Nr. 299
Orbanaschols Ende Eine neue Ära beginnt - und ein langer Traum geht zu Ende von H. G. Francis
Das Geschehen i...
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Nr. 299
Orbanaschols Ende Eine neue Ära beginnt - und ein langer Traum geht zu Ende von H. G. Francis
Das Geschehen im Großen Imperium der Arkoniden spitzt sich unaufhaltsam zu. Es wird gegenwärtig durch innere Konflikte bestimmt – in viel höherem Maß jedenfalls als durch die Kämpfe gegen die Methans. Es gärt auf vielen Welten des Imperiums. Und schuld daran ist einzig und allein Orbanaschol, der Brudermörder und Usurpator, der in seiner Verblendung und Korruptheit einen falschen Weg beschritten hat. Die Tage Orbanaschols sind längst gezählt. Dennoch gibt sich der Usurpator, obwohl er die Zeichen der Zeit zu deuten versteht, noch nicht geschlagen. Während Orbanaschol in seiner Verzweiflung und Panik die ihm verbliebene Macht nutzt, um gegen echte oder vermeintliche Widersacher brutal vorzugehen, sammeln die Gegner seines Gewaltregimes – unter ihnen Atlan-Freunde, aber auch solche, die einen anderen als den Kristallprinzen an der Spitze des Imperiums sehen möchten – ihre Kräfte und ziehen sie in der Nähe des Arkon-Systems oder auf Arkon selbst zusammen. Schläge und Gegenschläge erfolgen, die Machtkonstellationen verändern sich laufend. Die Lage auf Arkon ist chaotisch, bis sich neue, unerwartete Aspekte ergeben. Damit beginnt eine neue Ära – sie wird eingeleitet durch ORBANASCHOLS ENDE …
Orbanaschols Ende
3
Die Hautpersonen des Romans: Orbanaschol III. - Der Usurpator am Ende seines Weges. Lebo Axton - Ein Terraner als zweitmächtigster Mann des Imperiums von Arkon. Kelly - Axtons treuer Roboter. Atlan und Fartuloon - Gefangene Orbanaschols. Peter Randok und Jerremy Thorton - Wächter der Traummaschinen.
1. Das Panzerschott schob sich surrend zur Seite. Dahinter wurden zwei Männer in dunkelblauen Uniformen sichtbar. Sie trugen silbern schimmernde Gürtel, an denen großkalibrige Kombistrahler hingen. Ihre Gesichter waren scharfgeschnitten und kantig. Ihre Lippen bildeten dünne Striche, und die harten Augen schienen aus Glas zu sein. Lebo Axton beugte sich nach vorn und stützte sich mit dem Ellenbogen auf die Schulter seines Roboters Gentleman Kelly, der einige Zentimeter über dem Boden schwebte. Kelly hatte nur noch ein Bein und konnte nicht mehr gehen. Ein Energiestrahl hatte ihm das Bein weggerissen. Die beiden Männer salutierten in übertrieben exakter Weise. Sie riefen damit ein spöttisches Funkeln in den Augen des Terraners hervor. »Guten Morgen, meine Herren«, sagte Axton-Kennon. »Führen Sie mich zum kommandierenden Offizier.« Einer der beiden Männer hob den Arm und schnippte mit den Fingern. Ein Offizier von weniger hohem Rang eilte aus einer Kabine herbei. »Axton möchte zu Cocross.« Die beiden Wachen aus dem Elitekommando Orbanaschols. III. wichen zur Seite und machten dem Geheimdienstchef des arkonidischen Imperiums Platz. Auf ihren Gesichtern zeichnete sich nicht ab, was sie dachten. Axton schwebte mit Kelly an ihnen vorbei. Er folgte dem Offizier, der den Befehl schweigend entgegengenommen hatte. Vor knapp einer Stunde hatte Axton auf Arkon II noch auf verlorenem Posten ge-
standen. Die Revolte der Mächtigen gegen den Imperator hatte auch den Geheimdienst erfaßt und das Organisationsbüro von Arkon II auf die Seite der Kontrahenten Orbanaschols gebracht. Doch die Macht der Großen war gebrochen. Moira Erclac lebte nicht mehr. Eihrett Khantron war verschwunden. Und der Dreifache Sonnenträger Spronthrok hatte vergeblich versucht, die Raumflotte Arkons für einen Staatsstreich zu nutzen. Es war ihm nicht gelungen, Atlan in seine Hände zu bekommen. Damit sah plötzlich wieder alles anders aus. Nun war Lebo Axton nicht nur auf Arkon I einer der Mächtigen, er war es überall im Imperium. Und selbst der Oberkommandierende der Elitetruppen Orbanaschols mußte sich ihm beugen. Der Zweifache Sonnenträger Cocross war schon informiert, bevor Axton sein Büro betrat. Als sich die Tür vor dem Verwachsenen öffnete, hatte Cocross den halben Weg von seinem Arbeitstisch bis zur Tür schon zurückgelegt. Er lächelte gequält. »Axton, was kann ich für Sie tun?« rief er. Der Kosmokriminalist ließ sich vom Rücken des Roboters gleiten. Er nahm es bewußt in Kauf, daß der Arkonide ihn nun weit überragte und auf ihn herunterblickte. Dadurch entstand scheinbar ein psychologischer Vorteil für den Offizier, tatsächlich aber wußte Axton diese Haltung psychologisch besser zu nutzen. Er mußte zwar zu dem Arkoniden aufblicken, doch das störte ihn nicht. Er wußte, daß Cocross sich nun aus seiner innerlichen Verkrampfung löste, ohne sich dessen bewußt zu werden. Der Arkonide fühlte sich weniger unter Druck gesetzt, und gleichzeitig ließ seine Aufmerk-
4 samkeit auch nach. Dadurch war es für Axton leichter, seine Vorstellungen durchzusetzen. »Ich hoffe, Atlan ist noch hier«, sagte er und trat noch etwas dichter an Cocross heran, so daß er steil nach oben sehen mußte. »Allerdings«, erwiderte der Offizier. »Haben Sie den Imperator bereits informiert?« Cocross deutete auf den Hyperkom. »Ich hatte gerade die Absicht, das zu tun.« »Sie werden damit noch warten«, befahl der Kosmokriminalist, ging an dem Kommandanten vorbei zu seinem Sessel, gab Kelly einen knappen Wink und ließ sich von ihm in einen Sessel heben. »Meinen Sie nicht, daß der Imperator gerade auf diese Nachricht besonders ungeduldig wartet?« Axton lächelte spöttisch. »Ich denke, es steht Ihnen nicht zu, die psychologische Situation des Imperators zu beurteilen«, erwiderte er scharf. »Fraglos ist die Nachricht für den Imperator wichtig, aber alles hat seine Zeit.« »Aber, Axton, wir haben …« »Sie haben nur wenig dazu getan, daß Atlan und sein Begleiter nun in Haft sind«, stellte der Verwachsene fest. »Ich habe Ihnen diese beiden Gefangenen zugeführt. Haben Sie das vergessen?« Cocross preßte die Lippen zusammen. Er schüttelte zögernd den Kopf. Axton hatte die Gefangenen den Elitetruppen keineswegs zugeführt. Tatsächlich hatte er eine klare Niederlage erlitten. Danach war er Atlan und seinem Begleiter nachgelaufen. Das war gerade in dem Moment gewesen, als die Elitetruppen heranrückten. So hatte es für diese ausgesehen, als sei Axton der Sieger. »Was kann ich tun?« fragte Cocross erneut. »Zunächst möchte ich die beiden Häftlinge sehen. Danach werde ich nach Arkon I fliegen und dem Imperator berichten.« »Wir könnten Atlan direkt zu ihm brin-
H. G. Francis gen«, schlug der Offizier vor. »Gerade das will ich nicht«, lehnte Axton ab. »Ich will erst mit Orbanaschol sprechen, um ihn entscheiden zu lassen, was zu geschehen hat.« Cocross legte seine Hand auf den Hyperkom. »Wir könnten …«, begann er. »Das überlassen Sie gefälligst mir«, unterbrach ihn der Geheimdienstchef. Cocross erbleichte. Er wußte nicht, ob er es sich leisten konnte, sich gegen Axton aufzulehnen. Die kritische Situation im Kristallpalast war auch ihm bekannt. Er als Kommandant der Elitetruppen des Imperators mußte in der augenblicklichen Lage alles unterlassen, was ihm von der einen oder der anderen Machtgruppe zur Last gelegt werden konnte. Niemand konnte sagen, wer in einigen Tagen Imperator sein würde. Orbanaschol III. konnte es noch immer sein, ebensogut aber konnte es auch Atlan sein – oder ein anderer. Auf jeden Fall war Cocross dann noch immer Kommandant der Elitetruppen und als solcher dem neuen Imperator verpflichtet. Schlug er sich jetzt gar zu engagiert auf die Seite Orbanaschols, so konnte ihn das nach seinem Sturz den Kopf kosten. Ebenso konnte es ihm ergehen, wenn er sich gegen Orbanaschol auflehnte und dieser dann doch Imperator blieb. Er blickte Axton unsicher an. Der Geheimdienstchef war so ruhig, als wisse er mit absoluter Sicherheit, was in den nächsten Tagen geschehen werde. »Selbstverständlich liegt das in Ihrer Entscheidung«, sagte der Kommandant. In seinen Augen blitzte es auf. »Dann ist es ja gut«, erwiderte Axton. Er rutschte aus dem Sessel. »Ich schlage vor, daß Sie mir jetzt Atlan und den anderen Gefangenen zeigen.« Kelly kniete sich hin, so daß er auf seinen Rücken steigen konnte. Cocross hatte jeden Widerstand aufgegeben. Er ging zur Tür und öffnete sie. Dann trat er zur Seite, um Axton Platz zu machen. Der Kosmokriminalist ließ sich durch die Tür tragen.
Orbanaschols Ende Zwei Minuten später stand er vor Atlan und Fartuloon. Beide hatten ihre bisherige Gefangenenkleidung abgeben und gegen eine andere, rote austauschen müssen. Die beiden Männer standen schweigend vor dem vergitterten Fenster. Sie blickten Axton ausdruckslos an. Der Verwachsene war sich dessen sicher, daß sie nicht in der Lage waren, die Zusammenhänge richtig zu deuten. »Es ist gut«, sagte er zu Cocross. »Ich fliege jetzt zum Kristallpalast. Danach hören Sie von mir. Vielleicht aber hat der Imperator selbst den Wunsch, mit Ihnen zu sprechen.« Axton suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, Atlan und Fartuloon zu befreien. Die Situation, in der er sich befand, war geradezu grotesk. Er war als Chef aller Geheimdienste nach Orbanaschol III. der mächtigste Mann im Imperium, aber er hatte keine Möglichkeit, Atlan zu helfen. Flüchtig überlegte er, ob er es übernehmen sollte, Atlan und Fartuloon als Gefangene nach Arkon I zu überführen – und diesen Transport als Fluchtgelegenheit zu benutzen. Er verwarf diesen Plan jedoch sogleich wieder, da er keine Zeit hatte, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Allzu gut erinnerte er sich noch daran, wie es ihm ergangen war, als er ohne jede Vorbereitungen, einfach dem Druck der Situation gehorchend, gegen Moira Erclac vorgegangen war. Er hatte eine Schlappe einstecken müssen. Das konnte er sich jetzt nicht leisten. Das Leben Atlans stand auf dem Spiel, und eine Niederlage war gleichbedeutend mit dem Tod des Kristallprinzen. Er wandte sich ab. Cocross schloß die Zellentür. Er machte einen zufriedenen Eindruck. Axton achtete nicht darauf. Er dachte nur an Atlan. Ihn schmerzte die Verachtung, die er in seinen Augen hatte lesen können. Ihm war bewußt, daß Atlan gar nicht wissen konnte, was er für ihn getan hatte, und daß er sein Freund war. In den Augen des Kristallprinzen war er eine Kreatur Orbanaschols. Atlan konnte auch nicht wissen, daß
5 er erst seit ein paar Tagen Geheimdienstchef war. Als Axton-Kennon in einem Gleiter zum Raumhafen flog, dachte er darüber nach, wie er Atlan informieren konnte. Dieses Problem war nicht weniger vordringlich, als Atlan zu befreien und damit zu einer Figur zu machen, die aktiv in das Geschehen im Kern des Imperiums eingreifen konnte.
* Zehn Stunden später ließ sich Axton an seinem Arbeitstisch in seinem neuen Büro als Geheimdienstchef nieder. Er tippte die Code-Ziffern Orbanaschols III. in das Videogerät und wartete. Als der Bildschirm sich erhellte, erschien das Gesicht des Kristallmeisters auf der Projektionsfläche. »Sie, Axton?« fragte er überrascht. »Ich wähnte Sie noch auf Arkon II.« »Ich bin zurück«, erwiderte der Verwachsene. »Bitte, geben Sie mir den Imperator.« »Sie können ihn nicht sprechen. Er schläft.« »Dann wecken Sie ihn. Ich habe eine äußerst wichtige Nachricht für ihn.« Der Oberaufseher der Privaträume des Imperators schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich habe die strikte Anweisung, den Imperator nicht zu wecken. Er schläft zum erstenmal wieder seit drei Tagen. Der Arzt sagte, er hätte unmittelbar vor einem Zusammenbruch gestanden. Deshalb muß er jetzt noch wenigstens sechs Stunden schlafen. Danach können Sie ihn sprechen.« »Und was geschieht, wenn eine Revolte ausbricht?« fragte Axton ironisch. Der Kristallmeister verstand, was er damit ausdrücken wollte. Er lächelte. »Für diesen Fall, so meinte der Imperator, habe er tüchtige Männer, die auch ohne ihn mit derartigen Dingen fertig werden.« »Danke. Ich werde warten. Sollte der Imperator wider Erwarten vorzeitig aufwachen, informieren Sie mich, bitte, sofort.« »Das werde ich tun.«
6 Axton schaltete ab. Er war froh über den unverhofften Zeitgewinn. Für etwa sechs Stunden war Orbanaschol ausgeschaltet. Für diese Zeit war Atlan in Sicherheit. Axton setzte sich mit Cocross in Verbindung und teilte ihm über Hyperkom mit, wie die Lage war. »Alles bleibt unverändert«, befahl der Kosmokriminalist am Ende des Gesprächs. »Atlan und sein Begleiter bleiben, wo sie sind, bis der Imperator anders entscheidet. Sie werden entsprechend informiert.« Als er abgeschaltet hatte, lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Seine Gedanken überschlugen sich. Jetzt kam es darauf an. Es galt, die verschiedenen politischen Strömungen zu erfassen und in richtige Bahnen zu lenken. Axtons Blick fiel auf den Informationsauswurf. Das mit dem Hauptcomputer des Geheimdiensts verbundene Gerät zeigte an, daß eine Fülle von Material aufgelaufen war, das gesichtet werden mußte. Axton überlegte, ob er sich die Zeit nehmen sollte, die Informationen durchzusehen. Diese Arbeit gehörte zu seinen Pflichten, brachte ihm aber auch außerordentliche Vorteile. Er tippte die Zahlen Avrael Arrkontas in die Tastatur seines Videos. Eine der beiden Frauen des Industriellen meldete sich und verband ihn sogleich mit dem Freund. »Ich muß mich kurz fassen, Avrael«, sagte der Terraner. »Alle Erläuterungen später. Bitte, kommen Sie in den Kristallpalast in mein Büro. Ich werde dafür sorgen, daß Sie alle Kontrollen passieren können. Haben Sie Zeit?« »Selbstverständlich«, erwiderte der Arkonide. »Ich bin spätestens in zehn Minuten bei Ihnen.« »Danke.« Axton schaltete ab. Avrael Arrkonta war der zuverlässigste Freund, den er in dieser Zeit des alt-arkonidischen Imperiums gefunden hatte. Auf ihn konnte er jederzeit bauen. Mit ihm zusammen wollte er die notwendigen Vorbereitungen für die nun unvermeidbaren Ereignisse der Zukunft treffen.
H. G. Francis Er stürzte sich auf die Informationen, die aus dem Computer kamen, nachdem er sie nach Themen geordnet hatte. Ihre Bedeutung konnte er nicht von vornherein erkennen. Daher mußte er sie alle zumindest überfliegen. Am meisten interessierten ihn die Nachrichten, aus denen er sich ein Bild über die Machtsituation im Kern des Imperiums machen konnte. Die zahlreichen Agenten, die überall auf den drei Planeten Arkons arbeiteten, hatten sich besonders darauf konzentriert. Allen war klar, daß Orbanaschol die gefährlichste Krise seiner Amtszeit erlebte. Daher glich die arkonidische Gesellschaft zur Zeit einem brodelnden Kessel. Der Türsummer schlug an. Axton erwartete Avrael Arrkonta. Er hatte inzwischen Anweisungen an die Kontrollstellen gegeben, ihn durchzulassen. Doch nicht der Industrielle trat ein, sondern eine zierliche Arkonidin. Sie war nicht besonders hübsch, hatte aber ausdrucksvolle, große Augen und einen weichen Mund. Axton hatte sie schon öfter gesehen. Sie war eine enge Mitarbeiterin des ermordeten Frantomor gewesen. Von ihm hatte sie Axton häufig Nachrichten überbracht, die nicht über Video übermittelt werden sollten. »Karena Eze«, sagte er überrascht. »Was führt Sie zu mir?« »Ich habe hier einige Informationen, die soeben eingegangen sind. Ich halte sie für so wichtig, daß ich sie Ihnen direkt geben wollte.« Sie reichte ihm einige beschriftete Bögen hin. Er nahm sie entgegen und blickte sie abwartend an. Sie machte keine Anstalten zu gehen. Unsicher wich sie seinen Blicken aus. »Ist noch etwas?« fragte er. Sie preßte die Lippen zusammen und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Dann schüttelte sie den Kopf, drehte sich um und eilte zur Tür. Dort blieb sie erneut stehen. Sie blickte über die Schulter zurück. »Nun, Karena? Wollen Sie es mir nicht sagen?«
Orbanaschols Ende Er spürte, daß sie ihm etwas mitzuteilen hatte, was wichtig war. Er erhob sich und wollte um seinen Arbeitstisch herumgehen, doch plötzlich wurde er sich seines mißgestalteten Körpers bewußt. Das Blut schoß ihm in die Wangen. Seine Hände krampften sich um die Tischkante. Er spürte, daß die Frau ihn beobachtete, und stürzte in ein Gefühlschaos, das ihn so plötzlich und unerwartet überfiel, daß er nicht damit fertig wurde. Ruckartig wandte er sich ab und kehrte zu seinem Sessel zurück. Er versuchte, sich hinter eine Fassade von Ablehnung und Frostigkeit zu retten. »Lassen Sie mich allein«, befahl er mit schriller Stimme. Sie schüttelte den Kopf und kam langsam auf ihn zu. Er sah, daß ihre Finger zitterten, als sie sich auf die Tischplatte drückten. »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich Ihnen jederzeit helfe«, erklärte sie mit schwankender Stimme. Sie suchte seine Blicke. »Ich wollte es Ihnen schon lange sagen.« Damit wandte sie sich um und eilte hinaus. Er blickte ihr verblüfft und restlos verunsichert nach. Vergeblich versuchte er, mit seinen Gefühlen fertig zu werden. Schließlich hieb er seine Faust zornig auf den Tisch. »Du Narr«, sagte er keuchend. »Sie meint doch gar nicht dich. Sie meint dein Amt, deine Funktion. Du bist Chef hier. Das ist alles, was sie interessiert.« Er wußte, daß er ihr unrecht tat, aber er redete es sich dennoch immer wieder ein. Um sich abzulenken, griff er nach den Nachrichten, die sie ihm übergeben hatte. Er las sie in aller Eile durch. Als er etwa die Hälfte des Informationsmaterials gesichtet hatte, erschien Avrael Arrkonta. Der Arkonide blickte sich lächelnd im Büro um. »Alle Achtung«, sagte er anerkennend. »Dieser Raum zeigt ein wenig mehr her als der andere.« »Wir haben keine Zeit für Scherze«, entgegnete Axton. Er bot dem Freund Platz an. »Die Zeit drängt. Die Ereignisse überschla-
7 gen sich, und Atlan sitzt auf Arkon II fest. Ich konnte ihn nicht befreien. Lange wird es nicht mehr dauern, bis Orbanaschol Bescheid weiß. Was dann kommt, steht in den Sternen.« Arrkonta streckte abwehrend die Hände aus. »Nicht alles auf einmal«, bat er. Axton informierte ihn über die Ereignisse der letzten Tage und über die neue Situation. »Der Tod von Moira Erclac und der von Spronthrok bedeutet, daß Orbanaschol wieder ein wenig mächtiger geworden ist«, schloß er. »Zwei seiner Feinde leben nicht mehr.« »Wer bleibt noch?« »Lassen Sie mich zusammenfassen, was in diesem Berg von Informationen enthalten ist«, erwiderte Axton. »Zunächst: Worauf stützt sich die Macht Orbanaschols jetzt noch? Da sind einmal die Elitetruppen des Imperators unter dem Oberkommando von Cormon Thol.« »Ein beachtlicher Machtfaktor«, bemerkte Avrael Arrkonta. »Eben«, stimmte Axton zu. »Das sollte niemand übersehen. An den Elitetruppen sind Moira Erclac, Spronthrok und auch Eihrett Khantron gescheitert. Diese Truppen halten zu Orbanaschol, ganz gleich, was geschieht. Cormon Thol und die Offiziere, die hinter ihm stehen, sind auf diesen Imperator eingeschworen.« »Wer stützt Orbanaschol noch?« »Der Kriegsminister Vlerghont vor allem, aber auch einige andere einflußreiche Minister. Dann müssen wir den Polizeipräsidenten Ternnan hinzurechnen.« »Ternnan?« fragte Arrkonta überrascht. »Er ist Polizeipräsident von Arkon III.« »Das war er. Heute nacht hat er das Amt des Polizeipräsidenten von Arkon I übernommen.« »Orbanaschol igelt sich ein.« »Genau das«, stimmte der Verwachsene zu. »Er weiß, was die Stunde geschlagen hat, und er schart alle um sich, auf die er glaubt, sich verlassen zu können. Ich bin
8 mittlerweile davon überzeugt, daß er Frantomor nicht erschossen hat, weil er ihm einen Verrat nachweisen konnte. Er hat ihn aus dem Weg geräumt, um mich zum Chef des Geheimdiensts machen zu können. Natürlich hätte er Frantomor auch in die Wüste schicken können, aber dann hätte er befürchten müssen, daß Frantomor sich mit all seinem Wissen auf die Seite der Rebellen schlägt.« »Gut. Und wer ist noch für Orbanaschol?« »Fast fünfzig Prozent der Raumflotte.« »Das ist unmöglich«, rief Arrkonta. Axton legte seine Hand auf die Papiere. »Es ist so«, beteuerte er. »Natürlich heißt das nicht, daß fünfzig Prozent aller Offiziere der Raumflotte mit der Politik Orbanaschols einverstanden sind. Es bedeutet nur, daß fünfzig Prozent der Flotte sich einem Einsatzbefehl Orbanaschols nicht widersetzen wird. Avrael, bedenken Sie doch. Das ist ein gefährlich niedriger Anteil. Fünfzig Prozent der Offiziere stehen dagegen. Von ihnen würden mit Sicherheit weit mehr als die Hälfte meutern, wenn es darauf ankommt. Die restlichen Offiziere würden versuchen, sich dem Befehl nicht zu widersetzen, aber sich ihm auf irgendeine Weise zu entziehen.« »Dennoch bin ich erschüttert«, gestand Arrkonta. »Ich hätte gedacht, daß Orbanaschol nun so gut wie allein steht. Das aber ist nicht der Fall. Wie ist denn unsere Situation? Und gibt es noch mehr Gegner? Was wissen Sie darüber?« »Die Gegner Orbanaschols sind zunächst Atlan mit der Organisation Gonozal VII. Dazu sind zu zählen etwa zwanzig Prozent der adligen und damit einflußreichsten Arkoniden.« »Was haben wir von der Flotte zu erwarten?« »Höchstens 10 Prozent der Offiziere stehen auf unserer Seite.« »Dann ist unsere Ausgangsposition bei weitem nicht so gut, wie ich gedacht habe.« »Täuschen Sie sich nicht, Avrael. Alles
H. G. Francis hängt von der Person Orbanaschols ab. Wenn es Atlan gelingt, Orbanaschol für abgesetzt zu erklären und seine eigenen Machtansprüche geltend zu machen, dann bricht Orbanaschols Machtgebäude wahrscheinlich schlagartig zusammen. Noch besser wären unsere Aussichten, wenn Orbanaschol getötet werden würde. Dann aber müßte Atlan bereits im Kristallpalast sein und sofort an Orbanaschols Stelle treten.« »Sie sagen das so, als wüßten Sie noch von anderen Gruppen, die nach der Macht greifen.« »Das ist richtig. Es gibt noch eine Gruppe von Adligen, die nicht daran denkt, Atlan zur Macht zu verhelfen. Er ist ihnen zu jung, politisch zu unerfahren und im Vergleich zu Orbanaschol zu extrem. Sie sind der Meinung, daß Arkon jetzt erst einmal Ruhe braucht. Sie wollen daher keinen Imperator wie Atlan, der Arkon durch seine kraftvolle Persönlichkeit in neue Konflikte stürzen könnte. Sie wollen einen Mann des Ausgleichs, einen unpolitischen Imperator, der die Regierungsführung den Technokraten überläßt und selbst nur repräsentiert.« »Sie meinen, Atlan sei ungeeignet als Imperator?« fragte Avrael Arrkonta bestürzt. »Nicht ich bin dieser Ansicht«, entgegnete der Terraner. »Diese Gruppe ist es. Verstehen Sie denn nicht? Unter dem Regime Orbanaschols sind viele Männer und Frauen geadelt worden. Viele sind reich und einflußreich geworden. Einige, weil sie schamlos und in verbrecherischer Weise die Gunst der Stunde genutzt haben, oder weil sie für ihre Taten von Orbanaschol belohnt worden sind. Darunter sind viele, denen man höchstens vorwerfen kann, daß sie mit Orbanaschol zusammengearbeitet haben.« »Ja – und?« »Eine Persönlichkeit wie Atlan würde sich gegen alle stellen, die unter dem Regime Orbanaschols groß geworden sind. Viele würden das zumindest annehmen. Dadurch entstünde Unruhe, vielleicht käme es sogar zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Das ist nicht meine Meinung, sondern die dieser
Orbanaschols Ende
9
Gruppe, die sich um einen Onkel Atlans bemüht, um einen Mann namens Upoc.« »Ich habe von Upoc gehört«, sagte Arrkonta überrascht. »Er ist ein Künstler.« »Er befaßt sich mit besonderen Formen der Musik.« »Ist er ein ernstzunehmender Mann?« »Die Gruppe, die sich für ihn einsetzt, ist ernstzunehmen. Aus diesen Unterlagen geht hervor, daß fast 30 Prozent aller adligen Arkoniden Upoc unterstützen würden. Etwa 10 Prozent der Flotte würde sich bei einer Lösung ›Upoc‹ auf seine Seite schlagen.« »Damit habe ich nicht gerechnet«, gestand Arrkonta. »Ich war fest davon überzeugt, daß Atlan nur nach Arkon zu kommen brauchte und daß dieses Ereignis das auslösende Moment für den Sturz Orbanaschols sein würde. Ich glaubte, die Öffentlichkeit würde ihn spontan als den rechtmäßigen Thronfolger und neuen Imperator feiern.« »Das scheint Atlan auch geglaubt zu haben«, entgegnete Axton. »Leider sind die machtpolitischen Verhältnisse nicht so einfach. Wir müssen versuchen, die Situation im Sinne Atlans zu nutzen. Dabei kommt es zunächst einmal darauf an, Atlan das Leben zu retten. Und dann müssen wir uns wohl mit einem Mann namens Tarts befassen.« »Tarts? Wer ist das?« »Das ist einer der Männer, die sich für Upoc einsetzen. Wie mir scheint, ist er derjenige, auf den es ankommt.« Avrael Arrkonta erhob sich. »Ich werde die Organisation mobilisieren«, erklärte er. »Eine Frage noch: Wie wollen Sie Atlan befreien?« »Wenn ich das wüßte, wäre mir erheblich wohler«, antwortete Axton.
