Atlan - Held von Arkon Nr. 195
Im Dienst Orbanaschols USO-Spezialist Kennon im Kristallpalast - unter Freunden und Tod...
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Atlan - Held von Arkon Nr. 195
Im Dienst Orbanaschols USO-Spezialist Kennon im Kristallpalast - unter Freunden und Todfeinden des Imperators von H. G. Francis
Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III. ein bruta ler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Herr schaft antreten zu können. Gegen den Usurpator kämpft Gonozals Sohn Atlan, Kristallprinz und rechtmäßiger Thronerbe des Reiches, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen, die Orbana schols Helfershelfern schon manche Schlappe beibringen konnten. Mit dem Tage jedoch, da der Kristallprinz Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, scheint das Kriegsglück Atlan im Stich gelassen und eine Serie von empfindlichen Rückschlägen begonnen zu haben, die schließlich zu einem erneuten Rücksturz des Arkoniden in die Mikroweit führten. Aber auch für Atlans Gegenspieler, den Imperator, ist nicht alles zum Besten be stellt. Während seine Streitkräfte gegen die Maahks in erbittertem Ringen stehen, wer den die Ursprungs- und Zentralwelten der Arkoniden immer mehr zu Plätzen, an de nen kaum jemand mehr – und hochgestellte Persönlichkeiten schon gar nicht – sei nes Lebens sicher sein kann. Inmitten des Dunstkreises von Verrat, Korruption und Intrige operiert Lebo Axton alias Sinclair Marout Kennon. Der Kosmokriminologe der USO, der durch die Illusi onsmaschine in das alte Arkon versetzt wurde, steht IM DIENST ORBANASCHOLS …
Im Dienst Orbanaschols
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Die Hautpersonen des Romans: S. M. Kennon alias Lebo Axton - Der USO-Spezialist betätigt sich im Dienst Orbanaschols.
Kelly - Kennons seltsamer Roboter.
Bure Fernstel - Mitglied des arkonidischen Geheimdienstes.
Gun Epprik - Erbauer des Robotregenten.
Orbanaschol III. - Der Imperator läßt ein Attentat auf sich verüben.
1. Eben noch glaubte Lebo Axton, es ge schafft zu haben. Jetzt aber hing sein Schicksal schon wie der am seidenen Faden, und alle Ungewiß heit war wieder da. In dieser Welt Orbana schols III. schien es keine wirkliche Sicher heit zu geben. Sinclair Marout Kennon saß in einem ge polsterten Sessel, der genau im Mittelpunkt eines kreisförmigen Raumes stand. Wenn er sich nach links wandte, konnte er durch eine Fensterfront auf die parkähnliche Landschaft von Arkon I hinausblicken, aus der sich überall die trichterförmigen Gebäude erho ben, die für die arkonidische Architektur so bezeichnend waren. Kennon-Axton hatte Mühe, ruhig zu blei ben. Die Situation war ihm unbehaglich. Er befand sich allein in diesem Raum, der au ßer dem Sessel nur noch einen abgeschabten Hocker, einen Tisch und einige Projektions geräte enthielt. Er wußte nicht, was er hier sollte. Allzu gern hätte er mit Roboter Kelly gesprochen, der sich hinter ihm postiert hat te, aber er verzichtete darauf, weil er wußte, daß jedes seiner Worte abgehört werden konnte. Ein offenbar äußerst wichtiger Mann vom arkonidischen Geheimdienst hatte ihn nach den Vorfällen der letzten Tage hierher be stellt. Axton wartete seit mehr als einer Stunde. Allmählich wurde die Situation unange nehm. Er überlegte sich, wie er auf das Ver halten dieses Geheimdienstlers reagieren sollte. Man konnte doch unmöglich heraus gefunden haben, daß er ein enger Freund At lans war. Oder sollte er sich irgendwie ver
raten haben? Axton überlegte, während er sich Mühe gab, gelassen und ruhig zu erscheinen. Schritt für Schritt ging er die Ereignisse der letzten Tage durch, kam jedoch nicht bis zum Ende, weil sich die Tür öffnete. Der Geheimdienstmann trat ein. Er war schlank, hatte ein schmales Gesicht mit tiefliegenden Augen, die stets scharf zu beobachten schie nen. Das helle Haar reichte ihm bis auf die Schultern herab. Die Hände dieses Mannes bewegten sich nahezu ständig in der Umge bung des Gürtels. Kennon sah in diesem Verhalten kein Zeichen einer Unsicherheit, sondern den Ausdruck von übermäßiger Wachsamkeit. Dieser Mann ließ seine Hän de stets dicht bei seinem Energiestrahler. »Es wird Zeit, daß ich mich Ihnen be kannt mache, Lebo Axton«, eröffnete er das Gespräch, ohne auch nur ein Lächeln anzu deuten. Er setzte sich auf den Hocker. »Mein Name ist Bure Fernstel.« »Sie haben mich lange warten lassen«, entgegnete Axton kühl. Fernstel tat, als habe er die Worte nicht gehört. »Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen. Sie haben ungewöhnliche kriminalistische Fähigkeiten. Das haben Sie bewiesen. Da durch werden Sie für uns interessant.« Lebo Axton ließ sich nicht anmerken, was er fühlte. Sein Gesicht hatte einen fast ab weisenden Ausdruck. Er wollte nicht zu er kennen geben, daß er nur darauf wartete, für den arkonidischen Geheimdienst arbeiten zu können. Er schwieg und wartete ab, wobei er sich bewußt war, daß er eine Aufgabe, die Fernstel ihm stellte, nicht zurückweisen konnte. »Ich bearbeite einen Fall, ohne entschei dend weiterkommen zu können«, fuhr der
4 Arkonide fort. Er musterte Axton scharf. »Jetzt überlege ich, ob ich nicht Sie in die sen Fall einschalten kann. Die Ermittlungen könnten durch einen Außenstehenden ganz neue Impulse bekommen.« Jetzt war Lebo Axton hellwach. Keine Nuance in den Worten des Arkoniden ent ging ihm. Noch wußte er nicht, wie der ar konidische Geheimdienst auf sein Eingreifen reagiert hatte. Dort wo die Agenten Orbana schols versagt hatten, hatte er einen durch schlagenden Erfolg gehabt. Das konnte durchaus ihren Neid hervorgerufen haben und dazu führen, daß man ihm eine Falle stellte, um ihn loszuwerden. »Berichten Sie«, bat Kennon. »Gut«, stimmte Fernstel zu, der erleichtert darüber zu sein schien, daß Axton endlich etwas gesagt hatte. »Es geht um einen ein flußreichen und bedeutenden Mann aus dem engsten Kreis des Imperators. Dieser Mann ist der Leiter des zur Zeit wichtigsten Pro jekts von Arkon III.« Kennon wußte sofort, was der Arkonide meinte. Es gab auf dem Kriegsplaneten nur ein Projekt, das wirklich von Bedeutung war. Das war die Arbeit an jener Zusam menballung positronischer Elemente, die später einmal die Bezeichnung Robotregent tragen würde. »Epprik, das ist der Name dieses Mannes, ist schon fast so etwas wie ein Intimus von Orbanaschol III. Verstehen Sie? Einen Mann wie ihn anzugreifen oder auch nur zu ver dächtigen, ist, gelinde gesagt, gefährlich. Wer das tut, macht sich automatisch zum Feind des Imperators. Sie sehen, Lebo Ax ton, ich bin offen zu Ihnen. Ich verheimliche Ihnen das eigentliche Problem dieses Falles nicht.« »Ich bin überwältigt«, entgegnete Kennon spöttisch, doch Fernstel verstand ihn nicht. Er musterte ihn befremdet, fuhr dann jedoch fort, als sei nichts vorgefallen. »Epprik ist tatsächlich ein Verräter. Er ist keineswegs so loyal, wie es den Anschein hat. Ich behaupte vielmehr, daß er ein Erz feind des Imperators ist.«
H. G. Francis »Was habe ich zu tun?« »Sie sollen beweisen, daß ich recht habe«, antwortete Fernstel heftig. Er erhob sich und ging zur Fensterfront hinüber. »Ihre Aufga be ist es, Epprik des Verrats zu überführen.« »Das wird nicht leicht sein.« »Habe ich das behauptet?« »Nein.« »Also gut, Lebo Axton. Sie kennen Ihre Aufgabe.« »Ich kenne Sie, Bure Fernstel, und ich nehme den Auftrag an. Habe ich freie Hand, falls ich herausfinde, daß Epprik schuldig ist, sich jedoch gewisse – hm – Schwierig keiten bei der Beweisführung ergeben?« Der Arkonide drehte sich herum. Zum er stenmal sah Kennon ihn lächeln. »Ich sehe, wir verstehen uns, Lebo Axton. Notfalls müssen die Beweise manipuliert werden.« »Vielleicht wird das gar nicht notwendig sein.« Kennon triumphierte, ohne es sich äußer lich anmerken zu lassen. Dieser Auftrag würde ihn bis in die unmittelbare Nähe Or banaschols bringen. Er würde Gelegenheit haben, einen der wichtigsten Männer des Imperiums auszuschalten. Damit würde er Atlan helfen können, denn alles, was Orba naschol schwächte, mußte zwangsläufig den Kristallprinzen stärken. »Wir werden Ihnen Starthilfe geben«, er klärte der Arkonide. »Sie sollen keine Schwierigkeiten haben, in die Paläste der Mächtigen von Arkon I hereinzukommen. Ich lege Wert darauf, daß einem Mann wie Epprik so bald wie möglich das Handwerk gelegt wird.« »Gut«, erwiderte Kennon. »Und wie sieht es für mich aus, wenn ich den Fall gelöst ha be?« »Ich verspreche Ihnen, daß es Ihr Schaden nicht sein wird. Wenn es Ihnen gelingt, die sen Fall in unserem Sinne zu beenden, wer den Sie keine Sorgen mehr haben. Orbana schol selbst wird Sie belohnen.« »Haben Sie Bilder von diesem Mann?« »Aber natürlich.« Bure Fernstel bewegte
Im Dienst Orbanaschols seine rechte Hand. Im gleichen Moment leuchtete eine Projektion an der Wand auf. Der Günstling des Imperators war ein un tersetzter, bullig wirkender Mann mit dün nem Haar. Das Gesicht war zerfurcht und ließ ihn älter erscheinen, als er tatsächlich war. Bure Fernstel gab sein Alter mit etwas mehr als vierzig Jahren Arkonzeit an. »Epprik gilt als gradlinig denkender Mann. Auf unbequeme Fragen schweigt er lieber als zu lügen«, erklärte der Geheim agent. »Aber das ist nur seine Maske, hinter der er seine wahre Persönlichkeit meister haft verbirgt. Lassen Sie sich dadurch nicht täuschen.« Lebo Axton wartete auf weitere Informa tionen, aber Fernstel war nicht gewillt, sie ihm zu geben. Er vertrat die Ansicht, daß durch nicht bewiesene Aussagen eine Bild verfälschung eintreten konnte, die Axton bei seiner Untersuchung nur hinderlich sein würde. Kennon-Axton mußte ihm recht ge ben. Er wollte sich sein eigenes Bild machen und unbefangen bleiben, sofern das über haupt möglich war. »Wir haben Ihnen eine Wohnung zuge wiesen, die Sie in Zukunft benutzen kön nen«, erklärte Fernstel abschließend. »Darin finden Sie alle technischen Geräte, die Sie vermutlich benötigen werden. Ich meine phototechnische Apparaturen und Tonauf zeichnungsgeräte. Darf ich Ihnen noch einen Rat geben?« Axton blickte überrascht auf. »Natürlich. Ich bin für jede Hilfe dank bar.« »Sie werden heute Abend von mir zu ei ner gesellschaftlichen Veranstaltung geleitet werden, auf der der Adel vertreten sein wird. Sie sollten sich ein paar neue Kleidungs stücke besorgen und den Roboter in Ihrer Wohnung lassen.« »Warum? Sie wissen, daß ich mich auf meinen eigenen Füßen kaum bewegen kann.« »Dann sollten Sie ein anderes Robotmo dell wählen oder doch wenigstens einige Verschönerungen an diesem vornehmen. Ich
5 könnte ihn für Sie mit Goldzeck überziehen lassen.« »Das kommt nicht in Frage«, entgegnete Axton heftig. Seine Augen funkelten. »Kelly bleibt so häßlich, wie er ist.« »Meinen Sie nicht, daß …?« »Nein. Ich meine nicht.« Kennon be herrschte sich nur mühsam. Er dachte über haupt nicht daran, einen »schönen« Roboter neben sich zu dulden. Er hatte lange genug in einem solchen Robotkörper gelebt, und er wollte nicht, daß irgend jemand irgend et was an Kelly bewundert. Sekundenlang überlegte er sich ernsthaft, ob er es sich lei sten konnte, den Roboter zu demontieren. Dann siegte die Vernunft. Er wußte, daß er ohne den Roboter tatsächlich vollkommen hilflos war. Er rutschte aus dem Sessel und befahl Kelly mit einer Geste, sich vor ihm hinzu knien. Der Roboter gehorchte. Die Wangen des Verkrüppelten verfärbten sich dunkel vor Anstrengung, als er auf den Rücken der Maschine stieg. Dabei rang er keuchend nach Luft und warf dem Geheimdienstmann böse Blicke zu, weil dieser ihn allzu unge niert beobachtete. »Auf den Körper kommt es nicht an«, er klärte er mit pfeifender Stimme. »Allein der Geist entscheidet. Wohl jener Zivilisation, die so denkt, und wehe jener, die sich ihr Urteil auf Grund der äußerlichen Erschei nung bildet.« »Auf dem Dach parkt ein roter Gleiter. Er ist auf Ihre Wohnung programmiert. Sie brauchen nur einzusteigen.« »Danke.« Axton dirigierte den Roboter zum Aus gang. Bure Fernstel folgte ihm. Er hielt dem Verwachsenen eine kleine Plastikkarte hin. »Die Fahndungsbehörden haben auf Grund Ihrer Leistungen eine Belohnung für Sie ausgesetzt. Damit ist ein Konto für Sie eröffnet worden. Mit dieser Karte können Sie jederzeit davon abheben, was Sie benöti gen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß Sie nach Abschluß der Epprik-Aktion ebenfalls eine gewisse Summe auf diesem
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Konto vorfinden werden.« »Wieviel Zeit habe ich?« fragte Axton schroff und nahm die Karte entgegen. »Wir setzen Ihnen keine Frist. Das wäre angesichts dieses Falles wohl auch töricht. Aber wir erwarten, daß Sie zügig arbeiten und uns ständig über Ihre Fortschritte unter richten.« »Das ist selbstverständlich.« Lebo Axton trieb den Roboter hinaus. Er zog sich zurück, ohne sich durch mehr als eine knappe Geste von Bure Fernstel zu ver abschieden. Absichtlich vermied er alles, was der Arkonide als Unterwürfigkeit ausle gen konnte.
* Die Wohnung befand sich in einem mo dernen Trichtergebäude am Rand eines Sees. Sie bestand aus einem geräumigen Salon, ei nem Schlafraum, einem Hygieneraum, einer Eßnische und einem Nebenraum, in dem al lerlei Geräte abgestellt waren. Diese unter suchte Kennon zuerst. Er fand alles, was er benötigte. Sogar ein ultraleichter Nadel strahler war vorhanden, den er mühelos un ter der Kleidung verbergen konnte. Daneben waren vor allem Observationsgeräte vorhan den, die von erstaunlicher Qualität waren. Kennon wunderte sich vor allem darüber, wie winzig manche Apparaturen waren. Ei nige hätten durchaus von Siganesen gefertigt sein können, diese aber gab es natürlich noch nicht. In der Eßnische nahm Kennon etwas ge grilltes Fleisch zu sich, Roboter Kelly stand in seiner Nähe und blickte ihm schweigend zu, bis der Verwachsene wütend auffuhr. »Verschwinde, du Satansbraten«, schrie er. »Aus den Augen. Geh in die Kammer und bleib dort, bis ich dich rufe.« »Du gehst nicht gerade freundlich mit mir um, aber ich gehorche.« »So, du gehorchst also. Wie überwälti gend. Ich würde dich beim ersten Anzeichen von Ungehorsam augenblicklich zerstrah len.«
»Ich werde dich in deiner offenbar not wendigen psychosomatischen Relaxations phase nicht stören, Schätzchen.« »Du unverschämter Lümmel.« Kennon schleuderte ein Stück Fleisch nach dem Ro boter und traf ihn am Kopf, da Kelly keiner lei Anstalten machte, auszuweichen. »Ich gab dir den Befehl zu verschwinden, du Mißgeburt vom Schrottplatz«, sagte Ken non. »Und ich verbiete dir, Bezeichnungen wie Schätzchen, Liebling und …« »Herzchen«, half Kelly aus. »Ich verschrotte dich«, brüllte Kennon. »Hinaus mit dir. Sofort.« »Ich gehorche, Mausebüb …« »Ruhe!« Kennon-Axton rutschte von sei nem Hocker. Mit bloßen Fäusten hämmerte er Kelly gegen den Rumpf. »In die Kam mer.« Der Roboter marschierte los. Neben den Geräten blieb er stehen. »Knie dich hin.« Als Kelly auch diesem Befehl nachge kommen war, öffnete der Verwachsene eine Klappe am ovalen Rumpfkörper und drückte einige Tasten. »So«, sagte er befriedigt. »Dein Schand maul hat Pause.« Er drehte sich um, schloß die Tür hinter sich und setzte seine Mahlzeit genüßlich fort. Allerdings behagte ihm nach einiger Zeit die Ruhe in der Wohnung auch nicht. Er ging zum 3D-Projektor und schaltete ihn ein. Arkon-Vision brachte einen Bericht über eine Schlacht mit den Methanatmern. Der große Methankrieg hatte wieder ein mal zahlreiche Opfer gefordert. Zwar waren 19 Raumschiffe des Gegners zerstört wor den, aber das Imperium hatte selbst auch 12 Raumschiffe mitsamt ihren Besatzungen verloren. Dennoch sprach Arkon-Vision von einem großartigen Erfolg. Ein verloren ge gangenes, offenbar recht wichtiges Sonnen system war zurückerobert worden. Danach folgte ein Bericht über eine Reihe von Offizieren, die wegen ihrer Kriegslei stungen von Orbanaschol III. ausgezeichnet wurden. Lebo Axton eilte in die Kammer
Im Dienst Orbanaschols und aktivierte den Roboter Kelly. »Merke dir die Namen«, befahl er. »Ich will, daß du diese Informationen spei cherst.« Kennon verzehrte die Reste seiner Mahl zeit. Obwohl er über ein ausgesprochen gu tes Gedächtnis verfügte, konnte er die Na men der Offiziere schon bald nicht mehr be halten. Es waren zu viele, und ihre Leistun gen waren zu unterschiedlich. Er war froh, daß er den Roboter hatte, zugleich aber miß fiel ihm, daß er in dieser Hinsicht auf das positronische Hirn dieser Maschine ange wiesen war. Das Videophon sprach an. Axton stellte das 3D-Gerät leiser und schaltete das Video ein. Das Gesicht eines ihm völlig unbekann ten Mannes erschien auf der Projektionsflä che. Es war ein altes von Narben gezeichne tes Gesicht mit fanatischen Augen. Kennon spürte auf Anhieb die Verachtung und die Ablehnung, die ihm entgegenschlugen. »Sie sind Lebo Axton«, sagte der Anrufer. »Das läßt sich nicht leugnen«, entgegnete der Verwachsene ruhig. »Wie ich erfahren habe, sind Sie eingela den, an der Ebener Sonnenwette teilzuneh men.« »Das mag sein.« »Auf wen haben Sie es abgesehen?« »Wie bitte?« »Sie wissen schon, was ich meine.« »Ich muß gestehen, daß ich es nicht weiß.« »Lebo Axton, man spricht in den gehobe nen Kreisen von Ihren Leistungen. Ihre kri minalistische Aktivität ist nicht unbekannt geblieben. Wenn Sie also an einer Veran staltung wie der Sonnenwette teilnehmen, dann muß das einen Grund haben.« »Vielleicht«, erwiderte Kennon auswei chend. Er spürte das Unbehagen in sich auf steigen. Natürlich hatte dieser Arkonide recht. »Ich würde es begrüßen, wenn Sie mir sagen würden, wer Sie sind.« »Das werden Sie schon noch erfahren«, antwortete der Anrufer schroff. »Na schön. Dann werden Sie mir hoffent
7 lich den Grund Ihres Anrufs nennen.« »Ich will Sie warnen, Axton. Sie wissen noch viel zu wenig über uns, als daß Sie es sich leisten könnten, in dieser Weise bei uns aufzutreten. Wir können gut und gern auf Sie verzichten.« »Ich verstehe nicht.« »Doch, doch, Axton, Sie wissen sehr wohl, was ich Ihnen damit sagen will. Wenn Sie heute Abend an der Sonnenwette teil nehmen, wird jeder Mann, der mit Ihnen am Tisch sitzt, vermuten müssen, daß Sie beab sichtigen, in seinem Privatleben herumzusu chen. Glauben Sie, daß Sie sich damit Freunde machen werden?« »Sie irren sich gründlich«, erklärte Axton energisch. »Es ist richtig, daß ich einen un gewöhnlichen Fall aufgeklärt habe, jedoch nur, weil ich dazu gezwungen wurde. Mein Fachgebiet ist nicht die Kriminalistik, wie Sie glauben, sondern etwas ganz anderes. Von mir haben Sie nichts zu befürchten. Ich interessiere mich nicht für das, was Sie ge tan haben. Sollte es etwas geben, was Sie nicht vor dem Imperium verantworten kön nen, dann ist das Ihre Sache. Mich läßt das kalt.« Axton schaltete die Verbindung ab. Er war bestürzt und beunruhigt. Bis jetzt hatte er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie man seine kriminalistischen Aktivitäten in den Kreisen des arkonidi schen Adels aufnehmen könnte. Dieses Ge spräch hatte vieles geändert. Ihm war plötz lich klar geworden, daß er etwas übersehen hatte. In der Vergangenheit war er stets nur in seinem Robotkörper aufgetreten. Er war nicht mehr als ein Gehirn gewesen, das von einem vollendeten Kunstkörper transportiert wurde. Eine bessere Maske als diesen gab es einfach nicht. Er hatte sein Aussehen ständig verändern können, so daß es ihm möglich gewesen war, sich selbst unter engsten Freunden unerkannt zu bewegen. So hatte er kriminalistische Aufklärungs arbeit leisten können, ohne je Verdacht zu erregen. Wenn er irgendwo erschienen war, dann war niemand sogleich auf den Gedan
8 ken gekommen, daß er wegen irgendeines Vorfalles verdächtigt wurde. Die Situation hatte sich nun aber grundle gend geändert. Er befand sich wieder im ei genen Körper, der derart verunstaltet war, daß niemand ihn übersehen konnte. Wo auch immer sich aufhielt, er mußte auffallen. Axton blickte in einen Spiegel. Er war glücklich, wieder in diesem Körper weilen zu können, obwohl er in jeder Hinsicht un zulänglich war. Über der weit vorgewölbten Brust ruhte ein mächtiger Schädel, mit her vorquellenden Augen, großen abstehenden Ohren, einem spitzen Kinn und dünnem Haar. Das Augenlid zuckte unkontrolliert, obwohl Kennon nicht sonderlich erregt war. Vergeblich bemühte er sich das Zucken zu unterbinden. Ruckartig wandte er sich ab, als er ein Geräusch vernahm. Roboter Kelly stand noch immer vor dem 3D-Gerät, hatte sich ihm jedoch halb zugewandt. »Was ist los?« fragte Axton und legte die Hand rasch an den Kolben seiner Waffe, die er in den Gürtel gesteckt hatte. »Der Anrufer war Ophma Talhud«, ant wortete der Roboter. »Er gehört einer ange sehenen Familie an, die einen Teil ihres Ver mögens dem Imperium gestiftet hat, damit davon Kriegsschiffe gebaut werden kön nen.« »Woher weißt du das?« »Ich habe es eben gehört.« Der Roboter deutete auf den 3D-Projektor. »Aha.« Axton ging zum Videophon und tippte die Nummer ein, die Bure Fernstel ihm angege ben hatte. Der Geheimdienstler meldete sich augenblicklich. Er schien direkt am Gegen gerät zu sitzen. »Ah, Lebo Axton. Ich nehme an, daß Sie eine Frage haben.« »So ist es. Ich würde gern etwas über Ophma Talhud wissen.« »Ophma Talhud? Wie kommen Sie gera de auf diesen Mann?« Bure Fernstel schien überrascht zu sein. Lebo Axton lächelte. »Ich schlage vor, wir unterlassen diese
H. G. Francis Scherze. Sagen Sie mir lieber, was ich wis sen möchte.« »Ich verstehe Sie nicht.« »Doch, doch, Bure Fernstel. Oder meinen Sie wirklich, ich wüßte nicht, daß Sie mein Video überwachen lassen? Sie sind inzwi schen darüber informiert, daß Ophma Tal hud mich angerufen hat. Sie wissen auch, was er wollte. Nun, wollen Sie mir immer noch nicht helfen?« Bure Fernstel gab das Versteckspiel auf. Er seufzte, wischte sich mit der Hand über die Augen und tat, als ob er müde sei. »Also schön, Axton. Ophma Talhud hat einen ausgezeichneten Ruf. Arkon glaubt, daß er ein Mann ist, der absolut loyal zu un serem Imperator steht, und der einen be trächtlichen Anteil seines Vermögens für das Imperium geopfert hat. Das ist jedoch, nicht richtig. Talhud ist überführt worden, Kontakte zu einer Gruppe unterhalten zu ha ben, die dem verunglückten Gonozal VII. nahesteht und die Familie Gonozals an die Macht bringen will. Der Imperator hat sich mit Talhud dahingehend geeinigt, daß die Öffentlichkeit nichts über diesen Verrat er fährt, aber ein Teil des Vermögens an das Imperium fällt. Anstatt dem Imperator für diese großherzige Entscheidung zu danken, entwickelt Talhud nun Haßgefühle gegen ihn. Er wird Ihnen nicht gefährlich werden. Dafür werden wir schon sorgen. Wenn Sie geschickt genug vorgehen, wird Sie niemand mit unserer Organisation in Verbindung bringen. Sie werden vorsichtig sein, so daß niemand merkt, welche Absichten Sie tat sächlich haben.« »Das ist für mich selbstverständlich.« Fernstel nickte ihm zu und schaltete ab. Nachdenklich ging Kennon zu einem Sessel und setzte sich. Ihm war plötzlich klar ge worden, daß er von Bure Fernstel keinerlei Unterstützung zu erwarten hatte.
