Komm zurück zu uns Susan Crosby
Bianca 1184
25/1 1999
gescannt von suzi_kay korrigiert von Spacy74
1. KAPITEL Lesl...
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Komm zurück zu uns Susan Crosby
Bianca 1184
25/1 1999
gescannt von suzi_kay korrigiert von Spacy74
1. KAPITEL Leslie O'Keefe, Inspector bei der Polizei von San Francisco, schloss hinter sich die Tür des Büros des Lieutenants, straffte sich und ging kerzengerade zu ihrem Schreibtisch. Sie bekam Herzklopfen, als die Gespräche erstarben und alle sie anstarrten. Mitgefühl war das Letzte, was sie jetzt wollte. Möglichst gleichgültig setzte Leslie sich an den Schreibtisch, griff nach einem Block und machte Notizen zu ihren Akten, die sie an einen Kollegen übergeben musste. Wenig später war die Schicht zu Ende. Der Raum leerte sich allmählich. Kollegen verabschiedeten sich im Vorbeigehen. Einige klopften Leslie sogar auf die Schulter, doch sie konnte nur nicken. Erst als sie allein war, hob sie den Kopf und schob die Akten zur Seite. Sie musste heimfahren. Heim in eine leere Wohnung. Erin, ihre elfjährige Tochter, war am Vormittag abgereist, um zu Weihnachten in Aspen mit Leslies Exmann Ski zu laufen. Allerdings erwartete Leslie nicht, dass sie lange allein bleiben würde. Sobald sich die Nachricht herumsprach, kamen sicher ihre Freunde, und das Telefon würde ständig klingeln. Wo konnte sie sich bloß verstecken? In dieser Situation musste sie allein sein.
Erst einmal die Verabredung zum Abendessen absagen. Es dauerte einige Sekunden, bis ihr die Nummer einfiel, die sie schon so oft gewählt hatte. "Hier Leslie", sagte sie, als sich ihr langjähriger Freund Gabriel Marquez meldete. Hätte er nicht vor kurzer Zeit geheiratet, hätte sie sich vielleicht bei ihm ausgeweint. "Seit wann meldest du dich mit deinem Namen, Les?", fragte er. "Ich habe ... ich war abgelenkt. Hör mal, könntest du mich heute Abend entschuldigen?" "Stimmt etwas nicht?" Sie kannten einander schon so lange, dass Leslie vor Gabriel nichts verbergen konnte. Der Gedanke war sehr beruhigend. "Ich merke nur, dass ich zu Weihnachten nicht ohne Erin zu Hause bleiben kann. Daher will ich wissen, ob jemand die Hütte über die Feiertage benützt. Ist Sebastian dort?" "Das wäre für ihn zu gefährlich. Sein Name steht auf der Fahndungsliste." "Du und Chase, ihr bleibt daheim. Ben ist mit Erin in Aspen. Also fahre ich für einige Tage in die Hütte." "Les ..." "Es bietet sich an, weil Erin nicht hier ist. Mach dir um mich keine Sorgen. Ich komme klar." "Was ist los?" "Ich muss allein sein, Gabe. Den Grund erkläre ich dir nach meiner Rückkehr. Und mach dir keine Sorgen", wiederholte sie. "Ben wird für mich bei dir anrufen, sobald er mit Erin im Hotel ankommt. Bestimmt will er wissen, wo er mich erreicht. Sag ihm aber nichts." "Fahr vorsichtig", bat Gabriel. "Vor Mitternacht wirst du kaum da sein, und die Straßen sind möglicherweise glatt. Falls du keine Ketten hast, besorge dir welche. Noch besser wäre es, du leihst dir Sebastians Jeep, damit du Vierradantrieb hast. Der Wagen steht ohnedies schon zu lange still."
"Gute Idee. Sag Cristina, dass es mir Leid tut, in letzter Minute abzusagen." Leslie verabschiedete sich hastig und legte auf. Zum Glück hatte sie jetzt etwas zu tun. Sie musste packen, für Proviant sorgen und sich um den Wagen kümmern. Dann kam die lange Fahrt von San Francisco nach North Lake Tahoe zur einsamen Hütte mit den unzähligen Erinnerungen, zu denen nun eine neue und sehr schmerzliche hinzugekommen war. Leslie geriet nicht in Gefahr, während der Fahrt auf der kurvenreichen Bergstraße einzuschlafen. Zorn und Unsicherheit ließen sie nicht zur Ruhe kommen, obwohl sie Weihnachtslieder aus dem Radio mitsang, bis sie heiser wurde. Nun hatte sie Zeit zum Nachdenken, doch sie wollte sich nicht den Kopf über den Vorfall zerbrechen, der ihr Leben verändert hatte. Noch nicht. Stattdessen dachte sie an die Hütte, in der sie bestimmt Frieden und Ruhe finden würde. Die Erinnerung an glückliche Zeiten sollte sie eigentlich trösten. Zum ersten Mal seit der Scheidung vor zwei Jahren kam sie her. Es war das erste Mal ohne Ben... überhaupt das erste Mal allein in all ihren zweiunddreißig Lebensjahren. Nach der letzten Kurve bog sie in die Einfahrt. Der Fahrer des Wagens, der ihr seit etlichen Kilometern gefolgt war, hupte zum Abschied kurz. Der Vollmond beschien die kleine Hütte mit zwei Schlafzimmern. Hier gab es nur wenig Komfort. Handgearbeitete Quilts auf den Betten und Fotos auf dem Kaminsims erzählten die Geschichte der fünf Freunde, die vor zwölf Jahren die Hütte erbauten. Leslie war daran beteiligt gewesen, und bestimmt würde sie hier für sich Antworten finden... an diesem Platz, wo ihre Familien Urlaub gemacht hatten. Wo Erin gezeugt worden war ... Daran wollte sie nicht denken, auch nicht daran, dass Ben wahrscheinlich Frauen hierher gebracht hatte. In ihre Hütte! Zu müde, um den Jeep in die Garage zu fahren, brachte sie ihre Sachen auf dem vereisten Weg zur Veranda. Obwohl die
nächste Hütte einen halben Kilometer entfernt war, roch sie den Rauch eines Holzfeuers. Leslie sehnte sich danach, Scheite im Kamin knistern zu hören. Dann könnte sie bis zum Morgen weinen, wenn ihr danach war, und niemand würde sie stören. Sie schloss die Tür auf und drückte sie lautlos auf. Warme Luft wehte ihr entgegen. Warme Luft? Im Kamin glühten Holzscheite! "Keine Bewegung!" Bei dem scharfen Befehl zuckte sie zusammen und atmete im nächsten Moment erleichtert auf. Aber wieso war er ... Licht blendete Leslie. Vor ihr stand ein hoch gewachsener Mann mit dunklem, zerzaustem Haar. Oberhalb des Jagdgewehrs, das er auf sie richtete, blickte sie in braune Augen. Er trug nur eine Trainingshose. Der Oberkörper war nackt, und Leslies Blick fiel auf die muskulöse Brust, die breiten Schultern, den flachen Bauch und den Streifen dunkler Haare, der aufreizend unter dem Hosenbund verschwand. Großartig! Das hatte ihr an diesem schrecklichen Tag noch gefehlt! Ihr Exmann, noch dazu so gut wie nackt. "Les!" Er senkte das Gewehr. "Was machst du denn hier?" Es ärgerte sie, dass er wahrscheinlich ihren verlangenden Blick bemerkt hatte. "Was machst du hier? Du solltest doch in Aspen sein." Ben stellte das Gewehr weg. "Und du solltest arbeiten." "Ich habe mir einige Tage frei genommen." Sie holte den Koffer, die Kühlbox und die Einkaufstüten von der Veranda ins Wohnzimmer herein und schloss die Tür. "Aber du hast dich zum Bereitschaftsdienst gemeldet, weil Erin nicht daheim ist." Sie zuckte die Schultern. "Ich habe es mir eben anders überlegt. Wieso bist du hier?" Ben kam einige Schritte auf sie zu. "Unsere Maschine konnte wegen eines technischen Problems nicht starten. Es hätte eine
Verspätung von mindestens sechs Stunden gegeben. Darum haben Erin und ich entschieden, lieber hierher zu fahren." "Ihr wollt Weihnachten und Neujahr 2000 nicht mit anderen Berühmtheiten feiern?" "Ich brauche mich vor dir nicht zu rechtfertigen, Les, aber ich bin erst gestern von einer langen Geschäftsreise zurückgekommen. Das weißt du. Und Erin läuft in Alpine genauso gern Ski." Leslie hängte die Jacke auf, trug die Kühltasche in die Küche und stellte sie neben den Kühlschrank. Was sollte sie jetzt machen? Sie konnte nicht bleiben, aber auch nicht wieder zurückfahren. "Bleibst du?", fragte Ben und folgte ihr in die Küche. Es ärgerte sie, weil er den gleichen Gedanken wie sie gehabt hatte. Die Hände in die Hüften gestützt, drehte sie sich zu ihm um. "Meinst du vielleicht, ich suche mir nach Mitternacht irgendwo ein Hotel?" Plötzlich fiel ihr etwas ein. "Ach, du liebe Zeit! Du hast eine Frau bei dir!" "Wenn Erin hier ist?", fragte er gereizt. "Mom?" Erin kam herein und kniff die Augen zum Schutz gegen das helle Licht zusammen. "Du bist es wirklich. Was machst du hier, Mom?" "Gute Frage." Leslie zog ihre Tochter an sich und drückte sie, als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen. "Offenbar haben wir beide unsere Pläne geändert." Erin löste sich aus der Umarmung und lächelte ihren Eltern zu. "Dann sind wir jetzt alle wie früher zusammen." Leslie wandte sich an Ben. Einer von ihnen musste Erin erklären, dass ihr Wunsch sich nicht erfüllen würde. Ben schwieg jedoch. Sie hatten nie vor ihrer Tochter gestritten. Seit der Scheidung sprachen sie - meistens am Telefon - stets höflich miteinander. Nie kam die Vergangenheit zur Sprache. Bei jeder Entscheidung
stand das Wohl ihrer Tochter im Vordergrund. Sie blieben immer ruhig, vernünftig und verantwortungsbewusst. Es war "die perfekte Scheidung", wie alle behaupteten. Dem konnten sie und Ben nur zustimmen. Doch jetzt mussten Erins Hoffnungen sofort gedämpft werden, sonst würde die Enttäuschung später viel schlimmer werden. Ausnahmsweise war Leslie nicht in der Stimmung, sich zurückzuhalten. Sie musste allein sein, musste weinen können ... Doch Ben unternahm nichts. "Erin", sagte sie. "Es ist nur für eine Nacht. Morgen fahre ich wieder zurück." "Das geht nicht, Mom. Morgen ist Weihnachtsabend, und Weihnachten ist dir die liebste Zeit im Jahr." Erin ging an ihrer Mutter vorbei. "Ich mache uns allen heiße Schokolade, einverstanden? Mom, du kannst deine Sachen in den zwei unteren Schubladen der Kommode unterbringen. Dad, du solltest Holz ins Feuer legen. Mom friert bestimmt." "Sieht so aus, als würden wir gar nicht um unsere Meinung gefragt", sagte Ben zu Leslie. "Offenbar." Leslie griff nach ihrem Koffer, durchquerte das Wohnzimmer und beherrschte sich gewaltig, um nicht zusammenzubrechen. Auf keinen Fall wollte sie mehr auspacken, als sie für eine Nacht brauchte. Ben holte sie an der Schlafzimmertür ein, nahm ihr den Koffer ab und schob ihn in den Raum. "Wusste Gabe, dass du herkommst?", fragte er leise. "Ja. Warum?" "Wann hast du es ihm gesagt?" "Ich habe ihn ungefähr um sechs angerufen und das Abendessen abgeblasen. Ein spontaner Einfall. Wusste er, dass du deine Pläne geändert hast?" "Wir haben ihn schon am frühen Nachmittag angerufen", erwiderte Ben. "Er hat es dir nicht ausgerichtet?"
"Kein Wort." "Dieser alte Kuppler!" "Er gibt nie auf", sagte Leslie gedämpft. "Und was ist jetzt mit Erin? Es tut mir ehrlich leid." "Darüber reden wir noch, sobald Erin im Bett ist." Reden! Das hatte sie den ganzen Tag getan - mit Kollegen, Inspectors, Lieutenants, Captains, mit der Untersuchungskommission, mit den Mitarbeitern der psychologischen Betreuungsgruppe für Polizisten. Jetzt brauchte sie dringend absolute Stille. Deshalb war sie hergekommen. "Gut, lass uns darüber später reden." Die Verantwortung als Mutter; hatte Vorrang vor den eigenen Problemen. "Und noch etwas, Ben." "Was?" Es ärgerte sie auch, dass sein nackter Körper sie lockte und dass er sich völlig unbekümmert gab, als sie auf ihn zutrat. Sie war groß, doch er war wesentlich größer. Leslie kannte jede Narbe an seinem Körper, jede Verletzung vom Football. Sie wusste auch, dass seine Schulter schmerzte, wenn sich Regen ankündigte. Und sie wusste, wie er küsste, wie seine Haut nach After Shave duftete, wie sich morgens seine Bartstoppeln an ihrer Wange, ihrem Hals und ihren Brüsten anfühlten. Ben wich nicht zurück und ließ nicht erkennen, was er dachte und fühlte. Die unglaubliche Anziehungskraft, die sie vor achtzehn Jahren auf den ersten Blick verspürt hatte, war noch da. Leslie hätte gern gewusst, ob es ihm genauso ging. Aus der Küche hörte sie das Klappern und Klirren von Tassen und Löffeln. Dazu sang Erin Weihnachtslieder. Ben rührte sich noch immer nicht von der Stelle und sagte kein Wort, sondern sah Leslie nur forschend an. Um ihm wenigstens irgendeine Reaktion zu entlocken, strich sie mit den Fingerspitzen über seine Brust bis zu dem dunklen Haar am Nabel. Er spannte die Bauchmuskeln an. Früher hätte diese
Berührung genügt, dass er sie ins Schlafzimmer schob und ungeduldig auszog. Und dann ... das Paradies. Sie atmete tief durch und rief sich ins Gedächtnis, wo sie war, wer vor ihr stand und dass ihre Tochter sie sehen konnte. Diese Gedanken ernüchterten sie und erinnerten sie daran, was sie sagen wollte. "Zieh dir etwas an." "Ich habe dich nicht herausgefordert, Les." "Du hast mich auch nicht zurückgehalten." "Du hast mich überrascht." Ben legte die Hand an ihre Wange und zog sie zurück, als Leslie zusammenzuckte. "Was ist los mit dir?" "Wie meinst du das?" "Nun, dass du hier bist... und wie du mich eben gereizt hast." Und warum du so zerbrechlich aussiehst, dachte er. Zerbrechlich, das war es. Aber diese Beschreibung passte auf seine Mutter und seine Schwestern, jedoch nicht auf Les. Bildete er es sich nur ein? Nein, sicher nicht. Ihre grünen Augen waren leer, und die Haut war so blass, dass das kurze Haar dunkler als sonst wirkte. In der letzten Zeit veränderte sich Erins rötlich blondes Haar und nahm mehr das Kastanienbraun ihrer Mutter an. Ben erinnerte sich noch daran, dass Les mit vierzehn ein selbstbewusster Wildfang gewesen war. Im krassen Gegensatz dazu hatte sie das Haar in weichen, seidigen Wellen bis zu den Hüften getragen. Doch trotz des praktischen kurzen Schnitts jetzt wirkte es immer noch weich wie ihre Haut. Nur Erin nebenan in der Küche hatte ihn davon zurückgehalten, auf die Berührung vorhin entsprechend zu reagieren. Dabei war er doch über Les vollkommen hinweg! "Etwas stimmt nicht mit dir, Les." "Ich bin nur müde." "Die Schokolade ist fertig!", rief Erin. "Marshmallows für die Dame, etwas Zimt für den Herrn und Raspelschokolade für mich!"
Ben ging in sein Schlafzimmer und zog ein Sweatshirt über. Danach legte er im Kamin Holz nach, wie seine Tochter verlangt hatte. Hinterher saß er in einem Sessel, trank Kakao und hörte mit halbem Ohr hin, wie Erin ihrer Mutter ihre Reiseerlebnisse berichtete. Diesmal wollte er Gabriel Marquez mit bloßen Händen erwürgen, etwas, das er sich schon seit Jahren gewünscht hatte. Wie konnte Gabe mit drei Leben spielen? Erin war sein Patenkind, Les seine Freundin. Normalerweise wäre Les mit der Situation in der Hütte fertig geworden, genau wie er, nicht jedoch Erin. Das hätte nicht passieren dürfen. Er betrachtete seine Tochter, die sich sichtlich freute. Wenigstens hatte sie eine normale, sorgenfreie Kindheit. Sie plauderte, bis die Schokolade ausgetrunken war. Nachdem ihr die Augen ein paar Mal zugefallen waren, trug er das Geschirr in die Küche. Leslie nutzte die Gelegenheit und brachte ihre Tochter mit sanftem Nachdruck ins Schlafzimmer. Erin ließ sich aufs Bett fallen und sah zu, wie ihre Mutter die Sachen für den nächsten Tag in die Kommode räumte, den fast vollen Koffer in die Ecke schob und den Toilettenbeutel im Bad neben Bens Sachen stellte. Danach streckte Leslie sich neben Erin auf dem Bett aus und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. "Das ist cool, Mom, echt cool." "Schatz..." "Ich weiß, ich weiß. Ich soll mir keine großen Hoffnungen machen." "Es gibt überhaupt keinen Grund für Hoffnungen. Wir sind nur durch einen Zufall zusammengekommen. Dein Vater und ich, wir lieben dich. Wir sind uns auch nicht gleichgültig, aber unsere Ehe ist aus und vorbei. Daran ändert dieses Zusammentreffen nichts." "Tante Mimi sagt, dass du Dad noch immer liebst."
Les seufzte im Stillen. Die Frau ihres Bruders war eine hoffnungslose Romantikerin. "Das stimmt in gewisser Weise. Dein Dad und ich haben eine gemeinsame Vergangenheit, wir sind befreundet, und wir haben dich. Das ist aber nicht die Liebe, wie sie zwischen Eheleuten sein sollte." "Liebe ist Liebe", entgegnete Erin unerschütterlich. "Nein, das stimmt nicht. Aber darüber sprechen wir ein andermal. Zieh deinen Pyjama an und leg dich schlafen." "Sagst du Daddy, dass er mir einen Gutenachtkuss geben soll?" "Aber sicher. Ich gehe auch bald ins Bett. Es macht dir doch nichts aus, mit deiner Mom das Bett zu teilen?" "Natürlich nicht." Sie gab ihrer Tochter einen Gutenachtkuss und ging in die Küche, wo Ben die Arbeitsplatte sauber wischte. Die Küche war sein Reich. Er war auch ein Meisterkoch und am Herd so tüchtig wie auf dem Footballfeld. Wer nun annahm, er sei nicht sonderlich maskulin, weil er gern kochte, irrte gewaltig. Er war auch in einer Kochjacke noch immer der Lineman mit muskulösem Körper und einer von zwei Brüchen leicht schiefen Nase. Ben O'Keefe gehörte zu den wenigen Leuten, die nie Angst vor Straßenräubern haben mussten. "Sie wartet auf deinen Gutenachtkuss", sagte Les. Während er das Geschirrhandtuch über den Herdgriff hängte, fragte sie sich, ob es in seinem Leben eine Frau gab, die sein Bett wärmte. Erin hatte keine erwähnt. Wie gern hätte sie mit Ben über den heutigen Vorfall gesprochen. Er hatte es jedoch absolut klargemacht, dass er nie Einzelheiten über ihre Arbeit hören wollte. Hätte er gewusst, dass es eine Schießerei gegeben hatte und sie ... "Ich bin gleich wieder zurück", sagte er zu Leslie. "Warte auf mich."
Sein Befehlston störte Leslie. Schließlich war sie nicht seine Angestellte. Sie war nicht einmal seine Ehefrau. Trotzdem wollte sie es gelassen hinnehmen. Ein Streit wäre keine Lösung. Also ging sie ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa, blickte ins Feuer und dachte über Ben nach. Er war der zielstrebigste Mensch gewesen, den sie kannte. Schon in jungen Jahren hatte er unglaubliche Erfolge vorzuweisen gehabt. Er war erst zweiunddreißig Jahre alt und bereits Eigentümer von drei exklusiven Luxushotels, die ständig ausgebucht waren; Wie Leslie wusste, gab es bereits weit über die Jahrtausendwende hinaus Vorbestellungen mit langen Wartelisten. Wie viele Leute konnten so etwas von sich behaupten? Anfangs hatten sie viel Gemeinsames gehabt. Sie stammten beide aus bescheidenen Verhältnissen, waren von jeweils nur einem Elternteil großgezogen worden und daran gewöhnt gewesen, mit wenig zufrieden zu sein. Doch Ben hatte stets hochfliegende Pläne gehabt. Mit fünfzehn hatte er sich in den Kopf gesetzt, Hotelier zu werden, und nichts und niemand hatte ihn an der Verwirklichung hindern können. Auch nicht seine Ehefrau. "Ach, hör auf!", befahl Leslie sich selbst schroff. Sie hatte zum Scheitern ihrer Ehe beigetragen. Und jetzt, da sie verletzlich war wie schon lange nicht mehr, war sie mit dem Mann allein, den sie so lange geliebt und den sie in der schwersten Entscheidung ihres Lebens aufgegeben hatte. Entscheidungen. Sie musste noch eine Entscheidung treffen, die sie bereits viel zu lange aufgeschoben hatte. Seit geraumer Zeit traf sie sich mit Alex Jordan, und er wartete geduldig darauf, dass sie die Beziehung vertiefte. Für den Silvesterabend hatte sie ihm ihre endgültige Entscheidung versprochen. Doch daran konnte sie jetzt nicht denken. Erin! Sie musste an Erin denken, diesen Sonnenschein in ihrem Leben, an ihre Tochter, die so ganz anders als Ben war. Er
hatte die finstere, wilde Seite seines Charakters unter Kontrolle gebracht, um in die Welt zu passen, die er gewählt hatte. Ob sie ihm jemals gesagt hatte, wie beachtlich sie das fand? Wahrscheinlich nicht. Noch einer ihrer Fehler. Ben kam aus Erins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Und Leslie betrachtete bewundernd diesen hoch gewachsenen, breitschultrigen, kraftvollen Mann, der seiner Tochter gegenüber so sanft sein konnte - und es bei ihr noch mehr gewesen war.' Unglaublich heftiges Verlangen packte sie. Leslie drängte die Erinnerungen zurück. Es war unmöglich, sich mit Ben entspannt zu unterhalten. Zweifellos hatte er ihr sofort angesehen, wie sehr sie ihn noch begehrte. "Ich fahre morgen nach dem Frühstück ab", teilte sie ihm mit und wich seinem Blick aus, als er sich in den Sessel ihr gegenüber setzte. "In diesem Jahr hast du Erin zu Weihnachten. Dabei will ich nicht stören." Ben ließ einige Sekunden verstreichen. "Welche Gründe geben wir Erin an?" "Ich wurde zum Dienst zurückgerufen." "Wir waren uns einig, dass wir sie nie belügen, Les." "Dann nenne mir eine andere Möglichkeit." Er überlegte und schüttelte nach einer Weile den Kopf. "Das ist Gabes Schuld. Er hat uns in diese Lage gebracht." "Wir wissen beide, dass wir Gabe nicht ändern können. Also müssen wir uns damit abfinden." "Hast du ihm denn schon verziehen?" "Ich bemühe mich in erster Linie, den Schaden möglichst klein zu halten. Ben, wir können Erin nicht sagen, dass wir es nicht einmal wenige Tage miteinander in der Hütte aushalten. Wir haben uns immer bemüht, höflich miteinander umzugehen." "Die perfekte Scheidung ist nicht ganz so einfach, nicht wahr?"
"Für Erin hat sich die Mühe gelohnt." Les wartete, aber Ben bat sie nicht zu bleiben. Sie stand auf. "Dann ist es also abgemacht." Ben nickte, und der Hoffnungsschimmer in ihrem Herzen erlosch. Ben träumte, dass eine Frau weinte. Um sie zu trösten, schlang er die Arme um sie, zog sie an sich und drückte die Lippen auf ihr weiches, duftendes Haar, bis sie sich beruhigte. Langsam strich er über ihren Rücken. Sie war nackt, genau wie er. Als er sie küsste, stöhnte sie, kam ihm entgegen und rieb sich aufreizend an ihm. Heißes Verlangen setzte tief in ihm ein. Sie flüsterte seinen Namen ... Ben öffnete die Augen. Schweißgebadet schob er die Bettdecke zur Seite. Der erotische Traum war unglaublich echt gewesen. Kein Zweifel, wen er in den Armen gehalten hatte. Die Frau schlief nebenan. Er blickte auf die Uhr. Zwei Uhr. Er musste einen Schluck Wasser trinken, zog die Trainingshose an und wollte in die Küche gehen. Im Wohnzimmer blieb er stehen, lauschte, trat ans Fenster und zog den Vorhang zur Seite. Er hatte sich nichts eingebildet. Les war auf der Veranda und weinte. Weinen war noch sanft ausgedrückt. In eine Decke gehüllt, saß sie zusammengekrümmt da und schluchzte. Ben ließ den Vorhang los und lehnte sich neben dem Fenster gegen die Wand. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie das letzte Mal weinen gesehen hatte. Nicht einmal an dem Abend, wo sie sich im Zorn getrennt hatten. Was lastete dermaßen schwer auf ihr? Bestimmt war es kein Problem bei der Arbeit. In den fast zehn Jahren, die sie mittlerweile bei der Polizei war, hatte sie sich immer wieder bewährt und sogar ihren Vater überzeugt, dass das der richtige Job für sie war. Dabei hielt Hugh Sullivan, der selbst in der dritten Generation bei der Polizei von San Francisco war, nichts
von Frauen, die im Polizeidienst arbeiteten. Les wurde vor einem halben Jahr sogar befördert. Sie nannte sich jetzt Inspector Leslie O'Keefe und war im Dezernat für häusliche Gewalttätigkeit eingesetzt. Ben hatte sich nie daran gewöhnen können, dass sie Polizistin war. Aber sie leistete gute Arbeit. Was blieb also noch? Ein Mann? Sie traf sich mit jemandem. Vor zwei Monaten hatte er die beiden in einem Restaurant bei einem intimen Abendessen gesehen. Seither dachte er bei allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten daran. Auch jetzt stand das Bild deutlich vor ihm. Ein anderer Mann hielt sie in den Armen ... küsste sie ... liebte sie... Hatte der Kerl mit ihr Schluss gemacht? Er schob den Vorhang noch einmal beiseite. Sie hatte zu weinen aufgehört und starrte in die Nacht hinaus. Die Schultern zuckten alle paar Sekunden wie bei Erin, wenn sie keine Tränen mehr hatte. Der Unterschied war, dass Les seinen Trost und Schutz nicht wollte. Hilflos kehrte er ins Schlafzimmer zurück, schloss die Tür hinter sich und überließ Les ihrem Elend.
2. KAPITEL Jemand summte vor sich hin, und in einer Pfanne brutzelte etwas. Ben roch geröstete Zwiebeln. Gab es einen appetitanregenderen Duft? Erin hatte es offenbar schon eilig, auf den Hang zu kommen. Er schloss die Schlafzimmertür und ging in die Küche, doch nicht seine Tochter, sondern seine Exfrau stand am Herd und summte "Jingle Bells". Er lehnte sich an den Türrahmen und sah zu, wie sie mit einem großen Messer geschickt Pilze schnitt. Würde er es nicht mit eigenen Augen sehen... "Du kochst", stellte er erstaunt fest. Mit dem Messer in der Hand drehte sie sich lächelnd um. "Guten Morgen." In dem langen, weiten roten Shirt über der schwarzen Leggings sah sie sagenhaft sexy aus. Ein Unterhemd zeichnete sich ab, aber kein BH. Les hasste BHs und war der Meinung, dass sie von einem Sadisten erfunden worden wären. Ihre Brüste waren nicht klein, aber auch nicht üppig, und sie waren perfekt geformt, wie er wusste. Er ließ den Blick über ihre langen Beine zu den nackten Füßen wandern. Beinahe hätte er ihre zweite Abneigung vergessen. Schuhe kamen gleich nach dem BH.
"Offenbar bist du morgens noch immer nicht gesprächig", stellte sie fest. "Wann hast du kochen gelernt?" "Erin hat mir beigebracht, was du ihr beigebracht hast. Und dann war es eine Sache des Überlebens. Keine anständige Mutter kann ihr Kind nur mit Müsli und Fast Food ernähren. Erstaunlicherweise koche ich sogar gern. Ich bin natürlich nicht annähernd so gut wie du, aber wir essen gesund." "Du hast einige Pfunde zugelegt. Das steht dir, Les." Sie tat die Pilze zu den Zwiebeln. "Das macht das Training." "Brauchst du Hilfe?", fragte Ben und trat zu ihr an den Herd. Leslie wich zur Seite aus und griff nach einer Schüssel mit verrührten Eiern. "Nein, danke. Der Tisch ist schon gedeckt. Bratkartoffeln und Nussmuffins mit Preiselbeeren stehen zum Warmhalten im Backrohr. Ich mache nur noch die Eier." "Wartest du nicht auf Erin?" "Sie wird rechtzeitig am Tisch sein." "Ich habe keine Geräusche aus dem Schlafzimmer gehört." "Sie taucht sicher gleich auf." Hatte Les letzte Nacht nicht geweint? Wie konnte sie nach nur wenigen Stunden so fröhlich sein? "Du fühlst dich heute Morgen besser, nicht wahr?" Sie tat die Eier zu den Zwiebeln und Pilzen in die Pfanne. Ben reichte ihr Salz und Pfeffer. "Ja, danke. Erstaunlich, wie gut etwas Schlaf tut. Ben, wenn du mir wirklich helfen willst, dann steh nicht herum und beobachte jeden meiner Handgriffe. Es ist schon schwer genug, für einen Meisterkoch zu kochen. Wenn du auch noch kritisierst..." "Ich habe nicht kritisiert. Ich stehe unter Schock." "So ist das eben im Leben." Sie rührte in der Pfanne um. "Bestimmt freust du dich auf euren Urlaub. Sobald wir gegessen haben, räume ich auf und mache mich auf den Weg." "Du solltest bleiben, Les."
"Das geht nicht. Wohin willst du denn dann mit Erin?" "Nirgendwohin. Ich finde, wir sollten Erin nicht belügen und nicht enttäuschen. Wir haben sie immer an erste Stelle gesetzt. Das können wir doch jetzt auch für sie tun." "Bist du dir sicher?" Ben nickte. Leslie rührte wieder in der Pfanne um. "Ich weiß nicht, was ich antworten soll." "Fröhliche Weihnachten." Wie vorhergesagt erschien Erin genau zum richtigen Zeitpunkt in der Küche und gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Guten Morgen, Schatz. Hast du gut geschlafen?", fragte Ben. "Natürlich hat sie", sagte Leslie. "Sie hatte alle Decken." Leslie sah zu, wie Erin sich an ihren Vater schmiegte. Nur mit Mühe hatte sie sich vorhin daran gehindert, ihn zu küssen, als sie sich umdrehte und ihn wie einen wahr gewordenen Traum in der Tür lehnen sah. Und jetzt bot er ihr an zu bleiben ... Ohne ihn anzusehen, gab sie ihm die Antwort. "Heute Nacht werde ich auf der Couch schlafen müssen." "Warum schläfst du nicht mit Dad? Er nimmt dir die Decken ganz sicher nicht weg. Er ist schließlich daran gewöhnt, das Bett zu teilen." Zwei Bilder tauchten in Leslies Phantasie auf. Nummer eins: Ben schlief mit einer anderen Frau, während Erin bei ihm übernachtete, was aber eher unwahrscheinlich war. Nummer zwei: Ben und sie schliefen im selben Bett. Ob Erins Vorschlag so unschuldig gemeint war, wie ihr Gesicht wirkte? Ben machte jedenfalls kein unschuldiges Gesicht. "Die Couch reicht mir", erklärte Leslie schließlich und leerte den Pfanneninhalt in eine Servierschüssel. "Das Frühstück ist fertig. Setzt euch."
"Aber, Mom! Ich habe gehört, wie du zu Tante Mimi gesagt hast, du würdest alles dafür geben, wenn du nur noch einmal mit Dad schlafen könntest. Jetzt kannst du es." Leslie war schockiert. Sie wagte nicht, Ben anzusehen. Sie fühlte förmlich, wie sein Blick ihre Kleidung durchdrang. Allein schon von der Erinnerung richteten sich die Brustspitzen auf, und Leslie sehnte sich nach der Liebkosung, mit der er sie verwöhnte.
Tief in ihr setzte heißes Verlangen ein, als sie sich an seine Hand erinnerte und daran, wie er sich mit ihr vereinigte, wie dieses wundervolle, unbeschreibliche Gefühl langsam einsetzte und dann rasch einem Höhepunkt der Befriedigung nach dem anderen zustrebte. Sie lag unter seinem muskulösen Körper, und mit den Händen auf ihrem Po zog er sie näher zu sich heran und versenkte sich tief in sie. Ben kam einen Schritt näher. "Setz dich", verlangte sie mit rauer Stimme, stellte die Schüssel auf den Tisch und zog sich ins Schlafzimmer zurück. Sie fühlte sich nackt, verletzlich - und erregt. Wieso empfand sie bei Alex nie so? Warum brachten seine Küsse sie nicht dazu, auf alle Vorsicht zu verzichten und vor Lust zu stöhnen? Ben! Immer wieder war es nur Ben. Der Sex mit ihm war sagenhaft gewesen, sogar beim ersten Mal in der Nacht nach dem Abschlussball der High School. Sie hatte ihrem Vater und er seiner Mutter erzählt, sie würden in Santa Cruz an einer die ganze Nacht dauernden Abschlussparty teilnehmen. Stattdessen hatten sie ein Hotelzimmer genommen. Nachdem im Lauf der Zeit ihre Küsse immer intimer und ihre Zärtlichkeiten verlangender geworden waren, gaben sie sich endlich der Lust hin. Es waren unglaublich schöne Stunden gewesen, angefüllt auch mit Sanftheit und Zärtlichkeit. Und seither war der Sex immer besser geworden.
So hatte Leslie sich das für alle Zukunft vorgestellt. Doch seit der Scheidung war Ben bestimmt mit anderen Frauen zusammen gewesen, und der Gedanke tat weh. Es klopfte leise an der Tür. Leslie öffnete. "Alles in Ordnung mit dir?", fragte Ben. Wieso konnte sie in seinem Gesicht nicht mehr wie früher lesen? In diesem Moment hasste sie ihn, weil er noch immer ihr Innerstes nach außen kehren konnte. Niemand sollte so viel Macht über einen anderen Menschen besitzen. Der Hass schwand jedoch so schnell, wie er gekommen war. Sie gab ihm eine ehrliche Antwort. "Nein, Ben, mit mir ist nicht alles in Ordnung. Das ist schon lange so. Wenn ich glaube, endlich auf dem richtigen Weg zu sein, wirft mich etwas aus der Bahn. Ich bin dieses Leben leid." "Hätte ich gewusst, dass es so schwer wird, hätte ich nicht..." "Ich weiß." "Jetzt können wir nicht mehr zurück. Erin verlässt sich darauf, dass du bleibst." Leslie stellte sich das Gesicht ihrer Tochter vor, die funkelnden Augen, die Sommersprossen auf Nase und Wangen und das breite Lächeln. Gut, ich schaffe es, dachte sie. Schließlich war sie mit Ben nicht allein. Die Nähe des Kindes würde die Verlockung schon mildern. Es musste einfach klappen. "Sieh mich nur nicht wieder so an wie vorhin in der Küche, klar?", sagte Leslie. "Halte den gleichen Abstand wie ich ein, dann stehen wir es durch." Als sie ins Esszimmer zurückkamen, betrachtete Erin ihre Eltern. Ihr Teller war schon leer. "Bist du böse, Mom?" Les drückte ihr im Vorbeigehen einen Kuss auf das Haar, setzte sich und griff nach einer Servierschüssel. "Es ist alles in Ordnung", versicherte sie lächelnd. "Dein Dad war geschockt, dass ich kochen kann. Du hast ihm nicht erzählt, dass du mir Unterricht gegeben hast."
