was er zu ihr gesagt hatte, und machte sich von ihm los. "Es wird keine One-Night-Stands mehr geben", sagte sie mit leiser, aber fester Stimme. So hart ihre Worte ihn auch trafen, Matt brachte es nicht über sich, ihr zu gestehen, wie sehr er bereute, was er zu ihr gesagt hatte. Nervös räusperte er sich und wehrte sich gegen die plötzliche Erregung, die ihn durchströmte. Rasch setzte er den Hut wieder auf. "Ich muss wieder an die Arbeit", sagte er. Hope nickte nur, und er ging hinaus.
9. KAPITEL Rastlos wanderte Hope durchs Haus, nachdem Matt gegangen war. Hatte er ihr die Wahrheit gesagt? Konnte es wirklich sein, dass jemand sie beobachtete und auf die Gelegenheit wartete, sie erneut in seine Gewalt zu bekommen? Fest entschlossen, sich von dem Gedanken nicht lähmen zu lassen, ging sie in die Küche, um die Vorräte zu überprüfen. Inzwischen wusste sie, dass sie selbst aus den magersten Zutaten eine leckere Mahlzeit kochen konnte. Sie wünschte, sie hätte Fisch oder Meeresfrüchte. Und Milch und Sahne und Wein und ... Irgendwo hatte sie doch einige Flaschen Wein gesehen, als sie nach Frauenkleidung gesucht hatte. Aber wo? Sie sah noch einmal in sämtlichen Schränken nach. In der Anrichte im Esszimmer fand sie schließlich drei Flaschen. Sie waren ungeöffnet und verstaubt. Hope nahm sie mit in die Küche, entkorkte einen der beiden Weißweine, goss ein wenig in ein Glas und probierte. Sie hatte keine Ahnung, ob es ein guter Jahrgang war, aber er schmeckte nicht übel. Dann nahm sie ein Hühnchen aus dem Eisschrank und legte es zum Auftauen in kaltes Wasser. Sie wollte Coq au vin machen lind musste lachen, weil sie zwar keine Ahnung hatte, was der Name des Gerichts bedeutete, aber genau wusste, wie man es zubereitete. "Und wie wäre es heute Abend mit einem Dessert?" murmelte sie und entschied sich für Vanillepudding. Sie schenkte sich noch einen Wein ein und nippte immer wieder daran, während sie arbeitete. Als es an der Zeit war, das
Hühnchen im Wein zu kochen, stellte sie erstaunt fest, dass die Flasche fast leer war. Sie öffnete die zweite und goss den Inhalt in den Topf. Als ihr Blick auf die dritte Flasche fiel, beschloss sie, auch den Rotwein zu probieren. Kichernd holte sie den Korkenzieher wieder heraus. Am späten Nachmittag war kein Wein mehr da, und Hope war bester Laune. Leicht schwankend trat sie an den Herd, stellte die Platte unter dem Coq au vin ab, nahm den Pudding aus dem Ofen, schaltete auch den aus, und fragte sich, wann Matt nach Hause kommen würde. Bei dem Gedanken, dass sie ihn bald wiedersehen würde, wurde ihr warm. Er war ein faszinierender Mann. Er hatte geschafft, was keinem anderen gelungen war, und sie war sicher, dass sie in ihrem vorherigen Leben eine Menge gekannt hatte. Offenbar hatte keiner von ihnen sie so geliebt wie Matt, sonst wäre sie keine Jungfrau mehr gewesen. "One-Night-Stand, dass ich nicht lache!" sagte sie kichernd und ließ sich auf einen Stuhl fallen, um dann doch zu lachen, lauthals und bis ihr die Tränen kamen. Sie wischte sich die Augen ab und fand es herrlich, so unbeschwert lachen zu können. Und etwas so Erregendes zu fühlen wie das, was die Erinnerung an die vergangene Nacht in ihr auslöste. Immer noch lachend, aber jetzt leise und verführerisch, stand sie auf, um zu duschen. Sie durfte keine Zeit verschwenden, denn sie wollte auf alles vorbereitet sein, wenn der Mann heimkehrte. "Chuck, möchtest du mit hereinkommen?" Der harte Arbeitstag war vorüber. Matt und sein Vorarbeiter hatten die Pferde abgesattelt und versorgt und standen auf dem Hof, nicht weit vom Haus. "Ich weiß nicht, Matt. Hope scheint Angst vor mir zu haben." "Sie hat vor allem Angst, und ich kann es gut verstehen. Aber ich bin sicher, sie wird dich mögen, wenn sie dich erst besser kennt." „Kann schon sein", gab Chuck zu. "Aber nicht heute, okay? Ich bin ziemlich erschöpft." Matt lächelte. "Ich auch. Also geh schon und leg die Beine hoch. Wir sehen uns morgen früh." "Gute Nacht, Matt." Die beiden Männer gingen in verschiedene Richtungen davon. Als Matt die Küche betrat und ihm der leckere Duft in die Nase stieg, sah er etwas auf dem Boden liegen. Stirnrunzelnd hob er es auf. Es war die Bluse, die Hope am Morgen getragen hatte. Seltsam. Aber vielleicht hatte sie sie auch nur auf dem Weg zur Waschmaschine verloren. Er warf einen Blick in die Waschküche, wo ihm nichts Ungewöhnliches auffiel, und ging über den Flur zu seinem Schlafzimmer. Plötzlich blieb er stehen. Direkt vor seinen Stiefeln lag noch ein Kleidungsstück - eine Hose. Er hob den Blick, und er fiel auf zwei kleinere Teile. Sie waren pfirsichfarben.
"Was zum Teufel?" murmelte er, als er Hopes Unterwäsche wiedererkannte. Es sah aus, als wäre sie aus der Küche und in sein Schlafzimmer gerannt und hätte sich unterwegs ausgezogen. Aber warum? Was sollte das? Keine Sekunde später wusste er warum, und sein Körper reagierte sofort auf die Vorstellung, dass Hope unbekleidet in seinem Bett lag. Du meine Güte, was, wenn Chuck seine Einladung angenommen hätte und mitgekommen wäre? Und was war mit Hope los? Er hatte ihr deutlich gesagt, dass es zwischen ihnen nicht mehr als eine Affäre geben konnte. Wollte sie sie etwa trotzdem fortsetzen? Nun ja, er hätte nichts dagegen. Allein der Gedanke war erregend. Aber glaubte sie wirklich, ihn durch Sex umstimmen zu können? "Niemals, Hope", sagte er leise und sammelte auf dem Weg zu seinem Schlafzimmer ihre Dessous ein. Und da lag sie, in reizvoller provokativer Pose, mit bloßen Armen und Beinen, von einer Ecke der Decke kaum verhüllt, das zerzauste Haar auf dem Kissen arrangiert. Ihre Augen waren geschlossen, als würde sie schlafen und gar nicht wissen, wie verführerisch sie aussah. Matt trat ein und warf ihre Sachen ans Fußende des Betts. Er starrte Hope an. Gleich würde sie ihn anschauen oder sogar ein wenig lachen. Schließlich war sie es, die dieses erotische Szenario entworfen hatte und offenbar lustig fand. Aber sie bewegte sich nicht. Er auch nicht, bis auf sein Stirnrunzeln, das immer tiefer wurde. Sie schlief! In seinem Bett, splitternackt und in einer Pose, die keinen Mann kalt ließ. Was war das hier nur für ein Katz-und-Maus-Spiel, dem sich keiner von ihnen entziehen zu können schien? Egal, wie oft und wie streng er sich befahl, Hope aus dem Weg zu gehen - er war da, wann immer sie auf ihn wartete. Das Telefon neben dem Bett läutete, und Matt nahm den Hörer ab, bevor Hope davon wach wurde. Er konnte nur hoffen, dass sie weiterschlief, denn wenn die Decke auch nur eine Handbreit nach rechts glitt, würde er sich nicht mehr beherrschen können. Hastig kehrte er ihr den Rücken zu. "Hallo?" "Ist dort Matthew McCarlson?" fragte eine Frauenstimme. „Ja, hier ist Matt. Was kann ich für Sie tun?" "Ich bin Kate Stockwell Larson und habe lange überlegt, ob ich Sie anrufen soll. Wir wissen, dass meine Halbschwester Hope LeClaire sich bei Ihnen aufhält. Könnten Sie mir erzählen, wie es ihr geht? Wir machen uns große Sorgen um sie. Leidet sie wirklich unter Amnesie?" "Leider kann ich im Moment nicht reden", sagte Matt leise. "Kann ich Sie in etwa einer Stunde zurückrufen?" "Natürlich." Kate Larson nannte ihm ihre Telefonnummer und verabschiedete sich. Geräuschlos legte Matt auf und warf einen Blick auf Hope. Ihre Augen war weit geöffnet, und sie starrte ihn an. "Deine Freundin, nehme ich an?" sagte sie kühl und kam sich absolut lächerlich vor. Hier lag sie in seinem Bett, nackt und in aufreizender Pose, bereit
und willig, mit ihm zu schlafen. Und er vertröstete seine Freundin, um sich erst einmal "etwa eine Stunde" mit ihr zu amüsieren. Matt hörte etwas Fremdartiges in Hopes Stimme. Sie klang, als hätte sie eine schwere Zunge, und plötzlich begriff er. Sie war beschwipst! Wovon? Natürlich! Sie hatte die alten Weinflaschen im Esszimmer gefunden. Matt trank nur selten Alkohol. Den Wein hatte Trisha gekauft. Er hatte ihn ganz vergessen. "Du bist betrunken", sagte er unverblümt. "Ich habe mich schon über diesen originellen Empfang gewundert, aber seit du den Mund aufgemacht hast, kenne ich den Grund dafür." Hope war schockiert. Sie setzte sich auf und zog die Decke bis an den Hals. "Ich bin nicht betrunken!" "Doch, das bist du. Das ist so offensichtlich wie die Nase in deinem Gesicht, Baby." "Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht so nennen würdest", erwiderte sie spitz und merkte gar nicht, dass sie nicht "so", sondern "scho" und auch nicht "würdest", sondern "würdescht" gesagt hatte. Matt schüttelte den Kopf. "Leg dich in dein eigenes Bett und schlaf deinen Rausch aus ... Baby." "Du hast es schon wieder gesagt!" Schwankend kniete Hope sich aufs Bett, ohne auf die Decke zu achten. "Warum bist du so wütend auf mich?" Als die Decke an ihr hinabrutschte, war es um Matts Selbstbeherrschung geschehen. Sie sah so schön, so sinnlich, so verlockend aus. Wie konnte er ihr und seinem eigenen Verlangen widerstehen? "Verdammt! " knurrte er und trat mit schnellem Schritt ans Bett. "Du kippst gleich um, wenn du dich nicht hinsetzt." "Besser, ich lege mich hin", schnurrte sie. "Ja, viel besser", sagte Matt mit zusammengebissenen Zähnen, als sie auf dem Rücken lag. Und dann spreizte sie einladend die Beine. "Auch ohne Gedächtnis weißt du, wie man einen Mann um den Verstand bringt, was?" Er zog sein Hemd aus. "Du bringst mich auch um den Verstand", erwiderte sie lächelnd. Ein Ehrenmann würde eine solche Situation nie ausnutzen, aber anstatt zu gehen, zog Matt auch die restlichen Sachen aus und legte sich zu ihr aufs Bett. "Du sollst dich nicht aufs Bett legen, sondern auf mich", meinte Hope kichernd. "Und dann sollst du es tun. Ich habe den ganzen Nachmittag an nichts anderes gedacht." Er glitt über sie und drang in sie ein. "Ich gehöre dir", flüsterte sie atemlos. „Tief in mir weiß ich, dass sich zwischen uns nichts ändern wird. Niemals." Matts Mund wurde trocken, aber er konnte nicht mehr aufhören. Also widersprach er ihr nicht, sondern konzentrierte sich völlig auf das lustvolle Vergnügen, das sie ihm und er ihr bereitete. Als Matt mitten in der Nacht eng an Hope geschmiegt erwachte, fiel ihm Kate Stockwell Larsons Anruf ein. Er hatte versprochen, sie "in etwa einer Stunde"
zurückzurufen. Verdammt, dachte er, warum ist mir das nicht rechtzeitig eingefallen? Ärgerlich auf sich selbst stand er auf, um wenigstens das Licht auszuschalten. Da es wenig Sinn machte, so zu tun, als wäre er noch ein Ehrenmann, kroch er wieder zu Hope ins Bett. Es geschah, was geschehen musste. Sie wurde wach und drängte sich an ihn. Mehr bedurfte es nicht, um einen der leidenschaftlichsten halben Stunden einzuleiten, die Matt jemals erlebt hatte. Als Hope danach wieder eingeschlafen war, starrte er an die Decke und gestand sich ein, dass er nicht mehr der Mann war, der er vor ihrer Ankunft gewesen war. Er hatte sich von seinem Verlangen leiten lassen, nicht von der Vernunft. Urplötzlich schlugen seine Gedanken eine völlig andere Richtung ein. Er sah sein Haus vor sich, wie es ohne Hope gewesen war - farblos und ohne wahres Leben. Er hatte immer nur gearbeitet, und jeder Tag war wie der vorherige gewesen. Er hatte versucht, sich einzureden, dass er unabhängig war und niemanden brauchte. Auf die Idee, dass er in Wirklichkeit einsam und verbittert war, war er nicht gekommen. Er dachte an Trisha und daran, wie unglücklich sie auf der Ranch gewesen war. Als die erste Leidenschaft vorüber war, hatte sie sich hier draußen gelangweilt, und da Matt jeden Fußbreit seines Landes liebte, war die Entfremdung zwischen ihnen immer größer geworden. Matt runzelte die Stirn. Warum wühlte er das alles wieder auf? Er wusste, warum er es tat. Weil sich diese traurige Geschichte wiederholen würde, wenn es ihm nicht gelang, sein Verlangen nach Hope zu unterdrücken. Jedes Mal, wenn er von einer längeren Beziehung mit ihr zu träumen begann, sollte er daran denken, woher sie kam. Aus den Kreisen, zu denen auch Trisha gehört hatte. Und wenn sie sich erst daran erinnerte, würde sie sich nach ihrem alten Leben zurücksehnen. Matt schloss die Augen. Er musste schlafen. Seine Männer und er hatten einen harten Tag vor sich. Und er würde Kate Larsons Anruf endlich erwidern. Am nächsten Morgen ging Matt früh aus dem Haus, kehrte jedoch gegen neun zurück. Hope lächelte ihm entgegen. "Hi", begrüßte sie ihn ein wenig atemlos. "Ich muss nur kurz telefonieren", erklärte er kühl. Hopes Lächeln verblasste. "Oh." Er ging durch die Küche und in sein Büro. Kate Stockwell Larson meldete sich nach dem zweiten Läuten. "Mrs. Larson, hier ist Matt McCarlson. Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestern Abend nicht mehr angerufen haben. Mir ist etwas dazwischengekommen." „Schon gut, Matt. Darf ich Sie Matt nennen?" "Natürlich." "Und Sie müssen mich Kate nennen. Matt, wie geht es ihr?"
"Sie erinnert sich noch immer an nichts, Kate. Von einem Arzt in Hawthorne weiß ich, dass eine Amnesie für gewöhnlich kein Dauerzustand ist. Er meinte, ihr Gedächtnis kann jederzeit wieder einsetzen." "Hat er sie untersucht?" "Er hatte zu viel in der Stadt zu tun. Bei dem Sturm haben sich viele hier draußen böse verletzt. Außerdem war die Straße vom Highway zur Ranch unpassierbar. Aber wir haben sie mittlerweile so gut es ging repariert." "Endlich mal eine gute Nachricht. Matt, ich möchte sie sehen.“ „Was glauben Sie, wie sie auf meinen Besuch reagieren würde?" "Kate, Hope hat keine Ahnung, wer sie ist. Sie weigert sich sogar, ihre Mutter anzurufen, und hat große Angst vor Fremden." "Aber wir sind keine Fremden, Matt." "Sie und ich wissen das, aber Hope nicht." "Sie gehört in ärztliche Obhut. Der Ansicht sind Sie doch sicher auch." "Kate, ich weiß nur, dass Hope sich momentan wohler fühlt, wenn sie keine Menschen um sich herum hat, die sie kennen. Es ist ihr schrecklich peinlich nicht zu wissen, wer sie ist." "Matt, wir vermuten, dass sie entführt wurde und dem Kidnapper irgendwie entkommen ist", sagte Kate. "Ich bezweifle, dass sie den Flughafen in Grandview freiwillig verlassen hat. Ist sie bei Ihnen in Sicherheit?" Matt lief es kalt den Rücken hinunter. Also war er nicht der Einzige, der eine Entführung für wahrscheinlich hielt. Er räusperte sich. "Ich passe auf Hope auf, Kate." "Sie glauben auch nicht, dass sie außer Gefahr ist, oder?" rief Kate. "Oh, Matt, ich habe solche Angst um sie. Ich muss etwas tun. Wie heißt der Arzt, mit dem Sie gesprochen haben?" "Dr. Adam Pickett." Matt gab ihr die Nummer des Arztes. "Kate, hier auf der Ranch wird ihr nichts zustoßen. Verlassen Sie sich darauf." Er bekam keine Antwort. "Kate, sind Sie noch da?" „Ja. Sie bedeutet Ihnen etwas, nicht wahr?" fragte Kate sanft. "Matt, ich habe gehört, dass Sie Witwer und ein sehr netter Mann sind. Ich kann nur hoffen, dass diese Geschichte kein trauriges Ende für Sie nimmt. Ärzte haben mir erzählt, dass die Menschen, mit denen ein unter Amnesie Leidender zusammen ist, für ihn schlagartig unwichtig werden können, sobald das Erinnerungsvermögen zurückkehrt. " Ihre Worte versetzten ihm einen Stich. "Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich will nur das Beste für Hope." "Das wollen wir alle, Matt. Danke für Ihren Anruf." Nachdem er aufgelegt hatte, blieb Matt noch einen Moment sitzen. Schließlich stand er seufzend auf. Er musste zurück an die Arbeit, aber erst wollte er ein paar Worte mit Hope reden. Er wollte sie nicht mit mehr Informationen belasten, als sie verkraften konnte, aber es gab ein paar Dinge, die sie über ihn wissen musste.