2. Wenige Meter unter der höchsten Kante des Trichtergebäudes befand sich ein Kranz
Im Dienst Orbanaschols von Einschnitten, in denen die luxuriösesten Gleiter parkten, die Lebo Axton je auf Ar kon gesehen hatte. Auf den ersten Blick war daher zu erkennen, daß sich hier die vor nehmsten und reichsten Männer und Frauen des Imperiums versammelten. Der Terraner flog mit seiner Maschine hinter einer anderen her und umkreiste den Trichter, bis auch er eine Lücke gefunden hatte. Der Regen trommelte gegen die Scheiben, und im scharfen Nordwestwind war es gar nicht so leicht, die Flugkabine ab zusetzen, ohne irgendwo anzustoßen. Als Kennon die Motoren endlich abschalten konnte, hatte sich hinter ihm ein unsichtba res Prallfeld aufgebaut, das das unangeneh me Wetter von ihm abhielt. Durch eine sich selbsttätig öffnende Tür kam Kennon, der auf den Rücken seines Ro boters gestiegen war, in eine Vorhalle, in der sich bereits zahlreiche Gäste versammelt hatten. Bure Fernstel erschien augenblick lich bei ihm, als ob er nur auf ihn gewartet hätte. »Kommen Sie, Axton«, sagte er. »Es ist alles vorbereitet. Epprik ist schon da. Sie werden einen Platz in seiner Nähe haben. Unmittelbar neben Ihnen wird einer meiner Leute sitzen. Er wird sich mit Ihnen unter halten und Ihnen ermöglichen, relativ unauf fällig in diese Kreise zu kommen.« Als sie sich einer der Haupttüren näher ten, die zum Festsaal führten, sagte Fernstel: »Den Roboter werden Sie draußen lassen müssen.« Axton lachte leise. »Hörst du, du blecherne Mißgeburt. Kerle wie du sind an der Garderobe abzugeben.« Bure Fernstel wandte sich ab und begrüß te einen hochgewachsenen Mann. Diesen Moment nutzte Roboter Kelly für eine Ge genbemerkung. »Wird mein Schätzchen es denn auch oh ne mich schaffen?« »Laß mich absteigen, sofort.« Der Roboter kniete sich hin, und Axton stieg mühsam von seinem Rücken herunter. Die psychologische Situation änderte sich
9 damit grundlegend für ihn. Mit wem auch immer er in den nächsten Stunden sprechen würde, er mußte zu ihm aufsehen. Kennon merkte sofort, daß ihm diese Tatsache Schwierigkeiten bereiten würde. Er versuch te, die Minderwertigkeitsgefühle zu unter drücken, die ihn übermannen wollten. Es ge lang ihm nicht besonders gut. Welche Bedeutung auch die Arkoniden der körperlichen Größe beimaßen, merkte er sofort, als sich Bure Fernstel ihm wieder zu wandte. Jegliches Anzeichen von Achtung war aus seinem Gesicht gewichen. »Gehen wir«, sagte er hastig. Er wandte sich ab und betrat den Festsaal, in dem be reits mehr als hundert namhafte Persönlich keiten des arkonidischen Imperiums Platz genommen hatten. Die Männer und Frauen saßen an runden Tischen, die festlich ge deckt waren. Lebo Axton eilte keuchend hinter Fernstel her. Seine unverhältnismäßig großen Füße schleiften über den Boden. Er rang heftig nach Atem. Der Abstand zwischen ihm und dem Geheimdienstmann wurde immer grö ßer, bis Fernstel endlich stehen blieb, und sich nach ihm umsah. Der Arkonide war of fensichtlich überrascht, wie weit Axton hin ter ihm war. Seine Stirn krauste sich, wäh rend der Terraner sich förmlich an ihn her ankämpfte. Kennon war auch geringen kör perlichen Anstrengungen einfach nicht ge wachsen. Die Muskulatur seines verwachse nen Körpers war zu schwach. Als Axton den Arkoniden endlich erreicht hatte, klebte ihm das dünne Haar schweiß naß am Schädel. »Müssen Sie so rennen, als wollten Sie einen persönlichen Rekord aufstellen?« frag te Axton zornig. »Ich hätte von Ihnen etwas mehr Höflichkeit erwartet.« Andere Männer und Frauen waren auf ihn aufmerksam geworden. Die meisten von ih nen waren Axton scheu ausgewichen. Einige von ihnen flüsterten miteinander. Ein massi ger Arkonide mit groben Gesichtszügen machte einen Scherz, der einige Leute zu ei nem gequälten Lächeln veranlaßte.
10 Bure Fernstel tat, als habe er die Worte Axtons nicht gehört. Er drehte einen Sessel so zur Seite, daß der Verwachsene sich hin einsetzen konnte. Die Sitzfläche war relativ hoch, so daß Kennon wiederum Schwierig keiten hatte. Er mußte etwas hochspringen und sich dann am Polster hochziehen. Die ses Mal half ihm Fernstel unauffällig. Dann drehte er den Sessel zur Tafel, so daß Lebo Axton die Männer und Frauen sehen konnte, die mit ihm am Tisch saßen. Nur eines der Gesichter war ihm bekannt. Ihm direkt ge genüber hatte ein schlanker Arkonide Platz genommen, dessen Augen rötlich waren. Dieses Zeichen einer beginnenden Degene ration bei dem Arkoniden hatte jedoch sei ner Leistung keinen Abbruch getan. Avrael Arrkonta war ein Stratege von überragender Bedeutung. Ihm waren die Siege in mehre ren Schlachten über die Methans zu verdan ken. Lebo Axton neigte grüßend den Kopf, und Arrkonta erwiderte den Gruß ohne jedes abfällige Zeichen. Ihm saßen zu beiden Sei ten zwei schöne und junge Frauen, deren Ar roganz nicht mehr überbietbar zu sein schi en. Sie gaben sich den Anschein, als hätten sie ihn nicht bemerkt, dennoch streiften sie ihn hin und wieder mit ebenso neugierigen wie verächtlichen Blicken, durch die Ken non sich verletzt fühlte. In seinem Leben hatte es nie die Liebe ge geben. In seinem verkrüppelten Körper war er zu häßlich, um eine Frau gewinnen zu können, und seinem Robotkörper hatten bei aller Vollkommenheit die Voraussetzungen gefehlt, die Liebe einer Frau zu erfüllen. Da bei bedeutete Kennon die echte Zuneigung einer Frau unendlich viel mehr als alles an dere in der Galaxis. Ebenso sehr traf ihn aber auch die Verachtung einer Frau, weil sie ihm die ganze Unzulänglichkeit seines Körpers bewußt machte. Der Arkonide neben ihm verwickelte ihn, wie erwartet, in ein Gespräch, in das sich bald auch Avrael Arrkonta einmischte. Lebo Axton bekam Gelegenheit, seinen überra genden Geist zu beweisen. Es gelang ihm,
H. G. Francis alle Schwächen zu überwinden und eine geistreiche Konversation zu entwickeln, die nicht nur Arrkonta begeisterte. Die Situation änderte sich jedoch, als kurz vor Beginn des Essens Ophma Talhud an den Tisch kam und sich auf den letzten, noch freien Platz setzte. Aus seinen Augen schlug Kennon der blanke Haß entgegen. »Darf ich die Damen und Herren darauf aufmerksam machen, daß Lebo Axton ein ausgezeichneter Kriminalist ist«, sagte Tal hud, als eine verführerisch duftende Suppe aufgetragen wurde. »Wie ich erfahren habe, ist es ihm gelungen, Fälle aufzuklären, bei denen unsere Spezialisten vollkommen ver sagt haben.« Am Tisch wurde es still. Kennon spürte, daß niemand diesen Arkoniden mochte. Man fühlte sich durch ihn gestört. »Es würde mich interessieren, Lebo Ax ton, auf welcher Spur Sie jetzt sind. Wen von uns verdächtigen Sie? Sitzt der Täter mit uns am Tisch?« Betretenes Schweigen trat ein. Avrael Arrkonta musterte Axton verstohlen. Kennon entschloß sich zum Angriff. Er wollte sich nicht alles verderben lassen, was er mühsam aufgebaut hatte. »Mein lieber Ophma Talhud«, sagte er freundlich. »Ihre nostalgischen GonozalTräume interessieren wirklich niemanden. Auch mich nicht. Sie können also ganz beru higt sein. Niemand wird Sie bitten, auch noch den Rest Ihres Vermögens freiwillig zu opfern.« Ophma Talhud schossen die Tränen in die Augen. Das war ein unübersehbares Zeichen für seine Erregung. Zugleich wich alle Farbe aus seinen Wangen. Avrael Arrkonta lachte gedämpft. »Da hat man es Ihnen aber einmal so ge geben, wie Sie es verdient haben, Freund Talhud«, sagte er. »Ich würde mich vor wei teren ungehörigen Bemerkungen hüten.« »Entschuldigen Sie mich«, bat Ophma Talhud. Er erhob sich und eilte aus dem Raum.
Im Dienst Orbanaschols
* Nach drei Stunden, in denen fortlaufend Speisen gereicht worden waren, löste sich die Tafel auf. Die Männer wechselten in einen tiefer gelegenen Raum über. Der von Bure Fernstel abgestellte Arkonide begleite te Axton. Er machte ihm einen Vorwurf dar über, daß er Talhud in seine Schranken ge wiesen hatte. »Damit haben Sie sich einen Feind ge schaffen«, erklärte er. »Als ob ich das nicht selber wüßte«, erwi derte Axton abfällig. »Die Zahl meiner Fein de wird auch in Zukunft bestimmt nicht ge rade kleiner werden. Das stört mich nicht.« Wenig später gesellte sich Bure Fernstel zu ihm. Er führte ihn in einen abgedunkelten Raum, in dem etwa dreißig Arkoniden um schalenförmige Tische versammelt waren. Lebo Axton bemerkte, daß Epprik sich ebenfalls an einem der Tische befand. Bure Fernstel verabschiedete sich. »Ich hoffe, daß Sie Glück haben«, sagte er freundlich. »Danke.« Kennon wartete, bis er allein war. Dann näherte er sich einem der Tische. Er sah, daß in den Schalen 3D-Felder aufge baut wurden. In ihnen bewegten sich Raum flotten von winzigen Schiffen. Zunächst er schien alles recht verwirrend, doch Kennon fand bald heraus, daß die Arkoniden strate gische Spiele durchführten. Er war über rascht. Dies konnte nur Trimmon sein, das wegen seiner hohen Einsätze verboten war und weder in der Öffentlichkeit, noch im privaten Kreis gespielt werden durfte. Die höchsten Adelskreise des Imperiums küm merten sich jedoch herzlich wenig um das Verbot. Sie frönten ihrer Leidenschaft sogar unter den Augen des Geheimdienstes. Fasziniert verfolgte Axton-Kennon den Kampf zwischen vier Arkoniden, von denen zwei den Part der Methanatmer übernom men hatten. Diese vier Männer lieferten sich eine Raumschlacht, wie der Terraner sie noch nie gesehen hatte. Dabei wurden alle
11 Waffen eingesetzt, über die die Raumschiffe in Wirklichkeit auch verfügten. Immer wieder traten Denkpausen ein, in denen neue strategische Überlegungen ange stellt wurden. Dann wieder zerfiel die Schlacht in hitzige Einzelgefechte, die je doch im Grunde genommen nicht viel ein brachten, weder für die eine, noch für die andere Seite. Er versuchte mitzudenken. Dabei kam er häufig auf völlig andere Entscheidungen als die Arkoniden, und er stellte voller Genug tuung fest, daß viele seiner Überlegungen richtig waren. Große Geldbeträge wechselten schnell ih re Besitzer. Axton widerstand der Versuchung, sich an einem Spiel zu beteiligen. Seine Vermö gensverhältnisse ließen überdies kein hohes Risiko zu. Er bedauerte, daß das spielerische Genie Ronald Tekener nicht in seiner Nähe war. Der Galaktische Spieler hätte hier ohne weiteres ein Vermögen gewinnen können. Axton ging zu anderen Tischen. Bedien stete reichten alkoholische Getränke, denen die Arkoniden zum Teil lebhaft zusprachen. Der Terraner trank nur wenig, zumal er merkte, daß die Wirkung beträchtlich war. Nach mehr als zwei Stunden trat er endlich an den Tisch heran, an dem Epprik mit ei nem älteren Arkoniden spielte. Er sah, daß Epprik bereits erhebliche Summen verloren hatte. In der Mitte des Schalentisches schien ein blauer Planet zu schweben, der mit mehreren Abwehrforts ausgerüstet war. Zwei Kugelraumer umlie fen die Welt in einer Kreisbahn, während ungefähr fünfzig raketenförmige Raumschif fe angriffen. Epprik spielte die Rolle des Verteidigers der blauen Welt. Er war nicht mehr nüchtern und machte mehrere Fehler, die ihn ein Fort und ein Raumschiff koste ten. Funkensprühend stürzte die Kugel auf den Planeten ab, stürzte schließlich auf eine dichtbesiedelte Ebene und explodierte hier in einer pilzförmigen Wolke. Alles erschien so echt, daß Axton das Gefühl bekam, aus einem Raumschiff heraus ein wirkliches Ge
12 schehen zu beobachten. »Noch einmal tausend«, sagte Epprik. »Seien Sie vernünftig«, sagte sein Gegen spieler. »Sie können nicht mehr gewinnen.« »Ich sagte tausend.« »Epprik, wollen Sie auch noch den Rest Ihres Vermögens drauf geben?« Der Günstling Orbanaschols hob den Kopf. Axton sah, daß seine Augen sich hef tig gerötet hatten. Der Ingenieur war betrun ken. »Ich wiederhole: Tausend!« »Die Schlacht ist bereits zu Ende, Epprik. Sehen Sie es nicht selbst?« »Sie haben noch lange nicht gewonnen.« Epprik griff nach dem Arm Axtons und blickte ihn an. »Sagen Sie auch etwas, Krüppel. Los doch. Hat er gewonnen?« »Ich kenne mich zu wenig in diesem Spiel aus«, entgegnete Axton ruhig. »Die Situati on allerdings erinnert mich an Siethold.« »Sie haben recht«, erklärte der Gegen spieler sofort. »Sie haben tatsächlich recht. Das habe ich selbst gar nicht bemerkt.« »Siethold«, sagte Epprik. »So, so.« Er winkte einem Bediensteten und bestell te etwas. Dann sank er nach vorn und blickte auf die Szene. »Wollen Sie nicht weiterspielen, Epprik?« fragte der Gegenspieler. »Lassen Sie mich überlegen.« Der Bedienstete brachte ein Glas mit einer bläulichen Flüssigkeit. Epprik trank das Glas auf einen Zug aus und bestellte ein weiteres. Danach setzte er seine Überlegungen fort. Fast zehn Minuten verstrichen, dann rich tete er sich auf und trank das zweite Glas aus, das neben ihm abgestellt worden war. »Es bleibt bei den tausend«, sagte er ent schlossen. »Also, nehmen Sie an, oder ge ben Sie sich bereits geschlagen?« Der andere Arkonide lachte. »Ich kann gar nicht mehr verlieren, Epprik. Also gut, ich nehme an. Wenn Sie sich ruinieren wollen, dann ist das Ihr Pro blem.« »Also, greifen Sie an.«
H. G. Francis Der Gegenspieler schien noch nicht er kannt zu haben, daß Epprik durch das blaue Getränk wieder weitgehend nüchtern gewor den war. Er ließ seine Raumflotte angreifen. Sie drang schießend in die Atmosphäre des Planeten ein, wobei die Distanz zwischen den einzelnen Raumern viel zu gering war. Epprik ließ mehrere Forts auf einmal feu ern. In der Glut der Energiestrahlen explo dierte das größte der gegnerischen Raum schiffe, das sich mitten im Pulk der anderen befand. Augenblicklich entstand größte Un ordnung unter den Angreifern. Die positro nisch gesteuerten Pseudotrümmer zerstörten mehrere kleinere Raumschiffe, deren Explo sion sich wiederum auf weitere auswirkte. Nun jagte das letzte der Raumschiffe Eppriks, das er vorher geschickt aus dem Gefecht gezogen hatte, aus dem Raum auf die Flotte herab, während die Bodenforts ihr Feuer verstärkten. Der Rückzug der Flotte kam viel zu spät. Bevor der Gegenspieler Eppriks überhaupt begriff, daß der Ingenieur wieder im Vollbe sitz seiner geistigen Kräfte war, hatte er über die Hälfte seiner Schiffe verloren. Mühsam und überhastet rettete er den Rest durch die Flucht in den freien Raum. Die Positronik spiegelte einige Zahlenund Farbensymbole ein. Vor Wut und Ent täuschung fluchend, schob der Gegenspieler Eppriks einen hohen Geldbetrag über den Tisch. Der Ingenieur steckte ihn schweigend ein. »Wollen wir das Spiel fortsetzen?« fragte er. »Wie wäre es mit einem Sturm von Bo denstreitkräften auf ein gut bestücktes Fort?« »Danke«, sagte der andere Arkonide, des sen Gesicht allzu deutlich von der Enttäu schung über die unerwartete Niederlage ge zeichnet war. »Ich möchte das Spiel lieber beenden. Ich bin erschöpft.« Epprik wandte sich an Lebo Axton. »Wollen Sie mit mir spielen?« »Bedaure, ich spiele grundsätzlich nicht.« Epprik lachte dunkel. »Sie haben recht. Es wäre töricht, ein Du
Im Dienst Orbanaschols ell mit Ihnen zu wagen. Sie würden mir kei ne Chance lassen.« »Sie übertreiben.« »Wohl nicht. Ich möchte Sie zu einem Glas einladen. Darf ich?« »Gern.« Axton stellte sich vor. Epprik begann eine Diskussion über eine Raumschlacht, die er verloren hatte, bevor der Verwachsene an seinen Tisch gekommen war. »Wenn Sie mir den Tip nicht gegeben hätten, dann hätte ich tatsächlich wiederum eine Niederlage einstecken müssen, obwohl das Problem gar nicht so schwierig war.« Epprik wechselte zusammen mit Axton in einen benachbarten, kleineren Raum über. Sie setzten sich an einen Tisch, an dem auch Avrael Arrkonta Platz genommen hatte. Schnell entwickelte sich ein zwangloses Gespräch. Kennon wußte, daß Epprik nicht auf den Gedanken kommen würde, daß es ihm einzig und allein darauf angekommen war, ihn kennenzulernen. Epprik kam von sich aus auf das Projekt auf Arkon III zu sprechen, an dem er arbei tete. Nach seiner Fertigstellung würde es die Bezeichnung Robotregent bekommen, aber das wußten die Arkoniden zu dieser Zeit noch nicht. »Interessiert Sie das Projekt?« fragte der Ingenieur. »Sehr«, entgegnete Axton. »Positronik ist ohnehin ein Fachgebiet, das mich faszi niert.« »Sie sagten, es sei ein Fachgebiet. Befas sen Sie sich mit mehreren?« Axton hätte sich in diesem Moment fast versprochen. Er hatte die Geschichte der ga laktischen Altvölker studiert. Diese Bezeich nung traf jedoch nur aus der Sicht jener Zeit zu, aus der er stammte. »Unter anderem habe ich mich mit arko nidischer Geschichte beschäftigt«, erklärte er nach kurzem Zögern. »Aha, daher der Tip mit Siethold.« Axton lächelte, gab aber keine direkte Antwort. Er wollte nicht vom Robotregenten ablenken. Es kam ihm darauf an, möglichst
13 engen Kontakt zu Epprik zu bekommen, und das war nur über das Projekt auf Arkon III möglich. Epprik trank sein Glas aus. »Wenn Sie Lust haben, können Sie mich begleiten. Ich werde Ihnen die Baustelle zei gen, wenn Sie mögen.« »Ich würde mich sehr freuen, Epprik.« »Also gut, abgemacht. Sie fliegen morgen mit mir zum Kriegsplaneten. Ich lasse Sie im Laufe des Vormittags abholen.« »Einverstanden.« Axton ließ sich seinen Triumph nicht an merken. Ihm war der erste Kontakt gelun gen. Nun konnte er damit beginnen, Infor mationen über den Günstling Orbanaschols einzuholen.
* Sinclair Marout Kennon atmete auf, als er seine Wohnung wieder erreicht hatte. Mit ternacht war bereits vorbei, aber er war noch nicht müde. Zuviel war an diesem Abend geschehen. Er spürte, daß er sich dem Vorzimmer der Macht näherte. Epprik war ein bedeutender Mann, und er konnte zu einer Schlüsselfigur für ihn werden. Die Möglichkeiten, die sich ihm unversehens geboten hatten, waren noch gar nicht abzusehen. Es war ihm gelungen, in die Adelskreise einzudringen, in denen alle wichtigen Ent scheidungen getroffen wurden. Die ersten Schritte waren getan, doch die Anfangskrise war noch nicht überwunden. Kennon glaubte nicht, daß sich Bure Fern stel bereits mit dem zufriedengeben würde, was er über ihn erfahren hatte. Irgendwann würden die Fragen über seine Vergangenheit und Herkunft weitergehen. »Ich habe Hunger«, sagte er. »Kelly, bring mir etwas Fleisch.« Als der Roboter in den Eßraum ging, blinkte das violette Licht am Video auf. Ax ton schaltete das Gerät ein. Das verkniffene Gesicht von Ophma Talhud erschien auf der Projektionsfläche.
14 »Welche Ehre«, sagte Axton spöttisch. »Quatschen Sie nicht«, erwiderte der Ar konide grob. »Ich muß mit Ihnen reden. So fort. Ich hole Sie ab.« Damit unterbrach er das Gespräch, ohne Axton Gelegenheit zu einer Antwort zu ge ben. Kelly erschien mit dem Fleisch. Es duf tete verführerisch. Der Terraner nahm es entgegen und biß davon ab. Ungefragt brachte der Roboter ihm ein erfrischendes Getränk. Er hatte es kaum ausgetrunken, als der Türsummer ertönte. Auf einen Wink Ax tons hin öffnete Kelly die Tür. Ein unifor mierter Arkonide trat ein. »Ich bin ein Diener von Talhud«, erklärte er höflich. »Ich habe den Auftrag, Sie zum Gleiter meines Herrn zu führen.« »Tun Sie das.« Axton winkte den Roboter zu sich hin und stieg auf dessen Rücken. Der Diener wollte Einwendungen machen, doch der Verwachsene brachte ihn mit einer ener gischen Handbewegung zum Schweigen. Ophma Talhud wartete in einem luxuriö sen Gleiter auf dem Parkdach. Er runzelte unwillig die Stirn, als er Axton in Beglei tung des Roboters sah. »Aus unserer Unterredung wird nichts, wenn diese Maschine dabei ist«, rief er är gerlich durch das offene Fenster. Kennon-Axton veranlaßte den Roboter, sich augenblicklich umzudrehen und den Rückweg anzutreten. Das gefiel dem Alten jedoch auch nicht. Er schickte den Diener hinterher. »Ich soll Ihnen sagen, daß mein Herr un ter Protest damit einverstanden ist, wenn der Roboter dabei ist.« Axton lenkte Kelly zum Gleiter, ließ ihn die Tür öffnen und befahl ihm, ihn auf den Sitz neben den Arkoniden zu heben. Der Ro boter setzte sich auf die hintere Bank und hielt die Tür zu, so daß der Diener draußen bleiben mußte. Die Augen Talhuds begannen zu tränen, als er bemerkte, was geschah. »Starten Sie«, befahl Axton. Der Arkonide gehorchte nach kurzem Zö gern. Er hatte sich diese Begegnung offen-
H. G. Francis sichtlich anders vorgestellt. Zudem schien er nicht gewohnt zu sein, daß ihm jemand, der nicht zu den höchsten Kreisen Arkons ge hörte, in dieser Weise begegnete. Die Tatsa che, daß Axton nicht den geringsten Respekt vor ihm hatte, irritierte ihn. »Also, was führt Sie zu mir, Ophma Tal hud?« fragte Axton, als der Gleiter das Trichtergebäude verlassen hatte. »Ich will Ihnen meine Hilfe anbieten.« »Landen Sie da unten«, forderte Axton in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Er zeigte auf eine parkähnliche Landschaft, in die ein See eingebettet war. Ophma Talhud tat, was der Verwachsene verlangte. Er setzte die Maschine neben ei nem kleinen Wasserfall auf, der von einem Bach in den See stürzte. Axton stieg aus und gab Kelly die Anweisung, in der Kabine zu bleiben. Er ging mit schleppenden Schritten zu einer Bank und stieg hinauf. Ophma Tal hud folgte ihm und blieb dort vor ihm ste hen. »Ich bin mir darüber klar, daß es genü gend technische Möglichkeiten gibt, uns auch hier zu belauschen«, eröffnete Axton das Gespräch. »Das interessiert mich jedoch nur am Rande. Also, fangen wir noch einmal von vorne an. Was wollen Sie von mir?« »Ich will Ihnen helfen.« »Erlauben Sie, daß ich schallend lache?« »Ich warne Sie, Lebo Axton. Ihre Ironie ist vollkommen fehl am Platz. Sie kennen Ihre Situation noch nicht. Sie wissen nicht, worauf Sie sich eingelassen haben.« »Sagen wir, ich ahne es zumindest. Aber lassen wir das. Mich interessiert immerhin, warum ein Mann wie Sie mir seine Hilfe an bietet. Halten Sie mich für so naiv, daß ich Ihnen glaube?« »Warum nicht?« »Warum sollte ich?« »Weil es um meine Existenz geht. Ich kämpfe mit dem Rücken an der Wand. Wenn ich Ihnen meine Hilfe anbiete, so tue ich es keineswegs, weil Sie mir sympathisch sind oder weil ich Sie aus anderen Gründen fördern möchte. Nein, mir geht es um meine
Im Dienst Orbanaschols Haut.« »Das ist immerhin ein Argument.« »Na also. Ich war so töricht, Sie heute Abend anzugreifen. Ihre Antwort hat mich schockiert, sie hat mir aber auch in aller Deutlichkeit gesagt, daß ich mich über schätzt habe. Zunächst wollte ich Sie um bringen. Ich wollte Sie vernichten, dann aber begann ich einzusehen, daß Sie die Wahrheit gesagt haben. Sie haben mir klargemacht, daß ich längst an Einfluß, Ansehen und Macht verloren habe. Ich habe gegen Orbanaschol opponiert, und das in einer Weise, wie sie ungeschick ter nicht hätte sein können. Heute Abend ha be ich begreifen, daß ich keine Chance habe, meine ursprüngliche Position wiederzuge winnen. Ich weiß jetzt, daß für mich die letz te Stunde geschlagen hat. Orbanaschol will mich vernichten. Und Bure Fernstel ist sein Henker.« »Aha«, entgegnete Axton. »Und wer sagt Ihnen, Talhud, daß ich nicht das Schwert bin, mit dem Fernstel Sie hinrichten soll?« »Das glaube ich nicht. Ich spüre, daß es nicht so ist. Fernstel geht es um einen ande ren. Ich habe Sie beobachten lassen. Sie ha ben mit vielen Männern Kontakt gehabt, und Sie haben sich äußerst geschickt verhalten. Ich habe nicht herausgefunden, um wen es Ihnen geht.« Axton lachte ihm ins Gesicht. »Sie glauben noch immer, daß ich an ei nem Fall arbeite. Talhud, wann werden Sie endlich vernünftig werden?« Der Arkonide ignorierte die Worte Ax tons. »Ich will Sie vor Bure Fernstel warnen. Diesem Mann ist nicht zu trauen. Er ist bru tal, rücksichtslos und verschlagen. Er würde seine eigene Familie ins Verderben stürzen, wenn es ihm politisch nützen würde. Glau ben Sie nur nicht, daß ich Ihnen das jetzt sa ge, weil ich ihn wegen jener Dinge hasse, die er mir angetan hat. Nein, ich möchte Sie nur warnen. Mehr nicht.« Lebo Axton blickte dem alten Arkoniden ins Gesicht. Ophma Talhud tat ihm leid. Im
15 Grunde genommen hätten sie Verbündete sein können. Ophma hatte die Partei Gono zals VII. ergriffen und sich damit für eine Inthronisierung Atlans eingesetzt. Das hatte ihn sein Vermögen, seine Macht und seinen Stolz gekostet. Die Schergen Orbanaschols hatten ihn gebrochen. Er war nicht mehr der Mann, der er vorher gewesen war, sonst wä re eine Zusammenarbeit vielleicht möglich gewesen. »Ich bewundere Sie, Talhud.« »Warum?« »Weil Sie den Mut hatten, mir das zu sa gen. Woher wissen Sie, daß ich diese Worte nicht gegen Sie verwende? Wer sagt Ihnen, daß Sie Bure Fernstel mir gegenüber derart charakterisieren dürfen, ohne daß es Sie den Kopf kostet?« Die Augen des Arkoniden wurden feucht vor Erregung. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er mit be legter Stimme. »Ich glaube aber nicht, daß Sie wirklich der Mann Bure Fernstels sind.« »Gut, Ophma Talhud. Machen wir einen Versuch. Ich möchte spätestens übermorgen einen detaillierten Bericht von Ihnen über Avrael Arrkonta haben.« Ophma Talhud fuhr erschrocken zurück. »Hinter ihm sind Sie also her!« »Sie sind ein Narr«, antwortete Axton mit scharfer Stimme. »Sie sollen keine Spekula tionen anstellen, sondern Ihr Angebot erfül len. Wenn Sie mir wirklich helfen wollen, dann geben Sie mir, was ich verlangt habe.« »Sie sind ein Schurke. Niemand hat Sie so zuvorkommend behandelt wie Avrael Arr konta. Und ausgerechnet gegen ihn wollen Sie …« »Halten Sie den Mund, Talhud. Geben Sie mir, was ich haben will, oder lassen Sie mich in Ruhe.« Die Augen des Alten funkelten vor Zorn. Axton blickte ihn forschend an. Dann schüt telte er vorwurfsvoll den Kopf. »Wie kann man sich nur so verrennen«, sagte er. »Wenn ich mich auf jemanden stüt zen will, dann muß ich etwas von ihm wis sen. Nicht immer holt man über einen Geg
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ner Informationen ein.« Jetzt begriff Talhud. Sein Gesichtsaus druck hellte sich auf.