Erin runzelte die Stirn. "So war es abgemacht. Ich spreche bei Dad nicht über dich, und bei dir spreche ich nicht über Dad." Was Erin doch für einen Balanceakt ausführen musste! Um Konflikte zu vermeiden, behielt sie sogar schöne Erlebnisse für sich. Leslie blickte zu Ben hinüber, der offenbar auch über Erins Bemerkung nachdachte. Er hatte die Lippen fest zusammengepresst. "Das ist ein hübscher Sweater", sagte Leslie zu ihm, um die Stimmung zu verbessern. "Hast du ihn noch nicht gesehen? Erin hat ihn mir geschenkt." "Carly ist mit mir einkaufen gegangen." Leslie biss in ein Muffin. "Carly war wirklich ein Glücksfall für dich." "Ich wünschte, ich hätte sie schon früher kennen gelernt. Sie ist wunderbar. Sie erledigt die ganze Hausarbeit. Nur das Kochen teilen wir unter uns auf. Außerdem brauche ich mir keine Sorgen wegen Erin zu machen, wenn ich lange arbeite." "Ich bin schon alt genug, um allein auf mich aufzupassen", behauptete Erin. "Nein", erwiderten beide Elternteile gleichzeitig. "Schatz, manchmal wachst du nicht einmal auf, wenn das Telefon direkt neben dir klingelt", sagte Leslie. "Wahrscheinlich würdest du sogar ein Erdbeben verschlafen." "Ich würde aufwachen, wenn ich wirklich alleine wäre." "Kann sein, aber Tatsache ist, dass du wie Dornröschen schläfst, nachdem es sich in den Finger gestochen hat." "Aber, Mom ..." "Deine Mutter hat Recht", fiel Ben ihr ins Wort. "Und darüber gibt es keine Diskussion, Kleines." "Wohin sollte Carly außerdem gehen?", fragte Leslie. "Wir sind jetzt ihre Familie. Sie braucht uns auch."
"Es wundert mich, dass du sie zu Weihnachten allein gelassen hast", bemerkte Ben. "Sie bekam die Gelegenheit, während der Feiertage zusätzlich etwas zu verdienen. Und zwar kümmert sie sich um einen Alzheimer-Patienten. Nun?", fragte sie Ben erwartungsvoll. "Was hältst du von diesem Frühstück?" "Es ist gut", lobte er und schob ein Muffin in den Mund. "Ich habe für euch beide auch schon das Mittagessen eingepackt." "Für uns beide?" Erin wandte sich an ihren Vater. "Warum läuft Mom nicht mit uns Ski?" Bevor Ben antworten konnte, sagte Leslie: "Ich habe keine Ausrüstung mitgebracht, Schatz." "Aber, Mom..." Erin merkte offenbar, dass sie ihre Mutter nicht umstimmen konnte, und wandte sich daher sofort an ihren Vater. "Überrede sie!" "Du kannst eine Ausrüstung mieten, Les." Er trug den leeren Teller zur Spüle. "Danke, ich möchte lieber nicht." Sie trat zu ihm. "Lass das Geschirr stehen. Dann habe ich etwas zu tun. Macht euch auf den Weg, bevor zu viele Leute kommen." Ben schaffte die protestierende Erin zum Wagen. "Wir sind um fünf zurück!", rief er Leslie von der Veranda zu und winkte. "Das ist nicht richtig", beschwerte sich Erin, sobald sie unterwegs waren. "Mom fährt gern Ski. Du hättest sie drängen müssen." Ben hatte seine Tochter noch nie so widerspenstig erlebt. "Willst du den ganzen Tag auf mich böse sein? Wenn ja, fahre ich zur Hütte zurück." "Du würdest ohne mich fahren?", fragte sie ungläubig. "Ich mache schließlich Urlaub." Erin war eine Zeitlang still. Dann seufzte sie. "Wahrscheinlich ist es nicht nur deine Schuld." "Was du nicht sagst!"
"Ich sollte auf Mom böse sein. Sie ist schließlich nicht mitgekommen." "Warum verzichtest du nicht darauf, auf irgendjemanden böse zu sein, und unterhältst dich stattdessen gut?" Erin rümpfte die Nase. "Das wäre zu einfach." Ben lachte. Er mochte den Humor seiner Tochter. "Wieso ist Mom wirklich zur Hütte gekommen?" Die Frage überraschte Ben. "Wie meinst du das?" "Komm schon, Dad! Mom würde Weihnachten niemals allein verbringen! Ausgeschlossen! Sie wäre zu Großvater oder Onkel Brad oder Tante Mimi gefahren. Oder zu Onkel Chase oder Onkel Gabe ..." "Schon verstanden, Schatz." Er wollte vor Erin keine Mutmaßungen anstellen. Er wusste doch selbst nichts Genaues. "Also ehrlich, zu Weihnachten wird sie immer ganz rührselig." "Ja", bestätigte Ben leise lachend. "Weißt du, ich mag Weihnachten auch sehr." Sie sah aus dem Seitenfenster. "Es hat mir eigentlich nicht gefallen, zu Weihnachten nicht daheim zu sein", fuhr sie leise fort. "Ich meine, ich bin gern mit dir zusammen, Dad, aber Weihnachten ist... also, das ist was Besonderes, weißt du?" Ben hörte mehr heraus, als sie aussprach, fuhr an den Straßenrand und hielt an. "Warum hast du mir nie etwas davon gesagt?" "Weil es vereinbart ist, dass ich Weihnachten abwechselnd bei dir und Mom verbringe." "Erin!" Sie saß mit gesenktem Kopf da. Nach einigen Sekunden blickte sie ihn an. "Was vereinbart wurde, ist nicht wichtig, Schatz. Wichtig ist, was du möchtest. Wenn du mit etwas unglücklich bist, musst du damit herausrücken. Dann stellen wir uns darauf ein. Glaube bitte nicht, dass du dich an alles halten musst, worauf deine
Mom und ich uns vor Gericht geeinigt haben. Deine Bedürfnisse stehen für uns an erster Stelle." "Das ist gelogen." "Nein." . "Doch, es ist gelogen. Wenn ich für euch so wichtig wäre, hättet ihr euch gar nicht erst scheiden lassen." Es brach Ben das Herz, als ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie zerrte am Sicherheitsgurt, öffnete den Verschluss und warf sich ihm in die Arme. "Es tut mir leid, Daddy, es tut mir leid." Daddy ... So hatte sie ihn schon lange nicht mehr genannt. Normalerweise sagte sie Dad, und meistens klang das auch noch reichlich genervt. "Das verstehst du nicht, Dad", war einer ihrer Lieblingssätze. Während Ben seine Tochter in den Armen hielt, erinnerte er sich an die Gründe für die Scheidung - daran, wie Les alle ursprünglichen Pläne missachtet hatte. Wie sie ihn bei der Entscheidung, Polizistin zu werden, übergangen hatte. Sie hatte ihm vorgeworfen, sie mit seiner Fürsorge zu ersticken. Sie hatte nie begriffen, dass er sein Imperium für sie und ihre gemeinsamen Kinder errichtete. Er war arm aufgewachsen, und seine Mutter hatte hart gearbeitet. Sein Leben sollte anders werden. Das hatte er Leslie schon bei der Hochzeit geschworen. Und er hatte stets finanzielle Sicherheit angestrebt. Als es endlich so weit war, hatte Les sich geweigert, ins Penthouse seines ersten Hotels zu ziehen. Sie hatte ihre Arbeit nicht aufgeben wollen, obwohl ihr Gehalt nicht mehr gebraucht wurde. Obwohl sie genau das als Hauptgrund angegeben hatte, warum sie Polizistin wurde. Sie war unabhängig und selbstständig geworden, und sie hatte sich von ihm innerlich und äußerlich entfernt. Und er hatte ein Hotel nach dem anderen gekauft... das erste in Silicon
Valley, dem Technologie-Mekka von Kalifornien, und das zweite in Seattle. Nichts hatte geholfen. Ihre Arbeit und nicht er zählte für sie und bestätigte sie in ihrer Persönlichkeit, wie sie behauptet hatte. Und die Ehe war schon längst eines langsamen, qualvollen Todes gestorben. Als Erin sich von ihm löste, drückte er ihre Hand und sah ihr in die traurigen Augen. "Es tut mir leid, Schatz. Ich hatte keine Ahnung, wie weh wir dir getan haben." "Es ist schon gut, Dad." Es schmerzte ihn, wie matt und niedergeschlagen ihre Stimme klang. Er wusste, was es heißt, ein Kind mit Träumen zu sein. Seine eigenen waren in dem Alter, in dem Erin jetzt war, zerstört worden. Er hatte sich von der Enttäuschung allerdings zu Erfolg und Sicherheit führen lassen. Und er hatte sich geschworen, dass seine Frau und sein Kind nicht wie er leiden würden. Seine Tochter sollte nie hungrig zu Bett gehen. Selbst wenn er so jung wie sein Vater sterben sollte, musste Geld für ihre Ausbildung vorhanden sein. "Willst du noch immer Ski laufen?", fragte er, während sie sich wieder anschnallte. "Ich denke schon." Nach dem Spülen machte Leslie ihr Bett, nicht aber Bens. Er hatte die Tür geschlossen, und sie ging nicht in sein Zimmer. Wie sollte sie den Tag verbringen, wenn es nichts zu tun gab? Nach der Beförderung von Streifenpolizistin zu Detective hatte sich die Arbeitszeit einigermaßen normalisiert. An fünf Tagen in der Woche zehn Stunden Dienst, in der nächsten Woche an drei Tagen. Überstunden waren selten. Doch die Arbeitstage waren lang, und an den freien Tagen war viel zu erledigen. Jetzt hatte sie einen ganzen Tag vor sich. Nachdem sie Plätzchenteig angerührt und die Backbleche in den Herd geschoben hatte, stellte sie die Uhr und ging ins
Wohnzimmer. Nacheinander nahm sie die Fotos vom Kaminsims und gab sich den Erinnerungen hin. Die Hochzeit. Wie jung alle in der förmlichen Kleidung wirkten. Nur Gabe bildete eine Ausnahme. Er war dafür geboren worden, einen Smoking zu tragen. Mit den Fingerspitzen strich sie über das Glas. Wer hätte gedacht, dass es so ausgehen würde? Sie und Ben hatten ein Leben geplant, das sich völlig von ihrer Kindheit und Jugend unterscheiden sollte. Ben war sechs gewesen, als sein Vater in Vietnam als vermisst gemeldet wurde. Die Todeserklärung folgte sechs Jahre später. Seine Mutter hatte Ben zum Mann im Haus erklärt, eine Rolle, für die er viel zu jung gewesen war. Und ihm hatte eine männliche Leitfigur gefehlt. Leslie wiederum hatte das weibliche Vorbild gefehlt, da ihr Vater nach dem Tod ihrer Mutter nicht mehr geheiratet hatte. Leslie war damals acht gewesen. Seufzend stellte sie das Hochzeitsfoto zurück und griff nach dem Bild, auf dem sie schwanger mit Erin war. Wie sich ihr Leben seit damals verändert hatte! Damals hatte Ben gerade die California Culinary Academy beendet. Die Darlehen für sein Studium waren eine riesige Belastung gewesen, doch das Fehlen einer Krankenversicherung wog noch schwerer. Wenigstens war die Geburt normal verlaufen, und Erin kam gesund zur Welt. Sie war nur einen einzigen Tag im Krankenhaus geblieben was die Kosten niedrig gehalten hatte. Die Besuche beim Kinderarzt hatten allerdings viel Geld gekostet, und ein Baby brauchte ständig etwas. Leslies Traum, als Mutter zu Hause bleiben zu können, hatte sich wie Nebel aufgelöst. Sie brauchten ein sicheres Einkommen und eine Krankenversicherung. Daran führte kein Weg vorbei. Weil Ben Einspruch erhoben hätte, hatte sie es ihm nicht gleich erzählt, dass sie sich in der Polizeiakademie angemeldet hatte. Erst nachdem sie angenommen worden war, hatte er es erfahren. Sie stammte aus einer Polizisten-Familie. Diese Welt
war ihr nicht fremd gewesen, und der Verdienst bei der Polizei war nicht schlechter als anderswo. Vor allem war ihr wichtig gewesen, dass Ben weniger finanzielle Sorgen haben würde. Aufgeregt und glücklich, weil sie helfen und Ben weiter seinen Traum verfolgen konnte, hatte sie es ihm erzählt. Alles war anders gekommen, als sie es sich vorgestellt hatte. Ben hatte sich zutiefst verletzt gefühlt, weil sie ihn nicht von Anfang an in ihre Pläne eingeweiht hatte. Und war zornig gewesen, weil sie sich um eine gefährliche Arbeit beworben hatte. Zuerst war sie über den unerwartet heftigen Streit fassungslos gewesen, doch dann hatte sie eisern darauf bestanden, auf die Polzeiakademie zu gehen ... was sie auch getan hatte. Doch seitdem war nichts mehr wie früher gewesen. Der Küchenwecker unterbrach ihre Gedanken. Sie legte die Plätzchen zum Auskühlen auf einen Rost und schob das letzte Blech ins Backrohr. Danach wartete sie darauf, dass die zehn Minuten Backzeit verstrichen. Dabei wünschte sie sich, mit Ben über ihr Problem sprechen zu können. Anfangs hatte sie versucht, ihm zu berichten, was sie tagsüber erlebt hatte. Doch er wollte nichts von ihrer Arbeit wissen. Und so hatte sie es sich angewöhnt, auf der Heimfahrt alle Gefühle zu unterdrücken und die Arbeit - und damit ein Stück ihres Selbst - hinter sich zu lassen. Mit der Zeit war es ihr leichter gefallen, Arbeit und Privatleben voneinander zu trennen. Sie zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. Wenn das Gabe war, würde er etwas zu hören bekommen! "Hallo!" "Du bist vielleicht schwer aufzuspüren." "Alex? Wie hast du mich gefunden?" "Ich bin beim FBI. Ich finde jeden." "Was du nicht sagst. Woher weißt du, dass ich hier bin?"
"Ich habe deinen Freund Gabe angerufen. Was ist los, Les? Wieso verschwindest du, ohne mich vorher anzurufen?" Leslie wusste genau, worauf Gabe es abgesehen hatte. Er hatte damit gerechnet, dass Ben ans Telefon ging und eifersüchtig wurde, weil ein anderer Mann sie anrief. Gabe war wirklich schrecklich. "Hast du gehört, was passiert ist?" "Ja. Ich hätte es aber lieber von dir erfahren." "Ist es schon in den Nachrichten?" "In den Zeitungen und im Fernsehen." "Da hast du die Antwort, Alex. Ich wollte nicht daheim sein und nichts sehen und hören." "Und wo genau bist du im Moment?" "In einer Berghütte." "Willst du Gesellschaft haben?" Sie sah ihn deutlich vor sich, das Haar ordentlich gekämmt, den Blick stets forschend auf etwas gerichtet. Als FBI-Agent war er tüchtig, als Freund rücksichtsvoll und fürsorglich. "Ich bin nicht allein." Das hätte sie ihm gern erspart. "Bens und Erins Maschine hatten einen Schaden. Darum haben sie es sich anders überlegt und sind hergekommen. Es war für uns alle drei eine Überraschung." Alex schwieg eine Weile. "Und du bleibst trotzdem?" Sie schloss die Augen. "Ja." "Wie nett für dich." Sein Sarkasmus überraschte sie. Alex hatte sich stets unter Kontrolle und zeigte nur selten Gefühle. Er war ein starker Mann. Und er kannte ihre Arbeit, den Druck, den Frust und die schlimmsten Seiten. Er hörte immer zu, stellte Fragen und achtete auf die Antworten. Wieso bekam sie dann bei Ben und nicht bei ihm Herzklopfen? "Bitte, Alex, es ist sehr kompliziert." "Du weißt, was ich für dich empfinde. Das ändert jetzt alles." "Die Gründe für meine Scheidung haben sich nicht geändert. Ben will nicht mit mir verheiratet sein."
"Ihr verbringt zusammen die Feiertage und seid ganz allein. Und Erin träumt davon, dass ihre Eltern sich wieder versöhnen, nicht wahr?" "Ja." Und ich auch, "Was ist, wenn der Traum deiner Tochter nicht Wirklichkeit wird? Wie willst du es verhindern, dass sie dann sehr, sehr verletzt wird, Les? Was wird Ben tun?" Etwas ruhiger fügte er hinzu: "Und wie soll ich da mithalten?" "Ich weiß nicht, welche Antwort du von mir erwartest." "Letzte Woche hast du mir für Silvester eine Antwort versprochen. Ich wette, dass diese Antwort jetzt anders ausfällt. Nein, sag nichts." Er unterbrach sich kurz. "Tu, was du tun musst. Ich wusste von Anfang an, wogegen ich ankämpfe." Damit legte er auf. Innerlich aufgewühlt trat Leslie ans Fenster, um sich davon abzulenken, dass sie Alex verletzt hatte. Einsamkeit umgab sie wie ein Netz. Sie hatte niemanden, an den sie sich lehnen konnte, hatte vielleicht auch nie jemanden gehabt. Auf Ben konnte sie zählen ... aber sie konnte sich nicht an ihn lehnen. Kein Selbstmitleid! Als die Plätzchen fertig waren, zog sie Jacke und Handschuhe an und verließ die Hütte. Bei einem Spaziergang würde ihre Stimmung sich bessern. Immerhin war Weihnachtsabend. Die Zeit des Friedens. Am strahlend blauen Winterhimmel standen einige weiße Wölkchen. Lächelnd hob Leslie das Gesicht dem kalten Wind entgegen. Sie blieb stehen, schloss die Augen und genoss den Wintertag. Manche Menschen bevorzugten den Frühling, die Zeit der Erneuerung. Sie liebte den Winter, weil er Weihnachten brachte. Und zu Weihnachten war alles möglich.
Leslie öffnete die Augen wieder, drehte sich um und betrachtete die Hütte mit dem schneebedeckten Dach und dem malerischen Rauchfang. Ein Wagen kam die Straße herauf. Hier fuhr so selten ein Fahrzeug, dass Leslie sich den Fahrer genau ansah. Ein Mann etwa Mitte vierzig mit kräftigen Armen und einem geröteten Gesicht. Er hielt an und kurbelte das Fenster herunter. "Fröhliche Weihnachten!", rief er. "Fröhliche Weihnachten." "Gehört Ihnen die Hütte?" "Wieso?" Er lächelte. "Ich suche eine Bleibe, die abseits des Skibetriebs liegt. Die Hütte gefällt mir." "Sie ist nicht zu vermieten." "Ich würde einen Spitzenpreis zahlen." Leslie schüttelte den Kopf und wünschte sich, ihre Waffe bei sich zu haben, obwohl der Mann gar nicht ausstieg. Er hielt etwas aus dem Fenster. "Könnten Sie dem Besitzer meine Geschäftskarte geben und ihm sagen, dass ich wirklich gut zahle?" "Die Hütte ist nicht zu vermieten." Er lief im Gesicht noch stärker rot an, zog den Arm ruckartig zurück und gab so viel Gas, dass die Räder durchdrehten, ehe die Reifen auf der verschneiten Straße fassten. Während der Wagen verschwand, fiel Leslie auf, dass der Fahrer vom Besitzer gesprochen hatte. Sie sollte ihm die Geschäftskarte geben und ihm etwas ausrichten. War das Zufall, oder wusste er, dass der Besitzer ein Mann war? Angesichts der heiklen Lage, in der Sebastian sich befand, und der Gründe, warum er sich versteckte, war sie misstrauisch. Weshalb aber hatte der Mann ihr seine Geschäftskarte geben wollen, wenn er Sebastian schaden wollte? Ihre Arbeit hatte sie
viel zu misstrauisch gemacht. Das war zwar bedauerlich, aber eine Tatsache.
3. KAPITEL Nach dem Abendessen kuschelte Erin sich vor dem Kamin zwischen ihre Eltern und erinnerte sich an frühere Weihnachtsfeste. Sie erzählte vom ersten Fahrrad, der ersten Barbiepuppe und dem ersten Kochbuch. Leslie sah zu, wie Ben Holz nachlegte. Er war zum Mann herangereift. Sie erinnerte sich genau daran, wie er als Jugendlicher gewesen war. Sein Körper war jetzt reifer, voller, muskulöser, doch das Lächeln war unverändert geblieben. Sie ließ den Blick über seinen festen Po und die Beine wandern, bewunderte die langen, kräftigen ... Leslie schüttelte über sich selbst den Kopf. "Zeit zum Schlafengehen, junge Dame", sagte sie zu Erin. "Sonst kommt der Weihnachtsmann nicht." "Der Weihnachtsmann ist was für Babys", meinte Erin abfällig. "Ach ja? Nun, du bist mein Baby, und ich sage dir, dass der Weihnachtsmann dir nichts bringt, wenn du nicht ins Bett gehst." "Von dir habe ich die Geschenke schon daheim bekommen." Les sah sie durchdringend an, bis Erin die Augen verdrehte und aufstand. "Kommt ihr beide noch zu mir und sagt mir gute Nacht?" "Darauf kannst du dich verlassen."
"In fünf Minuten." "Wir kommen." Leslie sah ihr nach. "Das ist ihr letztes Weihnachten als kleines Mädchen." Ben stellte den Schürhaken in den Ständer neben dem Kamin zurück. "Wie kommst du darauf?" "Im nächsten Jahr wird sie zwölf. Wahrscheinlich bekommt sie bis dahin schon die Periode. Dann streiten wir mit ihr wegen Make-up und komischer Kleidung." Sie seufzte. "Ich liebe dieses Alter. Noch ist sie willig und glücklich und nur wenig launenhaft. Und klug ist sie sowieso. Manchmal ist mir das geradezu unheimlich." Leslie wollte sich mit Ben auf keine ernsthafte Unterhaltung einlassen. Sie hatte genau gemerkt, wie nachdenklich er mit Erin vom Skilaufen zurückgekommen war. Vielleicht wollte er ihr etwas Wichtiges mitteilen. Vielleicht war er mit einer anderen Frau eine ernste Beziehung eingegangen. Vielleicht ... Du lieber Himmel, vielleicht wollte er wieder heiraten! Aber das würde er ihr doch nicht ausgerechnet heute Abend eröffnen, oder? Das würde sie nicht verkraften! "Die Zeit vergeht schnell." Er setzte sich auf die Couch. "Fühlst du dich alt, Les?" Seine Frage überraschte sie. "Manchmal kommt es mir so vor, als würde das Leben vorbeifliegen, aber alt fühle ich mich nicht. Ich glaube nicht, dass man mit zweiunddreißig schon jenseits von Gut und Böse ist." "Ich fühle mich manchmal sehr alt. Das heißt, alt ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Es kommt mir nur so vor, als wäre ich in eine Tretmühle geraten, in eines dieser Laufräder in den Hamsterkäfigen." "Ich dachte, du hättest alles erreicht, was du wolltest." "Beruflich ja.. Wahrscheinlich bin ich reif für eine Veränderung." . "Noch mehr Hotels?" "Ich weiß es nicht. Eigentlich wollte ich nie so viele haben. Bisher ist es mir gelungen, jedes Haus völlig anders zu
gestalten. Wahrscheinlich könnte ich noch mehrere mit dem gleichen Erfolg bauen, aber ich bin das Reisen leid. Dabei sind die Häuser nur durch den persönlichen Kontakt so erfolgreich. Die Leute wollen wissen, mit wem sie es zu tun haben." "Das klingt ganz so, als müsstest du einige Entscheidungen treffen." Ben zögerte. Den ganzen Tag hatte er über das Gespräch mit Erin nachgedacht, und er wusste nicht, ob er mit Les darüber reden sollte. Offenbar hatte sie schon genug Sorgen. Ob sie wusste, wie sehr Erin unter der Scheidung litt? Unter dieser doch nicht ganz so perfekten Scheidung. Er griff den Faden der Unterhaltung wieder auf. "Entscheidungen ... Wahrscheinlich habe ich mich nie lange genug vom Geschäft zurückgezogen, dass ich richtig überlegen konnte." Genau das hatten sie beide heute den ganzen Tag getan. Überlegt. Sie waren durch die achtzehn Jahre ihrer Beziehung gewandert. Das war eine lange Zeit und doch nur ein Bruchteil dessen, womit sie ursprünglich gerechnet hatten. "Mein Privatleben müsste verändert werden." Er wandte sich Leslie zu und beschloss, den Vorfall mit Erin zu schildern. "Les, wir müssen über etwas reden. Ich..." "Erin wartet wahrscheinlich schon auf uns", unterbrach sie ihn und stand auf. Verblüfft sah Ben ihr nach. Aber vermutlich sollte er froh sein, dass sie ihm das Wort abgeschnitten hatte. Er hätte bestimmt zu viel gesagt und zu viel von ihr erwartet. Als Les sich aufs Bett setzte, um Erin einen Gutenachtkuss zu geben, musste Ben sich zusammenreißen, um sich nicht wie früher dicht neben Les zu setzen. Erins Schlafengehen war für sie drei an den Abenden, wo Ben daheim war, ein Ritual gewesen. Eine Geschichte vorlesen, noch einige sanfte und heitere Worte, Umarmung und Gutenachtkuss. Wie er das vermisste!
Die Einsamkeit schmerzte. Ben hatte gedacht, allein zu sein wäre besser, als verletzt zu werden. Doch nun war er nicht mehr so sicher. Es schmerzte, sich wieder nach einer Familie zu sehnen und gleichzeitig zu wissen, dass es unmöglich war, eine zu haben. Die Probleme hatten sich nicht geändert. Die Ironie dabei war, dass er nun sein Ziel erreicht hatte und gut für seine Familie sorgen konnte, aber keine mehr hatte. Wenigstens würde Erin versorgt sein, sollte ihm etwas zustoßen. Darauf war er stolz. Les stand auf und machte ihm Platz, damit auch er seine Tochter umarmen konnte. "Gute Nacht, Schätzchen." Erin drückte ihn besonders fest und flüsterte ihm ins Ohr: "So sollte es immer sein, Daddy." Zusätzlich zu allen anderen Gefühlen bekam er nun auch noch ein schlechtes Gewissen. Er sagte nichts darauf, weil er nicht wusste, was er sagen könnte. So gab er ihr nur einen Kuss und ging hinaus. Leslie folgte ihm kurz darauf und fand ihn am Kamin. Sosehr es sie verlockte, ihm über den Rücken zu streichen, oder ihn auf eine andere Weise zu beruhigen, blieb sie auf Distanz. "Stimmt etwas nicht?", fragte sie. Das Telefon klingelte. Wer rief am Weihnachtsabend an? Gabe würde es sicher nicht wagen. Sebastian konnte nicht. Falls es Bens Mutter war, würde es Leslie sehr nahe gehen. Sie vermisste Maura schrecklich, die Frau, von der sie während der High School bemuttert worden war, als sie den Einfluss einer Frau brauchte. Zwar hatten sie den Kontakt nicht völlig verloren, aber zwischen ihnen herrschte jetzt mehr Abstand, und das hatte nicht nur etwas mit der Entfernung zwischen San Francisco und Chicago zu tun. Maura war dorthin gezogen, als sie wieder geheiratet hatte. Der Anruf war für Ben. Leslie wusste nicht, wer am anderen Ende der Leitung war. Sie hörte nur, dass es um Geschäftliches
ging, das auch an Feiertagen keine Pause kannte. Das hatte sie mittlerweile vergessen. Damit er ungestört war, zog sie die Skijacke über und trat ins Freie. Die Wärme der Hütte, in der Erinnerungen und Hoffnungen aufgekommen waren, wurden von der kalten Winterluft verjagt. Leslie lehnte sich ans Geländer der Veranda. Nach einer Weile hörte sie die Haustür und Schritte. Ben trat hinter sie. Sie drehte sich so schnell um, dass sie das Gleichgewicht verlor. Er hielt sie an den Armen fest und stützte sie, während sie ihn in der Dunkelheit betrachtete. "Ich habe kein Geschenk für dich", flüsterte sie. Es klang wehmütig. "Ich habe auch keins für dich", erwiderte er, ohne sie loszulassen. "Ach, Ben, wie konnte es jemals dazu kommen?" Sie löste sich von ihm. "Sag nichts. Ich weiß, wie und warum es geschehen ist." Aufgewühlt kehrte sie in die Hütte zurück. Ben folgte ihr nicht, sondern ließ ihr Zeit, sich wieder zu fassen. Sie betrachtete wieder die Fotos auf dem Kaminsims und konzentrierte sich auf die Aufnahme, die vor zwölf Jahren gemacht worden war, als sie alle die Hütte gerade fertig gestellt hatten. Sebastian, Gabe, Chase, Ben und sie. Fünf junge Erwachsene, die mit zwanzig Jahren noch Hoffnungen, Träume und Ziele gehabt hatten. Ben war mit ihr eine Nacht länger hier geblieben, um den Valentinstag allein zu feiern. In dieser mit Leidenschaft erfüllten Nacht hatte sie Erin empfangen, ein überraschendes, aber vor allem ein willkommenes Geschenk. Wie einfach war es doch damals für sie alle gewesen. Wer hätte geahnt, dass ihre Leben so verlaufen würden! Ben und Leslie waren geschieden. Sebastian war untergetaucht, nachdem er fälschlich eines Verbrechens beschuldigt worden war, und versuchte jetzt, seinen guten Namen zu verteidigen. Chase war
verheiratet, und er und seine Frau erwarteten ihr erstes Kind. Gabe ... Kalte Luft wehte herein, als sich die Tür öffnete. Ben trug einen Eimer mit einer Tanne, die einen halben Meter hoch war, herein. "Man kann Weihnachten nicht ohne Baum feiern, oder?", sagte er und stellte den Eimer auf den Tisch. "Ben, der Boden ist gefroren." Er warf ihr einen so mutwilligen Blick zu, dass sie Herzklopfen bekam. Natürlich ließ er sich von gefrorener Erde nicht von seinen Plänen abhalten. Das war der Ben, an den sie sich erinnerte - spontan, großzügig, fröhlich. Sie fanden ein Tischtuch, das sie um den Eimer wickelten,. Dann schmückten sie den Baum mit Schleifen aus Alufolie und legten Erins Geschenke darunter. Es war beinahe Mitternacht, als sie damit fertig waren. Fast schon der Weihnachtstag, Leslies liebster Tag des Jahres. "Erin wird überrascht sein", sagte sie und zupfte eine Folienschleife zurecht, die schief auf einem Zweig hing. "Der Baum ist für dich, Les", sagte Ben. Nur mit Mühe hielt sie die Tränen zurück. Konnte sie sich eigentlich noch schlechter fühlen? Sie hatte nichts für ihn zumindest nichts, das er haben wollte. "Nicht weinen", bat er, und seine Stimme klang rau und zärtlich zugleich. "Ich weine nicht", erwiderte sie und ballte die Hände zu Fäusten. "Du machst mich nur so - rührselig." "Du hast immer behauptet, Weihnachten wäre eine wunderbare Zeit." "Das stimmt auch." Sie schluckte, als er näher kam. "Aber du hast nicht so gedacht." "Nimm das Geschenk an, Les." Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. "Fröhliche Weihnachten."
Sie küsste ihn auf den Mund, zuerst ganz leicht und zärtlich. Dann stöhnte er und erwiderte fordernd den Kuss. Verlangen packte sie. Das war Ben, der Mann, den sie liebte, seit sie vierzehn war. Sein Mund verschloss den ihren. Endlich! Eine Ewigkeit hatte vergehen müssen, ehe er wieder bei ihr war! Er reizte sie mit der Zunge und erkundete ihren Mund. Er atmete heftiger, verlangte mehr. Leslie erwiderte Kuss mit Kuss, Zärtlichkeit mit Zärtlichkeit. Verwirrt hob er den Kopf. "Das sollten wir nicht tun", murmelte er, drückte sie jedoch fester an sich. Sie stöhnte, als er die Hände auf ihren Po legte und sie fest an, sich presste. Es blieb Leslie nicht verborgen, wie erregt Ben war. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn, und er flüsterte ihren Namen. In diesem Moment hätte sie sich nicht bewegen können. Denn sonst hätte sie ihn ganz haben wollen. Das Verlangen nach Erfüllung brachte sie fast um den Verstand. Hastig zog sie sich zurück. Das durfte sie nicht zulassen! Daraus konnte nur neuer Schmerz entstehen, und der Kampf, ein selbstständiges Leben zu finden, würde von vorne beginnen. "Hör auf! Bitte, wir müssen aufhören!" Ben ließ sie widerstrebend los. Er hatte ihr nur einen schlichten Kuss unter Freunden geben wollen. "Meine Schuld", murmelte sie schwer atmend. "Es ist ... ist schon so lange her." Meinte sie ihn damit? Oder war es nur einfach so dahingesagt? "Wirklich?" "Nun, ich bin nicht allein geblieben. Du sicher auch nicht." Leslie verschränkte die Arme. "Ich nehme an, du hast intime Beziehungen zu Frauen gehabt." Du nicht, Les? Auf einmal fühlte er sich wie ein gemeiner Betrüger. Doch meine Güte! Sie waren geschieden, und er musste Les nicht treu geblieben sein. Trotzdem schämte er sich.
Es gefiel Ben, dass sie offenbar keinen Liebhaber hatte, auch wenn das von ihm übertrieben männlich gedacht war. Les wich zurück, als er die Hand hob und sie berühren wollte. "Ich kann mich erst hinlegen, wenn du im Bett bist, Ben. Ich schlafe auf der Couch." Leise wünschte er ihr eine gute Nacht und ließ sie allein. Leslie sank auf das Sofa und schlug die Hände vor das Gesicht. Auch jetzt noch fühlte sie Bens Arme und Lippen und diese Küsse, die sie stets zum Wahnsinn getrieben hatten. Und sie hatte nicht vergessen, wie erregt er gewesen war. Natürlich hatte sie mit keinem anderen Mann geschlafen. Welcher Mann sollte schon mit Ben mithalten? Sie lehnte sich zurück. Ihr Blick fiel auf das jüngste Bild von Chase und seiner schwangeren Frau Tessa. Sehnsucht schnürte ihr die Kehle zu. Nicht nur Ben hatte sie verloren, sondern auch die Möglichkeit, noch ein Kind zu bekommen. Und je länger sie wartete, desto geringer wurden die Chancen. Zu müde zum Denken, deckte sie sich zu, schob ein Kissen unter den Kopf und schloss die Augen. Sie fürchtete die Träume. Sie würden von gefährlichen Küssen und unerfülltem Verlangen beherrscht sein. Das sehnsüchtige Ziehen in den Brüsten hörte nicht auf, und die Spitzen waren noch immer aufgerichtet. Hätte Ben sie doch berührt, wie sie es gewollt hatte! Tief in ihr brannte ein ungestilltes Feuer. Sie hatte seine Erregung gespürt... Sie unterdrückte ein lautes Stöhnen, warf die Decke beiseite und ging zum Bad. Vor Bens Schlafzimmertür blieb sie einen Moment stehen und wünschte sich, er würde sie zu sich holen. Aber sie wusste, dass er es nicht tun würde. Sollte sie dankbar oder gekränkt sein, weil er ihr widerstehen konnte? Sie entschied sich für Dankbarkeit. Ja, sie musste ihm für seine Zurückhaltung dankbar sein!
Ben lauschte auf die Dusche und versuchte vergeblich, sich Les nicht nackt unter den Wasserstrahlen vorzustellen. Wieso war das so? Lag es an den Erinnerungen, von denen sie hier umgeben waren? Oder daran, dass Erin so unglücklich war und er deshalb gezwungen war, darüber nachzudenken, was er alles aufgegeben hatte? Lockte ihn Leslies Verletzbarkeit? Sie hatte ihm nicht einmal erzählt, was geschehen war. Wie früher hatte sie sich ihm nicht anvertraut, doch sie wirkte verstört und ... zerbrechlich. Der Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Stets hatte er ihre Stärke bewundert, doch nun wollte er wissen, was sie bedrückte. Das Plätschern des Wassers hörte auf, dann öffnete sich die Tür des Badezimmers. Stille. Schlief sie schon? Erins Worte ließen ihn nicht los. Das war eine Lüge! Mit einem unterdrückten Fluch stand er auf, öffnete das Fenster und ließ kalte Luft herein. Wieso hatte er nicht früher erkannt, wie sehr Erin litt? Im Bad trank er ein Glas Wasser. Der Muskelkater vom Skilaufen quälte ihn. Leslies Kosmetikbeutel stand auf der Ablage. Sie hatte stets Aspirintabletten bei sich, aber er zögerte. Bestimmt wollte sie nicht, dass er in ihren Sachen wühlte. Leise ging er ins Wohnzimmer. "Les?" "Was ist?" "Hast du ein Aspirin?" Er hörte, wie sie sich bewegte. Dann sah er im Schein der Glut im Kamin, wie sie sich aufsetzte. "Hast du Kopfschmerzen?" "Muskelkater." "In meiner Tasche im Bad findest du die Tabletten." "Danke." Er entdeckte die Tabletten... und er erinnerte sich auf einmal an Erins Worte: "Ich habe gehört, wie du zu Tante Mimi gesagt hast, du würdest alles dafür geben, könntest du noch einmal mit Dad schlafen." Wenn es so war, würde sie wahrscheinlich mit
keinem Mann schlafen. Oder? Es war wohl eher nur Wunschdenken von ihm ... Heute Nacht konnte er nicht mehr mit ihr sprechen, nicht nach diesen Küssen. Die körperliche Anziehung war ungebrochen, vielleicht sogar noch stärker geworden. Wäre er mit ihr allein gewesen... Er durfte nie mehr mit ihr allein sein. Nach der Rückkehr wollte er sie wegen Erin anrufen. Eigentlich war er ein Mann, der gern ein Risiko auf sich nahm, und jetzt kam er sich wie ein Feigling vor. Bei Les entschied er sich für Sicherheit. Einige Risiken lohnten sich nicht, weil der drohende Verlust zu hoch war.