10. KAPITEL Hope drehte sich zu Matt um, als er die Küche betrat. Seine Miene war ernst. "Stimmt etwas nicht?" fragte sie nervös. "Wir müssen reden. Würdest du dich bitte setzen?" Matt füllte sich ein Glas mit Wasser und leerte es mit einem Zug. Dann ging er im Raum hin und her. "Ich werde dir jetzt etwas über meine Frau erzählen." Hope blieb fast das Herz stehen. "Deine ... Frau?" „Was glaubst du denn, wessen Sachen du trägst? Wessen Sachen auf dem Dachboden lagern?" Sie traute ihren Ohren nicht. Er hatte mit ihr geschlafen, obwohl er verheiratet war! Hätte er das auch getan, wenn sie das Gedächtnis nicht verloren hätte? Matt sah ihr an, was sie dachte. "Zieh keine voreiligen Schlüsse", sagte er scharf. "Meine Frau ist tot." Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. "Und du lässt mich ihre Sachen tragen? Mein Gott, was bist du für ein Mann?" "Ein nicht annähernd so widerwärtiger, wie du gerade denkst." Matt nahm den Stuhl ihr gegenüber. "Meine Ehe begann großartig und endete schlecht. Trisha konnte oder wollte sich nicht an das Leben auf der Ranch gewöhnen. Ihre Familie ist sehr reich und sie war mit dem Besten aufgewachsen, was für Geld zu kaufen ist. Aber das Schlimmste für sie war nicht mein viel dünneres Bankkonto, sondern das Leben hier draußen. Ohne ihre Freunde, ohne Partys und ohne die schicken Urlaube überall in der Welt. Mir war von Anfang an klar, dass ich nicht in ihr Leben passte, und ehrlich gesagt, ich habe es auch gar nicht richtig versucht. Wir waren so verschieden wie Tag und Nacht, aber Liebe macht bekanntlich blind." "Und dann ist sie gestorben?" fragte Hope leise. "An dem Tag, an dem sie mich verließ." Matt versuchte, die Gefühle aus seiner Stimme herauszuhalten, während er Hope erzählte, auf welch tragische Weise Trisha ums Leben gekommen war. "Deshalb sind ihre Sachen noch hier?" "Ihre Kleidung und ihre Möbel sind noch hier, weil Chuck sie auf meine Bitte hin auf den Dachboden geschafft hat, während ich in Chicago auf der Beerdigung war. Ihre Eltern wollten bis auf ein paar Erinnerungsstücke nichts haben. Ich wollte alles für wohltätige Zwecke spenden, habe es aber dann irgendwann vergessen.“ "Ich ... ziehe mich schnell um." Hope stand auf. "Ich hatte ja keine Ahnung ... Ich meine ... es tut mir Leid." "Setz dich. Ich bin noch nicht fertig." Er wartete, bis sie wieder saß. "Du kannst alles tragen, was du hier im Haus findest. Es stört mich nicht. Aber was mich stört, ist dein fehlgeleiteter Glaube, dass du und ich eine Beziehung haben."
„Fehlgeleiteter Glaube?" wiederholte sie mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. "Wie meinst du das? Wer hat mich denn fehlgeleitet, Matt?" Sein Gesicht färbte sich dunkelrot. "Na los, gib mir die Schuld. Meine Schultern sind breit genug." "Armer Matt", sagte sie kaum hörbar. "Da lebst du allein, fühlst dich wohl dabei und hast nur ein paar Gespenster aus der Vergangenheit auf dem Dachboden, die du praktischerweise vergessen hast. Dann taucht eine Frau auf und stellt dein kleines männliches Königreich auf den Kopf." Ihre Stimme wurde schärfer. "Und jetzt hast du panische Angst davor, dass ich mich in dich verlieben könnte. Warum? Planst du wirklich, den Rest deines Lebens allein zu verbringen?" "Ich plane gar nichts. Die Tage kommen und gehen von selbst, genau wie die Katastrophen, Probleme und Sorgen, die sie mit sich bringen." "Ist das alles, was das Leben dir gebracht hat?" „Viel mehr war es nicht." Er klang bitter. Hope hatte genug von diesem deprimierenden Gespräch und stand auf. "Ob es dir nun passt oder nicht, ich fühle mich bei dir noch immer sicher. Aber falls es dich beruhigt, verspreche ich dir, mich nicht in dich zu verlieben. Außerdem werde ich nachts in meinem eigenen Bett bleiben. Wenn du auch in deinem bleibst, dürfte die Gefahr weiterer Intimitäten gebannt sein. Um eins muss ich dich allerdings bitten - um die Erlaubnis, hier zu bleiben, bis ich mich innerlich wieder ein wenig gefestigt habe. Als Gegenleistung werde ich sämtliche Mahlzeiten für dich und deine Leute kochen. Inzwischen weiß ich, dass ich es kann. Du hast also die kostenlose Köchin, die du von Anfang an aus mir machen wolltest." Matt kam sich ungemein schäbig vor. "Nein, Hope. Das brauchst du nicht zu tun. Ich wollte dir nur klarmachen, dass ... Vielleicht verstehst du es noch nicht richtig, aber ... es tut mir Leid." "Was?" Erneut errötete er, aber er musste es ihr sagen. "Ich habe dich entjungfert und hatte kein Recht dazu.“ Sie verdrehte die Augen. "Oh, das ist lächerlich, hör endlich damit auf!" rief sie und ließ ihn allein in der Küche zurück. Im Gästezimmer warf sie sich aufs Bett und begann vor lauter Verwirrung zu weinen. Wenn Matt befürchtete, dass sie sich in ihn verlieben könnte, musste es Anzeichen dafür gegeben haben. Schließlich wusste er mehr über die Liebe als sie. Sie setzte sich auf und putzte sich die Nase. Vielleicht wusste sie ja auch viel mehr über die Liebe als Matt McCarlson? Nur leider war ihr Wissen hinter einer verschlossenen Tür in ihrem Kopf verborgen. War sie jemals in einen Mann verliebt gewesen - und hatte doch nicht mit ihm geschlafen? Hope konnte es einfach nicht verstehen, dass sie noch unberührt gewesen war. Denn ganz offenbar war sie weder gefühlskalt noch gehemmt.
Oder hatte die Amnesie eine völlig andere Frau aus ihr gemacht? Hatte sie zusammen mit allem anderen auch ihre Hemmungen vergessen? Als Hope spürte, wie die bohrenden Fragen anfingen, ihr Kopfschmerzen zu bereiten, stand sie auf und beschloss, sich abzulenken. Sie hatte Matt ein Tauschgeschäft angeboten. Ihre Kochkünste für seine Beschützerdienste. Wenn er heute Abend zum Essen kam und sah, dass sie auch für seine Männer gekocht hatte, würde er sich dann nicht verpflichtet fühlen, sie auf der Ranch bleiben zu lassen? Sie beschloss, dass es den Versuch wert war, holte tief Luft, um die aufkeimende Panik abzuwehren, und ging in die Küche. Als Matt heimkam und sah, wie viel Essen Hope zubereitet hatte, kam er sich noch mieser vor. Sie war nicht in der Küche, aber dass sie für alle gekocht hatte, war nicht zu übersehen. Er eilte zur Hintertür und rief seinen Vorarbeiter zurück. "He, Chuck, komm herein und hilf mir, ja?" Zusammen trugen sie die dampfenden Töpfe mit dem leckeren Essen über den Hof zur Unterkunft der Cowboys. "Das hier ist besser als Harveys aufgewärmter Eintopf“, sagte Chuck mit einem breiten Grinsen. "Die Kleine kann wirklich kochen, was?" "Ja, das kann sie", erwiderte Matt grimmig. "Seltsam, dass sie sich an Rezepte erinnert, aber an sonst nichts. " „Ja, wirklich komisch." "So habe ich das nicht gemeint, Matt." "Entschuldige." Sie betraten die Unterkunft und stellten die Töpfe auf den Herd. "Lasst es euch schmecken", sagte Matt brüsk, bevor er wieder hinausging. Seine Mannschaft freute sich über die unerwartete Mahlzeit, und er gönnte sie ihnen. Aber das änderte wenig an seiner schlechten Laune. Sein Essen stand im Ofen, und er wollte duschen, bevor er es herausnahm. Auf dem Weg zum Bad stellte er erstaunt fest, dass die Tür zum Gästezimmer weit offen stand. Er konnte nicht widerstehen und warf einen Blick hindurch. Hope saß auf dem Bett und las ein Buch. "Sag mir Bescheid, wenn du gegessen hast", sagte sie, ohne aufzusehen. "Dann wasche ich ab." "Okay ... danke." Matt ging weiter. Warum benahm sie sich plötzlich, als wäre sie kein Gast mehr, sondern eine Hausangestellte? „Verdammt", murmelte er. Warum wurden Frauen offenbar mit der Fähigkeit geboren, Männern immer wieder ein schlechtes Gewissen zu bereiten? Sie hatte den ganzen Tag in seiner Küche geschuftet, damit er bereute, was er heute Morgen zu ihr gesagt hatte. Fluchend betrat er sein Zimmer, sammelte ein paar frische Sachen zusammen und ging duschen. Hope erwachte mitten in der Nacht, schweißnass und voller Angst, aber sie hatte nicht geschrieen und war nicht zu Matt gerannt.
Dieser Albtraum war anders gewesen. Sie war gerannt, keuchend, durch strömenden Regen und knöcheltiefen Schlamm. Und der Mann aus den vorherigen Träumen hatte sie verfolgt. Aber bevor sie aus dem Motelzimmer entkommen war, hatte sie mit einem Gegenstand nach ihm geschlagen und sein Gesicht gesehen. Er hatte rotes Haar! "Oh, mein Gott", flüsterte sie. Aber wer war der rothaarige Mann, und warum war sie mit ihm in einem Motelzimmer gewesen? Kannte sie ihn? Wenn ja, warum hatte sie ihn dann mit ... mit einer Whiskeyflasche geschlagen. Eine Whiskeyflasche? Konnte das sein? Sie vergrub das Gesicht im Kissen und stöhnte verzweifelt auf. Wenn ihre Vergangenheit aus Whiskeyflaschen, Männern und Motelzimmern bestand, wollte sie sich wirklich daran erinnern? Am nächsten Morgen stand Hope sofort auf, als sie Matt hörte. "Geh wieder zu Bett", sagte er. "Wir alle sind es gewöhnt, uns selbst Frühstück zu machen." Trotzig hob sie das Kinn. "Wir haben eine Abmachung." "Nein, Hope, haben wir nicht." Ihre Unterlippe begann zu zittern. "Wirfst du mich hinaus?" "Habe ich dir nicht gesagt, dass du so lange bleiben kannst, wie du willst?" "Stimmt, aber dann ... ist zwischen uns etwas passiert, und..." "Vielleicht sollten wir das, was passiert ist, besser vergessen", unterbrach er sie. "Eines Tages wirst du dein Erinnerungsvermögen zurückbekommen, und dann wird alles, was du hier auf der Ranch erlebt hast, für dich wertlos sein." Sie starrte ihn an. "Ist es für dich wertlos?" "Nein, aber für dich wird es das sein." Das war eine so entsetzliche Vorstellung, dass Hope kein Wort herausbrachte. Sie konnte ihm nicht widersprechen, weil ihr verwirrter Verstand keine Gegenargumente fand. Da Matt ihre Tränen nicht sehen sollte, drehte sie sich um und ging wieder in ihr Zimmer. Erstaunt über ihren stummen Rückzug sah er ihr nach. Er spürte ihren Schmerz und fast hätte er an ihre Tür geklopft, um ihr seine Gefühle zu offenbaren. Aber sie waren so neu für ihn, dass sie ihm Angst machten, und er flüchtete vor ihnen nach draußen. Chuck kam gerade mit einer Armladung Töpfe aus der CowboyUnterkunft. "Wir haben sie abgewaschen", erklärte er. "Das war ein verdammt leckeres Abendessen." Matt nickte mürrisch. "Willst du sie ins Haus bringen?" fragte Chuck. "Nein, mach es selber." Matt ging davon. Chuck sah ihm nach und fragte sich, ob sein Chef mal wieder einen Drohbrief von der Bank bekommen hatte. Für einen Rancher gab es nichts Schlimmeres,
als sein Land zu verlieren. Er wünschte, er könnte Matt helfen. An der Küchentür zögerte Chuck. Er wollte Hope nicht erschrecken, aber es war früh, und wahrscheinlich schlief sie noch. Leise ging er hinein und stellte die gestapelten Töpfe auf die Arbeitsplatte. Doch kaum hatte er sich umgedreht, kippte der Stapel um und die Töpfe landeten scheppernd auf dem Boden. "Verdammt!" Hastig hob er sie auf. Falls Hope wirklich noch geschlafen hatte, war sie spätestens jetzt hellwach. In ihrem Zimmer erstarrte Hope und geriet in Panik. Da war jemand in der Küche - etwa der rothaarige Mann? Am liebsten wäre sie unter das Bett gekrochen, aber dann kam sie zur Vernunft. Vermutlich war Matt noch im Haus. Geräuschlos öffnete sie die Tür und schaute den Flur entlang. Aus der Küche kam ein Klappern. Es musste Matt sein. Wenn er es wirklich wagte, sich selbst Frühstück zu machen, würde sie ... Nun ja, sie wusste nicht, was sie tun würde, aber ihr würde schon etwas einfallen! Wütend marschierte sie in die Küche. "Chuck!“ Mit einem Topf in der Hand und einem verlegenen Ausdruck auf dem Gesicht richtete der Vorarbeiter sich auf. "Ich habe Sie geweckt, was?" Chuck Crawford sah vollkommen harmlos aus. Er war etwa fünfzig, mit silberblondem Haar und einem kleinen Bauchansatz. "Nein, Sie haben mich nicht geweckt", erwiderte sie. "Sie haben die Töpfe zurückgebracht." "Dachte mir, Sie brauchen sie vielleicht." Chuck lächelte. "Das war die beste Mahlzeit, die wir je hatten. Hope, ich möchte mich bedanken." Sie ging zur Kaffeemaschine. "Ich koche gern, Chuck. Leider weiß ich nicht warum." „Ja. Matt hat mir erzählt, dass Sie eine Amnesie haben", sagte Chuck mitfühlend. "Wir haben die Töpfe gründlich abgewaschen, Hope." "Das sehe ich. Sie glänzen richtig. Danke." "Schätze, ich sollte jetzt wieder gehen." Chuck wandte sich zur Tür. Hope spürte, dass sie ihm vertrauen konnte. Sie wollte nicht, dass er schon ging. Sie würde den Rest des Tages allein sein, mit sich und ihrer Angst vor dem rothaarigen Mann. "Müssen Sie?" fragte sie mit einem einladenden Lächeln. "Ich hatte gehofft, Sie würden einen Kaffee mit mir trinken." "Wirklich?" Erstaunt drehte Chuck sich um. "Ja, gern." Hope bot ihm einen Stuhl an und deckte rasch den Tisch. Als der Vorarbeiter eine Stunde später das Haus verließ, wusste sie, dass Matt alles andere als ein Frauenheld war und ernste finanzielle Probleme hatte. Chuck hatte ihr ausführlich erzählt, wie schlecht es um die Ranch stand. "Der Sturm könnte uns den Rest gegeben haben. Ich hoffe, dass es nicht so ist, aber Matt macht sich große Sorgen, das merke ich." Als Hope später mit dem Kochen beginnen wollte, stellte sie fest, dass sie kaum noch Vorräte hatte. Immer wieder trat sie ans Fenster und blickte
sehnsüchtig zur Unterkunft der Cowboys hinüber. Von Matt wusste sie, dass es dort eine Menge Lebensmittel gab. Sie würde sich nur zu gern welche davon aussuchen. Aber dazu musste sie sich zeigen. Und jetzt, da sie sich an den rothaarigen Mann erinnerte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass er in der Nähe war - näher, als Matt vermutete. Hätte sie Matt von dem Traum erzählen sollen? Hätte er gesagt, dass er einen rothaarigen Mann kannte, und sofort den Sheriff angerufen, um ihn festnehmen zu lassen? Nein, das war kindisches Wunschdenken, und Hope wusste es. Sie hatte die Tür hinter Chuck abgeschlossen, und das war ihr einziger Schutz, wann immer Matt und seine Leute auf der Ranch unterwegs waren. Ins Freie zu gehen war viel zu riskant. Andererseits, konnte sie ohne Mut leben? Kein Gedächtnis zu haben war schon schlimm genug, aber auch noch feige zu sein? Eigentlich wurde sie ja von Tag zu Tag tapferer. Sie dachte daran, wie sie heute Morgen Chuck zum Frühstück eingeladen hatte. Hope traf eine Entscheidung. Ohne Zutaten konnte sie nicht kochen, und wenn sie sich nicht mit der Arbeit in der Küche ablenkte, würde sie vielleicht den letzten Halt verlieren, der ihr geblieben war. Sie schloss die Hintertür auf, holte tief Luft und rannte über den Hof zur Unterkunft. Zwanzig Minuten später war sie zurück und stolz auf sich. Sie hatte genug Vorräte, um ein Festmahl zuzubereiten. Matt würde über ihren Leichtsinn wenig begeistert sein, aber Chuck und die anderen Männer würden sich freuen. Was spielte es schon für eine Rolle, wie Matt reagierte? Er war ohnehin dabei, ihr das Herz zu brechen, da kam es auf einen Tadel mehr oder weniger nicht mehr an.