2. Karena Eze blieb überrascht in der offenen Tür stehen, als sie sah, daß Lebo Axton mit Gentleman Kelly im Archiv war. Der Verwachsene stand am Hauptcomputer. Gentleman Kelly, der mittlerweile ein neues
Bein erhalten hatte, hielt einige Papiere in den Händen. »Ich wußte nicht, daß Sie hier sind«, sagte die Arkonidin stammelnd. »Dann wissen Sie es jetzt«, erwiderte er schroff. Als sie sich umdrehte und davongehen wollte, rief er sie zurück. »Kommen Sie herein, und schließen Sie die Tür«, befahl er. Sie gehorchte. An der Tür blieb sie stehen. »Was haben Sie hier gesucht?« fragte er. Sie zögerte zunächst, antwortete dann jedoch: »Unterlagen über die Musik Upocs.« »Und warum?« forschte er weiter. »Ich wollte Sie so umfassend wie möglich informieren.« Sie wich seinen Blicken aus. »Nun gut. Dann sagen Sie mir, was an der Musik Upocs so wichtig ist.« Sie trat näher an ihn heran. Ihr Gesicht entspannte sich, und ihm fiel zum ersten Mal auf, daß sie ihn nur um wenige Zentimeter überragte. Sein linkes Lid begann nervös zu zucken. »Upocs Musik übt einen stark emotionalen Effekt aus«, behauptete sie. »Sie beruhigt und besänftigt, ohne deshalb leicht oder oberflächlich zu sein. Sie spricht den Menschen ungemein an und zwingt ihn, zuzuhören und alle Probleme zumindest vorübergehend zu verdrängen.« Er schüttelte den Kopf. »Das scheint mir stark übertrieben zu sein«, entgegnete er. »Haben Sie denn schon diese Musik gehört?« »Allerdings«, antwortete sie eifrig. »Ich hatte das Glück, bei einem Besuch der Akademie der Künste einen kleinen Ausschnitt hören zu dürfen.« »Sie scheint nicht sehr bekannt zu sein.« »Der Imperator hat sie verboten.« Karena Eze hob den Kopf. Sie blickte Axton an. Er stürzte augenblicklich in ein Chaos von Gefühlen, da er nicht die Kraft hatte, ihren Blicken auszuweichen. Er spürte, wie sein Herz wild und schmerzhaft in der Brust schlug. »Der Imperator scheint der Meinung zu
10 sein, daß diese Musik ein mächtiges Propagandainstrument gegen ihn werden könnte«, fügte sie zögernd hinzu. Sie schob sich eine Locke aus der Stirn, drehte sich um und ging zur Tür. Dort blieb sie stehen und blickte fragend zurück. »Danke«, sagte er mühsam. »Sie können gehen.« Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, legte ihm Gentleman Kelly die Hand auf die Schulter. »Ich möchte mich keineswegs aufdrängen«, sagte der Roboter. »Darf ich dich aber daran erinnern, Schätzchen, daß ich ein geniales Musikempfinden habe? Möchtest du, daß ich dir etwas vorsinge?« Er begann mit scheppernder und quietschender Stimme ein Lied, das zur Zeit die arkonidischen Massen begeisterte. Der Kloß im Hals verschwand so schnell, wie er gekommen war. Lebo Axton-Kennon lachte. Er stieß dem Roboter den Ellenbogen vor den Rumpf. »Hör auf, Blechkommode. Ich bin völlig in Ordnung.« Kelly stellte das Quietschen ein, äffte verblüffend echt ein Räuspern nach und sagte mit klarer, nüchterner Stimme: »Sie wollte dir einen Tip geben.« Axton nickte. »Das ist haargenau meine Ansicht«, entgegnete er. »Sie wußte, daß ich hier bin, und sie wollte mir helfen.« Er hatte nach Unterlagen über Upoc gesucht, aber keine gefunden. Es existierten keine Aufzeichnungen über den Onkel Atlans. Für Axton ergab sich daraus der Schluß, daß Orbanaschol sämtliche Unterlagen hatte vernichten lassen. Doch damit wollte der Terraner sich nicht abfinden. Er vertiefte sich in das Informationsmaterial, das es über die Akademie der Künste gab. Dabei erfuhr er, daß Upoc bis vor wenigen Jahren Schirmherr der Akademie gewesen war. Den größten Teil seiner Werke hatte er der Akademie vermacht. Er schien nicht das geringste Interesse an der finanziellen Auswertung zu haben.
H. G. Francis Für Axton stand nach Abschluß seiner Informationsarbeit fest, daß er sich an die Akademie der Künste wenden mußte, wenn er weiterkommen wollte.
* Axton war gerade mit seinem Antigravgleiter gestartet, als ihn ein Anruf Avrael Arrkontas erreichte. »Sie müssen uns helfen, Lebo«, sagte der Industrielle. »Was gibt es für Probleme?« »Sie müssen zu uns kommen. Dann werde ich Ihnen alles erklären.« Axton wußte, daß Arrkonta ihn nur rief, wenn es tatsächlich Schwierigkeiten gab, mit denen er allein nicht fertig wurde. »Ich komme«, sagte er daher. Gentleman Kelly brachte den Gleiter auf einen anderen Kurs und beschleunigte stärker. Minuten später landete die Maschine in einer Parknische direkt unter einem Schild, auf dem stand: »Nur für künstlerische Mitarbeiter der OGKLE«. Axton wartete, bis der Roboter die Flugkabine verlassen hatte, dann stieg auch er aus, kletterte auf Kellys Rücken und ließ sich in das Gebäude tragen. Avrael Arrkonta kam ihm entgegen, als er einen farbenprächtig dekorierten Gang erreichte. »Nun, Avrael?« fragte der Terraner. »Wir kommen nicht weiter«, erklärte der Arkonide. »Die Bilder sind nicht gut genug.« Axton blickte auf sein Chronometer. »Wir haben noch drei Stunden Zeit«, sagte er. »Dann wacht Orbanaschol auf, und die Atempause ist vorbei. Es wird knapp.« Zusammen mit dem Industriellen betrat er eine Halle. Es war ein Filmstudio, in dem verschiedene Kulissen aufgebaut worden waren. Ein hochgewachsener, weißhaariger Mann kam ihnen entgegen. Er blickte Axton fragend an. Er hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Atlan. »Das ist er«, erklärte Arrkonta. Axton schüttelte enttäuscht den Kopf.
Orbanaschols Ende
11
»Dieser Mann sieht nicht wie Atlan aus«, sagte er. »Wenn die Maske nicht besser wird, können wir den Versuch gleich aufgeben.« »Aus diesem Grund habe ich Sie gerufen«, entgegnete Arrkonta. »Wir sind selbst unglücklich und unzufrieden über das Ergebnis. Damit können wir niemanden täuschen.« Ein alter, gebeugter Arkonide näherte sich ihnen. »Das ist der Maskenbildner«, erläuterte Arrkonta. »Ihm müssen Sie am Modell beschreiben, wie Atlan aussieht. Dann klappt es vielleicht.« »Das kostet uns wenigstens eine Stunde«, sagte Axton stöhnend. Er zweifelte daran, daß sie es sich leisten konnten, so viel Zeit zu opfern, zumal das Ergebnis der Anstrengungen ungewiß blieb.
* Eine Stunde später stand Axton fluchend vor der Eingangstür der Akademie. Er war zu spät gekommen. Die Schule war allerdings schon seit mehr als drei Stunden geschlossen. Axton überlegte, wie er dennoch an sein Ziel kommen konnte. »Wir müssen mal wieder einbrechen, Kelly«, sagte er. Der Roboter hob den rechten Arm. »Ich könnte die Tür mit einem Schlag öffnen«, erklärte er. »Damit würdest du einen Alarm auslösen. Die Akademie verfügt über beträchtliche Kunstschätze.« »Aha, ich verstehe. Du willst mich hier als Kunstschatz aufstellen.« »Das werde ich vielleicht später einmal machen, wenn mal wieder eine Ausstellung über entartete Kunst stattfindet.« Axton stieg vom Rücken Kellys und untersuchte die Eingangstür. Sie trug den Firmenabdruck, aus dem auch ersichtlich war, daß sie mit einer Alarmanlage abgesichert war. Es gab keine Möglichkeit sie zu über-
winden. Axton blickte zurück. Er befand sich fünfhundert Meter über dem Boden auf dem Dach eines Trichterbaus. Einige Gleiter parkten auf dem Platz, dessen Fläche durch einige farbige Skulpturen aufgelockert wurde. Der Terraner entschloß sich zu einem Durchbruch von oben. Dabei waren auffallende Spuren nicht zu vermeiden, doch diese waren in der augenblicklichen Situation nicht wichtig. Alles strebte einer Entscheidung zu. Unter diesen Umständen konnte Axton damit rechnen, daß bald eine völlig neue Regierung an der Macht sein würde, und dann spielte es keine Rolle mehr, ob man ihm etwas nachweisen konnte oder nicht. Aus dem Gleiter nahm er einen Desintegrator mit. Das Gerät war jedoch zu schwer für ihn. Er überließ es Kelly, damit den Arkonitbeton des Daches aufzulösen. Der Roboter arbeitete schneller, als er es hätte tun können. Schon nach wenigen Minuten war ein rundes Loch von etwa einen Meter Durchmesser entstanden, das rasch tief er wurde. Gentleman Kelly ging äußerst geschickt vor. Er arbeitete sich behutsam an die im Beton verborgenen Versorgungsleitungen und Alarmkontakte heran, schälte sie millimetergenau heraus und entfernte auch das darunter liegende Material. Nachdem er etwa eine halbe Stunde gearbeitet hatte, konnte Axton in einen Saal der Kunstakademie hinabblicken. »Ausgezeichnet«, lobte er. »Das reicht.« Er stieg in seinen Gleiter und lenkte ihn neben das Loch, damit es nicht so leicht entdeckt wurde, falls doch jemand kommen sollte. Dann kletterte Axton auf die Schultern des Roboters und ließ sich von ihm durch das Gewirr der Rohre und Kabel nach unten tragen. Der Saal, in den er gelangte, barg zahlreiche Kunstschätze, die zu einer Ausstellung gehörten. Axton hätte sie unter anderen Umständen gern betrachtet. Nun aber ver-
12 schwendete er keine Zeit damit, sondern ließ sich von Gentleman Kelly bis zu einer Abteilung der Akademie tragen, die durch moderne Panzerschotte abgesichert war. Die Schotte waren mit Malereien versehen worden, um ihnen ein freundlicheres Aussehen zu verleihen. »Kannst du das Schloß öffnen, ohne einen Alarm auszulösen?« fragte Axton. Der Roboter untersuchte das Schloß. »Kein Problem«, erklärte er eine Minute später. Lebo Axton stutzte. Er sagte sich, daß Schwierigkeiten zu überwinden sein mußten, wenn hinter diesem Panzerschott wirklich wertvolle Kunstschätze aufbewahrt wurden, oder wenn dahinter Dinge verborgen lagen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden durften. »Wozu ein Panzerschott, wenn es so einfach ist, es zu öffnen?« »Diese Frage läßt sich logisch nicht begründen, da ich zu wenige Informationen habe«, erwiderte der Roboter. »Öffne«, befahl Axton. Er entschloß sich, das Risiko einzugehen, einen Alarm auszulösen. Wenn das geschah, so sagte er sich, kam es nur noch darauf an, möglichst schnell zu sein. Während Gentleman Kelly sich mit dem Schloß befaßte, überlegte der Terraner, wo er das Gesuchte finden konnte. Das Panzerschott glitt langsam zur Seite. Angespannt blickte Axton über die Schulter Kellys hinweg. Er sah direkt in das Objektiv einer Kamera, die zehn Meter von ihm entfernt mitten in einem Archivraum stand. Er fluchte lauthals. »Los. Tempo«, befahl er. »Kamera zerstören.« Er ließ sich vom Rücken des Roboters fallen und hastete auf die metallenen Archivschränke zu, die Teil eines Computersystems waren. Gentleman Kelly vernichtete die elektronische Kamera zwischen seinen Händen. Lebo Axton-Kennon tippte einige Daten in die Tastatur des Archivcomputers. Mit einem solchen Informationssystem um-
H. G. Francis zugehen, hatte er in den Archiven des Imperators gelernt. Er erreichte sein Ziel, bevor noch eine Minute verstrichen war. Atemlos eilte er zu einem mit »U« gekennzeichneten Schrank. Als er hier ein paar Tasten gedrückt hatte, fielen ihm durch einen Auswurfschlitz drei Kästchen mit Magnetbändern entgegen. »Die Musikwerke Upocs«, rief er triumphierend und drehte sich zu Gentleman Kelly um. Dieser aber blickte nicht zu ihm hin, sondern zum Panzerschott. Dort stand ein korpulenter Arkonide, der einen mit Federn geschmückten Hut, weite, violette Hosen und eine schwarze Jacke trüg. An seinen Fingern glitzerten edle Steine. »Axton«, rief der Mann empört. »Sie wagen es, sich an den Kunstwerken des Imperiums zu vergreifen?« Der Terraner zuckte zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, daß dieser Mann wußte, wer er war. »Wer sind Sie?« fragte er. »Ich bin der Leiter der Akademie«, antwortete der Arkonide. »Ich wurde Ihnen bei einem Fest im Kristallpalast vorgestellt.« »Warten Sie«, sagte der Verwachsene und ging auf den Arkoniden zu. »Ich möchte Ihnen etwas erklären.« »Sie können mit der Polizei sprechen, wenn diese Sie herausholt.« »Nein. So hören Sie doch.« Der Leiter der Akademie trat zurück. Axton gab Gentleman Kelly ein befehlendes Zeichen. Der Roboter raste los, aber das Panzerschott war schneller. Es fiel dröhnend zu. Kelly konnte sich nur dadurch abbremsen, daß er die Arme ausstreckte und die Hände gegen die Wand aus Arkonit stemmte. »Öffne«, rief Axton schrill. »Schnell.« Dort, wo das elektronische Schloß war, verfärbte sich das Metall rot. Axton registrierte die außerordentliche hohe Wärmeausstrahlung. Er begriff. Der Leiter der Akademie hatte das Schloß zerschmolzen und damit für alle Zeiten zerstört. Ratlos sah Axton sich um.
Orbanaschols Ende
13
Er war im Panzerraum der Akademie eingeschlossen. Gentleman Kelly stand vor dem Schott. Er drehte sich zu Axton um und sagte: »Ich muß es zerschießen.« Der Terraner schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das geht nicht«, entgegnete er. »Es würde viel zu heiß hier drinnen werden. Das halte ich nicht aus.« »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Oder du mußt warten, bis die Polizei hier ist und dich herausholt.« Axton fluchte. Er wußte, was es bedeutete, wenn man ihn verhaftete. Ihm konnte nicht viel passieren, aber er würde unaufholbare Zeit verlieren. »In Ordnung«, sagte er stöhnend. »Wir müssen es versuchen.« Er zog sich seine Jacke aus und legte sie sich über den Kopf. »Beeile dich.« Axton zog sich bis in den hintersten Winkel des Archivraums zurück. Er schloß die Augen und wickelte sich die Jacke fest um den Kopf, so daß er gerade noch atmen konnte. Im nächsten Moment begann Gentleman Kelly mit beiden Energiestrahlern zu feuern. Axton vernahm ein lautes Dröhnen und Knistern. Gleichzeitig überfiel ihn eine ungeheure Hitzewelle. Einige Sekunden lang hielt er durch. Dann wurde die Hitze so unerträglich, daß er nicht mehr zu atmen wagte. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er sank auf den Boden und zog die Beine instinktiv bis an den Kopf heran. Doch auch das half nicht viel. Axton glaubte, am ganzen Körper zu brennen. Er schrie vor Schmerz. Dann kippte er zur Seite weg. In seiner Atemnot wollte er sich die Jacke vom Kopf reißen, doch er schaffte es nicht mehr. Er verlor das Bewußtsein.