4. KAPITEL "Mom, wach auf!" Leslie öffnete ein Auge. "Fröhliche Weihnachten!" Richtig, es war Weihnachten. "Wie spät ist es?" "Fast sechs Uhr. Kann ich meine Geschenke öffnen?" Sechs Uhr! Leslie stöhnte. Höchstens drei Stunden hatte sie geschlafen! "Nicht wieder einschlafen. Hast du den Weihnachtsbaum aufgestellt?" Leslie gab auf, rieb sich die Augen und streckte sich. " Zusammen mit Dad. Es war seine Idee." "Cool. Dabei macht er sich gar nichts aus Weihnachten." "Aber er macht sich etwas aus dir." Leslie strich sich über die Lippen. Ben hatte sie geküsst. Es war kein Traum gewesen. In die Decke gewickelt, setzte sie sich auf und sah auf die Uhr. "Hör mal, meine süße Tochter! Zwanzig nach fünf ist nicht fast sechs Uhr." "Aber sicher doch. Als Nächstes wird es sechs." Erins Fröhlichkeit steckte Leslie an und vertrieb die Müdigkeit. Sie zog ihre Tochter an sich, und plötzlich erinnerte sie sich an ihre Kindheit und ihre Mutter, die sie so in den Armen gehalten hatte. Nur wenige Jahre waren ihnen gegönnt gewesen. Ihr Tod hatte Leslies Leben auf den Kopf gestellt. Sie
hatte ihre Mutter gebraucht und brauchte sie noch immer. Was hätte sie dafür gegeben, mit Mom sprechen, sie um Rat fragen und ihre Arme um sich fühlen zu können! "Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel du mir bedeutest", flüsterte sie. "Denkst du jetzt an deine Mom?" "Ja." Erin schmiegte sich enger an sie. "Ich könnte es nicht ertragen, wenn du stirbst." Leslie drückte das Gesicht an Erins Schulter. "Wenigstens ist Dad besser drauf als Großvater." Leslie lächelte. Besser drauf. Wie kam Erin denn darauf? Aber sie hatte Recht. Ben war ein besserer Vater, als ihr eigener es gewesen war. Und Erin hätte Chase und Gabe gehabt und sogar Sebastian, nachdem er bewiesen hatte, dass er kein krimineller Fall war. "Ich sage dir etwas", schlug Leslie vor. "Ich dusche, während du Kaffee machst. Dann kannst du deinen Dad wecken." "Abgemacht." Leslie sah ihr nach, wie sie in die Küche ging. Lächelnd stand sie auf und ließ die Decke zu Boden sinken, rückte die Sofakissen zurecht, hob die Decke auf und wollte sie zusammenfalten. Als sie sich aufrichtete, stand Ben in der Tür und beobachtete sie. Leslie brachte kein Wort hervor, weil er den Blick heiß und voller Verlangen über sie gleiten ließ. Als sich die Brustspitzen gegen das Shirt drückten, das sie zur Pyjamahose trug, hielt sie schnell die Decke vor die Brust. "Fröhliche Weihnachten, Dad!" Erin! Er hatte sie vergessen. Les eilte zu ihm und drückte ihm die Decke vor die Trainingshose, bevor sie im Bad verschwand. Ja, sie hatte seine Erregung bemerkt. "Du bist ziemlich zeitig wach, Schatz", sagte er zu Erin und ging vor dem Kamin in die Hocke.
"Wir wollen doch die Geschenke öffnen und ordentlich frühstücken, bevor wir auf die Piste gehen." Er warf ihr einen Blick zu. "Willst du heute das Skilaufen nicht ausfallen lassen?" Erin zögerte. "Wärst du damit einverstanden?" Er nickte. "Gehst du dann ohne mich, oder bleibst du hier?" Eine bedeutungsschwere Frage. Kluges Kind. "Ich bleibe hier." Sie warf sich auf seinen Rücken, und er kippte fast in den Kamin. "Danke, Dad!" "Gern geschehen. Das nächste Mal sagst du von dir aus, was du willst, einverstanden?" "Einverstanden." Sie tanzte aus dem Zimmer und kam nach einer Weile mit einem Tablett wieder. Zwei Tassen Kaffee, eine Tasse Kakao und ein Teller mit Plätzchen standen darauf. "Damit wir bis zum Frühstück durchhalten", sagte sie, während Leslie zu ihnen stieß. Ben betrachtete seine Exfrau. Die meisten Frauen, die er in den letzten Jahren getroffen hatte, wandten viel Zeit für ihr Aussehen auf. Les war mit der Bürste durchs Haar gefahren, und das reichte. Unter einem Pullover, den er ihr vor fünf Jahren geschenkt hatte, trug sie ein Shirt mit Rollkragen. Die Jeans hätte längst im Mülleimer landen sollen, schmiegte sich aber perfekt um den Körper. Erin nahm den Strumpf, der angeblich vom Weihnachtsmann war, vom Kamin, setzte sich auf den Boden und öffnete die kleinen Päckchen, die darin steckten. Ben wünschte sich eine Kamera. Gabe hätte sie gezeichnet und die Freude in ihrem Gesicht festgehalten. Während Erin mit den Päckchen beschäftigt war, setzte Ben sich aufs Sofa. Les ignorierte ihn. Blickte sie in seine Richtung, sah sie an ihm vorbei. Warum war sie so nervös? Als Erin
erwähnte, dass sie heute nicht auf die Piste fuhren, rang Les sich mühsam ein Lächeln ab. "Das ist für dich, Dad." Er griff nach dem nicht eingewickelten Schuhkarton. "Für mich? Aber..." "Das ist Moms Handschrift." Auf einem schlichten Anhänger stand sein Name. Ben drehte ihn um. "Danke für alles." Schlichte Worte mit einem schlecht gezeichneten Tiger am Schluss, wie sie früher alles für ihn signiert hatte. Verdammt, er sehnte sich nach diesem albernen kleinen Tiger! "Beeil dich, Dad! Ich bin ungeduldig!" Leslie hielt den Atem an, als er den Deckel anhob und einen Blick hineinwarf. Erin lehnte sich gegen ihren Vater und spähte ebenfalls in den Karton. "Was ist das?" "Eine ganz hässliche Zeichnung. Das soll vermutlich ein menschliches Wesen sein." Er holte das Blatt heraus und sah Leslie an. "Das ist ein Schuldschein", erklärte sie lachend. "Wofür?" "Für ein Geschenk, das ich dir nach der Rückkehr gebe." "Und was wird es sein?" "Das ist eine Überraschung." "Du weißt nicht, was es sein wird, und willst nur Zeit gewinnen." Sie lächelte. "Ich weiß genau, was ich dir schenke. Die Zeichnung ist ein Hinweis. Du wirst schon sehen." Ben nickte. Dann fragte er: "Muss jemand ins Bad, bevor ich dusche?" "Ich." Erin lief aus dem Zimmer. Leslie sammelte das Geschenkpapier ein. "Du hättest mir nichts schenken müssen, Les." "Ich weiß. Trotzdem wird es dir gefallen."
"Könnten wir ... Würdest du mich bitte ansehen?" Leslie bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. Ben kauerte sich neben sie. "Könnten wir dafür sorgen, dass heute zwischen uns eine lockere Stimmung herrscht?" "Ich weiß nicht genau, was du damit meinst. Bisher ist doch alles gut gelaufen." Fast. "Dieses Zusammentreffen ist nicht einfach. Es gibt so viele Erinnerungen." "Und Anziehungskraft." "Ja", bestätigte er. "Wir beide wissen vielleicht, worum es geht, aber Erin nicht. Ich will sie nicht verwirren." "Ich weiß, es könnte in ihr falsche Hoffnungen wecken." "Wenn wir umeinander herumschleichen, wird sie versuchen, uns glücklich zu machen. Was meinst du?" Ich meine, dass ich dich liebe. Les verdrängte den Gedanken und stand auf. "Das ist eine gute Idee. Wir albern miteinander herum, ohne dass es zu Missverständnissen kommt. Und wir tun das für Erin." "Richtig." "Das Bad ist frei, Dad!" Erin steckte lächelnd den Kopf zur Tür herein und verschwand dann im Schlafzimmer. Sie war immer ein glückliches Kind gewesen, aber heute war sie noch fröhlicher. Ob es der Zauber von Weihnachten ist, fragte sich Leslie. Oder war es wesentlich komplizierter? "Raus aus meiner Küche!" "Aus deiner Küche?" Ben lehnte sich gegen den Türrahmen. Les machte das Frühstück. Sie hatte eine Schürze umgebunden. So häuslich hatte er sie nie gesehen. "Ich wollte eigentlich das Frühstück machen." "Kein Wunder, dass ich nie kochen lernte." Sie holte Würstchen aus dem Kühlschrank. "Du hast mich immer aus der Küche verscheucht."
"Weil du nicht kochen konntest." "Wie sollte ich es denn lernen?" Er betrachtete ihren Po, während sie sich bewegte. "Das hättest du schon früher lernen können, aber du wolltest nicht. Du hast kochen gehasst." "Jetzt nicht mehr. Weißt du, Ben, du warst oft fort. Dann musste ich auch kochen." "Das hast du kochen genannt?", rief Erin aus dem Wohnzimmer. Ben lachte. Leslie zuckte die Schultern. "Wir sind jedenfalls nicht verhungert. Mittlerweile bin ich recht gut darin, und ich brauche deine Hilfe nicht." Erin lachte über Leslies hochmütigen Tonfall, und Ben lenkte ein. "Was machst du?", fragte er. "Rührei mit Würstchen." "Ich wollte Erdbeercrepes machen." Mit der Bratpfanne in der Hand erstarrte Leslie förmlich. "Mit Schlagsahne?", erkundigte sie sich sehnsüchtig. "Die Luxusausführung." Er blinzelte Erin zu, die von ihrem Puzzlespiel aufblickte und ihm mit hochgerecktem Daumen ihre Zustimmung erteilte. "Na gut, in Ordnung", gab Les nach. Ben lachte, als sie Würstchen und Eier in den Kühlschrank zurücklegte. "Hast du jemals Crepes gemacht?" "Nein." "Willst du meine Hilfsköchin sein?" "Nicht, wenn du mir alle lästigen Arbeiten, wie hinterher das Aufräumen, zuschiebst." Ihre Augen funkelten. "Ich gebe dir eine wichtige Arbeit. Du darfst die Erdbeeren vorbereiten." Lächelnd kam sie näher. "Woher hast du um diese Jahreszeit welche ergattert?"
Ihr erstes echtes und natürliches Lächeln lenkte ihn so ab, dass er sie nur betrachtete, bis sie ihn fragend ansah. "Ich bin Besitzer von Restaurants, Les. Ich bekomme alles, wofür ich bezahle." "Kochst du noch immer viel selbst?" "Im Hotelrestaurant?" Sie nickte. "Nein, gar nicht. Jedes Hotel hat einen Küchenchef. Als Boss muss man leider einige Dinge aufgeben, die man mag." Er reichte ihr die Erdbeeren. "Wäschst du sie, oder ist dir diese Tätigkeit zu niedrig?" "Ich stehe zu Diensten." Leslie drehte den Hahn auf. "Unlängst habe ich einen Bericht über dich im Chronicle gelesen. Der hätte dir geschmeichelt." "Nicht so sehr wie der Artikel, der demnächst in a la carte erscheint." "Wirklich? Das freut mich, Ben." "Sie haben von mir auch eine Aufnahme für das Titelblatt gemacht." "Das Titelblatt?" Es war eines der berühmtesten Magazine der Welt. Überall konnten Frauen sehen, wie attraktiv er war. Eifersucht kam in Leslie auf. "Mir hat man auch einen Bildbericht in einem Magazin angeboten", berichtete Leslie. Er stellte die Crepepfanne auf den Herd. "In einer Polizeizeitschrift?" "Nein. Der Artikel hieß ,Frauen im Dienst der Gerechtigkeit'. Ich habe abgelehnt." "Warum?" Sie blickte zur Tür, um sich davon zu überzeugen, dass Erin nichts hören konnte. "Weil ich nur den Uniformgürtel tragen sollte." Ben ließ den Blick über ihren Körper wandern, ehe er ihr wieder in die Augen sah. "Pech für den Herausgeber."
Leslie zeigte sich überrascht. Ben hatte ihr selten Komplimente gemacht und ihr niemals gesagt, dass er sie attraktiv finde. Sex ersetzte "Ich liebe dich" oder "Ich brauche dich" und "Ich begehre dich". Doch sie hatte auch die Worte hören wollen, was sie ihm auch oft genug vorgehalten hatte Sie legte ihm die Hand auf den Arm. "Danke." "Du hast dich von einem niedlichen Teenager über eine hübsche Braut zu einer schönen Frau entwickelt. Das kann man nicht von allen Frauen behaupten." Leslie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Daher schwieg sie und widmete sich wieder den Erdbeeren. Es ist schön, mit ihm zusammen zu sein, dachte sie. Woran dachte er jetzt? An den Kuss letzte Nacht? An die bedeutungsvollen Blicke heute Morgen? Oder ging es ihm nur um eine lockere Stimmung für Erin? Ob sie das jemals herausfinden würde? Würde sie heimfahren müssen, ohne die Antworten zu erfahren? Ja, höchstwahrscheinlich. Nach dem Essen holte Ben Lederhandschuhe und ein altes Sweatshirt, um Holz zu hacken. Durch den knietiefen Schnee stampfte er hinter das Haus, wo das Holz unter einem schützenden Dach lagerte. Als sein Blick auf den Boden fiel, blieb er abrupt stehen. Fußabdrücke? Eindeutig war jemand von der anderen Seite um das Haus herumgegangen und hatte versucht, in die Fenster des Schlafzimmers zu blicken. Ben öffnete die Vordertür. Les und Erin blickten von dem Monopoly-Spiel auf, das sie soeben aufbauten., "Les, könntest du mir helfen?" "Gern." Sie stand auf. "Und du, liebste Tochter, bleib hier, wo's warm ist." Erin nickte.
Leslie nahm einen Mantel und Handschuhe vom Haken. "Du arbeitest schnell", stellte sie fest, als sie hinter sich die Tür schloss. "Ich will dir etwas zeigen." Sie ging in die Hocke, um die Fußabdrücke zu untersuchen. "Also, vermutlich ist diese Person größer als ich, aber nicht so groß wie du. Frage ist nur, sind das frische Abdrücke?" "Es hat am Abend vor unserer Ankunft und auch am Morgen geschneit. Die Abdrücke müssen frisch sein." "Gestern, als du und Erin zum Skilaufen wart, hat ein Mann in einem Wagen angehalten und mich angesprochen." Leslie hatte gleich zu Anfang kein gutes Gefühl gehabt. Hier ging es nicht um harmlose Neugierde. "Was für ein Mann?" "Ziemlich groß, würde ich sagen, obwohl er im Wagen sitzen blieb. Er wollte die Hütte mieten und einen Spitzenpreis dafür zahlen. Ich sagte ihm, dass die Hütte nicht zu vermieten sei." "Ob er Sebastian sucht?" Ben sah sich um. "Das dachte ich auch zuerst, aber er hat mir eine Visitenkarte angeboten. Ich habe sie nicht genommen, weil ich nicht in seine Reichweite gelangen wollte. Hätte ich es doch getan! Vielleicht war es ja harmlos, aber möglicherweise ist er letzte Nacht zurückgekommen und hat durch die Fenster gesehen." Sie fröstelte. "Wir waren hier immer völlig sicher, Ben. Verdammt! Wenn ich nicht im Dienst bin, habe ich keine Waffe." "Wir haben die Jagdgewehre und reichlich Munition. Und wir werden auch tagsüber alles abschließen." Er blickte sich noch einmal um. "Niemand kommt an meine Familie heran, Les. Niemand! Du bist hier so sicher wie immer." Eigentlich besaß ja sie die entsprechende Spezialausbildung, aber Ben musste stets das Kommando führen. Und gegen ihren Willen freute sie sich unbeschreiblich über seine Zusicherung. "Du widersprichst mir nicht?", fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. "Ich möchte dich küssen", flüsterte sie und war betroffen, dass sie es ausgesprochen hatte. Ben küsste sie so sanft, dass sie es kaum fühlte. Oder waren ihre Lippen von der kalten Luft taub? Seine Zunge glitt über ihre Unterlippe und wärmte sie. "Zu kalt", sagte sie leise. "Ich brauche mehr Hitze." "Dann küss du mich." Anstatt zu antworten, schlang sie die Arme um ihn, zog seinen Kopf zu sich herunter und genoss den Kuss. Er schob die Hände unter ihren Sweater, das Shirt und das Unterhemd. Leslie sog scharf die Luft ein, als er die kalten Hände an ihren Brüsten wärmte, und sie zitterte, aber nicht nur vor Kälte. "Danach habe ich mich gesehnt, seit ich dich heute Morgen gesehen habe", flüsterte er an ihrem Ohr. "Es ist gefährlich. Ein zu großes Risiko." "Es fühlt sich verdammt gut an." Er ließ die Daumen über die Brustspitzen kreisen, während Leslie sich gegen ihn drückte. "Wir müssen aufhören", murmelte sie. "Das führt zu nichts." "Du bist schon immer für mich die größte Verlockung gewesen, Les", gestand Ben und trat zurück. Leslie betrachtete wieder die Fußabdrücke. "Das gefällt mir überhaupt nicht, Ben." "Es wird nichts passieren, das verspreche ich dir. Geh wieder hinein, und ich kümmere mich um das Holz. Sag Erin, dass ich beim Monopoly-Spiel mitmache." "In Ordnung." "Noch etwas, Les." "Ja?" "Vielen Dank dafür, dass du keine BHs trägst." Mit einem Grinsen drehte er sich um. Sie lächelte zufrieden vor sich hin. Offenbar hatte Ben seine Fröhlichkeit wieder gefunden.
5. KAPITEL Es war wie der normale Tag einer Familie. Dem MonopolySpiel folgte ein Spaziergang. Es hatte wieder zu schneien angefangen. Abends gab es gebratenes Hähnchen, Kartoffelpüree mit Knoblauch, Gemüse und einen Apfelauflauf. Ben und Leslie hatten gemeinsam gekocht, geredet, gescherzt, gelacht und einander berührt. Ben fühlte sich trotz seiner unerfüllten erotischen Wünsche wohl. Mit der Dunkelheit kamen dann die Erinnerungen. Erin wollte noch nicht schlafen gehen, und der Tag war zu schön gewesen, um ihn so früh zu beenden. So saßen sie vor dem Kaminfeuer auf dem Sofa. Erin hatte sich wieder den Platz zwischen ihren Eltern erobert. "Erzählt mir, wie ihr euch kennengelernt habt", bat sie. Leslie stöhnte. "Das ist so romantisch", meinte Erin verträumt. "Romantisch?", wiederholte Ben. "Was für eine Geschichte hat deine Mutter dir denn erzählt? Bestimmt nicht die echte." Erin runzelte angestrengt die Stirn. "Die Geschichte fing an, wie Onkel Gabe dich angemacht hat..." "Dieses Wort habe ich nicht benützt", protestierte Leslie. "Er hat geflirtet, sonst nichts. Gabe hat mit jedem Mädchen geflirtet."
"Bereits mit vierzehn hat er es dabei nicht bewenden lassen, Les", widersprach Ben. Gabes Spitzname war Romeo gewesen. Mit fünfzehn hatte er bereits mehr Erfolge beim anderen Geschlecht zu verzeichnen gehabt als Ben in seinem ganzen Leben. "Also, Onkel Gabe hat mit dir geflirtet", sagte Erin erwartungsvoll, Leslie seufzte und führte die Geschichte weiter. "Es war am ersten Tag der High School auf meinem Heimweg. Ich wollte nicht, dass Gabe sich um mich bemühte, weil ich Jungs überhaupt nicht mochte. Ich sagte ihm, er solle mich in Ruhe lassen, aber er hat sich nicht daran gehalten." "Dann hast du ihm eine verpasst." "Woher hast du nur diese Ader zu übertreiben, Kind? Ich habe ihm keine verpasst. Ich habe ihn zu Boden gestoßen und festgehalten. Alledings konnte ich das nur, weil er sich nicht gewehrt hat." Ben lachte. "Etwas so Komisches habe ich nie mehr gesehen. Das Haar hing ihr bis zum... also, bis zu den Hüften, und sie hockte auf Gabe und schrie ihn an. Und er schrie, dass sie von ihm aufstehen soll. Sie war wie eine kleine Hexe." "Und dann hast du sie von Onkel Gabe weggezogen und festgehalten, und sie hat sich im selben Moment in dich verliebt." Er blickte Les über den Kopf seiner Tochter hinweg an. "Hast du deine Mutter schon einmal erlebt, wenn sie wirklich wütend wird? Ich musste sie festhalten, sonst wäre sie noch einmal auf Gabe losgegangen. Er hat sie weiter herausgefordert." "Und dann ist Onkel Chase dahergekommen und hat ihn angeschrien, dass Männer Frauen respektieren müssen, und Onkel Sebastian hat euch auf eine Limonade eingeladen. Ihr seid alle Freunde geworden. Und du und Mom, ihr seid miteinander gegangen."
Ben wartete darauf, dass Les sich dazu äußern würde, doch sie starrte nur ins Feuer. Er wusste noch genau, wie es war, die Arme um ihre Taille zu schlingen und sie von Gabe zu heben, wie sie sich gegen ihn sträubte und ihr Po über seine Schenkel strich. Aus Versehen hatte er ihre Brust berührt, und auf einmal hatte sie sich ganz still verhalten. Genau im richtigen Moment war Sebastian aufgetaucht, der künftige Leiter der Studentenvertretung, der es schon damals verstanden hatte, Spannungen abzubauen. In dem Fall hatte er alle Beteiligten zu Limonade eingeladen. Ben hatte Sebastian die Einmischung verübelt. Er hatte Les nicht loslassen wollen. Zwei Wochen später hatte er sie das erste Mal geküsst. Das war vor achtzehn langen Jahren geschehen. Letzte Nacht hatte er sie geküsst, nachdem er sie drei Jahre nicht berührt und sie nur im Vorübergehen gesehen hatte. "Ja, seither sind wir alle Freunde", bestätigte Ben. Er strich seiner Tochter über das Haar und stellte mit Unbehagen fest, dass sie bald in das Alter kommen würde, in dem er Les kennen gelernt hatte. Und er erinnerte sich genau, was er in ihrer Nähe empfunden hatte und dass er sich kaum hatte zurückhalten können. Wenn er sich vorstellte, dass ein Junge mit zügellosen Hormonen Erin anfasste... "Onkel Gabe sagt, dass ihn eure Scheidung so getroffen hat, als wäre er selbst geschieden worden." Onkel Gabe hat ein großes Maul, dachte Ben. "Zeit zum Schlafengehen, Kleines." "Ach, Dad, nur noch eine Weile. Es ist Weihnachten. Außerdem möchte ich wissen, wie du Mom einen Heiratsantrag gemacht hast. Hast du dich hingekniet?" Er überlegte. Wieso erinnerte er sich nicht daran? "Ich weiß es nicht mehr." "Er hat mir keinen Heiratsantrag gemacht", sagte Leslie. "Uns war immer klar, dass wir heiraten würden. Das erging auch unseren Freunden so."
Stimmte das? Kein Heiratsantrag? Leslie lächelte. "Aber nach der Trauung nahm er mich im Vorraum der Kirche hoch und wirbelte mich immer wieder im Kreis herum. Mein Hochzeitskleid flog nur so, und wir haben uns in meinem Schleier verheddert. Ach, es war so ..." Sie stockte und schluckte. "Es war ein schöner Tag." Ben stand auf und kümmerte sich um das Feuer, obwohl es gar nicht nötig war. Die Hochzeit. Weder vorher noch hinterher hatte er Les jemals in einem Kleid gesehen. Als er ihr vom Altar aus entgegengeblickt hatte, musste er zweimal hinsehen, um ganz sicher zu sein, dass sie es auch wirklich war. Kleider mochte sie noch weniger als BHs und Schuhe. Die Erinnerungen schmerzten. Die Muskeln in seinen Schultern verkrampften sich, und er rollte den Kopf, um sie zu lockern. "Ich massiere dir den Nacken, Dad." "Du versuchst Zeit zu gewinnen, junge Dame." Erin lächelte koboldhaft. Wie sollte er ihr da widerstehen? Er setzte sich vor sie auf den Boden und war ihr dankbar, obwohl sie nicht genug Kraft in den Händen hatte. Scheinbar entspannt senkte er den Kopf und starrte wie hypnotisiert auf Leslies nackte Füße. Ohne zu überlegen, zog er einen Fuß zu sich heran und drückte ihn zärtlich. "Ganz ruhig, Tiger." Ben schloss die Augen. Wieso hatte er sie soeben mit ihrem alten Spitznamen angesprochen? Das war ihm einfach so herausgerutscht und hatte nichts zu bedeuten. Sie zog den Fuß ruckartig zurück, stand auf und verschwand im Bad. Er sah ihr nach. Am Tag ihres Kennenlernens hatte er ihren Namen noch nicht gekannt, und er hatte sie "ein knallhartes Mädchen" genannt. Später war "Tiger" daraus geworden. Und sie hatte Nachrichten und Briefe an ihn nie unterschrieben, sondern immer einen kleinen Tiger gezeichnet.
"Schlafenszeit, Schätzchen", sagte er zu Erin. Sie merkte, dass er es jetzt ernst meinte, widersprach nicht mehr, sondern umarmte ihn und bedankte sich für das "schönste Weihnachtsfest", wie sie sagte. Während sie fröhlich aus dem Zimmer hüpfte, war er erleichtert, dass der Tag so gut verlaufen war und dass die gestrigen Probleme ausgelöscht zu sein schienen. Les kam mit den Händen in den Gesäßtaschen zurück und sah ihn nicht an. "Erin geht jetzt schlafen", sagte er. Sie nickte. "Tut mir Leid, dass sie dich mit diesem Zeug bombardiert hat. Sie wird allmählich eine Heranwachsende, weißt du. Im Moment denkt sie oft an Jungen, und sie hört gern Geschichten aus unserer gemeinsamen Vergangenheit." "Ach ja, da ist auch ein Freund", sagte er. "Tyler." "Ein Freund?" Leslie blickte zum Schlafzimmer. "Das wusste ich gar nicht. Sie hat mir nichts erzählt." "Reagiere bloß nicht so heftig wie ich. Es bedeutet bestimmt nicht viel, dass sie ,miteinander gehen'. Sie sind nicht einmal beim Mittagessen oder in den Pausen zusammen. Da treffen sie sich mit Klassenkameraden." Leslie lächelte. "Es überrascht mich, dass sie mir gar nichts gesagt hat. Aber ich bin froh, dass ihr beide darüber redet." "Ich habe mich nie für prüde gehalten, bis ich Vater einer heranwachsenden Tochter wurde. Ich würde sie am liebsten einsperren, bis sie reif genug ist, um zu wissen, was sie wirklich will." "Das würde ich auch gern tun. Aber wären wir beide reifer gewesen, hätten wir Erin nicht. Es hat eben alles seine zwei Seiten." "Ich bin fertig!", rief Erin. Nachdem Ben und Leslie ihrer Tochter gute Nacht gewünscht hatten, stand ihnen noch der restliche Abend bevor. Leslie war noch nicht müde, aber sie konnte auch nicht mit Ben allein sein.
Seit dem Kuss am Morgen hatte er sie ständig mit scheinbar zufälligen Berührungen erregt. Wenn er es darauf anlegte, würde sie ihr Verlangen ganz sicher nicht zügeln können. Also gähnte sie und streckte sich, um Müdigkeit vorzutäuschen. "Der Tag ist gut gelaufen", stellte Ben fest. "Erin war glücklich." "Das war ich auch." "Es ist schon lange her, dass wir einen solch harmonischen Tag zusammen verbrachten." "Ich bin mir nicht sicher, ob wir jemals einen hatten." "Und was soll das nun bedeuten?", fragte Ben wesentlich kühler. Leslie drehte sich um. "Das soll bedeuten, dass wir früher sehr wenig Zeit als Familie verbrachten. Du bist immer beruflich fort gewesen und hast hart gearbeitet." "Das klingt nach Kritik. Du weißt, wie wichtig es für mich war, Les. Und du weißt, dass ich verhindern wollte, dass wir wie meine Familie leben. Es war meine Aufgabe, für unsere Zukunft zu sorgen. Und deine Zeiteinteilung hat auch nicht gerade das Beisammensein gefördert." "Ich will nicht darüber sprechen", wehrte sie ab. "Nicht heute Abend, Ben. Ich hätte nicht damit anfangen sollen. Ich bin einfach müde." "Vielleicht sollten wir die Luft reinigen, Les. Offenbar hast du Probleme mit unserer Vergangenheit." "Was vorbei ist, ist vorbei." Sie hatte endlich die Scheidung akzeptiert, und es gab kein Zurück mehr. "Es tut mir Leid. Hier holt mich alles, was ich vergangen glaubte, ein. Damit habe ich nicht gerechnet. Der Tag war schön, aber auch anstrengend, und jetzt muss ich allein sein." "Und ich dachte, wir hätten heute zu einem neuen Verständnis gefunden, Les. Aber du hast es nur für Erin getan."
Du nicht? Sie sprach die Frage nicht aus, weil sie die Antwort nicht hören wollte. "Wir waren uns einig, dass der Tag Erin gehört." "Hat er dir nicht gefallen?" "Darum geht es hier nicht." "Nein?" Er kam einen Schritt näher. "Hat er dir gefallen, Les?" Sie betrachtete Ben vorsichtig. "Aus dieser Diskussion kann nichts Gutes entstehen. Beenden wir lieber den Abend." "Vielleicht bekommen wir nie wieder diese Gelegenheit. Ich möchte hören, was du denkst." "Ich denke, dass sich keine zerbrochene Beziehung jemals völlig auflöst, Ben. Vielleicht sind durch unser Zusammentreffen manche Probleme an die Oberfläche gekommen, aber ich blicke nicht mehr zurück. Sobald wir in unser normales Leben zurückkehren, kann ich die Schritte nach vorne machen, zu denen ich bereit bin." "Und was gehört dazu? Heirat? Mit diesem Typ, mit dem du dich triffst?" "Du hast kein Recht, mich das zu fragen." "Hast du mit ihm geschlafen, Les?" "Zu dieser Frage hast du auch kein Recht." Der schöne Tag rückte schlagartig in weite Ferne. Wegen Erin dämpfte Leslie die Stimme. "Wie kannst du nur so besitzergreifend sein? Und wie kannst du mein Recht in Frage stellen, mir einen neuen Partner zu suchen, jemand, der sich für meine Arbeit interessiert, der wirklich wissen will, woran ich denke und wovon ich träume? Jemand, der Zeit für mich hat und mit dem ich noch ein Kind haben kann!" Ben zuckte zurück. "Seit wann hast du diesen Wunsch?" "Den hab ich schon immer gehabt. Und um auf deine Frage einzugehen, ob ich mit ihm geschlafen habe. Nun, es gibt einiges, das wichtiger ist als Sex."
"Du hast dich auf eine solche Beziehung eingelassen? Ausgerechnet du?" Sie musste dieses Gespräch beenden. "Das sollte wohl ein Kompliment sein. Belassen wir es dabei. Ich putze mir jetzt die Zähne und lege mich hin." Als sie an ihm vorbeigehen wollte, hielt er sie fest. "Du kannst nicht immer davonlaufen, Les. Wir müssen uns aussprechen." "Es ist vorüber, Ben." Er ließ sie abrupt los. Eine Stunde später starrte Leslie noch immer zur Decke des Wohnzimmers hoch. Bens besitzergreifendes Verhalten verwirrte sie. Früher war er nie eifersüchtig gewesen. Er hatte ihr vertraut, wie sie ihm vertraut hatte. Nie hatten sie Grund gehabt, an der Treue des anderen zu zweifeln. Aber jetzt, wo er weder Grund noch ein Recht hatte, wurde er plötzlich eifersüchtig. Ausgerechnet er! Hatte er nicht Affären mit anderen Frauen gehabt? Daran durfte sie gar nicht denken. Rasch stand sie auf und ging in die Küche, ließ sich vom Nachtlicht leiten und holte einen Apfel aus dem Kühlschrank. Dann setzte sie sich auf die Arbeitsplatte, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Schrank, biss in den Apfel und schloss die Augen. Nach einer Weile hörte sie ein leises Geräusch. Ben. Ben, wie sie ihn schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte, vielleicht sogar nie. Zielstrebig, grimmig, wild entschlossen. Er stützte die Hände links und rechts von ihr gegen den Schrank. "Der Sex zwischen uns war gut." "Ja." Leslies Herz fing an zu hämmern. Das war seine unberechenbare, seine rauhe Seite. Die Seite, die sie faszinierte und erregte. "Und wichtig." "Ja." Nie hatte sie sich so sehr als begehrte und begehrenswerte Frau gefühlt wie bei ihm.
"Ich konnte dich drei Mal hintereinander zum Höhepunkt bringen, und du hast nicht gewusst, wann der eine aufgehört und der nächste begonnen hat. Das hast du mir gesagt. Du selbst hast es gesagt!" "Es stimmt auch." Bei einem anderen Mann hätte es nach Prahlerei geklungen, aber sie erkannte, dass es für ihn als Mann wichtig war. Ihr Herz klopfte noch heftiger, als sie ihm ins Gesicht sah. Er war heftig, aber er würde nie brutal sein. Er konnte ihr gar nicht weh tun. Er konnte über sie hinweggehen, sie überfahren, aber nie im Zorn die Hand gegen sie erheben. Ben drängte sich zwischen ihre Beine. Sie presste die Knie seitlich an ihn. Er nahm ihr den Apfel aus der Hand und warf ihn in die Spüle. Und Leslie wartete voll Sehnsucht. Langsam schob er die Hände unter ihren Po und zog sie zu sich heran, bis er das Gesicht zwischen ihre Brüste drückte und Leslie ein heiseres Stöhnen entlockte. Sie schlang die Arme um seinen Kopf und keuchte, als er eine prickelnde Brustspitze mitsamt dem Stoff in den Mund nahm, mit den Zähnen darüber strich und rhythmisch daran saugte. Als er schließlich den Kopf hob und Leslie zärtlich musterte, rührte sie sich nicht. "Ich könnte dich wieder glücklich machen, jetzt und hier." "Was hält dich zurück?", flüsterte sie atemlos. "Ich will dich in mir fühlen", stieß sie erregt hervor und schob die Finger in sein Haar, küsste ihn. Als er anfing, sie mit den Fingern zu liebkosen, stöhnte sie unterdrückt. Ben zog die Hand zurück. Leslie verkrampfte sich vor Frust. Wieder berührte er sie, diesmal nur mit dem Daumen. Leslie legte den Kopf in den Nacken und drückte sich ihm entgegen. Atemlos flüsterte sie seinen Namen. "Ich habe dir gesagt, dass ich es vermag", sagte er so rau, dass er sich wie ein Fremder anhörte.
"Hör auf, mich zu quälen. Ich ertrage es nicht. Ich ..." Er hob sie von der Arbeitspläne. Leslie schlang die Beine um seine Taille und die Arme um seinen Nacken. Keinen Moment unterbrachen sie den Kuss, während er sie durch das Wohnzimmer in sein Schlafzimmer trug. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Leslie zitterte vor Verlangen. Ungeduldig zerrte sie an seinem Shirt, um endlich seine nackte Haut zu spüren. Dabei schloss sie die Augen und versuchte, den näher rückenden Höhepunkt hinauszuschieben, bis Ben sich mit ihr vereinigt hatte. "Das hat mir gefehlt..." Sie fuhr mit ihren Lippen über seinen Hals und lächelte, als er laut aufstöhnte. Ben stellte Sie auf das Bett und zerrte die Pyjamahose an ihren Beinen herunter, während sie sich auf seine Schultern stützte. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, küsste ihren Bauch und verwöhnte sie mit Zärtlichkeiten, dass sie am ganzen Körper zitterte. Wie hatte er vergessen können, wie unbeschreiblich die Liebe mit ihr war? Er zog sich schnell aus, bis sie nichts mehr trennte. Leslie zog ihn mit sich aufs Bett. Im nächsten Moment drang er tief in sie ein. Es war so vertraut... so perfekt. Die Wirklichkeit hörte auf zu existieren. Es gab nur noch sie beide und ihre Leidenschaft, der sie sich selbstvergessen hingaben. Und Ben behielt mit aller Kraft so viel klaren Verstand, dass sie nicht Erin weckten. Mit einem Kuss brachte er ihr Aufstöhnen beim Höhepunkt zum Verstummen. Doch kaum hatte Leslie sich ein wenig beruhigt, als Ben sie wieder reizte und sich gegen ihren schwachen Protest, dass sie nicht mehr könne - nicht schon wieder - hinwegsetzte.