11. KAPITEL Die Männer waren satt, die Küche wieder aufgeräumt, und Matt arbeitete in seinem Büro. Hope und er hatten an diesem Tag kaum ein Wort gewechselt. Sie verstand nicht, warum die Stimmung zwischen ihnen so angespannt war. Sie verstand den ganzen Mann nicht, obwohl das, was sie beim Frühstück von Chuck erfahren hatte, sie nachdenklich machte. Könnte sie ihm doch nur helfen. Hätte sie die Mittel, ihm finanziell unter die Arme zu greifen, würde sie es auf der Stelle tun. Schließlich hatte er sie inmitten des tosenden Sturms gefunden und in sein Haus geholt - vielleicht gerade noch rechtzeitig, um sie vor dem rothaarigen Mann zu retten. Ihr wurde bewusst, dass sie Matt erzählen sollte, was sie mittlerweile wusste. Sie störte ihn nur ungern, aber es ging nicht anders.
Zaghaft klopfte sie an seine Tür. "Herein." Sie setzte ein Lächeln auf. "Hast du ein paar Minuten Zeit für mich?" Er wollte Nein sagen, aber er brachte es nicht fertig. "Sicher. Komm herein und setz dich." "Ich glaube, ich erinnere mich an das Gesicht des Mannes, vor dem ich weggelaufen bin", begann sie ohne Umschweife. War dies der Anfang einer Kettenreaktion, an deren Ende ihr Gedächtnis wieder komplett vorhanden sein würde? Warum beunruhigte der Gedanke ihn so sehr? Matt räusperte sich. "Das ist gut.“ Seine wenig begeisterte Antwort enttäuschte sie. "Er hat rotes Haar." Er runzelte die Stirn. "Sprichst du von dem Mann in deinen Albträumen?" Hope beugte sich vor. „Ja, aber dies war kein Albtraum, sondern eine richtige Erinnerung. Ich habe ihn mit einer Whiskeyflasche auf den Kopf geschlagen und bin aus dem Motelzimmer gerannt. Es regnete, und jeder Atemzug tat mir weh, aber ich rannte immer weiter, weil er hinter mir her war." Matts Herz schlug schneller. Wie gern würde er den Bastard in die Hände bekommen. "Erinnerst du dich daran, wo das Motel war?" Hope seufzte. "Leider nicht." "Und daran, wie lange du gerannt bist? Oder wie weit?" "Nicht genau, aber es hat sehr lange gedauert.“ "Und der Mann hatte rotes Haar?" fragte er. „Ja.“ "Erinnerst du dich an sein Gesicht?" "Nicht sehr deutlich, aber ich glaube, ich würde ihn wiedererkennen." Sie fröstelte. "Nicht, dass ich ihn wiedersehen will." Unwillkürlich ballte Matt die Hände zu Fäusten und malte sich aus, wie sie mit voller Wucht im Gesicht des Rothaarigen landeten. „Aber warum war ich bei ihm?" fuhr Hope verzweifelt fort. "Kannte ich ihn? Habe ich mich freiwillig mit ihm in dem Motelzimmer getroffen?" Jetzt war Matt absolut sicher, dass seine Entführungstheorie zutraf. Aber hatte sie den Kidnapper vorher schon gekannt? Er kniff die Augen zusammen. Hatte Hope vor ihrer Amnesie Angst vor Sex gehabt? War sie frigide gewesen und mit einem Mann, den sie mochte, in ein Motel gegangen, um ... ? Hatte sie im letzten Moment Panik bekommen und die Flucht ergriffen? Und die Whiskeyflasche? Vielleicht hatte der Typ versucht, sie zu etwas zu zwingen, das sie plötzlich nicht mehr wollte. Verdammt. Wenn es nun doch keine Entführung gewesen war? Sondern ein schief gelaufenes Abenteuer? Nicht jeder nahm eine Zurückweisung wie ein Gentleman hin. Vor allem dann nicht, wenn die Frau ihm erst begründete Hoffnungen machte, die sie dann jedoch nicht einlöste. "Was denkst du?" fragte Hope, als sie Matts forschenden Blick nicht mehr ertrug.
"Ich frage mich nur, was wirklich in dem Motelzimmer passiert ist." Etwas in seiner Stimme störte sie, aber sie beschloss, diesen Teil ihrer Vergangenheit vorläufig ruhen zu lassen. "Ich erinnere mich an noch etwas. Ein Licht ... ja, ein entferntes Licht. Schwach und ... schwankend. Auf das bin ich zugerannt, daran habe ich mich orientiert." "Das könnte eine der Leuchten im Garten gewesen sein! Sonst gibt es hier meilenweit kein Licht! " Jetzt war Matt doch irgendwie ... ergriffen. Ein Licht in der Dunkelheit hatte Hope zu ihm geführt. Sein Licht. War das alles kein Zufall, sondern schicksalhaft? Reiß dich zusammen, Mann, befahl er sich. Seit wann glaubst du an so etwas? Hast du in deinem Leben nicht schon genug erlebt, um den Romantiker in dir für alle Zeiten zu begraben? Hope sah, wie seine Miene sich veränderte. Sich verhärtete. Einen kurzen Moment lang hatte sie so etwas wie eine Verbindung zwischen ihnen gefühlt. Sie seufzte traurig und stand auf. "Ich habe dich lange genug von der Arbeit abgehalten" j sagte sie leise und wehrte sich gegen die drohenden Tränen. "Gute Nacht." Matt erhob sich. "Gute Nacht. Schlaf schön." Als sie fort war, legte er stöhnend die Hände auf den Schreibtisch und den Kopf darauf. Allein hier zu sitzen und mit ihr zu reden kostete Kraft. Wieder mit ihr zu schlafen wäre die größte Dummheit, die er begehen konnte. Aber ihr wollt es beide, dachte er, also was du auch tust oder nicht, es wird immer die größte Dummheit deines Lebens sein. Die Straße zum Highway war wieder passierbar. Scherzend füllten die Männer die letzten Schlaglöcher auf. Heute Abend würden sie endlich wieder nach Hawthorne fahren und ein Bier oder zwei trinken können. Selbst ihr Chef gönnte sich an heißen Tagen eine eiskalte Flasche. Matt drehte sich um, als er einen Wagen hörte. Chuck stellte sich zu ihm. "Wir bekommen Besuch." "Der Sheriff." Der Vorarbeiter kniff die Augen zusammen. "Er ist nicht allein." Neben Cliff Braeburn saß Adam Pickett. Die beiden Männer stiegen aus, und Matt gab ihnen die Hand. "Wie ich sehe, hast du deine Straße wieder hinbekommen", meinte der Sheriff. Matt nickte. "Musste sein. Meine Männer waren kurz davor, sich zu Fuß auf den Weg in die Stadt zu machen." Cliff schmunzelte. "Kein Wunder." "Wie geht es deinem ungeladenen Gast, Matt?" erkundigte sich der Arzt. "Okay, schätze ich." "Sie erinnert sich noch immer an nichts?" "Vielleicht an Kleinigkeiten, aber ich kann das schwer beurteilen."
"Natürlich", bestätigte der Doc. "Ich habe Cliff gebeten, mich mitzunehmen, damit ich mir die rätselhafte Lady mal ansehen kann. Und wenn sie es mir erlaubt, werde ich sie auch untersuchen. Sollen wir zum Haus fahren?" Sie stiegen in den Streifenwagen. Hope hörte, wie der Wagen auf dem Hof hielt, und schaute aus dem Fenster. Zusammen mit Matt kamen zwei Fremde auf sie zu, einer in Uniform, der andere mit einer schwarzen Tasche. Auch ohne Gedächtnis wusste sie, dass der Uniformierte Polizist war. Warum war er hier? Um sie von der Ranch zu holen und nach Massachusetts zurückzuschicken? Und wer war der andere Mann? Noch ein Angehöriger, von dem sie nichts wusste? Sie bekam Angst und rannte in den Flur. Während die Männer die Küche betraten, flüchtete sie durch die Haustür ins Freie. Matt führte Cliff und den Doc ins Wohnzimmer. "Macht es euch bequem. Ich bin gleich zurück." Hope rannte in die Scheune, an unzähligen Pferdeboxen vorbei, bis sie eine Leiter entdeckte. Mit dem Rocksaum wischte sie sich die Tränen ab und kletterte hinauf, ohne nach unten zu sehen. Matt suchte das ganze Haus ab. Wo zum Teufel steckte sie? Er schluckte. Hatte der rothaarige Mann Hope wieder in seine Gewalt gebracht? Er zwang sich zur Ruhe und kehrte zu den anderen zurück. "Offenbar macht sie einen Spaziergang. Schenkt euch einen Kaffee ein. Ich werde sie kurz suchen gehen." Er eilte hinaus. Hope musste Angst bekommen haben, als sie den Streifenwagen sah. Er schaute sich um. Sie konnte sich überall versteckt haben. Wie von selbst wanderte sein Blick zum Scheunenboden hinauf. Seinem Instinkt vertrauend überquerte er den Hof, betrat das große Gebäude und steuerte die Treppe an. Leise kletterte er hinauf. Er brauchte ungefähr zwei Minuten, um sie zu finden. Der Haufen lockeren Heus an der Rückwand war verdächtig ausgebuchtet. Er schlenderte hinüber. "Ich weiß, dass du hier bist, Hope. Du kannst herauskommen." Sie warf das Heu ab, sprang auf und wollte davonlaufen. "Hope, hör auf damit!" Er griff nach ihr, aber sie wich aus, fiel ins Heu und kroch davon. Matt warf sich auf sie. Sie wehrte sich verzweifelt, bis er ihre Hände zu Boden drückte. "Was zum Teufel ist los mit dir?" keuchte er. "Du Bastard!" schluchzte sie. "Du hast ihn hergebracht." „Wen? Den Sheriff? Den Doktor? Hope, du brauchst einen Arzt, und glaubst du etwa, der Sheriff will dich ins Gefängnis stecken? Guter Gott, du bist doch keine Verbrecherin. Die beiden wollen dir nur helfen." Er sah in ihr tränenüberströmtes Gesicht, spürte ihre Angst und ließ seine Stimme sanfter klingen. "Wir wollen dir alle nur helfen."
Na ja, das stimmte nicht ganz. Denn im Moment wollte Matt auch noch etwas anderes. Er lag auf ihr, fühlte ihren Körper unter seinem und konnte nichts gegen die Erregung tun, die ihn durchströmte. Hope ging es offenbar ähnlich. Sie hörte auf zu schluchzen und sah ihm in die Augen. "Küss mich", flüsterte sie. Er schluckte. "Sie warten auf uns. Ich habe ihnen gesagt, dass du einen Spaziergang machst und ich dich hole." "Dann haben wir ein paar Minuten. Küss mich, Matt." Sie schlang die Arme um ihn und presste ihn zwischen ihre gespreizten Schenkel. "Hope, nicht", bat er mit belegter Stimme. "Du verschwendest das bisschen Zeit, das wir haben.“ Er konnte ihr keine Sekunde länger widerstehen. Er küsste sie voller Leidenschaft, sie zerrte an seinen Jeans, und zwei Minuten später waren sie vereint und ließen ihrem Verlangen freien Lauf. Unwillkürlich dachte Matt daran, dass sie das hier noch mit keinem anderen Mann gemacht hatte. Dass sie alles, was sie darüber wusste, von ihm gelernt hatte. Er war ihr Liebhaber, ihr Lehrer, ihr Beschützer und, solange ihre Amnesie anhielt, auch ihr Gefährte. So herrlich es war, im duftenden Heu mit ihr zu schlafen, er durfte ihre Erfüllung nicht zu lange hinauszögern, denn der Doc und Cliff warteten auf sie. Also steigerte er sein Tempo, bis ihr lustvoller Aufschrei sich in sein Stöhnen mischte und er spürte, wie seine Augen feucht wurden. Nach einer Weile hob er den Kopf. "Du bist eine ganz besondere Lady." "Du weißt, dass du für mich auch etwas Besonderes bist", wisperte sie. "Matt, lass nicht zu, dass der Arzt oder der Sheriff mich von hier fortbringen." "Deshalb sind sie nicht hier." „Versprich es mir, Matt. Schwöre es." „Na gut, ich verspreche es. Traust du dich jetzt, mit den beiden zu sprechen?" fragte er. "Muss ich?" "Du musst zu einem Arzt, Hope, und Doc Pickett ist der einzige in der Gegend. Er ist sechzig und ein guter Freund, glaub mir." "Und warum ist der Sheriff hier?" "Weil er neugierig ist und den Doc oft bei Hausbesuchen begleitet. Komm schon, gehen wir ins Haus, sonst schicken sie noch einen Suchtrupp los", scherzte er. Bevor er sich von ihr lösen konnte, küsste sie ihn. "Wirst du heute Nacht in meinem Bett schlafen?" Er zögerte. "Können wir darüber reden, wenn die beiden wieder weg sind?" "Immer wenn wir miteinander geschlafen haben, scheinst du es zu bereuen. Würdest du mir bitte sagen warum?" „Nicht jetzt, Hope. Aber wenn wir so weitermachen, werden wir einem von uns oder sogar uns beiden sehr wehtun. Spätestens dann, wenn du dein Gedächtnis wieder hast."
"Ich könnte dir nie wehtun", protestierte sie. "Hope, du hast keine Ahnung, wozu du einmal fähig warst und wieder sein wirst, wenn dein Leben sich normalisiert hat. Jetzt lass uns gehen, ja?" Matt stand auf und zog seine Jeans an. Hope folgte ihm und zupfte das Heu von ihrer Kleidung. "Du irrst dich, Matt. Egal, an was ich mich eines Tages erinnern werde, ich weiß, dass ich dir nie wehtun würde." "Warten wir es ab", erwiderte er und stieg als Erster die Leiter hinunter, um Hope notfalls auffangen zu können. Kurz bevor sie das Haus betraten, hielt sie ihn am Arm fest. "Du täuschst dich in mir, und eines Tages wirst du es wissen. Ich kann nur hoffen, dass es dann nicht zu spät ist", sagte sie und öffnete die Hintertür, ohne eine Antwort abzuwarten.
12. KAPITEL Sheriff Braeburn erzählte Doc Pickett, wer die Frau war, die bei Matt wohnte. "Sind die Stockwells darüber informiert, dass sie unter Amnesie leidet?" fragte der Arzt. "Ich habe selbst mit Rafe Stockwell gesprochen." "Und er war einverstanden, dass sie hier bleibt?" "Vorläufig ja. Doc, sie weiß nicht, wer sie ist. Deshalb hat Matt ihr nichts von ihrer Familie gesagt. Er will sie nicht zu sehr belasten. So reich und mächtig die Stockwells in Texas auch sind, für Hope sind sie Fremde, und sie fürchtet sich vor Fremden. Also behalten Sie es bitte für sich, wenn Sie sie untersuchen.“ "Natürlich. Sie haben Recht, Sheriff. In ihrem Zustand sind für sie alle Menschen Fremde." "Alle außer Matt." Doc runzelte die Stirn. "Das macht sie extrem abhängig von ihm." "Ist das ein Problem?" "Nicht solange er bereit ist, für sie da zu sein. Ist er das? Hat er mit Ihnen darüber gesprochen." Cliff schüttelte den Kopf. "Nein. Doc, Sie kennen Matt so gut wie ich. Seit Trishas Tod hat er die Ranch kaum verlassen. Er kann nicht sonderlich begeistert sein, eine kranke Frau im Haus zu haben." "Sie ist nicht krank, jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Hopes Amnesie ist offenbar nicht durch eine Schädigung des Gehirns verursacht und wird deshalb irgendwann von selbst verschwinden." Adam Pickett trat ans Fenster und schaute hinaus. "Wo bleiben die beiden nur?"