* In einem anderen Raum. In einer anderen
Zeit. Peter Randok blickte verstört auf seinen Arm. Eine blutige Schramme zog sich ihm von dem Handrücken bis zur Ellenbogenbeuge hinauf. Die Wunde schmerzte. Randok überlegte. Er wußte nicht mehr, wer ihm die Wunde beigebracht hatte. Doch soviel erfaßte er immerhin noch mit seinem von einer galaxisweiten Strahlung reduzierten Denkvermögen, daß irgend jemand dafür verantwortlich sein mußte. Ein kleines, vierbeiniges Tier hüpfte kreischend über seine Beine hinweg. Er versuchte, es mit den Händen zu ergreifen, aber es entging ihm. Fauchend hockte es sich auf den Boden und beobachtete ihn mit tükkischen Augen. Instinktiv zog Randok seine Beine an. Die nadelscharfen Zähne des Tieres machten einen bedrohlichen Eindruck auf ihn. Ein Mann trat durch die offene Tür in den Raum. »Jerremy«, rief Peter Randok. Er erhob sich, indem er sich mit dem Rücken gegen die Wand stemmte. »Jerremy Thorton, warst du das?« Randok zeigte ihm den Arm mit der Wunde. Thorton schüttelte den Kopf. »Ich war draußen«, erklärte er. Langsam hob er den Arm und zeigte auf die regungslose Gestalt, die unter einer der Hauben der Traummaschine lag. »Er vielleicht?« Schlagartig kehrte Randoks Erinnerung zurück. Thorton hatte recht. Der Mann, der in der Traummaschine lag, war aufgewacht. Er hatte ihn zurückgeschleudert und gegen die Wand geworfen. Randok wußte, daß er bewußtlos gewesen war. Sein Zorn richtete sich auf die Gestalt in der Traummaschine. »Stimmt«, sagte er. »Er hat es getan.« Er machte zwei unbeholfene Schritte auf die Maschine zu. Dabei übersah er das Tier, das nicht von der Stelle gewichen war. Es griff ihn an und verbiß sich in seinem Schuh, ohne das feste Plastikmaterial mit den Zähnen durchdringen zu können. Doch der Druck auf die Zehen genügte, Randok vor Schmerz aufschreien zu lassen. Er trat
14 mit dem anderen Fuß nach dem Tier, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Kreischend ließ die kleine Bestie von ihm ab und flüchtete einige Meter weit. Dann blieb das Tier zwischen ihm und der Traummaschine sitzen, in der Sinclair Marbout Kennon lag. Es fletschte drohend die Zähne. Peter Randoks Zorn auf den USOAgenten war verraucht. Jetzt konzentrierte er sich nur auf das Tier. Er wurde sich der Bedeutung nicht bewußt, die darin lag, daß es einem Tier gelungen war, in die Nähe der Traummaschinen zu kommen. Er hatte auch vergessen, daß er und Thorton Wissenschaftler waren, die über die Sicherheit Kennons wachen sollten. Seine Interessen hatten sich durch die Verdummungsstrahlung auf die einfachsten Dinge reduziert. Peter Randok stand auf. Er sah sich nach etwas um, was er als Waffe verwenden konnte. Doch er fand nichts. Ratsuchend wandte er sich an Thorton. »Ich werde ihm eins auf den Kopf geben«, kündigte er an. »Dann mußt du erst einmal die Haube hochklappen«, entgegnete Thorton, der nicht begriff, daß Randok das Tier meinte. Er ging schwerfällig auf die Traummaschine zu, in der Kennon lag. Das rattenähnliche Tier wich fauchend und kreischend vor ihm zurück. Da Thorton sich durch die Drohgebärden nicht beeindrucken ließ, drehte es sich schließlich um und verschwand mit einem mächtigen Satz in der Traummaschine Kennons. Verblüfft kam Randok zu Thorton. »Das Biest ist weg«, sagte er. »Es wird die Kabel fressen«, bemerkte Thorton besorgt. Irgend etwas in ihm sagte ihm, daß er etwas unternehmen mußte, um das Tier aus der Traummaschine zu vertreiben. Randok kicherte. »Das soll dieser kleine Teufel nur versuchen. Er wird einen elektrischen Schlag bekommen und auf der Stelle tot sein.« »Du meinst, wir brauchen nichts zu tun?«
H. G. Francis fragte Thorton schwerfällig. Randok schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte er. »Alles regelt sich von selbst.«
3. Axton kam wieder zu sich, als ihm eiskaltes Wasser in Mund und Nase rann. Prustend und hustend schlug er um sich. Er fühlte eine Stahlhand, klammerte sich daran und richtete sich auf. »Willst du mich umbringen?« schrie er. Er riß die Augen auf und stellte fest, daß Gentleman Kelly ihn mit dem Kopf unter einen Wasserhahn gelegt hatte. Seine Kleidung war völlig durchnäßt. »Deine Jacke fing an zu brennen, als ich mit dir durch das Loch flog«, sagte der Roboter. »Wenn ich nichts getan hätte, dann hättest du jetzt überhaupt keine Haare mehr auf dem Kopf.« Axton entfernte schnaubend das letzte Wasser aus der Nase. »Schon gut«, sagte er ächzend. »Bitte, keine Vorträge.« An Kelly vorbei konnte er das Panzerschott sehen. Es war ungefähr dreißig Meter von ihm entfernt. In seiner Mitte gähnte ein großes, schwarzes Loch. Unter der Hitzeeinwirkung war die kunstvolle Bemalung abgeplatzt. »Wir müssen weg«, stellte Axton fest. »Je schneller, desto besser.« »Wir haben Zeit«, behauptete Kelly. »Ich habe mir erlaubt, den Leiter der Akademie zu paralysieren.« »Weißt du, ob er schon die Polizei informiert hat?« »Nein.« »Eben deshalb ist es Zeit für uns, zu verschwinden.« Axton kletterte auf den Rücken Kellys und trieb diesen zu höchster Eile an. Kaum dreißig Sekunden später erreichten sie den Parkplatz auf dem Dach. Axton beobachtete einen Polizeigleiter, der sich mit flammenden Lichtern näherte. Er sprang hinter die Steuerelemente seines Gleiters,
Orbanaschols Ende startete, ließ die Maschine über den Rand des Parkdaches hinwegschweben und dann steil abfallen. Dann erst beschleunigte er voll. Der Gleiter raste, durch das Gebäude gedeckt, davon. Er war schon mehr als zwei Kilometer von ihm entfernt, als die Polizisten landeten. Axton blickte zurück. Erleichtert stellte er fest, daß sie ihm nicht folgten. »Wohin jetzt?« fragte Kelly, der neben dem Terraner saß. »Zu den Studios natürlich.« Axton legte seine Hand an die Magnetspulen, die er unter dem Hemd versteckt trug. »Wir können nur hoffen, daß sie nicht beschädigt worden sind.« Axton hatte keine Zeit mehr, den Zustand der Bänder selbst zu kontrollieren. Er verließ die Studios sofort wieder, nachdem er Arrkonta die Musikwerke Upocs überreicht hatte. Dann flog er direkt zum Kristallpalast. Er landete in der für ihn reservierten Parknische, kletterte auf den Rücken Kellys und befahl diesem, ihn zu den Privaträumen Orbanaschols III. zu tragen. Er war gerade zehn Schritte weit gekommen, als ihm der erste Roboter der Sicherheitsabteilung entgegentrat. »Ihre Legitimation, bitte«, forderte der Automat. Axton blickte ihn verblüfft an. »Es gibt in deinem Kopf gewisse Daten«, erklärte er dann. »Du hast Informationen über jene, die passieren dürfen. Rufe sie gefälligst ab und belästige mich nicht.« Er gab Kelly das Zeichen, weiterzugehen, doch der Wachroboter stellte sich ihm in den Weg. Er hob einen Arm. Der Energiestrahlprojektor seines Waffensystems begann bedrohlich zu flimmern. »Ich habe Befehl zum Todesschuß, wenn die Legitimation verweigert wird«, eröffnete der Roboter dem Verwachsenen. Axton erkannte, daß er es sich nicht erlauben konnte, gegen die übertrieben erscheinenden Sicherheitsbestimmungen zu opponieren. Seufzend zog er seine Legitimationskarte und hielt sie dem Roboter hin. Der
15 Projektor senkte sich nach unten. »Sie können passieren, Lebo Axton.« »Da kannst du sehen, wie nett ich immer zu dir bin«, bemerkte Gentleman Kelly mit schriller Stimme, als sie sich einem Schott näherten, vor dem ein weiterer Kampfroboter stand. »So etwas habe ich noch nie mit dir gemacht.« »Wenn du es je wagen solltest, mich in dieser Weise aufzuhalten, desintegriere ich dich auf der Stelle«, erwiderte Axton drohend. Er zückte seine Karte und hielt sie dem Kampfroboter hin, noch bevor dieser ihn dazu aufgefordert hatte. Schweigend trat der Automat zur Seite. Das Panzerschott öffnete sich. Axton ließ sich von Kelly hindurchtragen. Dann aber stoppte er den Roboter. Verwirrt blickte er auf die flimmernde Energiewand, die ihm den Weg versperrte. Er drehte sich um und sah, daß das Panzerschott sich schloß. Er war eingeschlossen. Plötzlich hämmerten Impulse aus seinem Sonderhirn auf ihn ein. Sie warnten ihn mit ungewöhnlicher Heftigkeit vor einer Gefahr. Axton spürte, daß sich alles in ihm verkrampfte. War er in eine Falle gelaufen? Hatte man ihn verraten? Er sah, daß sich zwei schwerbewaffnete Offiziere von der anderen Seite her dem Prallfeld näherten. Sie salutierten vor Axton. »Bitte, legen Sie Ihre Waffe ab, falls Sie welche bei sich haben«, forderte einer von ihnen. Zugleich öffnete sich seitlich von Axton ein Fach in der Wand, das groß genug war, mehrere Energiestrahler aufzunehmen. »Ich habe keine Waffen«, erwiderte der Verwachsene ärgerlich. »Was soll das eigentlich alles?« »Soweit ich weiß, ist Ihr Roboter bewaffnet«, sagte der andere der beiden Offiziere. »Er muß hier bleiben und warten, bis Sie zurückkehren.« »Na schön. Wenn es nicht anders geht, muß er eben bleiben.« Mürrisch stieg Axton vom Rücken Kellys herab. Das Panzerschott glitt wieder zur Seite, und Kelly trat einige Schritte zurück. Als
16 das Schott sich wieder schloß, stand der Kosmokriminalist allein vor dem Prallfeld. Einige Sekunden verstrichen, dann verschwand es urplötzlich. »Kann ich jetzt weitergehen?« fragte Axton spöttisch. »Oder muß ich dann damit rechnen, abgeknallt zu werden?« »Sie können weitergehen.« Die beiden Arkoniden traten zur Seite und ließen den Chef des Geheimdiensts vorbei. Axton kämpfte sich mit schleifenden Füßen voran. Sein linkes Lid zuckte heftig. Er fühlte sich unwohl. Die Sicherheitsmaßnahmen im Kristallpalast deuteten darauf hin, daß sich Orbanaschol III. in einer katastrophalen Stimmung befand, in der er keine Kontrolle mehr über sich hatte. Keine seiner Reaktionen konnte unter diesen Umständen vorhergesehen werden. Wie konfus die Anordnungen des Imperators waren, das zeigte die Tatsache, daß die Palastwachen bewaffnet waren, während Axton trotz seines weit höheren Ranges nur ohne Waffen passieren durfte. Axton beschloß, sich durch nichts mehr beirren zu lassen. Er stieg in einen Antigravschacht und ließ sich nach oben tragen. Als er den Schacht verließ, traten ihm vier bis an die Zähne bewaffnete Arkoniden entgegen. Hinter ihnen standen zwei schwere Kampfroboter. Gelassen wies Axton seine Karte vor und wartete ab, bis die Männer ihn weitergehen ließen. Er kam nur etwa zwanzig Meter weit. Dann stieß er auf vier Offiziere von hohem Rang. Er hielt ihnen die Karte hin, bevor sie noch etwas gesagt hatten, doch die Offiziere lehnten lächelnd ab. »Sie sind uns nun wirklich gut bekannt«, erklärte einer von ihnen amüsiert. Einer von ihnen machte Axton die Tür auf, durch die er in die Privatgemächer des Imperators gelangte. Wenig später stand der Terraner vor dem Kristallmeister. Der Oberaufseher für die Privaträume des Imperators war bleich. Seine Wangen waren hohl, und seine ganze Haltung verriet, daß er am Ende seiner Kräf-
H. G. Francis te war. »Ist der Imperator inzwischen wach?« fragte der Kosmokriminalist. Der Kristallmeister nickte nur und zeigte über seine Schulter hinweg auf eine Tür, die zum kleinen Salon führte. Hier pflegte Orbanaschol wichtige Mitarbeiter im kleinen Kreis zu empfangen. Axton ging zu der Tür. Der Kristallmeister blieb bei ihm. »Wie sieht es aus?« fragte der Verwachsene. »Schlecht«, antwortete der Arkonide. »So habe ich ihn noch nie erlebt. Ich kann Ihnen nur den Rat geben, seien Sie vorsichtig.« »Ist etwas passiert?« »Er hätte meine Tochter fast getötet, weil sie sich geweigert hat, einen von ihm ausgewählten Höfling zu heiraten. Er duldet keinen Widerstand.« Der Kristallmeister öffnete die Tür. Axton trat ein. Er blieb an der Tür stehen und grüßte den Imperator, der hinter einem ausladenden Tisch in einem Sessel saß und Stücke von einem gebratenen Vogel herunterriß. Wie üblich verspürte Orbanaschol III. einen unbezwingbaren Eßzwang, wenn er unter psychischem Druck stand. Sein Gesicht glänzte vor Fett und Schweiß. Die kleinen Augen waren unter den geschwollenen Lidern kaum zu sehen. »Ah, Axton«, rief der Imperator und winkte seinen Besucher mit einem abgenagten Bein des Vogels zu sich heran. »Was haben Sie zu berichten?« Der Kosmokriminalist kannte Orbanaschol III. mittlerweile so gut, daß er aus seinem Verhalten die richtigen Schlüsse ziehen konnte. Der Imperator gab sich leutselig. Doch das war nur das äußere Bild, das mit dem inneren nicht übereinstimmte. Tatsächlich stand er unter höchster Spannung. Jetzt genügte ein kleiner Anstoß, ihn zur Explosion zu bringen. »Ich habe eine fast sensationelle Nachricht für Sie«, eröffnete Axton daß Gespräch. »Der wohl gefährlichste Feind, den Sie haben, sitzt auf Arkon II hinter Schloß und Riegel. Er wartet darauf, an Sie ausge-
Orbanaschols Ende liefert zu werden.« Die Augen Orbanaschols weiteten sich. Das Stück Fleisch, das er in seinen Fingern hielt, entfiel ihm. Er achtete nicht darauf. Stöhnend schob er den Braten von sich und stand auf. Er wischte sich die fettigen Finger an den Hosen ab. »Atlan«, sagte er mit fast versagender Stimme. »Sie haben Atlan erwischt.« »So ist es«, erwiderte der Terraner mit unbewegter Miene. »Ich konnte ihn auf Arkon II verhaften. Moira Erclac hatte ihn zu sich in seine Wohnung gebracht. Er war ein Verschwörer, der versucht hat, Sie zu stürzen und selbst an die Macht zu kommen. Er wollte Atlan als Marionette benutzen und selbst im Hintergrund bleiben, um von dort aus die Fäden ziehen zu können.« »Warum haben Sie mich nicht wecken lassen, um mir das mitzuteilen«, rief Orbanaschol erregt. Er kam um den Tisch herum. »Sie hätten mich sofort wecken müssen.« »Atlan sitzt fest. Er hat keine Chance mehr. Daher konnte ich Sie ruhigen Gewissens ausschlafen lassen.« »Bringen Sie Atlan sofort zu mir«, befahl Orbanaschol. »Ich werde ihn eigenhändig erschießen. Bestellen Sie 3-D-Vision. Ich will eine Sendung, die in das gesamte Imperium ausgestrahlt wird. Jeder Arkonide soll sehen können, wie ich den Verräter Atlan töte.« »Ich habe mir gedacht, daß Sie einen derartigen Entschluß fassen werden«, erwiderte Axton. »Bitte, bedenken Sie, welchen Eindruck es auf die Massen machen wird, wenn der Imperator selbst als Henker auftritt.« Orbanaschol blickte ihn mit verengten Augen an. »Wollen Sie mich daran hindern, Atlan zu töten?« fragte er mit schriller Stimme. »Ich möchte nur verhindern, daß Ihr Ansehen leidet«, beteuerte der Kosmokriminalist. »Sie haben die augenblickliche Krise durch Ihr Geschick und Ihre Klugheit gemeistert. Wollen Sie alles dadurch zerstören, daß Sie vor aller Öffentlichkeit etwas tun, was man ansonsten nur Robotern überläßt,
17 weil diese Arbeit für einen Edlen zu niedrig ist?« »Seien Sie still«, schrie Orbanaschol außer sich vor Zorn. »Ich will nichts hören. Ich habe mich entschlossen, Atlan eigenhändig zu töten. Ich werde meine Rache vollziehen, und niemand wird mich daran hindern.« Er packte Axton bei den Schultern und schüttelte ihn. »Warum haben Sie ihn nicht gleich mitgebracht?« brüllte er. »Ich hätte ihn hier auf der Stelle erschießen können. Sie haben sich gegen mich gestellt. Sie haben gegen mich intrigiert. Sie haben mir den Gehorsam verweigert. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, Atlan hierher zu schleifen. Mit allen Mitteln.« Er stieß Axton so wild von sich, daß der Terraner zu Boden stürzte. Er wandte sich ab und kehrte zu seinem Tisch zurück, um sich etwas von dem Braten zu nehmen. So bemerkte er nicht, wie die Augen des Verwachsenen voller Haß und Verachtung aufglühten. Der Kosmokriminalist richtete sich auf. »Sie haben mir ein hohes Amt und damit eine hohe Verantwortung gegeben«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme. »Es ist meine Pflicht, Sie davor zu bewahren, daß Sie Ihren Feinden durch Ihr Verhalten in die Hände spielen.« »Was wollen Sie damit sagen?« »Bedauerlicherweise haben Sie die Krise noch nicht ganz überwunden«, antwortete Axton. »Moira Erclac ist tot. Eihrett Khantron ist gescheitert: Ebenso Spronthrok. Die Macht der Sonnen steht so gut wie mit leeren Händen da. Atlan ist verhaftet. Aber noch gibt es starke Strömungen gegen sie. Das Volk ist von einer bösartigen Propaganda gegen Sie aufgehetzt worden. Man hat behauptet, Sie seien ein Mörder, und viele glauben das auch. Wollen Sie diesen Gegnern jetzt neue Argumente in die Hände geben?« Orbanaschol setzte sich. Schweigend riß er sich einige Bratenstücke ab. Er schlang sie hinunter, ohne lange zu kauen. Hin und wieder blickte er auf und musterte Lebo Ax-
18 ton durchdringend. Dann aß er weiter. Endlos lange Minuten verstrichen. Der Kosmokriminalist schwieg. Er beobachtete den Imperator, und er glaubte, sehen zu können, wie es hinter der Stirn Orbanaschols III. arbeitete. »Was schlagen Sie vor?« fragte der Imperator schließlich. Lebo Axton kam es darauf an, Zeit zu gewinnen. Er wußte, daß seine Chancen, Atlan zu befreien, um so größer waren, je mehr Zeit er hatte. Also mußte er Orbanaschol einen Vorschlag machen, der diesen auf der einen Seite befriedigte, der aber auf der anderen Seite für seine Verwirklichung Zeit benötigte. »Wenn Sie Atlan vernichten wollen, dann muß diese Aktion propagandistisch aufgebaut werden. Erst einmal muß die Nachricht an die Öffentlichkeit gebracht werden, daß Atlan verhaftet wurde. Dann muß die Öffentlichkeit gezielt darüber informiert werden, wer Atlan überhaupt ist. Der ganze Verrat, den dieser Mann am Imperium verübt hat, muß bekanntgemacht werden, damit entsprechende Emotionen beim Volk hervorgerufen werden. Dann muß ein Prozeß folgen, an dessen Ende selbstverständlich das Todesurteil steht. Dieses kann dann schließlich öffentlich vollzogen werden. Der ganze Feldzug aber wird Ihnen Gelegenheit geben, alle Verleumdungen Lügen zu strafen und der Öffentlichkeit einzuprägen, daß Sie eine Persönlichkeit von geschichtlicher Größe sind.« Orbanaschol III. fluchte. »Sie wollen mich um mein Vergnügen bringen«, rief er. »Ich will Ihre Gegner um jede Chance bringen«, korrigierte Axton. »Es gefällt mir nicht, daß Sie immer recht haben«, erklärte der Arkonide verärgert. »Bevor Sie da waren, war alles viel einfacher. Sie reden mir immer alles aus.« Der Kosmokriminalist wußte, daß er gewonnen hatte. Er atmete auf. Atlan hatte Zeit gewonnen. Das war entscheidend. Nun sah alles viel besser aus. Nun bestand die
H. G. Francis Möglichkeit, ihn vor einer Hinrichtung zu befreien und selbst an die Macht zu bringen. »Also schön«, sagte Orbanaschol und machte sich wieder über den Braten her. »Ich werde alles so ablaufen lassen, wie Sie es vorgeschlagen haben. Wahrscheinlich ist das auch besser so.« Der Kristallmeister trat ein. Unwillig blickte der Imperator auf. »Was gibt es denn?« schrie er. »Kann ich nicht einmal in Ruhe essen?« »Der Kriegsminister«, meldete der Kristallmeister. »Er sagt, es sei dringend.« Axton wollte sich verabschieden, aber der Imperator hielt ihn zurück. »Vlerghont soll hereinkommen.« Kurz darauf trat der Kriegsminister des Imperiums ein. Organ Vlerghont war ein Mann, mit dem Axton bisher kaum zu tun gehabt hatte. Dennoch wußte er alles über ihn, so wie über jedes Mitglied der Regierung. Er kannte seine Stärke und seine Schwächen, und er wußte genau über seine Position gegenüber Orbanaschol III. Bescheid. Vlerghont war ein fähiger Mann, der beachtliche Erfolge aufzuweisen hatte. Sie wären vermutlich noch größer gewesen, wenn Orbanaschol nicht immer wieder in die Kriegsplanung gegen die Methans eingegriffen und Entscheidungen des Kriegsministers abgeändert hätte. Orbanaschol trug die Verantwortung dafür, daß es eine Reihe von Niederlagen gegen die Maahks gegeben hatte. Er dachte jedoch nicht daran, sie zu übernehmen. Er zog es vor, den Ruhm einzustreichen, wenn die Raumflotte gesiegt hatte. Vlerghont war nicht der Mann, Orbanaschol richtig zu behandeln und zu führen. »Was gibt es?« fragte der Imperator ungehalten, als sich Vlerghont vor ihm verneigte. »Die Raumflotte unter den Dreifachen Sonnenträgern Konva, Merquont, Treppol und Bekenowo meutern«, antwortete der Kriegsminister mit gepreßter Stimme. Orbanaschol erbleichte. »Diese erbärmlichen Verräter«, flüsterte er. Sein Gesicht verzerrte sich. Er ballte die
Orbanaschols Ende Hände, zu Fäusten und hieb sie auf den Tisch. »Wenn sie den Befehl verweigern, werden wir sie dazu zwingen, sich uns zu beugen.« »Das können wir nicht«, entgegnete der Kriegsminister. »Erst jetzt erfahren wir, daß die Abgesandten Getray von Helonk und Kornelius tatsächlich von diesen vier Offizieren beauftragt worden sind. Sie sind es, die wirklich hinter den meuternden Truppen stehen.« »Was ist mit diesen beiden Abgesandten?« fragte Orbanaschol. »Sie haben sie hinrichten lassen.« »Ah, ja«, sagte der Imperator nachdenklich. Er kratzte sich am Kinn. »Und das gefällt diesen Herren natürlich nicht. Was haben Sie unternommen?« Jetzt endlich rückte Vlerghont mit der Hiobsbotschaft heraus. »Die Raumflotten, die unter dem Kommando dieser vier Offiziere stehen, befinden sich im Anflug auf Arkon. Die Sonnenträger haben offenbar vor, das Sonnensystem zu stürmen.« Orbanaschol stöhnte auf. Für einen kurzen Moment sah Axton seine Hände zittern. Im Gesicht des Imperators zuckten die Muskeln. Orbanaschol wurde von der Nachricht tief getroffen. Ganz deutlich zeigte sich nun, daß er bis zu dieser Sekunde nicht wirklich daran geglaubt hatte, daß seine Macht zusammenbrach. Der Angriff auf Arkon aber zeigte ihm, daß er mit dem Rücken an der Wand stand. Noch aber hatte er nicht endgültig verloren. Noch stand ein erheblicher Teil der Flotte hinter ihm, weniger aus Loyalität als aus Furcht vor den Folgen einer gescheiterten Meuterei. Lebo Axton begrüßte den Angriff der Raumflotten auf Arkon keineswegs. Er lag nicht im Interesse des Imperiums und damit auch nicht im Interesse Atlans. Somit galt es nicht, Orbanaschol die Macht zu erhalten, sondern eine Katastrophe von Arkon abzuwenden. »Also schön«, sagte Orbanaschol leise be-
19 ginnend, dann aber immer lauter und selbstsicherer werdend. »Wenn sie es so haben wollen, dann wollen wir es ihnen zeigen. Wir werfen ihnen unsere loyalen Flotten entgegen. Es darf im Arkon-System nicht zum Kampf kommen. Das werden wir weiter draußen erledigen. Sind Sie einverstanden, Vlerghont?« Organ Vlerghont richtete sich auf. »Selbstverständlich, Imperator. Es bleibt uns gar keine andere Möglichkeit.« Orbanaschol wandte sich mit einem spöttischen Lächeln an Lebo Axton. »Nun gut«, sagte er. »Der Kriegsminister ist einverstanden mit seinem Imperator. Ich nehme jedoch an, daß Sie mal wieder gar nicht mit mir zufrieden sind. Oder täusche ich mich?« Der Terraner sah sich unerwartet in die Enge gedrängt. Er spürte, daß Orbanaschol unter unerträglicher Spannung stand und nur darauf wartete, seinen Zorn und seine Enttäuschung an irgend jemandem austoben zu können. »Wie könnte ich es wagen, nicht mit Ihnen zufrieden zu sein?« entgegnete Axton vorsichtig. »Sie sind es nicht!« schrie der Imperator. »Ich mache mir Sorgen um die Methans«, erklärte der Kosmokriminalist. »Ich bin überzeugt davon, daß sie alle Flottenbewegungen aufmerksam beobachten, so wie wir ständig darüber wachen, was ihre Flotten unternehmen.« »Das ist richtig«, bestätigte Vlerghont. »Daher frage ich mich, was die Methans tun werden, wenn sie beobachten, daß sich mehrere unserer Raumflotten gegenseitig bekämpfen. Wie werden sie sich verhalten, wenn sie verfolgen, daß das Herz des Imperiums durch einen verheerenden Bruderkampf an den Rand der Vernichtung gerät? Was meinen Sie, Vlerghont?« Orbanaschol III. ging schweigend zu einem Sessel und setzte sich. Einer seiner Diener eilte lautlos herbei und reichte ihm ein Getränk. Der Imperator blickte abwechselnd Axton
20 und den Kriegsminister an. Dieser antwortete nicht auf die Frage des Verwachsenen. Betreten senkte er den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich Sie lieben oder hassen soll, Axton«, sagte Orbanaschol nach geraumer Weile. »Sie führen jeden meiner Gedanken ab absurdum. Wie ich auch entscheide, Sie eröffnen mir sogleich, daß es so nicht geht.« »Sehen Sie denn nicht ein, Axton, daß dieser Kampf unvermeidlich ist?« fragte Organ Vlerghont. »Es geht nun mal nicht anders, auch wenn wir damit einen Angriff der Methans auf uns provozieren. Wir müssen uns eben so vorbereiten, daß wir diesen Angriff abschlagen können.« Orbanaschol stieß den Atem verächtlich zischend durch die Zähne aus. »Sie kennen Axton nicht, Vlerghont«, sagte er ärgerlich. »Er hat längst einen Plan, der besser ist als unserer.« »Er ist nicht besser«, erwiderte Axton vorsichtig. »Mit ihm will ich nur verhindern, daß auch noch die loyalen Flotten geschwächt werden.« »Was schlagen Sie vor?« »Eine offene Schlacht können wir uns nicht leisten. Daher empfehle ich, die meuternden Truppen in eine Falle zu locken und dann ohne eigene Verluste zu vernichten.« »Wie wäre das möglich?« fragte der Imperator. Lebo Axton hatte innerhalb weniger Sekunden einen verwegenen Plan entwickelt. Er zögerte, um noch einmal alles überdenken zu können. Das Vorhaben war außerordentlich gefährlich. Das wußte er. Riskant wurde es vor allem dadurch, daß es am Ende nicht gelingen durfte, denn Axton wollte nicht, daß irgend jemand dabei getötet wurde. »Wir haben die TURCOS«, begann der Verwachsene. »Das ist jenes Raumschiff, mit dem die Abgesandten gekommen sind. Ich schlage vor, dieses Raumschiff als fliegende Superbombe zu präparieren und dann zurückzuschicken, damit unsere Vorschläge überbracht werden können.«
H. G. Francis »Das ist undurchführbar«, wandte Orbanaschol erwartungsgemäß ein. »Wir können die TURCOS nicht zurückschicken, weil die beiden Abgesandten auf meinen Befehl hingerichtet worden sind.« »Das wissen wir, aber nicht die Meuterer«, erklärte Axton. »Ihnen gegenüber werden wir behaupten, daß wir die Abgesandten als Faustpfand zurückhalten.« »Das läßt sich hören«, bemerkte Orbanaschol mit einem wohlwollenden Lächeln. »Und wie wollen Sie die TURCOS präparieren?« »Das Raumschiff muß mit Arkonbomben vollgestopft werden. Diese Bomben sollen dann durch Funkzündung zur Explosion gebracht werden, sobald die TURCOS ihr Ziel erreicht hat und sich mitten zwischen der Flotte der Meuterer befindet. Sie wird diese Flotte fast völlig vernichten, ohne daß wir ein einziges Raumschiff verlieren.« »Eine geniale Idee«, lobte Orbanaschol. Er blickte Vlerghont verweisend an, um diesem zu verstehen zu geben, daß dieser einen solchen Gedanken auch hätte entwickeln können. »Sorgen Sie dafür, daß der Plan sofort in die Tat umgesetzt wird.«
4. Lebo Axton-Kennon hatte sein Büro kaum betreten, als sich Wessalock bei ihm meldete. Der Arkonide war ein Mann, dem der Verwachsene vertraute. Wessalock wußte zwar so gut wie nichts über ihn, dafür wußte er um so mehr von Wessalock. Er wußte, daß er diesem Mann vertrauen konnte. Wessalock war ein Feind Orbanaschols und tat alles, was dazu dienen konnte, den Imperator zu stürzen. »Ich muß Ihnen ein Geständnis machen«, sagte Wessalock. Axton stieg vom Rücken seines Roboters herunter. »Ich hoffe, Sie haben keine schlechten Nachrichten für mich«, entgegnete er. »Was haben Sie angerichtet?« »Ich habe die Abgesandten Getray von
Orbanaschols Ende Helonk und Kornelius in Sicherheit gebracht.« Axton blieb überrascht stehen. Er wollte sich in seinen Sessel setzen, nun aber lehnte er sich an seinen Arbeitstisch. »Das müssen Sie mir erklären«, forderte er. »Ich bin von der Überlegung ausgegangen, daß auch Sie mit einer Hinrichtung nicht einverstanden sind. Daher habe ich ein wenig Theater gespielt. Das Hinrichtungskommando hat entschärfte Waffen auf die beiden Männer gerichtet. Ich habe die scheinbar Toten aufgenommen und in mein Haus gebracht. Das ist alles.« »Ein gefährliches Spiel«, sagte der Kosmokriminalist. Er setzte sich. »Sorgen Sie dafür, daß die Abgesandten nicht gesehen werden.« Übergangslos ging er zum nächsten Thema über und gab Wessalock dadurch zu verstehen, daß er einverstanden mit ihm war. Er erklärte Wessalock, welchen Plan er Orbanaschol vorgetragen hatte. »Dieser Plan ist vom Imperator abgesegnet worden«, schloß er. »Selbstverständlich habe ich nicht die Absicht, die Flotten zu vernichten. Ich will, daß die TURCOS mit entschärften Arkonbomben beladen wird. Es ist Ihre Aufgabe, Wessalock, dafür zu sorgen, daß der Plan gelingt. Sie werden die Verladung der Bomben überwachen, und Sie werden die Bomben entschärfen. Trauen Sie sich zu, diese Arbeit zu bewältigen?« »Ich werde es schaffen«, antwortete Wessalock. Er krauste die Stirn. »Sie haben die Namen einiger Offiziere genannt. Es sind Männer, von denen die beiden Abgesandten nicht gesprochen haben.« »Diesen Widerspruch kann ich Ihnen auch nicht erklären. Ich nehme an, daß laufend weitere Raumschiffe zu den bereits versammelten etwa viertausend Raumschiffen der Meuterer stoßen. Dabei sind mit großer Wahrscheinlichkeit hohe Offiziere. Es ist klar, daß der jeweils ranghöchste Offizier, der sich diesem Flottenteil anschließt, auch das Kommando übernimmt. Ich glaube also,
21 daß die genannten Offiziere noch gar nicht da waren, als die Abgesandten nach Arkon gestartet sind.« Axton tippte auf sein Chronometer. »Gehen Sie jetzt. Die Zeit drängt. Die TURCOS wird auf Arkon III beladen. Dort lagern genügend Bomben. Der Kriegsminister hat die zuständigen Stellen auf Arkon III inzwischen informiert. Ich habe ihm auseinandergesetzt, daß ich auf jeden Fall einen Mann meines Vertrauens bei der Verladeaktion dabei haben möchte.« Axton lächelte flüchtig. »Das sind Sie. Man wartet also auf sie, aber nicht mehr lange.« »Ich bin schon unterwegs«, erwiderte Wessalock und verließ das Büro.