3. Epprik hielt sein Wort. Der Ingenieur ließ Lebo Axton abholen und zu einem Raumhafen bringen, wo er be reits in einem startbereiten Kugelraumer auf ihn wartete. Er begrüßte den Verwachsenen freundlich und ohne jedes Zeichen von Her ablassung oder Überheblichkeit. Ganz offensichtlich war er völlig ah nungslos. Er fühlte sich in seiner Position als leitender Ingenieur des Robotgehirnprojekts auf dem Kriegsplaneten absolut sicher. Während des Fluges nach Arkon III, den sie in einer Luxuskabine verbrachten, ließ er sich über die kriminalistische Arbeit am Squedon-Kont informieren, wo es zu einer Reihe von unerklärlichen Ereignissen ge kommen war, die sich nur mit den Mitteln der Paraphysik hatten aufklären lassen. Axton war überrascht, daß Epprik darüber informiert war. Er konnte einem Gespräch über dieses Thema jedoch nicht ausweichen. Nachdem er das eingesehen hatte, nutzte er es dazu, den Ingenieur zu beobachten. Dabei wurde ihm immer deutlicher bewußt, daß dieser wirklich ahnungslos war. Axton mußte nach wie vor von der Vor aussetzung ausgehen, daß Epprik tatsächlich ein Verräter war. Das war die Basis seiner Ermittlungsarbeiten. Ohne diese hätte Bure Fernstel keinen Grund gehabt, ihn mit Epprik in Verbindung zu bringen. Der Ingenieur verhielt sich jedoch nicht wie jemand, der etwas zu verbergen hatte. Der Kosmokriminalist Kennon fragte sich, ob der Günstling Orbanaschols sich tatsäch lich so sicher fühlte, daß er noch nicht ein mal auf den Gedanken kam, er könnte über prüft werden. Je länger das Gespräch dauer te, desto mehr wuchs die Überzeugung in Kennon, daß es nur so sein konnte. Bure Fernstel hatte ihn allzu deutlich ge warnt.
Es war bereits lebensgefährlich, Epprik überhaupt nur zu verdächtigen! Kaum war Kennon zu dieser Erkenntnis gekommen, als Epprik erklärte: »Ich muß Ihnen übrigens noch danken, weil Sie mich vor einer Dummheit bewahrt haben.« »Hätte diese Sie wirklich arm gemacht?« fragte Axton mit einem Lächeln, das Epprik verriet, daß er alles glaubte, nur das nicht. Der Ingenieur schüttelte den Kopf. »Manche Leute glauben das«, erwiderte er. »Aber sie irren sich.« Er erhob sich und eilte zu einem Geträn keschrank. Mit schwerfällig wirkenden Be wegungen nahm er zwei Gläser und einen Kühlbehälter daraus hervor. Er schenkte Ax ton ein halbes Glas voll ein und bat ihn, das Getränk zu probieren. »Es ist ausgezeichnet, Epprik. Hoffentlich ist es nicht zu hochprozentig.« »Keine Sorge. Ich habe nicht vor, uns in eine leichtsinnige Stimmung zu bringen.« Axton beobachtete ihn, als er die Gläser füllte. Der Gesichtsausdruck des Günstlings des Imperators sagte ihm alles. Er konnte ein Vermögen verspielen, ohne deshalb arm zu werden. Zwischen ihm und Orbanaschol gab es eine geheimnisvolle Verbindung, die Epprik erlaubte, praktisch alles zu tun, ohne sich dafür verantworten zu müssen. War es das Projekt Robotregent? Beabsichtigte Orbanaschol, seine Macht mit Hilfe des Ingenieurs für alle Zeiten der artig zu festigen, daß seine Familie niemals mehr durch die Nachkommen Gonozals V. gefährdet wurde? Die geschichtliche Ent wicklung zeigte, daß der Robotregend zu ei nem beispiellosen Machtfaktor im arkonidi schen Imperium geworden war. Unwillkür lich fragte sich Kennon, ob er das auch ohne seine Einwirkung werden würde. War die historische Entwicklung, so wie er sie kannte, ohne sein Auftreten im arkoni dischen Imperium des jungen Atlan verlau fen, oder wurde der Weg der terranischen Menschheit zu den Sternen erst möglich, weil er Atlan in dieser Zeit Hilfe leistete? Axton fühlte, daß er vor einem Abgrund
Im Dienst Orbanaschols von unlösbaren Fragen stand. War er wirk lich, oder war er nur eine Projektion? Frag los hatte er bereits Einfluß auf gewisse Er eignisse genommen. Epprik eröffnete ihm weitere Möglichkeiten von vorläufig noch unüberschaubarer Weite. Kennon wurde sich dessen erst auf dem Flug nach Arkon III wirklich bewußt. Seine Gedanken überschlugen sich, und er hatte Mühe, sich auf das Gespräch mit Epprik zu konzentrieren. Das wurde erst besser, als der Ingenieur zu seinem Lieblingsthema kam. »Niemand«, sagte er, »kann sich heute vorstellen, was dieses Bauvorhaben bedeu tet. Axton, auf Arkon III entsteht ein Riesen hirn von Dimensionen, wie es das Univer sum bis jetzt noch nicht gekannt hat. Die po sitronische Robottechnik befindet sich auf einem Höhepunkt, den vor Jahren noch nie mand für möglich gehalten hat. Auf Arkon III ist ein positronisches Genie im Werden, welches das Imperium für alle Zeiten zu ei nem unschlagbaren Machtfaktor machen wird. Es ist auf Jahrzehntausende projek tiert. Niemals wird etwas Größeres im Uni versum bestehen als das arkonidische Impe rium.« »Niemand kennt die Zukunft, Epprik.« »Doch, Axton«, erwiderte der Ingenieur voller Begeisterung. »Ich kenne sie.« Kennon glaubte, plötzlich einem anderen Mann gegenüber zu sitzen. Epprik ließ sich von seiner Begeisterung hinreißen, und er kündigte manches an, was sich – wie der Terraner wußte – bewahrheiten sollte. »Ich will auch nicht verschweigen, daß sich gewisse Anzeichen einer beginnenden Degeneration bei unserem Volk zeigen, Ax ton. Aber das will nichts besagen. Das Rie senhirn wird die Situation meistern, die sich vielleicht daraus ergeben könnte. Es wird das Imperium durch eine mögliche Zeit der Schwäche hindurch zu neuen Höhen füh ren.« Kennon ließ sich von der Begeisterung Eppriks anstecken. Er kannte schließlich die Geschichte des arkonidischen Volkes, und er wußte, daß es schließlich ein Terraner na
17 mens Perry Rhodan sein würde, der die Macht des Robotregenten für sich nutzen würde. Eine gewisse Faszination erfaßte ihn. Sollte es möglich sein, daß er nicht nur zum Wegbereiter für Atlan, sondern auch für Rhodan wurde? Kaum hatte er diesen Gedanken aufge griffen, als er ihn auch schon wieder ener gisch verwarf. Ein Mann in seiner Situation konnte kaum einen gefährlicheren Fehler be gehen, als in Träumereien zu geraten und dabei die Realitäten zu übersehen. Der Ro botregent war noch nicht einmal in seinen Grundelementen fertiggestellt. Es wäre Wahnwitz gewesen, unter diesen Umständen an Ereignisse zu denken, die sich erst in et wa zehntausend Jahren abspielen würden. Unwillkürlich fühlte Kennon sich daran erinnert, daß zu diesem Zeitpunkt, an dem er zusammen mit Epprik nach Arkon III flog, auf der Erde die ersten echten Kulturen ent standen. Epprik sprach begeistert weiter. Er zeich nete die Möglichkeiten eines robotischen Riesengehirns dieser Art auf. Je länger der Flug dauerte, desto mehr er fuhr Axton über das Projekt. Allmählich er kannte er, warum der Ingenieur bei Orbana schol in einem so hohen Ansehen stand. Auf Epprik stützte der Imperator seine Hoffnun gen. Er war einer der Grundpfeiler, auf de nen er seine Macht errichten wollte. Ihn zu stürzen, würde schwer, wenn nicht unmög lich sein. Obwohl Epprik ihm durchaus sympa thisch war, stand für Axton fest, daß er sei nen Auftrag durchführen würde. Ihm blieb keine andere Wahl. Bure Fernstel, der Mann, der im Hintergrund blieb, zwang ihn aus einer Position eindeutiger Überlegenheit heraus, das zu tun, was er ihm aufgetragen hatte. Fast bedauerte Axton es, als das Raum schiff auf dem Kriegsplaneten landete. Er hätte Epprik gern noch länger zugehört und dabei mehr erfahren. So aber mußte er ihm in ein Gleiterfahrzeug folgen, in dem bereits mehrere Assistenten auf sie warteten. Schon
18 nach kurzem Flug kam die Baustelle in Sicht. Ein Areal von mehreren Quadratkilo metern Größe war tief ausgeschachtet wor den. Überall waren Betonsockel und Kugel einheiten entstanden. »Teilweise sind bereits Positroniken mon tiert worden«, erklärte Epprik, obwohl er Axton schon vorher auf diese Tatsache auf merksam gemacht hatte. »Genau genommen ist die Phase 1, die den Unterbau um schließt, bereits abgeschlossen. Damit hat der Roboter bereits etwa zehn Prozent seiner Zielkapazität erreicht.« »Werden die positronischen Einrichtun gen nicht durch die Bauarbeiten beeinträch tigt?« »Keineswegs. Wir haben sie entsprechend abgesichert.« Der Gleiter schwebte auf mehrere Bunga lows zu, in denen die Bauleitung unterge bracht war. Epprik entschuldigte sich. »Ich muß mich in den nächsten 30 Minu ten ausschließlich meinen Mitarbeitern wid men«, sagte er. »Ich hoffe, Sie haben Ver ständnis dafür, daß ich erst anschließend Zeit für Sie habe.« »Aber selbstverständlich«, erwiderte der Verwachsene. »Möchten Sie, daß ich Ihnen einen Robo ter beistelle?« Axton legte Roboter Kelly die Hand la chend auf den Metallschädel. »Dieser eine hier genügt mir vollkommen. Danke.« Der Ingenieur winkte ihm zu und ließ ihn allein. Er eilte seinen Mitarbeitern nach, und Kennon war froh, sich in Ruhe umsehen zu können. Fast überall arbeiteten robotische Maschinen. Nur an wenigen Stellen waren Arkoniden zu sehen. Kennon ließ sich von seinem Tragerobo ter bis an den Rand einer Baugrube heran führen. Von hier aus konnte er zu einer an deren Grube hinübersehen, in der Zwischen wände mit Hilfe von stützenden Prallfeldern hochgezogen wurden. Transportgleiter führ ten die Plastikmaterialien heran, die in die freien Räume eingeschäumt wurden und hier
H. G. Francis augenblicklich zu einer stabilen Masse er starrten. Kennon bemerkte einen Arkoniden, der sich auffällig benahm, weil er sich mehrfach suchend umblickte, als fürchte er entdeckt zu werden. Vorsichtig ließ der Verwachsene den Roboter zurücktreten, so daß er aus der Deckung von einigem Baumaterial heraus beobachten konnte, wie der Arkonide ein Schott öffnete und einen erleuchteten Raum betrat. »Das sehen wir uns einmal näher an, Kel ly«, befahl Axton. »Los, da hinten kannst du nach unten steigen.« Der Roboter setzte sich sofort in Bewe gung. Axton klammerte sich an die Halte griffe. Dabei blickte er zu den Bungalows hinüber. Niemand schien auf ihn zu achten. Kennon wollte kein unnötiges Aufsehen er regen. Deshalb war er froh, als der Roboter endlich mit dem Abstieg begann, so daß sie niemandem auffallen konnten. Das Schott stand noch offen. Lautlos betrat der Roboter den Raum. Hinter flimmernden Energieschirmen erho ben sich die positronischen Recheneinheiten bis in eine Höhe von etwa fünf Metern. Der Arkonide war in einen Gang eingebogen, der mitten in die Positronikbänke hinein führte. »Achtung, Kelly«, sagte Axton wispernd. »Wir wollen uns nichts entgehen lassen.« Der Roboter schob sich noch einige Meter weit vor und blieb dann in guter Deckung stehen. Von hier aus konnte Axton alles ver folgen. Der Arkonide hatte eine Struktur lücke in einem der Energieschirme geschaf fen und hantierte nun an den Speicherele menten der Basispositronik. Einige Minuten verstrichen, dann zog sich der Arkonide zurück. Die Strukturlücke im Energieschirm schloß sich wieder. Axton lenkte den Roboter zum Ausgang. Hier vergewisserte er sich, daß sich niemand am oberen Rand der Baugrube befand, und befahl ihm, sich hinter einer ruhenden Bau maschine zu verbergen. Sekunden später eil te der Arkonide an ihm vorbei, kletterte an
Im Dienst Orbanaschols der Wand hoch und verschwand zwischen den aufgestapelten Materialien. Als Robot Kelly die Baugrube verließ, trat Epprik hinter einem geparkten Trans portgleiter hervor. »Wie ich sehe, haben Sie eine kleine In spektion vorgenommen«, sagte er. »Allerdings«, entgegnete Axton unbefan gen. »Ein junger Mann stieg in die Grube hinab und verschwand im fertiggestellten Basisteil. Ich erlaubte mir, einen neugierigen Blick durch das offenstehende Schott zuwer fen.« Epprik erbleichte, und seine Augen wur den feucht. »Jemand hat das Schott dort unten geöff net?« »Allerdings, Epprik. Hat er damit gegen irgendwelche Bestimmungen verstoßen?« »Das kann man wohl sagen. Axton, Sie müssen mir diesen Mann beschreiben. Ich muß wissen, wer es gewesen ist.« »Gern, Epprik. Es tut mir leid, falls Sie Unannehmlichkeiten haben sollten. Glauben Sie, daß es ein Saboteur war?« »Hier ist alles möglich.« Epprik trat einen halben Schritt zurück und wandte sich etwas von Axton ab. Er sprach flüsternd in das Mi krophon seines Armbandfunkgeräts. Dann blickte er den Verwachsenen wieder an, der sich gelassen mit den Armen auf den Kopf des Roboters stützte. »Wie sah der Mann aus?« Lebo Axton gab eine kurze, aber treffende Beschreibung ab. Er hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als sich das Gesicht Eppriks verdunkelte. »Sind Sie sicher, daß der Mann wirklich so ausgesehen hat?« »Absolut, Epprik. Kennen Sie ihn?« Der Ingenieur antwortete nicht. Einige Uniformierte tauchten plötzlich zwischen den aufgestapelten Materialien auf. Er ging ihnen entgegen und teilte ihnen so leise et was mit, daß Axton ihn nicht verstand. Sie eilten davon. »Es tut mir leid, daß Ihr Besuch durch diesen Vorfall beeinträchtigt wird«, sagte
19 Epprik nervös. »Ich bin sicher, alles wird sich als harmlos aufklären.« »Das glaube ich auch«, erwiderte Axton, obwohl er vom Gegenteil überzeugt war. Epprik ließ einen Gleiter kommen und flog mit dem Verwachsenen zu den ver schiedenen Abschnitten der Baustelle, um ihm die Konzeption des Riesenroboters zu erklären. Er war jedoch nicht voll bei der Sache und wurde immer wieder durch Mel dungen der Sicherheitsbeamten unterbro chen. Auch Kennon hatte Mühe, sich auf das zu konzentrieren, was Epprik sagte. Für ihn war eine ganz eigenartige Situation entstanden, die er in ihrer vollen Konsequenz von An fang an erkannt hatte. Axton spürte, daß er auf äußerst dünnem Eis stand. Er glaubte nicht daran, daß er nur zufällig diesen Arkoniden beobachtet hatte. Er war vielmehr davon überzeugt, daß irgend je mand seine leitenden Hände im Spiel hatte. Was bedeutete eine heimliche Manipulati on am Riesenhirn? Es war ein eindeutig feindlicher Akt ge gen Orbanaschol, ganz gleich, worin die Manipulation bestanden hatte. Der Roboter war das Werk des Imperators. Wer daran et was veränderte, handelte gegen die Interes sen Orbanaschols. Kennon war lange genug Kriminalist. Er wußte, was kommen mußte. Und es dauerte auch nicht lange, bis das Videogerät des Gleiters anschlug. Epprik meldete sich. Ei ner der Sicherheitsbeamten teilte ihm mit, daß man den Saboteur gefunden habe. »Er ist erschossen worden«, sagte der Po lizist. »Jemand hat ihn mit einem Energie strahler unkenntlich gemacht. Ich glaube nicht, daß man ihn noch identifizieren kann.« »Haben Sie den Mörder?« »Leider nein. Wir haben noch nicht ein mal eine Spur von ihm.« Axton lehnte sich in seinem Sitz zurück: Genau das hatte er erwartet. Dieser Mord bestätigte seine Befürchtungen.
20 Jetzt zweifelte er nicht mehr daran, daß Bure Fernstel ihm eine raffinierte Falle ge stellt hatte. Er wollte ihn prüfen. Seine Ver gangenheit lag im dunkeln. Damit war und blieb er ein Unsicherheitsfaktor für Fernstel. Dieser hatte ihn nicht nur auf Epprik an gesetzt, um diesen des Verrats zu überfüh ren. Bure Fernstel wollte mehr. Er wollte wissen, wie seine wirkliche Einstellung zu Orbanaschol III. war. Das hatte Kennon die ser Vorfall bewiesen, denn er trug allzu deutlich die Handschrift eines erfahrenen Geheimdienstmannes. Damit befand Axton sich in einer äußerst unangenehmen Situation. Er konnte jeder zeit eine vorgebliche Loyalität zum Impera tor beweisen. Im Ovalkörper von Roboter Kelly befanden sich Ton- und Bildaufzeich nungsgeräte. Axton hatte also alle Informa tionen über den Saboteur, die gebraucht wurden, wenn man ihn eindeutig identifizie ren wollte. Bure Fernstel, und niemand sonst als er, hatte den Saboteur erschießen lassen, damit Axton der einzige blieb, der alle Infor mationen hatte. Raffiniert eingefädelt, dachte der Terra ner. Bure Fernstel hatte es geschafft, ihn ge nau in die Position zu lancieren, in die er ihn hatte drängen wollen. Sein Leben hing ausschließlich von Bure Fernstel ab. Er allein entschied, wie die Weichen für die Zukunft gestellt wurden. Auf ihn also kam es an, nicht aber auf Orba naschol III. Bure Fernstel konnte ihn jetzt zwingen, klar Stellung zu beziehen. Deckte er den Saboteur, dann erklärte er sich damit zum Gegner Orbanaschols. Verriet er ihn, sprach er sich damit eindeutig für den Impe rator aus. Wie aber stand Bure Fernstel zu Orbana schol? Nur darauf kam es an. War er ein erklärter und heimlicher Geg ner des Imperators, dann würde er Axton zu Fall bringen. Darüber war sich dieser klar. War er aber ein Mitstreiter Orbanaschols, dann konnte er es ebenfalls tun, vorausge-
H. G. Francis setzt, Axton traf die falsche Entscheidung. Er mußte sich entscheiden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die erste unverfängliche Frage kam. Daß er den Saboteur bereits eindeutig beschrieben hatte, besagte gar nichts. Worte konnte man abän dern, und bei einer Gegenüberstellung hätte er immer noch sagen können, daß er sich ge irrt hatte. Bure Fernstel aber wußte zweifellos, daß er die Aufnahmegeräte in den Roboter ein gebaut hatte. Die Aufzeichnungen alle wa ren unwiderlegbare Beweise, die auch die Hintermänner des Ermordeten zu Fall brin gen mußten. Während Epprik fahrig und nervös einige Teile des Roboters erklärte, überlegte Lebo Axton fieberhaft, wie er herausfinden konn te, was Bure Fernstel wirklich von ihm er wartete. Er mußte eine Antwort auf diese Frage finden, oder sein Weg im arkonidi schen Imperium war zu Ende. Epprik atmete sichtlich auf, als das Bord chronometer endlich die Mittagsstunde an zeigte, so daß er die Besichtigung abbrechen und Axton zum Essen einladen konnte. Er ließ alkoholische Getränke anbieten und schien enttäuscht zu sein, daß Axton ihnen so wenig zusprach. Kurz, nach Beendigung der Mahlzeit kam eine Nachricht, die Lebo Axton in die Glie der fuhr. Einer der Assistenten kam zu Epprik und meldete mit gedämpfter Stimme, jedoch nicht leise genug: »Bure Fernstel wird in zwei Stunden hier sein.« Epprik schien kaum etwas anderes erwar tet zu haben. Er war auch keineswegs beun ruhigt. Im Gegenteil. Er schien damit ge rechnet zu haben, daß er auf der Baustelle erscheinen würde. Axton fragte sich, ob er daraus schließen durfte, daß Epprik über die tatsächliche Funktionen Fernstels informiert war. Er wartete in aller Ruhe eine halbe Stunde ab. Dann, als er zusammen mit dem Inge nieur den Bungalow verließ, sagte er: »Epprik, ich habe noch etwas auf Arkon III zu tun, was ich gern erledigen würde.«
Im Dienst Orbanaschols »Ich möchte Sie keineswegs aufhalten«, erwiderte der Günstling des Imperators. »Bitte, nehmen Sie keine Rücksicht auf mich.« »Dann würden Sie es mir nicht verübeln, wenn ich mich jetzt verabschiede?« »Keineswegs. Ich hoffe nur, daß wir uns bald einmal wiedersehen. Vielleicht besu chen Sie mich übermorgen in meiner Woh nung auf Arkon I?« »Gern.« Lebo Axton verabschiedete sich so, daß Epprik nicht auf den Gedanken kam, er kön ne es eilig haben. Kaum aber saß er allein mit seinem Roboter in einem Gleiter, als er die Maschine bis zur Höchstgeschwindigkeit beschleunigte und zu einem der nächsten Raumhäfen raste. Das Glück war auf seiner Seite. Ein Raumschiff sollte in wenigen Mi nuten nach Arkon I starten. Er ließ die Pas sage von seinem Konto abbuchen und ging an Bord. Als Bure Fernstel auf dem Kriegsplaneten landete, war Axton bereits auf dem Weg nach Arkon I.