"Keine Ahnung, aber dass Hope lange Spaziergänge unternimmt, scheint mir ein gutes Zeichen zu sein." "Wenn sie Angst vor Fremden hat, sollte sie sich nicht zu weit vom Haus entfernen", erwiderte Pickett besorgt. „Ich bezweifle, dass es hier draußen viele Fremde gibt, Doc." „Für eine Frau in ihrem Zustand kann einer schon zu viel sein", entgegnete der Arzt trocken und legte den Kopf schräg. "Klingt, als würden Matt und Hope gleich hier sein." Etwa eine Stunde später saßen die drei Männer in Matts Büro. "Rein körperlich ist Hope in Ordnung", verkündete der Arzt. "Die Wunde am Kopf ist fast verheilt. Aber sie lebt in Angst und wird es wohl müssen, bis sie ihr Erinnerungsvermögen wiedererlangt." "Sie hat Angst vor einem rothaarigen Mann, Doc", sagte Matt. "Hat sie Ihnen das erzählt?" "Zuerst hatte sie diese schlimmen Albträume, aber irgendwann ging ihr auf, dass sie es nicht nur träumte, sondern sich auch erinnerte." Doc überlegte. "Offenbar hat Miss LeClaire etwas Traumatisches erlebt, bevor Sie sie fanden." "Und das muss ein Mann mit rotem Haar ihr angetan haben", meinte Matt grimmig. "Doc, ich muss Sie bitten, mit niemandem über Hopes Aufenthaltsort zu sprechen. Wir alle glauben, dass sie gekidnappt wurde und irgendwie entkommen konnte. Sie ist durch die Nacht und den Regen gerannt und ist fest davon überzeugt, dass dieser Rothaarige sie verfolgt hat. Ob das nun stimmt oder nicht, ich will sie nicht in Gefahr bringen, indem ich hinausposaune, wo sie ist." Er lehnte sich zurück. "Außerdem bin ich der einzige Mensch, bei dem sie sich sicher fühlt." "Ich weiß", erwiderte der Doc. "Hope hat es mir gerade erzählt. Offenbar haben Sie rein instinktiv alles richtig gemacht. Aber Sie müssen wissen, dass sie genau dadurch sehr abhängig von Ihnen ist. Sie ist überzeugt, dass sie ohne Sie nicht leben kann, und wird sich von niemandem zwingen lassen, die Ranch zu verlassen. Glauben Sie, dass sie hier in Sicherheit ist, wenn sie wirklich entführt wurde und der Kidnapper noch immer hinter ihr her ist?" Er wandte sich an den Sheriff. "Was meinen Sie, Cliff?" "Nun ja, während des Sturms hatten meine Männer alle Hände voll zu tun. Aber ich könnte zwei Deputys abstellen", schlug der Sheriff vor. "Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Chuck, die anderen Männer und ich können für Hopes Schutz sorgen", erwiderte Matt. "Wie du meinst." Der Sheriff sah Pickett an. "Rafe Stockwell weiß, dass wir heute hier sind, Doc. Ich habe versprochen, ihn zu informieren. Von ihm weiß ich, dass seine Schwester Kate Hope unbedingt hier besuchen will. Außerdem will die Familie einen Spezialisten herschicken, der sie untersuchen soll."
"Wenn Sie möchten, kann ich aus ärztlicher Sicht empfehlen, dass Hope noch eine Weile hier bleibt. Wenn man sie aus dieser gewohnten Umgebung reißt, der einzigen, die sie kennt, kann das gravierende Folgen haben." "Cliff , wie hat Rafe Stockwell reagiert, als du ihm erzählt hast, dass Hope bei mir ist?" fragte Matt. "Er wollte wissen, ob ich dich kenne. Ich habe ihm gesagt, dass du ein hart arbeitender Rancher und ein anständiger Mann bist. Rafe ist okay, Matt. Ich habe mehrfach mit ihm zusammengearbeitet. Er ist ein guter Polizist und, ein ehrlicher gerechter Mensch." Cliff wandte sich dem Arzt zu. "Ich muss zurück in die Stadt, Doc. Können wir fahren?" Doc stand auf. "Sicher. Mein Wartezimmer ist vermutlich schon voll." Er gab Matt die Hand. "Matt, rufen Sie mich an, wenn sich Hopes Zustand ändert." Matt begleitete die Männer nach draußen und sah ihnen nach, als sie im Streifenwagen davonfuhren. Hope saß mit einer Tasse Tee am Küchentisch, als er hereinkam. "Sind sie fort?" „Ja.“ "Hat der Sheriff dir etwas über mich erzählt?" "Was, zum Beispiel?" Matt goss sich einen Kaffee ein. "Was auch immer", erwiderte Hope ungeduldig. "Was hat er gesagt?" Matt kam eine brillante Idee. „Er findet, du solltest nach Massachusetts zurückkehren und bei deiner Mutter bleiben." Entgeistert starrte sie ihn an. "Und was hast du ihm geantwortet?" „Hope, sie ist deine Mutter. Wovor hast du Angst?" Tränen liefen ihr über die Wangen. "Würdest du wirklich zulassen, dass der Sheriff mich zu einer fremden Frau nach Massachusetts schickt?" Matt gab auf. Er stellte den Kaffeebecher ab, ging auf den Hof und holte tief Luft. Fast ging es ihm besser, da fiel sein Blick auf die Scheune. Dort oben, auf dem Heuboden, hatte er mit Hope geschlafen, und es war so schön gewesen, wie er es noch nie erlebt hatte. Leise fluchend ging er weiter. Jedes Mal mit Hope war unvergleichlich. Begriff er endlich, was das bedeutete? An diesem Abend rief Sheriff Braeburn an. „Cliff , ich habe Rafe Stockwell einen ausführlichen Bericht gefaxt. Er hat sich vor ein paar Minuten bei mir gemeldet. Er hat seiner Familie den Bericht gezeigt, aber seine Schwester Kate ist noch immer fest entschlossen, Hope auf der Ranch zu besuchen. Sie wird übermorgen bei euch eintreffen." "Kommt sie allein?" fragte Matt. "Du hast vorhin erwähnt, dass die Stockwells Hope von einem Spezialisten untersuchen lassen wollen." "Davon hat Rafe nichts gesagt, Matt. Aber du solltest Hope darauf vorbereiten, dass Kate kommt." "Ich weiß zwar noch nicht, wie ich es ihr beibringen soll, aber du hast Recht. Danke, Cliff."
Hope hatte sich bereits ins Gästezimmer zurückgezogen, und Matt wagte nicht, sie zu stören. Offenbar war ein sachliches Gespräch zwischen ihnen unmöglich. Andererseits - hatten sie es je versucht? Wenn sie zusammen waren, schien die Luft zu knistern. Außerdem wurde er diese lächerliche Idee nicht los, dass er sich in sie verliebt haben konnte. "Ach, verdammt!" knurrte er und beschloss, ihr erst morgen früh von Kate zu erzählen. Vielleicht würde der Besuch ja Hopes Gedächtnis auf die Sprünge helfen, und die beiden Schwestern würden sich bei ihm bedanken und glücklich abreisen. Aber so recht glaubte er nicht daran. Der Arzt war freundlich, manchmal sogar lustig gewesen, während er sie untersuchte. Hin und wieder hatte sie sogar gelacht. Ja, Doc Pickett mochte sie. Aber Sheriff Braeburns Besuch beunruhigte Hope. Hatte er das Recht, sie gegen ihren Willen von Texas nach Massachusetts zu verfrachten? Und hatte Matt ihn aufgefordert, genau das zu tun? Nervös ging sie in der Küche auf und ab. Matt war längst aus dem Haus. Chuck hatte ihr erzählt, dass sein Chef genug eigene Probleme hatte. Eine Frau ohne Gedächtnis war das Letzte, was er in seiner schwierigen Lage brauchte. Also war es durchaus möglich, dass Matt dem Sheriff geraten hatte, sie an die Ostküste zu schicken. Sie wischte sich eine Träne ab und begann, die Zutaten zu suchen, mit denen sie Kekse backen wollte. Sie hatte in letzter Zeit so viel gekocht, dass kaum noch Mehl da war. Und Fleisch und Gemüse gingen auch schon zur Neige. Wie um alles in der Welt sollte sie ein Abendessen zustande bringen? Sie überlegte noch, welche Vorräte sie hatte und welche sie brauchen würde, als die Hintertür sich öffnete und Matt hereinkam. "Hallo", sagte er kühl. Sie erwiderte seinen Gruß ebenso knapp. "Wir haben keine Vorräte mehr. Ich weiß nicht, woraus ich eine Mahlzeit kochen soll." "Was?" Matt war mit den Gedanken schon bei dem, was er ihr gleich erzählen wollte. "Ich sagte, jemand muss Lebensmittel einkaufen." „In der Cowboy-Unterkunft sind genug", knurrte er. „Nicht mehr." Matt zog eine Augenbraue hoch. "Du hast sämtliche Vorräte aufgebraucht?" Sein vorwurfsvoller Ton ärgerte sie. "Sicher. Und ich habe jeden Bissen selbst gegessen." Er errötete. "Hope, so habe ich das nicht…“ "Ich habe deine kostbaren Vorräte nicht verschwendet! Ich habe für dich und deine Männer gekocht!" "Du brauchst nicht zu schreien. Ich bin nicht taub." "Ich habe nicht geschrieen", widersprach sie. "Das hier ist Schreien!" rief sie so laut sie konnte.
"Hope, beruhige dich. Mach eine Liste, und ich fahre nach Hawthorne und kaufe selbst alles ein, was du brauchst." "Schön! Es dauert nur ein paar Minuten. Du kannst darauf warten." Sie setzte sich an den Tisch und begann zu schreiben. Matt wurde immer mulmiger zu Mute. Er musste ihr sagen, dass Kate morgen kommen würde. Nach kurzem Zögern nahm er sich ebenfalls einen Stuhl. "Es gibt da etwas, dass ich dir erzählen muss." Hope legte den Stift auf den Notizblock. "Ich gehe nicht nach Massachusetts", verkündete sie mit einer leisen Schärfe, die viel wirksamer als jedes Geschrei war. "Wovon zum Teufel redest du?" fragte er verwirrt. Du und der Sheriff, ihr werdet mich nicht nach Massachusetts schicken!" "Wer hat behauptet, dass wir das wollen?" „Du. Gestern." Matt stöhnte auf. "Wie kann eine Frau mit dem Gedächtnis eines Elefanten Amnesie bekommen? Hope, ich habe gestern gelogen", gab er zu. Sie starrte ihn an. "Du hast gelogen?" "Cliff hat nie gesagt, dass du nach Massachusetts sollst. Wie könnte er? Er hat kein Recht, dich irgendwohin zu schicken. Das liegt allein bei deiner Familie. Übrigens, deine Schwester Kate kommt morgen her." "Meine Schwester? Ich habe keine Schwester! Ich habe nur eine Mutter!" "Du hast eine große Familie, Hope. Drei Brüder und eine Schwester." Sie hielt sich die Ohren zu. "Hör auf!" Matt ging um den Tisch herum, ergriff ihre Hände und zog Hope behutsam an sich. "Ich weiß, es ist schwer für dich. Aber du kannst nicht einfach den Kopf in den Sand stecken. Deine Familie macht sich Sorgen um dich, und deine Schwester will mit eigenen Augen sehen, wie es dir geht. Sie liebt dich, Hope." Hope schluchzte leise. "Sieh mich an." Er hob ihr Kinn an und sah in ihr tränenüberströmtes Gesicht. "Es tut mir Leid", sagte er und drückte ihren Kopf wieder an seine Brust. "So vieles tut mir verdammt Leid." "Du hast nichts falsch gemacht." "Hope, bald wirst du wieder die Frau sein, die du einmal warst. Dann wirst du dies alles hinter dir lassen." "Was alles? Dich? Die Ranch? Alles, was du für mich getan hast? Nein, Matt, ich werde nichts von dem hinter mir lassen", beteuerte sie. "Keiner von uns weiß, was du tun wirst, oder? Also streiten wir uns nicht darüber, okay?" Er ließ sie los und holte eine Schachtel mit Papiertüchern von der Arbeitsplatte. Jetzt trockne dir die Augen ab und schreib die Liste zu Ende." Sie setzten sich wieder. Hopes Hand zitterte, als sie den Stift nahm. "Matt, dürfte ich ein paar Sachen aufschreiben, die mir morgen vielleicht helfen werden?" "Schreib alles auf, was du brauchst." "Nur ein paar Kosmetika ... Sachen, die nicht in meiner Tasche waren."
Matt sah sie an. Sie sollte morgen etwas Neues, Hübsches tragen. Er konnte es sich nicht leisten, so großzügig zu sein, aber verdammt, eigentlich konnte er sich nicht einmal die Lebensmittel auf ihrer Liste leisten. "Ich habe dich gefragt, ob du irgendwelche LeClaires kennst", begann Hope plötzlich. "Du hast Nein gesagt." Matt schwieg. "War das auch eine Lüge? Kennst du meine Geschwister?" "Nein, ich bin ihnen noch nie begegnet." Offenbar nahm Hope an, dass ihre Geschwister auch LeClaires waren. "Aber du hattest von ihnen gehört?" "Ich habe nicht gelogen, Hope. Ich hatte den Namen LeClaire noch nie gehört, bis wir ihn in deiner Brieftasche fanden. Bist du mit der Liste fertig?" wechselte er hastig das Thema. "Ja." Sie schob sie über den Tisch. Matt faltete sie und steckte sie in die Hemdtasche. "Ich werde mindestens zwei Stunden weg sein. Bleib im Haus." Als er die Küche verließ, seufzte Hope enttäuscht. Sie hätte gern alles so gelassen wie in ihren schönsten Momenten zusammen, aber Matt schien es nichts auszumachen, dass sich die Außenwelt immer mehr in ihr Leben und ihre Beziehung drängte. Sie ging in ihr Zimmer, legte sich aufs Bett und zog die Decke über den Kopf. "Ich werde nicht länger weg bleiben als nötig", sagte Matt zu Chuck. "Das Haus ist verschlossen, aber behalt es im Auge. Falls Hope nach draußen geht, überrede sie, wieder hineinzugehen. Wenn du jemanden siehst, den du nicht kennst, ruf den Sheriff an. Pass gut auf sie auf, Chuck." "Du kannst dich auf mich verlassen." "Das weiß ich. Bis später." Matt stieg in den Pick-up und fuhr auf direktem Weg zu dem einzigen Geschäft in Hawthorne, das Damenbekleidung verkaufte. Er parkte und betrat es. Eine Frau kam lächelnd auf ihn zu. "Hallo, Matt. Kann ich Ihnen helfen?" "Ich suche nach einem Geschenk für ... eine Freundin. Ein Kleid, dachte ich. Ein hellblaues. Größe sechsunddreißig." Das war Trishas Größe gewesen, und ihre Sachen schienen Hope gut zu passen. Eine halbe Stunde später verließ er das Geschäft mit mehreren Päckchen. Dann fuhr er zu Bud Cutler, dem er seit Jahren die Treue hielt, obwohl es selbst in Hawthorne die Filiale einer großen Supermarktkette gab. Leider war Bud nicht persönlich da, sondern nur seine Verkäuferin Harriet Meadow, die größte Klatschtante des Ortes. Matt hatte es eilig und achtete weder auf Harriet noch auf die anderen Kunden. Zehn Minuten später hatte er alles zusammen und schob den Einkaufswagen zur Kasse. Den Mann mit der Baseballkappe, der am Zeitschriftenregal stand, nahm er gar nicht wahr. Harriet tippte die Preise ein. Als sie die Bodylotion, das
Duftshampoo und den pfirsichfarbenen Lippenstift sah, warf sie Matt einen wissenden Blick zu. "Na, wenn das keine Überraschung ist? Ein Junggeselle, der Kosmetika kauft. Welche der schönen Ladys von Hawthorne haben Sie denn auf der Ranch versteckt? Oder ist sie neu in der Gegend?" "Mein Leben geht Sie nichts an, Harriet. Und nun machen Sie weiter. Ich habe es eilig", knurrte Matt. Sie bedachte ihn mit einem giftigen Blick, sagte jedoch nichts mehr. Nachdem Matt bezahlt hatte und gegangen war, trat ein anderer Kunde an die Kasse. "Unhöflicher Kerl, was?" sagte er. Harriet hob den Kopf. Sie kannte den Mann nicht, aber er war sauber, ordentlich gekleidet und trug eine Baseballkappe, unter der sein rotes Haar fast völlig verschwand. "Matt McCarlson ist schlimmer als das", sagte sie boshaft. "Ich bin überzeugt, dass er etwas mit dem Tod seiner Frau zu tun hat. Seitdem lebt er allein dort draußen. Dass er jetzt solche Kosmetiksachen kauft, macht einen doch neugierig, finden Sie nicht auch?" "Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Was sagten Sie noch, wo seine Ranch liegt?" War er etwa nur deshalb so freundlich zu ihr, weil er etwas wusste, das er ihr noch nicht erzählt hatte? Zum Beispiel den wahren Grund für Kates morgigen Besuch? „Was denkst du?" fragte sie leise und zupfte am Etikett einer Essigflasche. Matt zögerte. Dass er sich möglicherweise in sie verliebt hatte, beschäftigte ihn Tag und Nacht, aber durfte er es ihr sagen? Wenn ihr Gedächtnis wieder funktionierte, würde sie sich vermutlich kaputtlachen - über den hinterwäldlerischen texanischen Rancher, der allen Ernstes glaubte, er wäre einer Stockwell würdig. Die Vorstellung tat ungeheuer weh, und er entschied sich, ihr nichts zu sagen. Bei Hope Stockwell durfte er an Liebe nicht einmal denken. "Was ich denke?" wiederholte er mit rauer Stimme. "Ich denke das, was ich immer denke, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe. Ich glaube, du weißt, was es ist." "Als du mich zum ersten Mal gesehen hast ... oder kurz danach ... hattest du mich ausgezogen, und ich war nackt. Aber als ich wieder bei Bewusstsein war, hast du mir versichert, dass du nichts dabei empfunden hast." "Das war gelogen. Ich war erregt und ... verachtete mich dafür. Ich schwöre, ich habe dich nur gewaschen, aber ich habe mir dabei so manches ausgemalt", gestand er. "Hasst du mich dafür?" "Nein." Sie ging zu ihm. "Ich habe dir schon gesagt, dass ich dich nie hassen könnte. Aber jetzt willst du, dass ich es tue, nicht wahr?" "Lass uns darüber sprechen, was du willst, Hope", entgegnete er scharf. "Das ist das erste Mal, dass du wütend wirst, bevor wir miteinander schlafen", sagte sie und ließ die Hände über seine Brust gleiten, um sie ihm in den Nacken
zu legen. "Daran dass du es hinterher bist, habe ich mich gewöhnt. Aber warum jetzt?" Er umschloss ihren Po und drückte sie an sich, bis sie fühlen konnte, wie erregt er war. "Chuck weiß, dass ich zurück bin. Er wird sich fragen, wo ich so lange bleibe." Sie sah ihm ins Gesicht. Jetzt verstehe ich. Es fällt dir leichter, dir etwas auszureden, wenn du wütend bist. Du willst mich nicht wollen, habe ich Recht? Du wolltest es nie. Und jetzt verachtest du dich dafür, dass du erregt bist und mich begehrst. Matt, was glaubst du, wie ich mich da fühle? War nur ich die Verführerin und du der Verführte?"