* Wessalocks Schwierigkeiten begannen, als er an Bord TURCOS kam. Der 1. Offizier des Raumschiffs führte ihn von der Schleuse weg in die Hauptleitzentrale zum Kommandanten. Eisiger Schrecken durchfuhr den Vertrauten Axtons, als er ihn sah. Es war Bloch Mithan, ein Offizier, der noch vor wenigen Monaten Zweifacher Sonnenträger gewesen war. Ein kleines Vergehen war ihm zum Verhängnis geworden. Wessalock hatte davon erfahren. Er hätte normalerweise nicht eingegriffen. Da er aber herausgefunden hatte, daß Mithan Orbanaschol in geradezu blindem Gehorsam ergeben war, hatte er ihm ein Disziplinarverfahren angehängt. Dieses hatte zur Degradierung Mithans geführt. Der Kommandant blickte Wessalock haßerfüllt an. »Sie gehen sofort in Ihre Kabine«, befahl er. »Diese werden Sie erst auf Arkon III verlassen.« »Kommandant Mithan«, begann Wessalock. Er konnte jedoch nicht aussprechen, weil der Offizier ihn sofort unterbrach. »Ich bin der Kommandant der TURCOS«, erklärte er energisch. »Das bedeutet, daß Sie sich bedingungslos meinen Befehlen zu beu-
22 gen haben. Also, gehen Sie.« Wessalock wandte sich wortlos ab. Er ließ sich vom 1. Offizier zu einer Kabine führen. Er sah ein, daß es keinen Sinn hatte, Widerstand zu leisten. Das konnte nur dazu führen, daß Mithan einen anderen Abgeordneten des Geheimdienstes anforderte – und dieser konnte ein Mann Orbanaschols sein. Wessalock kam es darauf an, eine Katastrophe zu verhindern. Deshalb gab er nach. Er hoffte, daß auf Arkon III alles anders aussehen würde. Doch er irrte sich. Die TURCOS landete aus Sicherheitsgründen fünfzig Kilometer von einem Arkonbomben-Depot entfernt. Wessalock wollte nach der Landung seine Kabine verlassen, doch auf dem Gang vor der Tür standen drei bewaffnete Offiziere, die ihm zu verstehen gaben, daß der Kommandant dafür noch keine Genehmigung erteilt hatte. »Ich benötige sofort eine Funkverbindung mit Arkon I«, sagte Wessalock, nachdem er seinen Interkom eingeschaltet hatte. »Rufen Sie Lebo Axton an den Apparat. Er wird Ihrem verdammten Kommandanten schon beibringen, was hier zu geschehen hat.« Der Funkleitoffizier nickte ihm freundlich zu. »Haben Sie etwas Geduld«, bat er. »Ich werde versuchen, die Verbindung herzustellen.« »Was heißt, Sie werden versuchen?« schrie Wessalock. Der Offizier unterbrach das Gespräch. Er meldete sich nach etwa fünf Minuten wieder. »Wir können Arkon I zur Zeit nicht erreichen«, behauptete er. »Starke Störfelder machen ein Gespräch zur Zeit unmöglich.« Wessalock schüttelte zornig den Kopf. »Lassen Sie den Unsinn«, bat er. »Sie sollten wissen, daß Sie mir so etwas nicht verkaufen können. Eine Hyperkomverbindung nach Arkon ist nicht zu stören.« »Wenn Sie dieser Ansicht sind, kann ich Sie daran nicht hindern«, erwiderte der Funkleitoffizier kühl und schaltete abermals ab. Wessalock blieb in hilflosem Zorn vor
H. G. Francis dem Gerät sitzen. Dabei konnte er dem Kommandanten und seinen Offizieren noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Er war überzeugt davon, daß sie den Auftrag befehlsgemäß durchführen würden. Ihm aber gedachte der Kommandant ein Bein zu stellen. Mit Hilfe seines Armbandfunkgeräts versuchte er, mit dem örtlichen Organisationsbüro des Geheimdiensts Verbindung zu bekommen. Es gelang ihm nicht, weil in seiner unmittelbaren Nähe ein starker Störsender arbeitete. Er schaltete das Videogerät auf Außenbeobachtung um. Seine Annahme, daß man ihn auch hier behindern würde, bewahrheitete sich nicht. Er konnte beobachten, was außerhalb des Raumschiffs geschah. Die TURCOS war auf einem Raumhafen der Militärbehörde gelandet. Eine endlos erscheinende Kolonne von Transportgleitern näherte sich dem Schiff. Jede Maschine war deutlich sichtbar mit vier Arkonbomben beladen. Die Transportgleiter teilten sich neben dem Schiff in sechs Reihen auf, die sich an den Außenschleusen anschlossen. Von hier aus gelangten die Bomben mit Hilfe von automatischen Transportgeräten in das Innere des Raumschiffs. Wessalock konnte die präzise Arbeit des Kommandanten und seiner Offiziere nur bewundern. In unglaublich kurzer Zeit gelangten Hunderte von Bomben in das Raumschiff, genug, um ganze Sonnensysteme zu vernichten. Wessalock öffnete die Tür seiner Kabine. Die Offiziere waren noch da. »Na schön«, sagte er. »Sie haben Ihren Spaß gehabt. Jetzt aber will ich die Bomben sehen. Ich werde Stück für Stück prüfen, damit ich sicher sein kann, daß die Zünder eingeschaltet sind.« »Dazu werden Sie später noch Gelegenheit haben«, erklärte einer der beiden Offiziere freundlich. »Sobald wir gestartet sind, dürfen Sie sich soviel an Bord bewegen, wie Sie wollen.« Wessalock verschlug es die Sprache.
Orbanaschols Ende
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Er hatte keineswegs die Absicht gehabt, solange an Bord zu bleiben, bis der Start erfolgt war. Er wollte die Bomben vorher entschärfen und sich dann selbst in Sicherheit bringen. Er wandte sich zur Seite und versuchte, an den beiden Offizieren vorbeizukommen, doch sie packten blitzschnell zu und hielten ihn fest. »Vergessen Sie nicht, Wessalock. An Bord ist der Kommandant die einzig maßgebende Autorität. Ihr haben Sie sich zu beugen, ob es Ihnen paßt oder nicht. Wenn Sie das nicht tun, dann werden wir Ihnen Fesseln anlegen«, sagte der Sprecher der beiden Offiziere. Er war ein athletisch gebauter Mann mit breitem Mund und auffallend großen Händen. »Ich will den Kommandanten sprechen«, sagte der Agent. »Das können Sie erst nach dem Start. Vorläufig ist der Kommandant beschäftigt. Also seien Sie vernünftig, und kehren Sie in Ihre Kabine zurück.« Wessalock sah ein, daß es sinnlos war, weiterhin aufzubegehren. Er konnte nur eines tun – auf seine Chance warten.
* »Aufstehen«, befahl der Offizier, als die Tür der Zelle sich geöffnet hatte. »Herauskommen.« Er zielte mit einem schußbereiten Energiestrahler auf Atlan. Der Kristallprinz erhob sich und rückte seinen Gürtel zurecht. Er gab sich gelassen. »Warum sind Sie eigentlich so nervös?« fragte er. »Glauben Sie, ich würde mitten in Ihrem Stützpunkt über Sie herfallen?« »Wenn alle Elitesoldaten Orbanaschols so sind, haben wir nicht viel zu befürchten«, bemerkte Fartuloon und lachte. »Halten Sie den Mund, und kommen Sie heraus«, befahl der Offizier. »Diskutieren können Sie später, wenn Sie vor Gericht stehen.« Atlan verließ die Zelle als erster. Zwei
Offiziere, die zeitlich von der Tür standen, legten ihm Handschellen an und fesselten sich gleichzeitig an ihn. Sie zwangen ihn, zwischen ihnen zu gehen. Zwei andere Offiziere verfuhren in gleicher Weise mit Fartuloon. Dann begannen wiederum zwei andere Offiziere damit, die beiden Gefangenen nach Waffen zu untersuchen. Sie fanden keine. Atlan und der ehemalige Leibarzt Gonozals VII. ließen diese Prozedur wortlos über sich ergehen. Die Offiziere führten sie durch den Gang bis zu einer vergitterten Tür. Dahinter warteten zehn Kampfroboter. Diese umstellten die Gefangenen und die Offiziere, als sie die Tür passiert hatten, und geleiteten sie bis vor den Ausgang aus dem Stützpunkt. Verblüfft blickte Atlan sich um, als er im Freien war. Direkt vor dem Stützpunkt war ein Kreuzer gelandet. Jeweils etwa fünfhundert Meter zu beiden Seiten entfernt standen zwei weitere Raumschiffe der gleichen Klasse. Sie hatten offenbar die Aufgabe, den Luftraum abzusichern. Damit jedoch nicht genug. Im Gelände wimmelte es geradezu von Kampfrobotern. Zusätzlich sicherten noch Kampfgleiter das Raumschiff ab, zu dem die beiden Gefangenen gebracht wurden. »Was werden Sie tun, wenn ich rebellisch werde?« fragte Atlan ironisch. Der Offizier an seiner Seite blieb kühl und abweisend. Er blickte Atlan an. »Wir haben keine Angst, daß sie fliehen könnten«, erklärte er. »Es ist jedoch immerhin möglich, daß jemand von außen her versuchen könnte, Sie zu befreien. Und das wollen wir verhindern.« Atlan deutete auf die Raumschiffe und die Kampf gleiter. »Die Opposition scheint über eine beachtliche Macht zu verfügen.« »Das steht nicht zur Debatte«, erläuterte der Offizier bereitwillig. »Der Imperator will Sie vor ein Gericht bringen. Er will Sie lebend. Deshalb sichern wir uns so gut ab.« »Sie haben Angst, daß Orbanaschol Sie
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umbringt, wenn uns etwas geschieht«, stellte Fartuloon fest. »Sie kennen den Mann, dem Sie die Treue geschworen haben, also recht gut.« »Gehen Sie«, befahl der Offizier verärgert. »Los doch.« Atlan und Fartuloon schritten mit den Offizieren, an die sie gefesselt waren, durch eine Gasse von Kampfrobotern, hinter denen zahlreiche bewaffnete Elitesoldaten standen. Sie betraten den Kreuzer durch die Bodenschleuse. Hier wurden sie von Schiffsoffizieren empfangen, die sie in einen vorbereiteten Raum geleiteten, dessen Wände und Decke aus transparentem Panzerplast bestanden. Als sie diesen betreten hatten, ließen die Offiziere sie allein. Sie schlossen die Tür, und Sekunden später bauten sich flimmernde Energieschirme um den durchsichtigen Käfig auf. Atlan ließ sich resignierend in einen Sessel sinken. Er blickte Fartu-. loon an, mit dem er nun allein war. »Es sieht nicht so aus, als hätten wir noch eine Chance«, sagte er. »Nicht aufgeben«, bat der Bauchaufschneider. »Noch sind wir nicht auf Arkon I.«
* Wessalock tippte auf der Tastatur des Interkoms in seiner Kabine herum, jedoch ohne den geringsten Erfolg. Schließlich gab er die sinnlos erscheinenden Versuche auf und ging zur Tür. Er legte die Hand auf den Öffnungskontakt und wartete darauf, daß sie zur Seite glitt. Sie bewegte sich nicht. Wessalock trat ärgerlich dagegen. Er erwartete, daß die Offiziere, die vor seiner Kabine standen, darauf reagieren würden. Aber er täuschte sich. Nichts geschah. Die TURCOS hatte bereits zwei Transitionen hinter sich. Die nächste mußte sie in die Nähe ihres eigentlichen Ziels bringen, und die darauf folgende würde sie mitten in
die Flotte der Meuterer führen. Wessalock zog einen Energiestrahler aus seinem Stiefelschacht, richtete ihn auf das Türschott und löste ihn aus. Ein sonnenheller Blitz zuckte aus dem Projektor und verwandelte das Türschloß in einen glutflüssigen Brei. Unter der Hitzewirkung dehnte sich das Türschott aus und sprang auf. Wessalock trat seitlich dagegen und warf es so weit zur Seite, daß er sich durch den entstandenen Spalt schieben konnte. Der Gang vor seiner Kabine war leer. Wessalock blieb einige Sekunden nachdenklich vor seiner Kabine stehen. Er fragte sich, was es zu bedeuten hatte, daß man ihn nicht mehr bewachte. Plötzlich durchfuhr ihn ein schrecklicher Gedanke. Sollte die Besatzung die TURCOS schon verlassen haben? Befand das Schiff sich in diesen Sekunden bereits auf der letzten Etappe seiner Reise? Er rannte wie von tausend Furien gehetzt zum nächsten Antigravschacht. Er sprang hinein und ließ sich nach oben tragen. Er kam jedoch nicht weit. Schon beim nächsten Stockwerk versperrte ihm ein flimmerndes Energiefeld den Weg. Wessalock bemerkte es gerade noch rechtzeitig. Es gelang ihm, sich im Aufstieg herumzuwerfen und den Rand des Einstiegs mit den Händen zu packen, bevor er von dem aufwärts gepolten Antigravfeld gegen den Prallschirm gedrückt wurde. Ächzend vor Anstrengung zog er sich aus dem Schacht heraus. Als er das tragende Energiefeld verließ, stürzte er zu Boden. Er raffte sich sogleich wieder auf, eilte zu dem abwärtsgepolten Schacht und blickte hinein. Hier gab es keine Energiefeldsperre. Er stieg in den Schacht und sank nach unten. Kurz darauf betrat er den Triebwerksbereich. Seine Befürchtungen bestätigten sich. Niemand hielt sich darin auf. Wessalock war kein Raumfahrer und schon gar kein Triebwerkstechniker. Er war jedoch genügend Techniker, um zu wissen, daß es genügte, Sicherungen herauszureißen
Orbanaschols Ende
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und Kabelverbindungen zu zerstören, um das Triebwerk eines Raumschiffs nachhaltig zu stören. Er schoß mit seinem Energiestrahler auf Einrichtungen, die er für wichtig hielt. Tatsächlich verstummte kurz darauf das eintönige Summen der Triebwerke. Es wurde still im Schiff. Wessalock drückte die Tasten eines Interkoms. Das Bild der Hauptleitzentrale erschien auf dem Bildschirm. Die Zentrale war leer. Deutlich aber konnte der Agent den Zeitmesser sehen, der die noch verbleibenden Minuten und Sekunden bis zur nächsten Transition aufzeigte. Danach stand der nächste Sprung unmittelbar bevor. Wessalock blickte sich gehetzt um. War es ihm gelungen, auch die Transition zu stoppen? Wie waren die Zünder der Arkonbomben eingestellt? Konnte er überhaupt noch etwas tun, um die Katastrophe zu verhindern?
* Lebo Axton erkannte in dem Moment, in dem die Verbindung mit Wessalock abbrach, daß sein Plan gescheitert war. Da er selbst in Arbeit zu ersticken drohte, beauftragte er Karena Eze, die Hintergründe zu erforschen. Die Arkonidin kam schon bald darauf in sein Büro zurück. Sie war so erregt, daß sie kaum sprechen konnte. »Dieser Narr«, sagte sie zornbebend. »Dieser dämliche Kerl von AT-7. Ich könnte ihn umbringen.« »Was ist passiert?« fragte Axton. »Vlostol, der Leiter der Abteilung AT-7, hat ausgerechnet Mithan als Kommandant für die TURCOS abgestellt«, berichtete sie und schilderte Axton, wie das Verhältnis zwischen Wessalock und Mithan war. »Ich rechne jetzt damit, daß Mithan Wessalock an Bord der TURCOS zurücklassen wird. Dieser elende Narr hat den ganzen Plan zunichte gemacht. Ich bin überzeugt davon,
daß Mithan Wessalock gar nicht an die Bomben herangelassen hat.« Axton wurde hellhörig. Er blickte die Arkonidin fragend an. »Warum sollte er?« fragte er vorsichtig. Sie setzte sich zaghaft lächelnd vor ihm in einen Sessel. »Ich weiß doch, daß Sie gar nicht die Absicht hatten, die Meuterer mit den Bomben zu vernichten. Wessalock sollte die Bomben entschärfen.« »So?« Sie nickte. Ihre Stimme versagte fast, als sie weitersprach. »Sie würden so etwas nie tun.« Axton schwieg auch weiterhin. Frauen gegenüber war er stets unsicher. So wußte er nicht, wie er sich verhalten sollte. Ihre Blicke verwirrten ihn. Karena Eze neigte sich beschwörend nach vorn. »Wenn Sie erlauben, werde ich Teilinformationen zu den führenden Flottenkommandeuren durchsickern lassen. Ich halte es für gut, wenn diese Männer erfahren, welch teuflischen Plan Orbanaschol entwickelt hat, um die Flotte der Meuterer zu vernichten.« Der Kosmokriminalist fragte sich bestürzt, wodurch er sich verraten hatte. Mit keinem Wort hatte er dieser Arkonidin zu verstehen gegeben, daß er tatsächlich nicht für Orbanaschol arbeitete, sondern gegen ihn. Doch für sie schien alles völlig klar zu sein. Sie schien nicht im geringsten daran zu zweifeln, daß der Imperator in ihm einen entschlossenen Gegner hatte. Axton hatte das Gefühl, an einem Abgrund zu stehen. Es fiel ihm schwer, sich zu orientieren. Er wußte nicht, ob er Karena Eze vertrauen durfte, oder ob sie versuchte, ihn zu überlisten. »Was erwarten Sie davon?« fragte er, wobei er sich um einen ruhigen, gleichmütig erscheinenden Ton bemühte. »Ich will sie unsicher machen«, erklärte sie eifrig. »Kommt es nicht darauf an, daß sie in der Stunde der Entscheidung von Orbanaschol abrücken? Diese Arkonbomben-Akti-
26 on wird Abscheu bei den Offizieren der Raumflotte hervorrufen, denn dies ist ein absolut militärisch unehrenhaftes Unternehmen.« »Der Vorschlag stammte von mir.« »Das habe ich geahnt«, erwiderte sie lächelnd. »Mir ist jedoch klar, daß Sie nur Zeit gewinnen wollten. Wessalock sollte die Bomben entschärfen.« »Das sind kühne Behauptungen, Karena. Belassen wir es dabei.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Sie vertrauen mir nicht«, sagte sie anklagend. Er lächelte. »Ich habe mich über Ihren Bericht gefreut«, erklärte er unverbindlich. Sie stand auf und strich sich ihre Uniformjacke glatt. »Natürlich können Sie mir nicht vertrauen«, sagte sie bedrückt. »Das wäre viel zu gefährlich für Sie. Sie wissen ja nicht, wer ich bin, und wie ich Sie verehre. Ich hätte mich Ihnen schon viel früher eröffnen sollen.« Axton versuchte, etwas zu erwidern, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Er brachte keinen Ton über die Lippen. Karena Eze hob ruckartig den Kopf. »Ich habe noch etwas vergessen«, sagte sie. »Soeben hat Orbanaschol die Anweisung an das technische Büro gegeben, elektronische Fallen unterschiedlichster Art in seinen Arbeits- und Privaträumen anzubringen. Er hat Angst. Mit diesen Fallen will er mögliche Feinde fangen und sich selbst vor einer Ermordung retten.« »Das erfahre ich erst jetzt?« fragte Axton scharf. »Wieso bin ich nicht früher informiert worden?« »Auch Ihre Vorgänger sind damit nicht direkt behelligt worden. Das hat stets das technische Büro erledigt. Man wird Ihnen erst nach Abschluß der Arbeiten den Abnahmeschein der Bautechniker zum Abzeichnen vorlegen.« »Aha«, entgegnete er spöttisch. »Sie aber möchten, daß ich schon jetzt Bescheid
H. G. Francis weiß.« Sie lächelte. »Allerdings, denn ich bin sicher, daß Sie mit dieser Information etwas anfangen können.« Sie drehte sich um, strich sich das weiße Haar in den Nacken zurück und ging hinaus. Axton-Kennon blickte ihr in heilloser Verwirrung nach. Durfte er ihr vertrauen? Oder hatte ihm Orbanaschol oder irgendein anderer Arkonide durch sie eine raffinierte Falle gestellt? Sie hatte recht. Die Information, die sie ihm gegeben hatte, war äußerst wichtig für ihn. Wenn bauliche Veränderungen in den Arbeits- und Privaträumen des Imperators vorgenommen wurden, dann war das für ihn die beste Gelegenheit, in seinem Sinn in das Geschehen einzugreifen. Er rief Karena Eze zurück, bevor sie die Tür schließen konnte. »Sie haben vorgeschlagen, die loyalen Flottenkommandeure gezielt über die TURCOS-Aktion zu informieren. Ich bin damit einverstanden. Übernehmen Sie das.« Karena Eze lächelte. In ihren Augen blitzte es auf.