4. Die Wohnung Eppriks befand sich in ei nem der luxuriösesten Trichterbauten im Sonderbereich von Arethoquon-Don, einer Landschaft von ungewöhnlicher Schönheit. In ihr wohnten ausschließlich die vornehm sten und reichsten Familien Arkons. Nur et wa dreißig Gebäude standen in dem weiten Tal, das zu einem blühenden Park umfunk tioniert war. Verborgene Überwachungsstationen und Identifikationsrobots umgaben den Bereich und riegelten ihn ab, wenn ein anfliegender Gleiter, ein Bodenfahrzeug oder ein Fußgän ger nicht eine komplizierte, positronisch ge steuerte Impulskette abstrahlte. Sinclair Marout Kennon überwand diese Schwierigkeit mit geradezu spielerischer Leichtigkeit. Nachdem er einige der Geräte, die ihm Bure Fernstel in die Wohnung ge stellt hatte, abgeändert hatte, brauchte er nur
21 noch einen Gleiter abzuhorchen und die Im pulskette aufzuzeichnen. Danach waren nur noch kleine Umschaltungen notwendig, die einen Mann wie Kennon vor keinerlei Pro bleme stellten. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit pas sierte der Verwachsene die Sicherheitskette. Er flog direkt bis auf das Parkdach des Trichterbaus, in dem sich Eppriks Wohnung befand. Auch hier gab es Nischen, in denen die Fluggeräte abgesetzt werden konnten. Darüber befand sich das weite Dach, auf dem die Bewohner einen Vergnügungspark hatten einrichten lassen. Axton hatte nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen. Die Anlage interessierte ihn nicht. Da Epprik ihm beschrieben hatte, wo er ihn finden wür de, wußte er, wohin er sich wenden mußte. Unter den Fenstern an der Trichterwand führte ein schmaler Sockel entlang. Auf die sem schob sich Axton vorsichtig entlang. Er passierte zunächst die unbeleuchteten Räu me der Wohnung eines Industriellen und er reichte danach die erhellten Fenster, die zur Wohnung Eppriks gehörten. Zwei junge Arkonidinnen saßen sich plaudernd gegenüber. Auf dem Boden eines prunkvoll eingerichteten Salons spielte ein Junge, der eine verblüffende Ähnlichkeit mit Epprik hatte. Axton biß sich enttäuscht auf die Lippen. Er hatte nicht gewußt, daß der Ingenieur eine Familie hatte. Nun konnte er seinen Plan nicht durchführen, wie er es ursprüng lich beabsichtigt hatte. Er konnte die Woh nung schließlich nicht inspizieren, solange Gefahr bestand, daß er dabei von der Frau des Ingenieurs überrascht wurde. Lautlos zog er sich zurück, wobei er es sorgfältig vermied, nach unten zu sehen. Er befand sich in einer Höhe von mehr als hun dert Metern und bewegte sich auf einem Sockel, der kaum dreißig Zentimeter breit war. Als er Robot Kelly fast erreicht hatte, ging das Licht in der ersten Wohnung an. Axton sah einen untersetzten Mann auf sich zukommen. Schon glaubte er, entdeckt wor
22 den zu sein, als der Arkonide eine Kassette aus einem Schrank unmittelbar neben dem Fenster nahm und sich wieder zur Tür be gab. Axton schob sich hastig weiter. Er spürte, daß Robot Kelly nach seinen Beinen griff. In diesem Moment blieb der Arkonide stehen, drehte sich um und runzelte die Stirn. Ihm war fraglos etwas aufgefallen. Er kehrte eilig zum Fenster zurück. »Schnell, Kelly«, wisperte der Verwach sene. Der Automat gehorchte. Mit einem Ruck zog er seinen Herrn zu sich hin. Leider rutschte Axton dabei vom Sockel. Robot Kelly hob ihn nicht schnell genug in die Parklücke, und so baumelte er plötzlich kopfüber an der Trichterwand. Während er spürte, daß er aus seinen nicht besonders stramm sitzenden Schuhen glitt, sah er, daß der Arkonide dicht neben ihm ans Fenster trat und den Sockel musterte. »Du Höllenhund«, sagte er flüsternd. »Hol mich 'rein!« Der Roboter neigte sich nach hinten. Ax ton konnte die Abbruchkante packen und auf sicheren Boden klettern. Mit einer wütenden Bewegung befreite er sich aus den Metall händen, verlor dabei aber seine Schuhe. »Ein Temperament hast du, Schätzchen«, sagte der Roboter. »Das bringt mich ganz durcheinander.« Lebo Axton schoß hoch, als habe ihm je mand kräftig eine Nadel in die Sitzfläche ge trieben. »Durcheinander!« sagte er schnaufend. »Das ist das richtige Wort für dein körperli ches und geistiges Innenleben. Du Blech haufen. Bist du dir eigentlich dessen bewußt, daß du mich beinahe umgebracht hättest?« »Nein, Liebling. Wirklich?« »Dir werde ich Respekt beibringen, Kel ly! Noch ein Wort dieser Art, und ich werde dafür sorgen, daß selbst Schrotthändler dich als wertlos ansehen.« Er trat dem Roboter gegen das Bein, ver gaß dabei aber, daß er keine Schuhe an hat te. Er verzog wütend das Gesicht, unter drückte aber jeden Wehlaut, weil er Kelly
H. G. Francis keinen noch so kleinen Triumph gönnen wollte. »Zieh mir meine Schuhe wieder an«, be fahl er mit gepreßter Stimme. Als der Robo ter diesem Befehl nachgekommen war, klet terte Axton in den Gleiter und rollte sich auf der hinteren Bank zusammen. »Ich will geweckt werden, wenn das Licht in der Wohnung Eppriks ausgeht«, sagte er leise. »Hoffentlich bewältigst du wenigstens diese Aufgabe.« Er wartete eine Antwort Kellys nicht ab, sondern schob sich ein Kissen über den Kopf und schlief fast augenblicklich ein. Vier Stunden später rüttelte der Roboter ihn wach. »Es ist alles dunkel«, sagte Kelly. Axton antwortete nicht. Er stieg so schnell aus der Kabine, als habe er über haupt nicht geschlafen. Wortlos schob er sich bis an die Abbruchkante vor. Es war na hezu windstill. Daher wurde auch kein ab schirmendes Prallfeld aufgebaut. Dieses hät te Axton außerordentlich behindert, so aber konnte er sich frei auf dem Sockel bewegen. Er schickte den Roboter vor und vergewis serte sich mit Hilfe von dessen Infrarotein richtungen, daß sich tatsächlich niemand im Salon des Industriellen und im Salon Eppriks befand. Erst dann kroch er hinter Kelly her, der sich flach auf den Sockel ge legt hatte. Auf diese Weise hob er sich kaum gegen den dunklen Schatten ab, den eine Gewächsbank hinter den Scheiben warf. Axton strich mit einem nadelspitzen Säu restift an der Glasfront entlang und schnitt auf diese Weise ein quadratisches Stück her aus, so daß eine Öffnung entstand, die gera de groß genug für ihn war. Während Kelly die Scheibe festhielt, kroch Axton mühsam in den Salon. Dabei mußte er mehrere Pau sen einlegen, weil ihm die Luft knapp wur de. Als der Verwachsene endlich in der Woh nung war, drückte Kelly die Scheibe wieder in die Öffnung und stützte sie provisorisch ab. Axton hoffte, daß jemand, der zufällig in den Raum kam, dadurch nicht sofort auf die
Im Dienst Orbanaschols Lücke im Glas aufmerksam werden würde. Geräuschlos schlich er auf eine Tür zu, die zu einem Nebenraum führte. Er versuch te, sie zu öffnen, aber sie widerstand seinen Bemühungen. Eilig kehrte er zu Kelly zu rück. »Ich möchte die ID-Daten von Epprik.« Der Roboter legte das Glas zur Seite und reichte Axton eine kleine Spule, auf der er die Daten des Ingenieurs aufgezeichnet hat te. Es war nicht weiter schwierig gewesen, sie Epprik zu nehmen. Während Axton an geregt mit ihm geplaudert hatte, hatte der Roboter hinter seinem Rücken die IDSpeicher der Türen des Bungalows ange zapft. Das hatte genügt. Als Kennon nun zu der Tür zurückkehrte, glitt diese vor ihm zur Seite. Er betrat einen dunklen Raum. Als er seine Hand an eine Kontaktscheibe an der Tür legte, leuchteten Deckenplatten auf und erhellten das Zim mer. Axton erkannte augenblicklich, daß er sich im Büro des Ingenieurs befand. Es war etwa fünfzig Quadratmeter groß und enthielt neben zwei Arbeitstischen positronische Speichergehirne und Komputer. An den Wänden waren Zeichnungen und Skizzen des Robotriesen befestigt, der auf dem Kriegsplaneten entstand. Axton überprüfte die Tür, durch die er hereingekommen war, und stellte fest, daß an der Unterkante Licht in den Salon hin durchschimmerte. Er legte zwei Kissen da vor und dunkelte den Spalt so ab. Danach konzentrierte er sich auf die Si cherheitseinrichtungen, die sich zweifellos hier befanden. Schon nach kurzer Zeit hatte er die beiden positronisch gekoppelten Sy steme ausgemacht. Eine Kamera hatte be reits eine Aufzeichnung von ihm gemacht. Er löschte den Magnetfilm und versah das Überwachungssystem mit einem miniaturi sierten Funkkodator, mit dem er es später wieder in Betrieb setzen konnte, wenn er das Büro verlassen hatte. Auch das zweite System bereitete ihm keine großen Schwierigkeiten. Es war mit der Hauptpositronik gekoppelt und wurde
23 durch alle ID-Daten aktiviert, die von denen Eppriks abwichen. Lebo Axton lächelte. Nur ein Mann wie Epprik, der sich abso lut sicher fühlte, konnte derart einfache Si cherungen einsetzen. Ein anderer, der stän dig damit rechnen mußte, vom Geheim dienst überprüft zu werden, hätte ganz ande re Maßnahmen ergriffen. Doch sah der Terraner darin keineswegs den Beweis für die Unschuld Eppriks. Der Grund für den Leichtsinn des Ingenieurs lag allein darin, daß er sich als Günstling des Imperators für unangreifbar hielt. Axton begann nun mit einer systemati schen Untersuchung der Hauptpositronik und der in ihr gespeicherten Daten. Wieder um kamen ihm dabei seine Erfahrungen zu gute, die er im jahrhundertelangen Dienst für die USO gewonnen hatte. Die Positronik war im Vergleich zu jenen Geräten, die die United Stars Organisation verwendet hatte, geradezu simpel, auch hier gab es nur Si cherheitsvorkehrungen, die mit Hilfe der IDDaten von Epprik durchbrochen werden konnten. Axton hatte sich an einige private Notie rungen herangearbeitet, als er ein Geräusch von nebenan vernahm. Augenblicklich schaltete er die Positronik aus, eilte zur Tür, löschte das Licht und zog sich mit den bei den Kissen hinter einen Schrank zurück. Kaum hatte er ihn erreicht, als sich die Tür öffnete. Eine junge Frau, die nur dürftig gekleidet war, trat ein. Sie schaltete das Licht an und blickte sich suchend um. Of fensichtlich war sie durch irgend etwas auf merksam geworden. Erschreckt bemerkte Axton, daß sein IDKodator noch auf der Hauptpositronik lag. Ihm erschien es so, als gingen von ihm Si gnale aus, die einfach nicht zu überhören waren. Die Arkonidin ging zur Positronik hin über und legte ihre Hand auf den Kodator. Sie betrachtete ihn und schob ihn zur Seite. Lautlos trat Axton einige Schritte zur Sei te und ließ sich dann zu Boden sinken. Nun
24 befand er sich hinter einem Arbeitstisch. Er hörte, daß sich ihm Schritte näherten. An der Seitenkante des Verstecks vorbei konnte er den zierlichen Fuß der Frau sehen. Diese blieb keine zwei Meter von ihm ent fernt stehen. Er hielt den Atem an und zog die Beine so eng an den Körper, wie es eben ging. Wenn man ihn hier in der Wohnung Eppriks entdeckte, dann hatte er keine Chan ce mehr. Man würde ihn noch nicht einmal anhören. Die Frau seufzte, und ihr Haar knisterte, als sie es mit den Händen in den Nacken zu rückstrich. Sie wandte sich ab und entfernte sich von ihm. An der Tür blieb sie jedoch er neut stehen und lauschte. Axton hatte das Gefühl, sie müsse sein laut pochendes Herz hören. Er spürte, wie es in seinem Hals zu krat zen begann. Ein unerträglicher Hustenreiz überfiel ihn, der sich von Sekunde zu Sekun de steigerte. Er atmete mit weit geöffnetem Mund und konzentrierte sich völlig darauf, nicht zu husten. Da endlich fiel die Tür zu. Das Licht ging aus. Leichte Schritte entfernten sich. Lebo Axton krümmte sich in höchster Atemnot auf dem Boden zusammen, preßte das Gesicht in die Armbeuge und hustete vorsichtig. Der Anfall überkam ihn jedoch so heftig, daß er schon wenig später jegliche Kontrolle über sich verlor und wild hustete, um nicht zu ersticken. Danach blieb er keuchend auf dem Boden liegen. Das Blut rauschte in seinen Schläfen. Er glaubte, daß nun alles verloren sei. Die Frau mußte ihn doch gehört haben. Aber alles blieb still. Axton ließ einige Minuten verstreichen, bis er sich wieder etwas erholt hatte. Dann eilte er an die Tür, schaltete das Licht ein und legte die Kissen vor den Türspalt. Alle Nervosität fiel von ihm ab, als er zur Po sitronik zurückkehrte. Ein Blick auf sein Chronometer belehrte ihn darüber, daß er höchstens noch zwei Stunden bis zum An bruch der Dämmerung hatte. Spätestens zu
H. G. Francis diesem Zeitpunkt aber mußte er sich zurück ziehen. Er nahm seine Ermittlungen an der Stelle wieder auf, an der er unterbrochen worden war. Es ging um die privaten Notizen Eppriks. Er arbeitete konzentriert und schnell, ließ die Informationen an sich vor beiziehen und vergaß sofort wieder, was ihm unwichtig erschien. Dann aber glaubte, er, von einem elektri schen Schlag getroffen worden zu sein. Epprik kennzeichnete einen Magnetspei cher mit dem Wort Methankontakte! Axton überwand seine Erregung rasch und rief die angezeigten Informationen ab. Danach gelang es ihm allerdings nicht mehr, ruhig zu bleiben. Epprik erklärte, daß er Kontakte mit den Methanatmern gepflegt hatte. Er schilderte die Verhandlungen mit den Maahks und be richtete, daß er ihnen das Angebot gemacht hatte, das Senktron-Sonnen-System an sie auszuliefern. Epprik eröffnete, daß er den Erzfeinden des arkonidischen Imperiums einen Termin mitgeteilt hatte, an dem das Sonnensystem von Verteidigungskräften vollkommen ent blößt gewesen war. Die Maahks hatten jedoch bereits zu ei nem früheren Zeitpunkt zugeschlagen. Es war ihnen aufgrund der Informationen Eppriks gelungen, das System zu erobern und die arkonidischen Verbände zurückzu schlagen. Die Verluste des Imperiums waren dabei, wie der Ingenieur betonte, äußerst ge ring gewesen. Als Axton so weit gekommen war, blickte er zufällig auf sein Chronometer. Erschreckt stellte er fest, daß er schon viel zu lange im Büro des Ingenieurs weilte. Draußen wurde es bereits hell. Er schaltete die Hauptpositronik sofort ab und löschte alle Spuren, die er hinterlassen hatte. Danach überprüfte er noch zweimal sorgfältig, ob er auch wirklich keinen Fehler gemacht hatte, und zog sich erst danach zu rück. Durch das Fenster fiel bereits das erste
Im Dienst Orbanaschols Sonnenlicht in den Salon. Axton eilte zu der Lücke, an der der Roboter noch immer war tete. Rasch öffnete er sie und kroch hin durch. Mit einer Spezialflüssigkeit ver schweißte er das Glas wieder, so daß es fu genlos verschmolz. Auch Verzerrungen blie ben nicht zurück. Vorsichtig schob sich der Verwachsene zum Gleiter, wobei er immer wieder in die Tiefe blickte. Mehrere Fluggeräte starteten von der Peripherie des Trichters aus. Axton und sein Roboter hatten jedoch Glück. Sie wurden nicht bemerkt. Der Verwachsene atmete erleichtert auf, als sie endlich wieder in ihrer Maschine sa ßen. Kelly startete augenblicklich. Mit hoher Geschwindigkeit raste er zum Wohntrichter, in dem Axton untergebracht war. Als Epprik von Arkon III zurückkehrte, lag Lebo Axton schlafend in seinem Bett.
* Ophma Talhud, der ihm seine Mitarbeit angeboten hatte, um seine eigene Haut zu retten, meldete sich bei Lebo Axton, als die ser frühstückte. Der Verwachsene lehnte es jedoch ab, mit ihm in der Wohnung zu sprechen, weil er befürchtete, daß hier verborgene Abhöranla gen vorhanden waren. »Nehmen wir Ihren Gleiter«, schlug er vor. Er wies den Roboter, der ihn begleiten wollte, zurück. Wenig später schwebten sie in der Ma schine Ophma Talhuds über eine Landschaft hinweg, die der eines fremden Planeten nachempfunden war. In natürlich wirkenden Teichen bewegten sich farbenprächtige Fi sche von erstaunlicher Größe. »Also, Ophma Talhud, was haben Sie über Avrael Arrkonta herausgefunden?« fragte Axton. Er war sich darüber klar, daß auch in dieser Kabine Anlagen vorhanden waren, mit deren Hilfe Talhud seine Worte aufzeichnete. Eine Begegnung unter Bedin gungen, unter denen keine Aufzeichnungen stattfinden konnte, erschien jedoch unmög
25 lich. Axton konnte gehen, wohin immer er wollte. Ophma Talhud konnte mit Hilfe von heimlichen Beobachtern und Richtmikro phonen an jeder Stelle festhalten, was be sprochen wurde. Also kam es für Axton le diglich darauf an, nichts auszusagen, was verfänglich war. »Arrkonta ist ein Ehrenmann.« »Natürlich.« »Sie glauben mir nicht?« »Warum so aggressiv, Talhud?« »Ich habe gesagt, daß Arrkonta über jeden Zweifel erhaben ist. Und las ist er auch. Es gibt keinen dunklen Punkt in seinem Le ben.« »Das freut mich.« »Er hat ausgezeichnete Verbindungen zum Hof, kann jedoch nicht gerade ein Günstling genannt werden.« »Womit macht er seine Geschäfte?« »Er ist ein ranghoher Offizier, der viele Ehrungen erfahren hat. Er besitzt einen Pla neten, der hohen Profit abwirft.« »Landwirtschaft?« »Natürlich nicht. Ihm gehört unter ande rem ein Unternehmen, das Positronikgehirne herstellt.« »Interessant. Wer sind seine Abnehmer?« »Ausschließlich das Imperium.« »Arbeitet er auch für das Projekt auf Ar kon III?« »Sie wissen davon?« »Lieber Talhud, ich bin von dem Inge nieur Epprik eingeladen worden, die Bau stelle zu besichtigen. Also?« »Arrkonta liefert wesentliche Teile für das Projekt auf dem Kriegsplaneten. Schon das sollte Ihnen beweisen, daß er ein absolut zuverlässiger Mann ist. Dennoch wird er ständig überwacht. Es ist einmal vorgekom men, daß bereits vorprogrammierte Bauteile nach Arkon III geliefert wurden, aber Arr konta konnte beweisen, daß er nichts damit zu tun hatte.« »Hat man herausfinden können, wer ver sucht hat, auf diese Weise Einfluß auf das entstehende Hirn zu nehmen?« »Einer meiner Freunde. Er war ein An
26 hänger des verunglückten Gonozal und sei nes Sohnes Atlan.« Lebo Axton blickte den alten Arkoniden überrascht an. Er hatte nicht damit gerech net, ein solches Geständnis von ihm zu er halten. »Sie hätten es ohnehin herausgefunden«, erläuterte Talhud seine Worte, ohne daß Ax ton ihn gefragt hätte. »Nun, dieser Fall interessiert mich nur am Rande«, sagte Axton sanft. »Avrael Arrkon ta aber erscheint mir wichtiger. Wer sind seine Freunde?« Ophma Talhud nannte zögernd einige Na men, unter denen auch Epprik war. »Epprik«, entgegnete der Verwachsene gedehnt. »Ich hatte Gelegenheit, ihn kennen zulernen. Er ist ein Mann, der mit beispiel hafter Begeisterung an dem positronischen Giganten arbeitet. Kein Wunder, daß er und Arrkonta sich kennen.« »Es heißt, daß Epprik Arrkonta das Leben gerettet hat«, bemerkte der Alte. »Erzählen Sie«, bat Axton. »Die beiden haben sich im Senktron-Sy stem zum ersten Mal gesehen. Soweit ich weiß, wurde Epprik von Orbanaschol dort hin geschickt. Epprik brachte Arrkonta mit seiner Raumjacht aus dem System heraus, kurz bevor es von den Methanatmern über rannt wurde.« Lebo Axton ließ sich nicht anmerken, wie sehr ihn diese Worte erregten. Das Senkt ron-System war von Epprik geopfert wor den. Er hatte es an die Maahks ausgeliefert. Nun aber sagte Ophma Talhud, daß der In genieur vom Imperator selbst in dieses Sy stem geschickt worden sei. Was bedeutete das? »Ich erinnere mich an das Senktron-Sy stem«, sagte der Terraner behutsam. »Es fiel den Methanatmern in die Hände. Eigentlich hatten diese es erstaunlich leicht, nicht wahr?« »Man ist sich heute darüber einig, daß wir es absichtlich geräumt haben. Ich vermute Orbanaschol wollte den Methans dort eine Falle stellen. Leider hat sein Plan nicht so
H. G. Francis funktioniert, wie er es gewünscht hat. Aber daran trägt Epprik sicherlich keine Schuld.« »Na gut, lassen wir das«, sagte Axton. Er tat, als langweile ihn das Gespräch über das Senktron-System, und er kam wieder auf Arrkonta zu sprechen. Tatsächlich überschlugen sich seine Ge danken förmlich. Er wußte, daß Epprik mit den Methanatmern verhandelt hatte. Der In genieur hatte ihnen das Sonnensystem ange boten. Hatte er aus freien Stücken gehandelt oder hatte er es im Auftrag des Imperators getan? Das war die entscheidende Frage. Axton mußte eine Antwort darauf finden. Er spürte, daß der Boden, auf dem er stand, immer brüchiger wurde. Hatte Epprik tatsächlich Verrat geübt? Wenn Ophma Talhud, ein Mann, der ohne großen Einfluß beim Hof war, darüber infor miert war, daß Epprik in dem Senktron-Sy stem gewesen war, dann mußten es auch an dere wissen. Der geheimnisvolle Bure Fern stel beispielsweise. Axton schätzte diesen Arkoniden hoch ein. Er hielt ihn für einen äußerst gefährli chen Geheimdienstmann, der ausgezeichnet kombinieren konnte. Sollte diesem Mann tatsächlich verborgen geblieben sein, daß Epprik die Möglichkeit gehabt hatte, mit den Maahks zu verhandeln? Ausgeschlossen, entschied Axton. Er muß es gewußt haben. Auch Orbanaschol III. muß eingeweiht gewesen sein. Es konnte nur ein Plan gewe sen sein, mit dem man die Maahks hatte ent scheidend schwächen wollen. Eine Entdeckung, die ihm zunächst als geradezu sensationell erschienen war, verlor damit ihren Wert. Nur eine Möglichkeit blieb noch: Epprik hatte zwar im Auftrag des Impera tors gehandelt, aber dennoch nicht in seinem Sinne. Er konnte das Vertrauen Orbana schols mißbraucht und die Maahks zu einem Zeitpunkt herbeigeführt haben, zu dem nur sie gewinnen konnten. Eine Antwort auf die sich ergebenden
Im Dienst Orbanaschols Fragen konnte er nur bekommen, wenn er abermals in die Privaträume des Ingenieurs eindrang und seine Untersuchungen an der Hauptpositronik fortsetzte. Axtons Entschluß stand fest. Er mußte mehr über Epprik in Erfahrung bringen. Nur so konnte er herausfinden, wel che Pläne Bure Fernstel wirklich verfolgte. Die Zeit drängte. Bure Fernstel konnte stündlich auf Arkon I eintreffen. Schon bei seiner ersten Begeg nung mit ihm mußte er seine Karten auf den Tisch legen, Karten, von denen er nicht wußte, wie sie aussehen mußten, damit sie Bure Fernstel recht waren. Er schüttelte die Gedanken an Epprik und Bure Fernstel ab, und er konzentrierte sich wieder auf den Bericht über Avrael Arrkon ta. In diesem glaubte er, einen Mann sehen zu können, mit dem er irgendwann in naher Zukunft wirksam zusammenarbeiten konnte. Hartnäckig befragte er den alten Arkoni den weiter.
5. Kennon-Axton ließ sich zweihundert Me ter von seiner Wohnung entfernt absetzen. Er ging langsam auf das Trichtergebäude zu. »Liebling, ich sehe, daß dich der Fußmar sch anstrengt«, sagte Roboter Kelly. »Soll ich dich nicht lieber tragen?« »Ich habe dir verboten, mich Liebling zu nennen.« »Ich habe es vergessen«, behauptete der Automat. Axton lachte schrill. »Das zahle ich dir heim. Du kannst dich darauf verlassen.« Er blieb stehen und be fahl dem Roboter mit einer knappen Geste, sich auf den Boden zu knien. Er stieg auf den Rücken der Maschine und ließ sich den Rest des Weges tragen. In der Vorhalle des Trichterbaus ließ er sich jedoch absetzen. Außer ihnen hielt sich niemand hier auf. Le bo Axton befahl dem Roboter, einige Sekun den zu warten, und ihm erst dann im auf wärts gepolten Antigravschacht zu folgen.