13. KAPITEL Hope wickelte ein hübsches hellblaues Kleid aus und sah Matt mit schimmernden Augen an. "Du hast das für mich gekauft?" "Ich dachte mir, du möchtest morgen, wenn deine Schwester kommt, vielleicht etwas Neues tragen." "Oh. Danke", sagte sie leise, während die Angst vor dem kommenden Tag die Freude über das Geschenk verdrängte. Matt entging es nicht. Mit einem Lächeln und einer Frage versuchte er, sie wieder aufzumuntern. "Meinst du, es passt?" "Bestimmt." Sie hängte das Kleid in den Schrank im Gästezimmer und kehrte in die Küche zurück. Matt stellte gerade Lebensmittel auf den Tisch. "Ich könnte mir vorstellen, dass du sie lieber selbst einräumen willst. Dann findest du sie schneller" "Danke." Sie klang nervös, und Matt spürte, wie sehr sie sich vor morgen fürchtete. Von allen Seiten stürmten Menschen und Ereignisse auf sie ein, und es würde noch schlimmer werden. Ihre Familie würde sie nicht vergessen, auch wenn ihr das am liebsten wäre. Und früher oder später würde sie die Amnesie überwinden. Entweder ganz allein oder durch ärztliche Hilfe. Vielleicht würde Kate ihre Schwester überreden, sich in einer Spezialklinik behandeln zu lassen. Dann wäre Hope wieder aus seinem Leben verschwunden. Das könnte schon morgen passieren! Matt erschrak. Mit der leeren Einkaufstüte in der Hand stand er da und sah Hope an, die gerade Lebensmittel im Kühlschrank verstaute. Plötzlich drehte sie sich zu ihm um. "Du starrst mich an." "Ich weiß", erwiderte er sanft. "Hope, du bist so schön." „Findest du wirklich?" fragte sie verblüfft. "Ja."
In ihre Freude über das Kompliment mischte sich Besorgnis. Seine Selbstbeherrschung nahm rapide ab, und als sie sich mit den Brüsten an ihm rieb, gab er auf und küsste sie hungrig, bevor er sie auf die Arme nahm und ins Schlafzimmer trug. Sekunden später fielen sie nackt aufs Bett und machten dort weiter, wo sie in der Küche aufgehört hatten. Mit seinen Lippen eroberte er ihren Körper, bis sie sich unter ihm wand. "Matt ... Liebling ... bitte ... Ich kann nicht mehr warten. Komm zu mir ... bitte." Er drang in sie ein und schaute ihr ins Gesicht, während er ihnen beiden die Lust bereitete, nach der sie sich so sehr sehnten. Fast hätte er ihr gesagt, dass er sie liebte und immer lieben würde, aber er wagte es selbst jetzt nicht. Doch die Worte gingen ihm durch den Kopf. Immer wieder. Unaufhörlich. Bis er wusste, dass es die Wahrheit war. Er hatte sich in diese Frau verliebt, die so ganz anders als Trisha war. Hope war natürlich, ehrlich und ohne jeden Dünkel. Sie war zärtlich und ... Aber weder ich noch Hope wissen, wie sie wirklich ist, dachte er verzweifelt, bevor die Lust sie beide packte und mit sich riss. Danach glitt er aufstöhnend von ihr und legte den Arm über die Augen. Hope stützte sich auf einen Ellbogen. "Matt? Was ist los?" Er brachte es nicht fertig, sie anzusehen. Stattdessen sprang er aus dem Bett, sammelte seine Sachen auf und eilte aus dem Zimmer. Hope liefen die Tränen über das Gesicht. Sie hörte, dass er ins Bad gegangen war und sich dort anzog. Was war nur mit ihm los? Er begehrte sie, wollte es jedoch nicht. Wer von ihnen beiden war verrückter? Matt ging zu Chuck. "Ich nehme an, ihr seid auch ohne mich klargekommen?" "Sicher. Du warst lange im Haus, Matt. Ich habe mich schon gefragt, ob ich dich holen soll", erwiderte der Vorarbeiter. "Gut, dass du es nicht getan hast." "Zwischen dir und Hope läuft etwas, nicht wahr?" Matt schaute auf eine Weide hinaus. „Ja, aber ich werde nicht darüber reden." "Das musst du auch nicht. Aber lass mich dir etwas sagen. Hope ist eine gute Frau, und du könntest dich glücklich schätzen, eine Ehefrau mit etwas Geld zu bekommen. Matt, sieh es ein, du bist kurz davor, die Ranch zu verlieren." "Oh, ich sehe es ein, Chuck. In jeder verdammten Minute jeder verdammten Stunde an jedem verdammten Tag", antwortete Matt bitter. "Aber noch bin ich nicht so tief gesunken, dass ich eine Frau ihres Geldes wegen heiraten würde. Komm schon, lass uns etwas Produktives tun." Hope lag schon im Bett, als Matt an diesem Abend nach Hause kam. Er hatte mit den Cowboys in der Unterkunft gegessen. Jetzt hörte sie, wie er vor dem Gästezimmer stehen blieb und zu lauschen schien. Sie stand auf, ging zur Tür und riss sie auf. "Was willst du?" Das alte T-Shirt, das sie von ihm bekommen hatte, war so oft gewaschen worden, dass es fast durchsichtig war. Er starrte auf ihre Brüste. Ihr Haar war
offen und wild. Sie war so schön, dass es ihm den Atem raubte. Wie sollte er es überleben, wenn sie fort war? "Wie kannst du es wagen, mich so anzusehen?" fragte Hope mit blitzenden Augen. Matt blinzelte, als wäre er aus einer Trance gerissen worden. "Ich kann dich nicht anders ansehen, schätze ich." "Warum hast du an der Tür gelauscht?" "Ich weiß es nicht." "Du verdammter Feigling!" Sie knallte die Tür zu und schloss ab. Als Hope am nächsten Morgen aufwachte, hörte sie Matt im Badezimmer. Sie wartete, bis er aus dem Haus war und ging unter die Dusche. Lange hielt sie ihr Gesicht in den Wasserstrahl. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen, denn in der Nacht hatte sie immer wieder geweint. Da sie bezweifelte, dass Kate Stockwell so früh erscheinen würde, zog sie eine abgeschnittene Jeans und ein T-Shirt von Matt an. Nach dem, was zwischen ihnen beiden vorgefallen war, konnte sie Trishas Sachen nicht mehr tragen. Also zog sie die Bodentreppe zum Speicher herunter und schaffte alles wieder nach oben. Ihr neues Kleid würde sie erst später anziehen. Zu nervös, um viel zu essen, machte sie sich ein leichtes Frühstück, aber selbst das bekam sie kaum herunter. Anschließend putzte sie die Küche blitzblank. Danach wanderte sie durchs Haus, weil sie noch immer zu rastlos war, um sich hinzusetzen und zu entspannen. Immer wieder sah sie aus dem Fenster. Gegen Mittag streifte sie schließlich das hellblaue Kleid über. Als sie ihre Schuhe anziehen wollte, sah sie, dass sie wie neu glänzten. "Matt hat meine Schuhe poliert", flüsterte sie und sank auf die Bettkante. War er ein Feigling, der Angst vor einer festen Beziehung hatte? Oder war er der freundlichste Mann auf der ganzen Welt? Atemlos und mit klopfendem Herzen beobachtete Hope vom Fenster aus, wie eine Frau und zwei Männer aus einer eleganten Limousine stiegen. Wer waren die Männer? Ärzte, die sie von hier wegbringen sollten? Falls ja, würde sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren. Die Frau sah aus wie sie! Kate hatte das gleiche schwarze Haar und eine ähnliche Figur. Ihre Augen wirkten blau, und sie war etwa so groß wie Hope. Hope ließ sich in einen Sessel fallen. Es bestand kein Zweifel, Kate war wirklich ihre Schwester. Sie hatte auf ein Wunder gehofft. Auf irgendeine Frau namens Kate, die mit ihr ein unpersönliches Gespräch führen und wieder wegfahren würde. Hope stand auf, als Matt mit den drei Besuchern das Wohnzimmer betrat. Sie brachte kein Wort heraus. Kates Augen, die tatsächlich blau waren, wurden feucht, als sie auf Hope zuging. "Hab keine Angst“, sagte Kate sanft. "Ich bin so froh, dich zu sehen, Hope. Darf ich dich umarmen?"
Hope wich einen Schritt zurück. "Bitte ... nicht.“ "Erinnerst du dich denn gar nicht an mich?" "Es tut mir Leid", murmelte Hope. "Nein, das tue ich nicht." Nervös behielt sie die beiden fremden Männer im Auge. Matt war im Zimmer geblieben, hielt sich jedoch ein wenig abseits, indem er an der gegenüberliegenden Wand lehnte. "Hope, hast du etwas dagegen, dass ich dich mit meinem Mann bekannt mache?" "Natürlich ... nicht." Ihr Mann? Vermutlich der jüngere. Und wer war der ältere? Noch ein Angehöriger oder der Spezialist, der sie nur in einer grässlichen Klinik von ihrer Amnestie heilen wollte? "Brad, kommst du mal her?" sagte Kate mit einem Blick über die Schulter. Hope sah Brad entgegen. Er war groß und attraktiv, mit schwarzem Haar und dunklen Augen, und machte auf sie einen ebenso intelligenten wie entschlossenen Eindruck. Aber obwohl sein Lächeln freundlich war, misstraute sie ihm. "Hallo, Hope", begrüßte er sie. "Ich freue mich, dich wiederzusehen." "Hallo." "Du siehst gut aus. So hübsch wie immer." „Ja, das ist sie", bestätigte Kate lächelnd. Dann wurde ihr Gesicht ernst. "Hope, wir haben einen Freund mitgebracht. Dr. Glenn Heath, ein Psychologe. Glenn ist ein anerkannter Fachmann auf dem Gebiet der Amnesie. Brad und ich wären dir sehr dankbar, wenn du dich für ein paar Minuten mit ihm unterhalten würdest. Darf ich ihn herholen?" Oh Gott, jetzt passiert es! dachte Hope. Hektisch zuckte ihr Blick zu Matt hinüber. Die lässige Art, mit der er an der Wand lehnte, passte nicht zu ihm. Er sah entspannt aus, aber wie immer spürte sie bei ihm eine Aufmerksamkeit, der nichts entging. Genau deshalb fühlte sie sich bei ihm auch so sicher. Er war der ideale Beschützer, wachsam und immer im Dienst. Aber musste er sie vor Kate beschützen? Hope sah ihre Schwester an und fühlte, wie sich in ihr etwas änderte. Sie konnte zu Kate nicht unfreundlich oder auch nur kühl sein, zu Brad vermutlich auch nicht. Die beiden waren immerhin ihre Familie. "Danke, Kate, aber ich habe bereits einen Arzt", sagte sie ruhig. "Sicher hast du gelesen, was er über meinen Zustand geschrieben hat. Es muss in Sheriff Braeburns Bericht gestanden haben. " „Ja, das hat es, Hope. Aber Dr. Heath ist Spezialist, Dr. Pickett nur praktischer Arzt, ein Allgemeinmediziner" "Dr. Pickett reicht mir im Moment völlig", erklärte Hope mit fester Stimme. Kate warf Matt einen hilflosen Blick zu. Er runzelte die Stirn. Dass Hope ihn einen Feigling genannt hatte, tat noch immer weh. Dabei war er der einzige Mensch, der verstand, in welcher Angst sie lebte. Ja, sie hatte Angst davor, dass man sie zwingen würde, ihn und die Ranch zu verlassen. Und genau diese Angst hatte auch Matt denn er hatte sich längst damit abgefunden, dass er Hope liebte.
"Tut mir Leid, Kate", sagte er so ruhig wie möglich. "Ich werde nicht versuchen, Hope zu etwas zu überreden, das sie nicht will.“ Hope musste sich beherrschen, um nicht zu ihm zu laufen und ihn zu umarmen. Aber vielleicht später, wenn die anderen fort waren? "Hope, bitte", flehte Kate. Hope schüttelte den Kopf. "Nein." Sie sah, wie der fremde Arzt auf sie zukam, und brachte ihn mit einem warnenden Blick dazu, stehen zu bleiben. Dann wandte sie sich wieder Kate zu. "Bist du heute hergekommen, um mich dazu zu bringen, mit dir von hier wegzufahren?" "Hope, du brauchst professionelle Hilfe. Soll ich mich dafür schämen, dass ich mir um meine einzige Schwester Sorgen mache?" "Nein, aber sollte ich mich dafür schämen, dass ich bei dem einzigen Menschen bleiben will, den ich wirklich kenne?" Kate musterte Matt, und er wusste, dass sie ahnte, was sich zwischen Hope und ihm entwickelt hatte. Er spürte, wie er ein wenig errötete, hoffte jedoch, dass seine Miene ausdruckslos blieb. Zu seiner Erleichterung war Kate so taktvoll, nicht nachzufragen. Stattdessen sah sie wieder Hope an. "Möchtest du etwas über Mom wissen? Oder über jemand anderen aus unserer Familie?" Matt registrierte, dass Hope blasser geworden war. Sie wollte nicht über Menschen reden, an die sich nicht erinnern konnte, obwohl sie es sollte. Entschlossen stieß er sich von der Wand ab und stellte sich zu ihr. „Vielleicht ein anderes Mal, Kate?" meinte er und hoffte, dass sie die Botschaft verstehen würde. "Ich sehe Hope an, dass sie erschöpft ist." "Sie sind wohl kaum qualifiziert, eine solche Diagnose zu stellen", sagte Dr. Heath scharf. Matt warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Ich muss kein Arzt sein, um zu erkennen, wenn jemand erschöpft ist. Und wenn Sie so qualifiziert sind, warum haben Sie es dann nicht früher erkannt, dass das alles zu viel ist für Hope? Kate, es tut mir Leid, aber ich glaube, Ihre Schwester hat für heute genug." "Natürlich", murmelte Kate. "Hope, darf ich nächste Woche wiederkommen?" "Ja", flüsterte Hope. Mit einem traurigen Lächeln nahm Kate den Arm ihres Mannes. "Bis dann, Hope. Ich rufe vorher an." "Auf Wiedersehen, Hope", sagte Brad. Dr. Heath knurrte etwas Unverständliches. Matt brachte die drei zum Wagen. Während der Arzt und Kate einstiegen, nahm Brad ihn zur Seite. "Matt, ich glaube, Kate und ich verstehen, warum Hope hier bleiben will. Aber wenn sie wirklich entführt wurde ... Haben Sie genug Männer, um für ihre Sicherheit zu garantieren?" „Ja. Ich garantiere für ihre Sicherheit. Wer ihr etwas antun will, wird es nur über meine Leiche tun können." Brad nickte. "Das freut mich zu hören, aber ich bestehe darauf, Ihnen zu helfen. Wir haben vier gute Männer engagiert, sie werden morgen hier sein."
"Okay", sagte Matt nach kurzem Zögern. "Übrigens, die Belohnung, die die Familie Stockwell ausgesetzt hat, steht Ihnen natürlich zu. Und ich persönlich finde, dass wir Ihnen die Kosten ersetzen sollten, die Hopes Aufenthalt auf der Ranch verursacht hat." Matt erstarrte und atmete tief durch. "Ich habe nichts getan, womit ich mir fünfzigtausend Dollar verdient hätte, und für Hopes Kost und Logis würde ich von niemandem auch nur einen Cent annehmen." "Na ja ... überlegen Sie es sieh, Matt." Brad gab ihm die Hand. "Ich hoffe, wir sehen uns wieder." "Bestimmt." "Sieh dir den Mann dort an!" sagte Kate, als sie etwa eine Meile vom Haus entfernt waren. "Was macht der da, Brad?" Ihr Mann saß am Steuer und sah nur noch, wie ein Mann in dunkler Hose zwischen den Büschen verschwand. "Vermutlich einer der Wachposten, Honey. Matt hat mir versichert, dass er genügend Männer hat, um für Hopes Sicherheit zu sorgen.“ "Aber du hast ihm doch gesagt, dass wir unsere eigenen Leute herschicken, oder?" "Ja.“ "Brad, kennst du einen Cowboy, der eine Baseballkappe tragen würde?" "Nein, warum?" "Der Mann trägt eine." "Das bedeutet vermutlich nur, dass er Baseballkappen mag", meinte Dr. Heath trocken. "Wenn Sie es sagen", murmelte Kate, obwohl sie ein ungutes Gefühl hatte. Cowboys trugen nie Baseballkappen. Jedenfalls keiner, den sie kannte. Als Matt ins Haus kam, erwartete Hope ihn bereits. "Hast du ihre Kleidung gesehen? Und den Wagen? Matt, ich glaube, meine Familie hat Geld." "Kann sein", antwortete er ausweichend. "Ich muss ein paar Anrufe erledigen." "Und ich werde mich umziehen und mich hinlegen. Ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen." "Dann bis später." „Ja.“ Matt ging in sein Büro, Hope ins Gästezimmer. Er setzte sich an den Schreibtisch und rief Dr. Pickett an. "Matt, was gibt's?" "Kate Stockwell und ihr Mann waren gerade hier. Sie hatten einen Traumatologen dabei. Hope hat sich geweigert, mit ihm zu sprechen. Sie weiß noch immer nicht, wer sie ist. Aber ihr ist aufgefallen, dass Kate und Brad teure Kleidung trugen und einen Nobelwagen fuhren. Doc, kann ich ihr den Artikel zeigen und ihr erzählen, was ich über die Stockwells weiß?" "Wie heißt dieser Traumatologe?" "Dr. Glenn Heath."