5. Sein einziger Vorteil war in diesem Fall der Zeitdruck. Alles mußte auf Befehl des Imperators innerhalb kürzester Zeit abgewickelt werden. Das gab Axton die einmalige Chance. Er traf in der Fabrik für elektronische Sonderanfertigungen ein, als der hundertfach geprüfte Bautrupp bereits zum Aufbruch bereit war. Axton ließ sich von Kelly direkt in das Direktionsbüro tragen. Hier wies er seine Ausweiskarte vor, die dem Direktor jedoch nur anzeigte, daß er eine hochgestellte Persönlichkeit des Hofes mit außerordentlicher Befehlsgewalt war. Der Arkonide konnte nicht daraus ablesen, welche Funktion er wirklich ausübte. »Halten Sie den Bautrupp zurück«, befahl
Orbanaschols Ende Axton. »Ich habe noch etwas zu besprechen.« Der Direktor gehorchte. Er gab die entsprechende Anweisung über Video weiter. Dann aber sagte er: »Ich will eine genaue Begründung. Außerdem werde ich beim Imperator zurückfragen.« »Tun Sie das«, antwortete der Verwachsene, der nicht damit rechnete, daß der Arkonide sich tatsächlich an den Imperator wenden würde. Doch er täuschte sich. Der Direktor tippte ein paar Zahlen in die Tastatur seines Videos. Sekunden darauf erschien das feiste Gesicht Orbanaschols auf dem Bildschirm. »Was wollen Sie?« fragte der Imperator schroff. »Lebo Axton ist bei mir«, erklärte der Unternehmensleiter. »Er besteht darauf, Einfluß auf die Arbeiten zu nehmen.« »Axton?« fragte Orbanaschol überrascht. »Wieso das?« Der Kosmokriminalist rutschte aus dem Sessel, in dem er gesessen hatte, und kam um den Tisch herum, so daß er in den Erfassungsbereich der Kamera geriet. »Ich werde nicht zulassen, daß irgend etwas in Ihren Arbeits- und Privaträumen geschieht, ohne daß ich es vorher kontrolliert habe«, erklärte Axton mit fester Stimme. »Ich kann es einfach nicht dulden, daß gefährliche Geräte in diesem Bereich eingebaut werden, wenn ich mich nicht vergewissern kann, daß sie Ihnen nicht schaden können.« Orbanaschol lächelte. »Aber, Axton, ich bitte Sie! Diese Leute sind absolut vertrauenswürdig. Sie wurden hundertfach überprüft und haben sich in der Vergangenheit glänzend bewährt.« »Es hat in der Vergangenheit unter meinen Vorgängern Merantor und Frantomos Pannen genug gegeben«, erwiderte Axton hart. »Unter meiner Verantwortung wird so etwas nicht geschehen. Entweder Sie sind damit einverstanden, oder ich stelle mein Amt zur Verfügung.« So hatte noch niemand mit Orbanaschol
27 III. gesprochen. Der Imperator blickte Axton überrascht an. Die Unterlippe sank ihm nach unten. Dann holte Orbanaschol hörbar durch die Nase Luft. Er nickte Axton zu. »Alle Achtung«, sagte er. »Sie weichen nicht von Ihrer Linie ab, Axton. Das gefällt mir. Sie haben alle Vollmachten.« Er wandte sich an den Direktor. »Und Sie, Origorz tun gefälligst, was Axton befiehlt«, schrie er und schaltete ab. Der Direktor blickte Axton an, als habe er ihn zuvor noch nicht gesehen. Er war bleich, und seine rötlichen Augen tränten vor Erregung. »Verzeihen Sie mir«, sagte er stammelnd. »Ich konnte nicht wissen …« Axton unterbrach ihn mit einer knappen Geste. Dann erläuterte er ihm, was er im Kristallpalast einbauen lassen wollte, an welcher Stelle das Gerät untergebracht werden sollte, und von wo aus es bedient werden konnte. Da es sich um eine defensive Waffe handelte, und da Axton in so klarer Weise von Orbanaschol bestätigt worden war, hatte der Arkonide keine Bedenken. Er führte aus, was Axton ihm befahl.
* Wessalock erkannte, daß er vom Triebwerksbereich aus die TURCOS nicht beherrschen konnte. Dazu verstand er zu wenig von der Technik. Er sagte sich jedoch, daß die Energieschirme, die die Hauptleitzentrale absicherten, nicht von dieser aus gespeist werden konnte. Der Energiestrom mußte aus dem Triebwerksbereich kommen, denn nur hier arbeiteten die Fusionsreaktoren, nur hier wurde Energie erzeugt. Vielleicht hatte er aber schon durch seine Zerstörung erreicht, daß der Energiefluß zu den Prallschirmen unterbrochen worden war? Wessalock wußte, daß er nicht gezielt vorgehen konnte. Er konnte nur nachsehen, ob er Erfolg hatte oder nicht. Er wirbelte herum und hetzte zu den Antigravschächten
28 zurück. Im aufwärtsgepolten Antigravfeld schwebte er nach oben. Als er nahe genug heran war, bemerkte er, daß der Prallschirm tatsächlich nicht mehr vorhanden war. Er triumphierte. Jetzt hatte er eine Chance. Wenig später sprang er aus dem Schacht und öffnete das Schott zur Hauptleitzentrale. Wie erwartet, hielt sich hier niemand mehr auf. Wessalock zweifelte auch nicht daran, daß er allein an Bord war. Er blickte zum Hauptbildschirm, auf dem er eine einzelne Sonne erkennen konnte. Er schätzte die Entfernung zu ihr auf etwa zwei Lichtminuten. Auf den Ortungsschirmen zeichneten sich keine Reflexe ab. Das bedeutete, daß sich keine Raumschiffe in unmittelbarer Nähe der TURCOS befanden. Der Agent eilte zum Pilotenstand. Hilflos blickte er auf die Instrumente, die Hebel, Knöpfe, Kontaktleisten und Tasten. Er wußte nicht, was er tun mußte, den Flug des Raumschiffs zu unterbrechen. Nachdem er einige Sekunden darüber nachgedacht hatte, was er tun konnte, fuhr er herum und lief zum Funkleitstand. Mit dieser Technik kannte er sich aus. Er schaltete den Hyperkom ein und rief die Flotte der Meuterer. Da er wußte, in welchem Raumsektor sie sich aufhielt, konnte er einen scharf gebündelten Richtstrahl mit hoher Energie aussenden. Nur Sekunden verstrichen, dann erschien das Gesicht eines Funkoffiziers auf der Projektionsfläche vor Wessalock. »Hier spricht Wessalock von der TURCOS«, rief der Agent. »Geben Sie mir ganz schnell einen Piloten. Schnell. Es geht um Sekunden.« »Moment«, entgegnete der Offizier ruhig. »Erst einmal müssen wir wissen, was überhaupt los ist.« »Tun Sie, was ich Ihnen sage, wenn Sie eine Katastrophe verhindern wollen.« Eine Hand erschien im Bild. Sie schob den Offizier zur Seite. Dann blickte Wessalock in zwei ruhige, intelligente Augen. »Ich bin der Pilot der CORDOSH«, sagte der Mann. »Was ist los?«
H. G. Francis »Orbanaschol hat die TURCOS mit Arkonbomben bis an den Rand füllen lassen«, erklärte Wessalock. »Ich bin allein an Bord. Die TURCOS befindet sich im Anflug auf Sie. Innerhalb der nächsten Sekunden schon kann die entscheidende Transition stattfinden. Ich muß sie verhindern, aber ich bin kein Pilot. Ich weiß nicht, was ich tun muß.« »Ich habe verstanden. Gehen Sie zum Pilotenstand und schalten Sie den dortigen Hyperkom ein.« Wessalock sprang auf und eilte zum Pilotensessel hinüber. Er schaltete den Hyperkom ein und setzte sich. Der Pilot lächelte beruhigend. Dann gab er seine Anweisungen. Wessalock befolgte sie. Einige Lichter flammten vor ihm auf. »Seien Sie unbesorgt«, bat der Pilot. »Jetzt ist alles in Ordnung. Die TURCOS fliegt antriebslos durch den Raum. Und nun berichten Sie. Was ist auf Arkon I geschehen?« »Orbanaschol hat den Befehl gegeben, die beiden Abgesandten zu töten«, sagte Wessalock. »Aber dazu ist es nicht gekommen. Ich habe sie gerettet. Danach erfuhr der Imperator, daß die Flotte der Meuterer sich Arkon nähert. Er wollte sie mit den loyalen Flotten angreifen, doch die Kräfte, die darauf hinarbeiten, Orbanaschol zu stürzen, haben das verhindert. Sie haben die TURCOS mit Bomben gefüllt und ausgeschickt. Ich hatte die Aufgabe, die Bomben zu entschärfen, damit es nicht zur Katastrophe kommt, aber man hat mich daran gehindert. Jetzt bin ich allein im Schiff.« Wessalock wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Das Beste, was Sie tun können, ist, mit der Flotte näher an Arkon heranzurücken. Es ist wichtig für unseren Kampf gegen Orbanaschol, daß Druck von außen ausgeübt wird. Es darf jedoch nicht zu einem Kampf der arkonidischen, Flotten gegeneinander kommen, weil die Methans die einzigen wären, die einen Vorteil davon hätten.« Der Offizier lächelte. »Schon gut, junger Mann. Das sind Din-
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ge, die wir längst erörtert und geklärt haben. Sie sollten sich jetzt lieber um die Bomben kümmern. Haben Sie sich davon überzeugt, daß sie nicht von der Hauptleitzentrale gezündet werden?« »Machen Sie sich keine Sorgen«, antwortete Wessalock. »Das Problem ist längst erledigt.« Das waren seine letzten Worte. In der nächsten Sekunde schon befand er sich mitten in einer glühenden, tobenden Hölle. Alle Arkonbomben, die das Schiff in sich barg, explodierten auf einmal. Dort, wo die TURCOS gewesen war, entstand eine Sonne von gigantischen Ausmaßen. Die Explosion wurde auf den Raumschiffen der Meuterer angemessen.
* Die Szene glich jener von Arkon II – nur daß dieses Mal alles in anderer Reihenfolge verlief. Der Energieschirm verschwand. Die mehrere Zentimeter dicke Tür aus Panzerplast schwang, von einem Motor getrieben, auf. Mehrere bewaffnete Offiziere und Kampfroboter bildeten ein Spalier, das vom Transparentkäfig bis zum vorläufig noch geschlossenen Schleusenschott reichte. »Kommen Sie heraus«, rief einer von ihnen. Es war der gleiche Offizier, der Atlan und Fartuloon auch auf Arkon II begleitet hatte. Die beiden Gefangenen kamen aus ihrem Verlies. Sie gingen hochaufgerichtet. Ihren unbewegten Gesichtern war nicht anzusehen, was sie empfanden. Vor dem Schleusenschott blieben sie stehen. »Wir bringen Sie jetzt in den Kristallpalast«, erklärte der Offizier, der das Kommando führte. »Machen Sie keinen Unsinn. Versuchen Sie nicht zu fliehen.« »Es wäre wohl äußerst unangenehm für Sie, wenn Sie uns sozusagen direkt unter den Augen Orbanaschols erschießen müßten, wie?« fragte Fartuloon.
»Mich würde interessieren, ob Sie überhaupt den Mut aufbringen würden, es zu tun«, bemerkte Atlan spöttisch. »Es wäre ein Selbstmordakt für Sie.« »Überlegen Sie sich solche Dinge lieber nicht«, empfahl ihnen der Offizier mit gepreßter Stimme. »Sie ziehen auf jeden Fall den kürzeren dabei, denn Sie sterben zuerst.« Das Schleusenschott glitt auf. In der Schleuse standen vier Kampfroboter und zwei Offiziere, die die Waffen in den Händen hielten. Die Sicherheitsmaßnahmen konnten nicht mehr schärfer sein. Atlan ging voran. Als er die Schleuse verließ und auf einer Rampe nach unten ging, sah er, daß das Raumschiff inmitten einer parkähnlichen Landschaft gelandet war. Dabei hatte es beträchtliche Zerstörungen angerichtet. Bäume und Büsche waren zu Asche verbrannt. Der Boden unter dem Schiff sah grau aus. In einer Entfernung von etwa zehn Kilometer erhoben sich mehrere trichterförmige Gebäude. Das größte von .ihnen kannte Atlan aus seiner Kindheit. Es war der Kristallpalast, der auf dem Hügel der Weisen stand. Das Raumschiff, mit dem er gekommen war, war nicht das einzige, das außerhalb der Raumhäfen gelandet war. Eine Kette von sieben Kreuzern umgab den Hügel der Weisen in weitem Bogen. Atlans Lippen verzogen sich. Die Anwesenheit der Schiffe demonstrierte allzu deutlich, wie sehr Orbanaschol sich in die Enge getrieben fühlte. Vom Raumschiff bis hin zum Kristallpalast wimmelte es förmlich von Kampfrobotern. Der Luftraum war erfüllt mit Kampfgleitern, und in einer Höhe von etwa zehntausend Metern strich ein Pulk von vierzig kleineren Raumschiffen über den Kristallpalast hinweg. Keine Macht des Imperiums hätte es unter diesen Umständen geschafft, Atlan und Fartuloon zu befreien. Die beiden Gefangenen blickten sich kurz an. Sie verstanden sich auch ohne viel Worte. Sie wußten, daß sie
30 keine Chance hatten. Angesichts dieser militärischen Macht und dieser Sicherheitsmaßnahmen resignierte Atlan. Er machte sich Vorwürfe, daß er allein mit Fartuloon bis nach Arkon II vorgedrungen war. »Du solltest dir keine Vorwürfe machen«, sagte Fartuloon, als sie zusammen mit vier Offizieren und vier Kampfrobotern in einem Gleiter saßen und zum Kristallpalast flogen. »Alles hätte auch ganz anders kommen können.« »Ich habe das Gefühl, auf einer mir völlig fremden Welt zu sein, auf der es keine Freude für mich gibt«, sagte Atlan. Fartuloon schüttelte lächelnd den Kopf. Er zeigte zu den Fenstern hinaus. »Dein Gefühl täuscht dich«, erwiderte er. »Du hast viele Freunde hier. Wäre das nicht der Fall, brauchte Orbanaschol nicht einen solchen Aufwand zu betreiben. Er fürchtet, daß deine Freunde zu dir vorstoßen und dich befreien könnten. Also, gib noch nicht auf.« Die Offiziere taten, als hörten sie diese Worte nicht. Sie schwiegen, bis der Gleiter in einer Nische im oberen Drittel des Kristallpalasts landete. Hier warteten bereits mehrere Elitesoldaten und Kampfroboter auf die Gefangenen. Atlan und Fartuloon stiegen aus. Die Wache schoben sie durch eine Tür in einen Raum. Hier standen zwei transparente Kabinen, die gerade soviel Platz boten, daß je ein Mann darin stehen konnte. Die Offiziere sperrten Atlan und Fartuloon darin ein und fesselten ihre Arme und Beine mit festmontierten Halterungen, so daß sie sich nicht befreien konnten. Dann verschweißten sie die Türen mit einem Flüssigkleber. Danach schalteten sie die in der Unterseite eingebauten Antigravs ein. Die Kästen stiegen etwa zehn Zentimeter auf und schwebten ruhig über dem Boden. Nun schoben die Offiziere sie vor sich her. Durch langgestreckte Gänge ging es weiter. Mehrere Male stiegen sie in Antigravschächten auf. Sie passierten immer wieder Sicherheitskontrollen. Überall begegneten
H. G. Francis ihnen Kampfroboter und schwerbewaffnete Elitesoldaten. Mehrere Male mußten sie vor energetischen Prallschirmen warten, bis eine ausreichend große Strukturlücke geschaffen wurde, durch die sie weiterkommen konnten. Dann endlich schoben die Offiziere sie in die Mitte eines völlig leeren Raumes. Er war quadratisch und hatte eine Seitenlänge von etwa zwanzig Metern. Fartuloon und Atlan schwebten über dem Boden. Die Offiziere zogen sich zurück. Nur zwei Kampfroboter blieben bei ihnen. Kurz darauf öffnete sich eine Tür. Orbanaschol III. trat ein. Ihm folgten zehn hochgestellte Hofbeamte und Minister. Und dann kam noch jemand herein. Es war eine kleine, verwachsene Gestalt, die auf dem Rücken eines Roboters kauerte. Lebo Axton. Atlan zuckte zusammen, als er ihn sah. Er wußte, daß dieser Mann der Chef aller Geheimdienste des Imperiums und damit der nach dem Imperator mächtigste Mann war. Diese seltsame Erscheinung mit den wäßrigen blauen Augen und dem schütteren gelben Haar weckte eigenartige Gefühle in Atlan. Vorsicht! signalisierte sein Extrahirn. Er ist der gefährlichste von allen. Er fühlte sich von Axton auf der einen Seite wegen seines Äußeren abgestoßen. Auf der anderen Seite aber faszinierte er ihn auch, und gefühlsmäßig lehnte er sich gegen das auf, was ihm sein Logiksektor mit unerbittlicher Kühle angezeigt hatte. Irgend etwas in ihm sträubte sich dagegen, daß dieser Mann sein Feind sein sollte. Orbanaschol schritt hämisch grinsend auf die beiden transparenten Gefangenenkästen zu. Dicht davon blieb er stehen. Seine Augen funkelten Atlan haßerfüllt an. »Auf diese Stunde habe ich lange warten müssen«, sagte er mit heiserer Fistelstimme. »Ich habe jedoch nie daran gezweifelt, daß ich dich Verräter eines Tages in Fesseln vor mir haben würde.« Atlan preßte die Lippen zusammen. Voller Verachtung blickte er den Mann an, der
Orbanaschols Ende für den Tod seines Vaters verantwortlich war. Orbanaschol verschränkte die Arme vor der Brust. »Nun, was hast du zu sagen?« fragte er höhnisch. »Einem Meuchelmörder habe ich nichts zu sagen«, entgegnete der Kristallprinz ruhig. Orbanaschol erbleichte. Erregt griff er nach dem Energiestrahler, der an einer Magnetplatte an seinem Gürtel hing. Er riß ihn hoch. Das Projektionsfeld glühte auf. Blitzschnell stürzte Lebo Axton auf dem Rücken des Roboters heran. Er beugte sich weit vor und legte dem Imperator die Hand auf den Arm. »Nicht schießen«, rief er beschwörend. Orbanaschol stieß ihn zornig zurück. »Was wagen Sie, Axton!« schrie er. »Den Gefangenen kann es nur recht sein, wenn sie hier ein schnelles Ende finden«, erwiderte der Verwachsene. »Wollen Sie sich um Ihren Triumph bringen?« »Er hat mich beleidigt.« »Er wird noch viel mehr tun, um zu erreichen, daß Sie schießen. Er provoziert Sie, um sich selbst den Prozeß und ein qualvolles Ende zu ersparen. Ein Mann Ihres Formats fällt nicht auf so etwas herein.« Orbanaschol legte die Waffe an die Magnetplatte zurück. Sein Gesicht verzerrte sich. Er blickte Atlan an. »Nicht mit mir«, sagte er höhnisch. »So billig sollst du mir nicht davonkommen.« Er wandte sich um und eilte aus dem Raum. Die Höflinge folgten ihm. Nur Axton blieb noch. Er stand in den Halterungen, die er am Rumpfteil Gentleman Kellys befestigt hatte. Nachdenklich musterte er Atlan. »Sie sollten das nicht noch einmal tun«, sagte er, tippte den Roboter an und ließ sich hinaustragen. Er hätte Atlan gern alles eröffnet. Er hätte ihm am liebsten alles über sich selbst verraten, aber er durfte es nicht, weil ständig mehrere Kameraobjektive auf ihn und Fartuloon gerichtet waren und weil sämtliche Worte, die in diesem Raum ge-
31 sprochen wurden, auf Magnetbändern aufgezeichnet wurden. Als Axton den Raum verlassen hatte, summte sein Armbandfunkgerät. Er schaltete es ein. Auf dem winzigen Bildschirm erschien ein farbiges Symbol. Es glich einer Haarlocke. Der Verwachsene wußte Bescheid. Avrael Arrkonta wollte ihn sprechen. Er eilte über Transportbänder und durch einige Antigravschächte zu seiner Parknische. Mit einem Gleiter flog er zu einem Trichtergebäude, das etwa zehn Kilometer vom Kristallpalast entfernt war. Dabei hatte er keine Mühe, die Kontrollen und Sicherheitssperren zu überwinden. Seine Maschine war mittlerweile mit einem vollautomatischen Codesender ausgestattet worden, der ihm alle Wege freimacht. Der Industrielle erwartete ihn zusammen mit Ermed Trelgron, dem Leiter der Organisation Gonozal VII. in einem Dachgarten-Restaurant. Dieses gehörte einem Mitglied der Organisation, so daß die drei Männer sicher sein konnten, nicht belauscht zu werden. »Es ist unglaublich«, begann Trelgron, kaum daß Axton sich zu ihnen gesetzt hatte. »Einer Gruppe von wenigstens zehn Männern und Frauen ist es gelungen, einen Onkel Atlans unbemerkt hierher zu bringen.« Axton horchte auf. »Hierher? Was heißt das?« »Von der Kolonialwelt Dalirc nach Arkon I«, antwortete Arrkonta. »Diese Gruppe ist mit einem Handelsraumer gekommen und konnte sämtliche Kontrollen am Raumhafen überwinden.« »Woher wissen Sie das alles?« fragte der Terraner. »Einer unserer Männer ist Diener bei einem Journalisten, der zu dieser Gruppe gehört. Er ist hellhörig geworden, als der Journalist unerwartet früh zurückkehrte. Er hat ihm nachspioniert und dabei herausgefunden, daß der Journalist zu einer Gruppe von prominenten Bürgern gehört, die nach Dalirc geflogen ist, um sich dort an Upoc, den Onkel Atlans zu wenden«, erläuterte Trelgron. »Und er hat entdeckt, daß diese Gruppe
32 Upoc tatsächlich nach Arkon gebracht hat.« »Upoc«, sagte Axton sinnend. »Mir ist bekannt, daß es starke Kräfte gibt, die diesen Mann zum Imperator machen wollen. Ich muß Kontakt mit ihnen bekommen.« »Was haben Sie vor?« fragte Arrkonta. »Wollen Sie Upoc den Weg verbauen?« »Ich will, daß Atlan Imperator wird«, erklärte Axton hart. »Das ist unser aller Ziel, und wir müssen es erreichen.« Er blickte Arrkonta an. »Wenn wir es aber nicht erreichen können, so müssen wir auf jeden Fall verhindern, daß sich die verschiedenen Machtgruppen gegenseitig zerfleischen. Ich will mit diesem Journalisten reden. Wo finde ich ihn?« Ermed Trelgron sagte es ihm. Eine halbe Stunde später drückte Gentleman Kelly eine Taste an einer Tür, auf der stand: Kokmon Troust, Journalist. Der Diener öffnete. Er lächelte, als er Axton auf dem Rücken Kellys sah, und er nickte ihm zu, um ihm zu verstehen zu geben, daß er mit ihm gerechnet hatte. »Troust ist nicht da«, flüsterte er dem Verwachsenen zu. »Aber ein anderer von ihnen. Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß, daß er dazugehört.« Er trat zur Seite, um Axton vorbeizulassen, und geleitete ihn dann in den großräumigen Salon. Hier saß ein breitschultriger Mann vor einem 3-D-Gerät. Er drehte sich um, als Axton hereinkam. Erstaunt erhob er sich. Der Terraner empfand eine spontane Sympathie für diesen Mann, dessen dunkelrote Augen eine ungewöhnliche Ausstrahlung besaßen. Der Diener verließ den Salon. »Sie sind Gast in dieser Wohnung. So wie ich«, sagte Axton und glitt vom Rücken Kellys herunter. »Ich hörte bereits, daß der Mann, mit dem ich eigentlich sprechen wollte, nicht hier ist. Aber wir können uns auch unterhalten, wenn es Ihnen recht ist.« Der Kosmokriminalist ließ sich von Kelly in einen Sessel heben, um nicht mühsam hineinklettern zu müssen. Es wäre ihm un-
H. G. Francis angenehm gewesen, wenn er vor den Augen dieses ungewöhnlichen Mannes kläglich dabei gescheitert wäre. Er hatte stets Mühen mit den arkonidischen Möbeln, da diese zu groß für ihn waren. Der Roboter hatte ihn ein wenig zu weit nach hinten gesetzt. Axton rutschte bis zur Kante der Sitzfläche vor, damit er seine Beine nach unten hängen lassen konnte. »Mein Name ist Lebo Axton«, stellte er sich vor. »Ich bin Tarts«, entgegnete der Arkonide. »Offizier der Raumflotte.« »Da Sie Ihren Beruf erwähnen, will ich Ihnen meinen nicht verschweigen. Ich bin der Leiter der arkonidischen Geheimdienste.« Tarts versteifte sich. Sein Gesicht verriet, daß diese Eröffnung Axtons ein Schock für ihn war. »Was wollen Sie von mir?« fragte er abweisend. Axton wartete ab, bis der Offizier sich gesetzt hatte. Er lächelte freundlich. »Ich will Ihnen zunächst einmal erklären, was ich alles von Ihnen weiß«, sagte er dann. »Sie sind zusammen mit Freunden nach Dalirc geflogen und haben Upoc von dort geholt, in der Absicht, ihn möglichst bald zum Imperator zu machen.« Tarts schwieg. Er blickte den Verwachsenen mit flammenden Augen an. »Mir gefällt Ihre Initiative«, fuhr der Kosmokriminalist fort. »Sie haben sich lediglich den falschen Mann ausgesucht. Ich will nicht Upoc, sondern Atlan.« Tarts' Lippen zuckten. Axton-Kennon wußte, was er empfand. Bis vor wenigen Minuten noch hatte dieser Offizier sich völlig sicher gefühlt. Nun glaubte er sich verloren. »Atlan?« fragte Tarts nach geraumer Weile. »Atlan«, wiederholte Axton. »Ich setze nicht meine ganze Kraft ein, Orbanaschol zu entmachten, um dann Upoc an die Macht zu bringen. Der Kristallprinz Atlan ist der rechtmäßige Erbe Gonozals VII.«
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Tarts erhob sich. Er stemmte die Hände in die Hüften. »Was wollen Sie eigentlich von mir?« brüllte er. »Glauben Sie, Sie können sich über mich lustig machen? Zeigen Sie mir Ihre Legitimation.« Axton gab sie ihm. Tarts erbleichte, als er erkannte, daß der Verwachsene die Wahrheit gesagt hatte. Er gab die Karte zurück. Verwirrt schüttelte er den Kopf. »Sie kommen hier herein, stellen sich als Geheimdienstchef und damit als zweitmächtigsten Mann des Imperiums vor und behaupten dann, nicht für den Imperator, sondern gegen ihn zu arbeiten. Wie soll ich Ihnen das glauben?« »Ich habe nicht die Zeit für umständliche Erklärungen«, erwiderte der Terraner. »Wenn ich Sie, Ihre Freunde und Upoc verhaften wollte, hätte ich das längst tun können. Das habe ich jedoch nicht vor. Ich will mit Ihnen zusammenarbeiten. Ich will mit Ihnen zusammen den Imperator stürzen und Atlan an die Macht bringen, damit ein neues, starkes Arkon entstehen kann.« Tarts schüttelte den Kopf. »Daraus wird nichts«, antwortete er und entschloß sich ebenfalls zur völligen Offenheit. »Das Imperium braucht einen Mann wie Upoc. Atlan mag einen rechtlichen Anspruch auf den Thron haben, aber er ist zu jung, um das Imperium in den Griff bekommen zu können.« »Upoc ist ein Künstler«, wandte Axton ein. »Er hat überhaupt nichts von einem Politiker.« »Deshalb ist er genau der Mann, den wir jetzt benötigen«, erklärte Tarts energisch.