27 Als er das Stockwerk erreicht hatte, in dem seine Wohnung lag, blickte er nach un ten. Der Roboter erschien gerade in der Röh re. Axton grinste. Er zögerte einen kurzen Moment, dann unterbrach er den Stromkreis, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß Kelly allein im Schacht war. Der Roboter stürzte augenblicklich ab. Er fiel ungefähr zwanzig Meter in die Tiefe und prallte krachend auf den betonierten Boden. Der Terraner schaltete den Lift wieder ein. Kelly schwebte nach oben. Ohne sich um ihn zu kümmern, begab sich Axton in seine Wohnung, verschloß die Tür jedoch nicht. Er lag bequem in einem Sessel und hielt ein Glas mit einer braunen, angenehm duftenden Flüssigkeit in der Hand, als der Roboter eintrat. Axton lachte. »Kelly«, sagte er. »Wie siehst du aus!« »Ich bin abgestürzt, Herr.« »Du hast dir deine Beine vollkommen verbogen.« »Ich muß neue Beine haben, Herr.« »Warum? Du hast jetzt ein O- und ein XBein. Ich habe nie zuvor einen derart häßli chen Roboter gesehen. Glaubst du, ich wür de das ändern?« »Dazu hinke ich auch noch, Herr.« »Das geschieht dir recht, du Blechheini.« »Warum hast du das getan?« »Was? Was soll ich getan haben?« »Ich bin zu dem rechnerischen Ergebnis gekommen, daß nur du für den Ausfall des Antigravfeldes verantwortlich sein kannst.« »Nun gut. Warum sollte ich das nicht zu geben. Ich wollte wissen, ob du fliegen kannst.« Kelly blickte in einer menschlich wirken den Gebärde an sich herab. Seine Beine wa ren allerdings in beängstigender Weise ver bogen. Er sah wie ein Wrack aus. »Ich kann nicht fliegen, Herr. Ich bin nur eine seelenlose Maschine.« »Das erscheint mir maßlos übertrieben. Wer, wie du, Frechheit an Frechheit reiht, und sich erlaubt, mich Schätzchen oder Liebling zu nennen, der kann nicht so see
28 lenlos sein, wie er behauptet.« »Ich bin lediglich von meinem vorherigen Herrn vorprogrammiert worden. Er liebte dreiste Antworten.« »Dann nimm zur Kenntnis, daß ich sie hasse.« »Ja, Schätzchen.« Lebo Axton fiel das Glas aus der Hand. Kelly bückte sich sofort, um es aufzuneh men. Er füllte es erneut und nahm danach die Flüssigkeit auf, die sich auf den Teppich ergossen hatte. »Seelenlose Maschine! Daß ich nicht la che! Positronische Denkprozesse sind be kanntlich mit Energieumsetzung verbunden, ist das richtig, Kelly?« »Vollkommen, Herr. Ich errate, was Sie damit sagen wollen. Darf ich reden?« »Mir scheint, ich habe dir doch ein wenig Respekt beigebracht. Also, bitte. Ich höre.« »Sie gehen von der Überlegung aus, daß Gehirnwellen Energie sind. Energie ist, ei nem Grundgesetz der Physik zufolge, unver gänglich. Daraus ist zu schließen, daß der menschliche Geist, vielleicht auch die Seele, unvergänglich sind, sofern sie auf Energie beruhen.« Kennon-Axton wurde blaß. »Was für Gedanken für einen Roboter. Weiter. Was glaubst du noch, in die Welt setzen zu müssen?« »Sie schmeicheln mir, Herr.« »Wir bleiben beim du, du Trottel.« »Sehr wohl, Herr. Denkenergie oder auch Psi-Energie wird im Bereich quantenmecha nischer Prozesse wirksam. Sie läßt sich mit den bisher erarbeiteten physikalischen Ge setzen nicht eindeutig erklären, steht aber, wie man vermutet, in einem engen Zusam menhang mit Materie und Antimaterie.« »Woher hast du das?« fragte Axton scharf. Roboter Kelly hatte Erkenntnisse ausgesprochen, die terranische Wissen schaftler erst Jahrtausende später erarbeiten sollten. Im arkonidischen Imperium waren derartige Überlegungen unbekannt geblie ben. »Es sind Theorien, die mein bisheriger
H. G. Francis Herr entwickelt hat. Er wurde erschossen.« »Aber seine Gedanken leben weiter? Das meinst du doch? Willst du etwa behaupten, sie hätten sich an deine Positronik geheftet und dich sozusagen beseelt?« »Ich bedaure, daß ich nicht lächeln kann, Herr. Ich bin nichts als eine seelenlose Ma schine. In diesem Zusammenhang darf ich die Befürchtung aussprechen, daß meine Po sitronik bei dem Absturz beschädigt wurde.« »Du meinst, bei dir seien ein paar Schrau ben locker?« »Schrauben wurden bei meiner Konstruk tion nicht verwendet, aber sinngemäß ist das richtig, was du gesagt hast.« »Ich kann dich beruhigen, du Nervensäge. Die Schrauben waren schon vorher locker. Und jetzt laß mich in Ruhe. Ich will schla fen. Weck mich, wenn es dunkel ist. Bis da hin bin ich für niemanden zu sprechen. Auch nicht für Orbanaschol.« Axton erhob sich und ging mit nach schleifenden Füßen aus dem Raum. Er war beunruhigt. Der Roboter war keineswegs primitiv, sondern stand auf einer weit höhe ren Entwicklungsstufe, als er erwartet hatte. Er war anderen Robotern deutlich überlegen. Axton fragte sich, ob er nun einen Glücksgriff getan hatte, als er den Kopf auf dem Schrottplatz aufgenommen hatte, oder ob er dabei Pech gehabt hatte. In der Tür blieb er, stehen und blickte zu rück. Er grinste sardonisch. »Du siehst entzückend aus mit deinen ver bogenen Beinen, Liebling«, sagte er mit süß licher Stimme. »Ich bedaure, dir mitteilen zu müssen, daß die Ironie deiner Worte bei mir keine Emo tionen auslöst, Schätzlein«, erwiderte der Automat mit monotoner Stimme. »Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich bin ledig lich zu logischen Überlegungen fähig.« Kennon zog sich hastig zurück.
* Wiederum gelang es ihm mühelos, durch die Scheibe in den Wohnsalon Eppriks zu
Im Dienst Orbanaschols kommen. Und abermals öffnete sich die Tür zum Arbeitsraum des Ingenieurs, ohne daß dabei ein Alarmsignal ausgelöst wurde. Als Axton jedoch eintreten wollte, hörte er gedämpftes Gelächter aus einem der an deren Räume. Beunruhigt blieb er stehen. Hatte er sich geirrt? Epprik hatte ihm doch während der Besichtigung auf dem Kriegs planeten mitgeteilt, daß er an diesem Abend auf Arkon III sein würde. Sollten dennoch Gäste im Haus weilen? Er betrat den Ingenieurraum, schaltete das Licht ein und eilte sofort zur Hauptpositro nik. Ohne sich lange mit vorbereitenden Ar beiten aufzuhalten, begann er, seine Unter suchungen dort fortzuführen, wo er sie hatte unterbrechen müssen. Erst später erinnerte er sich daran, daß er die Überwachungska meras manipulieren mußte. Er holte diese Sicherheitsmaßnahme nach, ohne dabei viel Zeit zu verlieren. Hin und wieder kehrte er zur Tür zurück und horchte. Zweifellos hatte sich in einem der anderen vierundzwanzig Räume der Wohnung eine Gesellschaft zusammenge funden. Axton fertigte sorgfältig mehrere Auf zeichnungen an, die er notfalls als Beweise zu benutzen gedachte, bevor er sich intensi ver mit den Maahk-Kontakten Eppriks be faßte. Innerhalb einer Stunde sammelte er alle Informationen, die dazu in der Positronik vorhanden waren. Danach hatte sich das, was sich als Sensation angelassen hatte, weitgehend in Luft aufgelöst. Seine Vermutung war richtig gewesen. Epprik hatte im Auftrag Orbanaschols ge handelt. Daran konnte es keinen Zweifel mehr geben. Mit diesem Einsatz war er also nicht zu packen. Doch Kennon-Axton gab nicht auf. Er sagte sich, daß Bure Fernstel einen triftigen Grund gehabt haben mußte, als er ihn auf Epprik angesetzt hatte. Die Maahk-Kontakte konnten es nicht gewesen sein. Er forschte weiter. Und endlich, nach etwa zwei Stunden här
29 tester Konzentrationsarbeit, fand er die Spur, die er gesucht hatte. Aus den positronischen Aufzeichnungen ließ sich eine verschlüsselte Information herausfiltern, nach der Epprik ein wichtiger Mitarbeiter Gonozals VII. gewesen war. Diese Tatsache war jedoch nur einem klei nen Kreis von Eingeweihten bekannt gewe sen. Jetzt endlich bekamen die Nachforschun gen Kennons ein anderes Gesicht. Das Dun kel begann sich zu lichten. Der Terraner nahm die Spur auf. Er stieß auf eine Aufzeichnungsschleife, auf der Epprik klar aussagte, daß Gonozal VII. ermordet worden war. Er wies Behaup tungen, es habe sich um einen Unglücksfall gehandelt, energisch zurück. Und er betonte, daß der Sohn Gonozals, Kristallprinz Atlan, allein einen Anspruch auf den Thron des Im perators habe. Diese Bemerkung allein genügten bereits, Epprik zu vernichten. Mehr brauchte Ken non nicht. Es hätte ausgereicht, Bure Fern stel diese Informationen zugänglich zu ma chen. Danach hätte der Geheimdienstler den Günstling Orbanaschols mühelos stürzen können. Doch Axton gab noch nicht auf. Er wollte mehr wissen. Und er hatte wiederum Glück. Schon we nig später kam erneut eine nach dem glei chen Kode verschlüsselte Information aus der Positronik. Nach eigenem Geständnis hatte Epprik einen einflußreichen Politiker, der ein fanatischer Anhänger Orbanaschols war, mit einer Intrige zu Fall gebracht. Es war ihm gelungen, dafür einen anderen Mann am Hof einzuschleusen, der eindeutig auf Seiten Atlans stand. Als Axton eine Notiz über Atlan las, in der Epprik bedauerte, daß dieser noch im mer nicht eindeutig als Gegner Orbana schols identifiziert worden sei, wurde es im Nebenraum laut: Der Terraner erstarrte vor Schreck. Deutlich hörte er Gelächter und laute Männerstimmen.
30 Gedankenschnell schaltete er die Positro nik ab, schob sich alle beschrifteten Folien unter die Jacke, beseitigte alle Spuren, so gut es ging, und löschte das Licht aus. Danach tastete er sich an einen niedrigen Schrank heran, der in einer Ecke stand. Er öffnete ihn und fand, daß darin genügend Platz für ihn vorhanden war. Er stieg hinein und zog die Tür halb hinter sich zu. Dann horchte er. Den Stimmen nach, die er hören konnte, hielten sich im Salon wenigstens zwanzig Männer und Frauen auf. Sie schienen alle ausgelassener Stimmung zu sein. Einige Ma le konnte er klar die Stimme Eppriks identi fizieren. Er war überrascht, daß der Ingenieur im Hause war, aber er war noch nicht beunru higt. Das aber änderte sich schlagartig, als der Name Orbanaschol fiel! Kennon-Axton war, als gebe der Boden unter seinen Füßen nach. Sollte der Impera tor Arkons tatsächlich im Nebenraum sein? Konnte es möglich sein, daß der Todfeind Atlans in seiner unmittelbaren Nähe weilte? Maßlose Erregung überfiel ihn. Er hielt es nicht mehr lange im Schrank aus, sondern eilte zur Tür und preßte sein Ohr dagegen. Er konnte die Stimmen klar und deutlich hö ren. Und wieder fiel der Name des Impera tors. Unmittelbar darauf sprach ein einzelner Arkonide. Im Salon wurde es still. Axton fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken lief. Jetzt war er ganz sicher, daß ihn nur wenige Schritte von dem mächtigsten Mann Arkons trennten, von dem Mann, der den Befehl gegeben hatte, Atlan zu ermor den. Seine Hand krallte sich um den Strahler an seiner Seite. Er war versucht, die Tür zu öffnen und blitzschnell auf Orbanaschol zu feuern. Er wußte, daß er ihn töten konnte. Was aus ihm werden würde, spielte keine Rolle. Er wußte noch nicht einmal, ob er wirklich in diesem Universum sterben konn te. Aber er wußte, daß er den Imperator tö ten konnte. Damit würde er fraglos einen un-
H. G. Francis geheuren Eingriff in die arkonidische Ge schichte vornehmen. Er würde die Vergan genheit, die für ihn Gegenwart war, grundle gend beeinflussen, ohne die Konsequenzen übersehen zu können. Durfte er Orbanaschol überhaupt töten? Axton zwang sich zur Ruhe. Ging es denn wirklich um eine geschicht liche Notwendigkeit? Und wie würde für ihn die Zukunft aussehen? Die zweite Frage ließ sich leicht beant worten. Man würde ihn erschießen, sobald er den Imperator ermordet hatte. Damit war sein Intermezzo in dieser Zeit zu Ende. Und was hatte er erreicht? Nicht mehr als den Tod Orbanaschols, ohne daß er dabei wußte, ob dieser Tod Atlan wirklich half. War es nicht wichtiger, wirklichen politi schen Einfluß am Hof zugewinnen und At lan so den Weg nach Arkon zu ebnen? Wa ren die Vorteile für den Kristallprinzen nicht ungleich größer, wenn es ihm – Kennon – gelingen sollte, eine echte Position der Macht zu erringen? Kennon ließ seine Hand sinken. Er fuhr sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn. Die Versuchung war groß, eine scheinbar einfache Lösung zu wählen. Aber die Entscheidung wäre falsch gewesen. Nachdenklich tastete er sich bis zum Schrank vor. Er fühlte die Tür zwischen sei nen fingern, als die Tür zum Salon aufglitt und Licht in den Raum fiel. Lautlos sprang er in den Schrank und zog die Tür hinter sich zu. Sie schloß sich nicht ganz. Ein Spalt blieb offen. Kennon-Axton konnte Orbanaschol III. sehen, der im Durchgang zum Salon stand und ein gefülltes Glas in den Händen hielt. »Gun«, rief der Imperator mit einer Stim me, die keinen Widerspruch duldete. »Ich möchte deinen Arbeitsraum besichtigen. Hast du etwas dagegen?« Epprik lachte und schaltete das Licht ein. »Wie könnte ich!« sagte er. Der Herrscher über das arkonidische Im perium trat ein, und sein Gefolge drängte sich hinter ihm in den Raum.
Im Dienst Orbanaschols Lebo Axton preßte sich in den Schrank und versuchte, die Tür noch etwas weiter zu zuziehen. Es ging nicht. Irgend etwas klemmte. Mit größtem Unbehagen verfolgte der Terraner, wie Gun Epprik seine Gäste durch den Raum führte. Er mußte zugeben, daß der Ingenieur seine Arbeitswelt in einer interessanten und fast spannenden Art vor stellte. Dabei konnte er sich vorstellen, daß Epprik innerlich zitterte, obwohl die Aus sichten für Orbanaschol, irgend etwas Ver dächtiges zu finden, gering waren. Einige Arkonidinnen gruppierten sich in der Nähe Axtons und plauderten miteinan der. Sie waren teilweise so laut, daß Axton die Stimmen der Männer kaum noch hören konnte. Eine der Frauen konnte der Verwachsene durch den Türspalt hindurch sehen. Sie hielt eine Art Schoßhündchen auf dem Arm. Es sah aus wie ein violettes Wollbündel, bei dem vorn und hinten nicht zu erkennen war. Ungeduldig bewegte es sich auf ihren Ar men hin und her, bis es ihm endlich gelang, sich zu befreien und auf den Boden zu sprin gen. Jetzt sah Axton, daß es auf sechs Stum melbeinen lief, und er glaubte auch, unter dem flauschigen Pelz zwei wache Augen er kennen zu können. Das Tier eilte schnüffelnd zwischen den Schränken herum und kam Axton dabei im mer näher. Er spürte das Unheil herannahen und krallte seine Finger um eine Leiste an der Innenseite der Schranktür. Er zog die Tür so fest an sich, wie es eben ging. Doch das genügte nicht. Das Wollbündel erschien plötzlich vor dem Schrank, und Axton spürte, daß es an einem Zipfel seiner Blusenjacke zerrte. Plötzlich wußte er, weshalb die Tür sich nicht schließen ließ. Er packte die Jacke mit der freien Hand und riß heftig daran. Damit forderte er den Spieltrieb des Tieres jedoch nur heraus. Es wollte sich den Stoffzipfel nicht nehmen lassen, knurrte und jaulte laut und stemmte sich mit allen sechs Beinen ge gen den Boden. Die männlichen Stimmen näherten sich.
31 Sie wurden so laut, daß Lebo Axton Epprik bereits heraushören konnte. Mit wachsender Verzweiflung versuchte er nun, seinen Jackenzipfel zu bergen. Je mehr er sich jedoch bemühte, desto lauter wurde das Tier der Arkonidin. Als Orbanaschol und Epprik höchstens noch anderthalb oder zwei Meter von ihm entfernt sein konnten, sah er endlich ein, daß er sich falsch verhielt. Er lockerte den Griff und gab ein wenig mehr von seiner Jacke frei. Damit konnte er das Tier jedoch nicht besänftigen. Es jaulte triumphierend auf und kämpfte nun noch eifriger um einige weitere Zentimeter Stoff. Lebo Axton rann der Schweiß in die Au gen. Die Kehle schnürte sich ihm zu. Er wußte, daß er verloren hatte. Mit einem energischen Ruck, dem selbst ein wesentlich stärkeres Tier nicht hätte wi derstehen können, brachte er den Jackenzip fel an sich. Dabei flog das Pelzbündel mit der Nase gegen die Schranktür und gab den Stoff frei. Quiekend rannte es zu seiner Her rin zurück. Lebo Axton sah, daß sich eine Hand um die Schranktür legte. Sie befand sich direkt vor seinen Augen. Er griff zu seinem Energiestrahler und zog ihn aus den Gürtel. Leise klickend flog der Sicherungsbügel zur Seite. Vor dem Energiefelsprojektor entstand ein kaum sichtbares Flimmern. Die Fingerspitzen an der Schranktür preß ten sich so fest um das Kunststoffmaterial, daß sie sich weißlich verfärbten. Axton hielt unwillkürlich den Atem an. Er spannte die Muskeln und bereitete sich dar auf vor, sich mit einem energischen Satz aus dem Schrank zu werfen. Sein Ziel konnte nur Orbanaschol III. sein. Unter diesen Um ständen mußte er versuchen, den Imperator zu töten. Er hatte keine andere Wahl, denn in einigen Sekunden mußte seine Expedition ins Arkon des jungen Atlan zu Ende sein. Er vernahm die Stimmen der Männer und Frauen, als ob sie durch Watte gedämpft würden. Sie schienen immer weiter von ihm
32 abzurücken, und dennoch merkte er, daß keine noch so kleine Pause in den Gesprä chen eintrat. Das war ihm ein sicheres Zei chen dafür, daß der Mann, der die Schrank tür in der Hand hielt, sich nicht mit den an deren verständigte. Er ließ die anderen nicht wissen, daß er etwas entdeckt hatte. Da lösten sich die Finger von der Tür. Ei ne Faust schlug von außen dagegen, und die Tür schloß sich krachend. Lebo Axton registrierte, daß sich jemand gegen den Schrank lehnte. Er glaubte, diesen Mann bildlich vor sich zu haben, wie er die Arme vor der Brust verschränkte und sich mit den anderen unterhielt, als sei nichts vorgefallen. Dieser Mann konnte nur Gun Epprik sein! Fraglos wußte der Ingenieur, wer in dem Schrank steckte. Wenn er nur einigermaßen logisch denken konnte, dann mußte er sich darüber klar sein, daß ein normal gewachse ner Mann darin keinen Platz fand. Lebo Axton ließ die Waffe sinken. Der Sicherungsbügel schnappte wieder herum. Das Flimmern verschwand. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn, während für Sekunden die Umwelt völlig zu versinken schien. Er hörte die Stimmen wie aus unendlicher Fer ne, so als ob sie ihn überhaupt nichts mehr angingen. Warum hatte Epprik den Schrank nicht aufgerissen und ihn herausgezerrt? Waren ihm Zweifel darüber gekommen, ob Orbanaschol ihm wirklich noch bedin gungslos vertraute? Axton atmete tief durch. Er lehnte den Kopf zurück, bis er die Rückwand berührte. Vor seinen Augen begann es sich zu drehen. Er wußte, daß er für einige Minuten sicher war. Wenn Epprik den Schrank nicht gleich geöffnet hatte, dann würde er es auch nicht mehr tun, solange der Imperator noch in die sem Raum war. Oder doch? Oder sollte Epprik versuchen, Orbana schol unauffällig aus dem Raum zu lenken, um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen?
H. G. Francis Stand der Ingenieur vielleicht jetzt schon mit angeschlagener Waffe vor dem Schrank? Kennon schloß die Augen. Voller Entset zen spürte er, daß sich seine Wadenmuskeln zu verkrampfen begannen. Allzu lange be fanden sie sich nun schon in einer ungünsti gen Stellung, in der sie nicht genügend durchblutet wurden. Er wußte aus Erfahrung, daß es nur eine Möglichkeit gab, einen Krampf in den Wa den zu lösen. Er mußte die Beine strecken, oder nahezu unerträgliche Schmerzen in Kauf nehmen. Da er die Beine nicht ausstrecken konnte, ohne gleichzeitig die Schranktür aufzusto ßen, versuchte er, sich in einer Art JogaÜbung total zu entspannen. Die Umwelt schien in Unwirklichkeit zu entschwinden. Die Stimmen wurden leiser. Sie entfernten sich mehr und mehr von ihm, bis sie zu einem leisen Murmeln wurden. Schließlich wurde es still. Kennon-Axton erwachte aus seinem tran ceähnlichen Zustand. In seinen Beinmuskeln pochte das Blut. Draußen war es still. Die Gäste Gun Eppriks hatten sich in den Salon zurückge zogen. Damit wich die Spannung jedoch keineswegs von Axton. Nur die unmittelbare Lebensgefahr schien behoben zu sein. Axton versuchte, den Schrank zu öffnen, doch es gelang ihm nicht. Die Tür wider stand seinen Bemühungen, so sehr er sich auch anstrengte. Sie blieb geschlossen. Er tastete sie nach einer Verriegelung ab, fand jedoch keine. Nun warf er sich mit aller Kraft gegen die Tür, aber auch das half nichts. Schließlich mußte er einsehen, daß er festsaß. Epprik hatte ihn eingesperrt. Wiederum entspannte er sich. Aber dieses Mal war der Erfolg weniger groß. Der Krampf ließ sich nicht mehr aufhal ten. Kennon setzte alle Tricks ein, die er im Laufe seines langen Lebens kennengelernt hatte. Doch sein schwächlicher Körper sprach nicht darauf an. Sein Widerstand brach zusammen. Die
Im Dienst Orbanaschols Muskeln verkrampften. Er hatte das Gefühl, zwei überaus harte Schläge gegen die Wa den zu bekommen, und sein Gesicht verzerr te sich vor Schmerz. Zuckend stießen seine Knie gegen die Tür, ohne sie aufstoßen zu können. Kurz darauf näherten sich ihm Schritte.
6. Axton hörte es an der Tür klicken. Durch einen winzigen Spalt fiel Licht herein. Die Schritte entfernten sich wieder von ihm. Dann sagte eine laute, energische Stimme: »Kommen Sie heraus, Lebo Axton.« Der Verwachsene stieß seine flache Hand gegen die Tür. Sie gab nach, und er rollte aus dem Schrank. Er streckte sich augen blicklich aus, krümmte sich danach wieder zusammen, packte seine Füße und drückte die Beine durch. Fassungslos beobachtete Gun Epprik, wie Lebo Axton sich von seinen Wadenkrämp fen befreite. Der Ingenieur hielt einen schußbereiten Energiestrahler in der Hand. Damit, daß Axton keinerlei Anstalten mach te, ihn anzugreifen, schien er nicht gerechnet zu haben. Einige Minuten verstrichen, dann ließ sich der Verwachsene entspannt zurücksinken und lächelte. »So ein Wadenkrampf ist eine verdammt unangenehme Sache, Epprik«, sagte er in lockerem Plauderton. »Man ist völlig hilf los.« »Stehen Sie auf«, befahl der Ingenieur. »Aber ja doch, Epprik.« Lebo Axton bewegte sich vorsichtig, so daß Epprik ihn genau beobachten konnte. Er sollte sehen können, daß sein unerwünschter Besuch nicht zur Waffe griff. Gelassen kreuzte der Terraner die Arme vor der Brust. Sein Lächeln vertiefte sich. »Das war eine hübsche Überraschung, nicht wahr?« »Das meinen Sie, Axton«, erwiderte der Günstling Orbanaschols zornig. »Wäre der Imperator nicht in der Nähe gewesen, hätte
33 ich Sie augenblicklich erschossen.« »Das hätten Sie wirklich getan? Wie kann man nur!« spöttelte Axton. »Ein Mann wie Sie nimmt soviel Rücksicht auf den Mann, der Gonozal VII. ermordet hat.« Gun Epprik erbleichte, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Seine Waffe ruckte hoch, und zugleich wich er einen Schritt vor Axton zurück. »Der Günstling Orbanaschols weiß also etwas von den Vorgängen um den Tod Go nozals VII. Aber er schweigt. Warum? Will er den Mörder schützen, oder fühlt er sich gelähmt, weil er weiß, daß ein Mann namens Bure Fernstel alles über ihn weiß, was ihn selbst stürzen könnte?« »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« »Oh doch, Gun Epprik. Sie wollen es nur nicht wahrhaben.« Axton setzte sich auf einen Hocker. »Meinen Sie nicht, daß es an der Zeit ist, die Waffe wegzulegen?« »Ganz im Gegenteil, Lebo Axton! Ich werde Sie jetzt erschießen. Niemand wird mir deswegen etwas anlasten können. Sie sind ein Einbrecher, den ich überrascht habe. Ich bin berechtigt dazu, Sie zu töten.« »Wenn Sie das tun, dann müssen Sie aber auch Bure Fernstel umbringen und auch noch den Mann, den dieser unter Umständen über Sie eingeweiht hat. Und Sie müssen die Akte beseitigen, die beim Geheimdienst über Sie angelegt worden ist.« »Sie erbärmlicher Lügner. Niemand wür de es wagen, mich auch nur zu verdächtigen. Orbanaschol würde jeden beseitigen lassen, der es täte.« »Ich weiß, Epprik.« Kennon gab sich höchst gelassen. »Irgendwann aber ist auch eine solche Sicherheit einmal brüchig. Viel leicht ist das gerade jetzt der Fall? Wer weiß das schon?« Epprik war unsicher geworden. Er wußte sichtlich nicht, wie er sich entscheiden soll te. »Sie haben mein Vertrauen maßlos ent täuscht«, sagte er anklagend. »Wollen wir nicht endlich vernünftig mit einander reden, Epprik? Weshalb fragen Sie
34 mich nicht, was ich hier überhaupt gesucht habe? Vielleicht finden Sie dann heraus, daß wir Verbündete und sogar Freunde sein könnten.« Der Ingenieur blickte verächtlich auf ihn herab. »Freunde? Machen Sie sich nicht lächer lich.« »Also gut«, entgegnete Kennon seufzend. »Ich will Ihnen entgegenkommen. Sie waren so leichtsinnig, ein Geständnis in Ihrer Hauptpositronik niederzulegen.« »Ein Geständnis? Welch ein Unsinn.« »Ich verstehe eine Menge von solchen Apparaturen, Epprik. Und ich habe gefun den, was Sie darin festgehalten haben. So weiß ich, daß Sie ein Mitarbeiter Gonozals VII. waren und daß Sie auf Atlan, seinen Sohn hoffen. Auf Atlan, den Kristallprinzen, meinen Freund.« Jetzt endlich legte Epprik die Waffe zur Seite. Er sank in einen Sessel und blickte Axton fassungslos an. »Sagen Sie das noch einmal!« »Ich bin ein Freund Atlans. Der Grund meines Aufenthalts auf Arkon I besteht aus schließlich darin, ihm zu seinem Recht zu verhelfen. Ich will ihm den Weg zur Macht ebnen. Nicht mehr und nicht weniger. Sie sind der erste, dem ich das mitteile, weil ich von Ihnen weiß, daß Sie das gleiche Ziel ha ben wie ich. Ihre Möglichkeiten sind nur be dauerlicherweise bescheidener als meine.« »Sie gestatten, daß ich lache? Ihre Mög lichkeiten? Axton, Sie sind erledigt. Sie ha ben überhaupt keine Möglichkeiten mehr.« »Sie irren sich, Epprik. Ich bin vom Ge heimdienst des Imperiums, vertreten durch Bure Fernstel, auf Sie angesetzt worden. Der Geheimdienst ist über Sie informiert.« »Warum sollte er Sie dann auf mich ge hetzt haben? Das wäre doch Unsinn.« »Keineswegs. Man hat mich verhört, aber ich konnte keinerlei Auskünfte über meine Vergangenheit und über meine Herkunft ge ben. Doch ich habe dem Imperium wertvolle Dienste geleistet, so daß man auch keinen Grund hatte, mich einfach abzuschieben.