"Matt, er ist einer der Besten. Hope hätte sich von ihm untersuchen lassen sollen." "Sie lässt sich nichts vorschreiben, Doc, und sie hat höllische Angst, dass man sie von hier fortholt. Aber sie hat Kate erlaubt, nächste Woche wiederzukommen. Soll ich ihr alles erzählen?" "Ich würde das nicht tun, Matt. Es könnte eine emotionale Schädigung verursachen, die nicht mehr zu reparieren ist. Nein, lassen Sie den Dingen ihren Lauf." "Okay. Danke, Doc." "Auf Wiedersehen, Matt." Matt legte auf und seufzte. Sollte er Adam Picketts Rat befolgen und den Mund halten? Hatte er eine andere Wahl?
14. KAPITEL Als Hope erwachte, war es dunkel. Verwirrt schaltete sie die Lampe an und sah auf die Uhr. Zwanzig nach elf. Sie hatte den ganzen Tag und die halbe Nacht verschlafen. Was hatten die Männer gegessen? Die Schränke waren voller Vorräte, sie hätte ihnen etwas ganz Besonderes kochen können. Betrübt legte sie sich wieder hin und versuchte einzuschlafen. Angespannt lauschte sie dem heulenden Wind, der das Haus erzittern ließ. Er beunruhigte sie, und sie zog die Decke bis ans Kinn. Sie versuchte, sich zu entspannen, doch der Sturm war wie ein Gespenst aus der Vergangenheit. Hope wehrte sich gegen die Angst, setzte sich auf und machte wieder Licht. Dann stand sie auf, zog eins von Matts großen Flanellhemden über und ging in die Küche. Wenn sie schon nicht schlafen konnte, wollte sie wenigstens etwas Nützliches tun. Während sie die Zutaten für Kekse zusammentrug, ärgerte sie sich darüber, dass sie Kate nicht gefragt hatte, ob sie schon immer gern gekocht und gebacken hatte. Gerade als sie die Eier aus dem Kühlschrank nahm, traf ein besonders heftiger Windstoß das Haus, und sie erschrak so sehr, dass sie die Eier fallen ließ. "Oh, verdammt", murmelte sie. Hastig holte sie einige Papiertücher, als ihr plötzlich einfiel, dass es eine bessere Methode gab. Eigentlich war es ganz einfach: Man streute Salz über die zerbrochenen Eier und fegte sie auf Zeitungspapier. "Eine Erinnerung", flüsterte sie staunend. Die erste, die ihr keine Angst machte. „Es fängt an." Irgendwann würde sie sich an alles erinnern, und sie spürte, dass der Tag nicht mehr fern war. Hope war sich plötzlich gar nicht mehr sicher, ob sie ihr Gedächtnis tatsächlich zurückhaben wollte. Denn wenn sie sich erst einmal wieder an alles würde erinnern können, hätte sie keinen Grund mehr, hier
auf der Ranch zu sein. Bei Matt. Ihre Stimmung hob sich, als sie in die Waschküche ging, um den Besen zu holen. Er stand neben dem Trockner. Aber woher sollte sie eine Zeitung bekommen? Sie überlegte, bis sie sich daran erinnerte, dass sie neulich doch in einer Schublade welche gesehen hatte. Nach kurzer Suche fand sie sie und nahm eine Handvoll heraus. In die Küche zurückgekehrt, lehnte sie den Besen an eine Arbeitsfläche und wollte gerade die Zeitungen auf dem Boden auslegen, als ihr eine Schlagzeile ins Auge stach: "Stockwell-Erbin vermisst". Das Wort "vermisst" ließ ihr Herz schneller schlagen. Und dann entdeckte sie ihren Namen im ersten Satz des Leitartikels auf der Titelseite. Mit weichen Knien ging sie zum Tisch und ließ sich auf einen Stuhl sinken, bevor sie den Text überflog. Die jüngste Tochter von Caine Stockwell, Hope LeClaire, ist nicht wie vorgesehen zu einem vereinbarten Familientreffen in Texas eingetroffen, sondern auf dem Weg von Boston nach Grandview spurlos verschwunden. Hope LeClaire hatte erst vor kurzem erfahren, dass sie eine Stockwell ist. Ihre Mutter Madelyn, eine erfolgreiche Malerin, ließ sich von Caine Stockwell scheiden, um dessen Bruder Brandon zu heiraten. Hope lebte mit den beiden in Europa und absolvierte die berühmte Kochschule Le Cordon Bleu in London, wo sie anschließend als Chefköchin arbeitete. Erst vor kurzem löste sie die Verlobung mit Mark Herriot, der zum Umfeld des englischen Königshauses gezählt wird, und zog nach Boston. Für Hinweise auf ihren Verbleib haben die Stockwells eine Belohnung von 50.000 Dollar ausgesetzt. Schockiert starrte Hope auf den Artikel, bis die Tränen die Buchstaben verschwimmen ließen. Sie hatten es gewusst! Alle! Matt. Der Sheriff. Der Arzt. Jeder hatte es gewusst und ihr nichts gesagt! Dass Matt es ihr verschwiegen hatte, schmerzte am meisten. Das Datum der Zeitung bewies, dass er schon am ersten Tag gewusst haben musste, wer sie war. Hatte er ihr nichts gesagt, um die Belohnung in die Höhe zu treiben? Waren fünfzigtausend Dollar nicht genug? Hope legte die Arme auf den Tisch, vergrub das Gesicht und fragte sich schluchzend, ob sie jemals jemanden so sehr gehasst hatte wie Matt McCarlson. Als sie hinter sich ein Geräusch hörte, hob sie den Kopf. Sie drehte sich um, aber es war nicht Matt, sondern Randy Biggers - der Mann, der sie entführt hatte! Und schlagartig erinnerte sie sich an alles. "Hope LeClaire?" Sie war gerade aus dem Flugzeug gestiegen. Der Flughafen von Grandview, Texas, war klein, aber geschäftig. Ein rothaariger Mann in einem gut sitzenden, perfekt gebügelten schwarzen Anzug rief nach ihr. "Ja?" "Ich bin Randy Biggers, einer der Chauffeure der Stockwells, und soll Sie abholen." Hope legte die Stirn in Falten. "Ich wollte einen Mietwagen nehmen. Ich bin sicher, das wussten die Stockwells."
"Kate hat es erwähnt, aber sie befürchtete, sie würden die Villa nicht allein finden. Deshalb soll ich Sie erst zum Wagen bringen und dann das Gepäck holen. Gehen wir?" Verwirrt folgte sie ihm aus dem Terminal. Es regnete, und Randy Biggers nahm ihren Arm und eilte mit ihr zu einem dunklen Wagen mit getönten Scheiben. Er öffnete ihr die, Beifahrertür, sie stieg ein, er warf sie zu, rannte um den Wagen herum, setzte sich ans Steuer und raste vom Parkplatz. Hier stimmte etwas nicht! Wenn man chauffiert wurde, saß man nicht vorn, sondern immer hinten! Ihr Mund wurde trocken, während sie den Mann neben sich musterte. Er war zwischen dreißig und vierzig, groß, und abgesehen von diesem leuchtend roten Haar sah er ganz normal aus. "Sollten Sie nicht eine Limousine fahren?" fragte sie so ruhig wie möglich. "Heute nicht", erwiderte er brüsk. Es klang drohend, und sie wusste, dass sie allen Grund hatte, Angst zu haben. Langsam tastete sie nach dem Türgriff. "Das können Sie sich sparen", sagte der Mann scharf. "Dieser Wagen hat eine Zentralverriegelung. Sie werden erst dann aussteigen, wenn ich es will." "Was ... soll das?" Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können, zu einem wildfremden Mann in den Wagen zu steigen? "Halten Sie den Mund", fauchte er. Wie gelähmt saß sie da und starrte ins verregnete Grau des Abends. Obwohl sie sich in Grandview nicht auskannte, war ihr klar, dass sie die Stadt verließen. Eiskalt lief es ihr den Rücken herunter. Wer war dieser Mann? Ein Vergewaltiger, ein Mörder oder beides? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie wandte sich ab, damit er es nicht bemerkte. Guter Gott, wohin würde er sie bringen? Er kannte ihren Namen, also hatte er es speziell auf sie abgesehen. Was hatte er mit ihr vor? Die Fahrt erschien ihr endlos, obwohl sie weniger als zwei Stunden dauerte. Sie kamen durch mehrere kleine Städte, bis er auf den Parkplatz eines schäbigen kleinen Motels mit einer grellroten Neonschrift einbog, vor dem Zimmer am Ende des Gebäudes hielt und den Motor abstellte. Dann drehte Biggers sich zu ihr und holte ein Messer unter dem Sitz hervor. "Hören Sie mir gut zu", sagte er, während er die Klinge mit der flachen Seite auf ihren Oberschenkel drückte. "Zwingen Sie mich nicht, das hier zu benutzen. Wir gehen jetzt hinein, und Sie geben keinen Mucks von sich, klar? Wenn Sie es tun, werden Sie es bereuen, das garantiere ich Ihnen." "Okay", flüsterte sie. "Gut, wir verstehen uns." Er nahm zwei Flaschen Whiskey vom Rücksitz. "Nehmen Sie die." Er drückte sie ihr in die Hände. "Bleiben Sie sitzen, bis ich Ihre Tür öffne."
Sie gehorchte, und als sie im Motelzimmer waren, lobte er sie dafür. "Sie sind eine kluge Frau. Bleiben Sie es, und Ihnen wird nichts zustoßen. Begehen Sie eine Dummheit, und Sie werden es bereuen. " Hope ließ sich auf einen Stuhl sinken und zuckte zusammen, als er ein Seil aus der Jackentasche zog und ihr befahl, die Hände hinter die Rückenlehne zu strecken. "Warum wollen Sie mich fesseln?" fragte sie entsetzt. "Tun Sie einfach, was ich Ihnen sage!" Sie streckte ihre Arme nach hinten und ließ sich von Biggers fesseln. Mit vor Angst geweiteten Augen sah sie, wie er sich danach das erste Glas Whiskey eingoss, es mit einem Zug leerte und wieder füllte. Dann ging er ans Fenster und lugte durch den Spalt zwischen den verdreckten Vorhängen nach draußen. Offenbar zufrieden, dass ihnen niemand gefolgt war, nahm er die Flasche, legte sich aufs Bett und stellte den Whiskey auf den Nachttisch. Und dann starrte er sie an. Hope versuchte, seinen Blick zu ignorieren, aber irgendwie war er schlimmer als das Messer, das er auf die verschrammte alte Kommode gelegt hatte. Biggers zog sie in Gedanken aus, das spürte sie, aber wenn er sie vergewaltigen wollte, warum hatte er sie nicht einfach aufs Bett geworfen? Unwillkürlich dachte sie daran, wie oft sie mit Mark Herriot, dem Mann, den sie so lange geliebt hatte, über ihre Hochzeitsnacht gesprochen hatte. Er hatte sie nie bedrängt, mit ihm zu schlafen, und sie war ihm dankbar dafür gewesen, dass er wie sie warten wollte, bis sie verheiratet waren. Aber die ganze Zeit hatte er mit einer anderen Frau geschlafen. Mit der, die er wirklich liebte. An Hope hatte ihn nur das Geld interessiert - ein Vermögen, das sie nie im Leben allein ausgeben konnte. War es das, worauf Randy Biggers es abgesehen hatte? Hope nahm gerade all ihren Mut zusammen, um ihn danach zu fragen, als er von sich aus das Schweigen brach. "Du bist also die kleine verlorene Schwester, die die Stockwells endlich aufgetrieben haben." Sie räusperte sich. "Sie kennen die Stockwells?" "Natürlich. Und die werden einen ordentlichen Batzen für dich abdrücken, Baby." Randy lachte schrill. Der Whiskey zeigte Wirkung. Hope hörte auf, sich zu bemitleiden, und überlegte, was sie tun konnte. Wenn er betrunken genug war und sie ihre Karten richtig ausspielte, würde er das Lösegeld, das er sich erhoffte, niemals bekommen. "Na ja, den können sie sich auch leisten", erwiderte sie und zuckte scheinbar verächtlich mit den Mundwinkeln. Er schluckte den Köder. "He, ist das dein Ernst?" "Die Stockwells sind ein Haufen Snobs, und es ist höchste Zeit, dass jemand ihnen eine Lektion erteilt. Wie viel wollen Sie verlangen?" Randy setzte sich auf und schwang die. Beine aus dem Bett. „Was bist du denn wert, Mädchen?"
Hope kam eine neue Idee, eine riskante zwar, aber eine, die durchaus zum Erfolg führen konnte. Übergeben konnte sie sich danach immer noch. Im Moment kämpfte sie um ihr Leben. Also setzte sie ihr verführerischstes Lächeln auf und schlug die Beine so übereinander, dass der Saum über die Knie glitt. "Die meisten Männer finden mich eine Menge wert", säuselte sie. "Wie wär's, wenn Sie die Flasche mit mir teilen?" "Du magst Whiskey?" "Hin und wieder." "Okay." Er stand auf, um ein zweites Glas zu holen. Sie sah, wie er schwankte. Er war schon betrunken! Sie brauchte ihn nur dazu zu bringen, noch mehr zu trinken. Als er durchs Zimmer taumelte, um ihr das Glas zu reichen, lachte sie. "Sie werden es für mich halten müssen, während ich trinke." „0h ... richtig. Deine Hände sind gefesselt ... Hab ich ganz vergessen", sagte Randy mit schwerer Zunge. "Du siehst verdammt gut aus. Hab' ich nicht erwartet." "Danke für das Kompliment, Randy. Sie sehen auch nicht schlecht aus. Ich hatte schon immer eine Schwäche für Männer mit rotem Haar." Er grinste. "Echt?" Sie nickte. "Geben Sie mir endlich einen Schluck." Er hielt ihr das Glas an die Lippen, und sie trank mehrere Schlucke von dem grauenhaften Zeug, wobei sie so tat, als wäre es der köstlichste Drink, den sie je probiert hatte. "Das ist gutes Zeug, Randy. Sie kennen sich aus, was?" "Stimmt", sagte er und richtete seinen glasigen Blick direkt in ihre Augen. "Weißt du was, Baby?" "Ja?" "Ich frage mich, wie weit du gehen würdest." "Warum binden Sie mir nicht die Hände los und finden es heraus?" erwiderte sie mit leiser verführerischer Stimme und ließ den Blick kurz zum Bett hinüberwandern. „In das Bett passt man auch zu zweit, wenn einer auf dem anderen liegt", fügte sie hinzu und sah, wie er aufgeregt schluckte. "Oh ... ja. Stimmt. Willst du es mal versuchen?" "Gern." Mühsam stand er auf, ging schwankend um Hopes Stuhl herum und zerrte mit ungeschickten Fingern an ihren Fesseln. Sie wollte ihn anschreien. Sie hasste diesen Mann, wie sie noch keinen Menschen gehasst hatte, und hatte noch immer große Angst vor dem Messer auf der Kommode. Doch jetzt hieß es cool bleiben - sie durfte sich nicht den kleinsten Fehler leisten, wenn ihre List aufgehen sollte. Baggers brauchte fünf Minuten, um sie loszubinden. Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke und schmiedete einen Plan, den sie sogleich in die Tat umsetzte.
"Könnte ich ins Badezimmer gehen, während ... du dich ausziehst?" bat sie, ohne sich den Ekel anmerken zu lassen. "Die Natur lässt sich nicht aufhalten", sagte er und lachte so heftig über seinen dämlichen Scherz, dass er fast das Gleichgewicht verlor. Mit einem süßlichen Lächeln stand Hope auf und ging in das winzige, moderig riechende Bad. Am rostigen Waschbecken schöpfte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht, bevor sie die geröteten Handgelenke betrachtete. Dann lauschte sie. Es regnete noch stärker als vorhin, aber das machte nichts. Wenn sie es schaffte, zur Tür zu kommen und sie aufzureißen, bevor er sie packen konnte, hatte sie eine Chance. Sie war eine gute Läuferin, und zum Glück hatten ihre Schuhe flache Absätze. Sie wartete noch einen Moment, bevor sie die Badezimmertür öffnete. Fast hätte sie laut aufgeschrieen, als sie sah, dass ihr Kidnapper schon im Bett lag und auf sie wartete. Seine Sachen lagen auf einem Stuhl, er war nackt! "Zieh dich aus", knurrte er. "Können wir nicht noch einen Drink nehmen? Wie wäre es mit einem richtig tollen sexy Striptease? Gibt es hier denn kein Radio?" "Nur den alten Fernseher, und der funktioniert vermutlich nicht mal. Na los, gieß uns beiden was ein, und dann zieh deine Show ab, Baby." Mit zitternden Händen griff Hope nach der Flasche. Sie wusste, was sie als Nächstes tun musste, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie aus Versehen stieß sie die Flasche um, und der restliche Whiskey ergoss sich auf den Fußboden. „Oh, verdammt!" rief sie. "Der schöne Whiskey. Jetzt muss ich die zweite Flasche aufmachen." "Beeil dich, ja? Ich habe Durst." "Keine Panik, Süßer", säuselte sie. "Gleich kriegst du deinen Drink. Ich bringe ihn dir, dann nehme ich mir selbst einen." Sie trat an die Kommode und starrte auf das Messer, doch dann wurde ihr klar, dass sie es nicht fertig brachte, einen Menschen kaltblütig zu erstechen. Aber irgendwie musste sie den Kerl außer Gefecht setzen. Danach ging alles wie von selbst. Sie trug die volle Flasche und Randys Glas zu Bett und reichte es ihm. Kaum hielt er es in der Hand, schlug sie ihm die Flasche über den Kopf. Und dann rannte sie zur Tür. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, bis sie sie geöffnet hatte. Draußen prasselte der Regen auf ihr Gesicht, das Haar, die Kleidung, aber die Angst trieb sie an ... immer weiter. Ja, jetzt erinnerte sie sich an alles - ihre Mutter, Brandon, die Familie in Texas und Matt. Es gab so viel, für das es sich zu leben lohnte, und dieser Verbrecher würde sie niemals daran hindern! Hope sprang vom Tisch auf und schrie so laut sie konnte. Randy packte sie und hielt ihr den Mund zu. Tretend und kratzend wehrte sie sich gegen seinen Griff. "Du kleine Wildkatze!" Randy holte aus und verpasste ihr einen Kinnhaken.