6. Zehn bewaffnete Offiziere betraten den Raum, in dem Atlan und Fartuloon gefangengehalten wurden. Vier Kampfroboter folgten ihnen. Einer der Offiziere öffnete den Transparentkäfig Atlans mit einem Desintegratormesser. Zwei andere Offiziere holten den völlig
erschöpften Kristallprinzen aus dem Kasten. Sie legten ihm sofort wieder Fesseln an. »Ihr müßt Fartuloon auch herausholen«, sagte Atlan mühsam. »Man bekommt zu wenig Luft darin. Er stirbt, wenn ihr nichts tut.« Die Offiziere beachteten ihn nicht. Sie schleiften ihn aus dem Raum, stellten sich draußen mit ihm zusammen auf eine Antigrav-Transportplatte und schwebten damit über einen Gang bis in einen Saal. Hier waren etwa eintausend Arkoniden versammelt. Sie saßen auf Sitzreihen, die tribünenartig von einem Transparentkäfig auf der einen Seite bis zur hinteren Wand aufstiegen. Der Käfig stand direkt vor drei Richtern, die einen Berg von Akten auf einem Tisch aufgestapelt hatten. Die Offiziere schleppten Atlan in den Transparentkäfig und fesselten ihn mit Metallspangen an einen Stuhl, der fest mit dem Boden verbunden war. Dann schlissen sie den Kasten und stellten sich dahinter auf. Über den Köpfen der Zuschauer öffneten sich Türen. Aus ihnen glitten Antigravplatten hervor, von denen aus mit Kameras bewehrte Journalisten die Gerichtsverhandlung verfolgen konnten. Atlan saß bewegungslos auf dem Stuhl. Die Augen der Besucher waren auf ihn gerichtet. Als er sich entschlossen hatte, nach Arkon durchzubrechen, hatte er mit allen möglichen Entwicklungen gerechnet, jedoch nicht damit auf dem Stuhl des Angeklagten in einem Gerichtssaal zu landen. Er war sich völlig darüber klar, was dieser Prozeß zu bedeuten hatte. Orbanaschol III. wollte die große Show. Wie sicher sich der Imperator fühlte, zeigte die Tatsache, daß Atlan nicht einmal verhört worden war. Niemand hatte versucht, ihn zu beeinflussen und zu bestimmten Aussagen zu veranlassen. Daher zweifelte er nicht daran, daß man ihm gar keine Gelegenheit geben würde, sich zu äußern. Ohnmächtiger Zorn erfaßte ihn. Nur mühsam beherrschte er sich. Er wußte, daß es
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sinnlos gewesen wäre, an seinen Fesseln zu rütteln. Er konnte sich nicht befreien. Ein tobender Gefangener hätte jedoch genau das Bild abgegeben, das Orbanaschol sich für die Öffentlichkeit wünschte. Der Logiksektor meldete sich nicht. Atlan war sich darüber klar, was das bedeutete. Der gefühlsfrei denkende Teil seines Gehirns hätte nur eine Feststellung treffen können. »Es ist vorbei.«
* Zur gleichen Stunde betrat Avrael Arrkonta die größte Baustelle des Sonnensystems. Sie befand sich auf Arkon III, dem Kriegsplaneten. Der Industrielle war Lieferant für elektronische Bauteile. Somit war er berechtigt, auch die bereits fertiggestellten Bereiche des Riesenroboters zu besichtigen. Dabei ließ man ihn jedoch nicht allein. Den ungemein scharfen Sicherheitsbestimmungen entsprechend, begleitete ihn ein bewaffneter Ingenieur. Dieser aber kannte Arrkonta, so daß er ihm nicht im mindesten mißtraute. Der Industrielle war schon häufig auf der Baustelle gewesen, ohne daß jemals etwas geschehen wäre. Dieses Mal aber erlebte der Ingenieur eine böse Überraschung. »Unsere Überprüfungen haben ergeben, daß im Sektor Sieben-blau eine Fehlerquelle sein könnte«, behauptete Arrkonta. »Ich möchte den Sektor sehen.« Der Ingenieur nickte. Er beseitigte die Energiebarrieren, ließ Arrkonta passieren, folgte ihm und richtete die abschirmenden Energiewände wieder auf. Sie waren allein, und es bestand keine Gefahr, daß ein anderer Ingenieur in ihre Nähe kam. Panzerschotte sicherten die einzelnen Robotbereiche nicht nur ab, sondern sorgten auch dafür, daß niemand direkten Einblick hatte. Als der Ingenieur durch einen schmalen
Gang vor Arrkonta her ging, zog dieser einen Paralysator unter seiner Bluse hervor und löste ihn aus. Der Ingenieur brach zusammen und stürzte zu Boden. Im Fallen drehte er sich um sich selbst, so daß er Arrkonta sehen konnte, als dieser sich über ihn beugte. Der Industrielle lächelte ihm begütigend zu und tätschelte seine Wange. »Es tut mir leid«, sagte er. »Leider ging es nicht anders.« Er schloß ihm die Lider, damit die Augäpfel nicht austrockneten. Dann legte er ihm metallene Schnappfesseln um Arme und Beine und band ihn zusätzlich mit den Füßen an einen Pfeiler, so daß er sich nicht erheben konnte, wenn die Lähmung nachließ. Er nahm ihm die Waffe ab und die Schlüssel für die Energieschirmprojektoren. Dann eilte er weiter. Er hatte es nicht mehr weit. Schon vor langer Zeit hatte Lebo Axton in einer tollkühnen Aktion ein vorprogrammiertes Speicherteil in den Riesenroboter eingebracht, um diesen in einer politischen Krise für sich nutzen zu können. Jetzt war es soweit. Orbanaschol stand am Abgrund. Axton wollte alle Mittel nutzen, um ihn zu stürzen. Doch die Entwicklung war anders verlaufen, als er es vor Monaten hatte vorhersehen können. Deshalb war jetzt ein Zusatzteil notwendig. Arrkonta hatte es bei sich. Es war eine Magnetspule, die in einem Videostudio auf Arkon I hergestellt worden war. Er brauchte sie nur in die vorbereitete Robotschaltung einzuschieben. Als die Magnetspule hörbar einrastete, atmete der Arkonide auf. Er blickte sich um und setzte sich schließlich auf den Fußboden. Er mußte im Roboter bleiben, denn nur hier hatte er eine Überlebenschance – und auch das nur dann, wenn der Plan Axtons gelang. Der Untergrund war hart und kalt. Arrkonta erhob sich wieder. Er fragte sich, warum er unbedingt direkt neben dem eingeschmuggelten Sonderteil bleiben sollte. Er konnte auch zu dem paralysierten Ingenieur
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gehen. Er hoffte, sich mit ihm unterhalten zu können, wenn die Paralyse abklang. Als Arrkonta in die Nähe des Ingenieurs kam, entdeckte er ein Videogerät. Damit hatte er nicht gerechnet. Er schaltete es ein. Auf dem Bildschirm erschien das lächelnde Gesicht Atlans, und aus den Lautsprechern ertönte die eigenartige Musik Upocs. Sie nahm in augenblicklich gefangen. Er konnte sich nicht davon lösen. Wie berauscht stand er vor dem Gerät, sah das Bild des Kristallprinzen und hörte die Musik Upocs. Eine spontane Sympathie für Atlan und für diese Musik erfaßte ihn. Sie war so heftig, daß sich seine Augen mit Tränen füllten.
* Karena Eze sprang auf, als Axton das Büro betrat. Sie hatte auf einem Hocker vor dem Videogerät gesessen. Die Musik Upocs erfüllte den Raum. Auf dem Bildschirm zeichnete sich das lächelnde Gesicht Atlans ab. Mit tränenfeuchten Augen blickte die Arkonidin den Verwachsenen an. »Das ist Ihr Werk, Lebo«, sagte sie. »Wie kommen Sie darauf?« fragte er kühl. Sie krallte ihre Finger in seine Arme. Beschwörend blickte sie ihn an. »Diese Musik und diese Bilder sind überall auf Arkon zu empfangen und vermutlich auch weit draußen auf den Außenwelten und auf den Raumschiffen der Flotte. Kein anderes Videoprogramm kommt durch. Es ist egal, welchen Sender man eingestellt hat, man kann nur dieses eine Programm empfangen. Selbst einfache Videoverbindungen bestehen nicht mehr.« »Woher wissen Sie das so genau?« Sie lachte silberhell auf. Eilig wischte sie sich die Tränen fort. »Ich war beim Kristallmeister, als Orbanaschol plötzlich erschien. Er tobte wie ein Wahnsinniger. Er hatte versucht, den Kristallmeister über Video zu erreichen. Da war
ihm diese Musik entgegengeklungen, und er hatte das Gesicht Atlans gesehen. Ich fürchtete, er würde den Kristallmeister ermorden. So habe ich den Imperator noch nie gesehen.« »Und – was geschah dann?« »Der Kristallmeister versuchte in meinem Beisein, verschiedene Leute über Video zu erreichen. Der Erfolg war gleich Null. Was er auch tat, das Bild Atlans und die Musik blieben.« Axton lächelte. »Interessant«, sagte er und löste die Hände der Arkonidin sanft von seinen Armen. »Ich flüchtete aus den Räumen da oben, weil ich Angst hatte«, fuhr sie fort. »Und dann habe ich es überall an den Geräten versucht. Das Ergebnis war immer gleich. Die fernmeldetechnischen Einrichtungen sind unterbrochen. Ich bin zur Hyperkom-Station gerannt, und auch da war es das gleiche. Selbst über Hyperkom kam Atlans Bild mit dieser seltsamen Musik.« »Es ist die Musik Upocs.« »Bei allen Göttern, das hätte ich fast vergessen«, rief Karena Eze. »Der Imperator schrie nach Ihnen. Er wollte Sie sprechen. Polizeipräsident Vagont Ternnan soll bei ihm gewesen sein. Der Kristallmeister sagte, er habe gehört, daß Ternnan Sie beschuldigt habe, in die Kunstakademie eingebrochen zu sein.« Axton fühlte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er hatte damit gerechnet, daß diese Anzeige kam. Er hatte jedoch gehofft, etwas mehr Zeit zu haben. »Ich muß zum Imperator«, sagte er. »Seien Sie vorsichtig«, bat sie. »Der Imperator ist unberechenbar. Er wollte, daß die Bilder von der Gerichtsverhandlung gegen Atlan in das gesamte Imperium übertragen werden. Er wollte eine große Propagandashow für sich daraus machen, und jetzt dies.« »Ich muß zu ihm, Karena.« Sie griff nach seinen Armen. »Nein, bitte, bleiben Sie hier. Er wird Sie töten.« »Warum sollte er das tun?«
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»Weil Sie ihn dazu überredet haben, Atlan den Prozeß zu machen. Er wollte ihn erschießen. Haben Sie das vergessen?« »Dies ist die Stunde der Entscheidung«, entgegnete Axton-Kennon. »Glauben Sie, daß ich ausgerechnet jetzt die Nähe Orbanaschols meiden werde?« Er lächelte stolz und schüttelte den Kopf. »Nein, Karena, das werde ich mir nicht entgehen lassen. Was glauben Sie, wofür ich gearbeitet habe?« Sie drängte sich schüchtern an ihn und hauchte ihm einen Kuß auf die Wange. »Ich habe es gewußt, Lebo«, flüsterte sie. »Ich habe es die ganze Zeit über gewußt. Wie schön wäre es gewesen, wenn Sie mir vertraut hätten.« Er schob sie sanft von sich und kletterte auf den Rücken Kellys. Die unerwartete Reaktion der Arkonidin wühlte ihn bis ins Innerste auf. »Beeile dich, Kelly«, befahl er mit rauher Stimme. »Oder gibt es auch Kommunikationsschwierigkeiten zwischen uns?« »Vorläufig nicht«, erwiderte der Roboter. »Deine Stimme klingt anders als sonst, aber ich habe mich entschlossen, mich dadurch nicht irritieren zu lassen.« »Wie nett«, sagte Axton und trat Kelly mit dem Fuß in den Rücken. »Noch netter wäre es, wenn du dich beeilen würdest. Ich würde mich grün ärgern, wenn ich Orbanaschol erst sehe, wenn er bereits an seiner Wut erstickt ist.« Karena Eze lachte auf. Axton beachtete sie jedoch nicht. Er trieb Kelly an.
* Atlans Augen weiteten sich, als plötzlich auf dem Monitorschirm hinter den Richtern sein eigenes Bild erschien und dazu eine seltsame Musik erklang, die von unwiderstehlicher Kraft erfüllt war. Der Richter, der gerade damit begonnen hatte, die Anklage zu verlesen, verstummte. Er blickte auf den Bildschirm und erbleichte. Ruckartig wandte er sich den Reportern
zu, die auf den schwebenden Antigravplatten standen. »Was erlauben Sie sich?« brüllte er zornbebend. »Wir haben keinen Einfluß darauf«, erwiderte einer der Journalisten stammelnd. »Das geht von der Zentrale aus.« Atlan sah sich im Gerichtssaal um. In den Gesichtern der Zuschauer konnte er die unterschiedlichsten Reaktionen erkennen. Einige waren zutiefst bestürzt. Andere lachten. Warum bist du überrascht? fragte der Logiksektor. Dies ist doch ein Ereignis, mit dem du gerechnet hast. »Auf das ich gehofft habe«, korrigierte Atlan leise. Eine heftige Erregung erfaßte ihn. Er beobachtete, wie die Richter an dem Gerät hantierten, andere Sender einstellten, aber nichts ändern konnten, bis sie endlich abschalteten. Und er begriff, daß dies der Versuch seiner unbekannten Freunde war, ihm zu helfen. Es ist der Beginn der Revolte, stellte der Logiksektor fest. Unwillkürlich versuchte Atlan, sich zu erheben, doch seine Fesseln hielten ihm am Stuhl fest. Die Zuschauer sprangen auf. Einige von Ihnen forderten lautstark, das Videogerät wieder einzuschalten. Die Reporter und Journalisten schrien auf die Richter ein. Sicherheitskräfte stürmten durch die Türen herein, sie konnten die chaotischen Verhältnisse jedoch nicht ordnen. Als sie das erkannten, kämpften sie sich zu Atlan durch, wobei sie rücksichtslos um sich schlugen. Sie umzingelten den transparenten Kasten, in dem er gefangengehalten wurde. Dann erschienen mehrere Offiziere, die von Kampfrobotern begleitet wurden. Sie öffneten den Kasten, lösten die Fesseln Atlans und zerrten ihn aus dem Raum. Über einen breiten Gang brachten sie ihn in einen Wachraum, in dem mehrere Offiziere erregt diskutierend vor einer Monitorwand standen. Die Offiziere stellten Atlan an eine Wand und befahlen ihm, sich ruhig zu verhalten. Dann blickten sie zu der Monitor-
Orbanaschols Ende wand hinüber, an der zwei Offiziere sich bemühten, mit anderen Dienststellen Verbindung zu bekommen. Atlan beobachtete, daß sie alle Möglichkeiten durchschalteten, wobei sie immer das gleiche Ergebnis erzielten. Er kannte sich genügend in der Technik aus, um zu erkennen, was geschah. Die Techniker prüften alle Kommunikationsverbindungen durch – vom einfachen Interkom bis zum Hochleistungshyperkom. Schließlich drehte sich einer von ihnen um und schüttelte resignierend den Kopf. »Dagegen kommen wir nicht an«, erklärte er. »Die Sendung kommt vom Riesenroboter auf dem Kriegsplaneten. Sie überlagert alles andere. Noch nicht einmal die Verbindung zum Nebenraum klappt.« »Das bedeutet, daß sämtliche Nachrichtenverbindungen zusammengebrochen sind«, stellte ein anderer Offizier fest. Das ist Orbanaschols Ende, signalisierte der Logiksektor. Orbanaschol kann seine Macht nicht mehr aufrechterhalten, wenn jeder Befehl wie bei den Barbaren durch Boten überbracht werden muß. Atlan bewunderte den genialen Plan des Mannes, der für dieses Attentat auf die Kommunikationsmittel des Imperiums verantwortlich war. Er hatte so etwas bis zur Stunde nicht für möglich gehalten. Das gesamte militärische und zivilisatorische Gefüge auf den hochtechnifizierten Arkon-Planeten und im gesamten Imperium war auf fernmeldetechnischen Einrichtungen aufgebaut. Wenn diese versagten, konnte nichts mehr funktionieren. Niemand konnte Befehle weiterleiten. Niemand konnte die Öffentlichkeit unterrichten. »Hoffentlich wissen Sie dieses Zeichen richtig zu deuten«, sagte Atlan laut. »Hoffentlich begreifen Sie, daß mit dieser Aktion das Ende Orbanaschols III. eingeläutet wird. Dieser Imperator tritt noch heute ab. Niemand kann seinen Sturz verhindern.« Die Offiziere wandten sich ihm zu. »Entscheiden Sie sich für die Zukunft«, forderte Atlan. »Entscheiden Sie sich für ein neues Arkon, auf das wir alle stolz sein kön-
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* Sinclair Marout Kennon-Axton lenkte seinen Roboter zu einem Antigravschacht. Er legte Kelly die Hand auf den Schädel. »Du hast die Aufgabe, auf mich aufzupassen, du Ausgeburt robotischer Schönheit«, sagte er. »Orbanaschol könnte ausfallend werden. Du wirst dafür sorgen, daß ich es überlebe.« »Du kannst dich auf mich verlassen«, erwiderte Kelly. »Du weißt, daß ich einem geradezu neurotischen Zwang unterliege, alles Häßliche zu erhalten.« Axton lachte. »Hör auf«, bat er, wobei er mit den Knöcheln gegen Kellys Schädel klopfte. Er wollte noch mehr sagen, doch in diesem Moment bekam seine Hand ein eigenartig durchsichtiges Aussehen. Axton blickte entsetzt auf seine Hände. Sie lösten sich auf. »Nein«, sagte er stöhnend. »Nein, nicht das!« »Was ist los?« fragte Kelly. »Warte hier auf mich«, schrie Axton, doch seine Stimme klang so dünn und schien von so fern zu kommen, daß Kelly ihn kaum verstand. Der Roboter blieb stehen, während Axton sich verflüchtigte. Er verlor das Bewußtsein nicht. Ihm war, als habe er lediglich für ein paar Sekunden die Augen geschlossen. Ein unwiderstehlicher Sog erfaßte ihn und riß ihn mit sich fort in die Unendlichkeit, durch Zeit und Raum. Als er die Augen öffnete, befand er sich in der Traummaschine auf Meggion im Occad-System, in der sein großes ArkonAbenteuer begonnen hatte. Von heftigem Zorn erfaßt, sprang er unter der Haube heraus und sah sich um. Er bewegte sich viel zu heftig und zu kraftvoll, weil er es nicht mehr gewohnt war, in einem so gut funktionierenden Körper zu leben. Die Wissenschaftler, die er bei seiner letzten zwangsweisen Rückkehr gesehen hatte,
38 waren nicht in der Halle der Traummaschinen. Die Türen standen offen. Schwüle Luft wehte von außen herein. Auf dem Boden krochen kleine Reptilien herum. Ein vierbeiniges Tier mit dickem Pelz machte Jagd auf sie. Sinclair Marout Kennon verfolgte entsetzt, daß einige von ihnen durch Spalten in die Traummaschinen flüchteten. Er stürzte sich auf sie und versuchte, sie zu fangen, bevor sie darin verschwanden, aber sie entwischten ihm. Ein verzweifeltes Schluchzen brach aus seiner Kehle. »Nicht ausgerechnet jetzt«, rief er. »Ich brauche nur noch ein paar Stunden, vielleicht nur noch eine einzige Stunde. Ich muß sie haben.« »Was müssen Sie haben?« fragte jemand hinter ihm. Kennon fuhr herum. Er kniete auf dem Boden und blickte zu einem Mann auf, den er nie zuvor gesehen hatte. Der Fremde trug eine weiße Uniform. Sein blondes Haar fiel ihm bis auf die Hüften herab, und ein dichter Bart bedeckte sein Kinn und die Wangen. Kennon richtete sich auf. »Sie sollen dafür sorgen, daß die Maschinen einwandfrei funktionieren«, rief er anklagend. »Warum tun Sie es nicht? Warum lassen Sie zu, daß Tiere in die Station eindringen und die Maschinen zerstören?« Der Fremde streckte die Hand aus und zeigte auf die Traummaschinen. »Diese da?« fragte er. »Welche denn sonst?« schrie Kennon. Er war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. Er hob die Hände, um den Mann von sich zu stoßen, als ihm plötzlich etwas auffiel. Seine Hände sanken wieder herab. Forschend blickte er dem Mann in die Augen. Er sah nichts als Leere. »Was ist hier geschehen?« fragte er erschrocken. Er schob den Mann zur Seite und eilte zur nächsten Tür. Er sah einen anderen Mann, der auf dem Boden lag und schlief. Er hatte sich zusammengerollt wie ein Kind. Die Ranken einer Pflanze wucherten durch einen
H. G. Francis Spalt in der Wand herein. Die Anzeichen des Verfalls waren nicht zu übersehen. Kennon drehte sich um und trat zur Seite. Er zeigte über die Schulter zurück. »Hinaus mit Ihnen«, befahl er. Der Mann in der weißen Uniform lächelte schüchtern. Er blickte den Kosmokriminalisten wie ein gemaßregeltes Kind an und schob sich an ihm vorbei, als fürchte er, geschlagen zu werden. Kennon schloß die Tür hinter ihm. Dann schmetterte er seine Fäuste mehrmals gegen das Türschott, bis es so verbeult war, daß es sich nicht mehr öffnen ließ. Ähnlich verfuhr er mit den anderen Türen, die vom Raum der Traummaschinen abzweigten. Dabei grübelte er vergeblich darüber nach, weshalb die Wissenschaftler der Station plötzlich ihre Intelligenz verloren hatten. Irgend etwas mußte über sie gekommen sein. War es ein Virus, das es auf dieser Welt gab? Oder war es eine Strahlung, die aus dem All kam? Irgend etwas mußte es sein. Ihn hatte das Unheimliche nicht erreicht. Er war völlig unverändert. Er war nicht verdummt. Schützte ihn sein Robotkörper vor dem intelligenzvernichtenden Etwas? Hielt die Stahlhülle, die sein lebendes Hirn umfaßte, das Virus, die Strahlung oder was auch immer das Unheimliche sein mochte, von ihm ab? Fragen, auf die Sinclair Marout Kennon keine Antwort geben konnte, denn er wußte nichts von dem Schwarm, der in die Galaxis eingedrungen war. Als er sicher war, daß niemand mehr von außen eindringen konnte, kehrte er eilig zu der Traummaschine zurück, in der er gelegen hatte. Er untersuchte sie und fand heraus, daß ein Hebel auf Null-Stellung umgelegt worden war. Er kippte ihn zurück und legte sich wieder unter die Haube der Traummaschine. Nun glaubte er daran, daß er den Kampf um die Macht über das altarkonidi-sche Imperium bis zum Ende durchfechten konnte. Kaum hatte er die Augen geschlossen, als
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er auch schon fühlte, wie er vom Strom der hyperdimensionalen Energien erfaßt und in die Unendlichkeit geschleudert wurde.