Doch dann ließ sie sich nur allzu willig von ihm mitreißen. Und auch er suchte und fand unglaubliche Erfüllung, obwohl ihm so viel klar war... dass er soeben den größten Fehler seines Lebens begangen hatte. Aber wie sollte er bloß aufhören?
6. KAPITEL Leslie hörte Ben heftig atmen, als sie schließlich nackt und erschöpft nebeneinander lagen. Körperlich war sie befriedigt, gefühlsmäßig vernichtet. Wenn sie sich schon unbedingt als Närrin bestätigen wollte, hätte sie sich wenigstens Zeit nehmen und alles genießen sollen, was Ben zu bieten hatte. Stattdessen hatte sie ihn dazu angetrieben, sich zu beeilen, so als hätte sie ein Rennen gewinnen müssen. Wie konnte sie ihm jetzt noch ins Gesicht sehen? Was hatte sie getan? Alle bisherigen Fortschritte waren geplatzt. Und wofür? Für fünfzehn Minuten Lust? Sie barg das Gesicht in den Händen und wünschte sich, Ben würde etwas sagen. Doch offenbar war er so betroffen wie sie. Da er schwieg, verließ sie das Bett, sammelte ihre Kleider ein und hatte Mühe, nicht zu weinen, als es ihr nicht auf Anhieb gelang, sich anzuziehen. Ben sah ihr zu und überlegte, ob er ihr helfen sollte. Aber wahrscheinlich hätte sie jede Hilfe abgelehnt. Was sollte er sagen? Die Wahrheit? Dass diese schnelle Vereinigung mit ihr besser als alles gewesen war, was er seit der Scheidung erlebt hatte? Natürlich nicht.
Allerdings musste er irgendetwas sagen. Er setzte sich auf und wartete, bis Les fertig mit dem Anziehen war. Im Licht der kleinen Nachttischlampe bemerkte er eine Halskette, die sich in ihrem Shirt verfangen hatte. Etwas Goldenes baumelte daran. Les ließ die Kette mitsamt Anhänger so schnell unter dem Shirt verschwinden, dass Ben fast hätte glauben können, sich nur etwas eingebildet zu haben. Aber eben nur fast. Sie trug noch immer den Ehering? Wieso denn das? Es waren doch Jahre vergangen. "Les..." Sie legte ihm die Fingerspitzen an die Lippen. "Keine Versprechungen und keine Entschuldigungen", murmelte sie. Er hielt ihre Hand fest und drückte einen Kuss darauf. Sie durfte nicht denken, es hätte ihm nichts bedeutet. "Nicht." Ihre Stimme klang brüchig. Im nächsten Moment war Leslie aus seinem Zimmer verschwunden. Ben verstand nun, was mit "wie auf rohen Eiern gehen" gemeint war. Am Morgen genügte ein Blick in Leslies Gesicht, um zu wissen, dass ihre Beziehung sich unwiderruflich verändert hatte. Sie war in die Hütte gekommen, um einem großen Problem zu entfliehen. Stattdessen hatte er ein neues hinzugefügt. Hatte sie schon zerbrechlich gewirkt, so sah sie jetzt aus, als würde sie jeden Moment zusammenklappen. Während er das Frühstück zubereitete, brachte sie in der Hütte alles mit Höchstgeschwindigkeit in Ordnung. Ihr Lächeln galt nur Erin. Beim Frühstück redete auch nur Erin, während Ben sich zum Essen zwang und Les auf ihrem Teller herumstocherte. Wahrscheinlich war es gut, dass er mit Erin tagsüber auf der Schneepiste sein würde. Während Erin zum Wagen rannte, blieb Ben an der Tür stehen. "Sobald Erin heute im Bett ist, reden wir." Leslie straffte sich. "Mir geht es gut."
"Wir reden." "Wenn du willst." "Ich lasse dich nicht gern allein." "Du lieber Himmel, Ben! Ich bin Polizistin." Ich brauche dich nicht. Ben hörte es deutlich heraus. Als er den Wagen erreichte, klingelte das Telefon. Er wartete für den Fall, dass es für ihn war, aber Les öffnete nicht mehr die Tür. Vielleicht war es der neue Mann in ihrem Leben. Ein neuer Partner und ein neues Leben. Erin würde einen Stiefvater bekommen... Verdammt, daran hatte er noch gar nicht gedacht. All die Jahre über hatte er Erin gern mit Gabe, Chase und Sebastian geteilt. Er war dankbar gewesen, dass sich die Freunde um sie kümmerten. Doch ein Stiefvater lebte im selben Haus, er stellte Regeln auf und drückte Erin abends an sich, wenn er ihr eine gute Nacht wünschte. "Nun komm doch endlich, Dad!", rief Erin aus dem Wagen. Er stieg ein. Dad. Ob Erin ihn auch Dad nennen würde? Er blickte zur Hütte hinüber und wartete darauf, dass Les auf die Veranda trat und zum Abschied winkte. "Was ist los, Dad? Willst du heute nicht Ski laufen?" Nein, er wollte nicht Ski laufen. Er wollte seine Exfrau vor dem Kamin lieben. Und er wollte, dass sie ihn glücklich und nicht verzweifelt ansah. Für sie beide war es zu spät. Oder doch nicht? Er startete den Motor. Natürlich war es zu spät. Les lehnte noch immer das Leben ab, das er für sie geschaffen hatte. Sie brauchte ihn auch jetzt nicht. Vielleicht hatte sie in einem Punkt Recht. Sex war nicht das Wichtigste in einer Beziehung. Andernfalls wären sie nicht geschieden. "Moms Wagen ist weg", sagte Erin, als sie die Hütte am späten Nachmittag erreichten.
"Wahrscheinlich fährt sie spazieren", erwiderte Ben, ahnte jedoch, dass sie geflohen war. "Ja. Sie würde nicht wegfahren, ohne es uns vorher zu sagen. Ich muss ihr unbedingt von den Snowboards erzählen, die wir gemietet haben, und was für einen Sturz du gebaut hast", sagte Erin lachend. Ben war froh, dass er sich nicht alle Knochen gebrochen hatte. War er wirklich schon so alt? Er war stets ein guter Sportler gewesen, aber heute hatte er sich wie ein Ochse angestellt. "Brrr", sagte Erin, als sie die Haustür öffneten und die Ausrüstung hineintrugen. Das Feuer war erloschen. Les war offensichtlich schon lange fort. Erin blieb stehen. "Da ist eine Nachricht. Auf dem Kaminsims." Ben ging zögernd hin, nahm den Umschlag und überflog die wenigen Zeilen. "Sie wurde zum Dienst zurückgeholt und hofft, dass wir noch viel Spass haben. Und sie ruft dich später an." Erin stürmte aus dem Wohnzimmer und schlug die Schlafzimmertür hinter sich zu, dass alles wackelte. Ben ließ ihr - und sich - einige Minuten Zeit, bevor er an ihre Tür klopfte. Sobald er eintrat, schleuderte Erin ein Kissen an die Wand. "Blöder Dienst!" Er wusste genau, wie ihr zu Mute war. Er setzte sich neben seine Tochter. "Alles lief so gut", sagte Erin. "Ihr habt euch gemocht. Das habe ich gemerkt." "Wir haben uns immer gemocht." "Hör auf, Dad. Ich weiß, dass Eltern ihren Kindern solches Zeug erzählen." Sie hörte sich sehr altklug und verletzt an. Erin war kein kleines Mädchen mehr und durchschaute Halbwahrheiten. Er nahm sie in die Arme und ließ sie weinen.
"Es tut mir leid", flüsterte er und wünschte sich, sie würde nie wieder in ihrem Leben verletzt werden. "Ich hasse sie", stieß sie unter Tränen hervor. "Sie kann nichts dafür." "Wenn ich einmal Mutter bin, werde ich nicht arbeiten! Ich will auch keine blöde Scheidung. Bei mir bleiben alle zusammen und sind glücklich." "Ich wünschte, es könnte so mit uns sein, Erin, ganz ehrlich." "Ich will nicht mit ihr reden. Wenn sie anruft, sag ihr, dass ich schlafe." Ben antwortete nicht. Sie würde es sich wieder überlegen. Erin hatte eine gute Beziehung zu ihrer Mutter. Und das Leben würde sich wieder normalisieren. Im Büro des Dezernats beobachtete Leslie, wie ihr Partner John Mackey die Schulter hin und her bewegte, während er mit dem Lieutenant sprach. Vor vier Tagen war er neben Leslie zusammengebrochen, und Blut war aus einer Schusswunde in der Schulter geflossen. Jetzt war er wieder im Dienst, als wäre nichts geschehen. Nach fünfundzwanzig Jahren bei der Polizei war er hart im Nehmen. Mack lachte über etwas, das der Lieutenant sagte, kehrte an seinen Schreibtisch ihr gegenüber zurück und warf eine Akte darauf. "Alles in Ordnung?", fragte Mack und setzte sich. "Sicher. Wieso?" "Du siehst mitgenommen aus. Ich dachte, du fühlst dich besser, weil das offizielle Untersuchungsergebnis vorliegt." "Das tue ich auch." "Du gibst dir doch nicht noch immer die Schuld, dass ich getroffen wurde?" Sie zuckte die Schultern. "Hör auf damit, Les. Du hättest nichts machen können, gar nichts. Kapiert?" "Ja, Sir."
Er griff nach einer Akte und beugte sich zu ihr vor. "Dein alter Herr kommt gerade, viel Glück", flüsterte er und verließ rasch das Büro, noch bevor ihr Vater ihren Schreibtisch erreichte. In voller Uniform bot Hugh Sullivan einen imposanten Anblick - wie sein Vater und sein Großvater vor ihm. Er war groß und massig, hatte die Figur eines Catchers. Das rötliche Haar wurde an den Schläfen bereits grau. "Neuigkeiten sprechen sich schnell herum", sagte Leslie. "Ich habe gute Verbindungen. Freut mich, dass die Untersuchung abgeschlossen ist." Sein Ledergürtel knarrte, als er sich auf die Schreibtischkante setzte und sich umsah. "Ich bin aber nicht deshalb hier." Sie lehnte sich zurück. "Nein?" "Ich habe gehört, dass du mit deinem Exmann zusammen warst." "Mit Erin." "Und mit Ben." "Das war unvermeidlich, weil die beiden zusammen waren. Und?" "Ist es dir nicht in den Sinn gekommen, ich könnte mir Sorgen machen?" "Dad, ich war sicher, dass du dazu nichts Gutes sagen würdest. Ich habe nicht erwartet, die beiden in der Hütte zu treffen, aber ich sah keinen Grund, warum wir es nicht einige Tage miteinander aushalten sollten." "Habt ihr es ausgehalten?" "Ja." Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. "Du hast einen Moment gezögert." "Ich habe nicht gezögert, sondern mich erinnert. Es war großartig." Ihr Vater stand auf. "Dann geht es dir gut?" "Bestens."
"Und meiner Enkelin?" "Auch gut." Sie betrachtete ihn neugierig. "War das alles?" "Ja. Ich wollte nur nach dir sehen." Verblüfft sah sie ihm nach. Was hatte denn das zu bedeuten? Das Telefon klingelte. "Inspector O'Keefe." "Ich habe gehört, dass du wieder da bist." "Gabriel", erwiderte sie kühl. Noch hatte sie ihm nicht verziehen, dass er ihr diese Falle gestellt hatte. Er hätte wissen müssen, was passieren würde. "Wie geht es dir?", fragte er. "Es wäre mir lieber, wenn mich das nicht alle fragen würden." "In Ordnung." Er wartete offenbar darauf, dass sie von sich aus etwas erzählte, doch sie dachte nicht daran, seine Neugierde zu befriedigen. "Wie wär's, wenn du heute Abend mit Cristina und mir isst, Les?" "Nein, danke." "Du bist eingeschnappt." Sie wandte den wenigen Leuten im Raum den Rücken zu. "Wie kannst du es wagen, dich in unser Leben einzumischen?", fragte sie leise, aber schroff. "Das war nicht ich, Les, sondern das Schicksal. Ihr seid alle ganz von selbst in der Hütte zusammen getroffen. Ich habe es nur nicht verhindert." "Rechtfertigst du so dein Verhalten?" "Es ist nichts als die Wahrheit. Ist alles gut gegangen?" "Ach, es war sagenhaft, Gabe. Wir haben uns wild und leidenschaftlich geliebt wie nie zuvor." Gabriel schwieg eine Weile. "Das ist ein Scherz, nicht wahr?" "Was glaubst du?" Wieder zögerte er. "Ich glaube, dass es ein Scherz ist." "Na, siehst du."
"Alles in Ordnung in der Hütte?" "Bestens." "Offenbar bist du nicht bereit, darüber zu reden. Ruf mich an, wenn du so weit bist." "Sicher." Sie legte auf, ohne sich zu verabschieden. Er sollte ruhig noch eine Weile schmoren. Also, sie hatte ihren Vater und Gabe überstanden. Da konnte sie es gleich ganz hinter sich bringen. Seufzend wählte sie Alex' Nummer und hoffte insgeheim, dass er nicht an seinem Schreibtisch saß. "Agent Jordan", erklang seine kräftige, klare Stimme. "Alex, hallo! Ich bin es, Les. Hast du einen Moment Zeit?"
7. KAPITEL Ben folgte Erin mit ihrer Reisetasche in das Haus, das sie nach Erins Geburt gemietet und später gekauft hatten. Les war nur vier Straßen von hier entfernt aufgewachsen. Ihr Vater wohnte noch dort. Ben hatte in einem Apartmenthaus sieben Straßen entfernt in der anderen Richtung gewohnt. Zwischen den beiden Wohnvierteln bestand jedoch ein krasser Unterschied. Untere Mittelklasse bei Les, Unterklasse bei ihm. Ben stellte die Tasche in der Diele ab und sah zu, wie Les ihre Tochter umarmte. "Ich rufe Ashley an!" verkündete Erin und lief zu ihrem Zimmer. "Warte, junge Dame! Hast du dich bei deinem Vater bedankt?" "Mindestens eine Million Mal." "Vielleicht möchte er einen Abschiedskuss haben, hast du daran gedacht?" Erin warf sich ihm in die Arme. "Wiedersehen, Dad!" Dann war er mit Les allein. "Seit deiner Abreise hat sie mehrmals die Stimmung gewechselt", erklärte er und hielt seinen Ärger zurück. "Am Telefon klang sie noch ganz anders."
"Wir müssen darüber reden, Les. Ich habe während dieses Urlaubs einiges über sie erfahren, worüber wir sprechen sollten." "Morgen und am Sonntag habe ich frei." "Morgen früh fliege ich nach Seattle, sollte aber am Sonntag oder Montag wieder zurück sein. Dann rufe ich dich an." "Sollten wir so lang warten, wenn es ernst ist?" "So viel Zeit hat es." "Du bist böse auf mich", stellte sie fest. "Allerdings." "Ich konnte nach diesem Vorfall nicht bleiben, Ben, und das weißt du." "Ich bin nicht deshalb wütend. Es war richtig, dass du gegangen bist." Er dämpfte die Stimme. "Ich bin sauer, weil in deinem Leben etwas Wichtiges geschehen ist. Alle wissen es schon, nur ich nicht. Ich habe es von Gabe erfahren, nachdem ich ihm fast den Kopf abgerissen habe, weil er sich in unser Leben eingemischt hat." "Du wolltest nie Einzelheiten über meine Arbeit hören", wehrte Leslie ab. Der Vorwurf schmerzte, weil er stimmte. "Diesmal ist es an die Öffentlichkeit gelangt, und es hat auch Auswirkungen auf Erin." Jetzt benützte er Erin als Ausrede ... und hatte Erfolg damit. "Willst du die ganze Geschichte hören?", fragte Les, bot ihm jedoch nicht einmal Platz an. Er nickte knapp. "Na schön. Mack, mein Partner, und ich fuhren zu einer Frau, um ihre Aussage aufzunehmen. Ihr Ehemann hatte sie verprügelt. Mack und ich steigen aus dem Wagen, als der Ehemann aus dem Haus gestürzt kommt. In der Hand hält er eine Waffe, und er schreit etwas in einer Sprache, die wir nicht verstehen." Sie rieb sich die Arme, als würde sie frieren. Ben wartete.
"Wir gehen in Deckung und fordern Verstärkung an. Der Kerl kehrt ins Haus zurück. Dann hören wir ein Baby weinen und die Frau schreien. Um es kurz zu machen ... Ein für Geiselsituationen geschultes Verhandlungsteam trifft ein, erreicht aber wegen der Sprachbarriere nichts. Das Sondereinsatzkommando ist auch vor Ort. Als endlich ein Dolmetscher eingreift, scheint sich die Lage zu beruhigen. Der Mann kommt mit erhobenen Händen heraus... und plötzlich schießt er. Mack geht zu Boden. Ich ziele, kann aber nicht schießen..." "Warum nicht?" Sie schluckte. "Ein kleines Mädchen ist dem Vater aus dem Haus gefolgt. Die Mutter reißt es zwar zurück, als die Schüsse fallen. Doch laut Urteil der Untersuchungskommission hätte ich das Kind treffen können." "Was passierte dann?" Sie zuckte die Schultern. "Ein anderer hat den Mann außer Gefecht gesetzt." "Außer Gefecht gesetzt?" "Erschossen." "Wie geht es Mack?" "Er arbeitet wieder." "Und wie geht es dir, Les?" "Jetzt gut." "Hast du deshalb vor der Hütte geweint?" Sie hob ruckartig den Kopf. "Ich wurde davon wach", erklärte Ben. "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es mit deiner Arbeit zu tun hat. Also dachte ich, ihr hättet Schluss gemacht, du und - Alex. So heißt er doch, oder?" "Du hast mich zum Bleiben aufgefordert, weil ich dir Leid getan habe?", fragte sie verletzt.
"Ich habe dich zum Bleiben aufgefordert, weil du das offenbar dringend gebraucht hast. Ich wünschte, du hättest mir alles erzählt. Leslie presste die Lippen zusammen. Die Aussprache war für sie beendet. "Geht es dir wirklich gut, Les?" "Sehr gut. Alles läuft wieder normal." "Ich meine nicht die Arbeit, sondern - was zwischen uns passiert ist." "Aber ja." Sie zuckte zurück, als er sie am Arm berührte. Im Lauf der Jahre hatte er Les in allen möglichen Stimmungen erlebt, aber diese kannte er nicht. Sie hatte eine undurchdringliche Mauer zwischen ihnen errichtet. "Ich habe irrtümlich eines deiner Sweatshirts eingepackt", sagte sie und reichte es ihm. Es war ein Hinauswurf, auch wenn sie es nicht aussprach. Ben zögerte. "Ich wünschte, du würdest mit mir reden." Wenn Augen tatsächlich die Fenster der Seele waren, so drückten ihre tiefste Verzweiflung aus. "Was soll ich schon sagen?", fragte sie mit brüchiger Stimme. "Ich mache dir keinen Vorwurf. Ich bin ebenfalls schuld. Es war eben eine schwierige Woche. Jetzt kennst du ja den Grund. Aber ich komme klar, Ben, ehrlich. Was ist mit..." Er wartete, doch Leslie vollendete den Satz nicht. Wollte sie wissen, was mit ihm war? "Es ist wahrscheinlich nicht ungewöhnlich, dass ein Paar nach der Scheidung wieder zueinander findet." "Soviel ich weiß, passiert das häufig, weil man miteinander vertraut ist. Das ist natürlich keine Entschuldigung." "Natürlich nicht. Aber es war gut, Les, verdammt gut." "Es war vor allem schnell." "Ja, aber verdammt gut." "Es war..."
"... lange her, ich weiß." Er beobachtete, wie ihre Brustspitzen sich aufrichteten. Im nächsten Moment warf Leslie sich in seine Arme und küsste ihn. Ben drückte sie an sich und erwiderte den Kuss, stöhnte gleichzeitig mit ihr und schob sie wieder von sich. Heftig atmend sahen sie einander an. Leslie lächelte flüchtig. "Und jetzt?" "Ich weiß es nicht. Ich weiß absolut nichts mehr, Les. Ich kann nicht mehr denken. Mein Verstand ist in einen Körperteil gerutscht, der völlig eigene Vorstellungen von dem, was ich möchte, hat. Dein Gesicht würde wahrscheinlich glühen, könntest du sie hören." "Ich glühe bereits." Er legte ihr die Hand in den Nacken und zog sie zu einem weiteren Kuss zu sich heran. Diesmal war es ein tiefer Kuss. Er streichelte ihre Brust, und sie flüsterte seinen Namen, presste die Hüften an ihn und rieb sich an ihm. "Mom! Kann Ashley ... Hoppla!" Leslie wich zurück. "Ich wusste, dass ihr euch mögt! Ich wusste es!" jubelte Erin. "Geh", flüsterte Leslie verlegen Ben zu. "Ich erledige das." "Ruf mich später an und sag mir, wie es gelaufen ist." Er beugte sich zu ihr herunter und flüsterte ihr zu: "Und vielleicht solltest du für eine Weile die Arme verschränken." Er schloss die Tür hinter sich, und Leslie verschränkte lässig die Arme über den Brüsten mit den verräterischen Knospen, ehe sie sich zu ihrer hoffnungsvoll lächelnden Tochter umdrehte. "Kann Ashley was?" "Ihr habt euch geküsst, du und Dad." "Ich - habe mich bei ihm bedankt." "Ihr habt euch wie die Leute in den Filmen geküsst, Mom. Ich kenne den Unterschied." "Wartet Ashley am Telefon?" Erin strahlte. "Kann sie bei mir übernachten?" Les war für den Aufschub dankbar. "Sicher."
Erin verschwand, und Leslie schlug die Hände vors Gesicht. Was hatte sie getan? Es hatte sich doch nichts zwischen Ben und ihr geändert! Zuerst musste sie endlich das Lächeln loswerden, das nicht von selbst verschwinden wollte. Dieses Lächeln, das offenbar nicht vom Kopf, sondern von tiefer gelegenen Regionen ihres Körpers gesteuert wurde. Dieses Lächeln, das ihre Freude darüber zeigte, wie schnell sie Ben erregen konnte. Ihr Selbstbewusstsein als Frau war wieder hergestellt. Sie konnte ihn ganz schön schnell erregen. Das war ein Triumph, der ihr sehr guttat. Am Sonntagabend betrat Ben das Wilson Buckley Youth Center. Chase Ryan war der Verwalter des Jugendzentrums, und hier fanden seit fast zehn Jahren ihre freundschaftlichen Basketballspiele statt. Aus der Sporthalle hörte er Männerstimmen und das dumpfe Geräusch eines Basketballs und entspannte sich. Er war auf Gabe nicht mehr wütend. Die Verantwortung für alles, was sich zwischen ihm und Les abgespielt hatte, lag allein bei ihnen. Ben blieb im Eingang stehen und sah seinen Freunden zu. Sie strengten sich nicht sonderlich an. Er hatte den Eindruck, als würden sie sich nur aufwärmen, aber als Gabe einen Korb warf, nannte er den Punktestand. "Was ist los?", fragte Ben und betrat die Halle. "Sehnt ihr alten Ehekrücken euch schon wieder nach euren Liegestühlen und einem Bier?" "Wie Chase das hält, weiß ich nicht", erwiderte Gabe. "Aber ich reserviere mir noch etwas Kraft für Cristina heute Nacht." Er warf locker nach dem Korb und fing den Ball, der vom Rand abprallte. Sobald Ben sich bis auf Turnshorts und T-Shirt ausgezogen hatte, warf Gabe ihm den Ball zu. Ben fing ihn, warf und erzielte prompt einen Korb.
"Les sagte, dass du in Seattle wärst", bemerkte Chase und nahm den Ball auf. "Bin gerade zurückgekommen und war noch nicht einmal daheim. Fangen wir neu an?" "Sicher." Sie spielten eine Stunde, und Ben zwang die anderen, härter ranzugehen. Hinterher ging Chase Bier aus seiner Wohnung über dem Jugendzentrum holen. Gleichzeitig wollte er nach seiner schwangeren Frau Tessa sehen. "Der hingebungsvolle werdende Vater", bemerkte Ben und setzte sich auf die vorderste Zuschauerbank. "Du wirst noch wissen, wie das ist." "Von wegen! Les hat es nicht zugelassen, dass ich mich hingebungsvoll zeigte." "Du warst hingebungsvoll, und du bist vor Stolz fast geplatzt." Gabe ließ keine Gelegenheit aus, um Ben daran zu erinnern, was er verloren hatte. Er lächelte unschuldig, als Ben ihm einen bösen Blick zuwarf. "Ist Cristina daheim?", fragte Ben, um das Thema zu wechseln. "Sie ist oben bei Tessa und freut sich, dass sie nicht mitspielen muss." Gabe setzte sich. "Also, ist zwischen uns wieder alles klar?" "Sicher."
"Du und Les, ihr habt die Feiertage genossen?"
"Hast du erwartet, dass wir uns gegenseitig an die Gurgel
gehen, während Erin zusieht? Wir sind miteinander ausgekommen." "Ja. Les hat mir erzählt, dass ihr euch wild und leidenschaftlich geliebt habt." Ben drehte sich ruckartig zu seinem Freund um, der vergnügt lächelte. "Sie hat es erzählt? Das hat Les dir erzählt?"
"Hey, ich weiß, es war nur ein ..." Gabe runzelte die Stirn. "Es war kein Scherz?" Ben biss die Zähne zusammen. "Du Idiot!" Gabe packte ihn am Arm. "Hast du den Verstand verloren?" Ben riss sich los. Er musste mit jemandem reden, aber nicht ausgerechnet mit Gabe, der sich stets auf Leslies Seite schlug. "Hättest du nicht vielleicht etwas noch Dümmeres machen können?", fragte Gabe. "Wohl kaum", erwiderte Ben ruhig, obwohl er innerlich aufgewühlt war. "Es ist nun mal passiert. Hast du nicht damit gerechnet, als du uns in die Falle hast laufen lassen?" "Verdammt, nein! Wie geht es ihr?" "Wahrscheinlich ist sie so durcheinander wie ich." "Wahrscheinlich? Du bist dir aber nicht sicher?" "Ich kann sie nicht so leicht durchschauen wie früher. Sie hat sich verändert... Ich übrigens auch. Wir lassen nichts mehr so leicht aus uns heraus." Ben seufzte. "In der Hütte gab es so viele Erinnerungen, dass es eben passiert ist." "Was ist eben passiert?" Chase kam mit zwei Flaschen Bier und einer Tüte Brezeln herein. "Er ist zu Weihnachten mit Les ins Bett gestiegen." "Es lag nicht allein an mir." Ben stand auf und lief rastlos hin und her. "Ich glaube, Les hat seit der Scheidung mit keinem anderen Mann geschlafen. Könnt ihr euch das vorstellen?" "Ich schon." Chase hielt ihm eine Flasche hin und stellte sie auf die Bank, als Ben den Kopf schüttelte. "Also, mich wundert es", beharrte Ben. "Ich habe in den vergangenen Jahren viele Angebote von Frauen erhalten. Die meisten habe ich abgelehnt, einige angenommen. Dabei musste ich mich nie bemühen. Frauen sind so verdammt aggressiv. Sie nehmen sich, was sie haben wollen. Les scheint eine Ausnahme zu sein. Ich verstehe Frauen nicht. Ich verstehe sie überhaupt nicht."
"Du brauchst Frauen nicht zu verstehen", entgegnete Gabe sehr beherrscht. "Du musst nur Les verstehen." Ben fluchte laut. "Wieso rede ich eigentlich mit euch darüber?" "Weil du uns vertraust", antwortete Chase schlicht. "Nur dir vertraue ich", sagte Ben, doch das stimmte nicht ganz. Er vertraute auch Gabe, aber es war mit ihm komplizierter. Ben nahm einen Schluck Bier. "Erin hat gesehen, wie wir uns küssten." "Dann mach dich auf ziemlichen Druck von ihr gefasst." "Ich weiß. Hat sich etwas geändert? Les und ich wollen nicht mehr das Gleiche. Wir sind jetzt so völlig verschieden, als würden wir uns in entgegengesetzten Richtungen auf einer kreisförmigen Straße bewegen." "Eine kreisförmige Straße trifft irgendwo wieder aufeinander", sagte Chase und hielt ihm die Tüte hin. Ja, im Bett... Ben nahm sich einige Brezeln. "Aber ..." Eine Frauenstimme beendete das Gespräch. "Höre ich da vielleicht eine philosophisch angehauchte Diskussion, Cristina? Wo bleibt denn die Prahlerei nach dem Spiel? Sind wir überhaupt in der richtigen Halle?" "Es hört sich eher nach Geometrie an, Tess." Die Männer drehten sich zu den beiden Frauen um. Ben war dankbar für die Störung. Die Frauen blieben vor ihnen stehen, sahen einander an und betrachteten wieder die Männer. "Die haben was auf dem Kerbholz", stellte Cristina fest. Ben zog Jeans und Jacke an. "Bis nächste Woche", verabschiedete er sich, und die anderen murmelten etwas, während er ging. Er rechnete damit, dass Gabe und Chase sein Geheimnis mit ihren Frauen teilten, und er wollte nicht auch noch die Kommentare der Frauen hören. Es reichte ihm. Eine Viertelstunde später tippte er den Zahlencode für sein Penthouse ein und fuhr mit dem Aufzug nach oben. Sein Gepäck stellte er im Schlafzimmer ab und ließ sich aufs Bett fallen.
Nach einer Weile griff er nach dem schnurlosen Telefon auf dem Nachttisch und drückte eine Schnellwahl-Taste. "Ich bin es", sagte er, als Les sich meldete. "Wo bist du?", fragte sie sanft. "Daheim." "Gefällt dir mein Geschenk?" . "Welches Geschenk?" Er setzte sich auf und sah sich um. "Der Schuldschein von Weihnachten. Rufst du nicht deshalb an?" Ben ging ins Wohnzimmer. Neben dem Kamin lehnte ein Ölgemälde an der Wand. Es war ein Porträt von Erin, als sie fünf war. Gabe hatte es gemalt. "Les..." "Aha, jetzt hast du es gesehen." Er strich über den Rahmen und das rote Satinband, mit dem es wie ein Geschenkpaket geschmückt war. "Das kann ich nicht annehmen." "Es ist dein Lieblingsbild." "Auch deines. Wenn wir ihn bitten, fertigt Gabe bestimmt ein Duplikat an." "Es ist ein Original. Erin ist ein Original. Ich möchte, dass du es behältst, Ben, bitte. Es würde mich sehr glücklich machen." "Du musst mir nichts zu Weihnachten schenken." "Ach, nein?" "Lieber Himmel, Les! Bei solchen Gelegenheiten weiß ich einfach nicht mehr, warum wir uns überhaupt haben scheiden lassen." Sie schwieg eine ganze Weile. "Viele Paare kommen nach der Trennung besser miteinander aus." War ihre Ehe wirklich so schlecht gewesen, wie er angenommen hatte? "Wahrscheinlich stimmt das." "Wann können wir uns treffen und über Erin sprechen?", fragte Les.
"Sie hat erwähnt, dass sie morgen an Silvester bei Ashley übernachtet." "Ich muss morgen leider arbeiten." "Könnte ich nicht nach deinem Dienst zu dir kommen?" Les zögerte. "Nicht zu mir, Ben. Ein neutraler Ort wäre mir lieber." Er überlegte. "Du warst noch nie im Penthouse. Hättest du etwas dagegen? Wir wären ungestört, und hier gibt es auch keine gemeinsamen Erinnerungen." "Das geht in Ordnung. Ich komme nach der Arbeit." "Les ..." "Ja?" "Gabe und Chase wissen wegen Weihnachten Bescheid." Sie schwieg. "Ich habe nichts verraten. Du hast es offenbar Gabe erzählt. Er hat es für einen Scherz gehalten. Darum hat er es überhaupt mir gegenüber erwähnt. Und ich habe es bestätigt, weil ich es anfangs nicht mitbekommen habe, dass es ein Scherz war. Es tut mir Leid." Les seufzte. "Erin hätte Gabe auf jeden Fall erzählt, dass sie uns beim Küssen ertappt hat. Also wären wir ohnedies ins Kreuzverhör genommen worden. Wie haben die beiden darauf reagiert?" "Wie zu erwarten war. Les, iss nichts, bevor du morgen kommst. Ich bereite das Abendessen vor. Ruf nur an, bevor du dich auf den Weg machst." Nachdem er sich noch einmal für das Bild bedankt hatte, hängte er auf. Morgen wollte er alles regeln. Gemeinsam würden sie bestimmt eine Möglichkeit finden, was sie mit Erin machen sollten. Zum ersten Mal würden sie ganz allein sein. Aber sie waren in ihrer Beziehung an einem neuen Punkt angelangt Und mussten entscheiden, was die Veränderungen bedeuteten.
Außerdem bedeutete ein neues Jahr - ein neues Jahrtausend einen Neubeginn. Schon allein aus diesem Grund mussten sie vor Ablauf des alten Jahrtausends die Vergangenheit klären.
8. KAPITEL Als Leslie ihren Wagen in der Parkgarage unter dem Hotel abstellte und zum Aufzug ging, war sie so nervös wie noch nie zuvor. In der Garage standen nur wenige Wagen. Die meisten Gäste nutzten den hoteleigenen Fahrdienst, weil sie geschäftlich in der Stadt waren. Die Suiten waren astronomisch teuer, boten jedoch vollen Komfort in jeder Hinsicht. Einrichtung, Essen, Service, Sekretärin, Masseuse - alles war Spitze. Jede Suite wurde exklusiv an eine Person oder Firma vermietet und stets bereitgehalten. Allerdings erlaubten einige Mieter dem Management eine Weitervermietung, während die Suite leer stand. Dafür erhielten sie einen Preisnachlass. Seit der Eröffnung hatte es noch keine freien Suiten gegeben. Ganz im Gegenteil, die Warteliste war lang. Ben hatte eine Marktnische gefunden und mit seinem Konzept in Seattle und im Silicon Valley den gleichen Erfolg erzielt. Leslies Schritte hallten in der Garage. Wieso hatte Ben für diesen besonderen Silvesterabend keine Verabredung? Das heißt, vielleicht hatte er eine, wollte sich mit ihr nur beim Abendessen aussprechen und dann in das neue Jahrtausend mit einer anderen Frau hineinfeiern. Die Tür des Aufzugs öffnete sich.
"Ich habe dich vorfahren gesehen." Ben hielt die Hand vor die Fotozelle, um die Tür offen zu halten. Er trug einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine Krawatte im gleichen Braunton wie seine Augen. Die Wirkung war faszinierend. Leslie betrat den Aufzug. "Du siehst fantastisch aus." Er tippte eine Zahlenkombination ein. "Tue ich das?" "Es hat mich umgehauen. Ich habe vergessen, dass du Geschäftsmann bist." "Du siehst heute Abend auch nicht wie eine Polizistin aus." In der Mittagszeit hatte sie eine taubenblaue Hose und eine Seidenbluse im selben Farbton und mit winzigen Knöpfen am Rücken gekauft. Abgesehen vom Hochzeitskleid waren es die femininsten Sachen, die sie je besessen hatte. "Das war vermutlich ein Kompliment." "Es war ein Kompliment. War deine Bemerkung auch eines?" Leslie nickte. Die Tür öffnete sich, und sie traten auf einen mit Teppich bespannten Absatz hinaus, von dem man ein elegant und behaglich eingerichtetes Wohnzimmer überblickte. Leslie blieb bewundernd stehen. "Schön, Ben, wirklich schön." "Du klingst überrascht." Sie ging die drei Stufen in den Raum hinunter. "Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Wahrscheinlich eine Junggesellenhöhle. Aber das ist toll." Die Dekoration war in Herbsttönen gehalten. In Rot, Gold und Erdfarben. Erins Bild hing auf dem Ehrenplatz über dem Kamin. Zwei weitere Gemälde von Gabe und ein Aquarell von Cristina zogen Leslies Aufmerksamkeit an. "Es ist mein Zuhause", sagte Ben. "Was möchtest du trinken?" Brauche ich einen klaren Kopf, oder kann ich meine Hemmungen über Bord werfen? "Was hast du?"