Das Letzte, was Hope sah, war Matt, der in Unterwäsche in die Küche stürmte. Das Letzte, was sie hörte, war das Brechen eines Knochens, als Matts riesige Faust Randy mitten ins Gesicht traf. Bewusstlos sank sie zu Boden. Hope erwachte in ihrem Bett. Nein, das ist es ja gar nicht mehr, dachte sie traurig. Ihr Bett stand in ihrem Haus in Boston, und sie war nach Texas gekommen, weil ihre Geschwister sie gedrängt hatten, an der Verlesung von Caine Stockwells Testament teilzunehmen. Das Ranchhaus war voller Leute. Sie hörte sie umhergehen und reden. Die Tür ging auf, und Adam Pickett schaute hinein. "Cliff", rief er über die Schulter. "Sie ist wach." Er kam herein und setzte sich auf die Bettkante. "Wie fühlen Sie sich, junge Lady?" "Ist mein Kiefer gebrochen?" "Nur ein Bluterguss. Ich habe Ihren Zustand überwacht, Hope, und Sie sind okay. Erinnern Sie sich daran, dass ich Ihnen ein Beruhigungsmittel gegeben habe?" "Vage." Sie schaute Dr. Pickett an. "Aber als ich den Mann sah, fiel mir alles wieder ein." "Sie erinnern sich an Ihr Leben, bevor Sie nach Texas gekommen sind?" "An alles, Doktor. Meine Kindheit, meine Eltern, die Schulen, auf denen ich war, Freunde, die Orte in Europa, die ich liebe .... alles. " "Und der Mann, der Sie angegriffen hat?" fragte der Arzt leise. "Er hat mich entführt", erwiderte sie heiser. "Ja, das haben wir uns gedacht. Ah, hier kommt der Sheriff. Fühlen Sie sich kräftig genug, um mit ihm zu sprechen?" "Ja." Sie hob den Kopf, als der Sheriff ans Bett trat. "Hallo." "Hallo, Hope. Sie haben lange geschlafen. Es ist schon fast Morgen. Doc, ich hole mir einen Stuhl. Könnten Sie zur Seite rutschen, damit ich Hope besser hören kann?" Pickett tätschelte ihre Hand. "Ich lasse Sie jetzt mit dem Sheriff allein, aber ich bleibe in der Nähe. Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie mich brauchen." Hope lächelte matt und sah, wie der Sheriff sich setzte. "Sie sagten, es ist fast Morgen? Wieso habe ich so lange geschlafen?" "Sie sind in Ohnmacht gefallen." Cliff Braeburn nahm Notizblock und Stift heraus. „Kennen Sie den Namen des Mannes, der Sie angegriffen hat?" "Randy Biggers. Als ich neulich in Grandview ankam, fing er mich am Flughafen ab. Er sagte, er sei Chauffeur bei den Stockwells und sie hätten ihn geschickt, um mich abzuholen." Hope erzählte ihm die ganze schreckliche Geschichte, an die sich vorhin schlagartig erinnert hatte, und ließ nichts aus. "Sie sagen, Sie sind aus dem Roadside Motel geflüchtet? Es hat in jener Nacht in Strömen geregnet, Hope." "Ja." Sie seufzte, "Ich bin einfach losgerannt, Sheriff . Ich renne auch sonst viel und habe schon an einigen Marathonläufen teilgenommen. Ich war sicher, dass
Biggers dicht hinter mir war. Auf die Idee, dass ich ihn abgehängt hatte, bin ich gar nicht gekommen, also rannte ich immer weiter." "Sie haben ihn überlistet, Hope. Alle sind sehr stolz auf Sie." "Auch Matt? Wo ist er überhaupt? Ich habe so viele Stimmen gehört, seine nicht." "Matt und Biggers sind beide ins Krankenhaus von Hawthorne gebracht worden. Matt wollte keinen anderen Arzt als den Doc zu Ihnen lassen, also werden er und Biggers wohl gerade von einem Kollegen von Pickett genäht." Hopes Augen wurden groß. "Genäht? Ist Matt verletzt? Wie schwer?" "Er hat sich die Hand gebrochen, mehrere Knochen darin, um genau zu sein. Biggers hat ein gebrochenes Nasenbein und eine Kieferfraktur. Matt hat ihn bewusstlos geschlagen und meinte, das sei die Schmerzen wert." Der Sheriff schüttelte den Kopf. "Schätze, Biggers weiß noch immer nicht, was ihn getroffen hat. Der Kerl wollte Sie doch allen Ernstes aus Matts Haus entführen. Er wird in seiner Gefängniszelle ausführlich darüber nachdenken können, warum er nicht auf eine bessere Gelegenheit gewartet hat. Auf eine ohne Zeugen." Cliff grinste. "Oder ohne jemanden mit einer Faust wie ein Vorschlaghammer." Er stand auf und stellte den Stuhl wieder in die Ecke. "Das wär's vorläufig, Hope. Sie werden doch vor Gericht gegen Biggers aussagen, oder?" Sie wünschte zwar, sie müsste ihren Peiniger nie wiedersehen, nickte jedoch. "Ja, ich werde natürlich aussagen." "Übrigens: ich habe Ihre Familie verständigt. Kate ist schon hierher unterwegs. Ich weiß nicht, wen sie sonst noch mitbringt. Hope, als ich mit Kate telefonierte, sagte sie, es sei an der Zeit, dass Sie heimkehren. Sie klang ziemlich entschlossen, also machen Sie sich auf einiges gefasst. " Und damit verließ er den Raum. Hope schloss die Augen. Jetzt, da sie ihr Gedächtnis wiederhatte, schämte sie sich, wie ungehemmt sie sich Matt gegenüber aufgeführt hatte. Das war normalerweise absolut nicht ihre Art. Lag das am Gedächtnisverlust? Oder daran, dass sie Matt liebte? Denn darin war sie sich immer noch sicher. Seis drum. Jetzt, da sie Matts Reaktion wesentlich besser beurteilen konnte, war ihr klar, dass er dieses Gefühl nicht erwidert hatte. Hoffentlich traf Kate auf der Ranch ein, bevor Matt aus Hawthorne wiederkam. Es gab wirklich keinen Grund, warum sie beide sich jemals wiedersehen sollten, oder? "Nein, den gibt es nicht", sagte sie dumpf und drehte das Gesicht zur Wand.
15. KAPITEL Kate hatte darauf bestanden, dass Hope bei ihr und Brad wohnte. An jedem Abend kam mindestens einer ihrer Brüder mit seiner Familie zum Essen. Umgeben von Menschen, die sie liebten und froh waren, ihre Schwester und Schwägerin heil und gesund wiederzusehen, entspannte Hope sich von Tag zu Tag ein wenig mehr. Rafe Stockwell berichtete, dass Randy Biggers endlich ein Geständnis abgelegt hatte. Und seine Rechtfertigung dafür, dass er Hope die Hölle auf Erden bereitet hatte? Rache für das, was die Stockwells vor so vielen Jahren den Johnsons seiner Meinung nach angetan hatten. Beth Johnson Stockwell und Jack Stockwell hatten ihn als den Mann identifiziert, der Beth Monate zuvor auf ihrer Farm bedroht hatte. Randy Biggers war mit ihrem verstorbenen ersten Ehemann Eben Johnson befreundet gewesen. Zudem litt er an chronischem Geldmangel. Zur Testamentseröffnung kam der gesamte Clan in der Stockwell-Villa am Rand von Grandview zusammen und erfuhr, dass Caines gewaltiges Vermögen unter seinen fünf Kindern Jack, Rafe, Cord , Kate und Hope aufgeteilt werden sollte. Ein erleichtertes Seufzen verriet Hope, wie sehr ihre Geschwister befürchtet hatten, Hope würde leer ausgehen. Caines letzter Wille enthielt eine Überraschung: Vier Millionen Dollar sollten auf ein Treuhandkonto eingezahlt werden - für den Fall, dass noch andere leibliche Kinder sich meldeten. "Offenbar hat Dad es für möglich gehalten", sagte Kate trocken. "Na ja, ein Heiliger war er nie, was.“ Am nächsten Tag kamen Madelyn und Brandon aus Massachusetts, und wieder gab es gutes Essen, gute Gespräche und viel Gelächter. Hope liebte ihre Familie über alles, und da es so viel gab, für das sie dankbar sein konnte, sollte sie eigentlich überglücklich sein. Doch das war sie nicht. Hinter jedem ihrer Worte, hinter jeder Geste und jedem Lächeln verbarg sich eine enorme Trauer. Sie konnte nicht aufhören, an Matt zu denken, und an jedem Morgen hoffte sie inständig, er würde heute anrufen. Wenn sie abends zu Bett ging, war sie stets noch trauriger als zuvor. Madelyn und Brandon schlugen Hope vor, mit ihnen zurück nach Cape Cod zu fliegen. Sie erklärte ihnen, dass sie noch eine Weile in Texas bleiben würde, und alle nahmen an, dass sie noch etwas Zeit mit Kate und ihren Brüdern verbringen wollte. Das stimmte auch, aber es war nicht der Hauptgrund. Irgendetwas in ihr wehrte sich gegen die Vorstellung, Texas zu verlassen, ohne Matt wenigstens ein einziges Mal wiedergesehen zu haben. Allein deshalb, weil sie ihm alles danken musste, was er für sie getan hatte. Dennoch brachte sie es nicht über sich, zum Hörer zu greifen und ihn anzurufen. Vielleicht hatte er sie längst vergessen. Dann erfuhr sie, dass Matt die von den Stockwells ausgesetzte Belohnung nicht angenommen hatte. Nicht einmal das, was ihr Aufenthalt ihn gekostet hatte,
hatte er sich ersetzen lassen. Hope erzählte ihrer Familie nichts von seiner finanziellen Situation, aber dass er so stolz war, machte sie wütend. Anstatt das Geld zu akzeptieren, das ihm zustand, riskierte er es lieber, seine Ranch Bankrott gehen zu lassen. Fast hätte sie ihn angerufen, nicht um ihm zu danken, sondern ihm gehörig die Meinung zu sagen. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht beschloss Hope, nach Boston zurückzukehren. Obwohl sie unglaublich reich war, wollte sie arbeiten und ein normales Leben führen. Und warum um alles in der Welt sollte sie in Texas bleiben und insgeheim hoffen, dass Matt ein schlechtes Gewissen bekam und sie doch noch anrief? Er hatte ihr doch deutlich gesagt, dass er sich nie wieder in eine ernsthafte Beziehung mit einer wohlhabenden Frau einlassen wollte. Und da er die ganze Zeit gewusst hatte, wer sie war, hatte er auch gewusst, dass sie Geld besaß. Das konnte nur bedeuten, dass sie ihm nie etwas bedeutet hatte. Er hatte seinen Spaß mit ihr gehabt, nie mehr von ihr gewollt. Nein, Matt war kein bisschen besser als Mark. Offenbar fühlte sie sich von skrupellosen Männern angezogen. Das war ein Charakterfehler, an dem sie noch arbeiten musste. Am nächsten Tag bekam Hope überraschenden Besuch: Chuck Crawford. Kate führte ihn in die Bibliothek, wo Hope mit einem Buch saß und auf den Sonnenuntergang hinausschaute. "Hope, schau mal, wer hier ist", sagte Kate. Hope drehte sich um, sah Chuck und war erstaunt, wie sehr sie sich freute, Matts Vorarbeiter zu sehen. Sie legte das Buch zur Seite, sprang auf, eilte ihm entgegen und gab, ihm nicht nur die Hand, sondern umarmte ihn gleich auch noch herzlich. "Oh, Chuck, ich bin ja so froh, Sie zu sehen." "Ich freue mich auch, Miss." Hope trat zurück und registrierte lächelnd, wie verlegen sie den älteren Mann gemacht hatte. "Kommen Sie, setzen Sie sich", lud sie ihn ein. „Hope, möchtest du, dass ich euch Kaffee bringe?" fragte Kate. "Das wäre toll. Danke, Kate." Hope setzte sich wieder in ihren Sessel, und Chuck nahm einen in der Nähe. "Was führt Sie nach Dallas, Chuck?" "Ich habe eine Schwester, die etwa zehn Meilen östlich von hier lebt, und ich dachte mir, ich verbringe ein paar Tage bei ihr, bevor ich mir einen neuen Job suche. Hope, Sie sehen sehr gut aus. Matt hat mir erzählt, dass Sie Ihr Gedächtnis zurückerlangt haben. Da wollte ich vorbeikommen und Ihnen sagen, wie sehr mich das freut." Hope hielt eine Hand hoch. "Danke, aber Augenblick mal. Sie suchen einen neuen Job? Warum?" Chuck drehte seinen Hut zwischen den Händen. "Hope, ich bin nicht hier, um Sie mit schlechten Nachrichten aufzuregen." "Was ist los, Chuck?" "Er verliert alles, Hope. Die Bank hat ihm den Kredit gekündigt. Alles, was nicht mit der Hypothek belastet ist, wird morgen versteigert. Lassen Sie mich
nur noch eins sagen - Sie sind die einzige Frau, die jemals einen Sonnenstrahl in Matt McCarlsons Leben gebracht hat. Verstehen Sie mich nicht falsch. Er wird auch das überleben. Er überlebt alles, so ist er nun einmal. Aber seit Sie fort sind, hat er nicht mehr gelächelt. Okay, er verliert die Ranch, aber selbst das trifft ihn nicht so hart wie die Tatsache, dass er Sie verloren hat." Hope konnte es kaum fassen. Sie brachte kein Wort heraus, und als sie es endlich schaffte, drohte ihre Stimme zu versagen. „Chuck, Sie ... müssen sich irren. Er hat kein einziges Mal angerufen oder versucht, mich zu sehen." "Matt hat keinen Cent auf der hohen Kante. Und er ist ein stolzer Mann. Er kann Ihnen nichts bieten und will auf keinen Fall, dass Sie glauben, er will Sie nur Ihres Geldes wegen. Eher würde er sterben." Sie stand auf, ging ans andere Ende der Bibliothek und kam wieder zurück. Beurteilte Matt Menschen denn nur danach, wie reich sie waren? War Geld das Einzige, das ihm etwas bedeutete? Glaubte er, dass Geld das Einzige war, das ihr etwas bedeutete? Kate kam mit einem Tablett herein, auf dem eine Kaffeekanne, Tassen, Zucker, Sahne und ein kleiner Teller mit Keksen standen. "So, hier ist der Kaffee", verkündete sie fröhlich. Dann sah sie Hopes angespannte Miene. "Lasst ihn euch schmecken", sagte sie leise und zog sich diskret zurück. "Chuck, würden Sie mich für ein paar Minuten entschuldigen?" bat Hope. "Es gibt da etwas, das ich tun muss. Nehmen Sie sich Kaffee und Kekse. Bestimmt wird es nicht lange dauern." Chuck nickte. "Sicher. Gehen Sie nur, Hope. " Aber das hörte sie kaum noch, denn sie war längst im Nebenraum, wo sie die Tür hinter sich schloss und den Telefonhörer abnahm. Sie ließ sich von der Auskunft eine bestimmte Nummer geben und wählte sie. Als eine Frau sich meldete, grüßte sie sie freundlich. "Mein Name ist Hope Stockwell. Dürfte ich bitte mit Ihrem Filialleiter sprechen?" Keine zwanzig Minuten später war sie wieder in der Bibliothek. Sie setzte sich, goss sich einen Kaffee ein und sah Chuck an. "Ich bin gerade dabei, eine Ranch zu kaufen, und brauche einen erfahrenen Vorarbeiter", sagte sie ruhig. "Sind Sie an dem Job interessiert?" Chuck strahlte über das ganze Gesicht. "Aber ja, Ma'am!“ Am nächsten Morgen sattelte Matt Dex. Sämtliche Tiere auf der Ranch würden heute versteigert werden. Aber nicht Dex. Matt hatte den Wallach als Fohlen bekommen, ihn selbst aufgezogen und würde sich für kein Geld der Welt von ihm trennen. Seine persönlichen Sachen hatte er bereits gepackt, aber er würde sie erst heute Abend in den Wagen laden. Zuvor wollte er einen langen Ausritt auf Dex unternehmen und einen letzten Blick auf das Land werfen, das er so sehr liebte. Er würde erst zum Haus zurückkehren, wenn die Versteigerung vorüber war. Denn er konnte nicht mit ansehen, wie das Einzige, das ihm auf dieser elenden Welt etwas bedeutete, auseinander gerissen wurde.