7. »Hallo«, sagte Gentleman Kelly mit eigenartig schriller Stimme. »Da bist du ja.« Axton krallte seine Hände um die Haltebügel auf den Schultern des Roboters. Der sich materialisierende Körper des Terraners zuckte und zitterte wie im Schüttelfrost, so daß er Mühe hatte, sich auf Kelly zu halten. Der Roboter schwebte im Antigravschacht nach oben. Sichernd legte er einen Arm nach hinten, um Axton zu halten. Dieser überwand den Schock jedoch schnell. »Schon gut«, sagte er, als Kelly den Schacht verließ. »Ich bin wieder in Ordnung.« Kelly blieb vor drei Offizieren stehen. Axton zeigte ihnen seine Karte. Sie verzichteten jedoch darauf, sie zu kontrollieren. Ähnlich verliefen die weiteren Prüfungen. Man kannte Axton zur Genüge und wußte, daß er berechtigt war, zum Imperator vorzudringen. Doch auch in anderer Hinsicht war alles anders als vor einigen Stunden. Eine seltsame Stimmung herrschte unter den Offizieren. Sie wirkten gedrückt und verunsichert. Niemand schien genau zu wissen, was zu tun war. Axton triumphierte. Sein Plan, alle fernmeldetechnischen Verbindungen durch eine übergelagerte Sendung lahmzulegen, funktionierte. Jetzt machte es sich bezahlt, daß er schon vor langer Zeit ein positronisches Teilstück im Riesenroboter auf Arkon III zu verstecken gewagt hatte. Er hoffte nur, daß Avrael Arrkonta seinem Rat gefolgt war, im Roboter zu bleiben, denn nur dort konnte er hoffen, die nächsten Stunden zu überleben. Als Axton den großen Salon betrat, in dem Orbanaschol ihn erwartete, wußte er, daß der Imperator praktisch entmachtet war. Jetzt war es nur noch eine Frage der Zeit, wann ein anderer die Macht übernahm und
Nachfolger Orbanaschols III. wurde. Auch Orbanaschol war sich darüber klar. Das sah Axton-Kennon auf den ersten Blick. Der Imperator saß an einem mit Speisen überhäuften Tisch, aß jedoch nichts. Mit flackernden Augen sah er den Verwachsenen an. Jetzt zeigte sich, wie Orbanaschol war, wenn er wußte, daß er sich auf niemanden mehr stützen konnte. Vor wenigen Stunden hatte er sich noch aufgebäumt. Vorübergehend hatte selbst Axton geglaubt, daß es ihm gelingen könnte, sich noch einmal zu behaupten. Nun aber war der Mann, den Axton haßte wie niemanden sonst, am Ende. »Was soll ich tun?« fragte Orbanaschol mit versagender Stimme. »Axton, es muß doch etwas geschehen.« »Ich weiß es nicht«, erwiderte der Verwachsene. »Sie müssen diesen Sender ausschalten. Sie müssen!« »Dazu müßte ich nach Arkon III fliegen und versuchen, in den Riesenroboter einzudringen. Ich glaube jedoch nicht, daß es mir gelingen wird. Außerdem vergehen bis dahin mehrere Stunden. Solange wird diese Propagandasendung anhalten.« »Wir müssen sie stören. Wir haben starke Sender genug.« Axton schüttelte den Kopf. »Ich bin davon überzeugt, daß bereits alles versucht wurde. Es geht nicht.« Er wußte, daß die Arkoniden in der Tat kein Mittel hatten, diese Sendung zu stören. Das technische Wissen, das er in dem Bauteil verwendet hatte, stand den Arkoniden noch nicht zur Verfügung. Orbanaschol sprang auf. Mit zuckendem Gesicht lief er im Salon auf und ab. Er setzte mehrmals zum Sprechen an, brachte aber keine Silbe über die Lippen. Axton beobachtete ihn vom Rücken Kellys herab. In den Augen des Imperators flackerte der Wahnsinn. Orbanaschol bewältigte die Situation nicht. Er verlor den Verstand. Schließlich blieb er vor Axton stehen.
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»Ich werde Atlan töten«, erklärte er mit schriller Stimme. »Dadurch erreichen Sie nichts.« »Ich erreiche alles«, schrie der Imperator. Seine Augen weiteten sich. »Wenn ich Atlan töte, kann er nicht mehr Imperator werden. Wenn er tot ist, wird niemand mehr da sein, der mich verraten will.« Er lachte triumphierend. Begeistert von seiner Idee stürzte er zum Tisch, griff mit bloßen Händen in einen Pokal hinein, der mit einem Salat aus Meeresfrüchten gefüllt war. Gierig stopfte er sich einen Teil des Inhalts in den Mund. Er brüllte einige Befehle. Die Türen öffneten sich, und zwölf ranghohe Offiziere kamen in den Salon. »Bringt mir Atlan«, forderte Orbanaschol, während ihm die Salatsoße über das Kinn rann. »Axton, Sie begleiten diese Männer. Sie sind dafür verantwortlich, daß Atlan lebend hier ankommt. Ich werde ihn töten, und niemand soll es wagen, mir diese Arbeit abzunehmen.«
* Etwa fünfzehn Kilometer vom Kristallpalast entfernt stand Tarts vor einer Gruppe von Männern und Frauen. Seitlich von ihm saß in einem Antigravsessel ein verträumt wirkender Mann. Ihn blickte der Offizier beschwörend an. »Upoc«, sagte er. »Bitte, glauben Sie mir. Dies ist die Stunde, in der wir handeln müssen. Wenn wir nichts tun, wird diese Gelegenheit verstreichen, und ein anderer wird Imperator werden. Das ist dann vielleicht ein Mann, der noch gefährlicher für Arkon ist als Orbanaschol.« Upoc hob den Kopf. »Und wie wollen Sie in den Kristallpalast kommen?« fragte er. »Soweit ich weiß, ist zur Zeit nichts im Imperium so gut abgeschirmt wie der Kristallpalast.« »Wir haben entsprechende Vorbereitungen getroffen«, antwortete Tarts energisch. »Auch wir haben unsere Helfer unter den
Elitetruppen. Sie werden uns passieren lassen. Außerdem bin ich davon überzeugt, daß es niemand wagen wird, Ihnen etwas zu tun. Sie sind Upoc, ein Halbbruder des ermordeten Gonozal VII. aus der Familie Gonozal.« »Es ist nett von Ihnen, daß Sie mir gesagt haben, wer ich bin«, erwiderte Upoc ironisch. »Verzeihen Sie mir«, bat Tarts. »Ich wollte nicht …« »Schon gut«, winkte Upoc ab. Er erhob sich. Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn. »Sie sagen, daß zur Zeit auf Arkon gestreikt wird, Vhes-senroh?« Ein untersetzter Mann löste sich aus der Gruppe der Männer und Frauen und kam zu Tarts und Upoc. »Wir haben den Generalstreik angeordnet. Das war etwa fünf Minuten, bevor diese Propagandasendung für Atlan begann. Danach brach jede Verbindung zu unseren Unterorganen ab. Dennoch können Sie sicher sein, daß der Streikaufruf befolgt wird. Wir haben Boten ausgeschickt, die den Aufruf nach dem Schneeballsystem verbreiten. Auf diese Weise erfassen wir in kürzester Zeit weite Teile Arkons.« »Bei der Flotte wird man die Zeichen richtig zu deuten wissen«, erklärte Tarts selbstsicher. »Jeder halbwegs intelligente Raumschiffskommandant weiß, was es bedeutet, wenn über Kosmo-Vision ein Bericht über das Gerichtsverfahren gegen Atlan angekündigt und statt dessen ein Propagandafilm mit Ihrer Musik gesendet wird. Jeder Offizier der Raumflotte wird begreifen, daß diese Sendung, die alle Kommunikationssysteme lahmlegt, mit einem Staatsstreich einhergeht. Ich zweifle daher nicht daran, daß in diesem Moment umfangreiche Flottenteile ins Arkonsystem eindringen.« »Also gut«, sagte Upoc zustimmend. »Dann brechen wir jetzt zum Kristallpalast auf. Wo stehen die Gleiter?« »Kommen Sie«, bat Tarts. »Ich führe Sie.« Eine ungeheure Erregung erfaßte die Männer und Frauen. Sie wußten, daß sich in
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den nächsten Minuten ihr Schicksal entscheiden würde. Sie alle waren davon überzeugt, daß sie Erfolg haben würden, aber keiner von ihnen konnte mit Sicherheit sagen, daß alles nach Plan verlaufen würde. Gar zu viele Unsicherheitsfaktoren waren noch vorhanden. Sie waren jedoch einkalkuliert und mußten in Kauf genommen werden. Erschwerend für die Gruppe um Upoc war, daß sie von Axtons Anschlag auf die Kommunikationssysteme ebenso überrascht worden war wie Orbanaschol. Tarts führte die Gruppe an, obwohl er nicht der ranghöchste Offizier unter ihnen war. Er hatte jedoch ein so großes organisatorisches Talent bewiesen, daß ihm andere Offiziere bei den Aktionen den Vortritt ließen, während sie selbst zusammen mit Upoc die politischen Entscheidungen trafen. Dieser hatte in den vergangenen Tagen und Stunden gezeigt, daß er die Qualitäten besaß, die man von ihm erhofft hatte. Er war durchaus kein bequemer Mann, den man nach Belieben hin und her schieben konnte, sondern eine Persönlichkeit, die eigene Vorstellungen hatte und diese auch durchzusetzen wußte. Darüber hinaus waren jedoch seine künstlerischen Interessen besonders ausgeprägt. Er dachte in anderen und für viele oft verblüffenden Bahnen. Upoc setzte sich zusammen mit Tarts, zwei weiteren Offizieren der Raumflotte, dem Gewerkschaftsführer und dem Vorsitzenden des arkonidischen Wirtschaftsverbands zusammen in einen Gleiter. Die anderen Männer und Frauen, die alle aus der Führungsschicht der arkonidischen Gesellschaft kamen, verteilten sich auf die anderen Gleiter. Schließlich starteten insgesamt zwölf Maschinen und nahmen Kurs auf den Kristallpalast.
* Zur gleichen Zeit mobilisierte Ermed Trelgren die Organisation Gonozal VII. Er hatte mit den gleichen Kommunikationsschwierigkeiten zu kämpfen wie die anderen
Gruppen, die um die Macht über Arkon kämpften, hatte jedoch den außerordentlichen Vorteil, daß er auf diese Schwierigkeiten vorbereitet war. Zudem war die AtlanSendung ein deutliches Zeichen für alle Mitglieder der Organisation. Überall auf Arkon kam es zu weiteren Störungen, technischen Versagern und sonstigen Ausfällen. Die Energieversorgung brach für weite Gebiete zusammen. Auf dem Hügel der Weisen mußten die Techniker auf Notstromversorgung umschalten, und selbst diese funktionierte nicht mehr einwandfrei, da Axton auch hier seine Helfer eingeschleust hatte. Als Axton zusammen mit den Offizieren aufbrach, um Atlan zu holen, mußten die Hochenergieschirme abgeschaltet werden, mit denen Orbanaschol die von ihm bewohnten Bereiche des Kristallpalasts absichern wollte. Der Energieverbrauch war so hoch, daß sie nicht mehr aufrechterhalten werden konnten. Die dafür verantwortlichen Offiziere informierten Axton, als dieser einen Antigravschacht benutzen wollte, um darin nach unten zu schweben. Axton hielt Gentleman Kelly zurück. Sein linkes Lid zuckte nervös. »Sie haben richtig gehandelt«, erklärte er. »Die Energieschirme sind überflüssig, wenn Sie und Ihre Leute aufmerksam genug sind.« »Sie können sich auf uns verlassen«, erwiderte der Offizier. Seine Stimme klang fest, doch in seinen Augen beobachtete Axton ein seltsames Flackern. Der Mann wich seinen Blicken aus. Der Kosmokriminalist ließ sich nichts anmerken. Er wußte genau, wie es um den Offizier und auch um alle die anderen stand, die eigentlich für Orbanaschol eintreten sollten. Sie alle begriffen, daß die Uhr Orbanaschols abgelaufen war. Es gab keine Macht mehr, die sich dem Chaos auf Arkon entgegenstellen konnte. Es gab keine ordnende Hand mehr. Lohnte es sich unter diesen Umständen, für Orbanaschol zu kämpfen? Lohnte es
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sich, sein Leben für einen Mann einzusetzen, der ohnehin verloren war? So dachten und fühlten die Männer um Orbanaschol. »Ich weiß, daß Sie stets richtig entscheiden werden«, sagte Axton und gab Gentleman Kelly das Zeichen, den Antigravschacht zu betreten. Die anderen Offiziere folgten ihm. Keiner von ihnen sprach.
* »Hört, hört«, sagte einer der Männer an der Monitorwand. »Ist das nicht ein Aufruf zum Verrat?« Atlan verschränkte die Arme vor der Brust. »Bis zu dieser Stunde haben Sie Verrat geübt«, erklärte er scharf. »Ich bin der rechtmäßige Nachfolger Gonozals, meines Vaters. Orbanaschol hat kein Recht auf den Thron. Also ist es auch kein Verrat, wenn Sie ihm den Befehl verweigern.« Ein hochdekorierter Offizier kam auf Atlan zu und blieb dicht vor ihm stehen. Er war ebenso groß wie der Kristallprinz. »Kühne Worte für einen Mann, der seinen Kopf noch nicht aus der Schlinge gezogen hat«, sagte er. »Ich würde vorsichtig sein.« Er drehte sich um und brüllte: »Stellt endlich die Geräte aus. Ich will diese Musik nicht mehr hören. Und Atlan steht mitten unter uns. Wir brauchen sein Gesicht nicht auch noch auf den Bildschirmen zu sehen.« Die Techniker schalteten die Videogeräte aus. Die Musik Upocs verstummte. Atlan lächelte. »Meinen Sie, Sie könnten dadurch etwas ändern?« fragte er. »Im ganzen Imperium erklingt diese herrliche Musik, und überall sieht man mein Bild. Sie sollten endlich begreifen, was das bedeutet.« »Ich glaube, er hat recht«, bemerkte ein Offiziersanwärter. Er war noch jung, und sein Gesicht glühte vor Eifer. »Wir sollten uns für ihn entscheiden.« Der Offizier, der vor Atlan stand, riß seinen Energiestrahler aus dem Gürtel und
richtete ihn auf den Jungen. »Hier wird nicht diskutiert«, rief er zornig. »Wir haben eindeutige Befehle, und die werden befolgt. Wer sich weigert, wird sofort erschossen.« Der Offiziersanwärter blickte den Offizier schockiert an. Er hatte nicht mit einer solchen Reaktion gerechnet. Offenbar glaubte er, daß Atlan bereits gewonnen hatte. »Aber das ist doch sinnlos«, sagte er stammelnd. Der Offizier hob die Waffe. Sein Finger krümmte sich. Er war entschlossen, den Jungen zu töten. In diesem Moment handelte Atlan. Er warf sich nach vorn und schlug dem Offizier mit dem rechten Fuß die Waffe aus der Hand. Sofort stürzten sich mehrere Männer auf ihn und rissen ihn zurück. Sie hielten ihn fest, während sich der Offizier bückte und den Energiestrahler aufnahm. Er trat auf Atlan zu, der mit gefesselten Händen zwischen den anderen Männern stand. »Zur Seite«, befahl der Offizier. »Ich will niemanden verletzen.« Die Männer gehorchten. Sie ließen Atlan allein. Hochaufgerichtet stand der Kristallprinz vor dem Offizier. »Wenn Sie mich töten, wird Orbanasehol Sie dafür umbringen«, sagte Atlan warnend. Der Offizier schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Wenn er erfährt, daß ich damit eine Meuterei verhindert habe, wird er es billigen.« Langsam hob er den Energiestrahler. Er richtete ihn auf die Stirn At-lans. Deutlich sah dieser, wie sich der Finger krümmte. Die Tür öffnete sich. »Halt«, befahl Lebo Axton. »Was fällt Ihnen ein?« Seine Stimme klang schrill. Der Offizier drehte sich halb um, ließ aber die Waffe auf Atlan gerichtet. Als er Axton erkannte, ließ er sie sinken. »Sie werden sich dafür zu verantworten haben«, erklärte der Verwachsene drohend.
Orbanaschols Ende »Nehmen Sie Atlan die Fesseln ab.« »Ich habe keinen Schlüssel«, erwiderte der Offizier unsicher. »Dann nehmen Sie ein Desintegratormesser. Aber seien Sie vorsichtig. Verletzen Sie ihn nicht.« »Soviel Rücksichtnahme auf einen Gefangenen?« fragte der Offizier. »Ist das nicht …?« »Beeilen Sie sich«, unterbrach ihn Axton heftig. Atlan blickte ihn forschend an. Der Terraner sah Hoffnung in seinen Augen aufleuchten. Die Fesseln fielen. Aufatmend nahm Atlan die Hände nach vorn und massierte sich die Handgelenke. »Kommen sie«, forderte Axton ihn auf. »Wohin?« fragte Atlan. »Zum Imperator«, antwortete einer der Arkoniden, die mit Axton gekommen waren. »Er wird Sie erschießen.« Axton war so schockiert über diese Bemerkung, daß er fast die Nerven verloren hätte. Seine Hand fuhr hoch, doch er schlug nicht zu, sondern strich sich mit der Hand über den Kopf. »Halten Sie den Mund«, befahl er. »Ich will nichts mehr hören.« Mit energischer Geste gab er Atlan zu verstehen, daß er vor ihm den Raum verlassen sollte. Der Kristallprinz gehorchte. Er schritt vor Gentleman Kelly und dem Verwachsenen her. Die Arkoniden schlossen sich ihnen an. Einige von ihnen überholten sie, um zu verhindern, daß Atlan nach vorn flüchtete. Lebo Axton wartete ab. Er war nunmehr eiskalt. Als sie in einem Antigravschacht aufstiegen, waren die Offiziere einige Meter von ihm und Atlan entfernt. Atlan schwebte direkt neben ihm nach oben. »Es wird nichts passieren«, raunte der Kosmokriminalist ihm zu. »Ich habe vorgesorgt. Verlassen Sie sich auf mich.« Atlan wandte sich ihm zu und blickte ihn durchdringend an. »Gehören Sie zu den Ratten, die das sin-
43 kende Schiff verlassen?« fragte er verächtlich. Axton-Kennon schüttelte den Kopf. »Sie können es nicht wissen, Atlan. Deshalb mache ich Ihnen keinen Vorwurf. Ich bin derjenige, der das Schiff für Sie zum Sinken gebracht hat.« Atlan wollte etwas entgegnen, aber sie näherten sich der Schachtöffnung, in der die Offiziere warteten. »Kein Wort mehr«, zischte der Verwachsene dem Kristallprinzen zu. Sie verließen den Antigravschacht. Von nun an gab es keine weitere Gelegenheit mehr für Axton, Atlan etwas zuzuraunen. Die Offiziere waren ständig in ihrer Nähe, und seine Extrasinne warnten ihn davor, die ihnen gegenüber geübte Zurückhaltung aufzugeben. In den Gängen des Palasts herrschte Stille. Die Lautsprecher, aus denen sonst gedämpfte Musik zu klingen pflegte, waren verstummt. Die Wachen standen schweigend herum. Offenbar wollte niemand von ihnen verraten, wie es wirklich in ihm aussah. Axton wußte, daß es nach wie vor eine erhebliche Anzahl von Offizieren gab, die Orbanaschol bedingungslos gehorchten. Ihnen gegenüber mußte er sich so verhalten, als sei er immer noch auf Orbanaschols Seite. Als sie sich den Räumen des Imperators näherten, hörte Axton die schrille Fistelstimme Orbanaschols. Dieser schrie zornerfüllt auf einen seiner Mitarbeiter ein. Der Imperator verstummte, als sich die Tür zum Salon öffnete. Von den Schultern Gentleman Kellys herab konnte Axton ihn sehen. Orbanaschol stand vor dem mit Speisen überladenen Tisch. In der einen Hand hielt er einen geschälten Krebs, der so dick war, daß er ihn kaum mit seinen Fingern umspannen konnte. Eine rote Soße verschmierte seine Hand. In der anderen Hand hielt er einen Energiestrahler. Vor ihm auf dem Boden lag die Leiche des Kristallmeisters. Im Salon befanden sich
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noch zehn weitere Bedienstete Orbanaschols. Sie waren in panischer Angst bis zur gegenüberliegenden Tür zurückgewichen. Orbanaschol wandte sich Axton zu. Dieser erkannte augenblicklich, daß der Imperator sich in einem Zustand befand, der sich zwischen Hysterie und Wahnsinn bewegte. Mit ihm war nun nicht mehr zu reden. Er war nicht mehr beeinflußbar. In seiner namenlosen Angst würde er alles tun, womit er glaubte, sein Leben retten zu können. Als er Atlan sah, verzerrte sich sein Gesicht zu einer Fratze. »Bringt mir den Verräter«, schrie er. Er hob den Energiestrahler und richtete ihn auf Atlan. Mit der anderen Hand führte er sich den Krebs zum Mund und biß mehrmals gierig davon ab. Die Reste ließ er achtlos auf den Boden fallen. Die Offiziere, die ebenso wie Axton erkannten, in welcher Verfassung Orbanaschol war, wichen zu den Seiten aus, um nicht getroffen zu werden, wenn der Imperator feuerte. Atlan stand unmittelbar vor Gentleman Kelly und Axton. Er blickte Orbanaschol an. Der Kosmokriminalist sah, wie der Energiefeldprojektor der Waffe aufglühte. Axton hob die Hand. In diesem Moment spürte er, wie ihn ein Sog erfaßte. Er schrie gellend auf. Verzweifelt stemmte er sich gegen die Kraft, die ihn durch Zeit und Raum reißen wollte. Vergeblich. Die Traummaschine von Meggion im Occad-System war stärker. Axton-Kennon konnte nichts gegen sie ausrichten. Sein Körper wurde durchsichtig und verflüchtigte sich. Plötzlich standen nur noch Atlan und der Roboter vor dem Imperator.
* Die Traummaschine zitterte und schwankte. Sinclair Marout Kennon schnellte sich heraus. Verwirrt sah er sich um. Der Boden
unter seinen Füßen bebte, und knirschend öffnete sich ein Spalt in der Wand. Ein dumpfes Dröhnen wurde hörbar. Kennon begriff. Das Gebiet, in dem der Traumpalast stand, wurde von einem Beben erschüttert. Nach Sekunden schon wurde es wieder ruhig. Der Kosmokriminalist erinnerte sich daran, in welch dramatischer Situation er den Kristallpalast im alt-arkonidischen Imperium hatte verlassen müssen. Er fuhr herum und versuchte, die zahlreichen Schalter und Kontrollanzeigen mit einem Blick zu übersehen. Aber die Anlage war zu kompliziert, als daß er sofort hätte erkennen können, wo der Fehler lag. Er bemerkte, daß vier Lampen nicht mehr brannten. Er drückte die dazugehörigen Tasten, erzielte jedoch keine Reaktion. Erst als er eine Klappe geöffnet hatte, fand er heraus, daß Sicherungen vorhanden waren. Diese waren herausgesprungen und hatten die Stromkreise unterbrochen. Er drückte sie eilig wieder herein. Die Lampen glühten auf. Erleichtert nahm er die notwendigen Schaltungen vor. Als er sich aufrichtete, hörte er ein Geräusch hinter sich. Überrascht drehte er sich um. Randok stand vor ihm. Der Wissenschaftler, der beauftragt worden war, die Traummaschinen zu überwachen und zu warten, sah völlig verwahrlost aus. Er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert und gewaschen. Seine Kleider waren zerrissen und verdreckt. Doch das alles interessierte Kennon nur am Rande. Für ihn war allein wichtig, daß der Wissenschaftler einen Energiestrahler in der Hand hielt. Und diese Waffe war auf ihn gerichtet. »Das ist verboten«, sagte Randok schwerfällig. »Niemand darf an der Maschine spielen. Niemand. Nur ich. Und Jerremy. Du nicht.« Während Kennon verzweifelt an Atlan dachte, den er in höchster Gefahr zurückgelassen hatte, versuchte er, den Wissenschaft-
Orbanaschols Ende ler zu beruhigen. »Es ist Ihre Aufgabe, über meine Sicherheit zu wachen«, erklärte er. »Erinnern Sie sich nicht? Sie sollten aufpassen, daß mir nichts geschieht, während ich in der Maschine liege.« Randok krauste die Stirn. Er dachte angestrengt nach, ließ den Strahler jedoch nicht um einen Millimeter sinken. Schließlich nickte er mehrmals. »Stimmt«, sagte er und lächelte erleichtert. »Wir sollten aufpassen, aber niemand darf an den Maschinen spielen. Auch du nicht.« »Die Maschine hat versagt«, erklärte Kennon so ruhig wie möglich. Er überlegte, ob er es wagen konnte, den Mann anzugreifen und ihm den Energiestrahler wegzunehmen. »Ich mußte sie wieder in Ordnung bringen.« Randok war durch den Spalt hereingekommen, der durch das Beben entstanden war. Durch diesen Spalt konnte Kennon einen anderen Mann sehen. Er lag auf dem Boden und streckte Arme und Beine von sich. Er war tot. Ein großer Brandfleck auf seiner Brust zeigte an, wodurch er gestorben war. Kennon blickte Randok an. Er erschrak. Erst jetzt erkannte er, daß der Wissenschaftler den Verstand verloren hatte. Er wußte nicht mehr, was er tat. Vorsichtig streckte der Kosmokriminalist seine Hand aus. »Bitte, Randok«, sagte er. »Geben Sie mir die Waffe.« Der Wissenschaftler wich vor ihm zurück. Heftig schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich muß aufpassen.« »Sie dürfen nicht schießen, Randok«, sagte Kennon eindringlich. »Wenn Sie schießen, zerstören Sie die Maschinen. Das dürfen Sie nicht. Erinnern Sie sich? Man hat Ihnen befohlen, aufzupassen.« Randok senkte den Kopf und blickte nach unten. Sinclair Marout Kennon nutzte die Chance, die sich ihm bot. Aus dem Stand heraus sprang er auf Randok zu, der nun fast fünf
45 Meter von ihm entfernt war. Der Robotkörper überwand diese Distanz mühelos. Randok bemerkte den Angriff jedoch zu früh. Er fuhr auf, warf sich zur Seite und schoß. Der Energiestrahl strich an Kennon vorbei. Hinter ihm ertönte eine dumpfe Explosion. Er packte den Wissenschaftler bei den Beinen und riß ihn herum. Mit einem Griff nahm er ihm den Energiestrahler ab. Danach ließ er Randok los. Er wußte, daß er ihm nicht mehr gefährlich werden konnte. Randok wandte sich zur Flucht. Er sprang durch den Spalt nach draußen. Doch dabei hatte er etwas übersehen. Der Spalt führte unter dem Boden weiter in die Tiefe. Randok sprang zu kurz. Kennon hörte ihn aufschreien und jagte hinter ihm her. Er erreichte ihn jedoch nicht mehr. Der Wissenschaftler verschwand. Als Kennon bei dem Spalt war, war es schon zu spät. Randok lag etwa zwanzig Meter unter ihm. Er sah, daß der Mann tot war. Erschüttert wandte der Kosmokriminalist sich ab. Zugleich drängte er die Gedanken an alles, was hier geschehen war, zurück. Das alles war nicht wichtig für ihn. Wichtig war allein, was im Kristallpalast geschah. Darauf mußte er sich konzentrieren. Der Energiestrahler aus der Waffe Randoks hatte die Traummaschine getroffen, in der Kennon gelegen hatte. Sie war dabei zerstört worden. Kennon untersuchte in aller Eile die anderen Maschinen. Nur noch eine von ihnen war funktionsfähig, aber auch sie war nicht mehr völlig in Ordnung. Er mußte einige provisorische Reparaturen vornehmen. Während dieser Zeit lief auch die Realzeit in Alt-Arkon weiter. Kennon war sich dessen bewußt. Er konnte mit Hilfe der Traummaschine nicht zu einem Zeitpunkt zurückkehren, der vor jenem Zeitpunkt lag, zu dem Orbanaschol die Waffe gegen Atlan erhoben hatte. Hätte er es gekonnt, dann hätte er in Alt-Arkon für einige Sekunden oder gar Minuten zweimal existieren müssen. Das aber war unmöglich. Als die Traummaschine einsatzbereit war,
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legte Kennon sich unter die Haube. Er war sich dessen bewußt, daß er viel riskierte. Wenn die Maschine zwischenzeitlich versagte, konnte das sein Tod sein. Vielleicht aber gelang es ihm auch gar nicht, zum richtigen Zeitpunkt in den Kristallpalast zurückzukehren. Dies war eine andere Maschine. Vielleicht war sie auf eine ganz andere Zeit justiert als die andere. Er wußte über diese Fragen so gut wie nichts. Er mußte es einfach wagen und dabei auf sein Glück hoffen. Er versuchte, sich zu entspannen, während er fühlte, daß ihn der mächtige Sog erfaßte. Er atmete tief durch. Dann wurde es dunkel um ihn.