"Einen sehr schönen Cabernet, den ich auf einem kleinen Weingut an der Küste entdeckt habe. Möchtest du ihn probieren?" "Gern." Ben trat hinter eine Bar und öffnete eine Flasche. Leslie kam es vor, als wäre sie in einem Cary-Grant-Film gelandet. Das war die einzige Erklärung, wieso sie sich auf einmal so unbeholfen fühlte. Normalerweise blieb es bei Pizza und Bier, wenn sie ausging, abgesehen von dem gelegentlichen Abendessen mit Gabe in einem schönen Restaurant. Doch das gab es in letzter Zeit auch nicht mehr, weil er sich um seine Ehefrau kümmern musste. Sie schnupperte. "Hier duftet etwas sehr gut." "Geschmortes Lamm." Er reichte ihr ein halb gefülltes Weinglas. Wie viele Frauen waren schon hier gewesen? Wie viele hatte sich der Aufmerksamkeit dieses unglaublich gut aussehenden, eleganten Mannes erfreut ... seines Körpers ... seiner Fähigkeiten im Bett... Aufhören! Das durfte sie sich nicht antun. Vorbei ist vorbei! "Du bist sehr still", stellte Ben fest und nahm einen Schluck. Leslie war froh, dass er nicht die ganze Prozedur mit schnüffeln, kreisen lassen und kosten durchgezogen hatte. Sie nahm einen großen Schluck und hustete. "Du bist nervös", sagte er überrascht und klopfte ihr liebevoll auf den Rücken. Sie schluckte ein paar Mal. "Ja." "Warum?" "Keine Ahnung." "Ich würde dir ja anbieten, irgendwohin zu gehen, aber am Beginn des neuen Jahrtausends finden wir sicher nirgendwo einen Tisch. Und falls doch, wäre es laut. Wenn du willst, können wir ins Restaurant hinuntergehen."
Albern, dachte Leslie. Eine Stunde würde sie es doch wohl allein mit ihm aushalten, auch wenn er so elegant und weltgewandt wirkte, wie sie ihn bisher nicht gekannt hatte. Sobald sie über Erin redeten, würde er ihr schon wieder vertraut sein. "Hier ist es schön. Ich bleibe gern hier", erwiderte sie. "Wir haben noch Zeit, bis das Essen fertig ist. Setz dich." Sie schaffte es, nicht über die eigenen Füße zu stolpern, und drückte sich in eine Ecke des weichen Ledersofas. Ben setzte sich in die Mitte. "Du wolltest über Erin sprechen", drängte Leslie. "Ich werde dich nicht beißen, Les." Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. "Könntest du das Jackett ausziehen und die Krawatte lockern? Ich würde mich dann viel besser fühlen." "Du hast mich schon im Abendanzug gesehen." "Nicht so. Nicht, wenn wir allein sind und es keinen besonderen Anlass gibt." Er erfüllte ihre Bitte, hängte das Jackett über einen Barhocker, nahm die goldenen Manschettenknöpfe ab und rollte die Ärmel hoch, bevor er die Krawatte lockerte. "Ich muss mich später noch unten zeigen, sonst würde ich etwas anderes anziehen." "Das hilft mir schon, danke." "Gern geschehen." Er setzte sich wieder aufs Sofa und griff nach seinem Glas. "Wie findest du den Wein?" "Gut. Könnten wir jetzt zum eigentlichen Thema kommen?" Ben lehnte sich zurück. "Erinnerst du dich, wie wir uns vor einigen Monaten am Telefon einig waren, dass Erin sich mit unserer Scheidung erstaunlich gut abgefunden habe?" "Ja. Wir waren geradezu begeistert. Es hatte sich gelohnt, sie immer an erste Stelle in unserem Leben zu setzen." "Ich glaube, wir waren voreilig."
Leslie stellte das Glas auf den Couchtisch. "Das verstehe ich nicht. Es geht ihr gut. Sie hat sich der Situation angepasst." "Sie ist anderer Meinung." Ben stellte sein Glas neben ihres und beugte sich zu Leslie herüber. "Sie findet, dass wir uns gar nicht erst hätten scheiden lassen, wenn wir sie tatsächlich an die erste Stelle gesetzt hätten. Sie hat geweint, Les. Es hat mir das Herz gebrochen." Leslie fröstelte plötzlich. "Und ich dachte, alles wäre in Ordnung mit ihr." "Das dachte ich auch. Was können wir also tun?" "Wann ist das geschehen?" "Am Morgen nach deiner Ankunft in der Hütte. Wir fuhren zur Piste. Ich musste unterwegs anhalten." "Und du glaubst nicht, es habe nur etwas damit zu tun, dass wir plötzlich gezwungen waren, Tag und Nacht zusammen zu verbringen?" "Ich habe lange darüber nachgedacht. Nein, ich glaube es nicht. Sie hat es nur bisher in sich verschlossen gehalten, und sie hätte es wahrscheinlich nie aus sich herausgelassen." "Genau wie wir." "Wie wir?", hakte Ben nach. "Zwischen uns hätte sich nichts abgespielt, wären wir nicht dermaßen isoliert und mit unseren Erinnerungen allein gewesen. Erin hat zu heftig auf eine gefühlsbeladene Situation reagiert." "War das zwischen uns auch so? Haben wir zu heftig auf gefühlsmäßigen Stress reagiert?" "Ich kann nicht für dich sprechen." Sie holte tief Luft. "Aber das ist nicht das eigentliche Problem. Was machen wir mit Erin, vor allem nachdem sie gesehen hat, dass wir uns - ziemlich heiß - geküsst haben?" "Das wird schwierig." "Wir müssen ihr ganz offen sagen, dass es zu keiner Versöhnung kommt. Wenn sie uns dann mit anderen Partnern zusammen sieht, wird sie es hoffentlich glauben."
Mit anderen Partnern. Ben nahm einen Schluck Wein. "Heißt das, dass Alex in deinem Leben eine größere Rolle spielen wird?" Und im Leben meiner Tochter? "Alex und ich haben uns geeinigt. Ich glaube, Ben, dass Erin nur auf diese besondere Situation reagiert hat. Seit der Trennung gab es nie Anzeichen, dass es anders wäre." "Und ich glaube, dass du dich irrst und dass es in ihr nagt." Er stand auf, füllte sein Weinglas nach und fragte sich, ob Les nun mit Alex geschlafen habe oder nicht. "So wütend wie nach deiner Abreise habe ich sie noch nie gesehen. Sie sagte, dass sie später, wenn sie selbst Mutter ist, nicht arbeiten wird und auch keine alberne Scheidung haben will. Alle sollen zusammen bleiben und glücklich sein. Und ich habe dir bei deinem Anruf an dem Abend gesagt, dass sie schläft, weil sie mich darum gebeten hat. Sie hat nicht geschlafen, aber ich wollte sie zu nichts zwingen, das sie noch mehr aufregt. Am nächsten Morgen haben wir die Wogen geglättet." Er stand hinter der Bar und sah, wie Leslie den Kopf zurücklehnte und das Gesicht mit den Händen bedeckte. "Es tut mir leid, Les. Dagegen gibt es keinen Zauberspruch, und wir können auch nicht hoffen, dass die Wunden in kurzer Zeit heilen werden." Sie war sehr blass, als sie sich zu ihm wandte. "Ich weiß, dass Kinder Gefühle verbergen, Ben, aber ich dachte, wir hätten bei Erin alles richtig gemacht." "Sie entwickelt sich so gut, wie das für ein Kind nur irgendwie möglich ist, aber sie hat sich eben nicht völlig mit der Scheidung abgefunden. Ich habe den Eindruck, dass sie mit Gabe offener als mit sonst jemandem spricht. Es hat mich getroffen, als sie sagte, für Gabe wäre unsere Scheidung ein solcher Schlag gewesen, fast so als wenn auch er geschieden worden wäre. Sie steht ihm sehr nahe." "Wir sollten dankbar sein, dass sie mit ihm gesprochen hat, wenn sie das schon nicht bei uns getan hat."
"Aber sie kann doch mit uns über alles reden." Ben schüttelte den Kopf und seufzte. "Ich verstehe nicht, wieso sie das anders sieht." "Mir hat sie nicht einmal etwas von dem Schulfreund erzählt", bemerkte Leslie bedrückt. Der Küchenwecker schrillte. Es war eine willkommene Ablenkung. "Das Fleisch ist fertig." Sie sahen einander an. Wie soll es jetzt weitergehen, fragte sich Ben im Stillen. "Gönnen wir uns eine kleine Pause, einverstanden, Les? Bleib sitzen und genieße den Wein, während ich mich um das Essen kümmere." "Kann ich den Tisch decken oder anders helfen?" "Alles erledigt." Er ging zur Küche. "Ben?" Leslie stand unsicher auf. "Ich ertrage es nicht, dass Erin unglücklich ist." Er legte ihr die Hände auf die Schultern. "Ich weiß." "Ich habe versagt. In letzter Zeit scheine ich auf allen Gebieten zu versagen." Da er genau wusste, wie sie sich fühlte, zog er sie an sich und streichelte ihren Rücken, damit sie sich entspannte und ... Hey, was war das? Er tastete noch einmal über ihren Rücken. "Du trägst einen BH." Leslie wurde rot. "Ich wusste nicht, dass du BHs trägst." "Es gibt vieles, was du von mir nicht weißt." Damit war das Thema eindeutig beendet, und Ben machte einen Schritt zurück. "Du kannst mir in der Küche Gesellschaft leisten, Les. Dafür musst du nachher auch kein Geschirr spülen." "Dagegen hätte ich nichts einzuwenden. Es wäre eine angemessene Gegenleistung für das Abendessen."
In der Küche war Leslie von der Größe des Raums und der professionellen Ausstattung beeindruckt. Alles war aus Edelstahl wie in den allerfeinsten Restaurants, und in der Mitte gab es eine Kochinsel mit zusätzlicher Spüle und einer Kochstelle. Hier könnte Ben leicht hundert Leute versorgen. "Bestimmt hast du oft Gäste", bemerkte sie. "Eigentlich nicht. Ursprünglich habe ich es so geplant, aber ich habe nicht damit gerechnet, wie anstrengend es ist, dieses und die beiden anderen Hotels zu leiten. Vor etwa zwei Wochen habe ich Gabe mit Cristina und Chase mit Tessa hier gehabt." Er zögerte. "Es war ein netter Abend." Das schmerzte. Ihre gemeinsamen Freunde waren jetzt getrennt seine und ihre Freunde. Ob er an dem Abend auch eine Frau eingeladen hatte? Sicher, sonst wäre er das fünfte Rad am Wagen gewesen. Die zahlreichen, an der Kühlschranktür befestigten Blätter machten sie neugierig. Erins Schulzeugnis, eine Klassenarbeit, eine Zeichnung. Fotokopien. Alles Fotokopien. Offenbar machte Ben diese Kopien, wenn er Erin gelegentlich abholte. Die Originale brachte sie zu ihrer Mutter heim, wo sie genauso wie hier an den Kühlschrank gepinnt wurden. Der einzige Unterschied war, dass die Kopien schwarzweiß waren und die Originale farbig. Es tat ihr für Ben Leid, dass durch die Trennung Farbe aus seinem Leben geschwunden war. Jetzt freute sie sich noch mehr, dass sie ihm das Porträt geschenkt hatte. Und sie schwor sich, dass er öfters die Originale von Erins Zeugnissen erhalten sollte. "Kann ich dir helfen?", fragte Leslie, um sich abzulenken. "Setz dich, damit ich einen hübschen Anblick habe." Ben legte den Lammbraten und geröstete Kartoffeln auf eine Platte und stellte die Pfanne auf den Herd. Leslie hatte ihm immer gern beim Kochen zugesehen. Seine Hände waren groß und kräftig, und doch waren sie niemals
plump. Sie fand es fast elegant, wie er hackte und schnitt und das Gekochte arrangierte. "Was gibt es dazu?", erkundigte sie sich. "Frischen Spargel und grünen Salat." "Ich könnte den Salat mischen." "Ich habe das Dressing noch nicht gemacht." "Oh." Sie ertappte ihn dabei, wie er ihre Brüste heimlich betrachtete, doch er blickte schnell wieder weg. Ben stellte die Kochplatte auf geringe Hitze, um die Soße zu reduzieren, und senkte den Spargel in einen Topf. "Ich weiß, dass du das absichtlich machst", behauptete er. "Was?", erkundigte sie sich gespielt harmlos. Flirtete sie? Das war neu. "Du weißt schon." "Funktioniert es?" "Wenn du das Essen ausfallen lassen und ins Bett willst, brauchst du es nur zu sagen, Les." "Das war direkt." "Ich wünschte, du wärst es auch." Er warf ihr einen scharfen Blick zu, griff nach einer kleinen Schüssel und mischte die Zutaten für das Dressing. Er musste wissen, welche Abmachung sie mit Alex hatte. "Hast du es heute Abend auf Sex abgesehen, Les?" "Wärst du bereit?" "Oh, ja!" Aus dem Kühlschrank holte er eine Schüssel mit den Zutaten für den Salat. "Aber nicht, wenn du an einen anderen Mann gebunden bist. Auch nicht, wenn einer von uns hinterher ein schlechtes Gewissen bekommt." "Hast du nach Weihnachten ein schlechtes Gewissen gehabt?" "Les, Schuldgefühle standen bei mir ganz unten. Ich könnte nicht einmal in Worte fassen, was ich nach dieser Nacht gefühlt habe." "Versuch es."
Ben schüttelte den Kopf. Er wollte auch nicht wissen, was sie gefühlt hatte. Seiner Meinung nach war es besser, sie schwiegen darüber, sonst würde einer von ihnen womöglich verletzt werden. Wenig später saßen sie im Eßzimmer am Tisch. Das Licht war gedämpft, sanfte Musik spielte, Kerzen flackerten. Die richtige Atmosphäre war wichtig, doch Ben wurde klar, dass er vom üblichen Schema abgewichen war. Heute war alles romantischer, dunkler und sanfter, um Les zu beeindrucken. Und um sie zu verführen. Durch kleine Gesten sandte sie ihm eine Botschaft, obwohl sie sich ganz normal unterhielten. Ein paar Mal berührte sie seine Hand. Wenn sie lächelte, funkelten ihre Augen einladend. Nach dem Essen griff sie nach dem Weinglas, betrachtete Ben und stellte das Glas vorsichtig wieder auf den Tisch. Sie war offensichtlich nervös. "Kann ich dich etwas fragen?", sagte sie. "Selbstverständlich." Ja, wir können sofort ins Schlafzimmer gehen. Ja, wir können in weniger als zehn Sekunden nackt sein. Ja, ich kann dich zum Höhepunkt bringen und ... "Wärst du glücklich gewesen, wenn ich das Mädchen geblieben wäre, das du geheiratet hast?"
9. KAPITEL Leslie sah Ben an, dass er über ihre Frage nachdachte. Er schüttelte den Kopf, als müsste er vorher einen anderen Gedanken loswerden. "Ich höre aus den Worten Kritik heraus, Les, aber ich weiß nicht, was du mit der Frage bezweckst." "Du hast mir am Telefon gesagt, dass du dich manchmal nicht daran erinnern kannst, warum wir geschieden wurden. Sprechen wir doch einmal darüber. Wir haben uns so lange hinter unserer perfekten Scheidung versteckt, dass wir uns gar nicht mehr erinnern können, wie unsere Ehe war." "Was bringt es, wenn wir darüber reden, Les?" "Bei der Hochzeit war ich fast noch ein Kind. Wir waren zwar gleich alt, aber im Vergleich zu dir war ich sehr jung. Du hast schon früh die volle Verantwortung für dich selbst, für deine Schwestern und für deine Mutter getragen. Ich wurde später reif, wahrscheinlich erst, als ich Erin erwartete." "Nein, als du Polizistin wurdest." Leslie versuchte, es ihm zu erklären. "Ich hatte keine Mutter. Mein Vater überließ mir nie Verantwortung. Er war die beherrschende Kraft. Mein Leben war das genaue Gegenteil von deinem. Ich fand erst zu mir, als ich etwas tat, worin ich gut war. Ich glaube, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man bis Mitte zwanzig warten sollte, bevor man heiratet."
"Deine Frage hat offenbar weniger mit meinem als mit deinem Glück zu tun. Du wünschst dir, wir hätten nicht geheiratet." "Das habe ich nicht behauptet." Sie wartete mit einer Antwort, sonst hätte sie ihm ins Gesicht geschrien, dass sie nie aufgehört hatte, ihn zu lieben. Dieser Idiot! "Ich versuche, dir zu erklären, was ich seit der Scheidung herausgefunden habe", sagte sie nach einer Weile ruhig. "Habe ich dich wie ein Kind behandelt, Les?" "Nicht direkt, aber... Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Du hast dich um mich gekümmert. Du hast die Entscheidungen getroffen und erwartet, dass ich mich widerspruchslos daran halte. Daran warst du gewöhnt, Ben. Du warst der Boss. Und ich war das von meinem Vater her gewöhnt. Ich dachte aber, du hättest auch stets meine Kraft bewundert. Bei meinem Vater habe ich sie nicht gezeigt. Das konnte ich nicht. Bei dir konnte ich es. Was ist dann geschehen?" Ben drückte eine Kerzenflamme nach der anderen aus. "Vor der Heirat hatten wir Pläne. Hinterher hast du sie geändert." "Unser Leben hat sich verändert. Unsere Pläne haben sich im Alltag nicht bewährt. Wir waren uns einig, ich sollte nicht wie deine Mutter arbeiten, aber wir haben nicht damit gerechnet, schon so bald ein Kind zu bekommen. Wir hatten keinen Cent. Von der Hochzeit an waren wir verschuldet." "Die Schulden habe ich abbezahlt, und die Darlehen brauchte ich, sonst hätte ich mein Geschäft nicht starten können. Mein Vater hat meine Mutter, meine Schwestern und mich mittellos zurückgelassen. Es war nichts da. Dir sollte es nicht so ergehen. Du hast nur nicht abgewartet, bis ich beweisen konnte, dass ich es schaffe." Leslie sah ihn fassungslos an. "Ich wusste, dass du es schaffen wirst, aber bis dahin mussten wir ein Kind großziehen."
"Ich hatte mich damit abgefunden, dass du eine Zeit lang arbeiten musstest, Les, aber als Polizistin? Du hältst mir vor, ich hätte Entscheidungen nicht mit dir besprochen. Du hast mit keinem Wort erwähnt, dass du dich bei der Polizei beworben hast." "Du hättest erklärt, dass ich es nicht schaffe. Die Arbeit bei der Polizei wurde hervorragend bezahlt und sicherte uns ab." "Es war nicht die richtige Arbeit für eine Mutter mit einem Baby. Dabei ging es nicht nur um das Risiko, sondern auch um die Arbeitszeit. Schlimm genug, dass ich so viel Zeit in den Aufbau meines Geschäfts stecken musste. Deine Arbeitszeiten waren aber noch schlimmer." "Ich habe nachts gearbeitet, wenig geschlafen und den Tag mit unserer Tochter verbracht, bis sie in die Schule kam und bis in den frühen Nachmittag fort war. Ich habe auch Opfer gebracht." Leslie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, während Ben aufstand und ans Fenster trat. Nach einer Weile folgte sie ihm. "Wärst du glücklich gewesen, wenn ich das Mädchen geblieben wäre, das du geheiratet hast?" "Ja!" Er wirbelte zu ihr herum. "Das willst du nicht hören aber es stimmt. Damals kannte ich dich. Ich wusste, was du willst. Irgendwann kannte ich dich nicht mehr, Les. Und jetzt kenne ich dich so gut wie gar nicht mehr. Lieber Himmel, du trägst sogar einen BH!" "Nach allem, was heute Abend zur Sprache kam, zerbrichst du dir den Kopf, wieso ich einen BH trage?" Als Ben von ihr einen amüsierten Blick auffing, entspannte er sich. "Wir brauchen eine Ruhepause", entschied er. "Willst du nicht mit mir nach unten kommen, wenn ich mich den Gästen und dem Personal zeige? Das Dessert essen wir im Restaurant." "Ich könnte währenddessen das Geschirr spülen." "Feigling. Du hast Angst davor, mit mir in der Öffentlichkeit gesehen zu werden." "Stimmt nicht."
"Doch. Leslie Sullivan O'Keefe hat Angst vor einigen Klatschmäulern! Ist das noch die Leslie Sullivan, die sich nach dem großen Footballspiel in die Umkleidekabine geschlichen hat?" "Dafür hatte ich einen Grund", wehrte sie ab. "Du wolltest nackte Sportler sehen." "Ist nicht wahr! Ich wollte dir gratulieren, weil du den Quarterback vier Mal umgesäbelt hast." "Du hättest noch eine Viertelstunde warten können." "Sebastian hat mich dazu herausgefordert. Und ich habe mir keinen einzigen nackten Po angesehen, nur deinen. Und der hat mir genügt. Er hat mich völlig beeindruckt. So beeindruckt, dass ich an diesem Abend im geparkten Auto beim Schmusen mit den Händen unbedingt über deinen Po streicheln musste." Er erinnerte sich an jede Einzelheit. Les hatte gezittert. Die Fenster hatten schneller als je zuvor von innen beschlagen. Er hatte völlig die Beherrschung verloren. Und Les war total fasziniert gewesen. Rasch rollte er die Ärmel hinunter, befestigte die Manschettenknöpfe und rückte die Krawatte zurecht. "Erinnere mich daran, dass ich mich bei Sebastian bedanke, wenn wir ihn das nächste Mal sehen." "Falls wir ihn jemals wieder sehen." "Er wird schon auftauchen, Les. Gabe sagt, dass er zurückkehren wird, um sich gegen die Anschuldigungen zu verteidigen. Komm jetzt, Tiger." Ganz bewusst benützte er ihren Spitznamen. "Zeig dich mit mir in der Öffentlichkeit." "Lass mich die Lippen nachziehen", bat sie seufzend. "Auch das ist neu bei dir." "An dir überrascht mich auch sehr viel, Ben." Sie holte einen Lippenstift aus der Handtasche und ging zu einem Wandspiegel. Beinahe hätte Ben sie in die Arme gezogen und geküsst. Doch er hatte sich schon so manches ausgemalt, das dann nicht wahr geworden war. Darum durfte er es nicht
einmal versuchen, Les zu küssen. Sie war nur gekommen, um über Erin zu reden. Und offensichtlich war das Thema für sie abgeschlossen. Ben stellte sie einfach als Leslie vor und nannte keinen Nachnamen. Eine geheimnisvolle Frau. Die meisten Angestellten kannten sie, weil das Personal im Lauf der Jahre nur wenig gewechselt hatte, aber sie war seit der Scheidung nicht mehr über die Hotelhalle hinausgekommen und hatte nie im Restaurant gegessen. Er ließ Leslie an einem Ecktisch zurück, von wo aus sie ihn beobachten konnte. In dieser Welt war Ben für sie ein völlig Fremder ... ein charmanter und attraktiver Fremder, der die Blicke vieler Frauen auf sich zog, aber auch gut mit Männern umgehen konnte. Ben war der ideale Gastgeber, der sich aufrichtig gab und keinem etwas vorspielte. Nicht einmal an einem so bedeutungsvollen Silvesterabend, der die ganze Welt in Taumel versetzte. Leslie war der Gedanke gekommen, mit ihm wieder eine Beziehung einzugehen ... bis sie mit ihm die Runde machte. Bestimmt würde er es auch jetzt noch wollen, dass sie hier mit ihm lebte und Erin in dieser Umgebung aufwuchs. Ihr würde jedoch die vertraute Nachbarschaft fehlen, und es gab keine Kinder. In der Gegend, in der sie jetzt wohnten, kannte jeder Erin und passte auf sie auf, wie Leslie das auch mit den Kindern der anderen Leute tat. Sie bildeten eine Gemeinschaft. Hier war alles nur Geschäft. Es war kein Zuhause. Ben gehörte hierher, sie nicht. Sie sah zu, wie er an einem Tisch mit acht Personen das Dessert servierte. Der Kellner hielt sich bereit, falls der Chef sich wieder zurückzog. Das Restaurant stand den Hotelbewohnern, aber auch Gästen von außerhalb offen. Man musste Wochen im Voraus reservieren, und für diese Silvesternacht gab es garantiert seit Monaten keine freien Plätze mehr.
Das alles war für Leslie fremd. Als Ben endlich an den Tisch zurückkehrte, brachte er das sündigste Dessert mit, das Leslie jemals gesehen hatte, einen Ring aus Schokolade, gefüllt mit Schokoladenschaum und bedeckt mit geraspelter weißer und dunkler Schokolade. "Sollen wir es uns teilen?", fragte er und stellte den Teller in die Mitte. "Auf keinen Fall. Hol dir selbst etwas." Sie zog den Nachtisch zu sich heran und tauchte den Löffel in die weiche Creme. "Das ist das reinste Paradies." Ben lehnte sich zurück und sah ihr amüsiert zu. Nach einigen Löffeln hob sie den Kopf. "Und hör auf, dermaßen zufrieden zu grinsen." Noch ein köstlicher Bissen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man für die Vorbereitung von einer solchen Köstlichkeit dermaßen viel Zeit aufwendet, nur damit jemand anderer es genießen kann." "So ungefähr denken Männer über das Vorspiel." Leslie lachte. "Du allerdings nicht." "Ich bin ja auch ein geduldiger Koch. Ein Moment der Gaumenfreude zählt ebenfalls zu den Freuden." Leslie genoss es, mit ihm zu scherzen. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie bisher noch nie wie jetzt miteinander ausgegangen waren. In der High School hatten sie Sportveranstaltungen besucht oder waren gelegentlich im Kino gewesen. Ben hatte pausenlos gearbeitet, und in ihrer Freizeit blieben sie daheim. Auszugehen konnten sie sich finanziell nicht leisten. Und schon ein Jahr nach der High School hatten sie geheiratet. Heute gingen sie zum ersten - und zum letzten - Mal miteinander aus, zumindest im allgemein üblichen Sinn. Trotzdem kümmerte Ben sich um sein Geschäft, das er sich aufgebaut hatte. Ob sie ihm dabei im Weg war? So war es also, wieder mit ihm zusammen zu sein - lachen, reden, lieben. Was sollte sie tun? Vergessen, was zu Weihnachten geschehen war?
"Stimmt etwas nicht?", fragte Ben. Sie legte den Löffel aus der Hand. "Nein." "Les..." "Vermutlich sollte ich jetzt gehen." War sie wieder nervös? Der Abend war schwierig, aber gut gewesen. Eigentlich sollte Les sich mittlerweile in seiner Nähe entspannt haben. "Wir haben noch nicht entschieden, was wir wegen Erin machen", erinnerte er sie schließlich, damit die Unterhaltung nicht erstarb. "Warten wir doch einige Tage, bis sie wieder in die Schule geht. Dann müssen wir mit ihr reden." "Hört sich gut an." Er wollte nicht, dass dieser ganz besondere Abend schon endete. "Das ist er", sagte sie plötzlich alarmiert. Ben folgte der Richtung ihres Blicks. "Wer?" Die Serviette fiel zu Boden, als sie aufsprang. "Der Kerl bei der Hütte! Verdammt, er hat gesehen, dass ich ihn entdeckt habe, und haut ab." Ben hielt mit ihr Schritt, als sie durch das Restaurant und zur Tür hinauseilte. Sie drängte sich an Leuten vorbei, die vor dem Eingang rauchten, blieb stehen und blickte sich suchend um. "Siehst du ihn?", fragte Ben. "Nein." Leslie trat auf die Fahrbahn hinaus. "Das war kein Zufall. Er ist hinter Sebastian her. Und er behält uns im Auge und hofft, dass wir ihn zu Sebastian führen." "Allerdings haben wir keine Ahnung, wo Sebastian sich versteckt." Sie wichen ankommenden Wagen aus und kehrten auf den Bürgersteig zurück. "Wir müssen Gabe und Chase warnen", sagte Leslie. "Vielleicht werden sie auch überwacht." "Wir können sofort von oben anrufen."
"In Ordnung. Ich muss ohnedies meinen Sweater holen." Gleich nach den Anrufen wollte sie gehen. "Wie wäre es vorher mit Kaffee?", fragte Ben, um die Trennung hinauszuschieben. "Gern." Er versuchte nicht, sie im Aufzug zu berühren aus Angst, sie könnte sich zurückziehen ... oder ihm entgegenkommen. Es lief auf zwei Punkte hinaus. Sie hatten eine Tochter, die sie aneinander band. Und Sex schweißte sie zusammen. Er brauchte Les nur zu beobachten, wie sie sich bewegte, und schon begehrte er sie mit einer unvorstellbaren Leidenschaft. Dieses Verlangen würde nie nachlassen. Aber das konnte er ihr natürlich nicht eingestehen. "Der Tisch ist ja abgeräumt", stellte sie überrascht fest. Im Vorbeigehen warf er einen Blick ins Esszimmer. "Die Küchenfeen waren hier." "Ich kenne dich wirklich nicht mehr, Ben. Du hast Diener." "Ich würde sie kaum Diener nennen", entgegnete er lachend. "Wie denn?" "Angestellte." "Was für ein feiner Unterschied." "Als was bezeichnest du Carly?" "Als Freundin." Sie benützte das Telefon in der Küche, während Ben Kaffee machte. Hinterher schenkte er zwei Tassen ein. Sie blieben in der Küche stehen. "Wie gefährlich ist dieser Kerl?", fragte Ben. "Ich schätze, dass sein Auftrag lautet, zu beobachten und zu berichten. Andernfalls hätte er mich vor der Hütte geschnappt oder irgendwann später. Es sei denn ..." "Was?" "Vielleicht hat er Sebastians Haus beobachtet und ist mir gefolgt, als ich mir den Jeep auslieh. Ich lasse vom Polizeizeichner ein Phantombild von dem Mann anfertigen,
damit du weißt, auf wen du achten musst - und auch Chase und Gabe." Er nahm einen Schluck Kaffee. "Erinnerst du dich daran, wie wir uns das erste Mal geliebt haben?" fragte sie unvermittelt. "In der Nacht nach dem Abschlussball in der High School. Die ganze Nacht." "Ich hatte einen Artikel in einer Illustrierten gelesen, dass ein Paar die schönsten Erinnerungen gewinnt, wenn es die erste Nacht zusammen gut vorausplant und ein Fest daraus macht." "Wir haben sie gut vorausgeplant." "Wenn ich mich jetzt an diese Nacht erinnere, kommt mir alles so unschuldig und süß vor." Er beugte sich zu ihr vor. "Du hast dieses duftige blaue Ding getragen." "Ich wollte möglichst reizvoll aussehen." "Als ich es dir über den Kopf zog, haben meine Hände so gezittert, dass sich deine Arme in dem Kleid verfingen." "Mein Haar auch." "Ich habe versucht, dich zu befreien, aber nur deinen Körper angesehen. Du warst wunderbar." Er sah es wie einen Film vor sich ... einen Tonfilm mit Leslies leisen Seufzern und ihrem Stöhnen. Sie hatte nicht die geringste Scheu gezeigt, sondern ihm gesagt, was sie wollte und was nicht. "Du hast mich zum Bett getragen." Wie gern hätte er jetzt ihre Hand ergriffen. "Das sollte romantisch sein. Ich habe mich sehr bemüht, alles richtig zu machen, aber ich war trotzdem für das erste Mal zu schnell. Das habe ich immer bedauert." "Du hast mich dafür entschädigt. Es war eine schöne Nacht, und ich halte die Erinnerung daran hoch." "Ich auch." Was ist los, fragte er sich. Wozu heute Nacht die Vergangenheit ausgraben?
"Ich muss alles zu einem Ende bringen, Ben. Das ist mir bisher nicht einmal gelungen, als ich die Scheidungspapiere unterschrieb." "Was meinst du damit?" Sie holte tief Atem. "Ich möchte diese Nacht mit dir verbringen, die Nacht zum neuen Jahrtausend. Nur diese eine Nacht. Dann machst du mit deinem Leben weiter und ich mit meinem." "Du meinst eine Abschlusszeremonie, nach der alles endet?" Auch die Erinnerungen, Les? Wie löschen wir unsere Erinnerungen? "Das gefällt mir", bestätigte sie. "Eine Zeremonie. Die Freiheit, alles zu sagen und zu tun, was wir wollen. Wir sprechen nicht mehr darüber, was schief gelaufen ist und was sich nicht mehr reparieren lässt. Wir sind einfach zusammen. Und dann folgt am Morgen ein klarer Abschied." Das gefiel Ben zwar nicht, aber er konnte Les auch nicht abweisen. "Ich halte es für einen Fehler, Ben, dass wir unsere Scheidung dermaßen perfekt gestalten wollten. Wir haben zu vieles unausgesprochen gelassen. Alles lief so zivilisiert ab." Sie legte die Hand an seine Brust. "Heute Nacht will ich nicht zivilisiert sein." Er führte sie aus der Küche, durch das Wohnzimmer und die Stufen hinauf. Und er gab ihr nicht die geringste Gelegenheit, es sich anders zu überlegen. Indem er einen Zahlencode in die Kontrolltafel des Aufzugs eintippte, blockierte er für alle den Zugang zum Penthouse. "Nur noch wir zwei", sagte er, zog das Jackett aus und warf es aufs Sofa, als sie den Weg zurückgingen, auf dem sie gekommen waren. "Ich habe von dir geträumt", fügte er hinzu und blickte ihr in die Augen. "Das zu Weihnachten hat nicht gereicht", flüsterte sie. "Es war zu schnell."
"Und zu heftig. Hinterher kam mir alles unwirklich vor." "Das hier ist wirklich, Les. Berühre mich! Ich werde nicht vor deinen Augen verschwinden." Sie legte die Arme um seine Hüften und zog ihn an sich. "Meinst du so?" Ihre Unsicherheit wurde durch die Sicherheit der vielen gemeinsamen Jahre ersetzt. Es war nicht neu, aber es fühlte sich völlig neu an. Und es war erregend anders als beim ersten Mal, weil sie wussten, was sie zu erwarten hatten. Jetzt gab es keine Nervosität. Er musste sich nur beherrschen, um nicht zu schnell zu sein. Mit den Händen auf ihrem Po hielt Ben sie still und ließ sie fühlen, wie sehr er sie begehrte. Und er genoss es, wie Leslie sich an ihn drückte. "Es war immer so gut zwischen uns, Les." "Ja ..." Leslie verstummte, als er die Lippen an ihren Hals drückte. "Ich habe dich zu Weihnachten kaum ansehen können", flüsterte sie atemlos. "Noch weniger konnte ich dich berühren. Das hat mir mehr gefehlt, als ich dir sagen kann. Dein Körper ist so stark, so ... maskulin." Er hauchte ihren Namen, bevor er sie leidenschaftlich küsste. Dann hob er sie hoch und trug sie in sein Schlafzimmer. Später konnte er sich Zeit für Feinheiten nehmen. Jetzt kannte er nur noch ein sehnsüchtiges Verlangen, das gestillt werden musste. Er ließ sie am Fußende des Betts herunter und schloss die Tür, zündete den Gasbrenner unter den Holzscheiten im Kamin an und erzielte sofort die gewünschte Atmosphäre. Für ein richtiges Feuer hätte er sich nicht die Zeit nehmen können. Ohne den Blick von Les zu nehmen, riss er die Tagesdecke vom Bett. Der Duft ihres Parfüms war verlockend, als er wieder auf sie zuging. "Und jetzt möchte ich sehen, wie deine Brüste sich unter dem BH ausmachen."
10. KAPITEL Leslie war froh, dass sie beim Ankleiden die Kette mit dem Ehering abgenommen hatte. Sie schloss die Augen, als Ben ihr über den Rücken strich. Ein Luftzug kühlte ihre Haut, als er ihr die Bluse auszog, nachdem er all die winzigen Knöpfe geöffnet hatte. Zur Erinnerung ans erste Mal hatte sie Blau für die Unterwäsche gewählt - einen blauen spitzenbesetzten BH und einen dazu passenden winzigen Slip. Als Ben sie zu sich herumdrehte, öffnete sie die Augen. Sein Blick drückte Bewunderung aus. Mit den Fingern strich er sanft über ihre Brust, und Leslie vergaß zu atmen. "Freundinnen von mir sprechen darüber, dass sie in ihren Beziehungen zu kurz kommen. Ich muss aufhören, damit anzugeben, wie viel Zeit du dir immer genommen hast, um mich zu erregen. Du hast das Vorspiel zur Kunst gemacht, Ben." "Damit hast du mir die Möglichkeit genommen, dich einfach aufs Bett zu werfen und dich zu nehmen." "Ich will dich nicht unter Druck setzen, mein Junge." Sie ahmte den Tonfall von Mae West nach. "Aber in meiner Erinnerung bist du eine Legende." Sie zog ihm die Krawatte über den Kopf, nahm seine teuren Manschettenknöpfe heraus und knöpfte gekonnt sein Hemd auf, streifte es ihm über die Schultern und ließ es einfach fallen. Es landete auf ihrer Bluse.