Nein, das stimmt nicht ganz, dachte er, als er sich in den Sattel schwang. Hope bedeutete ihm mehr, als er sich einzugestehen wagte. Irgendwie erschien es ihm verdammt unfair, dass die einzige Frau, die wieder Gefühle in ihm weckte, so unerreichbar war. Wie Caines Erbe aufgeteilt worden war, war kein Geheimnis. Matt hatte keine Ahnung, woher die Medien diese Information hatten, aber wer Zeitung las oder fernsah, wusste, dass jedes von Caines Kindern jetzt unermesslich reich war. Die Presse hatte auch über die Familiengeschichte der Stockwells berichtet. Caine hatte sein jüngstes Kind, Hope LeClaire, nie gekannt. Sie war bei ihrer Mutter Madelyn und deren Mann Brandon aufgewachsen. Brandon war Caine Stockwells Zwillingsbruder, hatte jedoch den Namen LeClaire angenommen, damit die Privatdetektive, die Caine auf ihn und Madelyn angesetzt hatten, sie nicht fanden. In ihrer Jugend hatten beide Brüder um Madelyn geworben. Offenbar hatte Caine gewonnen, denn sie hatte ihn geheiratet und vier Kinder mit ihm bekommen. Als sie Caine verließ, war sie mit Hope schwanger. Auch Brandon verschwand, und Caine erklärte seinen Kindern, dass ihre Mutter und ihr Onkel bei einem Bootsunfall ertrunken waren. Das war natürlich gelogen. Nach Hopes Geburt heirateten Madelyn und Brandon in Europa. Brandon war der geborene Geschäftsmann und brachte es auch ohne die Stockwells schnell zu einem Vermögen. Hope wuchs im Luxus auf, besuchte die besten Schulen und Universitäten und ließ sich in London zur Spitzenköchin ausbilden. Nachdem er alles über Hope gelesen hatte, war Matt klar, dass sie nicht in seine bescheidene Welt passte. Eine dauerhafte Beziehung zwischen ihnen war von Anfang an nichts als eine Illusion gewesen. Jetzt war er heilfroh, dass er ihr seine wahren Gefühle nicht offenbart hatte. Wenigstens seinen Stolz hatte er sich bewahrt. Immerhin etwas. Dass er die Ranch verkaufen musste, um seine Rechnungen zu bezahlen, bedeutete nicht, dass er morgen ein armer Mann sein würde. Wenn er für alles einen fairen Preis erzielte, würde er sich eine Weile über Wasser halten und irgendwo neu anfangen können. Es würde ihm nicht leicht fallen, denn er hatte sein ganzes Leben hier verbracht. Aber er musste die Zähne zusammenbeißen und es wagen. Was blieb ihm anderes übrig? Matt lenkte Dex auf eine Anhöhe und schaute auf die Gebäude der Ranch hinunter. In der Unterkunft waren noch einige Männer, die den Betrieb aufrechterhielten - darauf hatte die Bank bestanden. Aber trotz der Autos, die an ihren gewohnten Plätzen standen, wirkte die Ranch bereits aufgegeben und verlassen. Der Anblick ging Matt ans Herz, und als seine Augen feucht wurden, gab er sich einen Ruck, wendete sein Pferd und kehrte dem einzigen Zuhause, das er je gekannt hatte, den Rücken. Der Tag schien kein Ende nehmen zu wollen. Matt ritt über das Land, auf dem er aufgewachsen war und das er so sehr liebte. Irgendwann war es vier Uhr nachmittags, und er machte sich auf den Rückweg. Der Auktionator hatte ihm
gesagt, dass die Versteigerung gegen drei vorüber sein würde, also hatte Matt seinen Ausritt so geplant, dass er gegen fünf zurückkehren würde. Er wusste, was ihn erwartete. Das Vieh, die Geräte, die Fahrzeuge - alles würde fort sein. Um zehn nach fünf überquerte er den letzten Hügel. Mit zusammengebissenen Zähnen ritt er weiter. Gleich würde er seine Koffer und Kartons in den Pick-up laden und Dex in den alten Pferdetransporter führen, den er hatte behalten dürfen. „Jetzt haben wir kein Zuhause mehr, mein Freund", sagte er zu dem Pferd. Als er fühlte, wie es ihm die Kehle zuschnürte, fluchte er leise. Er war nicht schuld daran, verdammt. Es war dieser grässliche Virus gewesen! Dass auch andere Rancher in der Gegend von der Rinderseuche heimgesucht worden waren und Haus und Hof verloren hatte, tröstete ihn nicht. Er hatte so hart gekämpft, Tag und Nacht geschuftet und länger überlebt, als viele es ihm zugetraut hatten. Niemand konnte behaupten, dass er sich ohne Gegenwehr ergeben hatte. Als er auf die Ranch zuritt, stellte er verblüfft fest, dass nichts so war, wie er es sich vorgestellt hatte. Die Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen standen noch in den Scheunen. Die Pferde waren im Korral, schlugen mit den Schweifen nach Fliegen und schauten ihm und Dex entgegen. Am Haken neben der Scheunentür hing wie immer Zaumzeug. Alles wirkte normal. Matt zügelte den Wallach. "Wow, Junge." Was war los? Hatte die Versteigerung gar nicht stattgefunden? War der Termin erst morgen? Nein, Matt war sich sicher, dass er sich nicht im Tag geirrt hätte. Verwirrt ritt er weiter und runzelte die Stirn, als er den nagelneuen weißen Geländewagen einer äußerst teuren Marke entdeckte, der am Haus parkte. Der Wagen war so neu, dass er noch nicht einmal Nummernschilder hatte. Nur die Marke, die an der Windschutzscheibe klebte, bewies, dass er schon zugelassen war. Matt stieg vom Pferd, sattelte es ab und führte es zu den anderen. Auf dem Weg zum Haus fühlte er Ärger in sich aufsteigen. Offenbar würde er das Ganze morgen ein zweites Mal durchmachen müssen. Es war verdammt rücksichtslos von diesem Auktionator, die Versteigerung zu verschieben, ohne ihn wenigstens anzurufen. Er bedachte den Geländewagen mit einem wütenden Blick und fragte sich, wer im Haus war - und überall herumschnüffelte, um zu entscheiden, ob er es der Bank abkaufen wollte. Matt atmete tief durch und öffnete die Hintertür. Dann wurden seine Knie weich. In der Küche stand Hope. Sie trug eine Schürze über den Jeans und der Bluse, sah gesund und vital aus und schenkte ihm das schönste Lächeln, das er je bekommen hatte. "Hope", sagte er matt. "Mein Gott, was tust du hier?" „Im Moment koche ich das Abendessen", verkündete sie fröhlich. "Was hältst du von Boeuf Stroganoff, grünem Salat und Erdbeerkuchen? Es ist nichts Besonderes, aber ich glaube, die Männer mögen so etwas lieber als
irgendwelche kulinarischen Spezialitäten mit unaussprechlichen Namen. Meinst du nicht auch?" Matt hatte ein flaues Gefühl im Magen. Er verstand plötzlich überhaupt nichts mehr. Hope sah so gesund aus, aber das konnte sie wohl kaum sein, wenn sie hier war und wieder für ihn und die Männer kochte. Hatten die Ärzte ihr dazu geraten? Sollte es ihr helfen, die Amnesie zu bewältigen? Oder war sie hergekommen, ohne jemanden zu informieren? "Wer weiß, dass du hier bist?" fragte er sanft. Hope lachte. "Das ist eine komische Frage." Sie lächelte ihn an. "Versuchst du, komisch zu sein, Liebling?" Matt wurde immer mulmiger zu Mute. "Hier stimmt doch etwas nicht. Hope, fühlst du dich gut?" "Ich habe mich noch nie besser gefühlt. Und du? Wie fühlst du dich? Ich habe dich überrascht, nicht wahr? Das war nicht fair von mir, Liebling." Sie trocknete sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, warf es auf die Arbeitsplatte und ging zu Matt, um die Arme um seine Taille zu legen und ihm in die Augen zu sehen. "Ich werde in Hawthorne ein Restaurant eröffnen", verkündete sie. "Entweder bleibt es das einzige oder es wird das erste in einer ganzen Kette von Restaurants. Wie auch immer. Vorläufig gibt es hier jede Menge zu tun, bevor ich mich auf mein Projekt konzentriere. " Matt musterte sie besorgt. Hatte sie den Verstand verloren? "Hope, es tut mir Leid, dass ich es dir sagen muss", begann er behutsam. "Aber die Ranch gehört jetzt der Bank." "Unsinn", erwiderte sie lachend. "Die Ranch gehört nicht der Bank, sondern mir." Er fühlte, wie er blass wurde. "Das ist nicht dein Ernst." Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. "Mein voller Ernst", flüsterte sie. "Wie konntest du nur glauben, ich würde zulassen, dass jemand dir die Ranch wegnimmt? Oder mir. Matt, weißt du denn nicht, was dieser Ort mir bedeutet? Was du mir bedeutest?" "Du ... hast so viel", stammelte er. "Jetzt ja." Sie legte den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht zu blicken. "Das heißt, wenn ich dich habe. Habe ich dich, Matt?" Er schluckte schwer. "Verglichen mit dir bin ich nichts." "Du wirst immer mein Held sein, Matt." "Mit Heldentum hat das nichts zu tun, Hope. Ich rede vom Geld." "Matt, ich habe wirklich gehofft, dass du dieses eine Wort nicht aussprichst. Begreifst du denn nicht, dass man Menschen nicht nach der Größe ihres Bankkontos beurteilen kann? Und dass die Reichtümer, die ein Mensch im Herzen trägt, viel wertvoller sind als jedes Vermögen?" Sie hob die Hand und strich mit den Fingerspitzen über seine Lippen. "Schon gut, Liebling", sagte sie tröstend. "Ich werde es dir beibringen. Schließlich hast du mich auch so viel gelehrt."
Matt stockte der Atem. Sie bot sich ihm an, mit allem, was sie war und hatte. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen. Sicher, sie begehrte ihn, aber mehr als Sex konnte es nicht sein, denn von Liebe hatte keiner von ihnen gesprochen. Vielleicht verstand sie ihn deshalb noch immer nicht. "Hope, ich kann nicht von deinem Geld leben. Ich bin froh, dass du die Ranch gekauft hast, weil es mir lieber ist, dass jemand sie bekommt, der sie so liebt wie ich. Aber du würdest alles bezahlen müssen, jeden Cent, selbst jeden Bissen, den ich zu mir nehme." Sie sah ihm lange in die Augen. "Was soll ich also jetzt tun?" fragte sie dann. "Untätig zusehen, wie der einzige Mann, den ich je geliebt habe, in seinen Wagen steigt und davonfährt? Und ohne ihn weiterleben? Ist es das, was du von mir erwartest?" Ihre Stimme drohte zu versagen. "Matt, liebst du mich denn kein bisschen?" Er hatte zu sehr gelitten, um weiterhin zu lügen. "Hope, ich wollte mich nicht in dich verlieben und habe mich so lange dagegen gewehrt, dass ich jetzt keine Kraft mehr dazu habe. Ja, ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben. Aber ich bin nun einmal ein Mann und kann einfach nicht tun, was du von mir verlangst." Sie begann zu weinen. "Du liebst mich, aber du würdest lieber allein in der Fremde leben, als hier zu bleiben und diese Ranch zusammen mit mir zur besten in ganz Texas zu machen? Matt, weißt du denn nicht, wie absurd das ist? Hast du eine Ahnung, wie viel Geld ich wirklich habe? Wofür soll ich es denn sonst ausgeben? Liebling, denk doch an das Leben, das wir zusammen haben könnten. Wenn du Geld hättest und ich keins, würden wir dieses unsinnige Gespräch gar nicht führen. Warum tun wir es jetzt?" Sie reckte sich ihm entgegen. "Küss mich, du Dummkopf. Ich werde dein Nein nicht akzeptieren, und falls du es wagst, ohne mich wegzufahren, werde ich dich bis ans Ende der Welt verfolgen, das schwöre ich. Ohne uns wird die Ranch verfallen, und eines Tages in fünfzig Jahren werden wir herkommen und zusammen weinen, weil wir sie kaum noch wiedererkennen." Die Vorstellung war so schmerzlich, dass Matt zusammenzuckte. Er hob die Arme, legte sie um Hope und zog sie an sich. "Ich wollte dich doch nur beschützen", sagte er heiser. "Ich weiß, Liebling, ich weiß. Du hast mich vom ersten Moment an beschützt. Oh, Matt, ich liebe dich so sehr." Er seufzte. "Ich liebe dich auch. Das werde ich, solange ich lebe." "Ich auch, Matt. Oh, ich auch." Hope rief jeden aus ihrer Familie einzeln an, um zu erzählen, dass Matt und sie sich verlobt hatten. Kate bestand darauf, dass die Trauung und der Hochzeitsempfang in der Villa der Stockwells stattfanden. Matt wollte sich sein Glück und seine Liebe durch nichts trüben lassen und erklärte sich nach kurzem Protest damit einverstanden. Sie einigten sich auf einen Termin, und Kate, Hope und ihre Mutter führten an jedem Tag mehrere Ferngespräche, um die Einzelheiten zu besprechen. Auch die Schwägerinnen machten bei den Vorbereitungen mit, und alle freuten sich riesig auf das große Ereignis.
Matt war begeistert, als Chuck zurückkehrte, und sofort gingen sie daran, mehr Cowboys einzustellen und die Ranch wieder zu dem zu machen, was sie einmal gewesen war. Etwa eine Woche vor der Hochzeit fuhr Hope nach Hawthorne, um Dr. Adam Pickett aufzusuchen. "Hope, Sie sehen großartig aus", sagte Doc. "Sie sind nur vorbeigekommen, um Hallo zu sagen, oder?" "Na ja ... nicht ganz, Doc", erwiderte sie mit einem schelmischen Leuchten in den Augen. "Doc, ich glaube, es kann gut sein, dass Matt und ich schwanger sind." Doc warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft. "Sie und Matt sind schwanger, ja? Vielleicht hätten Sie ihn mitbringen sollen, damit ich ihn untersuchen kann." Hope lächelte. „Fangen Sie erst einmal mit mir an, okay?" An diesem Nachmittag kam Matt ins Haus, um sich vor dem Essen zu waschen. Auf dem Weg durch die Küche gab er Hope einen Kuss und ging fröhlich pfeifend ins Badezimmer. Das nasse Haar fiel ihm gerade in die Augen, als er hörte, wie der Duschvorhang zurückgezogen wurde. Er schüttelte es sich aus dem Gesicht und strahlte, denn plötzlich stand Hope vor ihm, nackt und unglaublich schön. Er legte die Arme um sie und zog sie an sich. "Was für eine nette Überraschung", sagte er und küsste sie leidenschaftlich. Sie schmiegte sich an ihn und lachte verführerisch. "Oh ... oh", sagte er. "Ich glaube, Sie haben etwas vor, Miss LeClaire." "Gut beobachtet, Mr. McCarlson. Ich habe es noch nie unter der Dusche gemacht. Sie etwa?" "Nein." "Lügner." "Sexkätzchen." "Sex was?" "Du hast mich verstanden. Komm her, Sexkätzchen, lass uns einen Ausritt unternehmen." Genau das taten sie, und es war so, wie es zwischen ihnen immer gewesen war. Wenn nicht noch besser, weil es jetzt nichts mehr gab, was ihnen Hemmungen auferlegte. Danach drehte Matt die Dusche ab, und sie trockneten sich gegenseitig ab. Er küsste sie noch einmal voller Zärtlichkeit, bevor sie das Badezimmer verließen, und als er den Kopf hob, sah er das Strahlen in ihren Augen. "Ich glaube zwar nicht, dass irgendetwas mich glücklicher machen könnte, als ich jetzt schon bin, aber du gibst dir alle Mühe, nicht wahr?" sagte er heiser. "Ich hoffe, dass das, was ich dir jetzt sagen werde, dich ebenso glücklich macht wie mich", flüsterte sie. "Matt, wir bekommen ein Baby. Ich war heute bei dem Doc und er hat es mir bestätigt ... Matt! Setz mich ab! Was tust du?"
Was er tat? Er tanzte! Er hielt sie in den Armen und lachte und tanzte - alles gleichzeitig. "Soll das etwa heißen, du freust dich, dass du Vater wirst?" fragte sie trocken. Er setzte sie ab. "Ein Baby. Mein Gott. Eine Familie. Meine Familie. Unsere Familie, Hope. Natürlich freue mich. Wenn ich jetzt nach draußen gehe, kann ich fliegen, wetten?" Langsam ließ sie ihren Blick an ihm hinabwandern. „In deinem Zustand würde ich davon abraten." Er folgte ihrem Blick und lachte. "Ja, in meinem Zustand weiß ich etwas Besseres", sagte er und zog sie wieder an sich. „In genau zwanzig Minuten klopfen die Männer an die Hintertür und verlangen ihr Essen", erwiderte sie. "Also schlage ich vor, du hebst es dir für heute Abend auf, okay?" Mit einer eleganten Drehung wand sie sich aus seinen Armen und verließ das Bad. "Du bist grausam", rief er ihr nach. Er hörte, wie sie lachte, während sie sich in ihrem Schlafzimmer anzog, und musste ebenfalls lachen. Das Leben war so unglaublich lebenswert. Dabei hatte er sich so sehr dagegen gewehrt, es zu genießen. Zum Glück war Hope ein hartnäckiger Mensch. War es nicht ein Wunder, dass sie einander begegnet waren, sich verliebt hatten und jetzt auch noch ein Kind bekamen? Endlich hatte er den schönsten Frieden gefunden, den es auf dieser Welt geben konnte. Ein größeres Glück als das, das Hope ihm bereitete, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. - ENDE -