H. G. Francis Man will mich also prüfen. Man will fest stellen, ob ich wirklich loyal zu Orbanaschol stehe.« »Was nicht der Fall ist.« »Sie haben recht. Und das ist die Schwie rigkeit. Ich bin überzeugt davon, daß Bure Fernstel die Möglichkeit hat, Sie zu stürzen, wann immer er will. Er hat mir eine Falle gestellt, indem er mir einen Fall übertragen hat, der bereits aufgeklärt ist. Da das Ergeb nis bereits feststeht, kann ich es nur bestäti gen. Tue ich es, dann vernichte ich Sie, einen Gegner Orbanaschols und einen Freund Atlans. Tue ich es nicht, decke ich Sie und beziehe damit eindeutig Front gegen den Imperator. Das wäre dann auch für mich das Ende.« »Wie können Sie so etwas behaupten Ax ton? Wie können Sie wissen, daß Fernstel mir eine Falle gestellt hat? Das sind doch nur Spekulationen.« Kennon lächelte. »Aus Ihrer Sicht als Ingenieur haben Sie recht. Ich aber bin ein Mann, der fast nur noch wie ein Geheimdienstler denken kann. Die Welt des Geheimdiensts ist eine ganz besondere Welt, Epprik. Sie ist voller Fall stricke, Hintertüren und Doppelgedanken, die geradlinig denkenden Menschen ewig verschlossen bleiben wird. Ich hätte anstelle von Bure Fernstel genauso gehandelt, wenn ich jemanden mit meinen Voraussetzungen hätte prüfen wollen.« Gun Epprik überlegte einige Minuten an gestrengt. Dann nickte er zustimmend. »Ich verstehe. Was aber werden Sie jetzt tun? Der Fall ist aufgeklärt. Für Sie fehlt nun nur noch der Abschlußstrich. Wenn Sie diesen nicht liefern, weiß dann Bure Fernstel nicht wiederum Bescheid?« »Sehr richtig, Epprik. Ich kann mein Un tersuchungsergebnis vielleicht noch einige Tage hinauszögern, dann aber muß ich mich klar bekennen.« »Eine auswegslose Situation für uns bei de.« »Richtig, so sieht es auf den ersten Blick aus.«
Im Dienst Orbanaschols Epprik war überrascht. Er verstand nicht, was der Verwachsene meinte. »Es gibt einen Ausweg?« »Natürlich.« »Welchen?« »Ich muß gegen Bure Fernstel kämpfen. Ich muß ihn zu Fall bringen, aber so, daß er den Braten erst riecht, wenn er keine Mög lichkeit einer Gegenwehr mehr hat.« »Das ist unmöglich.« »Vielleicht, Epprik, aber es ist unsere ein zige Chance.« »Was hätten Sie getan, wenn ich Sie nicht überrascht hätte?« »Dann wäre ich spätestens heute zu Ihnen gekommen und hätte Sie um Zusammenar beit gebeten.« Die beiden Männer blickten sich in die Augen. Der anfängliche Argwohn des Inge nieur schwand allmählich. Er erkannte, daß Lebo Axton es wirklich ernst meinte. »Bis vor wenigen Augenblicken habe ich mich noch absolut sicher gefühlt«, gestand der Ingenieur. »Ich habe nicht daran ge glaubt, daß der Geheimdienst mich stürzen könnte. Jetzt aber muß ich zugeben, daß die Welt dieser Männer tatsächlich zu undurch sichtig für mich ist.« »Sagen Sie mir alles, was es über Sie zu erzählen gibt«, bat Axton. »Oder muß ich Ihnen erst beweisen, daß ich die Wahrheit gesagt habe?« Er griff unter seine Bluse und holte die Folien hervor, auf denen verzeichnet war, welche Informationen er aus der Positronik geholt hatte. Er gab sie dem Ingenieur und ließ ihm genügend Zeit, sie durchzusehen. »Sie sind mir unheimlich«, erklärte Epprik schließlich. »Ich bin immerhin Po sitronikspezialist. Nie und nimmer hätte ich es für möglich gehalten, daß es jemanden gibt, der diese Dinge, die ich zudem selbst verschlüsselt habe, herausfindet. Aber Sie haben es geschafft. Wer sind Sie?« »Ein Terraner«, erwiderte Kennon lä chelnd. »Ein Terraner? Ich habe nie von Terra nern gehört.«
35 »Das können Sie auch nicht, Epprik. Viel leicht werde ich Sie später einmal eingehend darüber informieren.«
* Als Lebo Axton das Trennschott zu der Parknische öffnete, in der sein Gleiter stand, saß Roboter Kelly bereits in der Maschine. Inzwischen hatte der Terraner sie gründlich untersucht und zwei Abhörkreise daraus ent fernt. Er wußte, daß er sich darin unbe lauscht mit dem Roboter unterhalten konnte. Er setzte sich neben Kelly. »Guten Morgen«, sagte er. »Es freut mich immerhin zu sehen, daß du nicht mehr auf dem Fenstersims liegst. Wurde es dir dort zu kalt?« »Keineswegs. Du weißt, daß Roboter nicht frieren. Ich war allein darüber besorgt, daß man mich hätte sehen können.« »Aha, du warst besorgt. Dann ist ja alles gut.« Axton ließ sich nicht anmerken, daß er er leichtert war. Der Roboter dachte in bemer kenswerter Weise mit. Er hatte gewußt, daß er sich nicht sehen lassen durfte, und er hatte die richtigen Konsequenzen daraus gezogen. Der Automat startete und lenkte den Glei ter in hoher Fahrt zu dem Trichterbau zu rück, in dem Axton wohnte. Als der Terraner die Wohnung betrat, saß Bure Fernstel in einem der Sessel im Salon. Er hatte die Beine übereinander geschlagen und hielt die Arme vor der Brust gekreuzt. Neben ihm stand ein dampfend heißes Ge tränk, das dem terranischen Kaffee nicht un ähnlich war. Der Geheimdienstler trug ein undurchsichtiges Lächeln zur Schau. Lebo Axton hatte sich beispielhaft in der Gewalt. Er verarbeitete die Überraschung in Bruchteilen von Sekunden, so daß der Arko nide ihm nicht ansehen konnte, wie sehr er erschrak. »Ich freue mich, daß es Ihnen gelungen ist, in meine Wohnung einzudringen, Bure Fernstel«, sagte er gelassen. »Ich hoffe, Sie haben alles gefunden, was Sie für Ihr leibli
36 ches Wohl benötigen?« Er ging zu einem Sessel und setzte sich. Mit einem Fingerschnippen befahl er Kelly, ihm ebenfalls etwas zu Trinken zu bringen. Der Roboter brachte zusätzlich einen leich ten Frühstückssalat. »Danke«, entgegnete Fernstel. »Ich bin zufrieden. Ich hoffe nur, daß Sie es auch sind?« »Natürlich. Wie könnten Sie annehmen, daß ich es nicht bin?« Der Arkonide beugte sich vor. Das unver bindliche Lächeln war wie weggewischt. »Zur Sache, Axton. Was haben Sie her ausgefunden?« »Alles, was ich mir bis zu diesem Zeit punkt vorgenommen hatte.« »Und das ist?« forschte Fernstel, als der Verwachsene nicht von sich aus weiter sprach. Lebo Axton hob abwehrend die Hände. »Sie kennen mich doch, Fernstel«, sagte er. »Sie haben den Fall Mosselcrin, den ich gelöst habe, eindeutig studiert. Bis in jede Einzelheit hinein. Und Sie haben auch genau untersucht, was am Squedon-Hügel passiert ist. Sie kennen mich also besser, als Sie of fen zugeben wollen oder können.« »Was wollen Sie damit sagen?« fragte der Arkonide mit scharfer Stimme. Lebo Axton trank gelassen sein Glas aus und nahm einige Bissen von dem Salat zu sich. »Bure Fernstel«, fuhr er dann in beinahe vorwurfsvollem Ton fort. »Sie wissen ge nau, daß ich den Mund nicht aufmachen werde, bis der Fall restlos geklärt ist, den Sie mir übertragen haben. Zwischenberichte gibt es bei mir nicht, weil sie lediglich Spekula tionen und Fehlschlüsse auslösen.« Der Mann, den Axton töten mußte, wenn er selbst überleben wollte, blickte ihn mit verengten Augen an. »Ich warne Sie Axton. Versuchen Sie kein falsches Spiel mit mir.« »Wie käme ich dazu? Ich bin mir dessen bewußt, daß so etwas viel zu gefährlich wä re.«
H. G. Francis »Was ist auf Arkon III geschehen?« »Sie haben einen Mann erschossen, der vorher versucht hat, die Positronik zu mani pulieren. Ich habe die Aufzeichnungen von ihm und von seiner Tat, aber ich werde sie Ihnen erst geben, wenn ich meine Arbeit er ledigt habe.« Das linke Augenlid Axtons zuckte. Er konnte diesen unkontrollierten Nervenreflex nicht unterdrücken, der ein all zu deutliches Zeichen seiner Erregung war. Das Zwiegespräch mit Bure Fernstel hatte einen kritischen Punkt erreicht. Selbstver ständlich konnte der Arkonide verlangen, daß er ihm das Material auslieferte. Damit aber hätte Axton fraglos einige AtlanFreunde gefährdet. Das Gesicht des Arkoniden entspannte sich. Ein unmerkliches Lächeln glitt über seine Lippen. »Sie sind unverfroren, Axton, aber das ge fällt mir. Sie schrecken nicht davor zurück, mir einen Mord zu unterstellen, einen Mord an einem Mann, der anschließend nur noch von Ihnen zu identifizieren wäre.« »Wer spricht von Mord, Fernstel? Zwei fellos hatten Sie gar keine andere Wahl. Der unbewaffnete Mann hat sie in eine derart verzweifelte Situation gebracht, daß Sie in höchster Not geschossen haben. So etwas nenne ich Notwehr zweiten Grades.« »So? Was wäre denn Notwehr ersten Gra des gewesen?« »Wenn der Mann gefesselt gewesen wä re.« Bure Fernstel lachte kurz auf. »Sie sind ein Teufel, Axton. Natürlich ist das, was Sie behauptet haben, kompletter Unsinn. Ich habe nichts mit dem Fall zu tun. Tatsächlich war ich zur gleichen Zeit auf Arkon I.« »Das glaube ich Ihnen sogar. Ein Mann wie Sie muß ja auch nicht selbst schießen. Aber lassen wir das. Sie wissen, daß Ihnen die Informationen nicht verlorengehen wer den. Sie befinden sich in dieser Wohnung, und sie stehen selbstverständlich zu Ihrer Verfügung, wann immer Sie sie benötigen. Ich möchte Sie lediglich bitten, noch einige
Im Dienst Orbanaschols Tage zu warten. Dann habe ich den Fall ab geschlossen, und es wird eine Überraschung allerersten Ranges am Hof geben.« Bure Fernstel blinzelte unwillkürlich, hat te sich aber sofort wieder in der Gewalt. Er zog genau die Schlüsse aus den Wor ten, die er hatte ziehen sollen. Lebo Axton stellte zufrieden fest, daß der Arkonide of fenbar glaubte, er sei loyal und beabsichtige, Gun Epprik zu stürzen. Etwas anderes er schien Axton nicht möglich. Daraus aber ließ sich wiederum schließen, daß Bure Fernstel selbst absolut loyal zu Or banaschol III. stand. Das bedeutete, daß doppelte Vorsicht ge boten war. Bure Fernstel erhob sich, zögerte kurz und verabschiedete sich. Kennon atmete auf, als er allein war. Die Zeit wurde knapp. Er konnte und durfte nun nicht mehr lange warten, sondern mußte seinen Angriff auf Fernstel sofort be ginnen. Was war zu tun? Er mußte Informa tionen über den Geheimdienstmann sam meln. Irgendwo mußte sich eine schwache Stelle ergeben. Irgendwo mußte auch ein Mann wie Bure Fernstel verwundbar sein. »Kelly«, sagte er. »Was schlägst du vor? Was ist zu tun?« »Du solltest schlafen, Schätzchen.« »Das ist keine schlechte Idee«, erwiderte Axton. »Ab und zu gibst du tatsächlich auch einmal etwas Vernünftiges von dir.«
* Als Axton glaubte, sich genügend erholt zu haben, verließ er auf dem Rücken seines Roboters die Wohnung und stieg in den Gleiter. Er setzte sich hinter Kelly auf die Rückbank und überließ es dem Roboter, die Maschine zu steuern. Kelly startete zügig und lenkte den Gleiter nach Südwesten. Axton plante, Avrael Arr konta einen Besuch abzustatten. Er erhoffte sich von dem Industriellen einige Informa tionen über Bure Fernstel. Kaum war der Gleiter zehn Kilometer
37 weit geflogen, als sich die Arbeitsgeräusche des Antigravs zu einem schrillen Kreischen steigerten. Kelly nahm blitzschnell einige Schaltungen vor, aber damit änderte er über haupt nichts. Unwillkürlich blickte Lebo Axton nach unten. Sie flogen in einer Höhe von etwa zweihundert Metern. Kelly lenkte die Flug kabine nun aber rasch nach unten. Sie näher ten sich einem langgestreckten See, der zwi schen Blumenbeeten eingebettet war. »Was ist los, Kelly?« »Der Antigrav fällt aus. Auch die Notvor richtung funktioniert nicht. Wir müssen aus steigen, Herr.« Axton wurde bleich. »Das ist unmöglich Kelly. Wir haben kei ne Rettungsgeräte.« Tatsächlich befand sich nichts an Bord, womit sie einen Sturz hätten abfangen kön nen. Die Antigravaggregate der Arkoniden waren bereits so zuverlässig, daß es nur äu ßerst selten zu Versagern kam. In solchen Fällen aber sollten Hilfsantigravs, die unab hängig vom Hauptaggregat arbeiteten, eine Katastrophe verhindern. Daß nun beide Ein richtungen ausfielen, ließ sich kaum mit technischen Mängeln erklären. Einige Sekunden lang hielt der Antrieb noch durch. Dann gab es im Heck eine Ex plosion. Eine Stichflamme durchbrach die Karosserie, und der Gleiter stürzte wie ein Stein in die Tiefe. »Wir müssen aussteigen«, stellte der Ro boter fest. »Steig auf meinen Rücken.« Lebo Axton verlor kostbare Sekunden. In solchen Situationen mußte er sich erst wie der klarmachen, daß er sich nicht mehr in seinem vollkommenen Robotkörper befand, der Vorfälle dieser Art mit spielerischer Leichtigkeit überstanden hätte. Häufig ge nug hatte er sogar über eigene Flugvorrich tungen verfügt. Nun aber lebte er in einem organisch ge wachsenen, äußerst schwächlichen Körper, der keinerlei Belastungen gewachsen war. Bereits bei einem Sprung von einem Stuhl wären ihm die Beine hilflos unter dem Leib
38 weggesackt. »Beeile dich«, rief Kelly. Lebo Axton überwand die lähmende Star re. Er kroch über die Lehne des Vordersitzes hinweg, so schnell es eben ging, und klam merte sich an die Haltevorrichtungen, die er am Körper des Roboters angebracht hatte. Im gleichen Moment stieß Kelly die Tür auf. Axton sah, daß sie sich höchstens noch zwanzig Meter über dem See befanden und der Wasseroberfläche rasend schnell näher kamen. »Aufpassen«, rief der Roboter. Axton krallte sich mit aller Kraft fest. Dennoch hätte ihn der Luftdruck fast vom Rücken des Automaten gerissen. Er preßte sich an das Metall und schrie unwillkürlich auf. Die Flugkabine jagte über sie hinweg und überschlug sich langsam. Sie erreichte die Wasseroberfläche Sekundenbruchteile vor ihnen, jedoch etwa zehn Meter von ih nen entfernt. Axton fühlte einen harten Schlag. Sein Kopf ruckte nach vorn und prallte hart ge gen den Ovalkörper. Er merkte noch, daß das Wasser über ihm zusammenschlug, dann wurde es dunkel um ihn. Als er wieder zu sich kam, hantierte der Roboter an ihm. Er vernahm besorgte Stim men, und dann spürte er einen Stich am Arm. Er schlug die Augen auf. Ein Arkoni de, den er aufgrund seiner grünen Kleidung und der Symbole an seiner Brust als Arzt identifizierte, beugte sich über ihn. »Wie geht es Ihnen?« fragte der Medizi ner. Das Medikament, das er ihm injiziert hat te, rief Übelkeit in ihm hervor. Rücken und Kopf schmerzten, und er hat te das Gefühl, die Beine nicht mehr bewegen zu können. »Glänzend«, sagte er. »Ich fühle mich wie neugeboren.« »Lügen Sie nicht«, erwiderte der Arzt mit einem milden Lächeln. Axton preßte die Lippen zusammen und stemmte sich mühsam hoch. Ihn schwindel te. Er fürchtete, wieder ohnmächtig zu wer-
H. G. Francis den, doch dann stabilisierte sich sein Kreis lauf. »Es geht schon.« Erst jetzt bemerkte er, daß ungefähr zwanzig Männer und Frauen um sie herum standen. Er befand sich am Ufer des Sees. Der Gleiter ragte zur Hälfte aus dem Was ser. Dicht neben ihm saß Robot Kelly im Gras und beobachtete ihn. »Machen Sie sich keine Sorgen. Es war nur der Schock«, sagte Axton. »Es scheint alles in Ordnung zu sein.« »Ich werde Sie in ihre Wohnung fliegen.« »Dafür wäre ich Ihnen dankbar.« Der Mediziner half ihm auf und führte ihn zu einem Gleiter. Kelly folgte ihnen und stieg zu dem Verwachsenen auf die Rück bank. Während Axton erneut mit einer Ohn macht kämpfte, lenkte der Automat den Arzt zur Wohnung. Kelly trug Axton von der Par knische bis in die ihm zugewiesenen Räume, während der Mediziner sich verabschiedete. Der Terraner schaffte es gerade noch, die nassen Kleidungsstücke abzulegen, dann brach er abermals zusammen. Er kam erst gegen Abend wieder zu sich, glaubte dann aber, alle nachteiligen Folgen des Absturzes überwunden zu haben. In der Hygienekabine erfrischte er sich, nahm dann eine Kleinigkeit zu sich und betrachtete den Roboter. Der hatte den Zwischenfall schad los überstanden. Lediglich seine Beine er schienen Axton noch etwas krummer als sonst. »Hast du die Maschine untersucht?« frag te der Terraner. »Allerdings, Liebling. Ich habe festge stellt, daß die Antigravkontakte gelockert und die des Notaggregats entfernt worden sind.« »Also Sabotage?« »Eindeutig.« »Seltsam.« Lebo Axton schob den Teller mit den Speiseresten zur Seite. Er konnte sich nicht vorstellen, wer den Anschlag auf ihn verübt hatte. Bure Fernstel konnte es nicht gewesen sein. Dieser hatte keinen Grund dazu.