"Deine Brust ist gerade so richtig", murmelte sie sinnlich und rieb sich an ihm. "Richtig?", fragte er bereits über alle Maßen erregt. "Was soll das denn heißen?" "Breit und stahlhart. Nicht zu viel Haar und nicht zu wenig. Und harte Bauchmuskeln." Sie bückte sich und ließ Lippen und Zunge vom Hosenbund über seine Haut höher gleiten, bis Ben sie an den Schultern packte und leidenschaftlich küsste. "Langsamer", warnte er, "sonst blamiere ich mich wie beim ersten Mal." Es gefiel Leslie, so viel Macht über Ben zu haben. Sie sah ihm tief in die Augen, während sie den Gürtel und den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Er entledigte sich aller Kleidungsstücke, bis er nackt vor ihr stand. Im letzten Moment hielt er ihre Hand fest, als sie ihn berühren wollte. "Du hast noch viel zu viel an, Lady in Blue. Nein." Er hinderte sie daran, ihre Hose zu öffnen. "Das ist mein Vorrecht." Sie streifte die Schuhe ab und wartete voller Vorfreude. Er zog ihr die Hose bis zu den Knöcheln hinunter, kniete sich vor sie hin und schob die Hände an den Schenkeln bis zum Slipsaum, dann hinüber zu ihrem Po und zog Leslie zu sich heran. Mit der Zungenspitze strich er am Rand des Stoffs entlang und entlockte Leslie ein Stöhnen. Genießerisch ließ sie es geschehen, dass Ben sie ganz auszog. Zuerst sanft, dann zielstrebiger verwöhnte Ben sie mit Liebkosungen, wusste genau, was Leslie mochte und wie sie es mochte. Sie wäre vor Lust vergangen, wenn Ben es nicht verstanden hätte, sie zu zügeln. Noch war der Augenblick nicht gekommen ... Geschmeidig schob er sich höher und küsste sie, bis Leslie ihn anflehte, sich mit ihr zu vereinigen und die Qual zu beenden. "Werde ich meinem Ruf gerecht?", fragte er rau. Leslie konnte nur nicken. "Hast du die Sprache verloren?"
"Weitgehend." Er schob die Finger unter den BH, öffnete ohne Hast den Verschluss und ließ das letzte Kleidungsstück zu Boden fallen. "Endlich", flüsterte sie und schmiegte sich verführerisch an ihn. Es gefiel ihr, wie Ben scharf Luft holte, als sie die Brüste an seiner Brust rieb. "Bisher habe ich die Erinnerungen stets gut in Schach halten können. Doch jetzt bin ich ihnen ausgeliefert. Und dir ..." "Mir geht es genauso." Er streichelte ihre Brüste, und Leslie stöhnte, schloss die Augen und gab sich ganz seinen Zärtlichkeiten hin. Sie spürte seine Lippen, eine Berührung der Zähne, ein Gleiten der Zunge, dann ein heftiges Ziehen. "Ich ertrage es keine Sekunde länger", stieß sie hervor, nahm ihn an der Hand und versuchte, ihn mit sich aufs Bett zu ziehen. "Komm, quäl mich nicht länger ... bitte!" Ben verharrte still, stand über ihr aufgerichtet und ließ sich nicht von ihr bedrängen. "Noch nicht, Tiger." Sie verwünschte ihn, und er lächelte, weil, wie er wusste, Geduld sich manchmal auszahlte. So voller verzweifeltem Verlangen hatte er sie noch nie gesehen. Es war reinste Magie. Ihre Brustspitzen richteten sich auf, sobald er sie mit den Lippen umschloss, zuerst die eine, dann die andere. Leslie hob ihm die Hüften entgegen in einer stummen Bitte und stöhnte vor Lust bei all den Liebkosungen mit Händen und Zunge, mit denen Ben sie verwöhnte. "Oh, ja... schön", hauchte sie, doch Ben zog den letzten Moment noch weiter hinaus, reizte sie erneut und wartete wieder. Und dann, bevor Leslies Lust abklang, schob er sich über sie und drang in sie ein. Heftig atmend kam sie ihm entgegen. Doch auch jetzt hielt Ben sich zurück, drückte sie aufs Bett, damit sie sich nicht bewegen konnte, lächelte, wenn sie es verzweifelt versuchte, ihn um seine Beherrschung zu bringen.
Schließlich küsste er sie heftig und gab jede Zurückhaltung auf, und während sie seinen Bewegungen entgegenkam, fühlte er ihren Höhepunkt und folgte ihr auf den Gipfel der Lust. Leslie hatte die Arme um Ben geschlossen und hielt ihn fest, bis sie beide wieder ruhig atmen konnten. Ob sie es bereute? Ben versuchte, Leslie in die Augen zu sehen, doch sie drehte den Kopf zur Seite. "Ist was nicht in Ordnung, Les?" Sie schüttelte den Kopf. "Sag es mir." "Ich hasse es, dass du mit anderen Frauen zusammen warst", stieß sie hervor. Sie war eifersüchtig. Und wie! "Ich hasse es, dass auch eine andere Frau dies mit dir erlebt hat. Oh, Ben, es tut mir leid", flüsterte sie erstickt. "Es tut mir leid. Erst jetzt habe ich gemerkt, wie sehr das schmerzt. Bisher habe ich es unterdrücken können, obwohl ich es eigentlich schon wusste." Nichts hätte ihn im Moment tiefer treffen können. Was konnte er dazu sagen? Und war das endlich die Antwort auf seine Frage, ob sie mit einem anderen Mann geschlafen hatte? Ben rollte sich auf die Seite, zog Les mit sich und drückte sie an sich. Alex und ich haben eine Vereinbarung getroffen. Eifersucht nagte an ihm. "Ich habe soeben alles zerstört, nicht wahr?", fragte sie nach einer Weile. "Nein. Wir haben einander erlaubt, heute Nacht alles zu sagen und zu tun, was wir möchten." "Du hast kein Wort gesagt." "Es hätte nichts geholfen, Les. Du hast auch gemeint, wir sollten nicht darüber sprechen, was zwischen uns schief gelaufen ist. Vielleicht sollten wir es aber. '"Er küsste sie auf die Stirn und fühlte, wie sie sich entspannte. "Vielleicht später", erwiderte sie leise. "Ich wünschte, wir hätten uns erst heute Nacht kennen gelernt."
"Wir können die Vergangenheit nicht ungeschehen machen." Leslie seufzte. "Warum müssen Männer immer so nüchtern sein?" "Sind wir das?", fragte er lächelnd und streichelte ihren Rücken. Sie schmiegte sich enger an ihn. "Wäre es nicht hübsch gewesen, heute Abend so zu tun, als wären wir Fremde? Wir hätten beim Abendessen miteinander geflirtet und dann eine Spur aus Kleidungsstücken vom Wohnzimmer zum Bett hinterlassen, um endlich zu erfahren, was wir am liebsten mögen." Er brauchte nicht einmal zu überlegen. "Ich bin damit zufrieden, dass ich es schon weiß." "Aber das Abenteuer, etwas Neues zu versuchen!" "Ich glaube, es gibt nichts, was wir nicht schon versucht hätten. Willst du damit aber andeuten, dass du noch nicht genug hattest? Ich meinte, ich hätte dich ganz schön dahin gebracht, wo du gern sein wolltest." "Du brauchst gar nicht so anzugeben", wehrte Leslie ab. "Ich stelle nur etwas fest." "Protz!" Er lachte leise. Schon lange vor der Scheidung hatten sie nicht mehr so miteinander gescherzt. "Ich muss duschen." Leslie setzte sich auf. Er legte eine Hand unter ihre Brust, und die Spitze richtete sich sofort wieder auf. "Möchtest du Gesellschaft haben?" "Aber natürlich ..." Sie konnte nicht weitersprechen, weil Ben sie über sich zog und die Brustspitze in den Mund nahm. "Jetzt kommt erst einmal die Vorwäsche", erklärte er. "Du kannst dich auch bereits auf eine Nachwäsche freuen, und die wird noch gründlicher ausfallen." "Darauf kannst du dich auch freuen", flüsterte sie atemlos. "Ich habe stets größten Wert auf ein sauberes Haus gelegt."
Sie lachte, und es wärmte sein Herz nach langer Zeit zum ersten Mal wieder. Fünfzehn Sekunden vor Mitternacht biss Leslie in eine große, süße Erdbeere, die Ben ihr an die Lippen hielt. Zehn Sekunden vor Mitternacht kostete sie den besten Champagner, den sie jemals getrunken hatte. Fünf Sekunden vor Mitternacht schloss sie die Augen, als Ben ihr einen sanften Kuss gab. Punkt Mitternacht vertiefte er den Kuss und machte die Jahrtausendwende zum romantischsten Moment ihres Lebens. In diesem Augenblick verbanden sich ihre Seelen, und der Kuss war Ausdruck für die vergangene Ehe und die neue Beziehung, die in dieser Nacht ihren Anfang nahm. Während draußen die Menschen das neue Jahrtausend noch lange mit Feuerwerk begrüßten, war es im Schlafzimmer warm und still. Leslie betrachtete Ben. Er lag neben ihr. Mitternacht war längst vorbei, und er war eingeschlafen, aber sie wollte die Augen nicht schließen, um nichts zu versäumen. Um drei Uhr saß sie mit untergeschlagenen Beinen im Bett. Nur wenige Stunden, dann musste sie sich verabschieden. Vor Ben wollte sie nicht weinen. Bei der ersten Trennung hatte sie sich auch beherrscht. "Du denkst so angestrengt nach, dass ich davon Kopfschmerzen bekomme." Sie lächelte bei seinem trägen Murmeln. "Ich dachte, du schläfst." Ben drehte sich auf die Seite. "Bist du deshalb eingeschnappt?" "Nein... Na ja, ein wenig", gestand sie und legte sich zu ihm. "Ich möchte, dass das hier für dich so viel bedeutet wie für mich." "Meinst du, das tut es nicht, Les? Es war ein unbeschreibliches Geschenk."
Er hatte Recht, aber es war ein Abschiedsgeschenk. Sie rückte näher, drückte die Lippen auf seine Brust genau über dem Herzen und schob sich tiefer. "Was machst du?", fragte er und holte scharf Luft. "Hausputz." "Ach ja, gut. Aber achte darauf, dass du dabei keine einzige Stelle übersiehst." Darauf wollte sie unbedingt achten, aber erst einmal musste sie zu lachen aufhören. Ben saß auf dem Wannenrand und sah zu, wie Leslie das Haar trocknete. Sie war bereits angezogen. Sie hatten im Bett gefrühstückt und sich dann ein letztes Mal leidenschaftlich geliebt. Jetzt wirkte sie wieder so zerbrechlich wie am ersten Abend in der Hütte. Er zog den Gürtel seines Bademantels fester an. Ihre zweite Beziehung hatte so einfach begonnen und war jetzt in eine schwierige Phase geraten. "So, das war's", sagte sie und wickelte das Kabel des Haartrockners auf. "Wann kommt Erin heim?" "Ich weiß es nicht. Es hängt davon ab, ob sie und Ashley letzte Nacht überhaupt geschlafen haben. Carly kehrt übrigens auch heute zurück." "Wird sie sich fragen, wo du warst?" "Sie wird wahrscheinlich glauben, dass ich gearbeitet habe." "Ich dachte, du hast nachts keinen Dienst mehr." "Selten, weil eine eigene Nachtschicht im Dienst ist, aber wenn es zu viel zu tun gibt, werden wir gerufen. Und an Silvester weiß man das nie. Für viele Männer ist das die ideale Gelegenheit, um ihre Frau zu verprügeln." Beil schüttelte den Kopf und griff nach ihrer Hand. "Wie gehst du bloß damit um?" "Streng professionell."
"Daran zweifle ich nicht, aber wie kannst du so ruhig bleiben? Ich würde so einem Mistkerl zeigen, wie es ist, wenn man Prügel einstecken muss." "Glaub mir, ich komme oft in Versuchung. Und die Opfer sind nicht immer nur Frauen. Bei Kindern ist es am schlimmsten. Sie sind so unschuldig, so hilflos. Solche Fälle kann ich nicht so leicht vergessen." "Habt ihr Fortschritte erzielt, Les? Erreicht ihr etwas mit eurem Einsatz?" "Sicher. Die häuslichen Tötungsdelikte sind um fünfzig Prozent zurückgegangen. Das ist schon ganz schön gewaltig. Die Zahl der Verhaftungen ist um siebzehn Prozent gestiegen. Wir kommen also gut voran." "Wie wirst du mit dem fertig, was du täglich siehst?", fragte Ben. "Es klingt wahrscheinlich seltsam, aber ich denke nicht an die schlimmen Seiten meines Berufs. Es stärkt höchstens meine Dankbarkeit für alles, was ich habe - ein schönes Zuhause, Essen auf dem Tisch, Menschen, die ich liebe. Du hast nie die Hand gegen mich erhoben, mein Vater auch nicht. Viele Frauen träumen von einem solchen Leben." Ben wollte nicht, dass Leslie ging. "Danke", flüsterte Leslie. "Wofür?" "Dafür, dass du dich nach meiner Arbeit erkundigt hast. Das hast du noch nie getan ..." Hatte er das wirklich nicht? Niemals? Verblüfft sah er Leslie an. War er tatsächlich so selbstsüchtig gewesen? "Was sonst habe ich nicht getan?", fragte er und stand auf, ohne ihre Hand loszulassen. "Fangen wir nicht damit an, Ben. Nicht jetzt." "Ich habe dir keinen Heiratsantrag gemacht." "Das spielt keine Rolle."
"Was ist mit uns schief gelaufen?", fragte er, als sie seinem Blick auswich. Leslie drückte seine Hand. "Die letzte Nacht war die beste, an die ich mich erinnern kann. Ich möchte sie nicht damit beenden, dass wir die Vergangenheit ausgraben. Ich dachte, wir könnten einfach weitermachen." Ben gab sie frei und folgte ihr ins Wohnzimmer. "Wir haben meiner Meinung nach zu lange geschwiegen, um die ,perfekte Scheidung' aufrecht zu erhalten. Das war aber nur äußerer Schein, Les. Wenn wir die Vergangenheit wirklich ruhen lassen wollen, müssen wir über alles, was einmal war, sprechen. Lass uns die Dinge klären." "Wozu?", Leslie drehte sich zu ihm um. "Was sollte dabei herauskommen? Wir haben uns entfremdet. Die Pläne, die wir als Jugendliche machten, klappten nicht, und wir haben uns nicht darauf eingestellt." "Ich mochte deine Arbeit nicht." "Du hast sie gehasst." "Ich hatte Angst, dich zu verlieren." "Du hast mich trotzdem verloren." Das war ein Volltreffer. "Ich meinte damit das Risiko bei deiner Arbeit." "Ich weiß, was du gemeint hast, aber es kommt auf das Gleiche hinaus, oder?" Er schob die Hände in die Taschen seines Morgenmantels. "Ich habe um dich gekämpft." "Wie? Indem du mir befohlen hast, aus unserem Haus ins Hotel umzuziehen und die Nachbarschaft, meine Arbeit und den uns vertrauten Lebensstil aufzugeben?" "Du solltest ein Leben ohne Kampf und Mühe führen", entgegnete Ben gereizt. "Ich habe alles für dich getan, aber du wolltest es nicht haben."
"Du hast es getan, weil es für dich wichtig war. Du hast den Erfolg, aber nicht mich gebraucht. Und du hast Erins Geburtstag versäumt." "Und du hast das romantische Wochenende versäumt, das ich plante, um uns zusammenzuhalten." "Du hättest es mir im Voraus sagen sollen, anstatt mich zu überraschen. Dann hätte ich mich nicht freiwillig für diese Schicht gemeldet." "Du hast meine Träume gekannt, Les!" "Sicher, und ich habe dir sogar dabei geholfen, sie zu erreichen ... oder etwa nicht? Ich habe für ein regelmäßiges Einkommen gesorgt." "Wir wären auch ohne das über die Runden gekommen." "Es hat nie eine Rolle gespielt, dass mir meine Arbeit so wichtig war wie dir die deine!" Sie wandte sich ab. "So kommen wir nicht nur nicht weiter, sondern wir zerstören auch alles, was wir in der letzten Woche erreicht haben. Ich möchte nicht, dass es so endet, Ben. Bitte, streite jetzt nicht mit mir!" Sie hatte Recht. "In Ordnung", sagte er leise. "Es ist schon gut." Sie griff nach der Handtasche und holte die Kette hervor, die er bisher nur einmal zu Weihnachten gesehen hatte. Sekundenlang hielt sie den Ehering in der Hand. "Letzte Nacht habe ich das hier zum ersten Mal seit der Hochzeit nicht getragen. Ich glaube, insgeheim habe ich immer gehofft..." Sie schluckte. "Nur einfach gehofft. Ich habe dich geliebt. Ich hätte dich für immer und ewig geliebt." Sie legte die Kette um. Der Ring hing dicht oberhalb des Herzens. "Das Ende", flüsterte sie. "Das Ehepaar Ben und Leslie gibt es nicht mehr." Es versetzte Ben einen schmerzlichen Stich ins Herz. Diesmal war die Trennung schlimmer als beim ersten Mal. Damals waren sie fünf Meter voneinander entfernt gewesen, er
mit der einen Hand an der Türklinke, einen Koffer in der anderen. Sie hatten einander kaum angesehen und sich nicht verabschiedet. Der Tiger, der Gefühle in sich verschloss - damals wie heute. Er flüsterte ihren Namen und zog sie an sich. Unter den geschlossenen Lidern brannten die Tränen. Sie stand steif in seiner Umarmung, bis er die Lippen über ihr Haar gleiten ließ und Leslie küsste. Da schlang sie die Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss voller Verzweiflung. Leslie löste sich von ihm und sah ihn an. "Leb wohl, Ben." "Ich rufe dich morgen an. Wegen Erin." "Du musst dich auch von mir verabschieden. Es ist wichtig." Er straffte sich. "Leb wohl, Les." Sie wandte sich von ihm ab und ging zum Aufzug. Er folgte ihr und tippte den Code ein. Sie sah ihn nicht mehr an, als sie den Aufzug betrat. Er drückte den Knopf für die Tiefgarage. Der letzte Akt ihres Dramas hatte vor drei Jahren geendet. Jetzt fiel der Vorhang. Kein Applaus. Keine Standing Ovations. Nur zwei Personen, die das Theater durch verschiedene Ausgänge verließen. Diesmal fühlte Ben den Verlust schwerer, wahrscheinlich weil die Trennung nicht wegen Ärger gekommen war. Er ging die Stufen zum Wohnzimmer hinunter und sah sich um. Er hatte für sich kein Leben, sondern nur eine Fassade geschaffen. Im Schlafzimmer blieb er neben dem Bett stehen. Im Kissen war noch Leslies Kopfabdruck zu sehen. Ben griff danach, drückte es ans Gesicht, atmete ihren Duft ein. Leslies Plan war es vermutlich, die Vergangenheit abzuschließen, damit sie nach vorne blicken konnte. Er hatte seit Jahren nach vorne geblickt. Eine Ewigkeit, wie es ihm schien. Und er war sich nicht sicher, ob er das noch länger wollte. Alex und ich haben eine Vereinbarung getroffen. Er hasste diesen Satz.
Eifersucht? Oder hatte er sich wieder in seine Exfrau verliebt? Konnten sie es überhaupt riskieren, die Dinge zwischen ihnen zu glätten? Wenn sie scheiterten, würde es noch mehr schmerzen. Konnten sie ihre Lebenswege einander annähern, nachdem sie so lange in entgegengesetzte Richtungen gegangen waren? Doch wenn sie es nicht versuchten ... Er vermisste Les und war ohne sie schrecklich einsam gewesen. Wie sehr, das hatte er erst in der letzten Woche erkannt. Er hatte ihr die meiste Schuld am Scheitern gegeben, und doch hatte sie seine Träume unterstützt, während er die ihren nicht einmal gekannt hatte. Vielleicht war es am klügsten, mehr Zeit mit Les zu verbringen, nicht allein und im Bett, sondern im alltäglichen Leben. Er wollte das Wasser prüfen, ehe er hineinsprang. Schon allein wegen Erin musste er vorsichtig sein. Jetzt, da er einen Plan hatte, fühlte Ben sich schon besser. Und der erste Schritt dieses Plans war, dafür zu sorgen, dass Alex Jordan eine Weile nicht auf der Bildfläche erschien. Die Haustür öffnete sich, als Leslie sich dem Haus näherte. "Ein glückliches neues Jahr!" "Carly, du bist schon daheim!" Leslie umarmte ihre Freundin. "Schön, dass du da bist." "Schön, wieder da zu sein. Ich bin allerdings bereits seit sechs Uhr gestern Abend hier. Die Familie kam einen Tag früher zurück." Carly lachte. "Wo bist du gewesen, junge Dame? Hast du dich hemmungslosem Sex hingegeben?" Leslie wurde rot, drehte sich um und schloss die Tür. "Ich weiß gar nicht, wieso sich alle meine Freunde dermaßen für mein Sexleben interessieren."
"Ach, du lieber Himmel! Ich habe nur einen Scherz gemacht, aber es stimmt, nicht wahr?", fragte Carly. "Es war allerdings höchste Zeit, würde ich sagen." "Das Gleiche könnte ich von dir behaupten." Leslie ging in die Küche. "Du bist jung, schön und ungebunden, aber dir gefällt kein Mann." Carly folgte ihr. "Ich hebe mich für den Richtigen auf." "Bildest du dir noch immer ein, dass es einen solchen Mann gibt?" Sie füllte den Wasserkessel. "Möchtest du Tee?" "Danke. Natürlich glaube ich, dass es den Richtigen gibt." Carly setzte sich auf die Arbeitsfläche. "Also, wie war es? Wild, verdorben und wunderbar?" "Du kannst nicht mein Leben als Ersatz für deine Phantasien benützen. Such dir selbst einen Mann." "Du wirkst - zufrieden." "Es geht mir gut." Leslie holte zwei Teebeutel aus einem Behälter. "Alles kommt in Ordnung. Das fühle ich." "Großartig. Ach, das hätte ich beinahe vergessen. Ich habe dir etwas mitgebracht." Carly eilte aus der Küche und kam mit einer Zeitschrift wieder. "Hast du das schon gesehen?" Es war a la carte mit Ben auf dem Titelblatt. In dunklem Anzug, weißem Hemd und mit der Krawatte, die Erin ihm zum letzten Geburtstag geschenkt hatte, sah er sagenhaft aus. Das Magazin bezeichnete ihn als einen der heißesten Junggesellen der Branche. "Hast du davon gewusst?", fragte Carly. Leslie blickte in Carlys sanfte braune Augen. "Er hat es mir erzählt. Er sieht gut aus, nicht wahr?" "Zum Anbeißen gut." Leslie runzelte die Stirn. "Natürlich nur, wenn er mein Typ wäre", fügte Carly diplomatisch hinzu und schüttelte den Kopf, dass das hellbraune Haar nur so flog. "Und das ist er nicht?"
"Absolut nicht. Also, ich packe aus, und dann können wir beim Tee reden. Es ist wunderbar, wieder hier zu sein, Les. Ich habe dich und Erin vermisst." "Du wirst nach dem College eine tolle Karriere machen", sagte Leslie voraus. "Weißt du schon, in welche Richtung du gehen wirst?" "Ich werde eine ausgezeichnete Krankenschwester abgeben. Ich arbeite gern im Krankenhaus, auch wenn es erst einmal nur der Job einer Hilfskrankenschwester ist." Carly schwieg eine kleine Weile, ehe sie fragte: "Hast du etwas von Sebastian gehört?" "Nein, und ich bin schon reichlich frustriert. Laut Gabe kommt er voran, was immer das auch heißen soll." Carly nickte. "Sechs Monate sind nicht sonderlich lang, um sich von einem solchen Schlag zu erholen. Ich wünschte, ich hätte ihn in den Weihnachtsferien bemuttern können." Sie verließ das Zimmer, und Leslie blieb mit dem Foto des erregendsten Mannes und mit den Erinnerungen an eine perfekte Nacht allein zurück.
11. KAPITEL Leslie hielt in der Tiefgarage des Hotels und stellte den Motor ab. Vor zwei Tagen hatte sie dieses Gebäude verlassen. Jetzt kam sie tagsüber unangemeldet. Vielleicht wäre es besser gewesen, mit Ben am Telefon über Erin zu sprechen, doch sie wollte ihn sehen. Minuten später betrat sie sein Büro. Er gab ihr einen Wink, die Tür zu schließen und sich zu setzen, während er das Telefongespräch fortführte. Es klopfte, und Yoshi, Bens Assistent, steckte den Kopf herein. "Ich gehe zum Mittagessen. Würden Sie Ben sagen, dass Mrs. Jerome eben aufgeregt angerufen hat? Sie ist überzeugt, dass jemand in ihr Zimmer eingebrochen ist, während sie beim Essen war, und sie glaubt, der Einbrecher könnte noch drinnen sein." "Ist das die Mieterin, die ständig Alarm schlägt?" "Sie ist einsam. Wir alle verstehen das, und Ben verlangt, dass sie ernst genommen wird. Darum kümmert er sich um sie, wenn er hier ist." Leslie blickte zu Ben herüber, der auf das Telefon deutete und sie bedauernd ansah. "Welches Zimmer hat sie?", erkundigte Leslie sich bei Yoshi. "Zweiunddreißig." "Ich könnte mich um sie kümmern."
Yoshi warf Ben einen Blick zu. "Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen hat", meinte Leslie. "Ich hinterlasse ihm eine Nachricht, dass er nachkommen soll." Im Aufzug erinnerte Leslie sich daran, was sie von Yoshi über Mrs. Jerome erfahren hatte. Sie war über achtzig Jahre alt und seit mehr als vierzig Jahren verwitwet. Hatte sie die Liebe ihres Lebens verloren und nie jemanden gefunden, der diesen Platz einnahm? Leslie wusste genau, wie es war, einen anderen Mann anzusehen und zu wissen, dass er nicht genügen würde. "Wer ist da?", rief Mrs. Jerome mit zitternder Stimme, als Leslie klopfte. "Polizei, Ma'am!" Nach einer Weile öffnete sich die Tür einen Spalt. Ein faltiges Gesicht, umgeben von einer Wolke perfekt gestyltem weißen Haar, erschien im Spalt. Leslie hielt ihre Marke hoch. "Inspector O'Keefe. Ich habe gehört, dass bei Ihnen eingebrochen wurde. Lassen Sie mich herein, Ma'am. Ich sehe mich um." Mrs. Jerome öffnete die Tür. Leslie trat ein und kontrollierte die Suite genau. "Hier ist niemand mehr, Ma'am." Die alte Dame rang die Hände. "Jemand hat meine Schmuckschatulle verrückt. Ich habe sie fünf Zentimeter weiter rechts hingestellt." "Fehlt etwas?" "Ich... das weiß ich nicht. Ich hatte zu viel Angst, um nachzusehen," Sie runzelte die Stirn. "Sagten Sie O'Keefe?" Es klopfte. Dann hörte man, wie eine Codekarte ins Schloss geschoben wurde. Ben trat ein und sah Leslie fragend an. "Jemand hat Mrs. Jeromes Schmuckschatulle verrückt", erklärte sie und tippte eine Nummer in ihr Handy ein. "Ich lasse die Spurensicherung kommen, damit sie nach Fingerabdrücken sucht."
Ben unterdrückte ein Lächeln und hielt einen LaptopComputer hoch. "Ich kontrolliere vorher, wer hier drinnen war." Er öffnete den Computer, zog eine an einem Kabel befestigte Karte heraus, schob sie ins Türschloss und tippte etwas in den Computer ein. Danach las er die Angaben vom Bildschirm ab. " Der Zimmerservice hat die Tür heute Morgen um sieben Uhr geöffnet. Das war das Frühstück, nicht wahr, Mrs. Jerome?" Sie nickte. "Wie immer." "Dann wieder um halb zwölf. Um diese Zeit wird normalerweise bei Ihnen geputzt; während Sie im Restaurant zu Mittag essen. Dann wurde die Tür vor fünfzehn Minuten mit Ihrem Schlüssel geöffnet." "Jemand hat sich an meinen Juwelen zu schaffen gemacht!" "Sie müssen die Suite für einige Stunden räumen, Ma'am", erklärte Leslie. "Stunden?" "Wenn Sie möchten, sorge ich dafür, dass Sie woanders unterkommen." "Das ist sicher nicht nötig ..." "Wir können nicht zulassen, dass Sie hier bleiben, Ma'am, wenn Sie denken, dass Ihr Leben bedroht wird." "Nun ja, ich ..." "Ich habe mich im Polizeihauptquartier erkundigt, bevor ich heraufkam. Seit der Eröffnung gab es in diesem Hotel kein Verbrechen. Die Sicherheitsmaßnahmen sind hervorragend. Aber Mr. O'Keefe möchte bestimmt, dass Sie sich absolut sicher fühlen. Ich kümmere mich um alles." Leslie holte erneut das Telefon hervor und wählte. "Na gut, einverstanden." Ben ergriff Mrs. Jeromes Hand. "Wir gehen der Sache auf den Grund. Holen Sie doch schon Mantel und Tasche." Er führte sie ins Schlafzimmer und kam zu Leslie zurück. "Was machst du?", flüsterte er.
"Ich warte auf die Auskunft, ob sie heute Nachmittag im Seniorenzentrum Bingo spielen." "Bingo?" Er lachte leise. "Bingo! Mit anderen Leuten in ihrem Alter." "Es könnte klappen oder auch nicht, aber wir sollten es versuchen. "Sie warf einen Blick zum Schlafzimmer. "Es hat ihr gefallen, wie ich in den Schränken und unter dem Bett nachgesehen habe." "Tut mir leid, dass ich das versäumt habe." Sie hielt den Hörer ans Ohr. "Großartig. Sie kommt ungefähr in einer Viertelstunde. Lassen Sie sie mindestens drei Stunden nicht weg, klar? Danke, Jacob." Sie fuhren mit Mrs. Jerome nach unten, übergaben sie dem Fahrer des Hotels und kehrten in Bens Büro zurück. "Sollte nicht lange dauern, bis sie so beschäftigt ist, dass sie die Einsamkeit vergisst", bemerkte Les, als sie sich setzten. "Wir versuchen seit Jahren, sie für etwas zu interessieren, aber sie hat sich stets gewehrt." Leslie zuckte die Schultern. "Die meisten Menschen lehnen neue Situationen ab, weil sie meinen, keine Kontrolle darüber haben zu können. Vermutlich wird Mrs. Jerome ihren neuen Bekannten ausführlich erzählen, dass in ihrem Zimmer nach Fingerabdrücken gesucht wird, und hoffentlich sind alle so fasziniert, dass Mrs. Jerome im Mittelpunkt steht. Das wird sie ermutigen, wieder hinzufahren." Sie sah auf die Uhr. "Na ja, jetzt ist meine Mittagspause fast um. Ich wollte mit dir über Erin sprechen." "Hast du schon gegessen?" "Nein, aber..." Er winkte ab, bestellte telefonisch ein Sandwich zum Mitnehmen und nickte Leslie zu, damit sie weitersprach. "Erin ist heute wieder in der Schule. Wir wollten mit ihr über... die Lage sprechen. Ich habe gehofft, du könntest heute Abend zu uns kommen."
"Dann aber am frühen Abend. Später muss ich nach Südkalifornien, wahrscheinlich für einige Tage. Ruf mich an, wenn dein Dienst endet." "Ich warne dich. Erin war in den letzten zwei Tagen sehr empfindlich. Wir müssen behutsam mit ihr umgehen." "Vielleicht sollten wir dann warten, bis ich zurückkomme, damit sie uns eine Zeit lang nicht zusammen sieht." Als Les bloß die Schultern zuckte, fragte er: "Bist du nur hergekommen, um mich zu einer Aussprache einzuladen?" Sie stand auf und trat zu einigen gerahmten Briefen an der Wand. "Ich habe in der Gegend ein Protokoll aufgenommen. Es war meine Mittagspause." "Und?" "Und ich wollte dich vorher allein sehen", erklärte sie und drehte sich zu ihm um. "Um sicherzustellen, dass zwischen uns alles in Ordnung ist." "Und was hast du für ein Gefühl, was uns angeht?" "Ein gutes. Ich habe übrigens dein Foto und den Artikel gesehen. Glaubst du, Ben, dass sich dadurch dein Umsatz steigert?" "Er hat sich schon gesteigert. Siehst du diesen Stapel Briefe auf dem Boden? Fanpost." "Wirklich? Was schreiben die Leute?" "Die meisten Briefe stammen von Frauen. Einige haben Fotos beigelegt." "Nacktfotos?" "Auch." "Obszöne Briefe?" "Ebenfalls." "Kann ich sie sehen?" "Yoshi hat die ... interessantesten Schreiben bereits aussortiert." Während Leslie die Briefe und Fotos durchblätterte, wurde ihr Essen gebracht. Ein Foto hielt sie hoch. "Implantate."
Ben setzte sich schweigend zu ihr aufs Sofa. "Die hier auch", sagte sie und reichte ihm das Bild. Er warf einen Blick darauf und legte es auf den Boden. "Ein Kerl." "Ein Kerl?" Er nahm ihr das Foto aus der Hand und betrachtete es genauer. "Das ist ein Kerl?" "Ich habe ihn vor einigen Jahren verhaftet. Er sagte, ich würde allmählich in die Jahre kommen, in denen ich unbedingt Make-up tragen sollte. Was machst du mit diesen Schreiben?" "Das habe ich noch nicht entschieden." "Reizt dich diese Beachtung? Diese Fotos und die deutlichen Briefe, in denen dir ... heiße Genüsse angeboten werden?" "Nein. Das alles reizt mich nicht, stößt mich aber auch nicht ab. Ich bin eher verblüfft. Ich meine, die Schreiberinnen kennen mich doch gar nicht. Sie haben nur den Artikel gelesen. Gibt es denn so viele verzweifelte Frauen?" "Offenbar." Leslie stand auf. "Ich muss zur Arbeit zurück. Danke für das Essen." Er folgte ihr und hielt die Tür fest, als Les sie öffnen wollte. Dann sagte er leise ihren Namen. Sie bekam Herzklopfen. "Dreh dich um." Sie gehorchte. Er stützte sich mit den Händen links und rechts von ihr gegen die Tür. "Willst du wissen, was mich reizt?", fragte er. Sie nickte. Er küsste sie so leidenschaftlich, dass sie stöhnte. "Du", hauchte er zwischen Küssen. "Du reizt mich." "Wir sollten nicht'..." Leslie stockte, als er die Hände auf ihren Po schob und ihre Hüften gegen seinen Körper presste. Dann küsste er sie lange, genüsslich und hingebungsvoll. "Würde ich immer nur tun, was ich soll, wäre ich heute nicht hier", sagte er hinterher, ohne sie loszulassen. Seine Erregung war so stark, dass sie in Leslie ein heißes Verlangen auslöste.
Sie hörte, wie er die Tür abschloss. Zehn Sekunden lang sahen sie einander in die Augen. Dann schlang sie die Arme um Bens Nacken und küsste ihn fordernd. Ihre Jacke fiel zu Boden, die Bluse folgte. Ben verwöhnte und küsste ihre Brüste, bis Leslie um mehr flehte. Er flüsterte ihr Dinge zu, die sie von ihm noch nie gehört hatte. Und während er all das tat, zog er sich hastig aus, zerrte an ihrem Gürtel, entkleidete sie und betrachtete sie bewundernd. "Könntest du nicht ein einziges Mal in deinem Leben ein Kleid tragen?", beschwerte er sich und brachte sie damit zum Lachen, erstickte dieses Lachen mit einem Kuss. Leslie hielt den Atem an, als er sie hochhob und sie zum Besuchersofa hinübertrug. Er liebte sie so wild und ungezähmt wie noch nie zuvor. Leslie fühlte sich wie eine Liebesgöttin. Ganz langsam und heftig atmend rollte Ben sich schließlich zur Seite, zog und drückte sie fest an sich. Leslie lehnte den Kopf an seine Schulter und genoss es, dass sie sich bei ihm ganz als Frau fühlte. "Unsere gemeinsame Nacht sollte alles verändern", flüsterte sie. Er rieb die Wange an ihrer Stirn. "Ich würde das eine Veränderung nennen." "Daran habe ich allerdings nicht gedacht." "Ich habe von dir keine Klage gehört." "Ich bin zu verwirrt, um mich zu beklagen." "Du bist nicht die Einzige, die verwirrt ist." Sie lächelten einander an, zogen sich wieder an und beobachteten einander dabei. "Ruf mich an, wenn du heute fertig bist", bat Ben. "Ich möchte Erin vor meiner Abreise sehen, ob wir mit ihr sprechen oder nicht. Das überlasse ich dir, Les. Ich unterstütze jede Entscheidung, die du triffst."
Was meinte Ben damit? Gab es eine Chance für sie beide? Wenn nicht... Wenn das nur ein vorübergehendes Aufflackern aus Lust war ... Noch eine Trennung von Ben würde sie nicht verkraften können. "Wir müssen vorsichtig sein." Leslie meinte viel mehr damit, als die wenigen Worte andeuteten. "Ja." Sie starrte ihn an. "Ich muss dich etwas fragen." "Frag." Ihr Herz klopfte heftiger. Sie schluckte, dann sah sie ihm in die Augen. "Wohin bist du an dem Abend gegangen, an dem wir uns getrennt haben?" "Zu Sebastian." Vor Erleichterung wurden ihr die Knie weich. "Warum?" Ben stützte sie, als sie schwankte. "Was hast du angenommen?" "Ich weiß es nicht. Ich hatte Angst davor, dich zu fragen. Ich dachte ... ich dachte ..." "Du hast gedacht, ich wäre zu einer anderen Frau gegangen?" "Wir hatten uns schon so lange entfremdet. Ich fürchtete, du hättest bereits..." "Du hast gedacht, ich könnte einfach von deinem Bett in das einer anderen steigen?", fragte Ben betroffen. "Du hast gedacht, ich hätte dich betrogen? Les! Nie! Ich habe dich niemals betrogen. Hast du das die ganze Zeit geglaubt?" "Sebastian hat kein Wort verlauten lassen. Am nächsten Tag bist du dann in ein Hotel gezogen, aber ich war mir nie sicher, wo genau du jene Nacht verbracht hast." "Ich habe Sebastian gebeten, nichts zu sagen, aber ich habe damit Gabe und Chase gemeint, nicht dich." "Gut", flüsterte sie. "Schon gut."