* Orbanaschol III. fuhr aufschreiend zurück, als unmittelbar vor ihm Axton wie aus dem Nichts heraus erschien. Der Verwachsene riß beide Arme hoch. Er blickte suchend um sich. Für einen kurzen Moment wußte er nicht, wo er war. Dann aber wurde ihm bewußt, daß alles so verlaufen war, wie er erhofft hatte. Er fuhr herum. Namenlose Angst erfaßte ihn. Lebte Atlan noch? Hatte Orbanaschol inzwischen geschossen? Wenn er es getan hatte, dann würde es nie ein terranisches Imperium geben. Atlan stand unverletzt vor ihm. In seinem Gesicht zeichnete sich ebenso Verwirrung ab wie in dem des Imperators. »Axton«, brüllte Orbanaschol. »Was hat das zu bedeuten?« »Wie lange war ich weg?« fragte der Verwachsene Gentleman Kelly, der neben ihm stand. Er war nicht, wie erwartet, auf seinem Rücken materialisiert, sondern neben ihm. »16,32 Sekunden«, antwortete der Roboter. Orbanaschol packte Axton am Kragen. »Egal, wie lange Sie nicht hier waren, Axton«, schrie er. »Unwichtig. Zur Seite mit Ihnen.« Er schleuderte den Verwachsenen ohne
große Anstrengung zur Seite. Axton stürzte zu Boden. Orbanaschol hob den Energiestrahler. Der Projektor glühte auf. Der Finger des Imperators krümmte sich. »Stirb, Verräter«, rief er mit schriller Stimme und löste die Waffe aus. Der sonnenhelle Energiestrahl raste auf Atlan zu. Er erreichte ihn nicht. Axton hatte gehandelt. Seine Hände hatten sich um seinen Gürtel gekrallt und einen winzigen Impulsgeber betätigt. Eine Energieglocke senkte sich von der Decke herab und umschloß Atlan zusammen mit zwei Offizieren, die in seiner Nähe gestanden hatten. Der Energiestrahl aus der Waffe des Imperators schlug in den Schutzschirm ein und zerplatzte in zuckende Blitze. Fassungslos ließ Orbanaschol die Waffe sinken. Seine Augen weiteten sich. Er wich langsam zurück. »Tötet ihn«, befahl er den Offizieren, die neben Atlan standen. »So tötet ihn doch endlich.« Atlan hatte sich fallen lassen, als Orbanaschol schoß, um so dem Energiestrahl zu entgehen. Doch das hätte ihm kaum etwas geholfen, wenn der Schutzschirm nicht gewesen wäre. Die Offiziere, die neben ihm gestanden hatten, aber nicht vom Schutzschirm umfaßt worden waren, hatten sich fluchtartig von ihm zurückgezogen. Die Temperaturen im Raum stiegen rapide an. Glühende Hitze breitete sich aus und erschwerte das Atmen. Axton erhob sich mühsam vom Boden. Seine Füße schmerzten so heftig, daß er sich kaum aufrecht halten konnte. Er winkte Kelly zu sich heran und kroch auf seinen Rücken. Der Roboter legte einen Arm nach hinten und stützte ihn. Danach fühlte der Verwachsene sich etwas besser. »Es ist vorbei, Orbanaschol«, sagte er laut. »Dies ist das Ende. Treten Sie ab, bevor auch noch die letzte Chance für Sie verstreicht. Übergeben Sie Atlan das Amt des Imperators.« Orbanaschol wandte sich Axton in zeitlu-
Orbanaschols Ende penhaft langsamer Bewegung zu. In seinem feisten Gesicht zuckte es. Tränen der Erregung flossen ihm über die Wangen. Seine Hände zitterten. »Das sagen Sie, Axton? Ausgerechnet Sie? Mein einziger Freund rät mir so etwas?« »Ich war nie Ihr Freund, Orbanaschol. Ich war stets Ihr Feind, aber Sie haben es nicht bemerkt.« Axton klopfte Gentleman Kelly triumphierend auf den Kopf. »Gib das Funkzeichen. Die Sendung ist beendet. Von nun an sollen alle Kommunikationswege wieder frei sein. Es ist an der Zeit, der Öffentlichkeit mitzuteilen, daß Atlan der neue Imperator ist.« Orbanaschol schrie wild auf. Er riß den Energiestrahler hoch und schoß, verfehlte Axton jedoch. Gentleman Kelly stürzte sich zusammen mit dem Verwachsenen auf den Imperator. Bevor dieser seine Waffe erneut abfeuern konnte, entriß der Roboter sie ihm. Orbanaschol brüllte auf wie ein waidwundes Tier. Er warf sich herum und flüchtete aus dem Raum. Niemand hielt ihn auf. Die Türen schlossen sich hinter ihm. Lebo Axton-Kennon griff erneut zum Gürtel und betätigte den Impulsgeber. Der Schutzschirm um Atlan verschwand. »Wer sind Sie wirklich?« fragte der Kristallprinz. Die Offiziere standen tatenlos im Raum. Sie wußten nicht, wie Sie sich verhalten sollten. Axton antwortete nicht auf die Frage, sondern wandte sich an die Offiziere. »Schalten Sie die Videogeräte ein, und bringen Sie sofort ein TV-Team hierher. Beeilen Sie sich.« Die Offiziere gehorchten. Axton wandte sich Atlan zu. In diesem Moment öffnete sich eine Tür. Eine Gruppe von Männern und Frauen drängte sich herein. Einer von ihnen eilte auf Axton zu. Es war Tarts. »Wir bringen Upoc, den neuen Imperator von Arkon«, erklärte er. »Hier ist er.« Er drehte sich um und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Upoc, der von zwei Son-
47 nenträgern in den Salon geführt wurde. »Sie irren sich«, erklärte Axton energisch. »Upoc ist nicht der neue Imperator. Atlan ist es. Er hat einen rechtmäßigen Anspruch auf den Thron. Er ist Nachfolger Orbanaschols.« Tarts schüttelte den Kopf. »Wir werden nicht zulassen, daß ein anderer als Upoc Imperator wird.« »Was sagen Sie dazu, Atlan?« fragte Axton-Kennon. Der Kristallprinz lächelte. »Ich habe einen langen Weg hinter mir«, erwiderte er ruhig. »Ich habe lange um die Macht gekämpft. Jetzt will ich sie nicht. Ich will nicht, daß Arkon durch einen neuen Machtkampf in sich zerrissen wird. Wenn hinter Upoc das Militär und die Öffentlichkeit stehen, dann soll er Imperator werden. Wichtig ist nicht, wer Imperator wird, wichtig ist allein, daß ein neues, starkes Arkon entsteht, das in der Lage ist, sich für die Zukunft gegen alle Gefahren von innen und außen zu behaupten.« Axton seufzte enttäuscht. »Es scheint, daß sich die Zeit nicht betrügen läßt«, sagte er. »Atlan ist nie Imperator gewesen, daher konnte er es auch nicht werden. Ich wußte es, doch ich wollte es nicht wahrhaben.« Die Arkoniden blickten ihn an, als habe er den Verstand verloren. Upoc ging auf Atlan zu und streckte ihm die Hand hin. Der Kristallprinz ergriff sie. Die beiden Männer blickten sich in die Augen. »Ich werde mich Gonozal VII. nennen«, erklärte der neue Imperator. »Und ich werde mir, Mühe geben, Orbanaschol III. vergessen zu lassen.« Danach wandte sich Upoc Axton zu. »Und Sie müssen mir Ihre Worte erklären«, sagte er. »Was soll das heißen, daß sich die Zeit nicht betrügen läßt? Wieso war Atlan nie Imperator?« Axton fuhr sich müde mit der Hand über die Augen. »Vergessen wir das«, bat er. »Denken Sie lieber daran, daß Orbanaschol noch nicht
48 verhaftet worden ist. Solange er noch auf freiem Fuß ist, ist er gefährlich.« »Ich werde mich um ihn kümmern«, entgegnete Atlan spontan. »Ich begleite Sie, Erhabener«, rief Tarts. »Folgen Sie mir«, sagte Axton. »Ich glaube, ich weiß, wo er ist. Und seien Sie vorsichtig. Er hat überall heimtückische Fallen angelegt. Ich konnte nur eine einzige Sicherung dagegen anbringen – diesen Schutzschirm, der Sie gerettet hat.« Als sie die Tür erreichten, hielt Axton Kelly an. Er neigte sich zur Seite und schaltete ein Videogerät an. Das Gesicht eines Journalisten zeichnete sich auf dem Bildschirm ab. »… wie wir soeben erfahren, ist Orbanaschol III. entmachtet worden«, rief er erregt. »Der Nachfolger ist dem Vernehmen nach ein Verwandter Gonozals VII. Es ist der Komponist Upoc.« Axton gab Kelly ein Zeichen. Der Roboter trug ihn hinter Atlan und Tarts her, die bereits weitergeeilt waren. Sie liefen über einen breiten Gang, dessen Wände mit erlesenen Kunstwerken geschmückt waren, auf eine Tür zu, die halb offen stand. Durch den Türspalt konnte er Orbanaschol III. sehen, der mit einem schweren Energiestrahler in den Händen auf sie wartete. »Vorsicht«, rief er. »Nicht weiter.« Atlan und Tarts blieben stehen. »Was ist los?« fragte der Offizier. Axton griff nach einer Vase, die in einer Wandnische stand, und schleuderte sie an Atlan vorbei gegen die Wand. Es klirrte vernehmlich, und dann verschwanden die Tür und Orbanaschol. Die Splitter der Vase und die einiger Spiegel stürzten zu Boden. An der Stelle, an der die drei Männer die Tür gesehen hatten, gähnte ein großes Loch im Boden. »Ein Antigravschacht«, erklärte Axton. »Orbanaschol dürfte durch ihn nach unten geflüchtet sein. Das Antigravfeld ist allerdings ausgeschaltet.« Tarts trat an den Schacht heran und beug-
H. G. Francis te sich nach vorn, um hineinsehen zu können. »Er ist etwa hundertfünfzig Meter tief«, erläuterte der Verwachsene. »Das hätte eine unsanfte Landung gegeben.« »Wie kommen wir nach unten?« »Zusammen mit mir. Gentleman Kelly wird uns tragen.« »Was für ein eigenartiger Name für einen Roboter«, sagte Tarts. »Eine verrückte Idee von Schätzchen«, sagte Kelly. »Dannoch entspricht er irgendwie meinem Charakter. Ich bin stets höflich, nett und zurückhaltend.« »Halte den Mund«, befahl Axton ärgerlich. »Trage uns nach unten. Wir haben es eilig.« »Das habe ich gern«, sagte Kelly beleidigt. »Die Herren befassen sich mit mir, und du versuchst mit der für dich typischen Eifersucht, sie davon abzubringen, Schatz.« »Sei endlich still und tu, was ich dir gesagt habe, sonst verbiege ich dir sämtliche Antennen.« »So ist er nun einmal, der liebe Kerl«, bemerkte Gentleman Kelly. »Immer ungeduldig und nervös. Aber ich beuge mich natürlich seinem Willen. Darf ich die Herren bitten, sich an mir festzuhalten?« Er streckte die Arme aus. »Ich habe das Gefühl, daß wir beide uns gut verstehen werden«, sagte Tarts grinsend zu Axton, während sie im Antigravschacht in die Tiefe stürzten. »Hoffentlich haben wir genügend Zeit dazu«, antwortete der Terraner. Gentleman Kelly schaltete den Antigrav auf höhere Abfangleistung, und glitt sanft auf eine Schachtöffnung zu. »Vorsicht«, sagte Axton. »Wir müssen damit rechnen, daß Orbanaschol auf uns lauert.« Er hatte recht. Als sie landeten, tauchte Orbanaschol plötzlich hinter einer Säule auf. Sie befanden sich in einem großen Raum, der für militärische Konferenzen eingerichtet war. Mit
Orbanaschols Ende Hilfe von verschiedenen Projektoren und anderen technischen Einrichtungen konnten die für kosmotaktische Diskussionen notwendigen Bilder auf die Wände geworfen werden. Orbanaschol stand neben einem dieser Projektoren. Er hantierte an den Hebeln und Stellrädchen herum und richtete das Projektionsobjektiv auf die drei Männer und den Roboter. »Ihr seid mir in die Falle gegangen«, schrie er mit kreischender Stimme. »Ich habe es gewußt.« »Er hat wirklich den Verstand verloren«, sagte Atlan erschüttert. Orbanaschol betätigte die Maschine und projezierte das Bild einiger Sonnen auf Atlan. Triumphierend lachte er auf. »Kommen Sie«, forderte Atlan. »Gehen Sie mit uns. Wir werden Sie zu einem Arzt bringen.« Das Gesicht Orbanaschols verzerrte sich vor Wut und Enttäuschung, als er merkte, daß der Projektor gar keine Waffe war. Er drehte sich um und flüchtete mit seltsam watschelnden Bewegungen auf eine Tür zu. Dabei streckte er die Arme in die Höhe. Axton sah, daß er einen kleinen Schaltkasten in der rechten Hand trug. Die mit Ringen geschmückten Finger drückten wahllos alle Knöpfe, die sich darauf befanden. Als er die Tür erreichte, zuckte ein sonnenheller Blitz aus der Decke herab und durchbohrte ihn. Axton schloß geblendet die Augen. Als er sie wieder öffnete, war von Orbanaschol nur noch Asche übrig. Die Hitze trieb Axton und seine Begleiter zurück. »Er ist in seine eigene Falle gelaufen«, sagte der Verwachsene. Er wandte sich ab, um zum Antigravschacht zurückzukehren. In diesem Moment schwebte eine korpulent erscheinende Gestalt herab und trat durch die Öffnung aus dem Schacht heraus. Axton sah, daß der Mann einen Antigravgürtel trug. »Fartuloon«, rief Atlan erleichtert. »Sie haben dich also auch freigelassen.«
49 Der Bauchaufschneider ging freudig lächelnd auf Atlan zu. Er streckte die Arme aus und zog ihn an sich. »Wir haben noch einmal Glück gehabt«, sagte er und räusperte sich kräftig, um vor den anderen zu verbergen, was er empfand. Seine Augen wurden feucht. »Wo ist Orbanaschol?« Atlan löste sich von ihm und zeigte auf die Asche. »Er ist tot.« Tarts berichtete, was geschehen war. »Und was jetzt?« fragte Atlan. »Ich schlage vor, Erhabener, daß Sie der Raumflotte Arkons beitreten. Sie braucht einen Mann wie Sie. Der Kristallprinz wird ihr allein durch die Tatsache, daß er in der Flotte dient, neue Impulse und neue Kräfte für ihren Kampf gegen die Methans geben.« Axton lächelte. Er wußte als einziger, daß Atlan tatsächlich in der Raumflotte Arkons dienen und hier seinen Weg machen würde. Eine große Karriere stand ihm bevor. »Das ist eine gute Idee«, sagte Fartuloon. »Ich werde darüber nachdenken«, versprach Atlan. Er blickte den Freund an. »Was wirst du tun?« Fartuloon senkte für einen kurzen Moment den Kopf. Als er ihn wieder hob, war sein Gesicht seltsam verändert. Axton sah Wehmut und einen gewissen Abschiedsschmerz darin. »Ich werde an Bord der ISCHTAR gehen, um mit unseren gemeinsamen Freunden zusammen einen langen Flug zu unternehmen.« »Wohin?« fragte Atlan. Fartuloon hob die Schultern. »Ja, wohin? Wer weiß das schon?« Er war nicht bereit, Atlans Fragen wirklich zu beantworten. Aus der Tasche zog er einen exotisch glitzernden Kristall. Er drehte ihn nachdenklich zwischen den Fingern und hob ihn dann an die Stirn Atlans, während seine Augen wieder feucht wurden. »Dies ist ein kleiner OMIRGOS«, erklärte er. »Er wird dich veranlassen, Dinge zu vergessen oder in einem anderen Licht zu se-
50 hen. Auf jeden Fall wird dir das helfen. Wahrscheinlich werden wir uns in ferner Zukunft wiedersehen, doch dann werde ich einen anderen Namen haben.« Atlans Augen weiteten sich. »Was soll das bedeuten, Fartuloon?« fragte er bestürzt. »Wieso werden wir uns erst in ferner Zukunft sehen? Wieso wirst du dann einen anderen Namen haben? Willst du mir nicht sagen, wer du wirklich bist?« Fartuloon seufzte. »Das will ich«, erwiderte er und fügte rätselhaft hinzu: »Ich bin der letzte Calurier.« Er wandte sich ab und ging zum Antigravschacht. »Warte, Fartuloon«, rief Atlan. »Das ist doch keine Antwort. Bitte, sage mir doch …« Fartuloon drehte sich nicht um. Er stieg in den Antigravschacht, schaltete seinen Antigravgürtel ein und verschwand. Atlan drehte sich betroffen um und blickte Tarts hilfesuchend an. Er sah gerade noch, wie Lebo Axton seine Hände hob und ihm mit verzweifelten Gesten etwas mitzuteilen versuchte. Er sah, daß die Lippen des Verwachsenen sich heftig bewegten, während er durchsichtig wurde und dann plötzlich verschwand. »Schätzchen«, rief Kelly. »Liebling, wo bist du denn? Wo bist du?« Er eilte im Raum auf und ab. »Süßer, du kannst mich doch nicht hier allein lassen«, sagte er jammernd. »Helfen Sie mir doch, Erhabener. Ich will nicht ohne Axton bleiben.« »Woher weißt du, daß er nicht abermals zurückkehrt?« Gentleman Kelly sank auf die Knie. Er schüttelte in menschlich anmutender Gebärde den Kopf. »Ich kann es nicht erklären. Ich weiß es«, beteuerte der Roboter. »Wenn ich doch weinen könnte …!« Tarts und Atlan blickten sich verblüfft an. »Ich möchte wirklich wissen, wer Axton eigentlich gewesen ist«, sagte der Offizier nachdenklich. »Er ist mir ein absolutes Rät-
H. G. Francis sel, Erhabener.« »Sagen Sie nicht Erhabener zu mir«, bat Atlan. »Für Sie bin ich Atlan und sonst nichts.« »Ich werde Ihren Wunsch respektieren«, versprach Tarts, und in seinen dunkelroten Augen leuchtete es auf. Er verneigte sich vor Atlan. Es war, als hätte dieser Mann, der nicht tot und nicht lebendig war, lange auf diesen Augenblick gewartet. Sein wachsbleiches Gesicht entspannte sich und bekam Farbe. Fartuloon, der vor wenigen Augenblicken an Bord der ISCHTAR eingetroffen war, sah den alten Imperator an. »Nun wird er endlich Ruhe finden«, sagte er. Gonozal VII. lächelte ihm zu, als hätte er diese Worte verstanden. Er drehte sich langsam zum Panoramabildschirm hin und streckte die Arme aus, als wollte er nach den Sternen greifen. Dann sank er zu Boden und alle sahen, daß er gestorben war.
* Ein anderer Raum, eine andere Zeit. Sinclair Marout Kennon erwachte in der Traummaschine. Der Geruch von verbrannten Kunststoff stieg ihm in die Nase. Er brauchte einige Sekunden, um sich zu orientieren. Langsam richtete er sich auf. In der Halle der Traummaschinen wimmelte es von fingerlangen Insekten. Direkt neben Kennon stieg eine Rauchfahne auf. Er öffnete eine Klappe und blickte in die Traummaschine. Er sah ein dichtes Gewirr von Kabeln, zwischen denen zahlreiche Insekten herumkrochen. Er konnte sehen, daß sie die Isolierung von den Kabeln fraßen. An einigen blankgefressenen Stellen zuckten blaue Blitze von Kabel zu Kabel. Damit war klar, was Kennon aus der fernen Vergangenheit in die Gegenwart zurückgerissen hatte. Die Insekten zerstörten die Traummaschinen. Nichts konnte sie noch daran hindern. Der Traum war zu En-
Orbanaschols Ende
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de. Sinclair Marout Kennon stieg aus der Maschine. Ratlos sah er sich im Raum um. Er wußte nicht, was er tun sollte. Wo waren die Freunde? Wohin sollte er sich nun wenden? Konnte er auf Meggion leben, bis irgendwann einmal jemand mit einem Raumschiff kam und ihn mitnahm? Lohnte sich so ein Leben? Er blickte an sich herunter. Wie er diesen Robotkörper haßte. Schon viel zu lange hatte er in diesem vollkommen erscheinenden Körper gelebt, der ihm alles geben konnte, nur nicht das, was einen Menschen auszeichnete. In diesem Körper war er kaum mehr als ein Roboter mit menschlichem Gehirn. Mensch war er nur in jenem unzulänglichen, verkrüppelten und oft so hilflosen Körper gewesen, in dem er zuletzt im altarkonidischen Imperium gelebt hatte. Er hatte diese relativ kurze Zeit tausendfach mehr genossen als das halbe Jahrtausend, das er im Robotkörper existiert hatte. Er fragte sich, welche Möglichkeiten er noch hatte. Sollte er noch einmal in die Traummaschine steigen, falls es ihm gelingen sollte, sie zu reparieren? Sie würde bald wieder ausfallen. Was würde dann geschehen? Würde er erneut hierher zurückgerissen werden, oder würde er in seinem natürlichen Körper verbleiben, während das Gehirn im Robotkörper abstarb? Fragen, auf die er keine Antwort geben konnte.
»Ich will es wenigstens versuchen«, sagte er leise und begann damit, die Insekten aus der Traummaschine zu vertreiben, Isoliermaterial zusammenzutragen und die Kurzschlüsse zu beseitigen. Als er damit fertig war, legte er sich in die Traummaschine, zog die Haube zu sich herab und schaltete die Apparatur ein. Sie funktionierte. Er spürte augenblicklich, wie ihn die hyperdimensionalen Energien erfaßten und in die Unendlichkeit hinausrissen. Doch jetzt war alles anders als vorher. Er hatte das Gefühl, daß er wesentlich mehr Gewalt über sich hatte als zuvor. Einige Stunden später war alles wieder so, wie Kennon es bei seiner Rückkehr vorgefunden hatte. Die Insekten hatten ihr Zerstörungswerk wieder aufgenommen. Und schließlich schaltete sich die Traummaschine aus. Das Hirn im Robotkörper starb, als das Kennon-Bewußtsein aus der Unendlichkeit nicht mehr zurückkehrte. Hatte Sinclair Marbout Kennon seinen eigenen Körper abermals wiedergefunden? Die Zukunft mußte es zeigen. Oder würden Anzeichen aus der Vergangenheit darauf hinweisen, daß Kennon existierte? Das konnte zu dieser Stunde noch niemand sagen.
ENDE
Ab ATLAN Nr. 300 lesen Sie die neue utopische Romanserie aus der Perry-Rhodan-Redaktion: ATLAN – König von Atlantis Der neue Zyklus beginnt nächste Woche mit dem Titel: Das neue Atlantis von William Voltz