Im Dienst Orbanaschols »Wir fliegen zu Avrael Arrkonta, wie wir es vorgehabt hatten«, erklärte er. »Besorge mir einen Gleiter.« Kelly ging ans Visiphon und rief einen Taxigleiter ab. Kurz darauf überflogen sie die Absturzstelle. Das Wrack war bereits be seitigt worden. Avrael Arrkonta hatte eine Luxuswohnung, die noch weit über dem Ni veau der von Gun Epprik lag. Sie enthielt zahlreiche Kunstschätze von erlesenem Wert. Vielerlei Gegenstände wiesen darauf hin, daß er auf Planeten unterschiedlichster Art gewesen war. Als Arrkonta Axton emp fing, waren wieder die beiden jungen Frauen bei ihm, die ihn auch am Abend der Sonnen wette begleitet hatten. Er schickte sie jedoch hinaus. Höflich bot er Axton Platz an. Der Terraner setzte sich. Hinter ihm stellte sich Kelly auf. »Was führt Sie zu mir?« fragte Arrkonta. Er war blaß, und seine Augen waren feucht. Vergeblich bemühte er sich, die äu ßerlichen Zeichen seiner Erregung zu unter drücken. Er war ganz anders als beim ersten mal, als Axton ihn kennengelernt hatte. Er war unsicher und schien sich nicht konzen trieren zu können. Von seiner bisherigen Überlegenheit war nichts mehr zu spüren. Lebo Axton fragte sich, warum das so war. Arrkonta hatte keinen Grund, ihn zu fürch ten. Er hatte nichts getan, was ihn mit Bure Fernstel in Konflikt bringen konnte. Oder doch? Plötzlich durchschaute Kennon die Zu sammenhänge. Ihn selbst überraschte die Er kenntnis der Wahrheit derart, daß er zu nächst nichts zu sagen wußte. Dabei wurde Arrkonta immer unruhiger. »Ich fragte Sie, weshalb Sie zu mir ge kommen sind. Das muß doch einen Grund haben.« »Sie sind so ganz und gar nicht der Mann, Avrael Arrkonta, der die Spielregeln des Metiers beherrscht, in das Sie sich nun ge wagt haben«, stellte Axton mit gelindem Vorwurf fest. »Was um alles in der Welt, hat Sie dazu veranlaßt, das zu tun?« Die Augen des Industriellen weiteten sich,
39 während sie sich zugleich mit Tränen füll ten. Er wischte sie mit einer fahrigen Gebär de weg. »Was meinen Sie?« forschte er in schrof fem Ton, der jedoch keineswegs überzeu gend wirkte. »Ich glaube, das muß ich Ihnen nicht erst erläutern.« Die beiden Männer blickten sich an. Lebo Axton blieb völlig ruhig, während Avrael Arrkonta nahe daran war, die Nerven zu ver lieren. Seine Hand schob sich langsam zum Gürtel vor. »Sie sind ein Narr, Arrkonta«, sagte der Verwachsene hart. »Soll ich Ihnen erzählen, was vorgefallen ist?« Axton wartete die Antwort auf seine Fra ge gar nicht erst ab. Er fuhr fort: »Ophma Talhud hat Ihnen berichtet, daß ich Erkundi gungen über Sie eingezogen habe. Sie, Arr konta, leben ebenso wie die meisten Arkoni den dieser Zeit in einer Atmosphäre der Un sicherheit, des Hasses und des ewigen Miß trauens. Keiner, so meinen Sie, kann dem anderen vertrauen. Wer heute noch mächtig ist, kann morgen schon ein Opfer der Intri gen geworden sein. Nun haben Sie erfahren, daß ich Kriminalist bin. Vielleicht wissen Sie sogar, daß ich einen Auftrag für den Ge heimdienst ausführe. Und nun meinen Sie, ich sei hinter Ihnen her. Wie kann man nur so kurzsichtig sein!« »Ich weiß nicht, wovon Sie reden?« »Doch, das wissen Sie sehr gut. Sie sind in Panik geraten und haben jemanden damit beauftragt, an meinem Gleiter herumzuba steln. Um ein Haar wäre Ihr Plan aufgegan gen.« »Sie sind ja wahnsinnig!« »Wirklich?« Lebo Axton war nun fast davon über zeugt, daß er richtig getippt hatte. Das Ver halten des Arkoniden bestärkte ihn noch in seiner Ansicht, hätte Arrkonta nichts mit dem Vorfall zu tun gehabt, dann hätte er kei nen Grund gehabt, so nervös zu sein. »Verlassen Sie meine Wohnung, Lebo Axton.«
40 »Das werde ich selbstverständlich tun, aber nicht jetzt. Erst will ich mit Ihnen re den.« »Ich wüßte nicht, was wir noch zu bere den hätten.« »Eine ganze Menge, Arrkonta. Zunächst einmal, und das mag Sie überraschen, ich verüble Ihnen Ihren Anschlag auf mich nicht. Ich verstehe Ihr Motiv. Alles ist gut ausgegangen, und wir wollen den Vorfall vergessen. Das heißt jedoch nicht, daß ich auch garantieren kann, daß Bure Fernstel nicht doch herausfindet, wer der Attentäter war. Ich bin nicht darüber informiert, ob Ihr Mann geschickt genug war, keine Spuren zu hinterlassen. Und ich weiß auch nicht, ob Fernstel nicht ähnliche Überlegungen an stellt wie ich und dann zum gleichen Ziel kommt. Ich jedenfalls werde ihm in keiner Weise helfen.« »Warum nicht? Ich hätte Sie beinahe um gebracht.« Axton ging über das Geständnis hinweg, als habe er es nicht gehört. Es überraschte ihn nicht mehr. »Es ist doch so einfach, Arrkonta. Warum hören Sie denn nicht auf Ophma Talhud? Hat er Ihnen nicht angedeutet, daß ich abso lut ähnliche Interessen vertrete wie Sie auch?« »Ich habe ihm nicht geglaubt.« »Warum nicht?« »Warum nicht? Das fragen Sie? Bure Fernstel ist ein Teufel. Er ist heimtückisch, gemein und hinterhältig. Ihm kann man nicht trauen. Er ist ein unvorstellbar gefähr licher Mann, der keinerlei Skrupel kennt.« »Wie kommen Sie zu dieser Ansicht?« »Durch einen Zufall habe ich von einem widerwärtigen Plan erfahren, den Bure Fern stel ausgeheckt hat.« »Erzählen Sie.« »Sie wissen, daß ich ausgezeichnete Ver bindungen zum Hof habe. Nun hat einer meiner Freunde mitgehört, als Bure Fernstel und Orbanaschol einen Plan entwickelten, mit dem der Imperator ein großes Vermögen an sich bringen will. Orbanaschol ist die
H. G. Francis habgierigste Kreatur, die ich je kennenge lernt habe. Er und Fernstel passen zusam men. Einer ist so schlecht wie der andere.« »Welchen Plan, Arrkonta?« fragte Axton sanft. »Aliz Tagbor ist ein hoher Offizier der ar konidischen Flotte. Ich bin einige Male bei ihm eingeladen gewesen. Nun ist er vor etwa einem Jahr von den Methanatmern gefan gengenommen worden. Bure Fernstel hat nun erfahren, daß Tagbor aus der Gefangen schaft entkommen ist. Tagbor hält sich zur Zeit auf dem Planeten Ochtcan auf und wird im Laufe der nächsten zehn Tage hier ein treffen. Die Leute Fernstels haben herausbe kommen, daß er von den Methans präpariert worden ist. Mit anderen Worten, er ist nicht geflohen, sondern freigelassen worden. Er soll Orbanaschol III. im Auftrag der Maahks umbringen. Die Methans haben die se lebende Bombe in unsere Reihen zurück geschickt, aber Fernstels Leute haben sie, wie es nicht anders zu erwarten war, ent larvt.« »Sie könnten Aliz Tagbor also von seiner Programmierung befreien?« »Selbstverständlich, Axton. Das könnten sie. Aber Orbanaschol denkt gar nicht daran, das auch zu tun. Tagbor gehört einer Adels familie an, mit der Orbanaschol zahlreiche Meinungsverschiedenheiten gehabt hat. Sie besitzt seit langer Zeit einen Planeten, den der Imperator annektieren möchte. Wegen des Einflusses der Tagbors und auch wegen ihres Rufes konnte er das bisher nicht ma chen. Jetzt aber sieht er eine Chance, die Tagbors in Verruf zu bringen und sie zu dis kreditieren.« »Ich verstehe«, sagte Kennon-Axton. »Orbanaschol will den Attentäter vermutlich zum Schein an sich herankommen lassen. Vielleicht darf Aliz Tagbor seine Waffe auch noch auf ihn richten, aber er wird sie nicht abfeuern können.« »Vollkommen richtig. Fernstel wird dafür sorgen, daß die Waffe vorher so präpariert wird, daß sie nicht als Mordinstrument funk tionieren kann. Damit ist Aliz Tagbor aber
Im Dienst Orbanaschols erledigt. Und mit ihm seine ganze Familie. Orbanaschol wird behaupten, sie sei für den versuchten Anschlag auf ihn verantwortlich, und er wird ihr Vermögen konfiszieren. Da mit hat er zugleich oppositionelle Kräfte ausgeschaltet und seine eigene Macht ver größert.« »Sie könnten der Familie einen Tip ge ben.« »Ausgeschlossen. Ich habe mir alles ge nau überlegt, Lebo Axton. Ich kann nichts tun. Verrate ich den Plan an die Familie, dann weiß Orbanaschol, wie der Plan be kannt geworden ist. Ich würde diesen und wahrscheinlich auch mich selbst ans Messer liefern. Nein, ich muß schweigen, so schwer es mir auch fällt.« Lebo Axton lehnte sich in seinem Sessel zurück. Er ließ sich nicht anmerken, wie er regt er war. Plötzlich schien sich ihm eine Chance zu bieten, Bure Fernstel in Schwie rigkeiten zu bringen. »Man muß etwas unternehmen«, sagte er nachdenklich. »Irgendwie müssen wir ver hindern, daß der Plan Fernstels aufgeht.« »Wie wollen Sie das tun?« »Man müßte dafür sorgen, daß die Waffe Tagbors doch funktioniert.« »Das ist unmöglich. Machen Sie sich kei ne Illusionen, Axton. Auf diese Weise geht es einfach nicht. Wenn Bure Fernstel sich et was vorgenommen hat, dann führt er seinen Plan auch durch. Er gibt sich keine Blößen, weil er genau weiß, daß ein einziger Fehler ihm das Genick brechen kann.« »Wahrscheinlich haben Sie recht, Arrkon ta. Vergessen wir das.« Axton rutschte aus seinem Sessel und gab Kelly ein Zeichen, daß er sich hinknien sollte. »Wie dem auch sei, Arrkonta. Es könnte sein, daß ich in den nächsten Tagen Hilfe benötige. Vielleicht brauche ich eine kleine Information oder ein Spezialwerkzeug, das ich mir selbst nicht verschaffen kann, oder etwas Ähnliches. Dann rechne ich mit Ihrer Unterstützung.« Vom Rücken Kellys herab blickte er den Industriellen an. Avrael Arrkonta wußte, daß er einen schwerwiegenden Fehler gemacht
41 hatte, als er sich zu dem Anschlag auf Axton hatte hinreißen lassen. Nun schreckte er vor der Beteiligung an weiteren Aktionen zu rück, die für ihn gefährlich werden konnten. Er hob abwehrend die Hände. »Geht es nicht so, Axton, daß Sie mich völlig aus dem Spiel lassen?« Der Verwachsene lächelte erstaunt. »Wie könnte ich das, Arrkonta, nachdem Sie mich gezwungen haben, mich über Sie zu wundern?« »Soll das eine Drohung sein?« »Ich würde mich nie dazu hinreißen las sen, Ihnen zu drohen. Aber ich weiß den noch, daß ich fest auf Ihre Hilfe rechnen kann.« Er winkte dem Arkoniden grüßend zu und ließ sich von seinem Roboter aus der Wohnung tragen.
* »Du brauchst ein AG-Aggregat«, stellte Axton fest, als er wieder mit Kelly im Glei ter saß. »So geht das einfach nicht.« »Eine derartige Apparatur benötigt Platz«, entgegnete der Roboter. »Ich wüßte kaum, wo es bei mir noch unterzubringen wäre.« »Oh, ich schlage vor, wir entfernen den Kopf. Der taugt ohnehin nichts. Dafür könn ten wir den AG anbringen.« Kelly antwortete nicht. »Du schweigst?« fragte Axton. »Du gibst mir also recht.« »Ich bin zutiefst getroffen.« »Daß ich nicht lache, Sagtest du nicht, daß du zu keinerlei Emotionen fähig seist? Und jetzt behauptest du, du seist beleidigt. Also gut, ich werde dir deinen Kopf lassen. Aber nur, damit es in deinen Rumpf nicht hineinregnet.« Axton lehnte sich in den Polstern zurück. Er überlegte, was zu tun war. Beim Absturz hatten sie Glück gehabt. Wenn sie sich in größerer Höhe befunden hätten oder nicht in einen See gefallen wären, dann hätte er kaum überlebt. Er beschloß, Gun Epprik um Hilfe zu bit ten, da er ohnehin auf dem Weg zu ihm war.
42 Als Axton den Salon betrat, eilte die Frau des Ingenieurs mit ihren beiden Kindern ge rade hinaus. Epprik kam ihm mit schwerfäl lig wirkenden Bewegungen entgegen. Seine Freundlichkeit war verkrampft. Fraglos be reitete ihm der Besuch des Verwachsenen Unbehagen. »Bure Fernstel war hier«, erklärte er. »Er hat mir einige Fragen gestellt.« »Berichten Sie«, bat der Terraner. »Ich muß jede Einzelheit wissen.« Der Arkonide versuchte, das Gespräch mit dem Geheimdienstler in allen Einzelhei ten zu rekonstruieren. Danach winkte Axton beruhigt ab. »Das hatte nichts zu bedeuten«, sagte er. »Bure Fernstel wollte Sie nur ein wenig be unruhigen. Er glaubt, daß ich Sie in einigen Tagen vernichten werde.« Epprik schoß das Wasser in die Augen. »Wie meinen Sie das?« fragte er betrof fen. Axton schilderte ihm die Situation in schonungsloser Offenheit. »Es bleibt mir also keine andere Alternati ve. Er oder ich. Einer von uns beiden muß von der Bildfläche verschwinden, und da ich einen gesunden Selbsterhaltungstrieb besit ze, muß er es sein.« Gun Eppriks Finger zitterten, als er sich mit der Hand fahrig über die Stirn fuhr. »Wie wollen Sie das anstellen?« fragte er nervös. Lebo Axton sagte es ihm. Er schloß seine Ausführungen mit den Worten: »Das alles geht natürlich nur mit Ihrer Hilfe.« »Was könnte ich tun?« Axton spürte, daß der Ingenieur ihm nicht helfen wollte. Er hatte Angst, alles zu verlie ren, was er sich aufgebaut hatte. Daher scheute der Terraner sich nicht, ihm ganz klar zu sagen, daß seine Tage gezählt waren, solange Bure Fernstel sich noch einschalten konnte. »Unterliege ich ihm, Epprik, dann sind Sie auch verloren. Sie müssen mir also hel fen, weil daß Ihre einzige Möglichkeit ist, sich selbst zu helfen.«
H. G. Francis »Was kann ich tun?« »Das klingt schon besser. Ich muß wissen, an welchem Tag und zu welcher Stunde Aliz Tagbor am Hof eintrifft. Sie kennen den Plan Orbanaschols nun. Also ist Ihnen auch klar, daß Tagbor zu irgendeiner Stunde die Möglichkeit haben muß, dem Imperator von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten. Diesen Zeitpunkt muß ich wissen.« »Wie könnte ich den erfahren?« »Es ist nicht weiter schwer. Sie können sich am Hof frei bewegen. Sie haben eine Reihe von Freunden. Wenn Sie die richtigen Männer oder Frauen fragen, dann können Sie mir bald die verlangten Auskünfte ge ben.« »Gut, ich werde mir Mühe geben. Ich kenne die Familie Tagbor. Auch sie müßte etwas wissen. Ist das alles?« »Nein. Sie, der Günstling des Imperators, können mir die Tore des Palastes öffnen. Sie müssen mir helfen, im entscheidenden Mo ment an der Seite Orbanaschols zu sein.« »Sie wissen nicht, was Sie von mir ver langen.« »Sie irren, Gun Epprik. Sie irren sich grundlegend. Wenn Sie es sich in Ruhe überlegt haben, werden Sie erkennen, daß Sie alles relativ leicht bewältigen können. Und nun eine letzte Bitte. Ich benötige einen Antigrav für meinen Roboter. Er muß klein sein und muß uns beide tragen können. Wann kann ich ihn haben?« »Sofort. Ich besitze einige dieser Geräte.« Er erhob sich und streckte einladend den Arm aus. »Begleiten Sie mich in meine Ba stelstube. Dort habe ich alles, was Sie benö tigen.«
7. Schon am nächsten Tag erschien ein Bote Eppriks bei Axton in der Wohnung und überreichte ihm einen Magnetstreifen. Der Terraner legte ihn in eines der Abspielgerä te, als er allein war. Der Ingenieur teilte ihm in verschlüsselter Form mit, daß Aliz Tag bor bereits am nächsten Tag auf Arkon I ein
Im Dienst Orbanaschols treffen und zu Orbanaschol III. gebracht werden würde, um ihm dort persönlich Be richt zu erstatten. Axton erschrak. Damit hatte er nicht gerechnet. Er brauch te Zeit, wenn er seinen Plan durchführen wollte. Von Anfang an hatte ihn die Idee fasziniert, Bure Fernstel mit Hilfe von Aliz Tagbor zu Fall zu bringen. Er wußte, daß die Möglichkeit bestand, und er zweifelte nicht daran, daß Bure Fernstel auch mit einem Angriff von seiner Seite aus rechnete. Fernstel war ein Mann, der nichts dem Zufall überließ. Er mochte im Moment glau ben, daß Axton loyal war, das würde ihn je doch nicht dazu veranlassen, unvorsichtig zu werden. Kernstück seines Vernichtungsplans war die Waffe. »Also, Kelly«, sagte Axton. »Was schlägst du vor? Was sollen wir tun?« »Bure Fernstel wird die Waffe so präpa rieren, daß sie auf gar keinen Fall abge schossen werden kann«, entgegnete der Ro boter. »Deshalb muß die Waffe des Offiziers gegen eine andere ausgetauscht werden, die doch funktioniert.« »Ist das möglich?« »Nein.« Axton blickte den Roboter verärgert an. »Wenn es nicht möglich ist, dann verbitte ich mir derartige Vorschläge«, sagte er hef tig. »Was ist denn in diesem Fall überhaupt möglich?« »Nach meinen Erkenntnissen überhaupt nichts.« »Du bist einfach zu dämlich«, fuhr der Verwachsene auf. »Du eignest dich höch stens als Staubsauger. Als solcher hättest du vielleicht einen Intellektuellen-Touch. Das wäre aber auch alles. Schweig jetzt. Ich muß überlegen.« Kennon nahm die Ansichten des Roboters keineswegs so auf die leichte Schulter, wie er tat. Er versuchte, sich in die Lage Bure Fernstels zu versetzen. Zunächst einmal konnte der Geheim dienstler nicht wissen, daß er über den Plan
43 informiert war. Das war der erste Vorteil für ihn. Dennoch würde er sich nach allen Seiten hin absichern, so wie Kennon es während seiner jahrhundertelangen Tätigkeit für die USO stets auch getan hatte. Er würde also die Waffe, mit der das Pseudoattentat verübt werden sollte, erst im allerletzten Moment untauglich machen. Das war der Zeitpunkt, zu dem Fernstel den Offizier zu Orbanaschol begleiten würde. Verdammt, dachte Axton. Kelly hat recht. Die Waffe anschließend nochmals zu mani pulieren, war in der Tat unmöglich. Blieb nur eine Möglichkeit. Er mußte die Tatwaffe so umfunktionieren, daß Fernstel sie überhaupt nicht mehr untauglich machen konnte. Axton setzte sich in einen Sessel und grü belte. Je mehr er aber das Problem von allen Seiten beleuchtete, desto unlösbarer erschien es ihm. Schließlich war er nahe daran, den Plan aufzugeben, weil er allzu viele Unsicherhei ten enthielt. Er blickte Kelly an, und das Blut stieg ihm in die Schläfen. Es gefiel ihm nicht, daß der Roboter recht haben sollte. Er war nicht bereit, sich mit dem abzufinden, das Kelly ausgesprochen hatte. Zornig sprang er auf. »Wir fliegen erneut zu Epprik«, sagte er. »Los beeile dich. Was stehst du noch her um? Soll ich dir in die Schienbeine treten?« »Ich eile schon, Liebling«, entgegnete der Roboter. »Willst du auf meinem Rücken fliegen oder in einem Gleiter?« »Dumme Frage. Glaubst du, ich möchte mit einer Hexe verwechselt werden, die auf einem Besenstiel durch die Luft reitet?« »Ein solches Wesen ist mir unbekannt. Was ist ein Besenstiel?« »Das ist ein Instrument, das ich am lieb sten auf deinem Schädel zerschlagen würde, du Blechbestie.« »Ich nehme diese Äußerung als Zeichen deiner Unzufriedenheit mit mir«, erwiderte der Roboter. »Darf ich fragen, was ich
44 falsch gemacht habe?« »Du stehst hier noch immer herum, an statt endlich den Gleiter startbereit zu ma chen.« »Er ist bereit.« »Na also, was trödelst du dann noch hier herum?« Axton eilte mit schleifenden Füßen an dem Roboter vorbei. Wenige Minuten später betrat er die Wohnung Eppriks, der über Bauplänen saß und arbeitete. »Ich muß Sie sprechen, Epprik. Können wir in Ihren Arbeitsraum gehen?« »Ich wäre Ihnen dankbar, Axton, wenn Sie mich nicht mehr belästigen würden.« »Sie werden Ihre Ruhe haben, wenn ich das nicht mehr tue«, entgegnete der Ver wachsene grob. »Der Henker wird dafür sor gen.« Der Ingenieur erschrak. Bleich folgte er dem Verwachsenen in seinen Arbeitsraum, wo Axton sich auf einen Hocker setzte. »Klipp und klar, Epprik. Ich benötige die Pläne des Palasts. Ich muß exakt wissen, welchen Weg Aliz Tagbor gehen wird. Schritt für Schritt. Ich muß wissen, wo er mit Bure Fernstel zusammentreffen wird. Mit anderen Worten, ich muß alles wissen. Jede Einzelheit muß mir bekannt sein. Und Sie werden mich über alles informieren.« Ihre Blicke begegneten sich, und der Ar konide beugte sich dem Willen des Ver wachsenen. Er spürte, daß es sinnlos gewe sen wäre, sich ihm zu widersetzen. Viel leicht hatte er in der Zwischenzeit auch ein gesehen, daß seine Stellung der Unangreif barkeit nicht länger zu halten war. Axton zwang ihn, klar Front zu beziehen. »Axton«, sagte Epprik. »Ich weiß nicht, ob Sie sich wirklich vorstellen können, wie es am Hof des Imperators zugeht.« »Nicht unbedingt.« »Es gibt drei Komputerprogramme, die sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. Sie betreffen Wachroboter, Dienst- und Reini gungsroboter sowie Überwachungssysteme. Mit Hilfe dieser drei Programme wird der gesamte Palast überwacht und der Hügel der Weisen abgeschirmt. Verstehen Sie? Wenn
H. G. Francis ich Sie mit in den Kristallpalast nehmen will, dann muß ich das vorher anmelden. Ih re Individualdaten und äußerliche Darstel lungen von Ihnen werden in die Zentralpo sitronik eingegeben, so daß Sie auf Schritt und Tritt überwacht werden können. Aber nicht nur das. Die so zufällig wirkenden Be wegungen der verschiedenen Roboter sind sämtlich vorprogrammiert worden. Es gibt nur einen einzigen Roboter, dessen Schritte nicht schon vorherbestimmt worden sind. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Automa ten nicht von Berechtigten umdirigiert wer den könnten, aber die entstehenden Lücken füllen sich in einem solchen Fall sofort wie der mit anderen Observanten.« Er blickte Axton geradezu verzweifelt an. »Natürlich kann ich Sie mit in den Kri stallpalast nehmen, aber es ist nicht so, daß Sie sich dort zur Seite stehlen könnten, um insgeheim gegen Bure Fernstel zu arbeiten. Noch nie ist es jemandem gelungen, sich frei im Kristallpalast zu bewegen, seit die Po sitronik in Betrieb genommen wurde.« »An der Sie maßgeblichen Anteil hatten.« »Allerdings. Woher wissen Sie das?« »Das war anzunehmen, Epprik. Wenn ein Mann damit beauftragt wird, einen Gigan troboter auf Arkon III zu erstellen, dann muß er sich schon vorher bewährt haben.« Lebo Kennon-Axton begann nun mit ei ner Reihe von Fragen, die ausschließlich die Hauptpositronik betrafen. Damit verblüffte er Epprik, der sich bisher für den führenden Positroniker des arkonidischen Imperiums gehalten hatte. Der Ingenieur mußte feststel len, daß der geheimnisvolle Mann ohne Ver gangenheit über ein Wissen auf diesem Fachgebiet verfügte, das weit über das hin ausging, das er selbst besaß. Kennon verriet allerdings nicht, daß er gewohnt war, mit positronischen Geräten umzugehen, die tau sendfach leistungsfähiger und komplizierter waren als die Komputer Arkons. Axton ließ sich die Hauptpositronik, die auf dem Hügel der Weisen stand, genau be schreiben. Epprik gab es auf, selbst Fragen zu stellen.
Im Dienst Orbanaschols »Ich glaube, ich wittere Morgenluft.« »Wie ist das zu verstehen, Axton?« »Epprik, Sie werden mir erlauben, mit Hilfe Ihrer Positronik ein Sonderprogramm auszuarbeiten.« »Selbstverständlich.« »Sie haben Zugang zur Hauptpositronik des Kristallpalasts. Deshalb werden Sie das Resultat, zu dem ich kommen werde, neh men und in die Zentralpositronik eingeben.« »Was versprechen Sie sich davon?« »Sehr viel, Epprik. Ich werde den Haupt komputer damit so manipulieren, daß er Sie und mich nicht nur an allen Punkten des Kri stallpalasts akzeptieren wird, sondern mir auch noch helfen wird, mich frei zu bewe gen, selbst in verbotenen Zonen.« »Sie glauben wirklich, daß Sie so etwas schaffen können?« »Ich weiß es, Epprik. Komputer sind stets von ihren Programmen abhängig. Sie kön nen sich nicht eigenständig ändern. Da Sie wissen, wie wir die Neuprogrammierungs sperre alarmfrei überwinden können, werden wir den Komputer zwingen, unser Komplize zu werden.« »Damit hinterlassen wir deutliche Spu ren.« »Ich werde dafür sorgen, daß der Kompu ter sie selbst löscht.« »Eine Frage noch, Axton. An mehreren Punkten des Kristallpalasts befinden sich Fernsehoptiken, die mit Aufnahme- und Wi dergabegeräten in sogenannten Wachstuben verbunden sind. Dort sitzen Arkoniden, die laufend die gelieferten Bilder überwachen. Wie wollen Sie an diesen vorbeikommen?« »Auch mit Hilfe des Programms. Der Komputer wird nämlich dann, wenn wir in Erscheinung treten und unbeobachtet blei ben wollen, Wiederholungsschleifen senden Beispiel: Hat die Kamera für einige Zeit einen leeren Gang gezeigt, dann wird diese Aufnahme erneut solange abgespielt, wie wir uns auf dem Gang befinden.« »Das schaffen Sie nicht!« »Abwarten.« Axton wirkte so zuversichtlich, daß
45 Epprik ihn nicht mit weiteren Fragen belästi gen wollte. Er sah ihm bei seiner Arbeit zu, und bald erfaßte ihn die gleiche Faszination wie den Verwachsenen. Er spürte, daß Ax ton genau wußte, was er tat. Hin und wieder gab er ihm Hinweise auf den Zentralkompu ter des Kristallpalastes. Sonst aber verfolgte er staunend, wie der Plan Axtons Gestalt annahm. Stunde um Stunde verstrich. »Vergessen Sie nicht, zu Ihrem Plauder stündchen bei Orbanaschol aufzubrechen, Epprik«, sagte Axton schließlich. »Dabei sollten Sie ruhig erwähnen, daß Sie mich morgen mitbringen werden. Bemerken Sie es so ganz nebenbei. Sagen Sie meinetwe gen, Sie wollten mir irgend etwas Interes santes im Palast zeigen. Der Imperator darf schließlich nicht allzu überrascht sein, wenn ich in seiner Nähe auftauche.« »Schaffen Sie es hier allein?« »Bestimmt.« Gun Epprik verabschiedete sich. Als er nach vier Stunden zurückkam, saß Axton noch immer an der Positronik, und er sah keineswegs erschöpft aus. »Wie weit sind Sie?« »So gut wie fertig. Ich habe nur noch ein paar Fragen.« Epprik beantwortete sie. Axton schloß seine Arbeiten ab. Der Ingenieur wartete, bis die Kassette mit dem Sonderprogramm auf dem Tisch lag. Dann sagte er: »Orbanaschol und Fernstel sprachen ganz kurz über Aliz Tagbor. Sie scheinen überhaupt nicht daran zu zweifeln, daß ihr Plan mißlingen könnte.« »Sie werden überrascht sein. Wissen Sie bereits, wann Tagbor vorgeführt werden soll?« »Um die Mittagszeit herum. Orbanaschol gibt ein Essen, zu dem auch ich eingeladen bin. Ich habe beiläufig erwähnt, daß Sie in der Bibliothek zu tun haben werden.« »War Fernstel dabei?« »Nein, natürlich nicht. Es wird Sie inter essieren, daß die Bibliothek in der Nähe ei nes von Bure Fernstel geführten Büros liegt. Es nennt sich astrobiologisches Informati
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onsbüro, hat damit jedoch nichts zu tun. Es ist nichts als ein Knotenpunkt, von dem aus Fernstel seine Fäden zieht. Aliz Tagbor wird daran vorbeikommen.« »Sie wollen damit sagen, daß dort eine geeignete Stelle wäre, die Waffe des Offi ziers aufzubewahren.« »Genau das. Ich vermute, daß Bure Fern stel sie ihm dort mit dem Argument geben wird, daß ein arkonidischer Offizier nicht mit leerem Halfter vor dem Imperator treten kann.« »Zeigen Sie mir die Pläne des Kristallpa lastes, Epprik.« Der Ingenieur drückte einige Tasten der Positronik. An einer Projektionswand leuch teten die gewünschten Zeichnungen auf. Le bo Axton ließ sich alles genau erklären.