"Ich habe nicht einmal mit ihm gesprochen, sondern bin im Schlafzimmer geblieben. Ich musste einfach einen Freund in der Nähe wissen. Du hattest Erin, ich niemanden." "Es tut mir leid." "Das weiß ich, Les. Mir tut es auch leid." Er streichelte ihre Wange und küsste sie zärtlich. "Bis heute Abend." Sie lächelte, so gut sie es vermochte. "Erwartest du den Chief, Les? Dein Schreibtisch war noch nie so ordentlich aufgeräumt." "Eifersüchtig, Mack?", fragte sie lächelnd ihren Partner. Sie hatte noch eine halbe Stunde bis zum Dienstschluss, war aber zu nervös, um Berichte zu lesen. Darum hatte sie aufgeräumt, was sie bereits seit Wochen geplant hatte. "Als meine Frau den Putzfimmel bekam, war sie schwanger. Hast du einen Braten im Ofen, O'Keefe?" "Sehr witzig, Mack. Ich bin nur hysterisch." "Dafür muss es einen Grund geben." "Ein guter Vorsatz für das neue Jahr." Zufrieden betrachtete sie den ordentlichen Schreibtisch. "Dich muss es ganz schön erwischt haben." Er blickte an ihr vorbei. "Gütiger Himmel! Schickt Ihnen die Presse jetzt Blumen?" Leslie drehte sich um und sah Fran Gillespie auf sich zukommen. Fran hatte schon mehr einstecken müssen als alle anderen, weil sie die erste weibliche Inspektorin der Mordkommission von San Francisco geworden war. "Sie sind unmöglich, Mack." Fran stellte eine Vase mit Blumen auf Leslies Schreibtisch. "Da war wohl jemand ein gutes Mädchen. Ein sehr gutes Mädchen sogar. Tulpen im Januar, Les. Dieser Mann ist wirklich spendabel." Dabei blickte sie vielsagend zu Mack. "Was soll das heißen? Dass ich ein Geizkragen bin?", erkundigte er sich unschuldig.
Leslie strich über die Tulpen, griff nach dem Umschlag, holte die Karte heraus und freute sich, dass Ben sie selbst geschrieben hatte. Les, vielen Dank, dass Du Mrs. Jerome zu neuen Freunden verholfen hast. Sie geht morgen noch einmal hin. PS: Der Blumenhändler sagt, dass Tulpen das Symbol für einen perfekten Liebhaber sind. Ben hatte ihr nie Blumen geschenkt, weil sie seiner Meinung nach zu schnell verwelkten und daher das hart verdiente Geld zum Fenster hinausgeworfen war. Sie hatte widersprochen, dass sich die Freude über Blumen länger halte als die beste Mahlzeit. Das war das Ende der Diskussion gewesen. Ben war eben kein Romantiker. Schon vor langer Zeit hatte sie sich bemüht, das zu akzeptieren. "Wer ist denn der geheimnisvolle Mann?", fragte Mack. Leslie steckte die Karte ein. "Du kennst ihn nicht." "Hast du ihn überprüft? Ein allein stehendes Mädchen kann in der heutigen Zeit nicht vorsichtig genug sein." "Ich bin vorsichtig." "Du weichst mir aus." Er griff nach seiner Kaffeetasse und verließ den Raum. Fran lehnte sich gegen Leslies Schreibtisch. Leslie lächelte. "Wie läuft es? Gibt die Presse endlich Ruhe?" "Teilweise. Es war eine große Neuigkeit, aber meine Beförderung ist nun schon Monate her. Diese Aufmerksamkeit geht mir allmählich auf die Nerven." Fran betrachtete die Tulpen. "Ich erinnere mich gar nicht mehr, wann mir jemand das letzte Mal Blumen geschickt hat." "Für mich, ist es das erste Mal. Wieso hat man den Strauß zu Ihnen gebracht?" "Ich habe im Erdgeschoss gehört, wie jemand Ihren Namen nannte. Und da ich ohnedies heraufkommen wollte, habe ich angeboten, die Blumen mitzunehmen."
"Haben Sie dem Boten ein Trinkgeld gegeben, Fran? Was schulde ich Ihnen?" "Zwei Dollar, aber ich bin stattdessen mit einer Auskunft zufrieden." Sie holte eine Zeitschrift aus dem Aktenkoffer. "Ich hoffe, dieser O'Keefe hat etwas mit Ihnen zu tun. Vielleicht Bruder oder Cousin?" Das war heute schon das siebente Mal, dass sie nach Ben gefragt .wurde. "Warum?" "Kein besonderer Grund, Les. Er ist einfach attraktiv und enorm erfolgreich, und er kocht. Welche Frau würde sich nicht für einen solchen Schatz interessieren?" Sie seufzte. "Mir kann er jeden Morgen das Frühstück im Bett servieren." "Er ist mein Exmann." "Im Ernst?" Fran betrachtete das Titelbild. "Was stimmt nicht mit ihm?" "Letztlich wahrscheinlich gar nichts." "Wenn ich mich nicht täusche, sind Sie nicht daran interessiert, mich mit ihm zusammenzubringen." "Dieser Scharfsinn macht Sie zu einer guten Polizistin, Fran." Leslie nahm die Handtasche aus der untersten Schublade des Schreibtisches, holte zwei Dollarscheine heraus und reichte sie Fran. "Ich muss jetzt weg." Fran hielt sie am Arm zurück. "Warum haben Sie ihn gehen lassen?" Das war die große Frage. "Das ist nicht so einfach zu erklären." "Vermutlich nicht. Nun ja, ich habe es wenigstens versucht." Fran verabschiedete sich. Leslie zog eine rosa Tulpe aus dem Strauß, drückte die Blüte gegen die Lippen, griff nach dem Telefon und wählte Bens Privatnummer. "Ich fahre jetzt los", sagte sie. "Gut. Bis gleich." "Danke für die Tulpen. Sie sind wunderschön."
"Ich habe sie dir ins Büro geschickt, damit du daheim keine Fragen beantworten musst." "Wir wollten uns eigentlich voneinander verabschieden", sagte sie leise. Er schwieg eine Weile. "Ich glaube, wir haben etwas gefunden, das wir weiter erforschen sollten, Les." Sie schloss die Augen, "Wir könnten uns aber auch gegenseitig noch größere Schmerzen als zuvor zufügen." "Ich glaube nicht, dass das möglich ist." "Und wenn du dich irrst?", flüsterte sie. "Könnten wir es nicht wenigstens versuchen? Erin müssten wir natürlich heraushalten." Wie konnte sie ihm sagen, dass sie ihn liebte und nie aufgehört hatte, ihn zu lieben? Sie konnte viel mehr verlieren als er, weil sie endlich alles akzeptiert hatte. Darum musste sie als Erste über die möglichen Folgen nachdenken. "Wir reden darüber", erwiderte sie schließlich. Nachdem sie aufgelegt hatte, drückte sie die Tulpen mitsamt der Vase an sich und eilte nach Hause - zu ihrer Familie.
12. KAPITEL Es war nicht gerade ein häuslicher Friede, der Ben empfing, als Carly die Tür öffnete und ihn hereinwinkte. Dann verschwand sie rasch in der Küche und ließ ihn im Flur stehen. "Ich habe dir erzählt, was geschehen ist", sagte Leslie soeben zu Erin, die mit verschränkten Armen vor ihr stand. "Ich habe nichts verschwiegen." "Und wieso sagen dann alle, dass du feige bist? Dass ein Polizist angeschossen wurde, weil du nicht abdrücken konntest?" "Ich habe nicht geschossen, weil ein Kind aus der Tür kam und in die Schusslinie geriet. Das alles habe ich dir erklärt, Schatz." "Du hast mir deine Seite geschildert." "Das reicht." Ben stellte sich neben Leslie. "Wirfst du deiner Mutter vor, sie hätte dich belogen?" Er wandte sich fragend an Les. "Ich wiederhole nur, was ich gehört habe", erklärte sie. "Die Väter einiger Kinder in der Schule sind bei der Polizei. Es gab Gerede." Er legte Erin die Hände auf die Schultern. "Machen dir andere Kinder Schwierigkeiten?" Sofort stiegen Erin Tränen in die Augen. "Sie verspotten mich und nennen mich auch feige."
Er zog seine Tochter an sich. "Und hast du ihnen erzählt, was geschehen ist?" "Nein." "Warum nicht?" "Weil sie mich nicht lassen!", rief Erin. "Sie spotten nur." Er strich ihr liebevoll über das Haar. "Sind Freunde von dir darunter? Ich meine, Freunde, die dir wichtig sind?" "Zwei." "Kannst du sie wirklich als deine Freunde betrachten, Erin, wenn sie zu dir gemein sind?" Sie löste sich von ihm. "Das sagen Erwachsene immer. Du verstehst das nicht. Ich will, dass sie mich mögen. Jetzt tun sie es nicht. Bisher hat fast niemand gewusst, dass Mom Polizistin ist. Jetzt wissen es alle!" Damit lief sie aus dem Zimmer. "Warte", bat Leslie, als Ben ihr folgen wollte. "Lass ihr etwas Zeit. Erin soll darüber nachdenken, was du gesagt hast." Leslie deutete auf die Couch, und sie setzten sich. "Warum hat sie deine Arbeit verschwiegen?", fragte er. "Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum ich nur wenigen erzählt habe, dass mein Dad Polizist ist. Kinder reagieren darauf meistens seltsam." "Nachdem du mir von der Schießerei erzählt hast, habe ich nachgedacht. Du hast in der Nacht in der Hütte nicht nur geweint, weil dein Partner verletzt wurde, sondern auch, weil du dir selbst nicht sicher warst, warum du nicht geschossen hast. Du hast deine Fähigkeiten in Frage gestellt." "Natürlich. Das hätte doch jeder getan. Mein Beruf ist das Einzige, worin ich jemals gut war." "Du bist eine wirklich gute Mom." Leslie entspannte sich ein wenig, schwieg jedoch. "Ich glaube, dass Erin deine Zweifel gefühlt hat, Les." "Ich erinnere mich nicht mehr, was passiert ist", gab sie zu. "Im Bericht steht, dass das Kind im Schussfeld gestanden hat, aber ich erinnere mich nicht."
"Ist das ungewöhnlich?" "Nein. Bei einer Schießerei kann man die Waffe abfeuern und sich hinterher nicht einmal an den Knall erinnern. Man weiß, wie oft man schießt, aber man hört es nicht." "Misstraust du dem Bericht?" "Nein, aber ich habe für einen Moment ein Blackout gehabt, und das bereitet mir Sorgen." "Also zweifelst du ja doch an deinen Fähigkeiten als Polizistin." "Ja", gab sie mit kaum hörbarer Stimme zu. "Meinst du wirklich, du allein hättest ein Vorrecht auf Selbstzweifel, Les? Bei meinen Entscheidungen geht es nicht um Leben und Tod wie bei dir, aber ich bin mir nicht immer sicher, alles richtig zu machen. Zweifel verhindern, dass wir nachlässig werden. Wenn du das nächste Mal in eine ähnliche Situation gerätst, wirst du wahrscheinlich mehr sehen und dich an mehr erinnern als alle anderen, die dabei sind, weil du um eine Erfahrung reicher bist." "Aber Mack wurde verletzt. Er hätte getötet werden können." "Nun, das ist nicht geschehen. Und soweit ich informiert bin, hättest du ihm nicht helfen können, oder?" Nach einer Weile nickte Leslie. "Dann hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Wenn du an dich glaubst, wird Erin das auch tun." Sie sah ihn fragend an. "Seit wann besitzt du eine so tiefe Einsicht in die Psyche eines Kindes?" "Ich verstehe die menschliche Natur recht gut, Les. Vermutlich konnte ich das schon immer. "Er legte den Arm auf die Küchenlehne und strich mit der Hand über Leslies Nacken. "Vielleicht bist du die Einzige gewesen, die ich nicht verstanden habe." "Vielleicht hast du zu viel von mir erwartet."
"Und vielleicht gilt das auch umgekehrt. Hast du über meinen Vorschlag nachgedacht? Willst du ausprobieren, wohin das führen könnte?" "Ich habe Angst davor." Ben zog Leslie langsam zu sich heran. "Wo ist der Tiger, der die Nacht in meinem Bett verbracht hat?", flüsterte er und achtete darauf, dass sie nicht von Carly oder Erin überrascht wurden. "Der Tiger hat geschnurrt. Jetzt willst du, dass ich knurre." "Der Tiger hat auch einige Zeit gefaucht und gekratzt und ist Risiken eingegangen." "Die Wiederbelebung einer Beziehung wiegt wohl etwas schwerer als ein Risiko im Bett. Und du hast selbst gesagt, Ben, dass der Sex bei uns immer gut war." "Nicht so gut wie in der Silvesternacht oder heute Nachmittag." "Kann sein." Er knabberte nur kurz an ihrem Ohrläppchen, um nicht ertappt zu werden. "Kann sein?" "Ich dachte, das hätte damit zu tun gehabt, dass wir so lange nicht mehr zusammen waren." "Du warst wild", flüsterte er ihr ins Ohr und fühlte, wie sie erschauerte. "Ich war wild auf dich." Er rückte von ihr ab, weil sein Körper bereits reagierte und dafür jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war. "Das ist doch kein schlechter Anfang, Les." Erin kam herein und blieb an der Tür stehen. "Es tut mir leid, Mom." "Ach, Schätzchen!" Leslie eilte zu ihr und drückte sie fest an sich. "Mir tut es leid, dass du unter meinen Problemen leidest." "Damit komme ich schon zurecht. Dad hat Recht. Meine besten Freunde haben mir zugehört." "Auch Tyler?", fragte Ben.
"Wir haben uns getrennt." Sie löste sich aus Leslies Armen. "Wieso denn das?" Sie verzog das Gesicht. "Er wollte, dass ich in den Pausen und beim Mittagessen mit ihm zusammen bin. Aber das kann ich nicht." "Das Abendessen ist fertig!" rief Carly aus der Küche. "Soll ich für dich decken, Ben?" "Ich muss zum Flughafen. Komm her, Schätzchen." Er drückte seine Tochter an sich. "Ich werde einige Tage fort sein, aber ich rufe dich an, einverstanden? Und ich gebe deiner Mom meine Nummer, damit du mich auch anrufen kannst." "Tut mir Leid, dass ich geschrien habe." "Ist schon in Ordnung." Er sah ihr nach. "Bringst du mich zum Wagen, Les? Dann gebe ich dir die Telefonnummer." Er hielt ihr die Haustür auf und schaltete die Außenbeleuchtung aus, bevor er die Tür wieder schloss. Dann schob er ihr ein zusammengefaltetes Blatt in den Ausschnitt der Bluse. "Meine Telefonnummer", sagte er, legte die Hand auf ihre Brust und fühlte sich geschmeichelt, wie schnell die Knospe sich aufrichtete. Les neigte den Kopf zurück, und er küsste sie voll Verlangen. "Ich will dich", flüsterte Leslie heftig. "Aber ich werde nicht wieder mit dir schlafen, Ben. Im Bett funktioniert alles so gut, dass es uns auf anderen Gebieten täuschen könnte." "Einverstanden." "Das brauchst du nicht so fröhlich zu sagen." Ben lachte. "Soll ich dich aus L.A. anrufen?" "Sobald du dich eingerichtet hast." Noch ein leidenschaftlicher Kuss, dann der Abschied, und Leslie sah Ben aufgeregt nach wie ein Teenager nach der ersten Verabredung. Als sie die Haustür öffnete, stand sie Carly gegenüber. "Du hast mit Ben die Nacht verbracht!"
"Pst!" Sie blickte an Carly vorbei, entdeckte Erin aber nicht. "Ben war wild, verdorben und wunderbar." "Na und?" "Oooh! Ich kann es gar nicht erwarten, wie Gabe und Chase darauf reagieren werden!" Leslie beugte sich zu ihr vor. "Vergiss bloß nicht, dass ich dich wegen Herumstreunens hätte verhaften sollen, Carly Madison. Stattdessen habe ich dir ein Zuhause gegeben." Carly wirkte nicht im geringsten besorgt. "Du willst es vor deinen Freunden verschweigen?" "Vorerst. Versprich mir, dass du nichts verrätst." Carly hob die Hand wie zum Schwur. "Du strahlst förmlich, Les. Gabe wird ein Blick genügen, um Bescheid zu wissen." "Dann muss ich ihm eben ausweichen." "Das Essen wird kalt!", rief Erin von der Küche her. Nachdem Erin und Carly zu Bett gegangen waren, wurde es ruhig im Haus. Leslie ließ sich auf ihr Bett fallen. Warum wollte sie die Beziehung mit Ben wieder beleben? Sie waren nicht mehr dieselben wie früher. Sie hatten zwei völlig verschiedene Leben gelebt. Abgesehen von ihrer Tochter hatten sie nichts gemeinsam. Ihre eigene Arbeit hatte zu einem geregelten Ablauf gefunden. Seine Arbeit verlangte, dass er tagelang fortblieb. Sie wollte eine richtige Familie mit gemeinsamem Abendessen und Unternehmungen am Wochenende. Und ein Baby. Mehr als alles wünschte sie sich ein Baby. Das Telefon klingelte. "Bist du im Bett?", fragte Ben. Sie schloss die Augen. "Ich liege auf dem Bett und habe mich noch nicht einmal ausgezogen." "Wie geht es Erin?"
"Viel besser. Nach dem Essen haben wir lange geredet. Ich glaube, sie kommt zurecht. Sie hat nach dir gefragt. Nach uns beiden." "Was hast du geantwortet?" "Ich habe das Thema gewechselt. Mit dieser Enttäuschung könnte sie kein zweites Mal fertig werden, Ben. Ich dachte, wir hätten endlich alles unter Kontrolle, aber jetzt herrscht wieder einmal Chaos." . "Es ist nicht so schlimm", wehrte er ab. "Ich behaupte nicht, wir hätten keine Probleme mehr. Aber sind sie tatsächlich unüberwindlich? Ich weiß es nicht. Nur eines muss ich wissen. Was hast du damit gemeint, als du sagtest, du und Alex, ihr beide hättet eine Vereinbarung getroffen?" Leslie wollte ihm schon antworten, dass ihn das nichts angehe. Aber dann kam ihr in den Sinn, dass sie sich beide aufrichtig darum bemühten, zu einer Lösung zu kommen. Sie musste also absolut ehrlich sein. "Ich habe Alex gesagt, dass ich mit ihm nur befreundet sein will." Ben schwieg lange. "Ist er damit einverstanden?" "Er meinte, er habe schon damit gerechnet. Wir sind so verblieben, dass ein jeder von uns sich beim anderen melden kann, wenn einer von uns Begleitung braucht. Ich rechne aber nicht damit, noch einmal von ihm zu hören." "Warum hast du nicht mit ihm geschlafen, Les?" Sie antwortete nur zögernd. "Ich habe nicht mit ihm geschlafen, weil meine Brüste nicht vor Verlangen nach seinen Zärtlichkeiten prickelten. Ich wurde nicht verrückt vor Sehnsucht, ihn in mir zu spüren. Ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten, aber ich weiß, dass es mit dir anders ist. Ich habe Alex fast unbewusst auf Distanz gehalten, wahrscheinlich weil ich davor zurückschreckte, ihn auch nur zu berühren oder ihn gar mit meinen Zärtlichkeiten zu verwöhnen. Wenn wir uns lieben, Ben, dann will ich dein Gesicht sehen,
wenn du den Höhepunkt erlebst. Du wirkst dann so stark, so angespannt. Es gefällt mir, dass ich mich dir schenken kann." Sie hörte ihn atmen und wollte ihm jetzt die Frage stellen, welche Empfindungen er bei den anderen Frauen gehabt hatte ... Nein, sie wollte es nicht wissen. Nur die Gegenwart zählte. "Wenn du weiter so mit mir sprichst, Les, werde ich mich nicht an deine Bedingung halten können." "Welche Bedingung?" "Dass wir nicht miteinander schlafen, solange wir nicht wissen, wohin wir steuern. Du denkst wohl, vierhundert Meilen sind eine sichere Entfernung, aber wenn du vorhast, mich auf diese Weise zu reizen, dann erinnere dich daran, dass dies eine steigernde Wirkung hat - und Konsequenzen. Ich rufe dich jeden Abend an. Wir müssen miteinander reden. Aber dieser Telefonsex muss sofort aufhören. Du hast selbst gesagt, dass uns Sex den Blick auf die Realität verstellt." "Ich werde dich nicht wieder aufreizen." "Du kannst mich so viel aufreizen, wie du willst, Tiger. Aber denke daran, dass ich nur ein Mensch bin." Leslie lächelte. "Gute Nacht." Träume von mir!
13. KAPITEL Ben blieb eine Woche weg. Les machte jeden Abend nach seinem Anruf ein X auf dem Kalender. Sie redeten stundenlang über die verstrichenen Jahre, Träume, Enttäuschungen und das Leben ganz allgemein. Durch alle Gespräche zog sich Bedauern über den Schmerz, den sie einander und ihrer Tochter zugefügt hatten, und über den Verlust ihrer Freundschaft. Und sie bereuten, dass sie den verletzten Stolz nicht überwunden und schon früher ehrlich miteinander gesprochen hatten. Am Tag von Bens Rückkehr lag sie morgens im Bett und wartete darauf, dass der Wecker klingelte. Sie freute sich schon darauf, Ben am Abend zu sehen. Wie das Zusammentreffen wohl verlaufen würde? Sie hatte die Hoffnungen hoch vielleicht zu hoch - gesteckt. Die Unsicherheit, wohin ihre Beziehung trieb, machte sie fast krank vor Sorgen, doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Und sie wollte es auch nicht. Zumindest hatte sie diese Entscheidung getroffen. Im Verlauf der Woche hatte sie sich manchmal mit Bens Augen gesehen. Es hatte ihr gar nicht gefallen, wie beleidigt sie gewesen war und wie wenig sie seinen Standpunkt hatte verstehen wollen. Allerdings hatte auch er Fehler gemacht.
Abgesehen von allen Erinnerungen, Fragen und Erklärungen bestand zwischen ihnen weiterhin diese überaus starke Anziehungskraft. Weil sie es nicht länger im Bett aushielt, schaltete sie den Wecker aus. Das Telefon klingelte, als sie gerade den Bademantel überzog. "Bist du schon wach?", fragte Ben. "Soeben aufgestanden." Sie lehnte sich gegen das Kopfteil. Der Klang seiner Stimme belebte sie mehr als Kaffee. "Ich weiß, dass du heute deinen freien Tag hast, und ich war mir nicht sicher, ob ich so zeitig anrufen soll." "Ich sitze gern noch ein wenig mit Erin zusammen, bevor sie zur Schule geht." "Ich würde sie hinterher abholen, aber meine Maschine landet erst um fünf Uhr nachmittags." "Möchtest du zum Abendessen herkommen, oder musst du vorher ins Hotel?" "Das Geschäft kann warten. Ich würde gern zum Essen kommen, Les." Beim sanften Klang seiner Stimme bekam sie feuchte Augen. Der Magen krampfte sich ihr zusammen. Zu viel stand auf dem Spiel. "Ich habe Angst davor, dich zu sehen", gestand sie. "Mir geht es genauso. Und ich weiß nicht, wie ich die Hände von dir lassen soll." Sie hatte einen BH und einen Slip mit Tigermuster gekauft, weil sie wusste, dass sie sich nicht an ihre eigene Regel halten konnte, nicht mit Ben zu schlafen. Schon am Telefon hatten sie einander stets mit weitschweifigen Erinnerungen gereizt. "Sobald Erin im Bett ist, komme ich mit dir in dein Penthouse, falls du das willst." "Können wir Erin davon überzeugen, dass sie von jetzt an um sieben Uhr schlafen gehen muss?" Sie wickelte lächelnd die Telefonschnur um den Finger. "Ich kann nicht die ganze Nacht wegbleiben."
"Wir sorgen dafür, dass es uns wie eine ganze Nacht vorkommt." "Ben?" "Ja?" "Es geht hier doch um mehr als nur Sex, oder?" "Um vielmehr." "Gut", sagte sie nach einer Weile. "Dann sehe ich dich heute Abend." Am späten Nachmittag schloss Leslie die Tür ihres Wagens und lehnte sich gegen die Motorhaube, als die Schulglocke schrillte. In wenigen Minuten würde Erin mit ihren Freundinnen herauskommen, pausenlos reden und fröhlich lachen. Elf Jahre. Könnte sie ihre Tochter doch bloß in diesem unschuldigen Alter einfrieren! Erin trat in den Sonnenschein heraus. Ihr neuer roter Sweater leuchtete. An jeder Seite hatte sie eine Freundin. Die Mädchen steckten die Köpfe zusammen, die Schultern berührten sich, als sie über etwas kicherten. Leslie stieß sich vom Wagen ab, um ihnen entgegenzugehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie ein Mann auf die Mädchen zuging, dann vor ihnen stehen blieb und etwas sagte. Leslie runzelte die Stirn. Erin wich mit ängstlichem Blick zurück. Leslie lief schon los, noch bevor Erin "Mom!" rufen konnte. Der Mann wirbelte herum. Sie lief schneller. "Halt! Polizei!" Er rannte los. Sie war ihm dicht auf den Fersen. Noch dichter. Jetzt... Der Mann blieb stehen, streckte Leslie die massigen Arme entgegen, packte sie an den Aufschlägen der Jacke und schleuderte sie gegen einen geparkten Wagen, ehe er floh. Mit der Hüfte prallte sie so hart gegen einen Türgriff, dass der Schmerz ihr bis in die Zehen zuckte. Sie hörte Erin schreien. Jemand rannte auf Leslie zu. Sie hob den Kopf, versuchte die Situation in den Blick zu bekommen.
Hände umgriffen ihre Schultern, hielten sie fest. Sie hörte ihren Namen. Ben? "Setz dich, Les!", rief er. "Um Himmels willen, setz dich!" "Mir ist nichts passiert." Verflixt, tat das weh! "Schnapp ihn dir! Lass ihn nicht entwischen. Erin ..." Ben ließ sie los, jagte davon und warf sich auf den Mann, der Les wie eine Puppe gegen einen Wagen geschleudert hatte. Ben stieß ihn zu Boden und landete auf ihm. Sie kämpften stöhnend und keuchend miteinander. Um sie herum schrien Kinder. Ben rammte dem Mann das Knie ins Kreuz, drehte ihm den Arm auf den Rücken und hörte seinen Schmerzensschrei. "Wenn du dich an meine Familie heranmachst, kriegst du es mit mir zu tun", zischte Ben ihm ins Ohr. "Und das willst du sicher nicht!" Handschellen tauchten auf, eine dunkelblaue Uniform. Dann eine vertraute Stimme. "Zur Seite, Ben. Ich erledige den Rest." Keuchend wandte Ben sich zu Hugh Sullivan, Leslies Vater, der ihn zur Seite schob. Dann drehte Ben sich um, als Leslie gerade zu Boden sank. "Les!" "Mom!" Sie bewegte sich nicht. Ben erreichte sie als Erster und kniete sich an ihre Seite. "Ruf einen Krankenwagen!", schrie er Hugh zu, der den Kerl in seinen Streifenwagen schob. Erin kam mit weit aufgerissenen Augen näher. Ihre Freundinnen klebten an ihr. "Sie kommt wieder in Ordnung, Schatz", sagte Ben schnell. "Meine Les ..." Er konnte nur flüstern. Seine Kehle war wie zugeschnürt, während er am Hals nach dem Puls tastete und die Beule an der Stirn von dem Sturz betrachtete. Der Puls war gleichmäßig und kräftig. Ben atmete erleichtert auf. Doch ihm war wieder einmal klar - nur allzu klar - welche
Gefahren Leslies Arbeit mit sich brachte. Er hatte geglaubt, sich endlich damit abgefunden zu haben, aber das stimmte nicht. Er hasste diese Seite ihres Berufs genauso wie früher. Er strich ihr das Haar aus der Stirn. "Wach auf, Tiger!" "Kümmere du dich um deine Tochter", befahl Hugh und kniete sich auf die andere Seite von Leslie. "Ich kümmere mich um meine." Leslie packte Carly am Arm der Uniform einer Hilfskrankenschwester und zog sie zu sich heran. "Wenn ich nicht sofort etwas gegen die Schmerzen bekomme, werde ich ... werde ich ..." Sie ließ los und sank auf den Untersuchungstisch in der Ambulanz zurück. "Was wirst du? Mich erschießen?" Carly zog einen Hocker heran. "Ich habe dir bereits erklärt, Leslie, dass wir zuerst wissen müssen, was los ist, bevor du etwas bekommen kannst. Jetzt musst du mir einige Fragen beantworten." "Wie geht es Erin?" "Gut, zum fünften Mal. Sie und Ben warten draußen, auch dein Dad." Sie hielt Stift und Klemmbrett schreibbereit. "Allergien?" Leslie seufzte. "Nein." "Nimmst du Medikamente?" "Nein." "Bist du schwanger? Wir müssen wahrscheinlich deine Hüfte röntgen, Leslie. Du musst ganz sicher sein." "Nein, bin ich nicht." "Wann hast du deine letzte Periode gehabt?" "Vor vier Tagen." "Sie hat vor vier Tagen begonnen?" "Hat vor vier Tagen begonnen und vor vier Tagen geendet." "Und wie war es im letzten Monat? War da deine Periode normal?" "Ich denke schon."
"Das ist wichtig. Hast du außer zu Silvester noch mit jemandem geschlafen?" "Das geht dich nichts an." Hüfte und Kopf schmerzten entsetzlich. "Ich habe dir schon erklärt, warum es mich etwas angehen muss." "Ich habe mit Ben zu Weihnachten und zu Silvester geschlafen. Darüber hinaus war ich mit keinem anderen Mann im Bett. Bist du nun zufrieden?" Carly nickte. "Ich schicke deine Familie herein, bis die Ärztin dich untersuchen kann." "Mom!" Erin stürmte in den Raum. Ben folgte Hugh und sah über dessen Schulter, wie Les zusammenzuckte, als Erin sich auf sie warf. "Alles in Ordnung, Schätzchen?" "Mir ist nichts passiert, Mom, aber dir. Wirst du wieder gesund?" "Sicher. In der Ambulanz ist so viel los, dass die Ärztin noch gar nicht bei mir war. Also kann es nicht schlimm sein." Les blickte zu Ben, und das Lächeln fiel ihr schwer. Er wusste aber nicht, ob das mit den Schmerzen zu tun hatte. "Du hast uns einen schönen Schrecken eingejagt, Les." "Tut mir Leid." Sie sah ihn sekundenlang forschend an und wandte sich an ihren Vater. "Was wisst ihr bisher?" "Der Kerl heißt Moose Landry und arbeitet für Grimes Construction." "Ich wusste es! Er ist hinter Sebastian her." Sie drückte Erins Hand. "Was sagte er zu dir?" "Dass er ein Freund von Onkel Sebastian ist und ihn sucht. Und er hat auch gesagt, dass er dich und Dad kennt. Er hat böse ausgesehen. Ich habe ihn nicht gemocht." "Er wollte sich doch nicht Erin schnappen?", fragte sie ihren Vater, als sie sich an den ängstlichen Blick ihrer Tochter erinnerte.
"Das war nicht seine Absicht. Er hat sie nicht angefasst und auch nicht bedroht. Kein Entführungsversuch." "Weshalb habt ihr ihn festgesetzt?" "Herumtreiben in der Nähe eines Schulgeländes und Angriff auf eine Polizistin. Wahrscheinlich ist er schon vor dem Abendessen auf Kaution wieder frei." Ein junger Mann in einem weißen Labormantel kam pfeifend herein. "Ich brauche von Ihnen einen Tropfen von dem roten Saft", sagte er fröhlich und schob seinen Wagen neben das Bett. "Warum?" "Ich frage nicht nach Gründen, sondern führe Anweisungen aus." "Du musst dem Mann Platz machen", sagte Ben zu Erin. "Sie kann bleiben, wenn sie nicht zimperlich ist", erwiderte der junge Mann. "Bist du zimperlich?" "Ich glaube nicht." "Dann komm näher." Ben beobachtete, was für ein fasziniertes Gesicht seine Tochter machte, während Les blass wurde. "Ich muss mich bei dir bedanken, Ben, dass du den Kerl geschnappt hast", sagte sie. "Das ist nicht nötig. Hugh war direkt hinter mir. Moose wäre nicht weit gekommen." "Du bist früh zurückgekommen." Ich konnte es nicht erwarten, dich zu sehen. In seinen Gedanken mischten sich Bilder, die er noch nicht auf die Reihe bekam - die Vorfreude während der letzten Woche, die Verzweiflung während der letzten Stunde. Er hatte absolut nichts für Les tun können, war nicht imstande gewesen, sie zu beschützen. "Ich habe einen früheren Flug erwischt und wollte Erin überraschen, wenn sie aus der Schule kommt. Was macht deine Hüfte?" "Sie schmerzt." "Und dein Kopf?"
"Der auch." Sie lächelte ihm zu, ihr Blick suchte aber forschend seinen Blick, so als wartete sie darauf, dass er etwas sagen, etwas tun würde. Doch die Hoffnung war ihm genommen worden, als sie auf dem Bürgersteig lag, bewusstlos. Stirnrunzelnd wandte Leslie sich an ihren Vater. "Du warst schnell da, Dad." "Weil er immer da ist." Erin lächelte ihrem Großvater zu. "Fast immer." "Ich zeige mich gern, wenn die Schule aus ist." "Das ist unser Geheimnis", berichtete Erin. "Das war unser Geheimnis, Kleines. Du hast mich vor all den anderen Großvater genannt." "Na ja, jetzt wissen ohnedies alle, dass meine Mutter Polizistin ist. Was macht es, wenn sie auch über dich Bescheid wissen?" Ben war über Hughs Verhalten überrascht und erfreut. Die mangelnde Zuneigung ihres Vaters hatte Les stets geschmerzt. Aber vielleicht hatte sie ihn auch nicht verstanden. Vielleicht konnte er es nur nicht aussprechen und bewies durch sein Verhalten seine Liebe zu Enkelin und Tochter. "Ich habe mich schon mehrmals gewundert, warum du nach Schulschluss immer in der Gegend warst", sagte Ben zu Hugh. "Ich dachte, die Schule würde zu deiner Runde gehören." Hugh zuckte die Schultern. "Ich komme mit dem Streifenwagen immer da vorbei. Bist du oder Les da, um Erin abzuholen, fahre ich einfach weiter." Sie plauderten, während sie auf die Ärztin warteten, doch die Spannung wuchs. Vieles musste gesagt werden, doch keiner von ihnen brach das Eis. Ben wusste, dass Hugh es ihm verübelte, dass er da war. Er hatte bei Hugh nie Anerkennung - oder auch Ablehnung gefunden, nur Gleichgültigkeit, was für ihn noch schwerer zu
verstehen war. Ein kalter, einsamer Mann, der stets ein wenig der Welt zürnte. Ausgenommen jetzt bei Erin. Und bei Les, als sie bewusstlos gewesen war. "Also schön, alle wieder hinaus." Carly war zurückgekehrt. "Die Ärztin ist unterwegs." "Ach, Carly", klagte Erin, "hier kommandierst du noch mehr herum als daheim. Du kannst keinen Mann einfangen, wenn du nicht süß bist." "Und wie kommst du darauf, dass ich einen suche, Engelchen?" "Du magst Sebastian. Du willst Sebastian heiraten." Alle sahen Carly an, die plötzlich rot wurde. "Stimmt nicht. Das heißt, ich will ihn nicht heiraten. Ich mag ihn nur. Und jetzt verschwindet." Erin lief lachend zur Tür. "Ach ja? Und warum hast du dann seinen Namen ein paar Millionen Mal in dein Notizbuch geschrieben?" "Er hat einen schönen langen Namen mit vielen Schlingen. Sebastian Blackstone. Ich habe meine Handschrift trainiert." Man hörte Erin noch auf dem Korridor lachen. "Du hast ein ungezogenes Kind", sagte Carly zu Leslie. "Ich habe ein Kind mit einer guten Beobachtungsgabe. Ich dachte, in deinem Leben gibt es keinen Raum für Männer." Carly zuckte die Schultern. "Weißt du, er sieht nicht schlecht aus." "O ja, das weiß ich. Dunkles Haar, die sagenhaften Muskeln eines Zimmermannes. Aber er flirtet fast so viel wie Gabe früher. Und dich hat er immer behandelt..." "Wie eine kleine Schwester. Das weiß ich. Allerdings habe ich ihn einmal geküsst." "Wann?"