8. An dem Tag, an dem Lebo Kennon-Axton zum erstenmal in seinem Leben den Kristall palast auf dem Hügel der Weisen betrat, be wegten sich die Roboter im Regierungszen trum ein wenig anders als gewohnt. In dem sonst lückenlosen Sicherheitssystem entstan den Lücken, die aber niemandem auffielen, weil die Abweichungen nur allmählich stär ker wurden. Der Verwachsene stand in den Halterun gen auf dem Rücken des Roboters, als dieser neben Gun Epprik die luxuriösen Eingänge des Trichterbaus passierte. Dies war das größte Gebäude dieser Art, das Axton je ge sehen hatte. Es erreichte eine Höhe von etwa fünfhundert Metern und war in einer künst lich angelegten Berglandschaft von unge wöhnlicher Schönheit errichtet worden. Gun Epprik hatte seinen Gleiter in einer Tiefgara ge geparkt und stieg zusammen mit Axton zunächst bis in das Erdgeschoß auf. Hier er reichten sie eine weite Halle, in der geschäf tiges Treiben herrschte. Politiker, Militärs, Geschäftsleute, Künstler und Wissenschaft ler aus allen Bereichen des arkonidischen Imperiums trafen hier ein und wurden von erfahrenen Beamten weitergeleitet. Zum er-
sten Mal sah Axton auch die Vertreter frem der Völker, aber er hatte keine Zeit, sich mit ihnen zu befassen. Gun Epprik führte ihn zu einem Antigravlift, in dem sie nach oben schwebten, ohne kontrolliert worden zu sein. Sie mußten diesen Schacht nach etwa zweihundert Metern Aufstieg verlassen und in einen anderen überwechseln, der von vier flammend roten Kampfrobotern bewacht wurde. Sie konnten ungehindert an diesen Maschinen vorbei. Die Robots wurden durch die Hauptpositronik gesteuert und standen damit unter dem Einfluß des Sonderpro gramms. »Haben Sie inzwischen herausgefunden, welcher Roboter unbeeinflußbar ist?« fragte Axton. »Ich muß Sie enttäuschen. Nach wie vor bin ich lediglich auf Vermutungen angewie sen. Der Roboter muß sich in unmittelbarer Nähe des Imperators bewegen.« »Das vermute ich auch.« In einem weiteren Liftschacht schwebten sie weiter nach oben. Je höher sie kamen, desto leerer waren die Gänge und Hallen, an denen sie vorbeikamen. Niemand hielt sie auf. Gun Epprik wies seinen Begleiter auf versteckt angebrachte Linsen, auf Reini gungsroboter, die Observationsaufgaben wahrnahmen, und auf Kunstgegenstände hin, unter denen Individualtaster verborgen waren. »Ihr Plan scheint zu funktionieren«, sagte er flüsternd. »Unter anderen Umständen wä re längst eine Wache erschienen, um Sie zu kontrollieren.« »Ich bin ganz sicher, daß ich nichts über sehen habe«, erklärte der Verwachsene. Er gab sich selbstbewußter, als er tatsächlich war. Die Sicherheitsvorkehrungen im Palast waren so umfangreich, daß sich trotz inten siver Vorbereitungsarbeit durchaus Fehler eingeschlichen haben konnten. Axton wäre froh gewesen, wenn er wenigstens einige kleine Tests hätte durchführen können. Das aber war unmöglich. Er mußte auf Anhieb in den alles entscheidenden Einsatz gehen. Eppriks Ruhe verlor sich zusehends. Im
Im Dienst Orbanaschols mer wieder blickte er sich forschend um. Er fürchtete, die tausendfach geschulte Palast wache könne plötzlich zuschlagen. So war Lebo Axton froh, als sie endlich den Bibliotheksbereich betraten. »Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu dem Raum, in dem das Essen stattfindet«, erläuterte der Ingenieur leise. »Ich weiß«, entgegnete Axton beruhi gend. »Gehen Sie nur. Den Rest schaffe ich allein.« Der Ingenieur entfernte sich, während Ax ton die Tür der Bibliothek des Imperators öffnete. In langen Pultreihen, die etwas hö her als der Terraner waren, befanden sich die Magnetrollen mit den Bildaufzeichnun gen. Am Katalogpult stand ein älterer Arko nide und suchte gemächlich nach einem Werk, das ihn interessierte. Er blickte nicht auf, als Axton von seinem Roboter hereinge tragen wurde. Der Terraner stieg eilig vom Rücken Kel lys herunter, so daß er hinter den Magnetrol lenmagazinen verschwand. Er begab sich bis an eine Seitenwand der Bibliothek, hinter der er die Räume Bure Fernstels wußte. Lautlos setzte er ein Horchgerät an und lauschte. Lediglich ein leises Surren war aus den Nebenraum zu hören. Kelly tippte Axton an. Hastig ließ dieser das Mikrophon unter seiner Kleidung ver schwinden und wandte sich dem Pult hinter ihm zu. Kaum hatte er es geöffnet, als der alte Arkonide in den Gang einbog und ihn verwundert musterte. Axton runzelte die Stirn und nickte ihm fahrig zu. Er ließ den Alten spüren, daß er sich durch ihn belästigt fühlte. Der Arkonide murmelte eine Ent schuldigung und begann zu suchen. Offen sichtlich hatte er sich falsche Angaben aus dem Katalog notiert und fand nun die Rolle nicht, die er betrachten wollte. Lebo Axton wartete einige Minuten ab, die er damit verbrachte, die Rollenbezeich nungen zu studieren. Dann entschloß er sich zu einem Vorstoß. Er konnte es sich nicht leisten, sich durch den Bibliotheksbesucher noch länger aufhalten zu lassen. Mit einem
47 Laut des Unwillens schloß er das Pult und schritt neben Kelly her auf die Ausgangtür zu. Bevor er diese erreichte, ließ er den Ro boter jedoch niederknien und kletterte auf seinen Rücken. Er blickte zu dem Alten zu rück, doch dieser war derart beschäftigt, daß er ihn nicht beachtete. Der Gang vor der Bibliothek war leer. »Infrarotbeleuchtung«, befahl Kennon lei se. Er vernahm ein leises Klicken, mit dem der Roboter seine Aufnahmegeräte umschal tete. »Siehst du Spuren vor der Tür zu Bure Fernstels Raum?« fragte der Verwachsene wispernd. »Allerdings«, antwortete Kelly. »Eine schwache Spur führt hinein. Sie ist etwa eine Stunde alt. Eine wesentlich deutlichere kommt heraus.« »Das heißt also, daß ein Besucher dort war, sich aber wieder zurückgehen hat. Der Raum muß leer sein«, sagte Axton. »Wo ist die ID-Kontaktscheibe? Ich sehe sie nicht. Sie muß aber mit Infraerfassung zu erkennen sein.« »Das ist sie auch.« Der Roboter zeigte auf einen Punkt, der sich links von der Tür in halber Höhe befand. Lebo Axton hieß den Roboter sich bücken. Er drückte ein positronisches Gerät gegen die verborgene Kontaktscheibe und schaltete es ein. Es gelang ihm, mit Hilfe des von ihm vervollkommneten Kodegebers die relativ einfache ID-Schaltung zu überwin den. Mit einer der hochentwickelten Einrich tungen, wie sie in der Zeit verwendet wur den, aus der er kam, wäre eine derartige Ma nipulation unmöglich gewesen. Die IDSicherung des arkonidischen Imperiums stand jedoch noch ganz am Anfang ihrer Entwicklung. Die Tür öffnete sich. Axton blickte auf die Füße des Roboters herab. Er lächelte. Bure Fernstel war ihm gegenüber deutlich benachteiligt. Mochte er ruhig den Eingang zu seinen Räumen mit In frarotgeräten überprüfen. Er würde nicht feststellen können, daß jemand hineingegan
48 gen war, der nicht dazu befugt war. Die Ro boterfüße hinterließen keine so deutliche Wärmespur wie die Füße eines Menschen. Bure Fernstels Räume waren nüchtern und zweckdienlich eingerichtet. Sie waren fensterlos und wurden durch Leuchtplatten erhellt. Mehrere Beobachtungssysteme machten es normalerweise jedem Unbefug ten unmöglich, sich in ihnen frei zu bewe gen. Axton aber brauchte sich um sie nicht mehr zu kümmern. »Wohin führt die Spur?« fragt er. Kelly bewegte sich zunächst zögernd hin und her, schritt dann aber auf eine Stahltür zu und blieb davor stehen. »Hier ist ein Tresor«, behauptete er. Axton begann augenblicklich mit seinen Untersuchungen. Bure Fernstel selbst hatte ihm einige Geräte zur Verfügung gestellt, die eigentlich Gun Epprik zum Verhängnis hatten werden sollen und die sich nun gegen ihn selbst richteten. Mit ihrer Hilfe und mit der Erfahrung und dem Wissen, die er bei der USO gewonnen hatte, gelang es ihm, das Stahlfach zu öffnen. Als die Panzertür zur Seite glitt, lagen die Sicherheitsfächer offen vor ihm. In den meisten von ihnen lagerten Akten. Kennon blickte sie durch, wobei er sorgfältig darauf achtete, alles so zu hinter lassen, wie es gewesen war. Wie erwartet, stieß er auch auf einen Akt über Gun Epprik. Er blätterte ihn hastig durch und fand darin auf einen Blick alles bestätigt, was er bisher herausgefunden hat te. Er eilte zu einem der Arbeitstische, nahm leere Folien heraus, legte sie ein und nahm alle Notizen über den Ingenieur an sich. Er verbarg sie unter seiner Bluse. Dann aber wandte er sich den vier Energiestrahlern zu, die in dem Panzerschrank aufbewahrt wur den. Und wiederum half ihm Kelly. »Siehst du Wärmespuren?« fragte Axton. Der Roboter deutete augenblicklich auf eine Waffe. Axton nahm sie heraus und un tersuchte sie. Sie schien vollkommen in Ordnung zu sein. Auch das Energiepotential schien ausreichend zu sein. Die Ladekon trolle zeigte etwa den halben Wert an. Als
H. G. Francis Axton das Magazin jedoch eingehender un tersuchte, stellte er fest, daß es tatsächlich leer war. Er hätte es gegen ein anderes austauschen können, das aber wäre ihm zu unsicher ge wesen. So nahm er die Waffe auseinander und versteckte ein wesentlich kleineres Ma gazin in ihr, das aus einem anderen Modell stammte. Das Magazin enthielt nur eine ein zige Ladung. Die Waffe konnte also nur ein mal abgefeuert werden. Das aber genügte im Fall Aliz Tagbor. Geschickt legte Axton die Anschlüsse, wobei er das Hauptmagazin völlig umging. Nun konnte Bure Fernstel dieses sogar ganz daraus entfernen, ohne dadurch Einfluß auf die Funktion der Waffe nehmen zu können. Aufatmend legte Axton die Waffe zurück. Nun kam es nur noch darauf an, daß Bure Fernstel tatsächlich diesen Strahler wählte. Alles deutete darauf hin, daß er ihn für Tag bor vorbereitet hatte. Dennoch blieb ein Un sicherheitsfaktor. Axton überlegte ange strengt, wie er erreichen konnte, daß auch ein Rest von Risiko ausgeschaltet wurde, aber ihm fiel nichts mehr ein. Er hatte ein fach nicht genügend Material bei sich, um alle vier Waffen zu präparieren. Er mußte sich darauf verlassen, daß Aliz Tagbor tat sächlich diese eine Waffe bekam. Die Wahr scheinlichkeit erschien ihm auf jeden Fall sehr hoch. Noch einmal überprüfte er, ob er alles so belassen hatte, wie es vorher gewesen war. Er fand nichts, was den Argwohn Bure Fern stels hätte erregen können, und befahl den Rückzug. Der Roboter trug ihn bis zur Tür. Dort setzte Axton seine Horchgeräte ein, und erst als er sicher war, daß sich niemand auf dem Gang aufhielt, verließ er das Büro des Ge heimdienstlers. Er blickte auf sein Chronometer. Er schrocken stellte er fest, daß er mehr Zeit gebraucht hatte, die letzten Vorbereitungen zu treffen, als er berechnet hatte. Aliz Tag bor mußte jeden Moment erscheinen. »In die Bibliothek«, befahl Axton.
Im Dienst Orbanaschols Als Kelly die Tür öffnete, sah der Terra ner, daß der alte Arkonide noch immer nach den von ihm gewünschten Magnetspulen suchte. »Kann ich Ihnen helfen?« fragte Axton. »Lassen Sie nur«, entgegnete der Arkoni de. »Ich habe mir vorgenommen, dieses Mal allein zurecht zu kommen, und ich werde es auch schaffen.« Axton fluchte lautlos. Dieser Greis behin derte ihn mehr als die gesamte positronische Einrichtung des Kristallpalastes. Da er je doch nichts tun konnte, ihn zu vertreiben, zog er sich in einen Winkel der Bibliothek zurück, von dem er glaubte, mit Hilfe der Spezialmikrophone den Gang gut überwa chen zu können. Allmählich wurde er unruhig. Der Arko nide schimpfte über den seiner Meinung nach völlig falsch angelegten Katalog. Er hantierte an den Pulten und wurde immer lauter, so daß er die Arbeit Axtons erheblich störte. Als dieser bereits erwog, ihn anzu sprechen, um ihn irgendwie aus der Biblio thek zu vertreiben, fand er endlich die ge suchte Spule und zog sich zufrieden damit zurück. Nun wurde es so still, daß Axton das Sur ren der verborgen angebrachten Klimaanla ge hören konnte. Die Sekunden verstrichen. Immer wieder blickte er auf sein Chronome ter. Das Essen beim Imperator mußte längst beendet sein. Warum kam Aliz Tagbor nicht? Hatte Bure Fernstel sich im letzten Mo ment zu einem anderen Weg entschlossen? War vielleicht schon alles vorbei? Hatte der von den Maahks präparierte Offizier seinen Attentatsversuch bereits vollendet und damit seine Familie um ihr gesamtes Vermögen gebracht? Axton rieb sich seine Handflä chen, die feucht geworden waren, an der Hose ab. Mit dem Instinkt eines Mannes, der über Jahrhunderte hinweg einen ganz beson deren Sinn für Gefahrensituationen ent wickelt hatte, spürte er, daß etwas nicht so war, wie es sein sollte. Aliz Tagbor war überfällig.
49 War der Offizier plötzlich zu sich gekom men? War es ihm gelungen, das ihm aufok troyierte Programm zu durchbrechen? Dann befand sich auch Bure Fernstel in erhebli chen Schwierigkeiten. Als Lebo Axton sich bereits entschlossen hatte, auf den Gang hinauszugehen und zu den Gemächern des Imperators vorzudrin gen, vernahm er plötzlich die Schritte zweier Männer und zweier Roboter. Schlagartig wurde er ruhig. Er glaubte, die beiden Män ner sehen zu können, die so dicht an ihm vorbeigingen. Vor der Tür zu den Räumen Bure Fern stels blieben sie stehen. »Sie können nicht ohne Waffe vor den Imperator treten.« Das war die Stimme Fernstels. »Ich verstehe nicht, daß man sie mir über haupt abgenommen hat«, erwiderte der an dere Arkonide. Es mußte Aliz Tagbor sein. Bure Fernstel antwortete nicht. Er betrat sei nen Arbeitsbereich. Axton hörte, daß er zum Tresor ging, ihn öffnete und etwas heraus nahm. Dann kehrte er zu Tagbor zurück. »Das ist nicht meine Waffe«, sagte der Offizier. »Das spielt jetzt keine Rolle. Nehmen Sie sie. Später werde ich alles für Sie in Ord nung bringen.« »Na gut. Ich bin einverstanden.« Die Tür schloß sich. Die beiden Männer und die beiden Roboter gingen weiter. Lebo Axton schob seine Instrumente in eine Öffnung in Kellys Körper und dirigierte den Roboter auf den Gang hinaus. Lautlos eilte Kelly bis zur nächsten Gangecke. Bure Fernstel, Aliz Tagbor und die beiden Kampfroboter waren bereits etwa fünfzig Meter entfernt. Die Männer hatten vier Wachroboter passiert. Axton wartete, bis sich eine breite Tür hinter ihnen geschlossen hatte, dann gab er Kelly den Befehl, ihnen zu folgen. Langsam schritt der Automat auf die ro botischen Wachtposten zu. Diese mußten dem gesamtpositronischen Programm unter stellt sein, das Axton in seinem Sinne beein
50 flußt hatte. Der Terraner wußte jedoch, daß es einen einzigen Roboter im Palast gab, der völlig unabhängig von der Positronik han deln konnte. War er unter diesen vier Auto maten? Er spürte, daß sich ihm der Magen verkrampfte. So kurz vor dem Ziel durfte nichts mehr passieren. »Schneller, Kelly«, befahl er leise. Der Roboter beschleunigte seine Schritte. Näher und näher kamen sie der breiten Tür. Als sie nur noch drei Meter von ihr trennten, öffnete sie sich selbsttätig vor ihnen. Lebo Axton blickte auf einen breiten Gang, an dessen Seiten übermannshohe Bil der befestigt waren. Aber dafür hatte er kein Auge. Er blickte auf den etwa drei Meter großen, unglaublich wuchtig wirkenden Kampfroboter, dessen sechs mit Energie strahlwaffen bewehrten Arme sich ihm ent gegenstreckten. Alle sechs Projektionsfelder flammten bedrohlich auf. Der Roboter besaß einen ovalen Kopf mit einem breiten Quarzband, das mit mehreren Aufnahmeobjektiven versehen war. Darun ter befand sich das Gitter eines Lautspre chers. »Stehenbleiben«, befahl die Maschine. Axton hatte gewußt, daß ihm der positro nikunabhängige Roboter hier begegnen wür de. Dies war der einzig logische Ort. Hier bildete er die letzte Sicherheitsschranke vor dem Imperator, die durch nichts zu durch brechen war als bestechend logische Argu mente. Kelly gehorchte. Lebo Axton blickte voller Anspannung über den Kopf des Roboters hinweg. »Soeben haben Aliz Tagbor und Bure Fernstel den Raum betreten, in dem sich der Imperator befindet«, sagte der Verwachsene. »Ich habe zuverlässige Informationen dar über, daß Aliz Tagbor ein Attentat auf Orba naschol III. plant.« »Interessant«, entgegnete der Kampfrobo ter mit monotoner Stimme. Die Art seiner Antwort überzeugte Axton davon, daß er über den Plan des Imperators informiert war. Es konnte nicht anders sein, denn sonst wäre
H. G. Francis er undurchführbar gewesen. »Dieses Attentat findet die Billigung des Imperators«, erklärte der Terraner, »denn Orbanaschol geht davon aus, daß die Waffe Aliz Tagbors nicht geladen ist.« »Das ist richtig.« »Ich habe zuverlässige Informationen dar über, daß Orbanaschol dem Anschlag zum Opfer fallen wird. Ich weiß, daß die Waffe doch geladen ist. Aliz Tagbor wird Orbana schol in wenigen Sekunden erschießen, wenn ich nicht passieren darf.« Axton hob die Arme. Er sprang vom Rücken Kellys herunter. »Ich bin unbewaffnet!« Er blickte den Kampfroboter an. Obwohl nur Sekundenbruchteile verstrichen, bis die flammenden Projektionsfelder der Energie strahlwaffen erloschen, erschien es Axton, als bliebe die Zeit stehen. »Du mußt den Verantwortlichen bestra fen«, sagte er hastig. »Du mußt Bure Fern stel töten!« »Passieren«, befahl der Kampfroboter. Axton atmete auf. Er hastete an der Ma schine vorbei. Kelly überholte ihn und we nig später rannte auch die Kampfmaschine an ihm vorbei. Die Türen zum Eßsalon des Imperators flogen auf. Die Tafel war bereits aufgelöst worden. Bedienstete hatten sie hinausgetragen. Die Gäste standen in kleinen Gruppen herum und plauderten miteinander. Orbanaschol III. stand unter einem roten Baldachin, flan kiert von Bure Fernstel und einem arkonidi schen Offizier. Er sprach mit einem ausge mergelt aussehenden Mann, der militärische Haltung angenommen hatte. Als die Türen sich lautstark öffneten, ruckten die Köpfe der Gäste herum. Auch Orbanaschol und Bure Fernstel blickten zu Lebo Axton hinüber. Lediglich der erschöpft aussehende Offizier reagierte nicht auf diese unerwartete Störung. Lebo Axton sah, daß er blitzschnell sei nen Energiestrahler aus dem Halfter zog und auf den Imperator richtete. »Kelly, schnell«, brüllte der Verwachse
Im Dienst Orbanaschols ne. Für einen kurzen Moment erschien es so, als werde Axtons Roboter mit seinen verbo genen Beinen stolpern. Seine Füße verhak ten sich in dem Gewand einer Arkonidin. Dann aber zerfetzten sie den dünnen Stoff. Kelly streckte sich. Mit einem mächtigen Satz schnellte er sich über zwei Sessel hin weg. Er prallte mit Aliz Tagbor zusammen. Im gleichen Sekundenbruchteil feuerte dieser seine Waffe ab. Ein gleißend heller Energiestrahl zuckte aus dem Projektor. Or banaschol III. erfaßte die Gefährlichkeit der Situation. Instinktiv wich er zur Seite aus, konnte der Glut jedoch nicht ganz entgehen. Der Energiestrahl streifte seinen Oberarm. Die blaue Uniform des Imperators platzte auseinander, und das verflüssigte Synthetik material fraß sich zischend in das Fleisch Orbanaschols. Der Imperator schrie gellend auf vor Schmerz. Er brach über einem Sessel zu sammen und wälzte sich hin und her, wobei er versuchte, sich die Kleidung vom Leib zu reißen. Über ihn hinweg blickten sich Bure Fern stel und Lebo Axton an. Der arkonidische Geheimdienstler war fassungslos vor Über raschung, aber in seinen Augen glomm all mähliches Verstehen auf. Lebo Axton dagegen konnte ein trium phierendes Lächeln nicht unterdrücken. Sei ne Schultern zuckten ein wenig, ohne daß er es wollte. Damit signalisierte er seinem Gegner: »Es ging nicht anders!« Bure Fernstel öffnete den Mund zu einem Schrei. Er wollte Orbanaschol das ungeheu re Spiel Lebo Axtons offenbaren, doch die Feuerflut, die ihm brüllend entgegenschlug, erstickte seine Worte, noch ehe sie über sei ne Lippen gekommen waren. Der Kampfroboter feuerte mit allen sechs Energiestrahlern zugleich. Bure Fernstel ge riet in den Zielpunkt der tosenden Energien. Sein verkohlender Körper wurde zurückge schleudert. Er prallte gegen eine Wand und stürzte dort zu Boden. Endlich kümmerte sich einer der Bedien
51 steten um den jammernden Orbanaschol. Ir gend jemand schüttete eine kühlende Flüs sigkeit über die Brandwunde, die er davon getragen hatte. Mehrere Ärzte kamen aus ei nem Nebenraum herbei und versorgten den Imperator. Lebo Axton zog sich unauffällig zurück, bis er sich mit dem Rücken an eine Wand lehnen konnte. Erst jetzt bemerkte er Gun Epprik, der sich in seiner Nähe befand. Der Ingenieur wischte sich die vor Erregung trä nenden Augen. Zwei Kampfroboter führten Aliz Tagbor aus dem Raum. Der Attentäter machte einen absolut apathischen Eindruck. Erregt sprachen die Gäste aufeinander ein. Sie alle waren von den Vorfällen vollkom men überrascht worden. Endlich kehrte Ruhe ein. Orbanaschol schickte die Ärzte weg, die sich um ihn geschart hatten. Nun hatte er sich wieder vollkommen in der Gewalt. Er war durchaus kein Weichling, der durch eine Brandwunde bereits zu Boden geworfen wurde. Es war der Schock, der ihn so getrof fen hatte. In Bruchteilen von Sekunden war er mitten aus seinem Triumph herausgeris sen worden und hatte er erkennen müssen, daß Bure Fernstel ihn getäuscht hatte. Ein Mann, dem er seit Jahren vollkommen ver traut hatte, hatte sich als Verräter erwiesen. Das jedenfalls mußte er annehmen. Lebo Axton winkte seinem Roboter zu. Als der Automat zu ihm gekommen war, kletterte er auf seinen Rücken. Er bedauerte zutiefst, daß er Orbanaschol III. nicht den ganzen Hintergrund und die wahren Zusammenhänge seines genialen Spiels gegen Bure Fernstel offenbaren konn te. Aber er hoffte, sein Fernziel auch so zu erreichen. Gun Epprik, der Günstling des Impera tors, trat auf Orbanaschol zu. »Ich denke, ich bin dir eine Erklärung schuldig«, sagt er. Der Imperator blickte auf die Reste Bure Fernstels. »Das glaube ich auch«, entgegnete er mit zornbebender Stimme.
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Der Ingenieur blieb ruhig und gefaßt. »Bure Fernstel wollte mich vernichten«, erklärte er. »Deshalb setzte er Lebo Axton auf mich an, einen Mann, der seine hervor ragenden kriminalistischen Eigenschaften bereits mehrfach bewiesen hat.« Aller Blicke richteten sich auf den Ver wachsenen, der Verlegenheit heuchelte und so tat, als wolle er Kelly aus dem Raum diri gieren. »Bleiben Sie«, befahl der Imperator. »Weiter. Ich will mehr hören.« »Natürlich fand ich nicht das geringste heraus, was gegen Gun Epprik sprach«, be richtete Axton. »Ganz im Gegenteil. Ich stieß auf zahlreiche Loyalitätsbeweise, gleichzeitig aber auch auf Informationen, die mir zeigten, daß Bure Fernstel mich in eine Falle gelockt hatte. Er wußte, daß es gefähr lich ist, gegen die Freunde und Berater des Imperators zu ermitteln. Er fürchtete meine Konkurrenz und wollte mich auf diese Wei se ausschalten. Ich mußte mich wehren. Und ich deckte den Attentatsplan auf. Gun Epprik half mir dabei. Er hat mir auch die Wege in den Pa
last geöffnet.« »Warum?« fragte der Imperator erregt. »Warum hat man mir vorher nichts gesagt?« »Hättest du Lebo Axton geglaubt, einem Mann, den du nicht kennst? Hättest du ihm mehr Vertrauen entgegengebracht als Bure Fernstel?« Orbanaschols Miene glättete sich. Er wußte, daß Epprik recht hatte, aber er war noch nicht bereit, Axton nun bereits freund schaftlich zu begegnen. Er gab dem Ver wachsenen mit einer hochmütigen Geste zu verstehen, daß er den Raum verlassen sollte. »Ich werde Ihre Dienste honorieren«, er klärte er knapp. »Sie hören von mir.« Lebo Axton sah es in den Augen Eppriks triumphierend aufblitzen. Er neigte den Kopf vor Orbanaschol und ließ sich von Kelly hinaustragen. In Zukunft würde es für seine Gegner schwieriger sein, gegen ihn zu intrigieren.
E N D E
ENDE