Carly tat, als wäre es nicht weiter wichtig. "Kurz bevor er untertauchte. Er hat mich herausgefordert." "Das sieht Sebastian ähnlich. Und? War es wunderbar?" "Himmlisch." Carly beugte sich näher zu Leslie herüber. "Es hat ihn auch ganz schön getroffen. Wahrscheinlich hat er damit gerechnet, dass ich süß bin, wie Erin sagte. Ich wollte allerdings, dass sich ihm von dem Kuss die Zehen einrollen. Ich konnte nicht sehen, ob mir das gelungen ist, weil er Stiefel trug, aber etwas anderes hat sich entrollt", fügte sie mutwillig lächelnd hinzu. Die Ärztin eilte herein. "Ich bin Dr. Sharpe, Inspector." "Bitte nennen Sie mich Leslie." Die Ärztin nickte. "Leslie, wir haben Ihnen Blut für einen Schwangerschaftstest abgenommen, um zu sehen, ob wir röntgen können." "Dann lande ich jetzt also endlich in der Röntgenabteilung", sagte Leslie. Dr. Sharpe legte ihr die Hand auf die Schulter. "Ich weiß nicht, ob das für Sie eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, aber Sie sind schwanger." Die Untersuchung war vorüber. Die Ärztin war wieder gegangen. Sie hätte Leslie bis morgen dabehalten, aber Carly hatte versichert, während der Nacht nach ihr zu sehen. Leslie musste daheim vier Tage Bettruhe halten. Danach sollte ihr Arzt entscheiden, ob sie wieder arbeiten durfte. Da sie die nächsten vier Tage frei hatte, passte das gut. Die Ärztin hatte nicht geröntgt, sondern wollte warten, wie sich alles entwickelte. Leslie hoffte, dass Carly sich sämtliche Anweisungen gemerkt hatte, weil sie selbst wahrscheinlich nur jeden dritten Satz mitbekommen hatte. "Ich kann ..." Sogar das Sprechen fiel ihr schwer. "Ich kann es nicht glauben."
"Atme ein paar Mal tief durch", riet Carly beschwichtigend. "Ich kann nicht schwanger sein." "Der Test beweist es. Du kannst froh sein, so früh schon ein genaues Ergebnis zu erhalten." "Froh!" Sie fuhr sich durchs Haar. "Das gibt es doch gar nicht. Ben wird denken... Lieber Himmel! Das wird er mir nie verzeihen." "Du musst es ihm sagen." "Ja, natürlich. Verdammt, verdammt! Ausgerechnet, als alles schon so gut aussah. Au!" Sie legte die Hand auf die schmerzende Hüfte. Sie hatte die Ärztin mit Fragen bombardiert. "Was ist mit der Blutung? Verliere ich das Baby? Wurde das Baby verletzt, als Moose mich gegen den Wagen schleuderte?" Dr. Sharpe hatte ihr erklärt, dass es nicht sehr wahrscheinlich war. "Was die Regel angeht", hatte sie gesagt, "kommt es manchmal dazu, wenn der Embryo sich einpflanzt, gewöhnlich am achten Tag nach der Empfängnis." Embryo, dachte Leslie. Das war nicht einfach ein Embryo. Ein Baby. Sie schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen. Ihr wurde warm. Warm um das Herz herum. Die Wärme brachte innere Ruhe. Frieden. Und auf einmal wusste sie, was sie wirklich fühlte. Freude. Absolute, unendliche Freude. Ein Baby. Bens Baby. Sie strich über ihren Bauch. Verlass mich nicht, Kleines. Halte durch. Ich weiß, es ist rau zugegangen, aber von jetzt ab wird alles gut werden. Das verspreche ich dir. Ich liebe dich bereits. Und auch dein Vater wird dich lieben. "Soll ich jetzt deine Familie hereinschicken?" "Ihr braucht bestimmt den Raum." Mit Carlys Hilfe setzte sie sich auf. "Sag Ben, dass er den Wagen holt. Wir fahren heim." "Du wirst es ihm gleich erzählen?" "Sobald Erin im Bett ist. Muss ich jetzt in einen Rollstuhl?" "Würdest du wirklich lieber zum Wagen gehen?"
Leslie setzte zu Widerspruch an, verzichtete jedoch darauf.
14. KAPITEL Hugh lehnte die Einladung zum Abendessen mit der Familie ab. Ben bereitete aus den Sachen, die er im Kühlschrank fand, ein wunderbares Essen zu, half Erin bei den Hausaufgaben und kümmerte sich um Leslie. Doch er vermied es weiterhin, sie anzusehen oder sie zu berühren. Erin ging schlafen. Carly zog sich mit einer Tasse Tee in ihr Zimmer zurück und versicherte, sie wolle nicht mehr stören. Ben ging vor dem Kamin in die Hocke und stocherte im Feuer, dass die Funken flogen, Leslie lag auf dem Sofa, hatte eine Decke über die Beine gelegt und wartete darauf, dass Ben etwas sagte. Irgendetwas. Endlich zog er sich einen Stuhl zu ihr heran und setzte sich. Die Hände hielt er zu Fäusten geballt. "Es tut mir Leid, dass unsere Pläne für den heutigen Abend zerstört wurden", fing sie zögernd an. "Vielleicht war das so am besten, Les." Es war für Leslie wie ein Schlag. Irgendwie hatte sie es bereits den ganzen Abend kommen gesehen, doch immer noch gehofft, dass sie sich irrte. "Heute wurde mir klar, dass es nicht klappen kann", fuhr er fort. "Was meinst du mit ,es'?" "Mit uns beiden. Und der zweiten Chance."
"Und warum nicht?" "Du riskierst täglich dein Leben. Die Ängste, die Sorgen habe ich schon einmal durchgemacht. Ich dachte, ich könnte damit umgehen, weil du keinen Streifendienst mehr machst. Aber dann habe ich gesehen, wie du diesen muskelbepackten Kerl, der mindestens doppelt so viel wiegt wie du, verfolgt hast. Ich habe gesehen, wie er dich gegen den Wagen geschleudert hat, wie du bewusstlos dagele... Les, ich kann es nicht. Es ist meine Aufgabe, mich um meine Familie zu kümmern. Meine Aufgabe! Aber du hast nie zugelassen, dass ich meine Pflicht erfülle." Leslie blickte starr auf ihre Hände und kämpfte gegen die Tränen an. Ben nahm ihr die Zukunft weg und wandte ihrer Liebe den Rücken zu. Sie schluckte die Tränen hinunter, und es schmerzte. Endlich bekam sie sich wieder einigermaßen in den Griff. "Heute habe ich nicht als Polizistin gehandelt, Ben, sondern als Mutter. Ich habe mich als Mutter so verhalten, wie ich mich als Polizistin verhalten hätte." "Wie kannst du das sagen? Du hast ihm zugerufen, dass er stehen bleiben soll, und du hast dich ihm als Polizistin zu erkennen gegeben." "Das geschah automatisch, und das ist auch gut so. Wir hätten sonst gegen den Mann nicht den Anklagepunkt des Angriffs auf eine Polizistin. Aber ich war nicht als Polizistin hinter ihm her. Ich hatte Angst um meine Tochter, der er zu nahe gekommen war. Viel zu nahe." "Ja, das ist ihm gelungen. Ich habe dir versprochen, dafür zu sorgen, dass niemand an meine Familie herankommt. Und ich habe versagt." Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. "Ich habe versagt." "Weißt du, Ben, das zieht nicht mehr." Er ließ die Hände sinken. Sie setzte sich auf, obwohl die Hüfte schmerzte, und legte eine Hand auf ihren Bauch. "Es reicht mir, dass du denkst, nur
du könntest schützen und uns versorgen. In der Ehe waren wir Partner, auch wenn ich immer der stumme Partner gewesen bin. Das ist nun vorbei! Du bist nicht dafür verantwortlich, was mit mir passiert ist!" "Ich muss damit leben", erwiderte Ben ruhig und ergriff ihre Hände. Sein Blick war so traurig wie noch nie. "Ich kann nicht tagtäglich damit leben." Wir haben ein Kind gezeugt! Sie wollte es ihm ins Gesicht schreien. Ob es dir gefällt oder nicht, du wirst wieder Vater! Da liegt deine Verantwortung! Stattdessen zog sie die Hände zurück. "Tu, was du tun musst." "Ich muss jetzt gehen." "Schön. Dann geh!" Er stand auf. "Ich werde für einige Tage verreisen." Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Tu das! Lauf weg! Lauf zu diesen Puppen mit den Silikonbrüsten, auf die sie so verdammt stolz sind! Von denen bekommst du wenigstens Sex ohne alle Probleme!" Ben hob ruckartig den Kopf. Leslie war entschlossen, nichts mehr zurückzuhalten. Vielleicht hatte sie beim ersten Mal nicht hart genug um ihn gekämpft, doch diesmal würde sie es nicht bedauern. Dieses Mal würde sie kämpfen wie ein Tiger! "Ohne Zweifel findest du willige Körper und grenzenlose Bewunderung", fuhr sie fort, ohne sich an seinem geschockten Blick zu stören. "Es gibt ganz sicher übergenug Frauen, die dich anhimmeln und bei denen du der Mann sein kannst, der als Einziger bestimmt, wo's längsgeht... die Nummer Eins ... der Kerl, der alles in der Hand hat. Du kannst sämtliche Entscheidungen treffen. Du kannst zum kleinen Frauchen heimkommen, das dir die Pantoffeln und die Pfeife bringt, dir jedes Wort von den Lippen abliest und sich in deine Arme schmiegt." "Ich habe nie behauptet, dass ich mir das wünsche."
"Ach nein?" Er zog die Brauen finster zusammen. "Das kannst du alles haben, Ben. Es gibt Frauen, die gern diese Rolle übernehmen. Was mich angeht, ich bin nur bereit, dich zu lieben. Bedingungslos. In guten wie in schlechten Zeiten. Bis dass der Tod uns scheidet. Wie viele andere würden dir das schwören - nicht nur bei der Hochzeit, sondern auch während einer Scheidung und in den nachfolgenden Jahren?" "Auch du hast die Scheidungspapiere unterzeichnet." "Weil du so gelitten hast! Ich glaube noch immer an unseren Schwur. Ich liebe dich unverändert von ganzem Herzen. Ich brauche dich weiterhin. Ich begehre und schätze dich. Ich akzeptiere deine Fehler. Ich akzeptiere dein Selbstbewusstsein. Ich akzeptiere, dass du bist, wie du bist, weil du so erzogen wurdest und so aufgewachsen bist. Nimm endlich die Scheuklappen ab und sieh mich, wie ich jetzt bin, und nicht, wie du mich in Erinnerung hast!" "Les ..." "Bevor du nicht bereit bist, mir zu sagen, dass du mich liebst, will ich nichts hören. Nicht jetzt. Du musst gehen. Denk nach! Überlege dir alles! Ruf mich an, wenn du das gemacht hast, und dann reden wir." Nach einer Weile ging Ben zur Haustür. Leslies Herz schlug schmerzhaft. Sag mir, dass du mich liebst! "Ginge es nur um Liebe, Les, wäre es nicht so kompliziert." Damit schloss er hinter sich die Tür. Und was bedeutete das nun? Liebte er sie? Genügte Liebe nicht? Überwand Liebe nicht alle Schwierigkeiten? "Leslie?" Carly kam herein. "Ich habe euch streiten gehört. Ist er weg?" Leslie nickte und konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. Carly kniete sich vor sie hin und nahm sie in die Arme. "Hast du ihm von dem Kind erzählt?"
Leslie schüttelte den Kopf. "Ich habe vieles gesagt, das ich nicht hätte sagen sollen." "War es ehrlich gemeint?" "Nun ja, schon, aber ich hätte es für mich behalten sollen." Leslie fand ein Papiertaschentuch und wischte sich über das Gesicht. "Warum? Weil du vielleicht seine Gefühle verletzen könntest? Ich habe einiges mitbekommen. Du hattest Recht. Er ist selbstsüchtig." "Dafür kann er nichts. Er ist ein Mann." "Das sage für gewöhnlich ich", meinte Carly lachend. "Ich weiß, und ich gebe dir endlich Recht." "Du brauchst ein schönes warmes Bad, Schwester Carlys allerbeste Rückenmassage und Schlaf." Leslie drückte ihr dankbar die Hand. "Ich bin froh, dass ich dich nicht verhaftet habe. Und ich hoffe, dass Sebastian dir nicht auch das Herz bricht." "Ich bin ebenfalls froh, dass du mich nicht verhaftet hast. Und was Sebastian angeht, solltest du eher hoffen, dass ich ihm nicht das Herz breche." Leslie konnte die Tulpen nicht wegwerfen, obwohl sie nach zwei Wochen auf dem Schreibtisch traurig aussahen. Sie waren ein Symbol ihrer Beziehung zu Ben, und darum wechselte sie nur täglich das Wasser. In frischem Zustand hatten sie Hoffnung dargestellt. Im Verwelken markierten sie die verstrichenen Tage mit all den Möglichkeiten, die ausblieben. Je länger Ben wegblieb, desto mehr verwelkten sie. Sobald die Blumen starben, war auch die Chance auf Versöhnung tot. Das Telefon klingelte. "Inspector O'Keefe." "Ich wollte dich nur informieren, dass ich zurück bin." Ben! "Erin hat mir gesagt, dass du heute wahrscheinlich heimkommen würdest." "Können wir uns heute Abend sehen? Wollen wir die Aussprache hinter uns bringen?"
Nein! "Gern." "Was macht die Hüfte?" "Sie tut noch weh, ist aber schon besser." Die Prellung sah wie moderne Kunst aus - ein Gemisch leuchtender Farben auf der Haut. "Willst du nach der Arbeit herkommen?", fragte er. "In Ordnung." "In mein Büro oder ins Penthouse?" "Das richtet sich wohl danach, was du mir zu sagen hast." Ihre Hände zitterten. Von der heutigen Aussprache hing viel ab, sehr viel. "Dann ins Penthouse, damit wir nicht gestört werden." Das sagt mir gar nichts. "Gut. Wir sehen uns ungefähr Viertel nach sechs", sagte sie und legte auf. "Hast du eine Verabredung?" Leslie drehte sich hastig um. "Dad! Ich habe dich in der letzten Woche öfter gesehen als sonst in einem ganzen Jahr." Er setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches und verschränkte die Arme. "Du hast mir nicht geantwortet." "Nein, ich habe keine Verabredung. Ich treffe mich mit Ben." Hugh griff nach ihrer Klammermaschine und betrachtete das Gerät aufmerksam. "Ich habe mir überlegt, ob du deinen Namen nicht wieder in Sullivan ändern solltest." "Warum das?" "Es ist ein guter Name, besonders hierbei der Polizei. Ein stolzer Name. Es sieht so aus, als würdest du bei uns bleiben. Die vierte Generation bei der Polizei von San Francisco. Das können nicht viele Familien von sich behaupten." Endlich hatte er ihre Arbeit akzeptiert. "Ich halte vorerst an O'Keefe fest, Dad", erwiderte sie gerührt. Er sah sich die Unterseite der Klammermaschine besonders genau an. "Ich habe mich daran erinnert, wie du mit Ben auf der High School gegangen bist. Er ist oft zu uns gekommen und hat tolle Sachen für uns gekocht. Es hat eine Weile gedauert, bis ich
dahinter kam, dass der Junge Hunger hatte. Daheim hat er wohl nicht viel zu essen bekommen?" "Nein. Hast du ihn deshalb so oft in unsere Küche gelassen?" "Ich habe das für einen gerechten Austausch gehalten. Er war ein heranwachsender hungriger Junge, und ich habe nicht gern gekocht. Du und dein Bruder übrigens auch nicht." "Wir waren ziemlich hilflos, nicht wahr?" "Ben hat sich um uns gekümmert. Es hat mir immer an ihm gefallen, wie er ohne großes Aufhebens alles erledigt hat. Und viel Lob hat er auch nicht dafür erwartet. Er wollte nur sein Teil beitragen, damit er zur Familie gehört." "Hier riecht es nach Verschwörung", stellte Leslie fest. "Hat Carly dir etwas gesagt?" Er stellte die Klammermaschine sorgfältig auf den Schreibtisch zurück. "Mir hat niemand etwas gesagt." "Du hast mit Erin Geheimnisse ausgetauscht." "Da ging es aber nur um Dinge zwischen der Kleinen und mir. Nichts hatte mit dir zu tun." "Das ist das persönlichste Gespräch, das wir jemals geführt haben, Dad." Er legte einen Finger unter ihr Kinn, damit sie ihn direkt ansah. "Als ich dich letzte Woche auf dem Boden liegen sah und du dich nicht mehr bewegt hast, habe ich Todesangst ausgestanden. Mir fiel ein, dass ich dir nie gesagt habe, was für ein gutes Mädchen du bist. Eine gute Tochter. Eine gute Mutter. Deine Mutter, Gott hab sie selig, wäre stolz auf dich." Leslie wischte eine Aktenmappe vom Schreibtisch, als sie aufsprang und sich in seine Arme warf. Wie wenig vertraut ihr eine solche Umarmung war! Das Knarren seines Ledergürtels versetzte sie zwar in die Kindheit zurück, aber an eine solche Zärtlichkeit konnte sie sich nicht erinnern. Dabei war es so schön und tröstlich. "Ich liebe dich, Dad." Er tätschelte ihr verlegen den Rücken. "Ich dich auch."
"Mein ganzes Leben wird sich heute Abend ändern", sagte sie leise und lehnte den Kopf an seine Schulter. "Ganz gleich, wie es ausgeht - alles wird sich ändern." "Zum Guten oder zum Schlechten?" "Ich lasse es dich wissen." Sie wischte sich über die Augen, als sie sich von ihm löste. "Danke. Du hast keine Ahnung, wie sehr ich das gebraucht habe ... wie sehr ich dich gebraucht habe." "Du hättest eine Frau im Haus gebraucht. Ich habe zugelassen, daß du keine Kleider tragen und nicht mit Puppen spielen wolltest. Und du warst nur mit Jungen befreundet." "Wäre Mom da gewesen, hätte das nichts geändert. Ich hätte nur gesehen, wie eine Ehe wirklich verläuft." "Sie war schon etwas Besonderes, deine Mutter. Schön und süß. Aber du warst vom ersten Tag an ein Teufelsbraten." Ihr Partner steckte den Kopf zur Tür herein. "Hey, Les, wir haben einen Einsatz." "Komme sofort, Mack." Sie küsste ihren Vater auf die Wange. "Wir werden von jetzt an mehr Zeit zusammen verbringen." "Sehr gern." Sie sah ihm lächelnd nach. Er hielt sich gerader und ging strammer. In drei Monaten wurde er fünfundfünfzig und wollte sich zur Ruhe setzen. Vielleicht konnte sie sich als Kupplerin ... "O'Keefe!" "Komme!", rief sie zurück und war dankbar, dass sie bis zum Ende der Schicht etwas zu tun hatte. Ein Schritt nach dem anderen, dachte sie. Immer einer nach dem anderen. Die Aufzugstüren öffneten sich, und Ben stand vor ihr. Davon hatte sie in den letzten Wochen geträumt, und so weit wurden sie wahr. Allerdings umarmte Ben sie nicht, küsste sie auch nicht, bis sie nicht mehr denken konnte, trug sie nicht ins
Schlafzimmer und machte ihr keinen Heiratsantrag, während er sie aufs Bett legte. Träumerin. "Gib mir deine Jacke", sagte er. Sie ließ sich von ihm helfen, nur damit er in ihre Nähe kam. Er betrachtete stirnrunzelnd ihre Waffe. "Ich lege sie ab", versicherte sie und wollte die Handschellen dazulegen. Er hielt ihre Hand fest. "Lass es! Ist schon gut so." Was meinte er damit? "Hast du Hunger?", fragte er und führte sie ins Wohnzimmer. "Eigentlich nicht." Allerdings duftete es verlockend nach Essen. Überrascht stellte sie fest, dass Ben Jeans trug. Kam er nicht direkt aus seinem Büro? "Möchtest du ein Glas Wein?" "Nein, danke." Sie setzte sich aufs Sofa. Was hatte er vor? Wein, Essen, Sex und dann erst die Aussprache? "Aber trink du nur." "Nicht, wenn du nichts nimmst." Hätte er doch wenigstens gelächelt und irgendwie angedeutet, was er wollte. Doch er stand bloß da und betrachtete sie. Sie hielt den Blick gesenkt. "Ich bin schwanger." Als er nicht antwortete, sah sie hoch. Er schob die Hände in die Gesäßtaschen. "Wie ist das möglich?" "Heute ist der vierundzwanzigste Tag." "Weihnachten also." "Ja", flüsterte sie und schloss die Augen. Das schönste Weihnachtsgeschenk, das ich jemals bekommen habe. "Es tut mir Leid." "Wirklich?" "Für dich tut es mir Leid, nicht für mich." Sie legte die Hand auf ihren Bauch. "Ich liebe dieses Kind jetzt schon." Er senkte für einen Moment den Blick. "Ist alles in Ordnung? Ich meine - wegen dieses Zwischenfalls?"
"Ja." Bist du so ruhig, wie du wirkst? "Du hasst mich jetzt, ja? Ich wusste es!" Sie schlug die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus. Ben sah sie bei dieser typisch weiblichen Reaktion fassungslos an. So hatte er sie noch nie erlebt. Er setzte sich zu ihr, um sie zu trösten und ihr zu sagen, wie glücklich er war. Jetzt war alles einfach. Sie würden heiraten und wieder eine Familie bilden. Diesmal für immer. Nun brauchte er Les nicht mehr zu überreden. Sie überraschte ihn noch mehr, indem sie sich ihm in die Arme warf. Er beruhigte sie, weil diese Aufregung nicht gut für das Kind sein könnte. Für ihr gemeinsames Kind. Ein Weihnachtswunder, das aus Liebe entstanden war. Er zog Leslie fester an sich - aus Liebe. Nachdem sie sich endlich beruhigt hatte, kniete er sich vor sie hin, um ihr besser ins Gesicht zu schauen. Leslie sah mitleiderregend aus. In diesem Moment empfand er eine unbeschreibliche Zärtlichkeit für sie. Wie hatte er ohne sie leben können? "Ich liebe dich", sagte er mit so viel Gefühl, wie er konnte, um sie von seiner Ehrlichkeit zu überzeugen. "Ich will keinen einzigen Tag mehr von dir getrennt sein, Les. Ich möchte aus ganzem Herzen, dass du - wieder - meine Frau wirst. Ich will den Rest meines Lebens damit verbringen, das wieder gut zu machen, dich und Erin für das zu entschädigen, was ich euch durch meine Dummheit angetan habe." Sie schniefte. "Ich war dumm." Er legte die Hände an ihre Wangen. "Ich war es. Mir war die Beziehung zu dir nicht so wichtig wie mein Erfolg. Ich hätte meine Karriere nicht über meine Familie stellen dürfen. " "Ich bin stolz auf dich", flüsterte sie. "Ich bin sehr, sehr stolz." Er küsste sie auf die Stirn. "So viel Zeit wurde verschwendet, Leslie. Ich habe so viele Jahre verstreichen lassen."
"Wir beide, nicht du allein. Und vielleicht musste das so sein. Möglicherweise hätte es geklappt, wenn wir uns nicht so jung kennen gelernt hätten. Kann sein, dass wir erst einmal reifer werden mussten, um wieder zueinander zu kommen." "Heirate mich, Les!" Erneut stiegen ihr Tränen in die Augen. "Das sagst du nur wegen des Kindes. Letzten Endes wirst du mich wie beim ersten Mal hassen." Er stand auf und zog sie mit sich hoch. "Ich sage es, weil ich dich liebe. Und das Kind. Und Erin. Das Schicksal schenkt uns eine zweite Chance. Versäumen wir sie nicht, Les. Wir haben ein ganzes Leben vor uns, in dem wir uns bemühen werden, miteinander glücklich zu bleiben, komme was kommen will." "Einiges werden wir ändern müssen." "Gut, wir werden vieles ändern." "Du sagst das so einfach." Er legte die Arme um sie und liebte es, wie sie sich an ihn schmiegte. "Es ist nicht einfach, das ist mir klar. Trotzdem können wir es schaffen. Ich habe mir einiges ausgedacht, damit ich mehr daheim bin. Ich wäre auch bereit, einen Kompromiss einzugehen, wo wir leben - nicht hier, aber auch nicht im alten Haus. In einer neuen, etwas besseren Umgebung. Das haben wir uns verdient. Heirate mich!" "Ich hasse es, dass wir heiraten müssen." "Lieber Himmel, Les!" Seine Geduld war erschöpft. Er führte sie ins Schlafzimmer, in dem Kerzen brannten und ein Feuer im Kamin knisterte, vor dem ein Tisch für zwei gedeckt war. Mitten drauf stand eine große Vase mit den schönsten Blumen. "Ich liebe dich", wiederholte er. "Was immer du letzte Woche zu mir gesagt hast, war richtig. Ich habe die Scheuklappen abgenommen. Du bist tüchtig und stark und eine ebenbürtige Partnerin. In den letzten Tagen wanderte ich wie ein Verlorener durch Seattle und habe dich vermisst. Ich habe dich gebraucht. Und ich habe endlich begriffen, dass ich dich nicht pausenlos
beschützen kann. Das gilt auch für Erin. Ich kann nur mein Bestes geben. Und das alles hier..." Er deutete um sich. "Dieser Erfolg bedeutet nichts, wenn du ihn nicht mit mir teilst. Vielleicht habe ich mich nach oben gearbeitet, weil ich es brauchte, aber dabei dachte ich stets an dich." Er sah Leslie an, dass sie noch immer unsicher war. Seine sorgfältig ausgedachten romantischen Pläne waren geplatzt. Trotzdem nahm er eine Kette ab, die er um den Hals gehängt hatte. Daran hing Leslies Ehering - und ein Diamantring. "Beim ersten Mal konnte ich mir das nicht leisten", erklärte Ben, öffnete die Kette und ließ beide Ringe in seine Hand gleiten. Die Kette steckte er ein, den Diamantring hielt er hoch. "Vielleicht habe ich dir deshalb nie einen Heiratsantrag gemacht. Das entschädigt dich jetzt hoffentlich." "Ich liebe dich", flüsterte sie. "Ich liebe dich so sehr! Aber ich werde meine Arbeit nur dann aufgeben, wenn ich es so will, Ben." Er lachte, weil er schon damit gerechnet hatte. "Darüber habe ich viel nachgedacht, Tiger. Mir ist eines klar geworden. Wenn ich möchte, dass Erin einmal in ihrer Arbeit tüchtig, unabhängig und glücklich wird, wäre es heuchlerisch von mir, für dich nicht dasselbe zu wollen." "Ich behalte mir auch das Recht vor, meine Meinung zu ändern", fügte sie hastig hinzu. "Nicht weil meine Arbeit gefährlich ist, sondern weil es auch sehr wichtig ist, Mutter zu sein." "In Ordnung." Ihre Augen schimmerten feucht. "Das ist für uns beide schon eine große Veränderung. Wir hatten uns gegenseitig keinen Raum zur Entwicklung zugestanden." "Jetzt machen wir es." Als er ihr den Ring auf den Finger schob, sah sie sich um.
"Du hast das alles schon geplant", stellte sie endlich erstaunt fest. "Es spielte keine Rolle ..." "Dass du unser Kind erwartest? Nein, Les, es war nicht ausschlaggebend, sondern eine sehr, sehr hübsche Zugabe." Er zog einige Blumen aus der Kristallvase auf dem Tisch und hielt sie ihr unter die Nase. "Orangenblüten, das Symbol ewiger Liebe, der Ehe und der Fruchtbarkeit. Unser Schicksal hoffentlich." Leslie lächelte unter Tränen. "Ich werde dich nicht wieder als selbstverständlich betrachten", versprach er und legte eine Hand auf ihren Leib, in dem sie ihr gemeinsames Kind trug. "Ich dich auch nicht." "Du hast mir noch nicht geantwortet. Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich liebe dich. Willst du mich heiraten?" "Von diesem Augenblick habe ich geträumt", flüsterte Leslie und streichelte seine Wange. "Und wie lautete in deinem Traum die Antwort?" "Natürlich ja." Sie lachte über seine Ungeduld. "In meinem Traum und in Wirklichkeit. Ja! Ja! Ja! Für alle Tage unseres Lebens." "Und alle Nächte." Ben küsste sie sanft und hingebungsvoll. "Ich habe dich verloren, Les, aber endlich habe ich zu dir zurückgefunden." Sie lächelte strahlend. "Dein Herz hat dich geführt."
EPILOG "Ich kann nicht glauben, dass Gabe niemandem verraten hat, wohin er geht", sagte Ben zu Cristina und sah wieder auf die Uhr. "Die Zeremonie soll in fünf Minuten beginnen." "Er wollte gleich zurückkommen", versicherte Cristina gelassen. "Er wird die Hochzeit schon nicht versäumen. Aber Leslie lässt sie platzen, wenn du nicht Punkt zwei Uhr beginnst." Ben sah sich im Wohnzimmer des Penthouses um. Alle, die ihnen wichtig waren, hatten sich eingefunden - Chase und Tessa, Hugh, Erin, Cristina ... nur Gabe fehlte. Er war rechtzeitig eingetroffen, doch dann hatte sein Handy geklingelt, und daraufhin war er wieder verschwunden. Im Hintergrund spielte eine Harfinistin. Gabe hätte gewusst, von wem die hübsche Melodie war. Denn Ben hatte keine Ahnung. Da er eine perfekte Hochzeit für eine perfekte Braut haben wollte, hatte er die Vorbereitungen einer Spezialfirma übertragen. Er selbst hatte Leslies Brautstrauß bestellt und die Flitterwochen arrangiert. Was alles andere anging, fühlte er sich selbst wie ein Gast. Als sich die Tür des Aufzugs öffnete, war er zuerst erleichtert und dann verblüfft. "Sebastian!", rief er. "Sebastian ist hier!"
Alle drängten dem Mann entgegen, der auf Krücken aus dem Aufzug trat. Ben eilte seinem Freund entgegen und drückte ihn an sich. Wunderbar! Jetzt waren sie vollzählig. "Verdammt schön, dich zu sehen", sagte Ben und warf Gabe einen dankbaren Blick zu. "Les wird außer sich vor Freude sein. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Sebastian! Ich kann es noch nicht glauben, dass du da bist." "Es war schlimm genug, die Hochzeiten von Chase und Gabe zu versäumen. Diese konnte ich nicht auch noch verpassen." Die anderen begrüßten ihn ebenfalls. Ben sah ihm an, wie sehr er sich zusammennahm, um seine Gefühle nicht zu zeigen. "Ich möchte gern die Braut sehen", sagte Sebastian an Ben gewandt. "Sie wartet im Schlafzimmer." Ben begleitete ihn durch das Wohnzimmer. "Ziemlich schwierig, nicht wahr?", fragte er mit einem Blick auf die Krücken. "Ja." "Wie bist du hergekommen?" Endlich lächelte Sebastian. "Gabe hat mich in einem Wäschereiwagen versteckt." Ben lachte, wurde aber sofort wieder ernst. "Es ist riskant, dass du hier bist." "Ich gehe morgen zurück. Ich kann nicht einmal meine Eltern besuchen. Das wage ich nicht, weil wir jetzt wissen, dass Grimes mich noch immer sucht. Tut mir Leid, Ben, dass Les verletzt wurde." "Sie wäre die Erste, die sagt, dass es nicht deine Schuld ist. Wie lange musst du dich noch verstecken?" "Ich wünschte, ich könnte dir diese Frage beantworten. Wir suchen noch immer nach Beweisen. Grimes hat sich gut abgesichert. Erst einmal konzentriere ich mich darauf, gesund zu werden."
Die Schlafzimmertür öffnete sich, und Carly kam heraus. "Was verzögert denn... Sebastian!" Sie deutete auf sein langes Haar. "Ist diese wilde Frisur der neueste Schrei?" "Scharfzüngig wie immer." "Hey?", rief Leslie aus dem Schlafzimmer. "Ich möchte heute noch heiraten!" Sebastian stieß die Tür auf und warf einen Blick in den Raum. "Also, wo hast du sie versteckt?" "Sebastian!" Er hob abwehrend die Hand, als sie auf ihn zueilen wollte. "Du bist nicht Leslie Sullivan O'Keefe. Du kannst es nicht sein. Leslie Sullivan O'Keefe trägt nie Kleider, schon gar keine hübschen Spitzenkleider." Mit Tränen in den Augen umarmte sie ihn. "Ach, Sebastian, du hast mir so gefehlt!" "Gib her", sagte Carly und nahm ihm die Krücken ab. "Leslie kann dich stützen." Leslie drückte den Freund an sich und war glücklich, sich mit eigenen Augen von seinem Zustand überzeugen zu können. "Du bist wieder daheim! Das ist das schönste Hochzeitsgeschenk." "Daheim", wiederholte er heiser. Stunden später näherte sich die Party dem Ende. Hugh brachte Erin nach Hause. Zum Abschied verlangte sie von ihren Eltern, dass sie ihr so schnell wie möglich einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester verschafften. Die beiden versicherten, sie würden sich sehr bemühen, ihre Wünsche zu erfüllen. Die noch verbliebenen Gäste saßen auf dem Sofa und in Sesseln. Leslie betrachtete sie der Reihe nach. Chase hatte die Arme um Tessa gelegt und hielt die Hände schützend über ihren Leib. Gabe spielte mit Cristinas Haar und zog manchmal ihre Hand an die Lippen oder drückte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Er wirkte glücklich. Sebastian war verändert - zu still und offensichtlich immer noch zu zornig.
Chase, Gabe, Sebastian und Ben. Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr gehörten sie zu ihrem Leben. Gemeinsam hatten sie gestritten und diskutiert, und sie hatten einander unterstützt und geliebt. Das Leben hatte sie oft getrennt, doch im Herzen waren sie einander verbunden geblieben. Und nun gehörten die beiden Frauen, die in die Gruppe eingeheiratet hatten, bereits voll dazu. Carly. Wie ein ausgesetztes Kätzchen hatte sie den Weg in ein Heim gefunden, in dem sie willkommen war. Trotzdem wagte sie kaum, es als ihr Zuhause zu betrachten. Bisher hatte sie in ihrem Leben noch nicht viel gehabt, auf das sie hätte bauen können. "Wir müssen aufbrechen, wenn wir unsere Maschine bekommen wollen", sagte Ben zu Leslie. "Verrätst du mir, wohin wir fliegen?" "Auf dem Flughafen bekommst du es zu hören." "Ich weiß nicht, ob es mir gefällt, dass du ein Romantiker geworden bist", meinte sie seufzend. "Heute Nacht wird es dir gefallen", flüsterte er ihr zu. Alle bis auf Sebastian standen auf. "Bist du bereit?", fragte Gabe ihn. "Ich bin erschöpft", antwortete Sebastian. "Ben, wenn du nichts dagegen hast, möchte ich die Nacht hier verbringen. Ich bin nicht wild auf noch eine Fahrt in einem Wäschereiwagen." "Kein Problem. Du kannst mein Schlafzimmer nehmen. Bettwäsche und Handtücher wurden heute Morgen gewechselt." "Aber ich hab dir eine Krankenschwester verschafft. Sie wartet aber bei uns daheim", erinnerte Gabe Sebastian. "Ich kann bei ihm bleiben." Alle sahen Carly an. Leslie unterdrückte ein Lächeln. "Ich bin Krankenschwester", sagte Carly direkt an Sebastian gewandt. "Das heißt, fast. Ich bin noch immer in der Ausbildung." Leslie fühlte die Spannung zwischen den beiden.
"Tu, was du willst", sagte Sebastian endlich, nach außen hin gleichmütig. "Das tue ich immer." Leslie hakte Carly unter und zog sie mit sich. "Weißt du auch, was du da machst?" "Ich kann mit ihm umgehen, Leslie. Und er braucht, was ich ihm geben kann." Die Frischvermählten, lässig in Jeans gekleidet, verabschiedeten sich. Keine Konfetti, kein Reis, keine Blütenblätter. Ben zog Leslie im Aufzug an sich und küsste sie leidenschaftlich. "Ich mache mir Sorgen, weil Carly und Sebastian die ganze Nacht allein sind." "Die zwei sind erwachsen, Les." "Aber beide sind sehr verletzlich." "Es könnte für sie gut sein." "Oder auch nicht." "Ich glaube, du brauchst Ablenkung", stellte er fest, schob einen Finger durch ihren Gürtel und zog. "Hier? Jetzt? Der Fahrer ..." "Kann durch die getönte Trennscheibe nichts sehen und hören." "Aber bis zum Flughafen ist es nicht weit und ..." "Ist das eine Herausforderung, Tiger?" Sie spielte mit den Knöpfen an seinem Hemd und lächelte. "Wohin machen wir die Hochzeitsreise?" "Ins Paradies, Mrs. O'Keefe, direkt ins Paradies." Und Ben O'Keefe war ein Mann, der sein Wort hielt.
-ENDE